Duty & Desire – Vorsätzlich verliebt - Tessa Bailey - E-Book
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Duty & Desire – Vorsätzlich verliebt E-Book

Tessa Bailey

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Beschreibung

Die Polizeiakademie bereitet sie auf alles vor. Nur nicht auf die Liebe ... Charlie und Ever sind Freunde mit gewissen Vorzügen. Für Charlie ist dieses Arrangement perfekt. Als angehender Cop investiert er jede freie Minute in sein Training, eine Beziehung würde immer nur an zweiter Stelle stehen. Deshalb lässt er sich erst gar nicht auf etwas Ernstes ein. Ever ist daher das Beste, was ihm passieren konnte. Nur leider streicht sie plötzlich die gewissen Vorzüge, um nach dem Richtigen zu suchen. Verdammt! Irgendwie muss sie sich doch überzeugen lassen, dass sexy Nicht-Dates mit Charlie besser sind als echte Dates mit irgendwelchen langweiligen Schnöseln. Notfalls auch mit kreativen Mitteln … Sexy, humorvoll, emotional: Der Auftakt der Duty&Desire-Trilogie um drei Polizeirekruten in New York.

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Tessa Bailey

Duty & Desire – Vorsätzlich verliebt

Roman

Aus dem Englischen von Christiane Meyer

Über dieses Buch

Liebe ist (k)ein Verbrechen …

 

Charlie und Ever sind Freunde mit gewissen Vorzügen. Für Charlie ist dieses Arrangement perfekt. Als angehender Cop investiert er jede freie Minute in sein Training, eine Beziehung würde immer nur an zweiter Stelle stehen. Deshalb lässt er sich erst gar nicht auf etwas Ernstes ein. Ever ist daher das Beste, was ihm passieren konnte. Nur leider streicht sie plötzlich die gewissen Vorzüge, um nach dem Richtigen zu suchen. Verdammt! Irgendwie muss sie sich doch überzeugen lassen, dass sexy Nicht-Dates mit Charlie besser sind als echte Dates mit irgendwelchen langweiligen Schnöseln. Notfalls auch mit kreativen Mitteln …

 

Sexy, humorvoll, emotional: der Auftakt der Duty&Desire-Trilogie um drei Polizeirekruten in New York.

Vita

Tessa Bailey, aufgewachsen in Kalifornien, studierte am Kingsborough Community College und an der Pace University in New York. Sie lebt noch heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der amerikanischen Metropole. So ist es wenig verwunderlich, dass auch ihre Duty&Desire-Trilogie in der Stadt, die niemals schläft, spielt. Mit diesen drei Romanen bringt die Autorin frischen Wind ins New-Adult-Genre: Statt wie üblich am College sind die drei Geschichten an der Polizeiakademie von New York angesiedelt.

Tessa Bailey hat bereits über zwanzig Romane veröffentlicht und stand mehrfach auf den Bestsellerlisten der New York Times und der USA Today. Mit ihrer Duty&Desire-Trilogie erscheint sie nun erstmals bei KYSS by Rowohlt Polaris.

Kapitel 1

Charlie

Das People Magazine wird mich in nächster Zeit wohl nicht zum Sexiest Man Alive küren, also übe ich mich bei Frauen nicht in Geduld. Wenn ich eine sehe, die mir gefällt, ergreife ich die Gelegenheit. Und zwar schnell. Bevor irgendein Idiot mit zu viel Gel im Haar mir zuvorkommt.

Ein paar Dinge habe ich schließlich zu bieten. Erstens: Meine Nase ist zweimal gebrochen, ich habe nur alle paar Tage Zeit, mich zu rasieren, und ich bin stark wie ein Bulle. Wenn ich also mit einem Mädchen die Straße entlanggehe, wagt es keiner, sich an sie ranzumachen oder ihr dummzukommen. Zweitens: Ich bin unglaublich tüchtig, clever, zupackend. Ich sehe ein Problem und löse es, denn es stört mich nicht, mich richtig reinzuhängen. Das ist auch deshalb gut, weil ich eine Ausbildung bei der Polizei von New York City mache. In der Jobbeschreibung steht, dass man mit allem möglichen Mist fertigwerden muss. Drittens: Ich gehe nicht mit zahllosen Mädchen aus. Aber wenn ich mal eine ins Bett bekomme, dann weiß ich sehr genau, was ich tun muss.

Das ist keine Angeberei. Ich weiß, wie man aufmerksam ist. Und für diese Gabe bin ich dankbar.

Und verdammt.

Da wir gerade von Dankbarkeit sprechen … Der Typ da oben muss wohl Mitleid mit uns Kerlen auf der Erde gehabt haben, als er die Blondine erschaffen hat, die in diesem Moment den Hairy Monk betritt, einen Pub in der Lower East Side, wo ich zusammen mit meinen Freunden Jack und Danika diesen regnerischen Nachmittag verbringe. Ich will gerade einen Schluck aus der Flasche alkoholfreien Biers nehmen, als ich mitten in der Bewegung erstarre und wie gebannt beobachte, wie die blonde Frau ihren Regenmantel auszieht und ihren Regenschirm ausschüttelt. Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass es ihr Körper ist, der mir zuerst an ihr auffällt. Ich bin ein Mann im sexuell gesehen besten Alter – und mit dem «sexuell gesehen besten Alter» meine ich, dass ich praktisch den ganzen verdammten Tag lang geil bin. Unter ihrem Mantel versteckt sich ein sexy Rock. Ihr Look verfehlt seine Wirkung bei mir nicht, denn ihre Beine sind wie zwei Stangen Dynamit, und ich bin mehr als bereit, in der Explosion zu sterben.

Doch ihr Gesicht ist es, das mich umhaut.

Wow. In meinem Magen ist plötzlich ein Knoten. Das ist ungewöhnlich. Ich trainiere sechs Tage die Woche an der Polizeiakademie, und ich esse wie ein Scheunendrescher. Mein Magen ist eigentlich alles andere als empfindlich. Aber das Gesicht dieses Mädchens … Es kommt mir fast so vor, als würde ich sie irgendwie kennen. Allerdings sind wir uns bestimmt noch nie begegnet. Denn daran würde ich mich mit Sicherheit erinnern. Ich hätte sie um ein Date gebeten – wahrscheinlich sogar darum gebettelt.

Das ist noch einer meiner Charakterzüge. Mir fehlt es nicht an Selbstvertrauen.

Ja, jeder Typ hier im Laden – inklusive meines Kumpels Jack – checkt sie gerade ab, aber ich wette, dass keiner die Eier in der Hose hat, zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Was ist nur mit den Männern heutzutage los, dass sie den Frauen die ganze schwere Arbeit überlassen? Haben sie Angst vor Zurückweisung? Im schlimmsten Fall sagt sie mir, ich soll mich verpissen, zeigt mir ihren Ehering oder tut so, als wäre sie taub. Ich würde es als Lektion fürs Leben verbuchen, mein Stolz intakt, weil ich wenigstens mutig genug war, es zu probieren.

«Denk nicht einmal daran», sage ich zu Jack und nehme endlich einen Schluck von meinem Bier. «Sie gehört mir. Was dich betrifft, ist sie unsichtbar.»

Jack grinst wie ein besoffener Pirat in sein Whiskeyglas. Um ehrlich zu sein, sieht er eigentlich ständig so aus. Wie ein besoffener, verpeilter Pirat. Und doch laufen ihm die Frauen scharenweise nach – als würde er Freikarten für ein Konzert von Adele verschenken. «Da gibt’s nur ein Problem. Ich bin nicht unsichtbar für sie, Charlie Boy.»

«Zum Glück für euch ist euer Ego unsichtbar», murmelt Danika, die zwischen uns hockt. Danika: Ihren zierlichen Körperbau gleicht sie mit einer großen Klappe aus. «Es spielt keine Rolle, wer von euch sie für sich reserviert. Sie kann genauso gut zu euch beiden sagen, dass ihr euch verpissen sollt.»

Ich schüttele den Kopf und bin immer noch ein bisschen verwirrt wegen des verknoteten Magens. Das blonde Mädchen sitzt inzwischen unter einer Lampe an der Bar und … Gott … Gott! Ihre Augen sind riesig und funkeln vergnügt. Sie scheint Humor zu haben. Und zwar die gute Art von Humor, bei der sie rot wird, wenn sie einen versauten Witz hört, und dann selbst einen noch schmutzigeren erzählt. Als der Barkeeper sie fragt, was sie möchte, wirft sie nicht einmal einen Blick auf die Tafel … Und dann bewegen sich diese unglaublichen Lippen, und meine Hose wird plötzlich eng. «Wenn sie hier jemandem sagt, dass er sich verpissen soll, dann bin das ich.»

Jack lacht leise und klingt dabei schon wieder so, als sollte er eigentlich Kapitän auf einem Schiff mit Piratenflagge sein. «Sieh an. Wenn das nicht die Ich-schaff-das-Einstellung ist, die sie uns auf der Akademie beibringen.»

Der Sarkasmus meines Freundes bleibt mir nicht verborgen. Jeder, der in Kontakt mit Jack kommt, weiß, dass er nicht unbedingt ein begeisterter Rekrut ist. Wann immer er seine Verachtung für die Akademie kundtut, beiße ich mir auf die Zunge, damit ich keine Motivationsansprache halte. Polizist zu werden, ist mein einziger Lebensinhalt und -sinn. Ich lege mich abends ins Bett und träume von der Polizeimarke. Davon, meinen Vater, der Chief ist, und meinen Bruder, der Lieutenant ist, stolz zu machen. Es verwirrt mich, dass mein Freund meine Begeisterung nicht teilt, aber ich habe inzwischen gelernt, meinen Streberstatus unter uns drei Freunden zu akzeptieren.

Jack, Danika und ich wohnen in einem Apartment mit drei Schlafzimmern, das nur ein paar Blocks von hier entfernt ist. Danika und Jack sind seit Kindertagen befreundet. Sie besucht gemeinsam mit uns die Akademie, und sie ist der Grund, warum der sonst nicht allzu ehrgeizige Jack seinen Hintern lange genug ins College geschleppt hat, um sich an der Akademie einschreiben zu können. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mich am ersten Tag an der Akademie als Mitbewohner rekrutiert hat, weil sie der Meinung war, dass ich ihren Kumpel motivieren könnte. Seitdem sind wir drei unzertrennlich. Obwohl wir unterschiedlicher nicht sein könnten und uns gegenseitig in den Wahnsinn treiben.

«Wenn du noch länger wartest, wird jemand anders von Blondie ein ‹Verpiss dich!› zu hören zu bekommen», sagt Jack und gibt dem Barkeeper ein Zeichen, ihm einen Whiskey nachzuschenken. «Worauf wartest du noch?»

«Gute Frage», brumme ich und tippe mit der Flasche gegen meinen Oberschenkel. «Habe ich mich heute rasiert?»

Danika zieht eine ihrer dunklen Augenbrauen hoch. «Das fragst du uns?»

«Ich denke nur laut. Was habe ich an?»

«Guck nach unten und finde es selbst heraus.»

«Ich kann nicht. Sie sieht mich direkt an.» Das tut sie wirklich. Die Freundin, mit der sie gekommen ist, hämmert auf ihrem Smartphone herum und gestikuliert dabei aufgeregt, aber Blondie sieht mich durch die Menge von Knicks-Fans hindurch unverwandt an. Mit dem Strohhalm tippt sie an den Rand ihres Cocktailglases. Der Knoten in meinem Magen hat inzwischen schon selbst Knoten bekommen. «Wenn ich jetzt nachgucke, was ich heute angezogen habe, wird sie wissen, dass ich mich gerade frage, ob ich wohl anständig genug aussehe, um sie anzusprechen. Damit verpufft meine geheimnisvolle Aura.»

«Du vögelst sie gerade mit den Augen. Damit ist das Geheimnis wohl gelöst», sagt Jack gedehnt und nippt an seinem neuen Getränk. «Scheiße, Charlie Boy. Ich habe noch nie mitbekommen, wie du …»

«… zögerst», beendet Danika, die Klügste von uns, den Satz. «Er hat recht. Irgendwie bist du heute anders, irgendwie gehemmt.»

Es stimmt, was meine Mitbewohnerin sagt. Und wenn ich mich nicht bald in Bewegung setze, werden sie mich das hier nie vergessen lassen. Ein Blick auf Jack reicht, und ich kann praktisch sehen, wie die blöden Bemerkungen in seinem Kopf Gestalt annehmen. Was hat dieses Mädchen an sich, das mich zögern lässt, sie anzusprechen?

Klar, ich habe genau genommen keine Zeit für eine Beziehung – weder im Moment noch sonst irgendwann. Diese Tatsache ist in Stein gemeißelt. Wenn überhaupt etwas bei meiner Anmache herumkommt, dann vielleicht ein One-Night-Stand. Ich würde dafür sorgen, dass sie von Anfang an weiß, dass es eine einmalige Geschichte ist. Das ist eine Frage des Respekts. Sie ist möglicherweise nicht an einer lockeren Sache interessiert, doch es ist wohl überstürzt, sich jetzt schon solche Gedanken zu machen, oder? Wir haben uns ja noch nicht einmal unterhalten. Was ist nur los mit meinem Hirn? Und verdammt, sie sieht mich immer noch an. Ich bin nicht sicher, ob einer von uns in den letzten fünf Minuten geblinzelt hat.

Plötzlich jubelt die ganze Bar. Wahrscheinlich haben die Knicks einen Punkt gemacht. Ich nutze die Dynamik, die Bewegung der Menge, um mich endlich durch ein Meer von Trikots und halbleeren Pints zu drängen. Aber dann geschieht etwas Verrücktes, und ich verziehe die Lippen unwillkürlich zu einem Lächeln.

Blondie springt von ihrem Barhocker und kommt mir entgegen.

Ever

Oh, der ist perfekt.

Ich habe einen sechsten Sinn, wenn es um Männer geht, die eigentlich nicht zu haben sind. Dieses Talent ist von Generationen von Geliebten weitergegeben worden – und begonnen hat es mit meiner Ururgroßmutter Babs Carmichael. Sie hat das geschaffen, was ich heimlich das Manifest der Geliebten nenne, auch wenn die Regeln nicht schriftlich festgehalten worden sind. Das wäre geschmacklos. Nein, unsere kleine Überlebenshilfe habe ich verinnerlicht, genau wie meine Mutter.

Die Regeln lauten wie folgt:

 

1. Bleib unabhängig. Dieses Credo ist Gold wert und der Grund dafür, dass unser Lebensstil erfolgreich war und immer noch ist. Wir verlassen uns nur auf uns selbst. Keine Geschenke. Es werden keine persönlichen Informationen ausgetauscht, die zu Verwicklungen führen könnten. Es werden keine Feiertage zusammen verbracht – vor allem nicht Weihnachten und/oder Geburtstage.

2. Die Affäre sollte nie länger als einen Monat dauern. Wir sind nicht aus Stein. Sicherlich benutzen wir Männer, um unsere Bedürfnisse zu befriedigen, aber selbst die unerschütterlichste und emotional distanzierteste Geliebte kann auf Grübchen und gesäuselte Liebesschwüre hereinfallen. Ein Monat heißt, dass man den Mann abserviert, bevor man sich langweilt. Oder sich verliebt. Ein Monat bedeutet, den Mann zu verlassen, ehe er den Schlussstrich zieht.

3. Wähle bloß Männer aus, die eigentlich nicht zu haben sind. Das ist die einzige Regel, die ich leicht abgeändert habe, damit sie passt … Also, damit sie zu mir passt. Während meine Mutter und ihre Vorgängerinnen keine Skrupel hatten, sich mit verheirateten Männern einzulassen, halte ich das für falsch. Für mich sind deshalb Männer, die eigentlich nicht zu haben sind, solche, die mit ihrem Job verheiratet sind. In New York City sind die nicht schwer zu finden. Man muss nur die Straße entlanggehen und wird über einen ehrgeizigen Investmentbanker stolpern, der zu viele Dollarzeichen in den Augen hat, um deine Geheimnisse zu suchen und zu finden. Ich hatte mal eine Affäre mit einem Food-Blogger, der im Rausch der Lust immer etwas von «Unten-ohne-Brunches» und «Cocktail-Paarungen» gemurmelt hat.

 

Tja, der Food-Blogger hat es nicht einmal annähernd bis zur Ein-Monats-Grenze geschafft. Den meisten Männern ist es bisher so ergangen.

Und es ist schon eine Weile her, dass überhaupt jemand mein Interesse geweckt hat. Meine Mitbewohnerin Nina und ich haben unser eigenes Catering-Unternehmen auf die Beine gestellt – Hot Damn Caterers –, also kann ich meine Karriere als Grund vorschieben. Aber eigentlich hat in letzter Zeit einfach kein Mann meinen Affären-Spürsinn prickeln lassen.

Doch der Typ, der gerade von der anderen Seite der Bar zu mir herüberkommt? Er könnte mir gefährlich werden. Und wie.

Was hat dieser Kerl bloß an sich? Er ist weder so gut aussehend noch so schick oder gepflegt wie die Männer, zu denen ich mich normalerweise hingezogen fühle. Denn Männer, denen viel an ihrem Äußeren liegt, sind zu egozentrisch, um sich übermäßig um mich zu kümmern. Dieser Typ hier sieht allerdings so aus, als hätte er sich eine zerschlissene Jeans geschnappt, sich eine Baseballkappe verkehrt herum auf seinen Wuschelkopf gesetzt und zur Stärkung Milch direkt aus der Packung getrunken. Was überhaupt nicht zu seiner durchtrainierten Statur passt. Seine Arme wirken wie zwei Baumstämme, die an seinen Oberkörper montiert sind. Dennoch stellt er sie nicht zur Schau, wie die meisten anderen Kraftsportfanatiker es tun würden. Kein Ehering. Seine Augen sind blau. Es ist ein wunderschönes Blau. Und der Ausdruck in ihnen ist entschlossen. Fokussiert. Viel zu fokussiert.

Ich stolpere ein bisschen, als ich ihm entgegengehe, um ihn auf halber Strecke zu treffen. Funktioniert mein sechster Sinn etwa nicht mehr, weil ich ihn zu lange nicht eingesetzt habe? Vor wenigen Sekunden noch schien seine ganze gehetzte Art geradezu zu schreien, dass er nicht zu haben ist. Er hat ständig auf die Uhr geschaut und dabei an einem O’Doul’s genippt – einem alkoholfreien Bier, wenn ich mich nicht irre. Irgendwie hat er mich an eine Arbeitsbiene erinnert, die die Pflicht ruft. Und jetzt? Jetzt sieht er so aus, als würde er mich gleich über eine seiner starken Schultern werfen und aus der Bar schleppen.

Als ich gerade wieder umdrehen und zurück zu Nina gehen will, sieht Blue Eyes mich kopfschüttelnd an. «Nein, nein.» Er lockt mich mit dem Zeigefinger. «Bring zu Ende, was du angefangen hast.»

Wow. Dieses kleine Erschauern in meiner Magengegend verheißt nichts Gutes. Ich habe eigentlich keine Lust dazu, herumkommandiert zu werden, doch ich ertappe mich dabei, wie ich weitergehe, weil ich mehr von diesem heiseren Bariton hören will.

Es kann ja nicht verkehrt sein, mal zu sehen, ob er den Test der Geliebten besteht.

Oder?

«Ich bin Ever», sage ich und strecke die Hand aus. «Und ich bringe immer zu Ende, was ich anfange.»

«Was würde ich darum geben, dass das ein Versprechen ist, aber es klingt eher nach einer Warnung.» Er ergreift meine Hand, und ein Blitz durchzuckt mich. «Charlie.»

Feuchte Hitze kriecht die Innenseiten meiner Oberschenkel hinauf. Er hält meine Hand noch immer fest, und die Berührung ist so warm, sein Blick so fesselnd und intelligent, dass ich nicht wegschauen kann. Oder weggehen. Was ich eigentlich dringend tun sollte. «Willst du ein Spielchen spielen, Charlie?»

«Ich weiß nicht.» Er drückt meine Hand noch einmal und lässt sie dann los – wobei er fast ein wenig zögerlich wirkt. «Spielen wir gegeneinander oder im selben Team?»

«Ich …» Wieso bringt dieser Typ mich so aus der Fassung? Für gewöhnlich habe ich in Gesprächen mit Männern immer die Oberhand, doch jetzt fühlt es sich fast so an, als … würden wir einander auf die gleiche Art herausfordern. «So habe ich noch nie darüber nachgedacht.»

«Also spielst du das Spielchen öfter?» Er schiebt die Hände in die Taschen seiner zerschlissenen Jeans. «Da wir gerade über Warnungen sprechen, solltest du wissen, dass ich nicht gern verliere. Und wenn zu gewinnen bedeutet, dass du nicht wieder versuchst abzuhauen, ist das der absolute Jackpot.» Er scheint sich zu sammeln, wendet den Blick ab und räuspert sich. «Also, zumindest nicht heute.»

Okay, das war definitiv ein Code für «Ich will nichts Festes!», oder? Falls seine Signale noch widersprüchlicher werden, bekomme ich ein Schleudertrauma. Der Test wird seinen Code allerdings entschlüsseln. Das ist eine todsichere Methode. «Bist du bereit?» Er nickt. «Wo kaufst du deine Socken?»

Seine Mundwinkel zucken, aber er zögert nicht eine Millisekunde, ehe er antwortet: «Bei Amazon.»

Bestanden. Diese Frage soll alle vergebenen Männer und Kerle, die noch daheim wohnen, aussortieren. Nur Singles kaufen sich ihre Socken selbst. «Prime-Mitglied?»

«Selbstverständlich. Ich lebe doch nicht mehr in der Steinzeit.»

Gott, er ist groß. Und warm. Er ist wie ein Ofen. Ich muss mich echt schwer zusammenreißen, um mein Gesicht nicht an seinem samtweich wirkenden T-Shirt zu reiben, um meine kalte Nasenspitze zu wärmen. Etwas sagt mir, dass er mich nicht daran hindern und dabei leise lachen würde.

Reiß dich mal zusammen, Mädchen. Es ist Zeit für Frage Nummer zwei. Er hat inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Miene ist so ernst, als würde er einen Zulassungstest für ein Hochschulstudium machen. Ich verspüre den unbändigen Drang loszukichern. «Was ist dein Lieblingsfeiertag?»

Die zweite Frage klingt eigentlich eher leicht, oder? Das ist sie allerdings ganz und gar nicht. Wenn seine Antwort «Weihnachten» lautet, ist er der Typ für eine feste Beziehung. Auch wenn es ihm selbst noch nicht klar ist, wird er sich eines Tages mit seiner hübschen Frau in zusammenpassenden «Frosty der Schneemann»-Pullovern am Kamin wiederfinden, während die Drillinge ihre Geschenke auspacken. Wenn seine Antwort «Valentinstag» ist, dann ist er ein verdammter dreckiger Lügner und hat es nicht verdient, dass man sich mit ihm abgibt. Wenn er …

«Neujahr», antwortet Charlie und lächelt mich an. «Nicht Silvester. Ich mag den Tag danach. Es scheint fast so, als würde die ganze Stadt schlafen. Es ist nie stiller als in den paar Stunden, nachdem auch der letzte Feierwütige nach Hause gegangen ist.»

«Man kann mitten auf dem Broadway entlanggehen und …»

«… sieht nicht einmal ein Taxi», beendet er den Satz für mich, kommt mir noch näher und umhüllt mich mit seiner Wärme. «Ich weiß. Das ist richtig cool.»

«Ja», murmele ich und bin mehr als nur ein bisschen sprachlos. Um uns herum flippen die Leute aus, weil im Fernsehen irgendetwas passiert ist, doch wir stehen bloß da und starren uns an. Ich weiß, dass ich jetzt eigentlich um mein Leben laufen sollte, aber ich bin wie gelähmt. Es gibt einen Grund für das Manifest der Geliebten. Es behütet uns davor, mit jemandem sesshaft zu werden. Ein monotones Leben zu führen und womöglich verletzt zu werden. Meine Urgroßmutter hat ihre Unabhängigkeit aufgegeben und ist in einen Vorort gezogen, um dann für eine jüngere Version sitzengelassen zu werden. Solange ich denken kann, hat meine Mutter mir eingeschärft, dass es keine Ausnahmen gibt, wenn es um Männer geht. Beziehungen halten nicht, weil Liebe und Zuneigung eines Mannes flüchtig und von sehr begrenzter Dauer sind.

Wenn wir das Spiel kontrollieren und das Heft in der Hand behalten, können wir nicht beschissen werden.

Wenn Charlie den Test besteht, wird es nicht leicht werden, ihn abzuschütteln, sobald der Monat vorüber ist. Da bin ich mir sicher. Je länger wir hier stehen, desto näher kommt er mir und desto begieriger wird seine Miene. Ich muss abhauen, aber … «Was machst du beruflich?»

«Ist das ein Teil des Spiels?», fragt er rau.

Ich schüttele den Kopf.

«Ich habe gerade auf der Polizeiakademie angefangen.» Er klingt, als würden wir über Stellungen beim Sex sprechen, und meine Nerven sind mit einem Mal hellwach und jubeln. «Ich werde Polizist.»

Der Stolz in seiner Stimme ist vielsagend. «Ein guter Polizist, oder?»

In seinen blauen Augen blitzt Entschlossenheit auf. «Der beste, Süße.»

Da habe ich meine Antwort. Er ist mit der Polizei verheiratet. Zum Glück ist mein sechster Sinn noch nicht komplett in den Ruhestand gegangen, und ich fühle mich gut genug, um Frage Nummer drei zu stellen. «An welcher Stelle von Titanic hast du geweint?»

Die Willkürlichkeit der Frage scheint ihn nicht zu schockieren. Und das gefällt mir. «Woher willst du wissen, dass ich überhaupt geweint habe?»

«Jeder hat geweint.»

Die meisten Männer geben eine von zwei Antworten. Entweder versuchen sie, lustig zu sein, und beharren darauf, geweint zu haben, als die alte Rose das Herz des Ozeans ins Wasser wirft, weil es die reinste Geldverschwendung wäre. Lahm. Oder sie lügen und behaupten, sie hätten geweint, als Jack gestorben sei. Nein, haben sie nicht.

Charlie nimmt sich nicht die Zeit, um über seine Antwort nachzudenken. Ich sehe ihm an, dass er sie loswerden will, aber dann zögert er. «Was ist?»

Er dreht die Baseballkappe auf seinem Kopf um, sodass der Schirm nach vorn weist, ehe er sie im nächsten Moment wieder zurückdreht. Auf seinen Wangen ist ein leichter Hauch von Röte zu erkennen. «Als die alten Leute sich im Bett in den Armen halten … und das Wasser um sie herum einbricht. Da sind meine Augen vielleicht ein bisschen feucht geworden.»

Durchgefallen.

Durchgefallen.

Mein Herz schlägt plötzlich ungefähr doppelt so schnell. Diese Antwort habe ich noch nie gehört, aber sie muss falsch sein. Ist er der Typ für eine Beziehung, der sich als lockerer Flirt tarnt? Ich weiß es nicht. Doch ich weiß, dass ein Mann, der eine Schwäche für ein altes Ehepaar hat, nichts dagegen hat, eines Tages die bessere Hälfte von irgendjemandem zu sein. Selbst wenn er es jetzt noch nicht ahnt. Ich weiß es jedenfalls. Und deshalb sollte ich nun besser gehen.

«Oh, oh», sagt Charlie leise. «Das war nicht die richtige Antwort, oder?»

«Nein.» Ich weiche zurück. «Du hättest sagen sollen, dass du geweint hast, als der Kapitän mit dem Schiff untergegangen ist. Allein.»

«Süße.» Das Wort klingt leise und drängend. «Komm wieder her.»

Ich will mich gerade umdrehen und gehen, als er meinen Arm ergreift. Er dreht mich wieder um, zieht mich näher und hält mich fest, sodass unsere Körper sich berühren. Zing. Er ist so stark und seine Wärme so einladend, dass meine Knie unwillkürlich weich werden und ich zusammensacke. Meine stotternden Atemzüge rauschen in meinem Kopf. Ich erhasche nur einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht, auf einen Hauch von Scheu, gemischt mit Entschlossenheit, bevor er seinen Mund auf meine Lippen presst. Und dann küssen wir uns. Oh, wir küssen uns wirklich. Wie ein Marine, der seine Geliebte auf dem Rollfeld zurücklässt. Er fährt mit den Fingern durch mein Haar. Seine Zunge wartet nicht auf eine Einladung. Und wir vergessen jede Zurückhaltung – mitten in einer Bar voller angetrunkener Leute.

Meine Unterwäsche ist feucht, als wir zum ersten Mal Luft holen. Kein Scherz – er ist der beste Küsser, der mir je unter die Lippen gekommen ist. Charlie zieht mich auf die Zehenspitzen, drängt mich zurück, bis ich die Wand im Rücken spüre, und wir stürzen uns in den nächsten Kuss. Seine Erektion ist so hart und drängt sich so erwartungsvoll gegen mich, dass ich mich ermahnen muss, ihn nicht in aller Öffentlichkeit anzufallen. Das wäre unhöflich. Er macht es mir allerdings sehr schwer, mich zurückzuhalten, weil er jedes Mal aufstöhnt, wenn sich unsere Zungen berühren, und seine Hände fahrig über meinem Rock gleiten. Ein Mann, der vögeln will – und zwar jetzt.

«Vergiss den Mist mit den richtigen und falschen Antworten», sagt er heiser an meinen Lippen. «Lass uns bitte, bitte, bei allem, was heilig ist, von hier verschwinden, Ever.»

Spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, diesen Mann mit nach Hause zu nehmen? Nachdem er den Test nicht bestanden hat? Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich mich auf gefährliches Terrain begebe, aber seine blauen Augen, seine Hände, seine … Stimme und Persönlichkeit fesseln mich. Ich komme nicht davon los. Ich bin machtlos.

«Ich will nichts Festes, klar?»

Im Brustton der Überzeugung erwidert er: «Ich auch nicht.»

Eine ganze Weile blicken wir einander an und suchen nach Spuren des Zweifels. Wir finden keine … Oder vielleicht weigern wir uns auch, sie zu finden.

Ich lasse mich von Charlie zur Tür ziehen.

Kapitel 2

Charlie

Ever Carmichael ist meine Rettung.

Und ich sage das nicht nur, weil sie mich Großer nennt, wenn wir vögeln.

Ich knöpfe bereits mein Uniformhemd auf, obwohl ich noch nicht einmal die Lobby des Hauses erreicht habe, in dem sie wohnt. Mein Schwanz ist so hart, dass ich wahrscheinlich in Ohnmacht falle, noch bevor ich in Ever bin. Aber jetzt kommt’s: Ever wird es verstehen. Sie wird einen Blick auf die ausgebeulte Stelle in meiner typischen Polizeiakademiehose werfen und ihr verführerisches Bad-Girl-Höschen fallen lassen.

Diese Frau. Sie ist ein Wunder.

Ich will nichts Festes, klar?

Diese Worte hat sie an dem regnerischen Nachmittag, als wir uns kennenlernten, zu mir gesagt. Und in dem Moment fing ein Engelschor an zu singen. Direkt in der Bar. Mir hatten schon vorher Frauen versichert, dass sie keine Beziehung wollen würden. Aber dank meiner langen Ahnenreihe von Gesetzeshütern konnte ich die Fähigkeit perfektionieren, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Und Ever ist die erste Frau, die diese Worte tatsächlich so meinte. Nichts Festes.

Inzwischen bin ich direkt vor ihrem Haus – einem viergeschossigen Gebäude in der Lower East Side. Sie arbeitet abends für ihre neue Catering-Firma und steht für gewöhnlich erst spät auf. In meiner Mittagspause wird sie also noch weich, warm und anschmiegsam vom Bett sein. Frisch geduscht. Ich werde sie um den Verstand vögeln – das schwöre ich. Sobald ich durch die Tür komme.

In dem Monat, seit wir uns kennen, ist das drängende Bedürfnis, in Ever zu sein, immer größer geworden. Das Bedürfnis, mit den Händen über ihre zarte Haut zu streicheln, meine Zunge über ihr nacktes Fleisch gleiten zu lassen. Ich bin süchtig nach dieser Frau.

Und wisst ihr was? Das ist vollkommen in Ordnung, weil ich Ever jedes Mal haben kann, wenn ich sie brauche. Ich weiß, ich höre mich wie ein arroganter Arsch an – und manchmal kann ich das auch sein. Aber Ever kann mich auch jederzeit haben, wenn sie mich braucht. Wir haben beide etwas von diesem Arrangement. Nach einem Maroon-5-Konzert vor zwei Wochen ist sie gegen Mitternacht vor meiner Wohnungstür aufgetaucht –  high von Adam Levine oder wie der Typ heißt –, und wir haben es nicht einmal mehr bis in die Wohnung geschafft. Sie hat ihren kurzen Lederrock hochgezogen, und ich habe es ihr direkt im Flur besorgt. Wir haben uns nicht einmal die Mühe gemacht, leise zu sein. Zum Glück hat sich keiner der Nachbarn beschwert.

Ich will damit sagen: Dieses Arrangement zwischen mir und Ever ist etwas, wovon die meisten Männer im Alter von dreiundzwanzig nicht einmal zu träumen wagen. Meine Generation muss sich normalerweise zwischen lockeren, bedeutungslosen Affären oder einer festen Beziehung entscheiden – inklusive der Aktualisierung des Facebook-, Twitter- und Instagram- Accounts; aber das natürlich erst, nachdem alle Beweise gelöscht wurden, dass man schon einmal seinen Schwanz benutzt hat.

Versteht mich nicht falsch. Ich bin für feste Beziehungen, Hingabe und Verpflichtung. Im Augenblick wird bei mir allerdings alles, was ich an Hingabe und Verpflichtung investieren kann, in die Polizeiakademie gesteckt. Ich will Polizist werden. Um genau zu sein, Lieutenant. Wie mein großer Bruder Greer. Und später will ich dann Chief werden – wie mein Vater und dessen Vater vor ihm … Diese Tradition lässt sich über vier Generationen zurückverfolgen.

Und das mit Ever? Das ist weder locker oder bedeutungslos noch etwas Festes. Es ist einzigartig. Wie ein verdammtes Einhorn. Es hat mich dazu gebracht, an Leben auf anderen Planeten zu glauben, an Bigfoot und sogar an die Möglichkeit, dass die Jets eines Tages noch einmal den Super Bowl gewinnen können. Abgesehen von dem Adam-Levine-Vorfall haben wir noch nie Zeit bei mir zu Hause verbracht, weil für gewöhnlich Jack oder Danika daheim sind. Nicht dass meine dämlichen Mitbewohner Ever gegenüber noch einen Scherz über läutende Hochzeitsglocken machen und dann alles nicht mehr so perfekt wäre wie gerade im Moment. Außerdem … müssen sie überhaupt nichts über Ever wissen. Sie gehört mir. Ich gehöre ihr. Wir gehören uns.

Inoffiziell natürlich.

Ich bin jetzt auf halbem Wege zum ersten Treppenabsatz. Ich muss noch zwei Treppenabsätze hinter mich bringen. Um diese Uhrzeit ist niemand dort, also drücke ich durch den Stoff meiner Uniformhose hindurch meine Erektion und stöhne unterdrückt, als ich mir vorstelle, wie Evers Hand meine ersetzt. Irgendwie scheint Ever besser als ich selbst zu wissen, wie ich gern berührt werde. Mir bleibt nur eine Stunde, bevor die nächste Trainingseinheit in der East Twenty-First Street beginnt. Wenn ich als Bester meines Jahrgangs abschließen will – was ich auf jeden Fall schaffen will, egal, was es kostet –, muss ich nicht nur pünktlich, sondern überpünktlich sein. Was mir nicht genügend Zeit für Ever lässt, aber ich bezweifle, dass es überhaupt genügend Zeit gibt, um irgendwann einmal von genügend sprechen zu können.

Ich kann inzwischen ihre Tür sehen. Bloß noch ein Stück Holz, das mich vom Paradies trennt. Sie hat eine Fußmatte, auf der steht: Kommen Sie wieder, wenn Sie einen Haftbefehl haben! Die Matte habe ich schon vorher gesehen – und darüber gelacht. Doch heute bringt mich diese Matte auf eine Idee. Ich könnte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem ich mein Auftreten als Polizist übe und zugleich dafür sorge, dass ihr Höschen feucht wird. Vor ihrer Tür bleibe ich stehen. Ich fühle mich wie ein Raubtier, balanciere auf den Ballen, darauf wartend, dass sie öffnet und ich mich auf sie stürzen kann. Als ich einen Hauch von Schokolade und Himbeeren wahrnehme, hebe ich die Faust und klopfe.

«NYPD. Öffnen Sie die Tür!»

Der Mixer, der gerade noch gesummt hat, verstummt, und ich höre ihre leichten Schritte auf dem Fußboden, als sie in meine Richtung kommt. Ever öffnet die Tür, aber ich kann bloß ein kleines Stück ihres göttlichen Körpers sehen, da die Türkette noch immer vorgelegt ist. «Oh. Stimmt etwas nicht, Officer?»

«Ich fürchte schon, Ma’am.» Ich ziehe meinen Notizblock und den Stift, die ich immer bei mir trage, aus der Gesäßtasche und tue so, als würde ich die erste Seite lesen. Das ist schlecht, weil ich dazu den Blick für eine Sekunde von Ever abwenden muss. «Wir haben einige Beschwerden wegen des Schokoladendufts vorliegen, der aus dieser Wohnung dringt. Wissen Sie etwas darüber?»

Ever geht sofort auf das Spiel ein, beißt sich auf die Unterlippe und wirft einen schuldbewussten Blick über die Schulter. «Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wie können wir das Problem denn lösen?»

Ich lasse den Blick nach unten zu der Stelle wandern, wo ihr Oberschenkel durch den Spalt zu sehen ist, und spüre, wie mein Schwanz protestiert, weil durch dieses Spielchen kostbare Zeit verlorengeht. Ich wünschte, ich hätte nicht damit angefangen, denn ich kann es kaum erwarten, bis sie die Tür aufmacht, damit ich ihren Hintern packen kann. Sie hat einen kurzen Rock an. Was habe ich mir nur dabei gedacht, mit einem Rollenspiel zu beginnen, obwohl ich so wenig Zeit habe? Und Ever weiß, dass ich mich gerade selbst verfluche, ich kann sehen, dass sie sich ein Lachen verkneifen muss.

Ach ja, Süße? Dieses Spiel kann man auch zu zweit spielen.

Ich stütze mich mit dem Arm am Türrahmen ab und beuge mich vor – so weit, dass ich durch den Türspalt hören kann, wie ihr Atem schneller geht. «Wie wir das Problem lösen können?» Ich lasse den Blick zu ihrem nackten Bauch schweifen, wo ein Strassstein in ihrem Nabel funkelt. «Zuerst einmal könnten wir mit einer gründlichen Durchsuchung der Räumlichkeiten beginnen.»

«Ja?» Sie haucht das Wort beinahe. «Und wenn ich nicht kooperiere?»

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gerade sterbe. Oder ich bin schon tot und im Himmel. «Dann muss ich, fürchte ich, grob werden.»

Oh, ihr gefällt es, wenn ich das sage. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Ever es rau und hart mag? Denn das tut sie. Hart und heftig. Schmutziger, schweißtreibender Sex, der Kratzspuren auf meinem Rücken hinterlässt.

«Ich muss zugeben …» Ever macht die Tür kurz zu, um die Kette zu lösen, und öffnet sie dann so weit, dass ich sie endlich sehen kann. Ganz und gar. Und es ist wie in der Szene aus L.I. S. A. – Der helle Wahnsinn, als die vollkommene Frau – heraufbeschworen von zwei perversen Männern – mit einem Mal vor ihnen steht und Nebel um sie herumwabert. Und ja, ich bin nur ein Typ, aber ich bin locker geil für zwei. «Ich fühle mich nämlich gerade alles andere als kooperativ, Officer.»

Sie ist ein Einhorn, meine Freunde. Nein, der Heilige Gral. Ich habe sie gefunden. Sie war die ganze Zeit über hier, hier in der Lower East Side, während ich in der Upper East Side aufgewachsen bin. Aber das spielt keine Rolle, weil ich sie jetzt gefunden habe. Und nichts – vor allem kein fehlgeleitetes Verlangen nach etwas Festem, das den Rest der Menschheit quält – könnte das hier kaputt machen.

Ever

Charlie Burns, du böser, böser Junge.

Er schlendert mit diesem Stripper-Grinsen in mein Apartment, als würde ihm die Wohnung gehören. Er zieht bereits sein Hemd aus und lässt mich bewusst einen Blick auf seine Bauchmuskeln werfen. Diese besitzergreifende Art liebe ich an ihm, auch wenn ich sie wahrscheinlich hassen sollte. Er wurde geboren, um zu gewinnen. Jemand hat ihm an seinem ersten Tag außerhalb der Gebärmutter gesagt: «Charlie, du kannst verdammt noch mal alles sein, was du willst. Die Welt gehört dir.»

Er hat sich einfach nur dementsprechend verhalten.

Und deshalb ist er perfekt für mich.

Meine Mutter hat mir das Gleiche beigebracht, auch wenn der Gedanke dahinter ein etwas anderer war. An meinem sechsten Geburtstag nahm sie mich mit in die Mall, um mir Ohrlöcher stechen zu lassen. Als ich dort saß und weinte – die kleinen Ohrstecker in Form von Ballerinaschuhen hatten so harmlos gewirkt, als ich sie ausgesucht hatte –, sagte meine Mutter: «Ever Carmichael, du kannst in dieser Welt alles haben, was du willst. Aber wage es ja nicht, einem Mann zu glauben, wenn er sagt, dass er es dir geben kann.»

Damals konnte ich mir nicht vorstellen, wie oft Männer diese Behauptung aufstellen. Zumindest wenn man wie das Mädchen aussieht. Ach, ihr wisst schon. Das Mädchen, das im Hintergrund tanzt, während Calvin Harris bei der Eröffnung eines neuen Clubs in Las Vegas an den Turntables steht. Das mit einem Drink in der Hand, vollkommen sorglos, ihren Hintern wackeln lässt. Ich bin bei der Gen-Lotterie mit einem durchschnittlich großen Busen davongekommen, hatte aber kein Glück dabei, dem Playboy-Bunny-Blond zu entgehen. Das Mädchen.

Charlie kommt immer näher, aber ich gehe rückwärts zur Küche, denn ein wenig soll er sich schon anstrengen, oder? Jemand muss dafür sorgen, stimmt’s? Er weiß anscheinend nicht, welchen Teil meines Körpers er zuerst anblicken soll. Brüste? Nein. Beine? Hm … nein. Aha. Sein Blick landet auf meinem Hintern. Ich hätte es wissen müssen, Charlie vergöttert meinen Hintern. Er dreht mich bestimmt um – die Zeit für Spiele ist vorbei – und beugt mich über den Küchentisch, der ziemlich wackelig ist und dessen Beine unter der Belastung leise aufstöhnen. Oder vielleicht ist es auch Charlie. Ja, er ist es. Mit Händen, die vom ständigen Training mit Feuerwaffen schwielig sind, streichelt er über meinen Hintern.

«Es gibt nur einen Weg, diese Pobacken noch süßer zu machen, als sie ohnehin schon sind.» Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie er einen Finger in meine Schüssel mit geschmolzener Zartbitterschokolade taucht. Als ich spüre, wie er auf jede Seite meines Hinterns ein C malt, schüttele ich den Kopf. Besitzergreifender Arsch. Ich liebe es. Vor allem, als er die Hände unter meine Knie schiebt, mich scheinbar mühelos anhebt und meine Knie auf der Tischkante absetzt. So bin ich in einer sehr aufreizenden Pose und Charlies Mund auf genau der richtigen Höhe.

Mein Puls hämmert unter seinem forschenden Blick. Welches Höschen habe ich an? Das blaue? Nein, ich trage den roten Seidenschlüpfer. Hübsch. Passend zur Schokolade. Als würde mein Hintern gerade Valentinstag feiern – und näher werden wir diesem Feiertag für Pärchen wohl nie kommen.

Vor allem, weil unser gemeinsamer Monat um ist. Heute.

Es ist genau einunddreißig Tage her, dass wir zusammen aus der Bar in den Regen gestolpert sind und eine Affäre begonnen haben, die wie im Fluge vergangen ist. Es ist mir gelungen, ihn auf Abstand zu halten – in jeder Hinsicht außer der körperlichen. Aber es wird von Tag zu Tag schwieriger. Zum Glück ist er superpünktlich und kehrt immer so schnell wie möglich zur Akademie zurück. Sein Zeitplan erlaubt kein Kuscheln, keine gemeinsame Zeit nach dem Sex. Und ich sehne mich auch nicht danach.

Tue ich nicht.

Ahhh. Wow.

Ich werde von meinen Zweifeln abgelenkt, als Charlie mir das Höschen auszieht. Er gibt mir einen kleinen Klaps auf den Po, sodass ich weiß, was er will, ohne dass er es ausspricht. Doch ich mag es, wenn er mir Befehle erteilt – es hat wirklich seine Vorteile, einen zukünftigen Cop zu daten. Also drücke ich den Rücken durch und werfe ihm über die Schulter hinweg einen fragenden Blick zu.

«Ich opfere meine Mittagspause für das hier, also bin ich jetzt hungrig.» Er schlägt mit meinem Höschen gegen die Rückseite meiner Schenkel. «Schieb deine verdammten Hüften nach vorne und spreiz die Beine, Ever. Sofort.»

Das meine ich. Die Belohnung für meinen Gehorsam folgt umgehend. Er streicht etwas von der Schokolade zwischen meine Schenkel und leckt sie ab. Nicht langsam. Nein, gierig. So gierig. Ich falle nach vorn und stütze mich mit den Ellbogen ab, damit er mich besser erreichen kann, und er taucht mit einem Knurren mit der Zunge in mich ein. O Gott. Mir bleibt der Mund offen stehen. Ich ringe nach Sauerstoff. Mein Herz hämmert im Rhythmus eines Songs von Nicki Minaj in meinen Ohren. «Charlie.»

Charlie massiert mit den Fingerspitzen die Innenseite eines meiner Oberschenkel, direkt unterhalb der Stelle, wo er mit seiner Zunge hinein- und hinausgleitet. Er streicht ein paarmal über meine Klitoris, bis ich auf den Tisch schlage … Dann endlich umschließt er die kleine Perle mit den Lippen. Er saugt daran. Zweimal, dreimal. Und das war’s. Ich bin erledigt. Ich bin so was von erledigt. Ich habe mir das hier heute Morgen ausgemalt. Ich habe mich hineingesteigert, und meine Erregung ist immer weiter gewachsen. Und da sind wir nun, und die Phantasie kann es nicht einmal annähernd mit der Realität aufnehmen. Er stöhnt, als ob er derjenige wäre, der sich mit dem Hintern in der Luft durch einen Orgasmus zittert und schluchzt, und irgendwie macht mich das noch mehr an. Mein Arm schießt wie von allein vor und stößt die Schüssel mit der flüssigen Schokolade um, und es ist mir egal. Es ist mir egal, weil es derart gut ist. Möglicherweise schreie ich das auch hinaus, denn mein Hals fühlt sich irgendwie rau an.

Meine inneren Muskeln zucken noch immer, als Charlie mich vom Tisch zerrt und mit dem Rücken an seine Brust drückt. Sein Mund bewegt sich in meinem Haar, während er ein Kondom über seinen harten Schwanz streift. Er flüstert unzusammenhängende erotische Versprechungen. Dann kratzen Stuhlbeine über den Boden. Er setzt sich hin und zieht mich auf sich. «Du wirst einen Lapdance für mich machen, Süße.» Unter meinem Hintern spüre ich seine Faust, mit der er seine Erektion in Position bringt und …

«Charlie.» Er ist in mir. Dick und hart. «Oh mein Gott. Großer.»

Mit sicheren Händen packt er meine Knie und drückt sie auseinander, sodass ich noch weiter auf ihn sinke. «Beweg dich, Ever. Ich halte es nicht mehr aus. Ich halte es nicht mehr aus, weil ich dich so sehr will. Ich will dich», stößt Charlie heiser hervor, bleckt die Zähne und drängt sich an mich. «Beweg dich. Nimm ihn ganz in dich auf. Erlöse mich.»

Ja, ja, ja. Ich liebe es. Es gefällt mir, die einzige Chance auf Erlösung für ihn zu sein. Dieses Gefühl – die Rettung für einen so getriebenen, selbstsicheren Mann zu sein – bringt mich dazu, an mein Handy zu gehen, wenn er anruft. Mehr kann es nicht sein. Die gegenseitige Befriedigung. Mehr nicht. Ich habe keine andere Wahl, als es zu genießen, zu geben und zu nehmen, denn es ist einfach zu unglaublich, ihn zu spü ren.

Große Hände streichen meine Beine hinauf und ergreifen meine Hüften, als ich anfange, mich zu bewegen. Ich beuge mich vor, halte mich an der Tischkante fest und beginne zu tanzen. Mein Kopf fällt nach vorn, und ich kann sehen, wie er in mich dringt – und der Anblick macht mich an, als wäre ich eine Zehntausend-Volt-Glühbirne. Ich hebe den Kopf und werfe einen Blick über die Schulter. Ich sehe, dass Charlies Mund ebenfalls zu einem stummen Stöhnen geöffnet ist. Als hätte er seit fünf Jahren keinen Sex mehr gehabt. Als wären wir in den letzten vier Wochen nicht, so oft es ging, übereinander hergefallen.

«Härter», presst Charlie zwischen aufeinandergebissenen Zähnen hervor. Auf seiner Oberlippe stehen kleine Schweißperlen. «Bitte, Ever, härter. Hör auf zu spielen. Du willst es auch härter.»

Meine Augenlider flattern angesichts der Hitze, die mich durchströmt, als ich diese Herausforderung höre. Angesichts des Gefühls, durchschaut worden zu sein. Es sollte mir Angst machen – und vielleicht tut es das auch ein bisschen –, aber ich schiebe die unwillkommene Empfindung beiseite … und reite Charlie. Nacktes Fleisch prallt mit einem satten Klatschgeräusch auf nacktes Fleisch.

«Verdammt», bringt Charlie hervor und hebt mich mit einem heftigen Stoß an. «Ich bin so verflucht kurz davor … Komm her.»

Er umgreift mit der rechten Hand meinen Hals und zieht mich zurück, sodass ich wieder an seiner Brust lehne. Ich bewege mich noch immer, aber meine Füße finden auf dem Boden kaum Halt. Es ist wie ein Rennen, eine verzweifelte, fieberhafte Anstrengung zweier Körper. So ist es jedes Mal. Sein flacher Atem ist inzwischen zu einem atemlosen Keuchen, zu einem Knurren geworden. Er presst schmutzige Worte hervor. Die Hand an meinem Hals nimmt mir gerade so viel Sauerstoff, dass es interessant wird – und ein bisschen gefährlich. Mit der anderen Hand findet er meine Klitoris und raubt mir damit die letzte Luft. Ich habe das Gefühl, nicht mehr atmen, nicht mehr denken zu können. Er hat mich in Besitz genommen.

«Morgen lässt du dir nicht so viel Zeit, die Tür zu öffnen.» Die Hand an meinem Hals drückt kurz zu, und er stößt heftig in mich. «Oder, Süße?»

Dieses Mal ist mein Orgasmus sogar noch stärker als vorher. Ich drehe den Kopf und wimmere und stöhne an Charlies unrasiertem Kinn. Meine Beine werden steif, und ich presse mich auf Charlies Schoß, um ihn noch tiefer in mich aufzunehmen. Ich umschließe ihn mit meinen inneren Muskeln und reiße ihn mit mir. Er stöhnt meinen Namen immer wieder in mein Haar, und mit den Fingerspitzen streichelt er mich nach wie vor zwischen den Schenkeln, während es an der Stelle, wo wir eins sind, heißer wird, als er zum Höhepunkt kommt. Für einen winzigen Moment gibt es nichts anderes mehr. Keine Geräusche, keine Verantwortung. Nur eine Erfahrung allein für Charlie. Für uns.

Ich reiße die Augen auf, als ich das Wort denke. Uns. Uns?

Im nächsten Moment bin ich von Charlies Schoß gesprungen.

Ich drehe mich im Kreis, als hätte ich vergessen, dass ich in meiner eigenen Wohnung bin. Von seinem Stuhl aus beobachtet er mich mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen. Er steckt wahrscheinlich noch zu tief im postorgasmischen Männerglühen, um zu bemerken, dass irgendetwas nicht stimmt. Okay. Okay, gut. Denn es ist ja auch alles in Ordnung. Es war nur ein dummer Gedanke, der mir so auch nie wieder kommen wird und von dem ich mich bereits erholt habe.

Charlie steht auf und stolziert auf mich zu. Mit der Hand streicht er über meinen Rücken und meinen Hintern, ehe er sich bückt, um mein Höschen hoch- und meinen Rock gerade zu ziehen. «Verdammt, Ever», flüstert er an meinem Mund, bevor wir uns in einem bedächtigen Kuss verlieren. «Verdammt», wiederholt er, ehe er sich von mir löst.

Ich drücke ihm einen letzten Kuss auf die Wange und schiebe ihn dann weg. «Ich schätze, den Wortschatz zu erweitern, gehört nicht zur Ausbildung an der Polizeiakademie.»

Er streckt den Arm aus und kneift mir in die Taille. «Klugscheißerin.»

«Immerhin ein neues Wort.»

Charlie richtet seine Klamotten, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Er sieht mich an. Intensiv. Als wäre er bereits ein Polizist und ich die Hauptverdächtige. Ich will nicht, dass er bemerkt, dass etwas nicht stimmt, und so nehme ich mir einige Papierhandtücher und knie mich auf den Boden, um die Schokolade aufzuwischen. Ich bin nicht überrascht, als er in die Hocke geht, um mir zu helfen. Trotz seiner Arroganz und seiner Bindungsphobie wurde er anständig erzogen. Aber die Frage, die er als Nächstes stellt, ist neu. «Muss hier eigentlich irgendetwas repariert werden? Knarrende Bodendielen? Undichte Rohre?»

«Undichte Rohre? Oh, bitte …» Ich ziehe die Augenbrauen hoch und versuche, das Angebot zu verharmlosen. «Du hast ja wohl gerade dein Rohr verlegt.»

Mein Kommentar bringt ihn zum Lachen. «Komm schon, Ever. Ich weiß, dass du keine Geschenke magst, aber ich könnte doch wenigstens irgendetwas für dich tun.»

Ich verspüre ein leichtes Flattern in Richtung meines Herzens. Oh. O nein. Das ist nicht gut. Ich werde nicht so tun, als würde ich Charlie nicht mögen. Bei ihm fühle ich mich sicher. Wir haben Spaß in der begrenzten Zeit, die wir uns gemeinsam erlauben. Sein schiefes Lächeln ist das Highlight meines Tages. Doch jetzt beginnt er, sich schuldig zu fühlen, wenn er nach dem Sex einfach verschwindet. Habe ich meine ungewollten Gefühle auf ihn projiziert, und er reagiert nur aus Anstand so? Der Legende nach ist das der Anfang vom Ende. Anstand. Irgendwann wird aus dem Anstand Verantwortungsgefühl. Auch bekannt als Der Tod der Geliebten.

Deshalb gibt es die Ein-Monats-Grenze. Verlasse ihn, bevor er dich verlässt.

Charlies blaue Augen blicken ernst, er versucht, mich zu durchschauen. Aber ich kenne die Geschichten. Wenn eine Geliebte Ansprüche stellt und zur Pflicht wird, hört der Spaß auf. Dann hören Männer auf, dich anzurufen, hören auf, dich zu begehren, und suchen sich etwas Neues. Abgelegt zu werden, ist die größte Angst einer Geliebten, und ich bin vielleicht keine Geliebte im engeren Sinn, doch ich sehe das nicht anders.

Ich habe Charlie aus einem besonderen Grund ausgesucht. Er wird mich auf meinem Weg an die Spitze der Catering-Welt nicht aufhalten. Er wird mich nicht anketten, mich in einen Vorort schleifen oder langsam zu einem festen Bestandteil meiner Couch mutieren. Aber ich weiß, dass es in Manhattan Männer gibt, deren Gesichter sich bei der Aussicht auf eine feste Beziehung nicht zu Edvard Munchs Der Schrei verwandeln. Also ist die Tatsache, dass Charlie – der meine Verachtung für jede Art von Pärchentum eigentlich teilt – dieses Flattern in mir auslöst, mehr als alarmierend.

Noch ein letztes Mal mit Charlie. Dann werde ich es beenden.

«Ich habe einen Hausmeister, der sich um solche Dinge kümmert», murmele ich mit einem Lächeln und richte mich wieder auf. «Verschwinde jetzt, damit du deine Bahn noch erwischst. Wir sehen uns dann.»

«Okay.» Er beobachtet mich noch immer, während er rückwärts zur Tür geht. «Ever?»

«Ja?»

Für den Bruchteil einer Sekunde wirkt er überrascht von sich selbst, doch dann fährt er sich mit der Hand über seinen dunklen Polizistenhaarschnitt und geht weiter. «Nichts. Es ist nur … Wir sehen uns.»

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, dauert es einen Moment, ehe ich mich wieder bewegen kann. Minuten. Und erst als ich mich schließlich auf den Boden knie, um die restliche Schokolade zu beseitigen, höre ich vor der Tür Schritte, die sich Richtung Treppe bewegen. Fast scheint es so, als hätte Charlie auch eine Weile gebraucht, um sich wieder bewegen zu können.

Kapitel 3

Charlie

Ich starre in meinen Spind, als könnte ich dort die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens finden und nicht nur meine schwarze Sporttasche, die einen fragwürdigen Duft verströmt. Wir haben gerade stundenlang trainiert, wie wir jemanden unschädlich machen. Unter den verschiedenen Techniken war auch der typische Polizeigriff mit Schulterhebel, den mein Bruder Greer uns so lange hat üben lassen, bis jeder den Bewegungsablauf zu seiner Zufriedenheit demonstrieren konnte. Erst dann war Schluss. Jetzt peitschen die zukünftigen Freunde und Helfer der fünf Bezirke New York Citys mit den Handtüchern nacheinander und diskutieren darüber, ob sie heute Abend lieber chinesisch oder italienisch essen wollen. Ich dagegen habe immer noch meine verschwitzten Klamotten an.

Ich bin mir nicht einmal sicher, was zum Teufel mich so verwirrt hat, aber ich bin schon in diesem seltsam komatösen Zustand, seit ich Evers Wohnung verlassen habe. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich zur Bahn gegangen oder wieder in den Norden von Manhattan gefahren bin. Es ist mir nur gelungen, mich für die Trainingseinheit zusammenzureißen, weil mein Bruder sie leitet. Hätte ich auch bloß für eine Sekunde nachgelassen, hätte ich mir einen von Greers langatmigen Vorträgen anhören können.

Das würde mich erst recht ins Koma versetzen!

Okay, lasst mich noch mal ein Stück zurückgehen. Als ich zu Ever kam, war noch alles gut, oder? Sie hat wie so oft gebacken. Ihr Outfit war umwerfend. Der Sex war phänomenal – das kann man nicht anders sagen. Tatsächlich wird er immer besser. Vielleicht sollte ich mir Sorgen darüber machen, dass wir uns eines Tages in eine andere Dimension vögeln werden. Sexdimension. Wenn ich mich nicht irre, habe ich mich schon mal mit einem Porno mit diesem Titel vergnügt.

Konzentrier dich, du Penner.

Gut. Es war alles in Ordnung mit Ever, bis sie von meinem Schoß gehüpft ist. In meiner Sporthose rührt sich mein Schwanz, als ich mich daran erinnere, wie sie aussah, das Höschen um ihre Knöchel, der Po rot, weil er immer wieder auf meine Oberschenkel geklatscht ist. Gott. Ich kann sie nicht bitten, mich zweimal an einem Tag zu treffen. Oder? Das ist nicht das erste Mal, dass ich diesen Gedanken habe. Schon eher das viertausendste Mal. Seit heute Mittag.

Ich werde die Erinnerung nicht los, wie Ever mich heute angesehen hat. Als ich sie fragte, ob ich etwas für sie tun, etwas reparieren oder ihr helfen könne. Gott, ich fürchte fast, ich habe ihr damit Angst eingejagt. Ich bin genauso gegen feste Beziehungen wie Ever, doch ihre Reaktion kommt mir ein bisschen zu extrem vor. Und genau da bleibe ich hängen. Ich will wissen, warum. Und das verstößt gegen die Regeln. Wir sprechen nicht über die Vergangenheit oder die Zukunft. Wir haben nur Spaß miteinander, und ab und zu gibt es einen Adam-Levine-Zwischenfall. Ich will nicht wissen, woher Evers Angst vor Beziehungen kommt, und sie will nicht, dass ich nachbohre.

Ende der Geschichte. Also hör auf, dich wie ein anhänglicher Welpe aufzuführen.

Die Akademie verlangt von mir meine gesamte Aufmerksamkeit. Es gibt keinen Platz für irgendetwas anderes. Nicht jetzt. Niemals. Die beiden anderen Männer in meiner Familie haben keine Frauen. Meine Mutter verließ uns, als ich in der ersten Klasse war, weil sie in einem Haushalt voller Männer, die nur ein einziges Ziel hatten, wie ein Anhängsel behandelt wurde. Sie wurde nicht richtig geschätzt, und deshalb ist sie gegangen. Und so wäre es bei mir auch, wenn es mein Ziel bleibt, bei der Polizei die höchstmögliche Position zu erreichen. Und das bleibt es. Ich kann mich an keine Zeit in meinem Leben erinnern, in der mir nicht eingetrichtert worden wäre, dass es das Wichtigste im Leben wäre, ganz nach oben, an die Spitze zu kommen.

Jack hockt breitbeinig auf der Bank neben mir und nimmt einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Ich kann riechen, dass statt Wasser Wodka in der Flasche ist. Jeder in unserer näheren Umgebung kann das. Aber keiner traut sich, den Mund aufzumachen – es sei denn, er will ein blaues Auge riskieren. Es sei denn, man ist ich. Ich habe etwas gesagt, ich habe mir das blaue Auge abgeholt und umgekehrt eins ausgeteilt. Wie ein beschissener Initiationsritus, der absolut sinnvoll erscheint, solange man nicht zu genau darüber nachdenkt.

«Was ist los mit dir, Burns? Du hast die anderen beim Dauerlauf heute nur um eine Minute geschlagen. Ziemlich schwach.» Wieder nimmt er einen Schluck aus der Flasche. «Alle glauben, dass ich dich mit runterziehe.»

«Komm schon. Das ist Blödsinn.» Endlich ziehe ich meine Sporttasche aus dem Spind. «Ich war mindestens eine Minute und zehn Sekunden vor dem Zweiten im Ziel.»

Das bringt mir einen Stoß in die Rippen ein. Verständlich.

«Dass du mich runterziehen würdest, ist auch Blödsinn.» Da das eine Art Kompliment war, ziehe ich mir schnell das T-Shirt aus, um einen rührseligen Moment mit Blickkontakt zu vermeiden. «Ich würde ja sagen, dass deine Zeit auch deutlich besser wäre, wenn du mal ohne einen Kater hier auftauchst. Aber dann gäbe es eine Person weniger, die mich gut aussehen lässt.»

Jack schnaubt. Peinlicher Moment abgewendet. Na ja, fast. Weil Jack weiß, dass es nicht nur ein Scherz ist. Jack wurde in einem illegalen Puff in Hell’s Kitchen großgezogen, wo er einige sehr nützliche Dinge gelernt hat (noch ein Grund dafür, dass ich Ever von unserer Wohnung ferngehalten habe). Als seine Mutter zu alt wurde, um als Prostituierte zu arbeiten, hat er sich einen Job gesucht und an der West Side Schiffe entladen. Er weiß, was harte Arbeit bedeutet, und könnte echt erfolgreich sein, wenn er sich ein wenig Mühe geben würde. Aber die Aussicht, es als Polizist zu was zu bringen, reicht wohl nicht, um ihn zu motivieren. Aber wir werden sehen.

«Komm schon, Burns», stöhnt Jack und starrt an die Decke der Umkleide. «Hab Gnade mit mir. Dein Bruder hat mir den Lebenswillen geraubt. Erzähl mir, was los ist, damit mein Hirn wieder anspringt.»

Ich ziehe ein frisches T-Shirt mit dem Logo der Akademie an. Jack verdreht die Augen, als er es bemerkt, doch ich beachte ihn nicht weiter. «Es ist wahrscheinlich gar nichts …»

«Hast du je die Redewendung gehört: Wo Rauch ist, ist auch Feuer?» Jack prostet mir mit seiner Flasche zu. «Worte, die man beherzigen sollte.»

«Ach ja? Ich habe auch ein paar Worte zum Beherzigen für dich: Fick dich», knurre ich. Aber jetzt will ich irgendwie darüber reden, was heute Mittag passiert ist. Obwohl es eigentlich nichts zu bereden gibt. Oder? «Ich habe heute Ever getroffen.»

«Das Mädchen mit den tollen …»

«Den Satz solltest du besser nicht beenden.»

«Ich wollte sagen, mit den tollen Haaren», entgegnet mein Piratenfreund, der Arsch.

«Sicher.» Hinter uns wird eine Spindtür zugeknallt, und wir werfen dem Blödmann einen genervten Blick zu, ehe wir uns wieder dem Gespräch widmen. «Sie war heute nicht … Ever. Irgendetwas war anders.»

«Ich wusste es.» Jacks Stimme hallt von den Spinden wider. «Eins muss man dem Mädchen lassen: Die Kleine hat eine gute Show abgeliefert. Aber irgendwann holen sie alle ihre Tanzschuhe hervor.»

«Was soll das denn bedeuten?»

«Das bedeutet, dass sie den Beziehungstanz aufführt.»

Ich verenge die Augen zu schmalen Schlitzen. «Einen Tanz hat sie tatsächlich aufgeführt …» O Gott, jetzt sehe ich wieder vor meinem inneren Auge, wie sie von meinem Schoß gestiegen ist. Denk nicht einmal daran, sie zweimal an einem Tag anzurufen. «Aber du liegst falsch. Sie ist diejenige, die die Regeln aufstellt. Nichts Festes. Ihre Worte.»

«Genau.» Jack schwingt ein Bein über die Bank und steht auf. Er lehnt sich an den Spind neben meinem. «Ich kenne die Strategie vom Hörensagen. Sie hat dich in Sicherheit gewiegt. Hat dich eingelullt.» Er erschaudert. «Sie klingt skrupellos, Mann. Bin ich froh, dass ich nicht an deiner Stelle bin.»

Genau aus diesem Grund sollte ich bei Unterhaltungen mit Jack beim Thema Sport bleiben. «Du irrst dich. Ich sage dir, sie ist ein verdammtes Einhorn.» Ich zucke mit den Achseln. «Sie hatte wahrscheinlich nur einen schlechten Tag oder so was.» Bei der Vorstellung, dass Ever aufgewühlt ist, wütend oder traurig, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Aber ich streiche mir nur über den Hals und blicke nach vorn. Ich muss es tun. Es gibt Grenzen zwischen ihr und mir. Diese Grenzen zu übertreten, würde das Ende dieser perfekten Geschichte zwischen uns bedeuten.