E-Book 121 - 120 - Irene von Velden - E-Book

E-Book 121 - 120 E-Book

Irene von Velden

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. E-Book 121 : Der letzte Fürst von Stolzenfels E-Book 122 : Der Weg in die Heimat E-Book 123 : Die falsche Gräfin E-Book 124 : Immer Ärger mit der Liebe E-Book 125 : Unvergesslich schön, doch ohne Herz E-Book 126 : Liebe, wohin führst du mich? E-Book 127 : Bleibt die Vergangenheit lebendig? E-Book 128 : Mit dir nur will ich glücklich sein E-Book 129 : Bau nicht dein Glück auf fremdes Leid E-Book 130 : Nur die Gräfin wusste alles E-Book 1: Der letzte Fürst von Stolzenfels E-Book 2: Der Weg in die Heimat E-Book 3: Die falsche Gräfin E-Book 4: Immer Ärger mit der Liebe E-Book 5: Unvergesslich schön, doch ohne Herz E-Book 6: Liebe, wohin führst du mich? E-Book 7: Bleibt die Vergangenheit lebendig? E-Book 8: Mit dir nur will ich glücklich sein E-Book 9: Bau nicht dein Glück auf fremdes Leid E-Book 10: Nur die Gräfin wusste alles

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Inhalt

E-Book 121 - 120

Der letzte Fürst von Stolzenfels

Der Weg in die Heimat

Die falsche Gräfin

Immer Ärger mit der Liebe

Unvergesslich schön, doch ohne Herz

Liebe, wohin führst du mich?

Bleibt die Vergangenheit lebendig?

Mit dir nur will ich glücklich sein

Bau nicht dein Glück auf fremdes Leid

Nur die Gräfin wusste alles

Fürstenkrone – Staffel 13 –

E-Book 121 - 120

Irene von Velden Charlotte Berg Bettina Clausen Tara von Suttner Beate Helm Bianca Maria

Der letzte Fürst von Stolzenfels

Als er für sein Töchterchen eine Mutter suchte ...

Roman von von Velden, Irene

Als Katja die Tür aufschloß, wunderte sie sich ein wenig, weil Kurt ihr nicht wie sonst entgegenkam. Aber wahrscheinlich hatte er sich so sehr in seine Zeitungslektüre vertieft, daß er sie gar nicht hatte kommen hören.

Kurt König stand kurz vor dem Staatsexamen und war in den letzten Wochen sehr nervös gewesen.

Katja, die als Sekretärin in einer großen Industriefirma arbeitete, hatte das in den vergangenen Wochen mehr als einmal unliebsam zu spüren bekommen. Aber da sie ihn liebte, war sie auch geduldig mit ihm.

Sie öffnete die Tür zu seinem Appartement, das er bescheiden als Junggesellenbude bezeichnete, und erstarrte. Da beugte sich

Kurt, ihr Kurt, gerade über ein Mädchen, das sie nur allzu gut kannte, und küßte es. Es war Angelika Vossen, ihre Freundin und Kollegin.

Kurt und Angelika mußten wohl gespürt haben, daß sie nicht mehr allein waren. Sie fuhren auseinander und starrten Katja erschrocken an.

Angelika faßte sich als erste. Sie lachte, knöpfte sich aufreizend langsam ihre durchsichtige Bluse zu und sagte mit ihrer rauchigen Stimme:

»Jetzt weißt du es also.«

Katja hätte gern etwas Niederschmetterndes von sich gegeben, etwas, was die beiden vor ihr in Grund und Boden hätte verschwinden lassen. Sie bewegte die Lippen, aber sie brachte keinen Ton hervor. Kurt erhob sich. Katja wurde sich schmerzlich bewußt, wie unwahrscheinlich gut er aussah. Aber dann brachte sie es doch fertig, ihn kühl anzusehen, obwohl niemand ahnen konnte, wie unendlich schwer ihr das fiel.

»Es tut mir leid, Katja, ich wollte nicht, daß du es auf eine so unschöne Weise erfahren solltest. Ich – ich habe auch keine Erklärung dafür, obwohl ich verzweifelt danach suche.«

»Es ist vielleicht besser, wenn du das nicht tust, Kurt. Mit Erklärungen kann man das wohl auch nicht aus der Welt schaffen.«

Sie nestelte an ihrer Handtasche und zog den Schlüssel zu seinem Appartement hervor.

»Hier ist dein Schlüssel. Ich nehme an, du hast jetzt eine andere Verwendung dafür.«

Sie wandte sich um. Da kam Kurt mit ein paar schnellen Schritten auf sie zu, ergriff ihren Arm und sah sie bittend an.

»Was hast du vor, Katja?«

»Nach Hause gehen, was sonst. Ich möchte gern allein sein. Ich denke, das ist wohl verständlich, nicht wahr?«

»Ja, schon, aber... Ich möchte nicht, daß du jetzt in deiner Kopflosigkeit eine Dummheit machst.«

»Mach’ dir deshalb keine Sorgen. Ich glaube nicht, daß ich eine Dummheit machen würde. Deinetwegen nicht, ganz sicher nicht. Das wärest du gar nicht wert, lieber Kurt.«

Sie riß sich von ihm los und machte auf dem Absatz kehrt. Mit weichen Knien ging sie die Treppe wieder hinab und stand gleich darauf wieder im Nebel, der sich noch mehr verdichtet hatte in der kurzen Zeit, die sie bei Kurt gewesen war.

Unwillkürlich sah sie auf die Uhr. War wirklich nicht mehr als eine Viertelstunde verstrichen, seit sie in Kurts Appartement getreten und Angelika in seinen Armen gefunden hatte? Es wollte ihr scheinen, als wär seither schon eine endlos lange Zeit vergangen.

Sie zuckte zusammen, als sie ihren Namen rufen hörte. Kurt war also geschmacklos genug, sie zurückrufen zu wollen, solange Angelika noch in seinem Appartement war. Sie erinnerte sich schlagartig an Angelikas triumphierende Miene, und dann stieß sie sich von der Hauswand, an die sie sich angelehnt hatte, ab und rannte davon.

»Bleib doch endlich stehen, Katja! So kannst du nicht gehen. Wir müssen uns doch aussprechen!« hörte sie Kurts Stimme. Sie klang ein wenig gedämpft. Aber wahrscheinlich kam das durch den Nebel, der mittlerweile so dicht geworden war, daß sie kaum noch etwas erkennen konnte.

Katja drückte sich gegen eine Hauswand und wartete. Aber es blieb alles still. Kurt schien eingesehen zu haben, daß es zwecklos war, sie in diesem Nebel einzuholen.

Aber dann rannen, ohne daß sie sie aufhalten konnte, die Tränen über ihr Gesicht. Katja lief los. Sie wollte sich verkriechen. Sie wollte allein sein in ihrer hübschen kleinen Wohnung, eine Schlaftablette nehmen und sich ins Bett legen, damit sie nicht mehr denken mußte.

Katja ging wie eine Träumende über die Straße. Der Fahrer des langgestreckten Wagens bremste verzweifelt. Aber obwohl er kaum Geschwindigkeit gehabt hatte, gelang es ihm nicht mehr, Katja auszuweichen. Der Nebel war einfach viel zu dicht, als daß er sie noch frühzeitig genug hätte erkennen können.

Es gab einen dumpfen Laut, als Katja von dem einen Kotflügel erfaßt und zu Boden geschleudert wurde. Sie kam nicht mehr dazu, auch nur einen Schrei auszustoßen. Sie blieb reglos liegen. Alles tat ihr weh. Sie sehnte sich nach einer erbarmungsvollen Ohnmacht, aber sie war nur ein klein wenig benommen.

Unsicher blickte sie zu dem großen Schatten, der vor ihr aufgetaucht war und sich zu ihr niederbeugte. Sie sah ein männliches Gesicht vor sich und hörte wie aus weiter Ferne eine tiefe, warme Stimme fragen:

»Sind Sie verletzt? Oder ist alles in Ordnung?«

»Ich – ja, ich glaube schon. Danke!«

Sie wollte sich aufrichten und erheben, aber das konnte sie nicht. Sie war wie gelähmt. Wahrscheinlich kam das durch den Schock. Katja wußte es nicht.

Da spürte sie, wie zwei kräftige Hände sich unter ihre Achseln schoben und sie aufrichteten. Und wenig später trug der hochgewachsene Mann sie zu seinem Wagen, der sie beiseite geschleudert hatte.

Sie seufzte leise, als sie in das warme Innere des Wagens geschoben wurde und auf einem weichen Sitz landete. Sie wandte leicht

den Kopf mit dem herrlichen dunklen Haar zur Seite, als der Fremde auf der anderen Seite einstieg. Er legte einen Arm auf ihre Rückenlehne und beugte sich ein wenig vor. Im Wagen herrschte ein angenehmes Dämmerlicht. Man kam sich wie abgeschirmt von draußen vor.

Katja wußte nicht, wie sehnsüchtig und schmerzlich das Lächeln war, das ihren sehr blassen Mund umspielte.

»Sind Sie wirklich in Ordnung?« fragte der Mann mit seiner weichen Stimme und sah sie besorgt an.

Katja nickte und griff sich an den Kopf, der plötzlich zu schmerzen begann. Gleichzeitig fühlte sie, daß ihr schwindlig wurde.

»Natürlich sind Sie nicht in Ordnung. Man sieht es Ihnen deutlich an. Ich werde Sie jetzt erst einmal zu einem Arzt bringen, und dann werden wir weitersehen.«

»Nein!« Katja faßte unwillkürlich nach seiner Hand, die auf dem Lenkrad gelegen hatte. »Nein, bitte nicht, ich möchte nicht zu einem Arzt. Alles, was ich brauche, ist erst einmal Ruhe. Dann gehen auch die Kopfschmerzen vorüber. Ich – bitte, ich möchte nach Hause.«

Sie blickte in ein braungebranntes Gesicht mit den hellen Augen, der geraden Nase und dem kantigen Kinn. Dem Fremden sah man an, daß er energisch und erfolgreich war. Er sah sehr gut aus.

»Also schön. Ich werde Sie jetzt nach Hause bringen. Aber Sie müssen es sich gefallen lassen, daß ich mich morgen nach Ihnen erkundige. Wollen Sie mir Ihre Adresse sagen?«

Katja nannte sie ihm und lehnte sich seufzend zurück. Es tat gut, hier zu sitzen und ihn neben sich zu wissen. Es ging etwas ungemein Zuverlässiges von ihm aus, etwas, das sie nicht zu beschreiben vermocht hätte. Aber es war etwas, was angenehm auf sie wirkte und auch sehr beruhigend.

Endlich stoppte er vor dem Appartementhaus, in dem Katja ihre kleine Wohnung hatte, und ging um den Wagen herum, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.

Er legte wie selbstverständlich einen Arm um ihre Schultern und führte sie zur Haustür. Dort nahm er ihr den Schlüssel aus der Hand und schloß auf.

Dann lag sein Arm wieder um ihre Schulter, bis sie im Lift standen. Katja drückte den Knopf. Leise setzte sich die Kabine in Bewegung.

Vor der Tür zu ihrem Appartement nahm er ihr abermals den Schlüssel aus der Hand und schloß auf. Dann stand er mit ihr in der winzigen Diele, in der sie die Garderobe hatte. Er half ihr beim Ablegen des Mantels und hängte ihn ordentlich auf einen Bügel. Dann ging er mit ihr ins große Wohnzimmer, das peinlich aufgeräumt und trotzdem nicht unpersönlich wirkte.

Katja ließ sich in einen Sessel gleiten und stützte den Kopf in die Hände.

Der Fremde stand vor ihr, schaute auf sie herab und meinte mit einem netten, kameradschaftlichen Lächeln:

»Ein ganz ordentlicher Schluck Alkohol würde Ihnen wahrscheinlich jetzt guttun. Wenn Sie mir sagen, ob Sie etwas da haben und wo Sie es aufbewahren, werde ich uns beiden gleich ein Glas einschenken.«

Sie wies mit einer schwachen Handbewegung auf den Schrank. Er öffnete ihn, fand eine Flasche Kognak und Gläser und kam gleich darauf zu ihrem Sessel zurück. Er sah sie forschend an und sagte: »Hier! Trinken Sie das! Ich glaube, davon wird Ihnen besser werden.«

»Danke. Es – es ist wirklich nett, daß Sie sich so sehr um mich kümmern. Aber es geht mir schon wieder einigermaßen. Ich möchte nicht, daß Sie glauben...«

»Sie werden sich jetzt zu Bett legen und versuchen, sofort einzuschlafen. Und morgen komme ich wieder, um nach Ihnen zu sehen. Sie müssen mir schon erlauben, daß ich mich ein bißchen verantwortlich für Sie fühle.«

»Vielen Dank«, murmelte sie. »Es war sehr nett, daß Sie mich heimgebracht haben.«

»Bis morgen also«, sagte er lächelnd, ehe er sich abwandte und die Treppe hinabging.

Katja fühlte sich deprimiert und allein gelassen. Aber sie hätte nicht einmal zu sagen vermocht, ob sie sich nach Kurt sehnte. Kurt, der sie so schmählich mit Angelika betrogen hatte.

Sie wäre erleichtert gewesen, wenn sie wenigstens ein bißchen hätte weinen können. Aber noch nicht einmal Tränen hatte sie.

Da seufzte sie, ließ die Gläser auf dem Tisch stehen und machte sich ihr Bett auf der breiten Couch zurecht.

Müde schloß sie die Augen und war auch schon nach wenigen Sekunden eingeschlafen, ohne noch lange über das nachzudenken zu können, was sie an diesem frühen Frühjahrsabend alles hatte erleben müssen.

*

Katja erwachte am nächsten Morgen zur gewohnten frühen Stunde. Wieder überfielen sie die Gedanken. Sie dachte an Kurt, sie sah Angelika mit der geöffneten Bluse aus durchsichtigem Stoff in seinen Armen liegen und hörte wieder ihre triumphierende Stimme, als sie sagte: »Jetzt weißt du es also.«

Nein, dachte Katja und sprang mit einem Satz empor. Sie hatte keine Kopfschmerzen mehr. Nein, ich will nicht mehr an das alles denken. Es ist vorbei. Ich will nicht mehr daran erinnert werden. Am besten bemühe ich mich so schnell wie möglich um eine neue Stellung und um eine Wohnung in einer anderen Stadt. Ich möchte keinem von ihnen beiden mehr begegnen. Das würde nur peinlich für uns alle drei werden. Das möchte ich uns allen ersparen.

Sie nahm ein Bad, fühlte sich danach ein wenig frischer und räumte ihre kleine Wohnung auf. Aber als sie dann nichts mehr zu tun fand, stellten sich auch die Gedanken wieder ein. Sie wollte nicht weinen, aber dann kamen die Tränen mit einer so elementaren Gewalt, daß sie die einfach nicht zurückhalten konnte.

Nur mühsam beruhigte Katja sich wieder. Dann saß sie eine Weile bewegungslos am Fenster und starrte hinaus in die helle Morgensonne. Es war klar. Der Nebel hatte sich restlos verzogen, und man konnte kaum noch glauben, daß er abends zuvor so dicht gewesen war, daß man kaum eine Hand vor Augen hatte sehen können.

Nun fiel ihr der kleine Unfall auch wieder ein. Sie hatte ihn absichtlich aus ihrem Gedächtnis verbannt. Sie sah das markante Gesicht des fremden Autofahrers vor sich auftauchen, hörte seine tiefe, sonore Stimme und sah seine hellen Augen besorgt auf sich ruhen.

Natürlich würde er nicht kommen. Das hatte er nur so dahingesagt. Er hatte sich ihr ja noch nicht einmal vorgestellt. Wahrscheinlich war er heilfroh, daß ihr nichts Ernstliches geschehen war und hatte sie schon längst wieder vergessen.

Katja spürte, wie leises Bedauern in ihr aufstieg. Gerade wollte sie sich energisch zur Ordnung rufen, als die Türglocke schrillte.

Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Ob das Kurt war? Sie wollte auf keinen Fall mehr etwas mit ihm zu tun haben. Sie wollte ihn am liebsten nicht mehr wiedersehen.

Mechanisch betätigte sie den Türdrücker und ließ die Tür zu ihrem Appartement angelehnt.

Wer es auch immer sein mochte, er sollte sie nicht verweint antreffen. Sie lief rasch in ihr kleines Bad, legte ein wenig Make-up auf und bürstete sich noch einmal das dunkle Haar durch.

Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, trat der Fremde in ihre Wohnung. Verblüfft starrte sie ihm entgegen und stammelte dann ungläubig:

»Sie? Ich habe nicht damit gerechnet, daß Sie wirklich noch einmal kommen würden.«

»Aber das habe ich Ihnen doch gestern versprochen, nicht wahr? Haben Sie das vergessen?«

Er kam lächelnd auf sie zu und überreichte ihr die Blumen, die er mitgebracht hatte. Mechanisch nahm sie die und erwiderte, noch immer unsicher:

»Nein, vergessen habe ich es nicht. Ich – ich habe aber nicht damit gerechnet, daß Sie es auch wahrmachen würden.«

»Jetzt wissen Sie es. Ich pflege wirklich immer das zu halten, was ich versprochen habe. Wenn ich es nämlich nicht kann oder will, verspreche ich es lieber erst gar nicht.«

»Ich danke Ihnen für die herrlichen Blumen.«

»Oh, das ist noch nicht alles. Ich habe auch etwas zu essen mitgebracht, weil ich nicht wußte, ob Sie sich wohl genug fühlen würden, um selber einkaufen zu gehen. Und weil ich Sie nicht allein lassen möchte, habe ich halt etwas mitgebracht.«

Katja blickte auf die vielen Tüten, die er vor sie hin setzte, und mußte, ob sie wollte oder nicht, lachen.

»Das ist ja beinahe wie Weihnachten«, sagte sie und nahm alles mit in die angrenzende Küche, während er sich auf der Couch niederließ.

Sie kochte Kaffee, machte ein richtiges üppiges Frühstück zurecht und fühlte sich plötzlich wieder so geborgen wie am Vortag, als er sie zu seinem Auto getragen hatte.

Nachdem sie gefrühstückt hatten und Katja den Tisch wieder abgeräumt hatte, setzte sie sich zu ihm auf die Couch. Sie schob ihm Zigaretten zu und sah, wie er sich eine nahm und anzündete. Dann blickte er sie forschend an.

»Ist Ihnen eigentlich gar nicht aufgefallen, Katja Bergstein, daß ich mich noch gar nicht vorgestellt habe? Sie wissen immer noch nicht, wer ich bin. Also, ich heiße Joachim Stolzenfels. Aber ich möchte Sie herzlich bitten, mich einfach Achim zu nennen. So sagen nämlich meine wenigen Freunde zu mir.«

»Es ist mir wirklich noch nicht aufgefallen, daß ich Ihren Namen nicht wußte.«

»Nun, ich habe keine Ahnung, ob das ein Kompliment für mich ist oder mir sagt, daß ich Ihnen schrecklich gleichgültig bin. Aber ich gebe mich auch mit einem Kompliment zufrieden. Nun aber wieder zu Ihnen, Katja...«

»Zu mir? Was soll denn schon an mir interessant sein?« meinte sie verwundert.

»Sie machen einen sehr unglücklichen Eindruck auf mich. Und manchmal ist es ganz gut, wenn man sich einem Freund mitteilen kann. Ich glaube, ich bin ein guter Zuhörer. Wollen Sie es nicht mal ausprobieren?«

Katja starrte ihn entgeistert an. Dann senkte sie den Kopf.

»Es ist wahr. Ich habe gestern etwas sehr Unangenehmes und Peinliches erlebt und...«

Da kamen ihr auch schon wieder die Tränen. Ehe sie wußte wie ihr geschah, lag sie an seiner Brust und schluchzte, als hätte sie nie mehr mit dem verzweifelten Weinen aufhören können.

Achim legte beide Arme um sie und drückte sie tröstend an sich. Als er spürte, daß das Schluchzen ein wenig nachließ, zog er sein Taschentuch hervor und tupfte dem jungen Mädchen behutsam und sehr geschickt die tränennassen Wangen ab.

Katja schämte sich entsetzlich, als sie sich von ihm löste und murmelte:

»Entschuldigen Sie! Ich bin sonst keine solche Heulsuse. Aber das Erlebnis gestern war doch zuviel für mich. Und ich – ich bin so allein, wissen Sie. Ich habe doch außer Kurt niemanden auf der Welt.«

»Ich kann Sie sehr gut verstehen. Das Alleinsein macht Ihnen wirklich zu schaffen. Aber wollen Sie nicht über die Dinge reden, die Sie anscheinend so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht haben? Oder haben Sie kein Vertrauen zu mir?«

»Ich – ich weiß nicht. Sie haben schon so viel für mich getan, daß ich Sie nicht noch mit meinen Problemen belästigen möchte.«

»Ach, Unsinn! Ich werde mich bemühen, Sie nicht zu unterbrechen, bis Sie fertig sind. Und dann versuchen wir, über alles einigermaßen vernünftig zu sprechen, ja? Einverstanden?«

Katja sah ihn skeptisch an. Was ging es diesen Mann namens Achim denn eigentlich an, mit welchen Problemen sie sich herumschlagen mußte? Nachher, wenn er sich verabschiedet hatte, würden sie sich vermutlich nie mehr wiedersehen und...

Aber dann erzählte sie ihm doch alles.

»Ich – es war so schockierend für mich. Ich stand da und konnte keinen Ton hervorbringen«, schloß sie voller Bitterkeit.

»Und jetzt leiden Sie wahrscheinlich, nicht wahr?« fragte er leise und sah sie mitleidig an.

Erstaunt erwiderte sie seinen Blick und schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist ja eben das Erstaunliche. Ich leide gar nicht. Ich bin einfach nur total empört und schockiert. Aber leiden? Nein, im eigentlichen Sinne nicht.«

»Dann haben Sie diesen Kurt auch nicht geliebt!« entschied er nüchtern und fuhr fort: »Wenn man nämlich jemanden liebt, dann kann er tun und lassen, was er will. Man liebt ihn weiter, und es ist gleichgültig, was für ein Lump er ist. Man leidet einfach nur, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, ob sich das Leiden lohnt oder nicht. Das aber tun Sie nicht. Sie sind empört und enttäuscht, ja. Alle Dinge empfinden Sie als abscheulich und entwürdigend. Aber Sie lieben ihn nicht.«

»Ich weiß es nicht. Vielleicht haben Sie recht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Ich wollte, ich könnte alles liegen- und stehenlassen und einfach auf und davon gehen. Dann würde ich sicherlich viel schneller wieder zur Ruhe kommen.«

»Warum tun Sie es denn nicht einfach?« erkundigte er sich und zündete sich noch eine Zigarette an.

»Na, Sie sind gut! Ich habe eine Stellung und...«

»Die kann man kündigen«, unterbrach er sie sanft und sah sie abwartend an.

»Natürlich. Man kann sie einfach kündigen. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt gibt es Hunderte, die darauf warten, meinen Job zu ergattern. Aber ob ich auch wieder eine neue Stellung finden werde, das kann mir kein Mensch garantieren. Und so begütert bin ich auch wieder nicht, daß ich mich einfach auf die faule Haut legen könnte. Ich bin leider gezwungen, für meinen Lebensunterhalt zu arbeiten.«

»Sie haben bereits eine neue Stellung, wenn Sie wollen«, erklärte er und sah sie unverwandt an.

Katja fühlte, daß sie unter seinem Blick wieder ganz nervös wurde und lachte mit zitternder Stimme.

»Ach nein! Schütteln Sie neue Stellungen für Sekretärinnen nur so aus dem Handgelenk?« wollte sie wissen.

»Natürlich nicht. Aber ich können Ihnen eine Stellung verschaffen.«

»Als was?« Katja ließ keinen Zweifel darüber, daß sie mißtrauisch wurde.

»Nun, nicht gleich als Sekretärin natürlich. Aber vielleicht als Freundin meiner Tochter, als Sekretärin für mich, wenn ich eine benötige und...«

»Ich möchte gern wissen, was Ihre Frau dazu sagen würde, wenn Sie ihr erklärten, Sie hätten ein Mädchen getroffen, das Ihnen leid getan hat. Und deshalb hätten Sie es einfach mitgebracht, nur so.«

»Ich habe keine Frau.«

»Verzeihen Sie.« Katja fühlte sich auf eine merkwürdige Weise schuldbewußt und gleichzeitig auch erleichtert. »Ich wollte weder neugierig noch taktlos sein. Ich...«

»Meine Frau hat mich kurz nach Danielas Geburt verlassen und ist später, ohne daß wir uns wiedergesehen hätten, mit dem Flugzeug abgestürzt. Daniela, meine Tochter, ist jetzt sechs Jahre alt und ein normales kleines Mädchen, das sich aber auf Stolzenfels schrecklich langweilt.«

»Stolzenfels ist wohl ein Gut, nicht wahr?« Katja tastete sich langsam weiter vor. Sie konnte sich ja mal erkundigen, ohne sich dabei etwas zu vergeben.

»Ja, eigentlich ist es ein Landsitz. Ach was, warum sollen wir um den heißen Brei herumreden. Stolzenfels ist die Residenz der Fürsten Stolzenfels gewesen, ihr Stammhaus sozusagen, als sie noch Lehnsherren waren. Heute ist es ein großes Schloß mit einem riesigen Gutshof, der viel Arbeit macht.«

»Oh, dann sind Sie der Fürst von Stolzenfels, Achim?«

Katja streckte unwillkürlich den schmalen Zeigefinger aus und wies auf ihn. Er lachte leise auf und sah sie amüsiert an.

»Ich fürchte, ich kann es nicht ableugnen. Sind Sie jetzt sehr enttäuscht von mir?«

»Nein, warum sollte ich? Sie können doch nichts dazu, daß Sie der Fürst von Stolzenfels sind.«

»Ich bin sehr beruhigt, daß Sie so vernünftig darüber denken. Aber nun sollten wir uns wohl lieber über meinen Vorschlag, den ich Ihnen machte, unterhalten. Was meinen Sie?«

»Oh! Meinten Sie es denn wirklich ernst?« erkundigte sie sich schnell.

»Natürlich. Wenn Sie mich besser kennen würden, brauchten Sie so etwas nicht noch zu fragen. Also, wie ist es? Bedenken Sie, daß Sie in einer neuen und fremden Umgebung viel besser vergessen können, was Sie hier erlebt haben. Und außerdem ist Stolzenfels ein sehr schöner Besitz, der Ihnen gewiß gut gefallen würde.«

»Ich gebe ganz offen zu, daß Ihr Angebot etwas ungemein Verlockendes für mich bekommt.«

»Nun, dann ist es einfach, es auch anzunehmen. Am besten besprechen wir gleich alles Notwendige miteinander, und Sie überlassen mir dann alles andere. Ich werde Sie einfach mit nach Stolzenfels nehmen und...«

»Aber so schnell geht das doch nicht. Ich muß drei Monate, bevor ich die Wohnung aufgebe, kündigen. Sonst ist die Miete doch umsonst bezahlt.«

»Ach, das lassen Sie nur meine Sorge sein. Sie brauchen nur ja oder nein zu sagen. Dann ist alles Weitere meine Angelegenheit.«

»Ich möchte sehr gern mit Ihnen nach Schloß Stolzenfels kommen. Ich weiß auch nicht, wieso ich das gern möchte. Ich habe das Gefühl, daß es der einzig akzeptable Vorschlag wäre, den man mir machen kann.«

»Braves Mädchen! Dann können wir am Montag gleich losfahren. Sie brauchen nur Ihre Koffer zu packen. Alles andere überlassen Sie mir. Ich werde das für Sie erledigen.«

*

Sie saßen nebeneinander in dem schönen, langgestreckten Wagen, der Katja beinahe zum Verhängnis geworden wäre, und unterhielten sich miteinander.

»Sie werden meiner Mutter sofort gefallen«, sagte Achim gerade lächelnd und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Sie ist sehr besorgt um mich und natürlich auch um unseren alten Namen. Immerhin bin ich der letzte Fürst von Stolzenfels und habe auch nur eine Tochter. In gewissen Zeitabständen bestürmt Mama mich geradezu, wieder zu heiraten, damit sie noch einen Enkel erleben kann.«

»Ist das nicht gut zu verstehen? Warum tun Sie ihr den Gefallen nicht?« fragte Katja und strahlte ihn aus ihren blauen Augen übermütig an.

»Oh, ich bin das berühmte gebrannte Kind, das das Feuer scheut. Ich deutete Ihnen doch bereits an, daß meine Ehe nicht gerade sehr glücklich gewesen ist, nicht wahr?«

»Deshalb muß doch die zweite Ehe nicht auch unglücklich werden.«

»Ehrlich gesagt, ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Um meine Mutter zu beruhigen, habe ich ihr aber irgendwann einmal versprochen, mir einfach eine Frau mitzubringen, wenn ich mal von Stolzenfels weggewesen bin. Damit habe ich sie beruhigen können.«

Katja blieb völlig unbefangen und bemerkte nicht, daß er sie plötzlich mit ganz anderen Augen betrachtete.

Sie lächelte und sagte schnell:

»Erzählen Sie mir von Ihrer kleinen Tochter, ja? Ich möchte gern mehr über sie wissen.«

»Daniela? Oh, sie ist ein durchaus normales Kind. Ein bißchen einsam unter lauter Erwachsenen wahrscheinlich. Aber das war ich auch. Ich bin ebenfalls ein Einzelkind gewesen und habe darunter manchmal sehr gelitten. Aber Daniela scheint noch nicht darunter zu leiden, daß sie ein Einzelkind ist, denn sie ist sehr vernünftig und kann sich wunderbar mit sich allein beschäftigen. Sie ist sehr glücklich, daß ich sie dann und wann mal auf einen Ausritt mitnehme. Und sie freut sich schon auf die Schule, denn ich habe ihr fest versprochen, daß sie die ersten Jahre zur Dorfschule gehen kann, damit sie mit anderen Kindern zusammen ist. Dann wird sie wohl schon die eine oder andere Freundschaft schließen und die Kinder mit nach Stolzenfels bringen.«

»Ich bin sehr neugierig auf Daniela. Ob ich mich wohl gut mit ihr verstehen werde?«

»Ganz bestimmt. Mit Ihnen muß man sich doch gut verstehen, Katja. Ich habe Sie ja auch von Anfang an sehr sympathisch gefunden, nicht wahr?«

»Danke, Achim. Es ist sehr nett, daß Sie mir das sagen. Das macht mir ein wenig Mut, denn ich fühle mich unsicher, wenn ich an das Neue denke, das mir bevorsteht.«

»Dazu gibt es keinen Grund.«

Er bog von der breiten Straße auf eine schmalere Nebenstraße ein und hielt wenig später an. In der Abendsonne schimmerte ein See, an dem Schloß Stolzenfels lag. Das Schloß stand auf einem Hügel, der sich über den See erhob und sah aus, als wäre es von einem künstlerischen Zuckerbäcker geschaffen und in die grünen Wälder gestellt worden.

»Oh, wie schön!« sagte Katja und konnte sich kaum satt sehen an dem herrlichen Bild, das sich ihr bot.

Wenig später fuhren sie durch das weit geöffnete schmiedeeiserne Portal und den breiten Weg entlang, der vor die breite Freitreppe führte, auf dessen oberster Stufe eine Frau erschien. Sie wirkte schmal und streng in ihrem schwarzen Kleid und dem straff nach hinten gekämmten Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten gebunden hatte.

»Das ist Josefa, unsere Haushälterin«, sagte Achim zu Katja und stieg aus.

Dann beugte er sich noch einmal zu ihr in den Wagen und sagte leise: »Sie brauchen sich nicht vor Josefa zu fürchten, Katja. Sie sieht sehr streng aus, aber sie hat ein Herz aus Gold. Das werden Sie auch noch feststellen, warten Sie es nur ab. Also, Kopf hoch.«

Katja war da eigentlich nicht so ganz sicher, aber sie hatte auch keine Gelegenheit mehr, etwas zu entgegen, denn Fürst Achim war um den Wagen herumgegangen und öffnete die Tür auf ihrer Seite.

Langsam ging er mit ihr die breiten, ein wenig geschwungenen Stufen empor und blieb vor Josefa stehen, die ihnen entgegenblickte.

»Guten Tag, Josefa. Das ist Katja Bergstein, die nun bei uns bleiben wird.«

Josefas dunkle Augen musterten Katja mißtrauisch, bevor sie lächelte und ihr die Hand entgegenstreckte. Nun sah Josefa nicht mehr halb so streng aus wie vorher. Nun wirkte sie wie eine mütterliche und warmherzige Frau, die sich freut, einen lieben Gast begrüßen zu können.

»Willkommen auf Stolzenfels, Fräulein Bergstein«, sagte sie freundlich und nickte Katja noch einmal zu, ehe sie ihre Hand freigab.

Dann wollte Achim wissen, wie es seiner Mutter ging.

»Der Föhn macht ihr arg zu schaffen. Dr. Berger meint, es sei besser, wenn sie im Bett bliebe. Die Fürstin hat zwar rebelliert, aber ich habe auch das Gefühl, als wenn sie ganz zufrieden in ihrem Bett ist.«

»Ich werde gleich zu ihr gehen. Am besten nehme ich Katja mit. Dann lernt meine Mutter sie auch sofort kennen.«

Er ließ Katja gar keine Zeit mehr, etwas zu erwidern oder abzuwehren, sondern zog sie ganz mit sich. Sie durchquerten eine Halle von riesigen Ausmaßen, die sich Katja aber kaum richtig ansehen konnte, weil Fürst Achim sie einfach mit sich nach oben zog. Als sie dort angekommen waren, löste sie energisch ihre Hand aus der seinen und sagte schnell:

»Meinen Sie wirklich, es sei richtig, wenn Sie mich gleich mit zu Ihrer Mutter nehmen, Achim? Sicherlich möchte sie Sie doch erst einmal für sich allein haben und...«

»Ach wo. Kommen Sie nur ruhig mit. Mutter wird sich freuen, Sie zu sehen. Und ich wette, sie wird darauf bestehen, daß Sie ihr auch ein wenig Zeit widmen.«

»Das will ich selbstverständlich gern tun, aber...«

»Na, dann ist doch alles in bester Ordnung. Und nun kommen Sie endlich, Mutter beißt nicht. Ich habe Ihnen doch erzählt, daß sie der gütigste Mensch ist, den ich kenne.«

Damit steuerte er auf eine der zahlreichen Türen, die auf den langen Gang mündeten, zu und öffnete sie. Dann schob er Katja vor sich her und betrat hinter ihr das Zimmer.

»Hallo, Mutter! Da bin ich wieder!« sagte er fröhlich und trat an das große Bett, das mitten im Zimmer stand und von einem herrlichen, gerafften grünsamtenen Baldachin förmlich beschirmt wurde. »Und ich habe dir auch noch jemanden mitgebracht, der ein bißchen Angst vor dir hatte, weil er nicht weiß, ob du ihn mögen wirst.«

Die Fürstin sah erstaunt auf Katja, von Katja wieder zurück in das lächelnde Gesicht ihres Sohnes und streckte dann die Hand aus.

»Du hast es also wahrgemacht, Achim? Du hast dir eine Frau mitgebracht? Und dabei habe ich immer geglaubt, du hättest damals nur gescherzt. Kommen Sie, mein Kind, damit ich Sie näher betrachten kann.«

Katja fühlte sich wie betäubt. O nein, dachte sie, nein, nicht schon wieder solche Komplikationen! Sie sah hilfesuchend auf Fürst Achim, der neben ihr stand. Er zuckte fast unmerklich die Schultern und machte ein hilfloses Gesicht.

Da entschloß sie sich, zu schweigen. Sie neigte sich ein wenig zur Fürstin hinab und stellte fest, daß sie die gleiche Augenfarbe wie ihr Sohn hatte und ihre Gesichtszüge weich und erstaunlich jung waren, obwohl sie doch schon weit über sechzig Jahre alt sein mußte.

»Katja heißen Sie?« fragte die Fürstin. Sie hatte eine dunkle, warme und angenehme Stimme, die Katja sofort für sie einnahm. »Das ist ein sehr hübscher Name. Und ich finde, er paßt auch ganz ausgezeichnet zu Ihnen.«

»Danke, Sie sind sehr freundlich, Durchlaucht.«

»Wir werden uns hoffentlich in der nächsten Zeit gut und näher kennenlernen. Bleiben Sie länger bei uns?«

Joachim warf ein:

»Solange sie nur will. Katja hat nämlich keine Verwandten mehr und steht ganz allein auf der Welt. Sie hat auf meinen Wunsch hin ihre Stellung als Sekretärin gekündigt und ist mit mir gekommen.«

»Sie hätten schon viel früher zu uns kommen müssen, Katja.«

Die Fürstin Stolzenfels lächelte freundlich. Man sah ihr an, daß sie sich nicht besonders gut fühlte. »Ich werde mich beeilen müssen, so schnell wie möglich mein Bett verlassen zu können. Ich möchte Sie und Achim nicht dazu zwingen, all Ihre freie Zeit an meinem Bett zu verbringen.«

»Ich – ich habe Katja eigentlich für Daniela mit hergebracht, Mutter.«

Man sah Achim nicht an, was er fühlte. Katja war wütend. Er würde seiner Mutter diese Komödie doch nicht noch länger vorspielen wollen? Warum stellte er diesen Irrtum nicht endlich richtig?

»Das ist sehr vernünftig. Aber jetzt Sind Sie sicherlich erst einmal schrecklich müde von der langen Fahrt, mein Kind, nicht wahr? Achim soll Ihnen Ihre Unterkunft zeigen. Und dann hoffe ich, daß wir uns heute abend noch sehen, ehe Sie sich schlafen legen, ja? Ich bin eine schrecklich neugierige Frau, fürchte ich.«

»Ich komme sehr gern zu Ihnen, Durchlaucht.«

Katja fühlte sich immer weniger wohl in ihrer Haut und war heilfroh, als sie endlich mit Achim das Zimmer der Fürstin wieder verlassen konnte.

Draußen auf dem Flur blieb sie stehen und funkelte Achim wütend an.

»Das haben Sie fein gemacht! Sie wissen wohl nicht, in welch eine prekäre Lage Sie mich gebracht haben, wie? Warum haben Sie den Irrtum Ihrer Mutter nicht gleich aufgeklärt? Warum haben Sie nicht die Angelegenheit richtiggestellt? In welchem Licht stehe ich jetzt da? Ich kann unter diesen Umständen kaum auf Schloß Stolzenfels bleiben, Achim. Das dürfte Ihnen wohl auch klar sein.«

»Kommen Sie erst einmal, Katja.« Er zog sie mit sich fort zu einer anderen Tür. Er stieß sie auf, und Katja betrat einen kleinen Salon, der sie sofort hellauf begeisterte.

Achim drückte Katja in einen der verspielt wirkenden Sessel und blieb vor ihr stehen, um nachdenklich auf sie niederzuschauen.

»Wenn ich es eben übers Herz gebracht hätte, dann wäre ich wahrscheinlich der letzte gewesen, der meiner Mutter eine solche Komödie vorgespielt hätte. Aber nun geht es nicht mehr anders, Katja. Ich kann nicht zu ihr gehen und ihr sagen, das Ganze sei ein Irrtum und Sie und ich – na, Sie wissen schon.«

»Aber, Achim! Sie bilden sich wohl hoffentlich nicht ein, daß ich dieses Theater mitmachen werde? Sie glauben doch nicht, daß ich mich als Ihre Braut behandeln lassen kann, wo ich doch in Wirklichkeit nur eine neue Stellung hier antreten will?«

Katjas Augen begannen seltsam zu funkeln. Man sah ihr deutlich an, daß sie sehr ungehalten war.

»Katja! Was ist denn schon eigentlich so Furchtbares geschehen? Meine Mutter hat sich gefreut, und für diese Freude einer Mutter bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich kann einfach nicht zu ihr gehen und ihr sagen, das Ganze sei ein verhängnisvoller Irrtum gewesen. Das würde sie sich niemals verzeihen. Aber das wäre doch nicht das Schlimmste, Mutter würde sich erregen, und das wäre bei ihrem augenblicklichen Zustand Gift für sie. Das werden Sie doch einsehen.«

»Sie sah tatsächlich elend aus«, mußte Katja widerwillig zugeben. »Ist sie wirklich so krank, wie Sie sagten, Achim? Oder übertreiben Sie jetzt ein wenig?«

»Nein!« Er winkte ab. »Nein, ich übertreibe nicht. Wahrscheinlich ist Mutter noch viel elender, als sie es selbst zugeben möchte. Ich kenne sie doch.«

»Dann müssen wir dabei bleiben, wenigsten vorerst«, entschied Katja und zog unwillkürlich die Schultern zusammen, als friere sie. Und wirklich – es war auch so etwas wie ein Frieren, das von innen, aus ihrem Herzen herauszukommen schien, das sie ängstlich machte.

Was wird noch alles auf mich zukommen? fragte sie sich und wagte sich nicht vorzustellen, was für Situationen es noch sein würden, in die sie geraten könnte.

»Es ist besser, wenn Sie mir jetzt das Zimmer zeigen, in dem ich für die Dauer meines Aufenthaltes untergebracht werden soll. Ich möchte mich ein wenig frisch machen und...«

»Dies ist Ihr Zimmer, Katja. Das ist das Wohnzimmer, und nebenan geht es zum Schlafzimmer und dem dazugehörigen Bad. Ich hoffe, es gefällt Ihnen ein bißchen. Hierher können Sie sich immer zurückziehen, wenn Sie einmal allein sein wollen. Wenn irgend etwas nicht so ist, wie Sie es gern haben möchten, dann sagen Sie es mir jetzt, damit ich es ändern lassen kann.«

»Oh, Achim, wirklich? Soll ich hier leben dürfen, in diesem herrlichen Appartement? Ich kann es noch gar nicht fassen.«

»Schloß Stolzenfels ist sehr alt. Früher baute man noch viel großzügiger. Die einzelnen Besitzer haben dann immer wieder etwas modernisiert, so daß Stolzenfels gemütlicher und praktischer wurde. Deshalb finde ich es nur recht und billig, wenn Sie sich hier auch wohl fühlen können.

Ich warte mit dem Abendessen auf Sie, Katja. Wir treffen uns in einer halben Stunde. Ich werde Sie abholen, denn Sie könnten sich am Ende verlaufen. Beim Abendessen werden Sie auch Daniela kennenlernen. Ich werde ihr ausnahmsweise gestatten, mit uns zu speisen.«

»Ja, ja, natürlich.« Katja fühlte sich immer noch schrecklich verwirrt, einfach überrumpelt. Die Ereignisse rissen sie mit sich, ohne daß sie imstande gewesen wäre, sich zu wehren. »Was soll ich denn zum Abendessen anziehen?«

»Oh, wenn wir allein sind, machen wir keine großen Umstände. Aber wenn Mutter wieder aufstehen kann, dann legt sie den allergrößten Wert darauf, daß man sich zum Abendessen festlich kleidet. Ziehen Sie irgendein hübsches Kleid an, Katja.«

Er ging zur Tür. Dort drehte er sich kurz um und kam zu ihr zurück.

»Da ist noch etwas...«

»Ja?« Mißtrauisch sah Katja ihn an.

»Sie werden in den sauren Apfel beißen und mich duzen müssen, Katja. Meinen Sie, daß Ihnen das gelingen wird?«

»Jedenfalls werde ich mich bemühen«, erklärte sie steif. Sie wollte allein sein, sich nicht mehr mit ihm unterhalten müssen. Er sollte sie endlich in Ruhe lassen, damit sie nachdenken konnte.

Sie ging in das angrenzende Schlafzimmer, blickte nachdenklich auf das große Bett, das einen Baldachin trug, aber aus roséfarbenem Samt, der es gemütlich machte. Sie sah auf den Teppichboden, der ebenfalls rosa war und auf die verspielten Schleiflackmöbel, die mit Gold abgesetzt waren.

Wohin bin ich nur geraten? fragte sie sich. Ob es nicht am Ende doch besser gewesen wäre, wenn ich daheimgeblieben wäre?

*

Daniela war ein reizendes, guterzogenes Mädchen mit langen blonden Locken und herrlichen blauen Augen. Nur die schien sie vom Vater zu haben, denn sonst konnte Katja keinerlei Ähnlichkeit mit Achim bei ihr feststellen. Wahrscheinlich war seine erste Frau blond gewesen.

Unsicher ging Katja auf das kleine Mädchen zu und beugte sich zu ihm hinab.

»Du brauchst mich nicht so ängstlich anzusehen«, sagte sie und lächelte sanft. »Ich fühle mich dir gegenüber mindestens ebenso unsicher wie du dich mir gegenüber. Ich möchte so gern, daß wir beide uns gut vertragen. Meinst du, daß das möglich sein wird?«

»Großmama sagt, daß du Papa heiraten willst«, war Danielas zurückhaltende Antwort.

Katja holte tief Luft und sagte mit einem lieben Lächeln:

»Ich habe dich gar nicht bei deiner Großmama gesehen, als ich ihr guten Tag sagte.«

»Ich war ja auch eben erst bei ihr. Willst du Papa heiraten oder nicht?«

»Findest du nicht auch, Äffchen, daß du ein bißchen zu neugierig bist? Du bringst Katja ja regelrecht in Verlegenheit. Sie muß sich doch erst an Stolzenfels, an dich und an uns alle gewöhnen. Dann kannst du ihr eine solche Frage stellen. Vorher aber nicht.«

»Ich glaube, du bist in Ordnung, Katja. Ich kann dich gut leiden. Hoffentlich bleibst du auch tatsächlich für immer hier. Ich wünsche es mir jedenfalls.«

Katja warf einen hilflosen Blick zu Achim, der sie gespannt betrachtete. Dann erklärte sie entschlossen:

»Ich wünsche es mir auch, Daniela. Stolzenfels ist so zauberhaft schön, daß ich gern für immer hierbleiben möchte. Zeigst du mir morgen das Schloß und die Umgebung? Es muß überall sehr schön sein, oder?«

»Und im Sommer können wir im See baden. Papa hat auch ein tolles Motorboot, mit dem wir oft hinausfahren. Es wird dir gewiß gefallen.«

»Davon bin ich überzeugt.«

Katja vermied es, Fürst Achim anzusehen. Sie war noch immer wütend auf ihn, obwohl sie sich gerechterweise sagen mußte, daß er eigentlich nicht die Schuld trug an der Situation, in die sie der Irrtum der kranken Fürstin gebracht hatte.

*

Daniela zeigte ihr, wie wunderbar sie es fand, daß Katja am nächsten Morgen zu ihr ins Zimmer kam und ihr beim Ankleiden half. Sie schob ihre kleine Hand geschwind in Katjas, als sie miteinander zum Frühstück gingen. Katja hätte gern gewußt, ob auch Fürst Joachim mit ihnen gemeinsam frühstücken würde und wo – aber sie fragte nicht. Sie wollte nicht allzu neugierig erscheinen.

Und dann stand plötzlich Josefa vor ihnen und sah sie aus klugen dunklen Augen an. Josefa weiß, daß wir der alten kranken Fürstin eine Komödie vorspielen, dachte das junge Mädchen, aber sie neigte anmutig den schönen Kopf und nickte der Haushälterin zu.

»Ich glaube, der Fürst wird Sie auf Ihrem ersten Rundgang begleiten, Fräulein Katja. Er wartet schon auf Sie und Daniela.«

Katja wurde rot, ärgerte sich darüber und nickte nur. Sie fand, daß sie sich linkisch und hölzern benahm. Aber vor Josefa hatte sie einen höllischen Respekt. Sie fühlte sich in ihrer Gegenwart immer verunsichert und wünschte sich von ganzem Herzen, daß dieses störende Gefühl bald ganz verschwinden möge.

Joachim erhob sich höflich, als Katja mit Daniela das Frühstückszimmer betrat.

Er nickte ihnen zu und sagte launig:

»Wenn ihr erlaubt, möchte ich mich euch gern anschließen, wenn ihr nach dem Frühstück dann gemeinsam auf Entdeckungsreise geht.«

Daniela war von seinem Vorschlag begeistert. Katja sagte nichts dazu. Sie hätte gern mit Daniela alles angesehen. Seine Nähe machte sie nervös. Er hatte eine ungeheure Ausstrahlung, die gefährlich für sie war. Aber sie wollte sich nicht in ihn verlieben. Sie wollte frei sein und es auch bleiben, weil sie das Vertrauen zu allen Männern gründlich verloren hatte.

»Katja! Warum gibst du denn keine Antwort?« rief Daniela ungeduldig aus, als Katja nur nachdenklich vor sich hin starrte und nicht auf das hörte, was Daniela ihr gesagt hatte.

Sie riß sich gewaltsam zusammen und lächelte dem blonden Mädchen zu.

»Entschuldige, Kleines, ich bin unaufmerksam gewesen«, sagte sie und vermied es, Joachim anzusehen. Sie wollte nicht in seine spöttischen Augen blicken, weil er sonst vermuten konnte, daß sie sich in Gedanken mit ihm beschäftigt hatte.

»Mutter wird auch auf dich warten. Ich schlage vor, du widmest ihr vor dem Mittagessen eine Stunde, Katja.«

Sie nickte. Es war ihr schrecklich peinlich, mit der Fürstin allein sein zu müssen. Bestimmt würde sie wieder auf ihre Hochzeit mit Joachim zu sprechen kommen. Und darüber mochte Katja sich auf gar keinen Fall unterhalten. Diese Hochzeit würde doch sowieso niemals stattfinden.

Warum schmerzte dieser Gedanke denn nur so? Fürst Joachim hatte ihr doch erklärt, daß sie nicht von Stolzenfels fort müsse, wenn sie es nicht selber wollte. Und daß sie es nicht wollte, das stand fest.

Katja lächelte unwillkürlich bei diesem Gedanken, und als sie aufblickte, schaute sie mitten in seine hellen Augen. Sie wollte den Blick abwenden, aber das konnte sie nicht. Es war, als hätte er eine geheime Macht über sie und wäre sich ihrer auch voll und ganz bewußt.

Aber dann wurde es noch ein sehr unterhaltsamer Vormittag. Sie durchstreiften das Schloß, und zu jedem Zimmer gab es eine überlieferte Geschichte. Sogar Daniela konnte die eine oder andere erzählen und war ordentlich stolz, wenn sie merkte, daß Katja gefesselt war und ihr gespannt zuhörte.

»Soll ich mit dir zu Großmama gehen, Katja?« fragte Daniela schließlich, als sie auf dem langen Flur standen, auf den so viele Türen führten, daß man sie lieber erst gar nicht zählen mochte.

»Vielleicht ist es besser, wenn Katja erst einmal zu Großmama geht, Daniela. Großmama ist ziemlich krank und schwach, wie du ja weißt. Und wir wollen sie nicht überanstrengen, das siehst du doch ein, nicht wahr?«

Daniela nickte und schmiegte sich an Katja. Sie zeigte deutlich, wie sehr sie schon an ihr hing.

»Dann warte ich in meinem Zimmer auf dich. Ich habe sowieso noch alles mögliche einzuräumen. Josefa sagt, das muß ein kleines Mädchen selbst machen, damit es später einmal prüfen kann, ob die Diener es auch richtig machen.«

Katja mußte lachen, als sie in das ernsthafte Kindergesicht schaute. Sie beugte sich zu Daniela hinab und küßte sie auf die Wange.

»Ich finde, Josefa ist sehr klug, wenn sie dir solche Dinge sagt.«

Damit richtete sie sich auf, strich sich eine Locke aus der Stirn und klopfte bei der Fürstin an.

Freundlich blickte Fürstin Margareta ihr entgegen und rief dann lebhaft aus: »Kommen Sie, mein Kind! Setzen Sie sich ganz nah zu mir. Ich habe gern junge Leute in meiner Nähe.«

Sie wies mit der schmalen Hand auf einen Sessel neben ihrem Bett.

Gehorsam ließ Katja sich darin nieder. Dann schaute sie die alte Dame fragend an, weil sie nicht wußte, über was sie sich mit ihr unterhalten sollte.

»Erzählen Sie mir, wie Sie Joachim kennengelernt haben.«

»Oh, hat er Ihnen das noch nicht gesagt?« fragte Katja und wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte.

»Nein, natürlich nicht. Joachim hat Ihre Existenz ja ziemlich geheimgehalten, müssen Sie wissen. Deswegen war ich auch so überrascht, als Sie plötzlich mit ihm herkamen.«

»Nun, es war eigentlich überhaupt nicht romantisch, wie wir uns kennengelernt haben, Joachim und ich.«

Katja entschloß sich, die Wahrheit zu bekennen, jedenfalls, soweit ihr das möglich war. Sie war zornig auf Fürst Joachim, weil sie wieder einmal in eine Situation geraten war, aus der sie sich so schnell nicht herauswinden konnte.

»Es ist mit ein paar Worten erzählt, Durchlaucht. Joachim hätte mich im Nebel beinahe angefahren. Ich glaube, es war meine eigene Schuld, denn ich hatte nicht achtgegeben. Der Wagen erfaßte mich und schleuderte mich beiseite. Und plötzlich war dann Joachim da und brachte mich heim in meine kleine Wohnung.«

»Waren Sie damals eigentlich schon in ihn verliebt, Katja?« wollte die Fürstin wissen.

Katja wurde rot.

»Ich weiß nicht recht. Doch, wahrscheinlich. Ich habe an ihn gedacht, aber eben nicht damit gerechnet, daß er wiederkommen würde. Ich kannte ja nicht einmal seinen Namen. Aber das war uns beiden noch nicht einmal aufgefallen.«

»Und am nächsten Tag ist er dann wirklich gekommen? Ich kenne doch meinen Joachim.« Fürstin Margareta sah ordentlich stolz drein.

»Ja, er brachte mir Blumen und auch etwas zu essen. Und da erst stellte er sich mir vor. Ich erfuhr, daß er der Fürst Stolzenfels ist. Und da war ich eigentlich ziemlich schockiert. Ein Fürst und ich, das war etwas, was ich mir absolut nicht vorstellen konnte.«

»Und trotzdem sind Sie jetzt mit ihm verlobt. Oh, Katja! Ich finde es wundervoll, daß Joachim sich entschlossen hat, doch noch einmal zu heiraten. Sie müssen wissen, daß seine erste Ehe nicht besonders glücklich gewesen ist.«

»Er – er hat es angedeutet«, bemerkte Katja schnell.

Katja war das Gespräch peinlich. Sie überlegte gerade, wie sie dem eine andere Wendung geben konnte, als Fürst Joachim nach leisem Klopfen eintrat. Sie blickte ihm erleichtert entgegen und rief aus:

»Fein, daß du kommst, Joachim! Ich habe gerade deiner Mutter berichtet, wie wir uns kennengelernt haben.«

»O ja. Ich habe mein Lebtag keinen solchen Nebel erlebt wie an dem Tag.«

Er lächelte ironisch zu ihr hinüber und fuhr fort:

»Geh nur schon, Katja. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit Mutter. Und vielleicht können wir sie morgen schon für eine Stunde zu uns herunterholen, damit sie endlich wieder im Familienkreis sitzen kann.«

Katja verabschiedete sich und ging eilig hinaus. Es hatte fast den Anschein, als befände sie sich auf der Flucht.

Nachdenklich schaute Joachim ihr nach, bevor er sich mit freundlichem Lächeln seiner Mutter zuwandte.

*

»Joachim!« Katja sah ihn entsetzt an und versteckte unwillkürlich die Hand auf dem Rücken. Ihre Augen funkelten empört, als sie fortfuhr:

»Ist es denn immer noch nicht genug, Joachim? Wie weit willst du es denn noch treiben? Hast du keine Ahnung, daß du eines Tages für den schändlichen Betrug an deiner armen Mutter bitter bestraft werden könntest?«

»Es muß aber sein. Und nun komm, gib mir deine Hand! Ich habe es wirklich vergessen, Katja. Mutter hat mich doch erst darauf aufmerksam gemacht, daß du immer noch keinen Ring am Finger trägst, dem man ansieht, daß ihn dir ein liebender Mann geschenkt hat.«

»Treib es nicht auf die Spitze!« herrschte sie ihn an. »Ich bin auch nur ein Mensch. Wie würdest du reagieren, wenn ich eines Tages zu dir käme, um dir zu sagen, ich würde nun nicht mehr mitmachen, weil mir die Angelegenheit allmählich über den Kopf zu wachsen beginnt und ich keinerlei Kontrolle mehr habe?«

Er sah sie forschend an.

»Du bist nicht der Mensch, Katja, der fahnenflüchtig werden könnte. Du nicht. Ich weiß, daß du weder Mutter noch Daniela oder mich im Stich lassen würdest.«

»Was hat Daniela damit zu tun?« fragte Katja hastig.

Das Herz wollte sich ihr im Leibe umdrehen, wenn sie daran dachte, mit welcher Liebe das Kind an ihr hing und welches Vertrauen es ihr entgegenbrachte. Sie kam sich wieder einmal abgrundtief schlecht vor, weil sie die Fürstin und das kleine Mädchen betrog.

»Was Daniela damit zu tun hat?« wiederholte er und sah sie immer noch zwingend an. »Du würdest sehr viel bei ihr zerstören, Katja, wenn du sie jetzt enttäuschen würdest. Ist dir denn das wirklich noch nicht klargeworden?«

»Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Alles ist so anders, als ich es mir vorgestellt habe, Joachim. Ich habe dich vor einigen Wochen noch nicht gekannt. Da hatte ich keine Ahnung, daß es dich überhaupt gibt. Und nun bin ich plötzlich mit dir verlobt und muß den Ring tragen. Das alles macht mich ganz krank.«

Joachim, dachte sie gequält, hätten wir uns unter anderen Umständen näher kennenlernen können, hätte ich mich wahrscheinlich in dich verliebt.

Sie hielt unwillkürlich den Atem an, als sie, ehrlich, wie sie nun einmal war, zugeben mußte, daß das schon längst geschehen war.

Sekundenlang dachte sie, daß das doch eigentlich eine wunderbare Lösung sei. Wenn Joachim sich auch noch in sie verlieben würde, könnte man ganz anders über alles denken. Dann hätte man alles nur eben ein klein wenig vorgezogen.

Als Katja erkannte, wie gefährlich diese Gedanken waren, rannte sie einfach davon. Sie stolperte und fiel gegen Fürst Joachim, den sie gar nicht bemerkt hatte. Entsetzt sah sie zu ihm auf.

Er lächelte sie an. Aber diesmal war sein Lächeln ohne Spott, beinahe zärtlich, als er leise sagte:

»Ich sehe dir deutlich an, mein liebes Kind, daß deine Gedanken sich in der gleichen Richtung wie die meinen bewegen.«

»Laß mich los, Joachim!« fauchte sie, als sie ihre Fassung wieder zurückgewonnen hatte. »Ich will allein sein.«

»Aber es ist bestimmt nicht sehr gut für dich, Katja, wenn du allein über alles nachdenkst.«

Er sagte es sehr ruhig und energisch, aber Katja war fest entschlossen, nicht nachzugeben. Sie wollte nicht mehr mit ihm zusammensein, denn seine Gegenwart wirkte auf sie lähmend wie ein süßes Gift.

Bevor er sie richtig festhalten konnte, war sie auf und davon. Es war vielleicht ganz gut, daß sie das zärtliche und sehnsüchtige Lächeln auf seinem Gesicht nicht sehen konnte. Es hätte sie bestimmt noch viel mehr verwirrt und verunsichert.

Ach, sie hätte wer weiß was darum gegeben, wenn sie hätte allein sein können, wenn sie einfach

hätte davonrennen können, um sich irgendwohin zu verkriechen. Sie wollte weinen, sie wollte sich

nicht mehr länger beherrschen müssen.

Und dann stand sie plötzlich vor dem Bett der Fürstin, sah ein wenig erschrocken auf sie nieder und fragte sich, wieso sie ausgerechnet hierhergekommen sei.

Was würde sein, wenn sie der alten Dame alles rückhaltlos beichtete? Würde sie sich sehr erregen?

Katja holte tief Luft. Nein, sie würde schweigen. Sie würde nichts sagen, ohne mit Joachim gesprochen zu haben. Sie würde seine Verlobte spielen und ihm nur dankbar sein, wenn er in Gegenwart seiner Mutter nicht auch zärtlich zu ihr wurde. Aber gleichzeitig wurde ihr auch bewußt, wie sehr sie sich nach seinen Zärtlichkeiten sehnte.

»Sie sehen verwirrt aus. Haben Sie sich mit Joachim gestritten? O nein, natürlich nicht. Joachim ist nur manchmal so – so ironisch. Ich weiß dann nie, wie ich reagieren soll.«

»Kümmern Sie sich am besten nicht darum. Joachim ist, seit er mit Ihnen zusammen ist, ein anderer Mensch geworden. Früher war er manchmal ganz fremd und kalt. Er war wie ein Mensch ohne Seele. Ich bin Ihnen so dankbar, Katja, daß ich Sie kenne. Und ich bin Ihnen dankbar, daß Sie ihn lieben. Sie sind die einzige Frau, die ihn wieder fröhlich stimmen kann. Ich fühle das ganz genau. Ich – ich möchte Sie gern um etwas bitten, Katja.«

»Aber natürlich, Durchlaucht! Ich bin froh, wenn ich Ihnen einen Gefallen tun kann.«

»Es ist aber eine ziemlich intime Bitte. Ich möchte, daß Sie mir erlauben, du zu Ihnen zu sagen.«

Erleichtert ließ sich Katja neben ihr nieder und streichelte über die zarten Hände.

»Aber das ist doch selbstverständlich, Durchlaucht. Ich freue mich, wenn Sie mich mögen. Das macht mich glücklich.«

»Und wie geht es Ihnen mit mir? Mögen Sie mich auch ein klein wenig?«

»Ein klein wenig wäre da viel zu bescheiden. Ich mag Sie sehr, Durchlaucht, so sehr, daß ich am liebsten immer bei Ihnen bleiben möchte.«

»Dafür verdienst du einen Kuß, mein Kind. Und nun wollen wir unsere Freundschaft besiegeln, indem du mich auch Mutter nennst. Willst du?«

Katja starrte sie sprachlos an. Das ging doch nicht, das war zuviel. Das brachte sie einfach nicht fertig.

»Warum schaust du mich so entsetzt an? Ich werde doch über kurz oder lang deine Schwiegermutter sein. Und ich will nicht hoffen, daß du die Absicht hast, zu deiner Schwiegermutter Sie zu sagen.«

Da neigte Katja sich vor. Es ging nicht anders. Sie mußte es tun. Und sie spürte, daß die Ereignisse ihr langsam über den Kopf wuchsen. Was sollte sie nur tun?

Lieber Gott, steh’ mir bei. Ich habe keine Ahnung, was ich tun und wie ich mich weiterhin verhalten soll, dachte sie und schluchzte, als sie sich niederbeugte, um sich von der glücklichen alten Dame umarmen zu lassen.

*

Es war Tage später. Katja hatte Daniela an der Hand. Sie durchquerten die Halle, um hinauszugehen, weil sie sich vorgenommen hatten, einen Spaziergang zu machen.

Da flog die Tür auf, und eine wunderschöne junge Frau stand vor ihnen, sah verblüfft auf Daniela und Katja und fragte schließlich mißtrauisch:

»Was tun Sie denn hier?«

»Guten Tag«, erwiderte Katja und musterte die attraktive Frau neugierig. Sie hatte keine Ahnung, wer sie war.

»Ist Fürst Joachim daheim?« wollte die Fremde wissen.

Katja nickte. Sie hatte Joachim in seinem Arbeitszimmer verschwinden sehen.

»Na was ist? Wollen Sie mich Ihrem Dienstherrn nicht melden?« forderte die andere sie auf. Ihre Stimme klang rauchig und sehr sexy, aber sie war Katja vom ersten Augenblick an in der Seele zuwider.

»Dazu müßte ich erst einmal wissen, wer Sie sind«, gab sie eisig zurück.

»Ich bin Silvia Werner. Ich nehme doch an, daß Sie mein Bild schon in vielen Zeitungen, Zeitschriften und im Fernsehen gesehen haben.«

»Tut mir leid, bedaure. Ich lese keine solchen Zeitschriften. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen? Ich werde dem Fürsten sagen, daß Sie da sind.«

»Und wenn ich bitten darf – ein bißchen schnell, ja? Ich habe nicht die lange Autofahrt unternommen, um mich an Ort und Stelle von einem Kinderfräulein abspeisen zu lassen.«

Katja spürte deren verächtlichen Blick auf sich ruhen und hatte plötzlich Mitleid mit der schönen Silvia Werner, die, wie sie genau wußte, ein hochbezahltes und bekanntes Fotomodell war. In welchem Verhältnis stand sie zu Fürst Joachim? Katja konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß er sich in ein solches Mädchen verliebt haben könnte.

Mit ruhigen, ausgeglichenen Bewegungen ging sie durch die Halle. Sie wußte, daß Silvia ihr nachblickte. Daniela trippelte an ihrer Seite daher, aber sie hielt ihre Hand noch immer fest umklammert.

»Tut mir leid, Joachim, wenn ich dich störe. Aber du hast Besuch bekommen. Es ist Silvia Werner!«

»Silvia Werner! Wie, um alles in der Welt, kommt sie her, Katja?« fragte er und sprang auf.

Dann stand er in der Halle und sah nicht gerade erfreut auf Silvia, die ihn schmollend betrachtete. Aber dann flog sie ihm einfach um den Hals und küßte ihn, dabei zu Katja blickend, ob sie das auch mitbekommen hatte. Katjas Gesicht war eisig und unbewegt. Niemand hätte ihr anmerken können, daß sie vor Eifersucht nur so brannte.

»Ich habe solche Sehnsucht nach dir gehabt, Liebling«, flötete Silvia und verschlang die Hände in seinem Nacken.

Energisch machte er sich von ihr frei und sah sie kühl an.

»Das freut mich. Du hättest aber dennoch vorher Bescheid geben sollen. Wie lange willst du bleiben?«

»Ach, ich weiß noch nicht. So lange, bis ich keine Lust mehr habe, mich vor der Welt zu verstecken.« Sie lächelte ihm kokett zu. »Dein Kinderfräulein scheint nicht sonderlich begeistert zu sein, daß ich hier aufgetaucht bin. Sie war ziemlich unhöflich zu mir.«

»Erstens ist Katja kein Kinderfräulein, Silvia, zweitens würde Katja es niemals fertigbringen, unhöflich zu sein, und drittens scheint mir, daß du sie auch nicht gerade zuvorkommend behandelt hast.«

»Wenn sie nicht das Kinderfräulein deiner kleinen Tochter ist, wer ist sie dann?« fragte Silvia und warf Katja einen Blick zu, der ihr deutlich zeigte, wie sehr sie das Mädchen verabscheute.

»Katja ist meine Braut!« sagte Joachim mit Nachdruck.

Silvia erstarrte mitten in der Bewegung. Dann wandte sie sich zu Joachim um und zischelte:

»Sag das noch mal, Joachim. Ich fürchte, ich habe mich verhört.«

»Katja ist meine Braut, und ich hoffe, daß du sie auch dementsprechend behandelst, liebe Silvia.«

»Du hast dich mit ihr verlobt? Du hast dich mit einer anderen Frau verlobt, obwohl du genau weißt, wie sehr ich dich liebe? Das kann doch nicht dein Ernst sein.«

»O doch, es ist mein Ernst. Ich glaube, ich habe noch niemals im Leben etwas so ernst gemeint wie meine Verlobung mit Katja.«

Joachim legte einen Arm um Katjas Schultern und zog sie an sich, als müßte er Silvia auf diese Art zu verstehen geben, daß er sich als ihr zugehörig betrachtete.

»Nun, ich bin ja jetzt da!« erklärte Silvia in einem Ton, als wollte sie damit sagen, sie werde schon dafür sorgen, daß dieses Verlöbnis, mit dem sie ganz und gar nicht einverstanden war, nicht mehr lange andauern werde.

»Das sehe ich. Und du hast gesagt, daß du bleiben möchtest. Gut, ich will dir zeigen, daß die Stolzenfels gastfreundlich sind. Josefa wird dir ein Zimmer zeigen. Und dann kannst du dich ein wenig frisch machen, wenn du magst.«

»Ich hätte eigentlich erst gern deine Mutter begrüßt, Achim.«

»Das wird sich nicht machen lassen. Meine Mutter ist leidend und deshalb auch bedauerlicherweise nicht in der Lage, Besuche zu empfangen. Du wirst dich wohl oder übel gedulden müssen, bis sich ihr Zustand gebessert hat.«

»Nach diesem netten Empfang habe ich fast das Gefühl, als wünschest du, ich solle wieder abreisen.«

»Niemand hat davon gesprochen.«

»Ich werde auch nicht abreisen. Ich habe mich viel zu sehr auf dich und auf Schloß Stolzenfels gefreut, als daß ich sofort wieder losfahren möchte. Ich bin auch gespannt, deine Braut näher kennenzulernen. Sie muß ja ein engelsgleiches Wesen sein, wenn sie Gnade vor deinen Augen gefunden hat. Wie kommt es, daß man in der Gesellschaft nichts von dieser Verlobung erfahren hat?«

»Wir müssen Rücksicht auf meine kranke Mutter nehmen. Sobald sie sich ein wenig besser fühlt, werden wir die offizielle Verlobung bekanntgeben. Aber du kannst uns auch jetzt schon gratulieren.«

Fürst Joachim machte ein recht spöttisches Gesicht. Aber das

schien die schöne Silvia absolut nicht zu stören.

*

Mit der beschaulichen Ruhe war es nun vorbei. Silvia hielt jeden in Atem. Stetig verlangte sie Aufmerksamkeit.

Immer spielte sie sich mit mehr oder weniger Geschick in den Vordergrund und versuchte Katja zu ignorieren.

Wenn Fürst Joachim sich nicht hin und wieder angelegentlich mit Katja beschäftigt hätte, hätte man ohne weiteres annehmen können, Silvia und nicht Katja sei mit ihm verlobt.

Das Kind übersah sie völlig. Sie schien Daniela nicht zu mögen, was aber auf Gegenseitigkeit beruhte. Wann immer sich eine Gelegenheit fand, machte sie spitze Bemerkungen Katja gegenüber. Katja aber reagierte nicht. Sie überhörte die Entgleisungen der schönen Silvia einfach und nahm ihr so den Wind aus den Segeln.

Joachim beobachtete sie dann und wann mit amüsiertem Gesichtsausdruck.

Das Gefühl drohenden Unheils, das näher kam, konnte sie ganz und gar nicht mehr loswerden. Warum hatte sie sich nur auf diese dumme Geschichte eingelassen?

Wann immer sie den anderen nur entwischen konnte, war sie bei der Fürstin anzutreffen. Margareta spürte die Nervosität des jungen Mädchens und fragte einmal geradeheraus:

»Was ist eigentlich mit dir los, Katja? Seit diese Silvia Werner auf Schloß Stolzenfels ist, bist du schrecklich nervös. Bist du am Ende eifersüchtig oder besorgt, Achim könnte sich ihr zuwenden?«

»Nein, eigentlich nicht, obwohl ich zugeben muß, daß ich erst ziemlich erschrocken war, als sie hier auftauchte und ganz offen erklärte, sie werde auch bleiben, bis sie keine Lust mehr habe, hierzubleiben. Aber ich sehe doch, daß Joachim ihre Gegenwart auch sehr lästig wird und...«

»Ach, mach dir deswegen keine Sorgen. Achim ist sehr höflich. Aber wenn er ihr eines Tages nahelegen sollte, zu gehen, dann wird sie nie mehr wieder herkommen, das weiß ich ganz sicher.«

»Daniela kann sie nicht ausstehen.«

Katja lächelte unwillkürlich. Und auch Fürstin Margareta mußte über diese Tatsache lächeln.

»Das Kind hat ein feines Empfinden. Wahrscheinlich ist das noch ein letzter Rest von Instinkt. Ich möchte, daß Silvia mich mal besucht. Wahrscheinlich kann ich bald wieder aufstehen. Dann darf ich ihr doch nicht ausweichen. Und deshalb möchte ich, daß ihr sie einmal zu mir laßt. Ich werde ihr schon deutlich zu verstehen geben, daß sie kein allzu willkommener Gast auf Schloß Stolzenfels ist.«

»Ich möchte nicht, daß du dich aufregst, Mutter.«

Katja staunte immer wieder aufs neue, wie einfach und leicht ihr dieser Name über die Lippen ging. Sie liebte die Fürstin tatsächlich, als wäre sie ihre Mutter. Und sie fürchtete sich vor der Stunde, da sie die Wahrheit bekennen mußte. Nein, sie wagte kaum, daran zu denken, denn sie wurde immer traurig, wenn sie so weit mit ihren Gedanken gekommen war. Die Stunde der Wahrheit bedeutete auch die Stunde der Trennung, das war ihr vollkommen klar.

*

Nach dem Abendessen, als sie Daniela zu Bett gebracht und Fürst Joachim sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte, ging Katja hinaus in den dämmerigen Park. Es roch nach feuchter, würziger Erde, es duftete nach Blüten und nach dem Harz der zahlreichen Nadelbäume. Es war unendlich friedlich hier.

Katja blieb stehen und schaute entzückt auf ein Beet, dessen Blumen in verschwenderischer Fülle blühten.

Als sie Schritte auf dem weißen Kies hörte, wandte sie sich nicht um. Sie bedauerte nur, nun nicht mehr allein, aufgestört worden zu sein.

Aber dann zuckte sie doch zusammen, als hätte man ihr einen harten und brutalen Schlag ins Gesicht versetzt.