Doma Vaquera - Brigitte Millan-Ruiz - E-Book

Doma Vaquera E-Book

Brigitte Millan-Ruiz

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Beschreibung

Iberische Arbeitsreitweisen erfreuen sich momentan, vor allem in Form der Working Equitation, immer größerer Beliebtheit. Als Kernstück dieser Arbeitsreitweisen kann die Doma Vaquera angesehen werden. Diese traditionelle Reitkunst der spanischen Hirten entwickelte sich aus der täglichen Arbeit mit Rindern und Stieren auf dem Lande. Diese gefährliche Arbeit erforderte neben einem engen Vertrauensverhältnis zwischen Pferd und Reiter, auch harmonisches und feines Reiten mit minimaler Hilfengebung. Die heutige Doma Vaquera erfährt ihre Bedeutung unter anderem als Turnierdisziplin in Spanien in Form einer anspruchsvollen Dressur, die Harmonie, Eleganz, Leichtigkeit und Dynamik vereint.

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Brigitte Millán-Ruiz

Doma Vaquera

Schritt für Schritt zur spanischen Arbeitsreitweise

Inhaltsverzeichnis

Cover

Impressum

Vorwort: Doma Vaquera zwischen gestern und heute

Die Entwicklung der Doma Vaquera

Historischer Rückblick

Der Ursprung: Die Jineta, Reitkunst der Krieger

Der Alltag: Die Arbeit im Feld

Die Kunst: Der Rejoneo - Stierkampf zu Pferd

Die Doma Vaquera heute

Tradition und Fortschritt

Acoso und Derribo: Praxis und Sport

Der Rejoneo - heidnisches Ritual oder Reitkunst in Vollendung?

Der Wettbewerb: Doma Vaquera als Turnierdisziplin

Das Doma Vaquera Pferd

Das Erscheinungsbild des idealen Doma Vaquera Pferdes

Die äußere Form

Die inneren Werte

Die Entwicklung der Pferdetypen für den Einsatz in der Doma Vaquera

Die Ausstattung des Doma Vaquera Pferdes

Einige Äußerlichkeiten: Schweif und Mähne des Doma Vaquera Pferdes

Die traditionelle Ausstattung des Vaqueropferdes

Die Satteltypen

Der Spanische Sattel - silla espanõla

Der Vaquerosattel - silla vaquera

Zäumung und Zügel

Die Spanische Kandare

Die Serreta: geniale Ausbildungshilfe oder Marterinstrument?

Die Doma Vaquera und andere Reitdisziplinen

Generelle Grundlagen der Ausbildung

Die Gänge des Pferdes und ihre Verwendung in der Doma Vaquera

Der Schritt

Der Trab

Der Galopp

Die Hilfen des Reiters

Art und Wirkung der Zügelführung

Die halbe Parade

Doma Vaquera und Westernreiten: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Die Ausbildung des Doma Vaquera Pferdes

Grundausbildung

Die Arbeit an der Longe

Die Basisarbeit des gerittenen Pferdes

Anreiten und Anhalten

Die Grundgangarten

Handwechsel

Ecken, Wendungen und Zirkel

Seitliches Biegen

Übergänge und Verstärkungen

Die Parade

Rückwärtsrichten

Die Arbeit im Gelände

Die Arbeit im Galopp

Zirkelverkleinern - Zirkelvergrößern

Der Außengalopp

Weiterführende Übungen

Die Seitengänge

Vorderhandwendung

Schenkelweichen

Ganzer Travers und Traversale

Pirouetten und Vaquerawendungen

Pirouette auf der Vorderhand

Pirouette auf der Hinterhand

Halbe Vaquerawendung im Schritt

Halbe Vaquerawendung im Galopp

Ganze Vaquerawendung im Galopp

Letzte Perfektion im Galopp

Fliegende Galoppwechsel

Beschleunigung, Verkürzung, Wendung und erneute Beschleunigung im Galopp

Beschleunigung und plötzliche Parade

Rückwärtsrichten und Anreiten im Sprintgalopp

Das Reglement der Doma Vaquera Turniere

Die Turnierordnung

Das Viereck

Die Richter

Die Kleidung des Reiters

Die Ausrüstung des Pferdes

Die Vorstellung von Reiter und Pferd

Der Gruß

Die Haltung der Zügel

Die Ausführung der Übungen im Viereck

Die allgemeine Bewertung von Reiter und Pferd

Die Prüfungskategorien

Aufgaben für Doma Vaquera Turniere

Klasse 1: Junge Pferde, leichter Schwierigkeitsgrad

Klasse 2: Pferde aller Kategorien, mittlerer Schwierigkeitsgrad

Klasse 3: Pferde aller Kategorien, hoher Schwierigkeitsgrad

Die Tradition der Vaquerobekleidung

Die Kleidung der Frau

Nachwort: Ein Plädoyer für die Tradition

Ein herzliches Dankeschön

Literaturverzeichnis

Copyright © 1998 by Cadmos Verlag

Satz und Gestaltung:

Ravenstein Brain Pool, Völkersen

Umschlagfoto: Peter Müller, mit freundlicher Genehmigung der ANCCE, Sevilla Fotos: Rafael Lemos

Zeichnungen: Gabriele Wagner

Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Ausdrucke oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach schriftlicher Erlaubnis durch den Verlag.

ISBN Print 978-3-86127-329-2

ISBN Epub 978-3-8404-6167-5

ISBN Kindle 978-3-8404-6168-2

Die Doma Vaquera ist in erster Linie eine Arbeitsreitweise, geprägt durch die Notwendigkeit, die Rinder im freien Feld unter Kontrolle zu halten.

Vorwort: Doma Vaquera zwischen gestern und heute

Fragt man außerhalb Spaniens jemanden nach der „spanischen Reitweise“, erhält man meist die ziemlich unsichere Beschreibung eines aus verschiedensten Elementen zusammengesetzten Reitstils. Dinge wie Sattel, Zäumung und die Tracht des Reiters spielen ebenso eine Rolle im Bewußtsein des Mitteleuropäers wie die augenscheinliche Leichtigkeit des spanischen Reitens an sich. Die Beine des Reiters befinden sich nur locker am Pferd, kein Riegeln vorne, kein krampfhaftes Treiben von hinten: durch fast unsichtbare Gewichtshilfen, ein leichtes Kontaktnehmen des Zügels mit dem Hals des Pferdes, ja fast nur durch einen Gedanken „zaubert“ der Spanier mit seinem Pferd die unglaublichsten Lektionen.

Darüberhinaus sind auch Aufgaben wie Passage, Spanischer Schritt und Kompliment oder sogar Hinknien und Sitzen fest im „iberischen Verständnis“ der hiesigen Reiter verankert.

Reiten im bequemen Sattel, Kontrolle des Pferdes durch bloße Gewichtsverlagerung, ein absolut gehorsames Pferd als Partner und all das vor dem Hintergrund des spanischen Lebensgefühls und seiner Tradition: dies klingt reizvoll und verleitet so manchen Freizeitreiter zu einem „spanischen Traum“, dem Traum nämlich, als Alternative zu der „trockenen, lehrbuchhaften Schulreiterei“ sein Pferd „iberisch“ auszubilden.

Der Wunsch, der vielfach hinter dieser Vorstellung steht, ist, ein leichtrittiges Pferd zu besitzen, das mit seinem Reiter über andeutungsweise Hilfen kommuniziert und vom Reittier zum Partner wird.

Bei manchen Reitern ist es vielleicht aber bloß der Wunsch, die harte Ausbildungsarbeit der klassischen Dressur zu umgehen und auf dem Weg des (wie sie glauben) geringeren Widerstandes zu einem guten Reiter auf einem guten Pferd zu werden.

Reiter mit dieser Intention werden auch von der spanischen Reiterei bitter enttäuscht werden, denn harte Arbeit, viel Geduld und ein jahrelanger Ausbildungsweg sind auch hier die Voraussetzungen für perfekte Harmonie von Reiter und Pferd.

Bevor wir uns nun auf den Weg zu der Verwirklichung des „spanischen Traumes“ machen, muß jedoch ein allgemeines Begriffschaos geklärt und einiges zu spanischer Reittradition im allgemeinen gesagt werden. Allzugroß sind die Mißverständnisse, die sich in den vergangenen Jahren zumindestens im deutschsprachigen Raum, mehr oder weniger jedoch in den meisten europäischen Ländern breit gemacht haben (Spanien natürlich ausgenommen!).

Das hierzulande sehr beliebte „iberische Reiten“ ist ein Mischstil, der, zum größten Teil auf der Basis der spanischen Doma Vaquera entstanden, doch viele Anleihen aus der akademischen Reiterei und anderen Reitweisen entnahm.

Auch wenn die „Doma clásica“ oder klassische Dressur im Sinne der Hohen Schule ihren Ursprung ebenfalls auf der iberischen Halbinsel hat, so ist doch ihre Lehre von der Tradition der Doma Vaquera grundlegend verschieden.

Während die Doma Vaquera in erster Linie eine Arbeitsreitweise ist, deren Elemente aus der Notwendigkeit entstanden, den Rindern in freier Wildbahn die (über-) lebensnotwendigen Reaktionen abzufordern, stellt die akademische Reiterei (Doma alta) eine Reitform dar, deren Purismus in erster Linie an den Höfen der Aristokratie gepflegt wurde. Reiten um seiner selbst willen, das perfekt ausgebildete Pferd als Kunstwerk, so sahen die Junker und Edelmänner des barocken Europas den Sinn des Reitens.

Kein Vaqueropferd im ursprünglichen Sinn lernte Lektionen wie Piaffe oder Passage. Dennoch verlangten ihnen ihre täglichen Aufgaben einen derart hohen Versammlungsgrad ab, daß sie (bei Bedarf) auch diese Aufgaben mit Leichtigkeit erlernten.

Dieser Tatsache begegnet man im Rejoneo, dem berittenen Stierkampf, wo den Elementen der Doma Vaquera unbeirrt das Prunkgehabe der Gangarten hoher Schule wie eben Passage oder Spanischer Schritt sowie Spanischer Trab hinzugefügt wird.

Das heißt: Gemischt werden Stilelemenente der beiden Reitweisen auch in Spanien (also traditionellerweise beim Rejoneo oder modern bei den Turnieren der Doma Vaquera). Dennoch scheint es notwendig, die Reinheit der Stile bis zu einem gewissen Grad zu verteidigen und zu unterstützen.

Genausowenig wie ein Westernreiter den Lektionen von Piaffe und Passage einen besonderen Stellenwert in der Ausbildung seines Pferdes einräumt, sah der ursprüngliche spanische Vaquero Einser-Changements im Galopp oder Spanischen Schritt als wichtigste Lektion seines Pferdes, ganz zu schweigen von den diversen Elementen der Zirkus- oder Showreiterei wie Knien, Sitzen oder Kompliment, die auch in Spanien jeglicher Tradition in der Gebrauchsreiterei entbehren. Sie sind als Spielerei, als schmückendes Beiwerk zu interpretieren, die in der Beschäftigung mit dem Pferd sicherlich ihren Wert haben. Falsch jedoch ist es, diese Lektionen als Elemente einer eigenen Reitlehre zu sehen, die als „spanisch“ oder „iberisch“ bezeichnet wird.

Nimmt man nun das Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Buches und konzentriert sich auf die Reihenfolge der Übungslektionen, so wird so mancher Leser befremdet seinen Kopf schütteln. Lesen sich doch die Überschriften der Übungen wie das Einmaleins der „normalen, klassischen Dressur“: Biegungen, Seitengänge, Wendungen, Tempounterschiede und anderes mehr.

Um zu verstehen, wie diese Übungen entstanden sind, muß man sich zuallererst mit der Geschichte der Doma Vaquera ein wenig auseinandersetzen. Nur der Blick auf das ursprüngliche Wesen dieses Reitstils, seine Ausbildungselemente und deren Veränderung im Laufe der Zeit kann diese Frage beantworten.

Die Traditionen der heutigen Doma Vaquera wurzeln im Spanien des ausgehenden 17.Jahrhunderts. Die zahlreichen Rinderherden Südspaniens, die ganzjährig frei in den Hügeln und Ebenen Andalusiens weideten, wurden betreut und gelenkt durch berittene Hirten. Der Reitstil dieser Hirten und ihre Ausrüstung war karg und schmucklos. Er entwickelte sich anhand der Gegebenheiten ihrer Arbeitswelt und hatte keinen Platz und keine Zeit für überflüssigen Firlefanz.

Vaqueros durchqueren mit ihrer Herde einen der zahlreichen Wasserläufe in den Marismas Südandalusiens.

Die Wurzeln der Doma Vaquera sind sicherlich in der sogenannten Jineta zu suchen, der Reitweise der berittenen Kriegertruppen, die schon vor etwa 2000Jahren auf der iberischen Halbinsel kämpften.

Viele Elemente dieser antiken Kampfreiterei wie schnelle Spurts, plötzliche Stops und rasante Wendungen waren auch für die Arbeit mit den Rinderherden äußerst nützlich und wurden für diese übernommen und weiterverwendet.

Die Ausbildung eines Vaqueropferdes erstreckte sich über Jahre, wobei unter Ausbildung kein Trainingsprogramm im heutigen Sinn verstanden werden darf. Das junge Pferd hatte Zeit, an der Aufgabe selbst zu wachsen, „learning by doing“, wie man im Englischen sagt.

Bei Tagesanbruch sattelte der Vaquero sein Pferd und verbrachte viele Stunden damit, daß er seiner Herde folgte, die Tiere beobachtete, das eine oder andere versprengte Rind zur Herde zurückleitete, ihnen bei der Überquerung eines Wasserlaufes half und vieles mehr. Das Pferd wurde schrittweise an die Arbeiten mit den Rindern herangeführt, indem es sie ausführte und durch die Anwesenheit anderer, weiter ausgebildeter „Pferdekollegen“ Vertrauen und Sicherheit gewann.

Auf diese Weise wuchsen Pferd und Reiter in einem heute kaum mehr nachvollziehbaren Maße zusammen.

Diese Tradition der Weidereiterei ist auch in Spanien in unseren Tagen stark rückläufig. Schnelle Allradautos erleichtern die Arbeit, und die Zahl der großen Rinderherden hat sich drastisch reduziert.

Das Doma Vaquera Pferd unserer Tage wird im Picadero, der Reitbahn, angeritten und nach genau festgelegten Regeln ausgebildet. Viele dieser exzellent ausgebildeten Vaqueropferde sehen jedoch in ihrem Leben keine einzige Kuh: sie demonstrieren ihr Können „rein theoretisch“ im Rahmen eines der vielen, nationalen Doma Vaquera Turniere, die in Spanien veranstaltet werden.

In diesen Tu rnieren werden die ursprünglichen Aufgaben der Vaqueros und ihrer Pferde in traditioneller Ausrüstung und in zum Teil stark stilisierter Form wettbewerbsmäßig vorgestellt (vergleichbar vielleicht den Turnieren der Westernreiter). Diese Entwicklung kann und muß, auch wenn den Traditionalisten dabei das Herz bluten mag, durchaus positiv gesehen werden. Der Wettbewerb erhält eine Reitweise und die gesamte mit ihr verbundene Tr adition am Leben, die anderenfalls langsam verschwinden würde.

Wenige Pferdebesitzer unserer Tage (auch nicht in Spanien!) verfügen über Zeit, Ausdauer oder Interesse, ein Pferd in der alten Weise auszubilden. Unsere schnellebige Zeit voller Zwänge und Pflichten verlangt auch in diesen Bereichen nach klaren Richtlinien und nachvollziehbaren Programmen.

Das in diesem Buch vorgelegte Ausbildungsprogramm für ein Doma Vaquerapferd trägt dieser Entwicklung Rechnung.

Es wurde von anerkannten und erfolgreichen Doma Vaquera Reitern Spaniens entwickelt (siehe Bibliografie) und wird in der hier vorgestellten Form tagtäglich in zahllosen Picaderos Spaniens angewendet.

Es zielt darauf ab, dem interessierten Reiter, der nicht über die Kenntnisse der ursprünglichen spanischen Vaqueros verfügt und meist auch nicht mehr deren „horse sense“ besitzt, einen nachvollziehbaren Ausbildungsleitfaden in die Hand zu geben.

Tatsache ist, daß jedes gerittene Pferd, gleich nach welchem Stil es ausgebildet wird (Klassisch, Western, Vaquero oder andere) ein gewisses Maß an Versammlung erreichen muß, um die von ihm geforderten Aufgaben bewältigen zu können.

Die einzelnen Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel gleichen sich in den unterschiedlichen Reitweisen verblüffend. Die Unterschiede liegen im Detail - aber darauf soll später noch ausführlich eingegangen werden.

In seiner Beschäftigung mit der Doma Vaquera wird so mancher Reiter dem spanischen Gedankengut und der spanischen Lebenseinstellung, die durch diese Reitweise ihren Ausdruck findet, vielleicht einen Schritt näher kommen. Doma Vaquera ist nicht nur eine Art zu reiten, sie ist auch ein gutes Stück Philosophie!

Nur zu Pferd war es möglich, die umfangreichen Herden im Auge zu behalten und zu kontrollieren. Ein Vaquero in seiner Alltagskleidung bei der täglichen Arbeit.

Die Entwicklung der Doma Vaquera

Historischer Rückblick

Im Mittelalter gab es in Spanien zwei Reitstile, die auf unterschiedlichen Techniken basierten und auf verschiedene Traditionen zurückzuführen waren. Einer davon war die sogenannte Jineta Reitweise, die andere die sogenannte Brida.

Das Wort Gineta ist mit dem griechischen „zenete“ verwandt, was „leicht bewaffneter Kavallerist“ bedeutet, ein deutlicher Hinweis auf den ursprünglichen Einsatz dieser rasanten Kampfreitweise. Ihre Merkmale waren kürzere Steigbügel, ein leicht angewinkeltes Bein und eine charakteristische Ausrüstung und Reitweise, die im folgenden noch genauer beschrieben werden soll. „Montar a la brida“ bedeutet nichts anderes als „Reiten mit langen Steigbügeln“ und bezog sich in dieser Zeit auf den Reitstil der schweren, gepanzerten Ritter in der Schlacht.

Auch diese Art des Reitens war durch eine sehr spezifische Ausrüstung gekennzeichnet, die in erster Linie auf das Gewicht zurückzuführen war, das die Pferde dieser Epoche zu tragen hatten.

Es gibt Autoren, die diese beiden Reitweisen als Ursprung der heute für Spanien repräsentativen Stile sehen: die Jineta als Ursprung der Doma Vaquera und die Brida als Ursprung der Doma Clasica.

Der Fehler, den diese Autoren machen, liegt meiner Ansicht nach darin, daß sie die geschichtlichen Zusammenhänge verkennen.

Die Jineta wird bereits von den frühen griechischen Reisenden und Schriftgelehrten gepriesen: schon Homer rühmte nach seinem Aufenthalt auf der iberischen Halbinsel die „Zentauren“ und ihre überragende Kampftaktik.

Es werden wohl die spanischen Reitervölker sein, die auf diese Weise Eingang in die griechische Mythologie fanden. Belegt ist, daß die Griechen nach ihrer Besetzung der iberischen Halbinsel um 700v.Chr. die dort praktizierte Technik des Angriffs und Abzugs übernahmen und iberische Streitrosse nach Griechenland und Makedonien verbreiteten.

Die klassische Reitkunst, deren Wiege den Lehren Xenophons zufolge unzweifelhaft in Griechenland steht, basiert also sowohl auf den iberischen Pferden als auch auf der iberischen Reiterei der Antike!

Als in der Renaissance die Kavalleristen durch die Erfindung der Schußwaffen wieder zu der Taktik des Einzelkampfes auf dem Rücken eines wendigen Streitrosses zurückkamen, besann man sich sehr schnell der Kampftaktik der klassischen Antike. Überall in Europa entstanden Reitakademien, in denen die Reiterei auch wieder den Rang einer Kunst erhielt.

Es wäre also höchst verwegen, anzunehmen, daß die klassische Reiterei der Barockzeit auf der mittelalterlichen Brida basiert, wo ihre Wurzeln sich doch bis ins klassische Spanien der Antike zurückverfolgen lassen. Das Reiten „a la brida“ stellt die Reaktion auf ein Zeitphänomen dar, wobei die schweren Schlachtrosse und die fast unmenschlichen Rüstungen der Ritter (ein Kavalleriesoldat in Rüstung wog etwa 160kg!) sowohl die Ausformung der Sättel, Steigbügel, Sporen und Zäumung als auch die steife, unbewegliche Art des Reitens an sich erklärt.

Der Ursprung: Die Jineta, Reitkunst der Krieger

Was war nun das Spezifische dieser in der Geschichte vielgerühmten und bis in unsere Zeit immer wieder diskutierten Jineta?

Wie bereits erwähnt handelte es sich bei dieser Reitart um eine antiken Kriegsreitweise. Die Reitertruppen kämpften in offener Kampfweise, das heißt in weit verstreuten Gruppen, die sich schnell und äußerst wendig bewegten. Dadurch waren sie für den Gegner schwer zu treffen, ja es war fast unmöglich, ihre genaue Zahl zu schätzen, da derselbe Reiter innerhalb kürzester Zeit an verschiedenen Orten auftauchte.

Die Basis für diesen Reitstil stellten eher kleine, agile Pferde dar, die reaktionsschnell, konzentriert und äußerst gehorsam waren sowie über trockene Beine mit harten Hufen verfügten. Hohe Versammlungsfähigkeit und ein bequemer, breiter Rücken dieser Pferde waren Voraussetzung für die rasanten Manöver ihrer Reiter: das erste historisch belegte Einsatzgebiet des bodenständigen Spanischen Pferdes. Dementsprechend taucht in der Literatur bis in unsere Zeit immer wieder die legendäre „Spanische Genette“ (das gutausgebildete Reitpferd) auf, ein Begriff, der zurückgeht auf die Kampfpferde der Antike. Die Ausrüstung des Pferdes bestand aus einem breit aufliegenden Sattel mit hohen Wülsten am Hinter- und am Vorderzwiesel, wobei die Wülste beiderseits weit herabgezogen waren, um einen sicheren Sitz zu gewährleisten. Die Steigbügel waren sehr breit, so daß der ganze Fuß in ihnen Halt fand. Die scharfen Kanten der Bügel unterstützten die Wirkung der Sporen. Gezäumt waren die Pferde auf Kandare, wobei die Kandaren stark gekrümmt und eher dünn waren. Die Steigbügelriemen waren so lang geschnallt, daß das Knie leicht gebeugt war, der Oberkörper wurde gerade gehalten, der Sitz war vollkommen ausbalanciert. Der Reiter war nur mit einem leichten Schild und einer kurzen, zweispitzigen Lanze ausgestattet. Wie schon erwähnt, fand die Jineta bereits etwa 700Jahre vor unserer Zeitrechnung Eingang in das Kulturgut der Griechen.

Als dann, etwa 500Jahre später, römische Legionen im Zweiten Punischen Krieg mit der Reitkunst der iberischen Reitertruppen konfrontiert wurden, begannen sie, aufs höchste beeindruckt durch die Beweglichkeit und Geschicklichkeit der Spanischen Pferde, ihre Strategien zu überdenken. Im Laufe der folgenden zweihundert Jahre übernahmen sie nicht nur die Kampftaktiken der Spanier, sondern auch deren Bewaffnung und Pferde. Das Spanische Pferd genoss als Streitross der Römer so hohes Ansehen, daß sein charakteristisches Profil (die Ramsnase) im Englischen bis in unsere Tage als „Römernase“ bekannt ist. Der Jineta-Stil blieb auch in der Zeit der Besetzung Spaniens durch die Mauren (711-1492n.Chr.) fast unverändert erhalten. Die Tatsache, daß dieser Reitstil schon viele Jahrhunderte vor der Eroberung Spaniens durch die arabischen Heere bestand, widerspricht der Legende von den arabischen Reitern, die den Iberern angeblich ihre atemberaubende Reiterei beibrachten.

In dieser Zeit kann man ein interessantes Phänomen beobachten, das sich in der Geschichte immer wieder ereignete: die Tatsache, daß die Jineta nicht trotz, sondern geradezu wegen der maurischen Invasion bestehen blieb. Die über sieben Jahrhunderte hinweg andauerndern Bestrebungen der Spanier, sich von der Maurenherrschaft zu befreien, führten dazu, daß die christlichen Ritter (wie der legendäre El Cid) die reiterliche Tradition ihrer Vorväter weiterführten, weil sie wie keine andere in das zerklüftete und schwierige Gelände Spaniens paßte.

Darüberhinaus waren die Mauren von der spanischen Reitweise und dem iberischen Pferdetyp derart beeindruckt, daß sie zahlreiche Gestüte in Südspanien gründeten und den Großteil ihrer Armee mit dem bodenständigen Pferd beritten machten. Die unter der Herrschaft der „christlichen Könige“ nun folgende Friedenszeit auf dem Kontinent bewirkte, daß die Verwendung der Jineta sich in Spanien auf andere Gebiete verlagerte. Die Eroberung der Neuen Welt freilich eröffnete den spanischen Reitern und ihrer Reitkunst ein völlig neues Gebiet. Davon soll später noch die Rede sein.

Seit jeher lebten Pferde und Rinder im Mündungsdelta des Guadalquivir Seite an Seite. Die Menschen lernten bald, das Pferd für ihre Zwecke, nämlich die Aufgabe des Rinderhütens einzusetzen.

Der Alltag: Die Arbeit im Feld

Der tatsächliche Zeitpunkt, ab dem die Doma Vaquera als Arbeitsreiterei auf der Iberischen Halbinsel zum Einsatz kam, wird von keinem der historischen oder zeitgenössischen Autoren festgelegt. Um uns der Entstehung dieser ursprünglichen Reitweise anzunähern, müssen wir bedenken, daß seit jeher Rinder und Pferde in den Marismas (Sümpfen) des südlichen Andalusiens friedlich koexistierten. Das weitverzweigte Mündungsdelta des Guadalquivir mit seinen saftigen Weiden bot die ideale Umgebung für die Aufzucht sowohl von Rindern als auch von Pferden. Die enge Beziehung, in die die Doma Vaquera stets mit dem Rejoneo gesetzt wird, ist sicherlich berechtigt, doch ist der ursächliche Zusammenhang ein anderer als dies üblicherweise dargestellt wird.

Eine wichtige Station im jahreszeitlichen Ablauf der Weidearbeit ist das Destete, das Absetzen der Kälber von den Muttertieren.

Die Kälber werden mittels einer Schlinge von ihren Müttern getrennt und in eine Jungrindherde gebracht.

Der simple Grund, warum Menschen seit dem beginnenden Neolithikum (Jungsteinzeit) Rinder hielten, war weniger die Gewinnung von Milch und deren Produkten als die Tatsache, daß Rinder Fleisch, Fett und Leder bedeuteten. Fleisch wurde für die Ernährung des Spätsteinzeitmenschen benötigt, Fett gab die Basis für Licht und Wärme, und das Leder wurde zu Kleidung und Zeltplanen verarbeitet. Zu Fuß war das Verfolgen und Überwachen der Rinderherden in den riesigen Weideländern ein Ding der Unmöglichkeit. Was also lag näher, als sich der Hilfe jenes Tieres zu bedienen, das in der Wildnis so friedlich mit den Rindern zusammenlebte? Das Pferd stellte sich als idealer Arbeitspartner des Menschen heraus, die Art und Weise, auf die das Pferd zu zähmen und zu reiten war, ergab sich aus den Anforderungen, die von den Rinderherden an die Hirten gestellt wurden.

Es scheint gewagt zu sein und entbehrt bis dato des historischen Belegs, doch ist es so verwegen, anzunehmen, daß die Doma Vaquera, die Hirtenreiterei in ihrer ursprünglichen Form, sogar die Grundlage der Jineta bildete? Erstes Ziel des Menschen, im südlichen Spanien wie auch überall sonst in der Welt war das Überleben. Die Rinder sicherten den Menschen dieses Überleben während eines langen Zeitraumes. Die Kriege kamen später. Die im Weidealltag erworbenen Kenntnisse der Reiterei brachten den Iberern in der Antike einen entscheidenden Vorteil in dieser neuen Periode der Reitkunst. Der berittene Stierkampf entstand wiederum später, in jenen Zeiten, in denen die Römer die iberische Halbinsel besetzt hielten. Er stellt die Kunstform der Reitkünste Iberiens dar und zeigt Elemente sowohl aus Jineta als auch aus Doma Vaquera.

Zur dominierenden Reitweise Spaniens entwickelte sich die Doma Vaquera in jener Zeit ab 1700, als Philippe d´Anjou den spanischen Thron bestieg und den Stierkampf zu Pferd verbot. Damit blieb den Spaniern aller Klassen und Stände nur mehr die Arbeitsreiterei, die daraufhin bis ins Detail ausgefeilt und gepflegt wurde.