Dressur für Gangpferde - Kirsti Ludwig - E-Book

Dressur für Gangpferde E-Book

Kirsti Ludwig

4,8

Beschreibung

Die Gangpferdeszene befindet sich im Umbruch. Der über die Hand aufgerichtete Tölter, mit Unterhals und weggedrücktem Rücken, wird zunehmend kritisch betrachtet. Dieses Buch erklärt, wie Sie fernab von Hilfszügeln und Rollkur zu lockeren vier Gängen über den Rücken gelangen. Es gewährt zudem Einblicke in pferdegerechtes Rennpass - und Piaffetraining für Gangpferde. Aufgrund seiner Gangveranlagung und meist geringen Größe verlangt ein Gangpferd noch akribischere Grundlagenausbildung als andere Pferde. Wirklich lockere, taktklare und ausdrucksstarke Gänge setzen einen tragfähigen Rücken voraus. Auch Tölter kann man über den Rücken und in Beizäumung reiten. Sie können anspruchsvolle Lektionen wie Traversalen oder Piaffe lernen. Der reelle Weg dahin führt über die Dehnungshaltung. Sie befähigt das Pferd nicht nur einen Reiter gesund zu tragen, sie ist auch der Wegbereiter zur kraftfreien Geraderichtung. Eine nicht behobene natürliche Schiefe wirkt sich, neben gesundheitlichen Problemen eklatant auf die gesamte Skala der Ausbildung aus. Der Trab geht verloren, der Galopp gelingt nur noch auf einer Hand oder die Piaffe bereitet Schwierigkeiten. Kirsti Ludwig zeigt, wie Reiterfehler speziell Gangpferde beeinflussen und gibt Tipps, wie Sie Ihren Tölter korrekt dressurmäßig ausbilden: von der Dehnungshaltung zum Traumtölt - im Freilauf, an der Longe und unter dem Sattel.

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Kirsti Ludwig

DRESSUR

FÜR GANGPFERDE

Von der Dehnungshaltungzum Traumtölt

Haftungsausschluss

Die Autorin, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab.

In diesem Buch sind einige Reiter abgebildet, die ohne splittersicheren Kopfschutz reiten. Dies ist nicht zur Nachahmung zu empfehlen! Achten Sie immer auf die entsprechende Sicherheitsausrüstung für sich selbst: feste Schuhe und Handschuhe bei der Bodenarbeit sowie Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls Sicherheitsweste beim Reiten.

Impressum

Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: r2 | Ravenstein, Verden

Titelfoto: Claudia Schön

Fotos im Innenteil: Claudia Schön, wenn nicht anders angegeben

Zeichnungen: Susanne Retsch-Amschler

Lektorat der Originalausgabe: Claudia Weingand

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nachvorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6171-2

INHALT

Vorwort von Brigitte Karmus

Einleitung

Haltung und Ausrüstung von Gangpferden

Die Haltung

Schlafplätze schaffen

Korrekte Fütterung

Hufe gut, alles gut

Die Ausrüstung

Reitplatz und Gelände

Grundsätzliche Überlegungen

Die Trageerschöpfung

Flucht nach vorn

Erste Warnsignale

Äußere Haltung als Weg zum inneren Gleichgewicht

Relative Aufrichtung

Grundlagen der Ausbildung

Die Bedeutung der Stellung

Die Bedeutung der Dehnungshaltung

Dehnung strengt an

Auf der Vorhand?

Das richtige Training für jedes Energieniveau

Die Skala der Ausbildung

Der Takt

Taktkiller absolute Aufrichtung

Die Losgelassenheit

Die Anlehnung

Die Anlehnung prüfen

Der Schwung

Die Geraderichtung

Die natürliche Schiefe

Kriterien

Auswirkungen auf das Reiten

Was haben Pferde mit Einkaufswagen zu tun?

Wie richte ich ein Pferd gerade?

Die Versammlung

Schonendes Training

Vorbereitung am Boden

Übertreten an der Hand

Gewusst, wie!

Von der Freiarbeit zum Longieren

Longieren und Freiarbeit im Round-Pen

Die Einhaltung der Gangarten

Die Anlehnung

Tempounterschiede

Das Durchparieren

Der Handwechsel an der Longe

Geraderichten und Lösen an der Longe

Tipps für die steife Seite

Die Hilfen

Die Gewichtshilfen

Die Gewichtsverteilung

Die Schenkelhilfen

Das richtige Timing

Die Bügellänge

Die Zügelhilfen

Parieren und stellen

Die Stimmhilfen

Sinnvoller Gerteneinsatz

Fair zu faulen Pferden

Reiten in allen Gangarten

Der Schritt

Wichtige Entspannungsphasen

Der Trab

Gymnastizierung im Trab

Der Galopp

Häufige Probleme

Schonendes Galopptraining

Durchparieren aus dem Galopp

Der Tölt

Das Tempo bestimmen

Korrekte Linien

Beispiele aus dem Unterricht

Der Rennpass (Gereon Wimmer)

Unterschied zum Schweinepass

Abläufe und Geschwindigkeit

Voraussetzungen

Der Weg zum Rennpass

Fehlerquellen

Fünf Fragen zu Sinn und Unsinn der Piaffe (Natalie Huttarsch)

Wann piaffiere ich das Pferd an?

Welche Vorbereitung ist nötig?

Das Rückwärtsrichten

Die Hilfengebung

Nutzen für den Tölt

Die Seitengänge

Das Schenkelweichen

Hilfengebung

Das Übertreten

Hilfengebung

Das Schulterherein

Hilfengebung

Das Konterschulterherein

Travers und Renvers

Voraussetzungen

Hilfengebung

Häufige Probleme

Nachwort: Pferdeausbildung ist Arbeit an sich selbst

Literaturverzeichnis

VORWORT

von Brigitte Karmus

Brigitte Karmus

„Von der Dehnungshaltung zum Traumtölt“ – was für ein schöner Titel für ein Buch über Gangpferdereiten! Vor meinem inneren Auge sehe ich Tölter in natürlicher Aufrichtung und mit tragendem Rücken, stolzen, wachen Augen, in denen sich die Weite und Freiheit ihrer ursprünglichen Heimat widerspiegelt. Ich sehe diese elastische Welle, die vom wippenden Schopf bis zur Schweifspitze durch das ganze Pferd federt.

Und traurig frage ich mich heute immer öfter: Wo ist diese Welle geblieben, die mir von meinen ersten Töltversuchen bis zum heutigen Tag als der Gradmesser für den reinen Takt immer hilfreich zur Seite stand?

Vor allem in der gehobenen Sportreiterei ist der saubere Takt nicht mehr oberstes Ziel. Honoriert wird hohe Spannung mit extremen Bewegungen. Die Blicke sind auf die Vorhand fixiert. Taktklaren Tölt zu reiten, ist eine reiterliche Herausforderung und sollte auf Wettkämpfen entsprechend belohnt werden. Die Islandpferdeszene ist momentan eher rückläufig, immer mehr Reiter wenden sich vom Turniersport ab, was bei der heutigen Materialschlacht nicht verwundert. Die jetzige Regel, ein Plus für sauberes Reiten zu vergeben, bringt nichts, wenn es nicht in der Note zum Ausdruck kommt.

Anatomisch richtiges Reiten und pferdegerechte Ausbildung soll für jeden Reiter das Ziel sein – aus Respekt gegenüber diesem liebenswerten Geschöpf, dem Islandpferd, das uns mit seiner Freundlichkeit und Vielseitigkeit, seinem unermüdlichen Arbeitseifer und besonderer Gangveranlagung so viele glückliche Stunden beschert. Wir stehen in seiner Schuld!

EINLEITUNG

„In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung und sorgt für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen, Hilfen.Was immer du kannst – beginne es. Kühnheit trägt Macht, Genius, Magie. Beginne jetzt.“

Johann Wolfgang von Goethe

Gemeinsam durch dick und dünn: die Autorin und ihre Islandpferdestute Blika frá Stora-Hofi.

Ich sitze in Portugal auf meinem riesigen Bett, noch ganz erfüllt von der letzten Reitstunde heute. Ein mächtiger brauner Hengst trug mich, begleitet von klassischer Musik, durch Galopppirouetten. Wunderbar!

Dennoch freue ich mich nach dieser Woche im Süden auf daheim. Auf meinen Lusitano Brilhante, aber mindestens ebenso auf Blika, meine Islandstute. Auch wenn mich Neugier und Wissensdrang zur klassischen Dressur führten, ist die Islandpferdereiterei mein Ursprung, hier fühle ich mich zu Hause.

Die edle Eleganz Brilhantes lässt mich ganz Prinzessin sein, Blikas Ursprünglichkeit befriedigt meinen Freiheitsdrang. Wer einmal auf einem sprudelnden Tölter einen Feldweg entlanggesaust ist, weiß, warum es unter Islandpferdereitern heißt: „Wer will schon galoppieren, wenn er tölten kann?“ Fliegen ist definitiv nicht schöner. Aber auch ein erhabener Galopp oder das Gefühl eines in der Piaffe tanzenden Pferdes können glücklich machen.

Egal, was man mit seinem Pferd erreichen möchte: Es gibt eine ganze Welt zu entdecken zwischen Schub- und Tragkraft und all den dazwischenliegenden Nuancen. Gutes Reiten ist nie einfach. Ein Westernpferd fein auszubilden ist ebenso aufwendig wie die Ausbildung eines Grand-Prix-Pferdes. Die korrekte Gangpferdeausbildung möchte ich, vielleicht ein bisschen provokant, als „Königsdisziplin“ bezeichnen. Denn die Herausforderung wächst mit jeder zusätzlichen Gangart. Es kann im Training eines Gangpferdes Momente geben, in denen eine Gangart leidet oder sogar ganz verloren geht. Das ist vergleichbar mit einem Zauberwürfel: Bastelt man verstärkt an der roten Seite herum, ist plötzlich die blaue verschwunden. Aufs Pferd übertragen heißt das: Konzentriert man sich verstärkt auf den Tölt, kann es passieren, dass der eigentlich sicher geglaubte Trab verloren geht.

Fast jedes Kind hat in seiner Verzweiflung schon einmal versucht, die Farbaufkleber auf dem Würfel woandershin zu kleben oder ihn gewaltsam auseinanderzunehmen, um ihn „richtig“ wieder zusammenzubauen. Dass das nicht klappt, wird ihnen schnell klar. Am Pferd funktioniert Manipulation noch weniger als beim Zauberwürfel. Selbst die Würfel verkraften das nicht, sie tragen irreversible Schäden davon. Das Überspringen einer Ausbildungsstufe oder der Versuch, etwas mit Gewalt zu erzwingen, endet beim Pferd ähnlich.

Ganz gleich, ob in der Pferdeausbildung oder am Zauberwürfel: Unsachgemäße Manipulation ruft immer irreversible Schäden hervor.

Der kaputte Zauberwürfel wird weggeworfen. Manchen Pferden ergeht es leider nicht anders. Das Pferd ist aber kein Spielzeug oder Sportgerät und wir haben die Verantwortung für dieses Lebewesen übernommen. Wir müssen für vernünftige Haltung und Ausrüstung sorgen und es so reiten, dass es gesund bleibt. Hier gilt der Spruch: „Die Dressur ist für das Pferd da, nicht das Pferd für die Dressur.“

Der „Gangpferdereiter“ ist, durch die Gangveranlagung und durch die relativ geringe Größe der meisten Gangpferde, dazu gezwungen, sich überdurchschnittlich viele Gedanken über die Gymnastizierung zu machen. Ein fester kurzer Stock biegt sich sehr viel schwerer als eine lange dünne Rute. Nur mit behutsamster Dehnung wird die Biegung gelingen, ohne dass er zerbricht. Analog verhält es sich beim Pony. Gut ist: Das Bewusstsein für diese Zusammenhänge wächst. Die Gangpferdeszene befindet sich im Umbruch. Waren Losgelassenheit und Haltung der Pferde früher unwichtig, solange diese vorn nur mächtig strampelten, werden nun Vorstellungen mit Unterhals und festem Rücken auch auf Turnieren zunehmend kritisch bewertet. Das Ideal eines durchs Genick über den Rücken gerittenen Pferdes tritt in den Vordergrund.

Aufgrund von Hilflosigkeit, Unwissenheit, Ignoranz oder auch Profitgier wird aber leider teilweise versucht, diesem Ziel mittels wenig pferdegerechter Methoden näherzukommen. So hat auch in der Gangpferdeszene die Rollkur Einzug gehalten. Ich hoffe, mit diesem Buch andere, pferdegerechtere Wege zu Ihrem ganz persönlichen Traumpferd aufzeigen zu können.

HALTUNG UND AUSRÜSTUNGVON GANGPFERDEN

Nur mit einem ausreichend langen Zügel kann sich das Pferd ungehindert bis zum Boden dehnen.

DIE HALTUNG

Die meiste Zeit des Tages verbringen unsere geliebten Vierbeiner im Stall und auf der Weide. Sie sollten also ein möglichst optimales Umfeld schaffen, damit Ihr Pferd mental und körperlich fit fürs Reiten ist. Das Gros der Gangpferde steht in Offenstallhaltung. Diese muss allerdings mit Sachverstand betrieben werden. Die Herdenzusammensetzung muss stimmen. Die Gruppen sollten klein sein, es sollte wenige Pferdewechsel geben, die Futterbedürfnisse müssen zusammenpassen und für jedes Pferd muss genügend Platz vorhanden sein auch für die Rangniedrigsten.

SCHLAFPLÄTZE SCHAFFEN

In der Robustpferdehaltung häufig noch zu wenig Rechnung getragen wird dem Schlaf- und Liegebedürfnis der Pferde. Sicher halten es unsere Isländer aus, im Matsch oder auf nackten Stallmatten zu liegen. Doch richtig schlafen und erholen können sie sich so nicht – keine gute Voraussetzung, um gesund zu bleiben oder gar etwas zu leisten. In der April-Ausgabe 2012 der Zeitschrift „Mein Pferd“ berichtet die Tierärztin Dr. Natalie Steidele über die Ergebnisse eines Versuchs, bei dem eine Gruppe von Pferden auf unterschiedlichen Untergründen beim Schlafen beobachtet wurde. Auf Stroh lagen die Pferde 129, auf Sägemehl 95, auf den blanken Matten vier und mit etwas Einstreu darauf immerhin 29 Minuten. Das Ergebnis spricht für sich.

KORREKTE FÜTTERUNG

Ein großes Problem stellen immer wieder auch zu lange Fresspausen dar. Pferde sind „Dauerfresser“; in freier Natur fressen sie rund 18 Stunden am Tag. Ihr Verdauungssystem gerät durcheinander, wenn sie mehr als vier Stunden nichts im Magen haben. Faustregel: Füttern Sie täglich mindestens 1,2 Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm Lebendgewicht. Vorsicht vor der Fütterung von Silage und Heulage, besonders bei Ekzemern. Die enthaltenen Histamine (allergieauslösend) führen zu Übersäuerung im Körper. Einige Pferde kommen damit klar, andere leiden unter Kotwasser oder Koliken. Rittigkeitsprobleme wie Triebigkeit können übrigens auf Magenprobleme hindeuten. Entgegen der landläufigen Meinung brauchen auch Robustpferde Kraftfutter. Je höher die Leistungsanforderungen werden, desto mehr benötigen sie – auf entsprechend viele Portionen verteilt. Lassen Sie sich dazu vom Tierarzt oder Futterexperten beraten.

HUFE GUT, ALLES GUT

Im direkten Zusammenhang mit Gesundheit und Rittigkeit steht die Hufbearbeitung. Gegenden mit harten, steinigen Böden verlangen einen Schutz. Das Argument der Barhufvertreter, Hufeisen seien nicht natürlich, ist meines Erachtens nicht haltbar. In dem Fall wäre es konsequent, aufs Reiten zu verzichten: Reiten ist nicht natürlich. Nutze ich das Pferd als Reittier, muss ich dafür sorgen, dass es mich schmerzfrei tragen kann.

Nicht wenige Isländer, bei denen gern von harten Hufen ausgegangen wird, legen eine gewisse „Klemmigkeit“ erst mit Plattenbeschlag ab. Erst dann machen sie den Rücken „auf“ und finden zum lockeren Tölt. Jahrelange Gymnastizierung hätte diese Fühligkeit durch mangelnden Hufschutz nicht wettmachen können. Gute Alternative zum Beschlag sind Hufschuhe.

Alvar geht hier aufgrund des zu kurzen Zügels deutlich hinter der Senkrechten. Um ein korrektes Vorwärts-abwärts zu gewährleisten, müsste sich die Reiterin nach vorn lehnen und damit ihren Sitz aufgeben.

Für einen lockeren Tölt spielt auch das Tempo und der Charakter des vierbeinigen Ausreitpartners eine Rolle.

DIE AUSRÜSTUNG

Eine andere häufige Baustelle ist der Sattel. Passt er nicht oder wird er zu weit hinten aufgelegt, kann das Training nicht die entsprechenden Früchte tragen. Zwickt es von oben, ist weder Kraftaufbau noch Losgelassenheit möglich. Das Pferd wird den Rücken niemals aufwölben. Wenden Sie sich daher an einen qualifizierten Fachmann.

Ein weiterer zu wenig beachteter Zusammenhang besteht zwischen dem Einrollen einiger Pferde und den in der Islandpferdeszene so beliebten bunten kurzen Plastikzügeln. In der Aufwärmphase soll ein Pferd die Nase bis auf den Boden strecken dürfen. Haben die Zügel aber nicht die ausreichende Länge, bekommt es jedes Mal einen Ruck im Maul, wenn es sich strecken möchte. Es zieht sich zurück und weicht nach hinten-unten aus. Das Pferd lernt, dass das Dehnen an die Hand unangenehm wird. Bei zu kurzen Zügeln gerät der Reiter außerdem in Vorlage und stört so das Gleichgewicht des Pferdes.

Wählen Sie für Ihren Isländer also besser einen handelsüblichen Warmblutzügel, auch wenn es diesen (noch) nicht in Pink gibt. Dafür gibt es noch einen Grund: Die lustigen Plastikzügel sind fast immer mit Karabinern am Zügelende ausgestattet. Sie bringen mehr Unruhe in die Anlehnung als Lederzügel mit Lederverbindungen. An einen schlackernden Zügel tritt kein Pferd gern heran.

REITPLATZ UND GELÄNDE

Neben der Ausrüstung entscheiden auch die äußeren Bedingungen über die Qualität der Arbeit. Gangpferde reagieren oft äußerst sensibel auf die Qualität des Bodens. Schon ein kaum sichtbares Gefälle des Platzes kann zu erheblichen Problemen führen und sie aus dem Takt bringen. Offensichtlich wird dies im Galopp. Im Islandpferde-Turnierbereich ab Sport-B-Niveau hat es außerdem durchaus Vorteile, zum Training eine Ovalbahn zur Verfügung zu haben.

Was Sie vielleicht nicht wussten: Auch die Wahl des Ausreitpartners beeinflusst Ihr Training. Häufig reiten zwei Freundinnen ständig miteinander aus, obwohl die Pferde vom Tempo her nicht zusammenpassen. Gerade der Tölt leidet dadurch schnell. Ist das vorauslaufende Pferd zu schnell, wird das Dahinterliegende nur im Pass mithalten können. Genauso negativ für die Entwicklung eines temperamentvollen Tölters ist, wenn dessen Reiter ihn dauernd bremsen muss.

GRUNDSÄTZLICHEÜBERLEGUNGEN

DIE TRAGEERSCHÖPFUNG

Islandpferde gelten als Gewichtsträger. Das bedeutet, dass sie scheinbar aufgrund von Körperbau und Zucht geeignet sind, mit relativ viel Gewicht auf dem Rücken klarzukommen. Ein mit einer breiten Brust, ordentlich Röhrbeinumfang und einem kurzen stabilen Rücken ausgestattetes Islandpony vermag sicherlich mehr zu leisten als ein schmales Welshpony. Aber wie viel? Generell besteht die Meinung, dass eine Grenze von 90 Kilogramm Reitergewicht nicht überschritten werden sollte. Manche Quellen geben das maximale Reitergewicht sogar mit 10 bis höchstens 14 Prozent des Pferdegewichts an. In der Praxis müssen die Ponys oft mit deutlich mehr Gewicht klarkommen. „Das macht denen nichts aus“, heißt es immer. Woher will man das wissen?

FLUCHT NACH VORN

Es lohnt sich, hier einmal genauer hinzusehen. Nicht selten stellten sich verzweifelte Bemühungen, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, als der eigentliche Grund für anscheinend unendliches Temperament heraus. Dem aufmerksamen Betrachter scheint es teilweise wie der Versuch der Ponys, einem zu hohen Reitergewicht durch Flucht zu entkommen. Pferde sind Fluchttiere, sie flüchten vor Schmerzen. Bezeichnenderweise erweisen sich als brandgefährlich verschriene Pferde als lammfromm, sobald ein Kind auf ihnen sitzt. Dies mag sicher zum Teil daran liegen, dass Kinder von ihren Pferden nicht so viel verlangen wie Erwachsene; keinesfalls dürfen aber die Augen vor dem Umstand verschlossen werden, dass zu hohes Reitergewicht dem Pony Schmerzen bereitet.

Die Physiotherapeutin und mehrfache Buchautorin Tanja Richter hat sich ausgiebig mit den Auswirkungen der „Trageerschöpfung“ beschäftigt. Die Essenz ihrer Erfahrungen: Pferde, die zu häufig, zu lange, von zu großen oder zu schweren Reitern in gesundheitsschädigender Haltung mit unpassendem Sattel oder klemmendem Sitz geritten werden, tragen erhebliche gesundheitliche Schäden davon.

ERSTE WARNSIGNALE

Erste Ermüdungsanzeichen sind: unwilligeres Antraben als zu Beginn der Einheit sowie zunehmende Schwierigkeiten beim Abwenden und Biegen. Nehmen Sie diese Zeichen wahr, lassen Sie die Einheit sanft ausklingen. Gerade Remonten können von einem Moment auf den anderen erschöpft sein. Unterschätzen Sie nicht, welch ein gewaltiger Kraftakt es gerade für ein untrainiertes oder junges Pferd ist, einen Reiter zu tragen. Tanja Richter beschreibt in einem Artikel, erschienen 2012 in der 10. Ausgabe des Magazins „Piaffe“, wie bei der Trageerschöpfung der Brustkorb mit dem Rücken des Pferdes nach unten absackt. Es sind nur wenige Millimeter bis Zentimeter, in der Regel vom Besitzer nicht bemerkt. Dies reicht aber aus, dass die Wirbelgelenke eng aufeinandergedrückt werden und schmerzen. Das untere Längsband an den Wirbelkörpern wird überspannt und droht schlimmstenfalls zu reißen: eine bedrohliche Situation für die Wirbelsäule!

Das Pferd muss etwas unternehmen, damit es nicht noch weiter nach unten absackt. Aufgrund der Blockierungen kann es den Rumpf aber nicht mehr anheben. Es verspannt seine Brust- und Bauchmuskeln stark. Durch zu hohes Reitergewicht riskiert man außerdem Kurztrittigkeit der Hinterhand mit steifer Gangmechanik und Spat als Folge.

Zu viel Gewicht und das Reiten von vorn nach hinten führen zu einem verspannten Rücken, der Hankenbeugung unmöglich macht. Die Pferde treten mit geradem Bein hinten hinaus, beim Auffußen gibt das Fesselgelenk nach. (Zeichnung: Susanne Retsch-Amschler)