Ein Museum zwischen Innovation und Ideologie -  - E-Book

Ein Museum zwischen Innovation und Ideologie E-Book

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Beschreibung

Das Salzburger Haus der Natur und seine Geschichte sind untrennbar mit der Person von Eduard Paul Tratz verbunden. Tratz gründete in den 1920er Jahren ein innovatives Natur- und Gesellschaftsmuseum, das er 1939 aus opportunistischen Motiven in das SS-"Ahnenerbe" integrierte und an den biologistischen Zeitgeist anpasste. Nach seiner Internierung durch die US-Besatzungsbehörden wurde Tratz 1949 erneut zum Museumsdirektor bestellt. Damit begann eine zweite Phase der "Ära Tratz", die durch ein hohes Maß an öffentlicher Wertschätzung bei gleichzeitiger Ausklammerung seines Handelns während der NS-Zeit gekennzeichnet war. Der vorliegende Sammelband ist nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit Tratz' ambivalenter Persönlichkeit. Er beinhaltet darüber hinaus einen Abriss der Geschichte des Museums als Institution, eine eingehende Darstellung der Kontinuitäten und des Wandels im Ausstellungsbereich sowie eine Geschichte der Sammlungsbestände unter Einbeziehung der Provenienzforschung.

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Robert Hoffmann & Robert Lindner (Hrsg.)

Ein Museum zwischen Innovation und Ideologie

Das Salzburger Haus der Natur in der Ära von Eduard Paul Tratz, 1913–1976

Inhaltsverzeichnis

Robert Hoffmann, Robert LindnerVorbemerkung

Danksagung

Verwendete Abkürzungen

Bildnachweis

Susanne KösteringZwischen Innovation und Ideologie: Die Ausstellung im Haus der Natur 1924–1976

Das Museum für darstellende und angewandte Naturkunde (1924–1937)

Das Haus der Natur im Nationalsozialismus (1938–1945)

Kursänderung und Restauration (1945–1958)

Vom Museum der Natur zum Umweltmuseum (1959–1976)

Schlussbetrachtung

Robert LindnerVon der Vogelberingung zum „Vogelmuseum“ (1913–1923)

Tratz’ Jugend – erste Kontakte zur Ornithologie

Der Plan zur Gründung einer Vogelwarte in Rovigno

Die „Ornithologische Station in Salzburg“

Das „Institut für Vogelkunde und Vogelschutz“ in Salzburg

Natur- und Vogelschutz ohne Grenzen

Die ehemaligen hofärarischen Besitzungen – eine Chance für die Unterbringung des Instituts

Herausgabe der Zeitschrift „Der Waldrapp“

Das „Vogelmuseum“ im Schlosspark von Hellbrunn

Neue Museumskonzepte zeichnen sich ab

Tratz’ „akademische“ Karriere

Vom Amateur-Ornithologen zum Museumsgründer

Robert LindnerVom „Neuen Museum für Naturkunde“ zum „Haus der Natur“ (1924–1937)

Eine Idee manifestiert sich

Lösung der Gebäudefrage, Gründungs- und erste Vollversammlung

„Verwegener Optimismus“ wird belohnt – die Eröffnung des Museums

Die Finanzierung einer Museumsgründung

Von der Privatinitiative zum subventionierten Museum

Von der Wiener Hygieneausstellung zur Abteilung „Der Mensch“

Das Naturkundemuseum in der Weltwirtschaftskrise

Volksbildung – auch außerhalb des Museums

Naturschutz und Jagdwesen

Gründung der Zoologisch-Botanischen Arbeitsgemeinschaft

Kein Museum! Die Umbenennung zum „Haus der Natur“

Ein Schaubergwerk und ein Sanierungsplan

Von der Museumsgründung zur Volksbildungsstätte – Museumsreform im Zeitraffer

Robert HoffmannEin Museum für Himmler? Das Haus der Natur 1938–1945

Vom „Anschluss“ bis zur Integration des Hauses der Natur ins SS-„Ahnenerbe“ im März 1939

Anpassung an den biologistisch-sozialdarwinistischen Zeitgeist

Unterwegs im besetzten Osteuropa

Ernst Schäfer und die Entstehung der Tibetschau im Haus der Natur

Ein „Studien-, Forschungs- und Sammelgebiet“ für das Haus der Natur

Kontakte zum „Institut wehrwissenschaftliche Zweckforschung“

Das Haus der Natur 1940–1945

Exkurs: Gaubeauftragter für Naturschutz

Versuch eines Resümees

Robert HoffmannInterregnum − Das Haus der Natur 1945–1949

Tratz’ Internierung

Wer war Maximilian Piperek?

Pipereks Konzept eines Zentrums für Psychohygiene und Lebensreform

Tratz’ Entnazifizierung

Pipereks Demontage

Die Rückkehr von Tratz ins Haus der Natur

Alexander PinwinklerVon der Wiedereinsetzung Eduard Paul Tratz’ bis zur Eröffnung des Hauses der Natur am neuen Standort (1949–1959)

Inszenierte Kontinuität der Museumsarbeit

Wissenschaftliche und technische Mitarbeiter – Naturwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften

„Es ist einzigartig in der Welt!“ – Das Haus der Natur im internationalen Kontext

„Katastrophe“ oder Chance für einen Neubeginn?

Robert LindnerGeschichte(n) einer Museumssammlung (1913–1976)

Salzburger naturwissenschaftliche Sammlungen im 19. Jahrhundert

Die Sammlungen des Ornithologischen Institutes

Die naturkundlichen Sammlungen des Museums Carolino Augusteum

Die ersten Jahre – „verwaiste“ Sammlungen, Spenden und wenige Ankäufe

Humanpräparate in der Abteilung „Der Mensch“

Tratz und das Haus der Natur als Beteiligte am NS-Kulturraub

Die Objekte und Figuren der Tibetschau

So gut wie keine kriegsbedingten Auslagerungen

Die Rolle Maximilian Pipereks (1945–1949)

Die Übergabe der Sammlungen von Eduard Paul Tratz – eine endlose Geschichte

Alles wie zuvor – die Sammlungen von 1949–1956

Nur kein Stillstand – Übersiedlung und Umbau

Das Ende einer Ära – die Sammlungen von 1960–1976

Gedächtnis und Geschichte(n) einer Museumssammlung …

Sonja Frühwirth (Red.)„Wer Persönliches über mich wissen will …“ – Autobiografische Notizen von Eduard Paul Tratz

Zum Verständnis

Erinnerungen und Eindrücke aus der Kindheit und frühesten Jugendzeit

Aus der Knaben- und Jünglingszeit

Autorinnen und Autoren

Vorbemerkung

Robert Hoffmann, Robert Lindner

Das Haus der Natur zählt heute zu den großen naturkundlichen Museen im deutschsprachigen Raum und kann mit Stolz auf seine umfangreichen Sammlungen, eine Ausstellungsfläche von über 7.000 qm und jährlich mehr als 300.000 Besucher verweisen.1 Die Erfolgsgeschichte begann im Juli 1924, als es dem autodidaktischen Ornithologen Eduard Paul Tratz in der von wirtschaftlicher Not und Inflation geprägten Nachkriegszeit gelang, in Salzburg ein Naturkundemuseum zu gründen. Es entwickelte sich binnen weniger Jahre von einem kleinen Provinzmuseum nicht nur zu einer Publikumsattraktion, sondern darüber hinaus zu einer auch in Fachkreisen viel beachteten Institution. Tratz konnte an die Museumsreformbewegung der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen und stellte die Wissensvermittlung in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Allein schon die ursprüngliche Bezeichnung „Museum für darstellende und angewandte Naturkunde“ drückte aus, dass sich sein Haus von den herkömmlichen Naturkundemuseen durch seine auf Anschaulichkeit hin ausgerichtete Präsentationsweise sowie die ihm zugrunde liegende Konzeption eines kombinierten Natur- und Gesellschaftsmuseums unterscheiden sollte. Anders als bis dahin üblich, zeigte es kein systematisches Lehrgebäude der Biologie, sondern setzte die Natur in ein Verhältnis zur menschlichen Kultur. Aus dem „Heimatmuseum neuen Typs“ mit einem starken Salzburg-Bezug wurde binnen weniger Jahre ein „Weltmuseum“. Seit 1936 nannte es sich „Haus der Natur“.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“ erwies sich Tratz, der sich zuvor nicht für die nationalsozialistische Sache engagiert hatte, sehr rasch als überaus aktiver Opportunist. Er entwickelte bei seiner Anpassung an die neue politische Situation ein beträchtliches Maß an Eigeninitiative, wozu auch der Eintritt in die NSDAP zählte. Zukunftsweisende Perspektiven zeichneten sich für ihn und sein Museum jedoch erst ab, als es ihm gelang, mit dem SS-„Ahnenerbe“ in Kontakt zu treten. Nach einem Museumsbesuch Heinrich Himmlers erfolgte im März 1939 die Integration des Hauses der Natur in die SS-Wissenschaftsorganisation. Großzügig ausgestattet mit finanziellen und personellen Ressourcen, identifizierte sich Tratz in den Folgejahren in vielfältiger Weise mit deren Forschungszielen und -vorhaben, wobei er das ambitionierte Ziel verfolgte, das Haus der Natur zum führenden naturwissenschaftlichen Forschungsmuseum im Deutschen Reich und zugleich zur Zentralstelle für den Biologieunterricht sowie zur maßgeblichen Präparatoren-Ausbildungsstätte zu machen. Auch realitätsferne Visionen wurden von der „Ahnenerbe“-Führung dank der ihm eigenen Überzeugungskraft gefördert. Entscheidend für Tratz’ erfolgreiche Karriere im NS-Wissenschaftsbetrieb war, dass er bereits unmittelbar nach der nationalsozialistischen „Machtübernahme“ erkannte, dass die dem Haus der Natur zugrunde liegende Konzeption eines kombinierten Natur- und Gesellschaftsmuseums kompatibel mit dem nationalsozialistischen Naturverständnis war und es nur geringfügiger Anpassungen bedurfte, um das Museum als mustergültige Institution im Sinn der herrschenden Ideologie zu präsentieren.

Tratz’ Engagement für das NS-Regime hatte 1945 seine Internierung durch die US-Besatzungsbehörde sowie die Enthebung von der Museumsleitung zur Folge. Seine berufliche und gesellschaftliche Reintegration verlief nach dem gängigen Muster der Entnazifizierung in Österreich. Auf die zweijährige Internierung erfolgte 1948 als erster Schritt der Rehabilitierung die Einstufung in die Kategorie der Minderbelasteten, welche wiederum die Voraussetzungen für seine Wiedereinsetzung als Direktor des Hauses der Natur im Juni 1949 schuf. Durch diese Weichenstellung wurde eine zweite Phase der „Ära Tratz“ eingeleitet. Diese dauerte bis 1976 und war gekennzeichnet durch ein hohes Maß an öffentlicher Wertschätzung für seine Person, welche in zahlreichen Ehrungen Ausdruck fand. Unter anderem wurde er 1968 zum ersten Ehrenmitglied der Fachgruppe Naturkundemuseen im Deutschen Museumsbund ernannt.2

Die NS-Vergangenheit des bekannten Museumsleiters war über Jahrzehnte kein Thema. Der deutsch-kanadische Historiker Michael H. Kater hatte zwar bereits 1974 in einer grundlegenden Studie über die SS-Wissenschaftsorganisation die „Übereignung des von Prof. Tratz geleiteten Salzburger ‚Hauses der Natur‘ an das ‚Ahnenerbe‘“ als „die prominenteste naturwissenschaftliche Neuerung“ innerhalb dieser SS-Institution nach 1938 eingestuft3, doch wurde dieses Faktum in der Selbstdarstellung des Hauses der Natur auch nach Tratz’ Ableben 1977 weitgehend ausgeblendet.4 Die regionale Zeitgeschichtsforschung, welche sich seit den 1970er Jahren eingehend und kritisch mit der NS-Zeit in Salzburg auseinandersetzte, befasste sich mit der Rolle des Museums innerhalb des SS-„Ahnenerbes“ zunächst nur am Rande.5

Zum Gegenstand öffentlicher Diskussion wurde Tratz’ zwielichtige Rolle während des „Dritten Reichs“ erst Anfang der 1990er Jahre, als Kritik an der alljährlichen Verleihung des Eduard-Paul-Tratz-Preises durch das Haus der Natur aufkam.6 Gleichzeitig wurde die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Haus der Natur zum Anlass genommen, daran zu erinnern, dass „damit nicht nur eines der populärsten und viel besuchten Museen in Österreich“ gewürdigt würde, „sondern ein Haus, das in der NS-Zeit eine zentrale Forschungs- und Vermittlungsstätte der SS“ gewesen sei, welche „wesentlich zur Legitimation des nationalsozialistischen Herrschafts- und Unrechtssystems beigetragen“ habe.7

Nachdem die Berliner Medizinhistorikerin Sabine Schleiermacher die Rolle des Hauses der Natur während der NS-Ära in zwei kleineren Studien beleuchtet hatte8, griff der österreichische Museologe Gottfried Fliedl Schleiermachers Forschungsergebnisse auf und publizierte zunächst in der Wiener Tageszeitung „Der Standard“9 und später auch im Internet kritische Beiträge über die nach wie vor ausständige Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch das Salzburger Naturkundemuseum.10 1996 erschien die bis dahin ausführlichste und auf reichhaltigem Quellenmaterial basierende Untersuchung zu dieser Thematik, in welcher der Salzburger Zeithistoriker Gert Kerschbaumer die Rolle von Tratz nicht nur während der NS-Zeit, sondern auch vor 1938 und nach 1945 ideologiekritisch hinterfragte.11 Kerschbaumer verwies insbesondere auf die biologistisch-sozialdarwinistischen Passagen in einigen von Tratz’ Publikationen und die Begleitumstände seiner Entnazifizierung und Wiederbestellung als Leiter des Hauses der Natur.

Ein verstärktes öffentliches Interesse an der historischen Aufarbeitung der Funktion des Hauses der Natur während des „Dritten Reichs“ kam letztlich aber erst im Kontext der um das Jahr 2000 einsetzenden Provenienzrecherchen im Bereich der Kunstmuseen sowie jener Forschungsprojekte auf, welche die verhängnisvolle Funktion von Anthropologie und Rassenkunde im NS-Wissenschaftsbetrieb zum Gegenstand hatten.12

Auch auf überregionaler Ebene war zur selben Zeit ein vermehrtes Interesse an der Person von Eduard Paul Tratz zu verzeichnen, nachdem dieser in Ernst Klees „Personenlexikon zum Dritten Reich“13 als paradigmatisches Beispiel eines NS-Karrieristen angeführt worden war. In zahlreichen Pressemeldungen und Besprechungen von Klees „Personenlexikon“ wurde zudem darauf verwiesen, dass dem Salzburger Museumsleiter nach 1945 eine fast nahtlose Fortsetzung seiner beruflichen Laufbahn gelungen sei.14 Darüber hinaus fand dessen Wirken nun Erwähnung in einer Reihe von Studien, welche sich in der Nachfolge von Katers „Ahnenerbe“-Monografie mit Detailaspekten des SS-Wissenschaftsbetriebs beschäftigten, wie etwa dem dubiosen „Ahnenerbe“-Forschungsprojekt „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“.15 In Andrzej Mężyńskis „Kommando Paulsen“16 sowie Heather Pringles „The Masterplan“17 fand Tratz’ Beteiligung an den Raubaktionen des „Ahnenerbes“ in polnischen Museen in den Jahren 1939/40 Erwähnung.

Gleich mehrere Studien beschäftigten sich mit der von Ernst Schäfer geleiteten und aufgrund von Heinrich Himmlers mystisch-esoterischen Vorstellungen über Tibet von der SS unterstützten Tibet-Expedition von 1939. Auf Tratz’ Kooperation mit Schäfer, welche 1943 zur Errichtung der Tibetschau im Haus der Natur führte, gingen insbesondere Peter Mieraus „Nationalsozialistische Expeditionspolitik“18 sowie Wolfgang Kaufmanns „Das Dritte Reich und Tibet“19 ein. Die Tibet-Connection des Hauses der Natur wurde auch vom ORF-Journalisten Gerald Lehner thematisiert, der hervorhob, dass dem Expeditionsteam der später als Kriegsverbrecher verurteilte Rassenanthropologe Bruno Beger angehörte, mit dem Tratz auch nach 1945 in Kontakt stand.20 Auf Begers Kontakte zum Haus der Natur und seine Mitwirkung an der Tibetschau wurde außerdem von Julien Reitzenstein hingewiesen, der sich in zwei Monografien mit den verbrecherischen Aktivitäten des „Institutes für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“ innerhalb des „Ahnenerbes“21 sowie mit den Hintergründen der ebenfalls im Verantwortungsbereich des „Ahnenerbes“ erfolgten Ermordung von 86 jüdischen Häftlingen im Konzentrationslager Natzweiler22 beschäftigte.

Im Kontext der regionalen Salzburger Zeitgeschichte wurde Tratz’ Beteiligung an den Bücherraubaktionen des „Ahnenerbes“ im Reichsgau Salzburg thematisiert23, wie z. B. seine Mitwirkung an der Beschlagnahme der Bibliotheksbestände des Salzburger „Katholischen Universitätsvereins“.24 Auf sein Agieren als Gaubeauftragter für Naturschutz wurde sowohl in einer Studie zur Salzburger Naturschutzgeschichte25 als auch in einem Sammelband zur Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern26 näher eingegangen.

All diesen Studien ist gemeinsam, dass sie nur streiflichtartig unterschiedliche Facetten von Tratz’ vielfältigen Aktivitäten während der NS-Zeit beleuchten. Der größere Zusammenhang seines Wirkens in zahlreichen Ämtern und Funktionen, sei es als Direktor des Hauses der Natur und Abteilungsleiter im SS-„Ahnenerbe“, sei es als Gaujägermeister und Gaubeauftragter für Naturschutz, blieb bislang dagegen ausgespart. Der Anstoß zu einer umfassenden historisch-kritischen Aufarbeitung der Rolle von Tratz und des Hauses der Natur während der NS-Ära erfolgte im Umfeld der Eröffnung der Ausstellung „Euthanasie im Land Salzburg“ in Hallein im Oktober 2006, als jene Schriften, in denen er sich im Geiste einer biologistischen nationalsozialistischen Moral radikal vom herkömmlichen bürgerlichen Humanismus distanzierte, zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion wurden. Daraus resultierte der Antrag der Salzburger Bürgerliste in der Sitzung des Salzburger Gemeinderates vom 7. Februar 2007, Eduard Paul Tratz „angesichts der Rolle“, welche dieser „im Dritten Reich“ gespielt habe, die 1963 mit einstimmigem Beschluss des damaligen Gemeinderates verliehene Ehrenbürgerschaft abzuerkennen.27 In seiner Begründung bezog sich der Antrag insbesondere auf dessen Tätigkeit als Abteilungsleiter der SS-Organisation „Ahnenerbe“, seine Kontakte zu Wissenschaftlern innerhalb des „Ahnenerbes“, welche an verbrecherischen Menschenversuchen beteiligt gewesen seien, sowie auf seine Rolle als Verfasser von Publikationen mit biologistisch-rassistischem Gedankengut, welches „die Grundlage für das ‚Euthanasie-Programm‘ der Nationalsozialisten“28 geliefert habe. Aus diesem Gemeinderatsantrag resultierte in weiterer Folge der Auftrag der Stadt Salzburg zur Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens über die Rolle von Tratz während des „Dritten Reichs“.29

Das Ergebnis dieses Gutachtens, welches 2008 in erweiterter Form publiziert wurde30, veranlasste Direktion und Kuratorium des Hauses der Natur im Oktober 2010, eine Arbeitsgruppe mit der umfassenden historisch-kritischen Aufarbeitung der Museumsgeschichte zu beauftragen, wobei als Untersuchungszeitraum zwar die gesamte Ära Tratz (1924–1976) vorgesehen war, zugleich aber der Fokus auf die Jahre 1938–1945 gelegt werden sollte.31 Zu Mitgliedern des sich daraufhin konstituierenden Projektteams wurden Robert Hoffmann (Historiker, Universität Salzburg, Projektleitung), Susanne Köstering (Historikerin, Leiterin des Museumsverbands des Landes Brandenburg), Alexander Pinwinkler (Historiker, Universität Salzburg), Robert Lindner (Sammlungsleiter, Haus der Natur) sowie Sonja Frühwirth (Archiv und Bibliothek, Haus der Natur) bestellt.32 Unter der Mitwirkung des Projektteams gestaltete das Haus der Natur 2014 anlässlich seines 90-jährigen Bestehens unter dem Titel „Das Haus der Natur 1924–1976“ eine in den Medien33 wie auch in der Öffentlichkeit viel beachtete Sonderausstellung, in deren Rahmen ausführlich auf die Zeit des Nationalsozialismus eingegangen wurde. Zeitgleich wurde das vorläufige Ergebnis der Provenienzforschung in den hauseigenen Sammlungsbeständen präsentiert.34

Die kritische Auseinandersetzung des Hauses der Natur mit seiner eigenen Historie fand ihre Fortsetzung in der neuen Dauerausstellung „Die Tibet-Dioramen als Ort der Museumsgeschichte“, welche im November 2019 nach grundlegender Restaurierung der Dioramen wiedereröffnet wurde. Hier wird nun nicht nur der Ursprung der Tibetschau in der NS-Zeit dokumentiert35, sondern darüber hinaus in Fortführung der Ausstellung von 2014 ein Überblick über die gesamte Museumsgeschichte geboten. Die Mitglieder des Projektteams informierten im Übrigen während der letzten Jahre im Rahmen einer regen Publikations- und Vortragstätigkeit fortlaufend über den aktuellen Stand ihrer Forschung.36

Die späte Aufarbeitung der Geschichte des Hauses der Natur während der NS-Zeit stellt indes keineswegs ein Salzburger Spezifikum dar. Wie bereits Tanja Baensch in ihrer Einleitung zum Sammelband „Museen im Nationalsozialismus“ feststellte, konnte „die ideologische Indienstnahme und eigene Verstrickung vieler Museumsleute und Museen […] im Nachkriegsdeutschland überraschend schnell vergessen gemacht werden und teilweise bis in die Gegenwart unbefragt bleiben“37. Dies gilt insbesondere für Naturkundemuseen, die im „Dritten Reich“ im Dienste von Rassenideologie, Heimatbezogenheit und Wehrkraftstärkung gegenüber den Kunstmuseen − die aus Sicht des Regimes „als heikles Terrain“ galten38 − an Bedeutung gewonnen hatten. Nach 1945 waren es aber die Kunstmuseen, die aufgrund der in ihrem Bereich viel höheren Relevanz der Provenienzforschung mit beträchtlichem zeitlichem Vorsprung die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit in Angriff nahmen.

Demgegenüber waren in den Naturkundemuseen Wissen und Bewusstsein um problematische Sammlungsvorgänge zunächst kaum vorhanden. Noch 1998 beantworteten die meisten Abteilungsdirektoren und -direktorinnen des Naturhistorischen Museums in Wien eine Umfrage des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst zum Stand der Provenienzforschung mit „Leermeldungen“ und dem Hinweis auf ausstehende Inventarisierungen und fehlende Unterlagen.39 Dieser Befund zeigte, dass das zeitgeschichtliche Interesse der naturhistorischen Museen im Vergleich zu Kunstmuseen nur gering entwickelt war40, was sich u. a. auf ein rein naturwissenschaftliches Objektverständnis zurückführen lässt. Dario Alejandro Luger, Provenienzforscher am Naturhistorischen Museum in Wien, wies darauf hin, dass die Kuratorinnen und Kuratoren naturkundlicher Sammlungen „ihre Sammlungsstücke meist nicht als Unikate, sondern als Exemplare“ wahrnehmen, woraus sich ein gänzlich anderes Objekt- und Wertverständnis ableite, in dem die Provenienz der Objekte kaum eine Rolle spiele.41

Im Haus der Natur setzte die Provenienzforschung in den späten 1990er Jahren ein, nachdem Tratz’ Beteiligung am NS-Kulturraub in den Medien thematisiert worden war.42 Der damalige Direktor des Museums, Eberhard Stüber, unternahm erste Bemühungen zur Identifizierung möglichen Raubguts und zur Herstellung des Kontakts zu betroffenen Institutionen in Polen. Die Herkunft der am Haus der Natur verwahrten und präsentierten Sammlungen war im Übrigen nicht nur für die NS-Zeit äußerst lückenhaft dokumentiert. Auch für den Zeitraum davor beschränkten sich die Akquisitionsangaben vielfach auf Zeitungsberichte und die fallweise in Jahresberichten des Museums veröffentlichten Spenderlisten, was es als sinnvoll erscheinen ließ, die Provenienzrecherchen auf den gesamten älteren Sammlungsbestand auszudehnen.

Ein konkreter Anlass dazu ergab sich, als 2002 die Sammlung menschlicher Präparate und missgebildeter Föten ins Zentrum der öffentlichen Diskussion geriet.43 Neben dem Kontext der Präsentation wurde auch die Herkunft der Objekte hinterfragt. Obwohl Direktor Stüber darauf hinwies, dass die Sammlung bereits vor 1938 aus dem Landeskrankenhaus an das Museum gekommen sei, wurde in den Medien der Verdacht geäußert, es könnten sich darunter auch Euthanasieopfer befinden.44 Die zweifelhafte Herkunft der Sammlung wurde 2003 auch zum Gegenstand einer Anfrage im Salzburger Landtag, was in weiterer Folge zur Abgabe dieser Exponate führte.45

Einer Klärung des tatsächlichen Sachverhalts stand zunächst aber nicht nur die langjährige Tabuisierung der NS-Zeit im Weg. Im Zuge museumsinterner Recherchen zeigte sich, dass das Museum unter der Führung von Tratz seinen musealen Aufgaben im Hinblick auf die Kuratierung der hauseigenen Sammlungsbestände nie nachgekommen war. Nicht nur das Beispiel der Sammlung menschlicher Präparate machte offensichtlich, dass – neben einer Gesamtdarstellung der Museumsgeschichte – auch eine umfassende Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte einschließlich der Zeit vor 1938 und nach 1945 notwendig sein würde, um alle offenen Provenienzfragen beantworten zu können.

Der vorliegende Sammelband ist damit das Ergebnis eines mehr als zehn Jahre dauernden kontinuierlichen und arbeitsteiligen Forschungsprozesses. Unabdingbare Voraussetzung einer historisch-kritischen Aufarbeitung sowohl der Museums- auch der Sammlungsgeschichte war zunächst die systematische Erschließung jenes umfangreichen Bestandes an Akten und sonstigen Unterlagen, der sich im Archiv des Hauses der Natur in weitgehend ungeordneter Form erhalten hat. Angesichts des Umstands, dass ein Großteil der Korrespondenzen aus der Zeit vor 1945 verloren gegangen war, erwies es sich als Glücksfall, dass der „Ahnenerbe“-Bestand des Bundesarchivs in Berlin eine fast lückenlose Rekonstruktion der Verwaltungsabläufe innerhalb der damaligen „Ahnenerbe“-Abteilung sowie der weitgespannten Aktivitäten ihres Leiters Tratz ermöglichte. Für die Zeit vor 1938 und nach 1945 erwiesen sich auch die Bestände der regionalen Salzburger Archive und hier vor allem jene des Salzburger Landesarchivs als ergiebig.

Inhaltlich gliedert sich das vorliegende Buch in die drei großen Bereiche von Ausstellung, Institution und Sammlung. Susanne Köstering beleuchtet in ihrem einleitenden Beitrag Wandel und Kontinuität in der Ausstellung des Hauses der Natur während der Ära Tratz aus museologischer Sicht. Indem sie die Ausstellung epochenübergreifend auf ihre ideologischen Elemente untersucht, vermag sie in der Langzeitanalyse aufzuzeigen, wie sehr auch innovative gesellschaftsbezogene Ansätze, wie sie Tratz beim Aufbau seines Museums praktiziert hatte, unter geänderten politischen Rahmenbedingungen nahtlos der rassistischen Ideologie des NS-Regimes angepasst werden konnten. Ebenso flexibel zeigte sich Tratz auch in der Nachkriegszeit, als es ihm gelang, wieder an die Gründungsjahre des Museums anzuknüpfen und somit einen Bogen von der Museumsreformbewegung des beginnenden 20. Jahrhunderts bis hin zu jener der 1970er Jahre zu spannen.

Der umfangreichste Abschnitt des Buches ist der Geschichte des Hauses der Natur als Institution gewidmet. Hier erwies es sich als sinnvoll, die Darstellung nicht erst mit der Gründung des „Neuen Museums für Naturkunde“ im Jahr 1924 einsetzen zu lassen, sondern auch jene Vorstufen einzubeziehen, in deren Rahmen Tratz ab 1913 neue Museumskonzepte zu erproben begann. Robert Lindner zeichnet in diesem Abschnitt Tratz’ Weg vom Amateur-Ornithologen zum Gründer eines „Vogelmuseums“ im Schlosspark von Hellbrunn (1920) nach, wobei der Erfolg dieses kurzlebigen Unternehmens erst die Voraussetzungen für die Errichtung des Naturkundemuseums schuf. In einem weiteren Beitrag schildert Lindner den von zahlreichen Schwierigkeiten gekennzeichneten Gründungsvorgang und die darauffolgende erste Phase der Museumsgeschichte, in der es Tratz trotz der permanent prekären wirtschaftlichen Lage gelang, die Sammlung dank zahlreicher Schenkungen und Leihgaben über ihren ornithologischen Kernbestand hinaus beträchtlich zu erweitern. Entscheidend für den Erfolg war letztlich aber der innovative Weg, den Tratz einschlug, was die Präsentation seiner Ausstellung anging, denn sie unterschied sich wesentlich von jener in den herkömmlichen Naturkundemuseen.

Weil das Agieren von Tratz während der NS-Zeit in der Selbstdarstellung des Museums bis in die jüngere Vergangenheit kaum thematisiert wurde und die Kritik an diesem Defizit den Anstoß zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der gesamten Museumsgeschichte gab, stand die Beschäftigung mit der NS-Zeit gleichsam am Beginn jenes Forschungsprojekts, dessen Ergebnisse in diesem Sammelband präsentiert werden. Daraus erklärt sich auch, dass der Zeitraum 1938–1945 in diesem Band durch Robert Hoffmann eine vergleichsweise umfangreiche und dichte Darstellung erfährt. Hinzu kommt, dass Tratz’ Aktivitäten innerhalb der netzwerkartig angelegten Struktur des SS-„Ahnenerbes“ tatsächlich ungemein breit aufgestellt waren und er als erfolgreicher Lobbyist seiner eigenen Interessen mehrere Bühnen gleichzeitig bespielte.

Robert Hoffmann verfasste auch den in der Chronologie der Museumsgeschichte an die NS-Zeit anschließenden Beitrag über das Interregnum 1945–1949, als Tratz zunächst von den US-Besatzungsbehörden interniert war, ehe er 1949 wieder als Museumsleiter eingesetzt wurde. Gerade in dieser Übergangsphase erwies sich, dass es in Salzburg kaum eine vergleichbare Institution gab, die in ihrer Genesis und Konstruktion so sehr mit einer einzigen Person verwoben war wie das Haus der Natur. Es war dies eine Hypothek, an der Maximilian Piperek, der Interimsdirektor 1945–1949, fast zwangsläufig scheitern musste, ganz abgesehen von seiner mangelnden Eignung für diese Position. Im letzten Beitrag zur Museumsgeschichte beschäftigt sich Alexander Pinwinkler mit Tratz’ Wirken im ersten Jahrzehnt nach seiner Wiederbestellung als Museumsleiter – eine Phase, die zunächst geprägt war durch Tratz’ Bemühen, nahtlos an die Museumsarbeit der Zeit vor 1938 anzuknüpfen. Ab der Mitte der 1950er Jahre sah er sich nach eigenem Bekunden dann mit der bislang größten Herausforderung seiner Karriere konfrontiert, der von politischer Seite aufgezwungenen Aufgabe des bisherigen Museumsgebäudes und der Übersiedlung an einen neuen Standort.

Der dritte und letzte große inhaltliche Bereich des Sammelbandes beinhaltet die von Robert Lindner erstellte Sammlungsgeschichte des Hauses der Natur, die − wie bereits erwähnt – schon seit Langem ein Desiderat darstellt, nicht nur in Hinblick auf Fragen der NS-Provenienzforschung. Der (natur)wissenschaftliche Wert eines naturkundlichen Objekts leitet sich vor allem aus dessen Aufsammlungskontext ab. Daher werden Herkunftsangaben oft auf den Fundort und das Funddatum reduziert. Diese Betrachtung naturhistorischer Objekte als reine „Objekte der Natur“ führt dazu, dass die „Geschichtlichkeit naturkundlicher Sammlungsobjekte aus dem Blick zu geraten droht“46 und die historisch-kritische Interpretation derartiger Sammlungen erschwert wird. Im Salzburger Haus der Natur war es letztlich weniger ein verengter naturwissenschaftlicher Blickwinkel gewesen, welcher den historischen Sammlungskontext ausgeblendet hatte, als die ausschließliche Interpretation der Sammlungsobjekte in ihrer Funktion im Rahmen der Ausstellung. Die hohen Inventarzahlen naturkundlicher Bestände und die fast ausschließlich biologisch-taxonomischen Kriterien folgenden Ordnungsprinzipien derartiger Sammlungen verkomplizierten zusätzlich die rückblickende Zuordnung einzelner Belege zu konkreten Akquisitionsvorgängen. Eine von Einzelobjekten ausgehende systematische Aufarbeitung der Sammlungsgeschichte erschien daher kaum aussichtsreich. Im Fall des Hauses der Natur erwies sich vielmehr die systematische Aufarbeitung der Organisationsgeschichte als geeignete Grundlage einer historischen Zuordnung und Systematisierung der Sammlungsbestände.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet eine von Sonja Frühwirth redigierte und kommentierte Edition autobiografischer Notizen über Kindheit und Jugendzeit, welche Eduard Paul Tratz nach Kriegsende während seiner Internierung niederschrieb. Diese persönlichen „Erinnerungen“ vermitteln das Bild eines Autodidakten, dessen Persönlichkeit bereits in frühen Jahren von Enthusiasmus, Überzeugungskraft und einer schier unbegrenzten Tatkraft geprägt war. Diese Charaktereigenschaften kennzeichneten in weiterer Folge Tratz’ berufliche Laufbahn als Gründer und langjähriger Leiter des Salzburger Museums Haus der Natur. Hinzu kamen aber auch eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an sämtliche politischen Systeme vom Ende der Monarchie bis in die Zweite Republik sowie eine außergewöhnliche Fähigkeit, die eigenen Interessen durchzusetzen. Tratz’ „Erinnerungen“ enden 1912, als er 24 Jahre alt war. Im darauffolgenden Jahr gründete er die „Ornithologische Station“ in Salzburg, womit die 64-jährige „Ära Tratz“ begann, deren Darstellung Gegenstand dieses Bandes ist.

Danksagung

Unmittelbar nachdem Norbert Winding im Jahr 2009 die Direktion des Hauses der Natur übernommen hatte, erklärte er die historisch-kritische Untersuchung und Darstellung der Geschichte des Museums zu einem wichtigen Ziel seiner Arbeit. Er unterstützte und förderte das Projekt über die gesamte Laufzeit hinweg. Die öffentliche Präsentation der Organisationsgeschichte in Form einer Sonderausstellung (2014) sowie ab 2019 dauerhaft im Bereich der Tibet-Dioramen war ihm ein besonderes Anliegen. Das Kuratorium des Museums und dessen Vorsitzende Hans Katschthaler (2009–2012), Josef Schöchl (2012–2013 und ab 2018) und Heinrich Schellhorn (2013–2018) unterstützten die kritische Aufarbeitung und Darstellung der Museumsgeschichte ebenso uneingeschränkt.

Zusätzlich zu Mitteln aus dem laufenden Museumsbudget wurde das Projekt durch eine von der damaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller veranlasste Unterstützung des Landes Salzburg mitfinanziert. Die Stadt Salzburg ermöglichte es uns, Susanne Köstering (Dezember 2012–Februar 2013) und Natalie Dzyubenko (Juli/August 2016) als Scientists in Residence nach Salzburg einzuladen. Verena Braschel, die u. a. für Museen, Wissenschaft und das Scientists-in-Residence-Programm zuständige Mitarbeiterin des Magistrats, machte uns auf diese Möglichkeit aufmerksam und unterstützte uns bei der Einreichung.

Maria Teschler-Nicola, damals Abteilungsdirektorin der anthropologischen Sammlung am Naturhistorischen Museum in Wien, sowie Alfred Goldschmid, Zoologe (i. R.) an der Universität Salzburg, waren wichtige Diskussionspartner während der Konzeptionsphase des Projekts. Maria Teschler-Nicola brachte ihre Expertise nicht nur zur Geschichte der Anthropologie in Österreich, sondern auch zum Umgang mit belasteten und „problematischen“ Sammlungsbeständen in das Projekt ein.

Der Aufbau eines hausinternen Archivs wäre ohne Sonja Frühwirth und Barbara Antesberger nicht möglich gewesen. Durch ihren Einsatz gelang es, die erhaltenen Archivalien zu ordnen und zu erschließen. Cornelia Maier hat die digitale Katalogisierung der Museumsbibliothek inhaltlich konzipiert und war eine große Hilfe bei der Beschaffung schwer greifbarer Archivalien aus verschiedensten Bibliotheken und Archiven. Fiona Bergmann und Bernadette Kaufmann haben ihre Arbeit fortgeführt und die Museumsbibliothek weiter erschlossen.

Im Laufe der mehrjährigen Entstehungsgeschichte dieses Buches haben darüber hinaus sehr viele Personen mitgeholfen, die Geschichte des Hauses der Natur in den hier präsentierten Details zu rekonstruieren. Eberhard Stüber, Direktor des Hauses 1976–2009, stand immer wieder für Fragen zur Verfügung und hat Robert Hoffmann 2012 in einem umfangreichen Interview an seinen Erinnerungen teilhaben lassen. Auch Franz Waldauf, Präparatorenlehrling im Haus der Natur 1944–1948, war bereit, Robert Hoffmann und Robert Lindner Fragen zum Museum in den 1940er Jahren zu beantworten. Elisabeth Leskoschek und Christine Wallner, die beiden Töchter des ehemaligen Präparators Franz Bruckbauer, stellten Bilder aus ihrer privaten Fotosammlung zur Verfügung. Darüber hinaus haben zahlreiche aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums ihre Erinnerungen und wertvolle Hinweise mit uns geteilt.

Die Leiter des Salzburger Landesarchivs Oskar Dohle und des Salzburger Stadtarchivs Peter Kramml unterstützten das Projekt von Beginn an tatkräftig und standen gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Anfragen und Recherchen zur Verfügung. Ihre Hilfe ging weit über die „Erledigung“ von Rechercheanfragen hinaus. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesarchivs in Berlin sei ebenso für ihre Unterstützung unserer Recherchen gedankt wie jenen des Österreichischen Staatsarchivs in Wien und des Archivs der Erzdiözese Salzburg. Karsten Plewnia und Philip Gorki halfen bei der Sichtung des „Ahnenerbe“-Bestands im Bundesarchiv Berlin. Der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer überließ uns Kopien jenes Recherchematerials, das die Grundlage für seine Publikation über Tratz’ Rolle während der NS-Zeit gewesen war. Peter Danner, ebenfalls Historiker, der zur Geschichte des von Othenio Abel ins Leben gerufenen „Forschungsinstitutes für Lebensgeschichte“ recherchierte, lieferte uns Hinweise auf Verbindungen zwischen Tratz und Abel sowie auf Archivalien der Universität Innsbruck zu Tratz’ dortigem Ehrendoktorat. Archivar Gerhard Hirtner und Wolfgang Wanko, Kustos der Kunstsammlung der Erzabtei St. Peter, wiesen uns auf Archivalien betreffend die Verbindungen zwischen dem Stift und dem Haus der Natur hin. Peter Pilsl und Beatrix Koll von der Salzburger Universitätsbibliothek halfen bei diversen Recherchen in den dortigen Beständen. Stefan Sienell vom Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften übermittelte uns Akten zur versuchten „Rettung“ der „Ornithologischen Station“ in Salzburg. Heinz Anton Hafner, Kabinettsvizedirektor der Österreichischen Präsidentschaftskanzlei, fand für uns die Unterlagen zur Verleihung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst an Tratz.

Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen aus anderen Museen, Archiven und Sammlungen unterstützten unsere Recherchen. Gerhard Plasser ermöglichte uns den Zugang zu dem von ihm geleiteten Archiv am Salzburg Museum, wo wir wertvolle Hinweise zur Übergabe der naturkundlichen Sammlungen des Salzburger Museums Carolino Augusteum in den 1920er Jahren fanden. Ernestine Hutter, die Leiterin des Volkskundemuseums, stellte Grundrisse und Pläne des Monatsschlössls Hellbrunn zur Verfügung. Die Provenienzforscherin Susanne Rolinek machte uns auf Hintergründe zu Tratz’ Beteiligung an Beschlagnahmungen in Salzburger Klöstern aufmerksam. Ulrike Kammerhofer, die Leiterin des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, und ihr Mitarbeiter Alfred Hoeck halfen bei Recherchen und ermöglichten es uns, Fotos und Unterlagen zu Richard Wolfram im Rahmen der Ausstellung zur „Ära Tratz“ zu nutzen.

Alexandra Caruso, Mitarbeiterin im Büro der Kommission für Provenienzforschung, sowie deren damaliger Leiter Heinz Schödl haben die Arbeiten an der Sammlungsgeschichte des Hauses der Natur mit großem Interesse begleitet. Anita Stelzl-Gallian, ebenfalls Mitarbeiterin im Büro der Kommission für Provenienzforschung, lieferte Hinweise zur Suche nach dem Starunia-Wollhaarnashorn in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Claudia Spring, 2008–2014 Provenienzforscherin am Naturhistorischen Museum Wien, war ebenso bereit, ihre Erfahrungen bei der historischen Beforschung naturwissenschaftlicher Sammlungen zu teilen, wie ihr Nachfolger Dario Alejandro Luger. Sammlungsmanager Hans-Martin Berg und Anita Gamauf (†), Kuratorin der Vogelsammlung am Naturhistorischen Museum Wien, stellten wichtige Informationen zur dort erhaltenen Korrespondenz von Viktor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen sowie zu Sammlungsabgaben an das neu gegründete Salzburger Naturkundemuseum zur Verfügung. Karin Wiltschke-Schrotta, die nunmehrige Abteilungsdirektorin der anthropologischen Sammlung, sowie Margit Berner, Kuratorin der Abgusssammlung, und Eduard Winter, Leiter der pathologischen Sammlung im „Narrenturm“ am Naturhistorischen Museum, standen für Anfragen und Diskussionen rund um die Sammlung menschlicher Missbildungen sowie die Kopfabformungen der Tibet-Expedition zur Verfügung. Monika Löscher, Provenienzforscherin am Kunsthistorischen Museum Wien, lieferte wertvolle Hinweise zum Bergungsort „Jagd“ im Rothschild’schen Jagdhaus in Steinbach und ermöglichte den Zugang zu den dazu erhaltenen Archivalien. Manfred Kaufmann, Kurator der Fotosammlung am Weltmuseum Wien, lieferte Hinweise zu Mario Baldi und dessen fotografischer Ausbeute der Sahara-Fahrt von 1932. Georg Heindl, im Tiergarten Schönbrunn für Geschichtsforschung und Dokumentation zuständig, übermittelte uns umfangreiche Korrespondenzen zwischen Otto Antonius und Tratz.

Markus Unsöld, Sektionsleiter Ornithologie an der Zoologischen Staatssammlung München, und Friederike Woog, Kuratorin der Vogelsammlung am Naturkundemuseum Stuttgart, halfen bei Recherchen zum Verbleib der von Tratz verkauften bzw. abgegebenen Teile der Vogelsammlung. André Koch vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn lieferte mit seinen Arbeiten wichtige Hinweise zur „Sammlung Behrens“ aus dem „Haus der Natur, Bad Harzburg“, von wo bemerkenswerte Objekte nach Salzburg kamen. Michael Stiller vom Überseemuseum in Bremen half bei den Recherchen zum weiteren Verbleib dieser Sammlung.

Jürgen Rosebrock, Archivar der Stiftung Naturschutzgeschichte in Königswinter, half bei Recherchen zum dort verwahrten Nachlass von Hugo Weigold. Thomas Csanády, Leiter der Abteilung für Sondersammlungen an der Universitätsbibliothek Graz, ermöglichte den Zugang zum Nachlass von Tschusi zu Schmidhoffen. Josef Feldner stellte aus seiner privaten Sammlung zur Geschichte der Ornithologie das Helgoländer Tagebuch von Tratz zur Verfügung und erlaubte uns, dieses für das Archiv des Hauses der Natur zu kopieren. Anita Micheler übermittelte uns Tratz’ Abschlusszeugnisse aus dem Jahr 1911 aus dem Archiv der Bundeshandelsakademie in Innsbruck. Elisabeth Steiner, die Tochter von Hans Hanke, stellte Dokumente aus ihrem privaten Archiv zur Verfügung und war bereit, sehr offen über ihren Vater zu diskutieren. Sie lieferte außerdem wichtige Kontakte nach Smolensk. Schwester Maria Paola Vojak ermöglichte uns den Zugang zu Archivalien der St. Petrus Claver Sodalität, welche die Hintergründe der „Sicherstellungen“ während der NS-Zeit ebenso beleuchteten wie die Rückgaben in der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Bruno Richtsfeld, stellvertretender Direktor und Leiter der Abteilung Zentralasien am Museum Fünf Kontinente in München, stellte den von ihm transkribierten Katalog der in München verwahrten Schäfer-Sammlung zur Verfügung und war willens, seine Sicht auf die Tibet-Dioramen in Form einer Rede bei der Eröffnung nach deren Restaurierung darzulegen. Zusammen mit Hans Roth (†), dem Herausgeber des „Katalogs der tibetischen und mongolischen Sachkultur in europäischen Museen und Privatsammlungen“, war er ein wichtiger Diskussionspartner zu den in den Tibet-Dioramen gezeigten „völkerkundlichen“ Objekten. Mark Mc Coy, der ehemalige Vorstand des Universitätsinstitutes für Neuroradiologie an der Christian-Doppler-Klinik, ermöglichte es uns gemeinsam mit seinem Team – allen voran Markus Schober –, Röntgenaufnahmen und CT-Scans der Köpfe aller Figuren aus den Tibet-Dioramen zu erstellen, die uns einen Einblick in ihre Herstellungsgeschichte gewährten. Johann Zilien vom Hessischen Hauptstaatsarchiv übersandte uns rasch und unkompliziert Kopien der Akten aus dem Prozess gegen Bruno Beger, in denen wir Hinweise zur Herstellung der Figuren vermuteten.

Dana Schlegelmilch, die sich intensiv mit der Biografie des Archäologen Wilhelm Jordan beschäftigt hat, machte uns auf Dokumente aufmerksam, die eine Verbindung zwischen Jordan, dem Naturkundemuseum in Lwiw und dem Haus der Natur belegen. Der gleichzeitig und zuerst zufällig entstandene, mittlerweile freundschaftliche Kontakt zum Kollegium aus dem Staatlichen Naturkundemuseum der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften in Lwiw half mit, die Geschichte der von dort nach Salzburg gelangten Mammut-Hautstücke aufzuklären. Besonderer Dank gilt Natalie Dzyubenko, die während eines mehrwöchigen Aufenthalts in Salzburg „ganz nebenbei“ Recherchen in russischen Datenbanken durchführte und so weitere Hinweise auf Verbindungen zu ehemals sowjetischen Museen lieferte.

Auf Vermittlung des damaligen polnischen Botschafters in Wien Artur Lorkowski kam der Kontakt zu Jolanta Miśkowiec, der Leiterin der Abteilung für Kulturerbe und Kriegsverluste am polnischen Ministerium für Kultur und Nationalerbe, zustande. Sie wiederum stellte den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in den Museen in Warschau und Krakau her. Tomasz Mazgajski, der Direktor des Zoologischen Museums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, und Dominika Mierzwa-Szymkowiak halfen bei der Identifikation von Sammlungsobjekten aus Warschauer Beständen. Die Direktorin des Museums des Institutes für Systematik und Evolution der Tiere der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau Katarzyna Kopeć, ihr Kollege Sebastian Tarcz und der ehemalige Direktor Wiesław Krzemiński halfen mit, die Geschichte des Wollhaarnashorns aus Starunia besser zu verstehen.

Viele angeregte Diskussionen über Museen im Allgemeinen und die Geschichte des Hauses der Natur sowie die Person von Eduard Paul Tratz im Speziellen haben mitgeholfen, Gedanken zu formulieren und Ideen zu entwickeln. Allen daran beteiligten Personen – auch jenen, die hier namentlich nicht genannt werden oder vielleicht sogar vergessen wurden – sei dafür gedankt.

Verwendete Abkürzungen

AÖAW: Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien

BArch: Bundesarchiv, Berlin

HNS-Archiv: Archiv des Hauses der Natur, Salzburg

HStA Wiesbaden: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

KHM-Archiv: Archiv des Kunsthistorischen Museums Wien

NHMW: Naturhistorisches Museum Wien

SLA: Salzburger Landesarchiv, Salzburg

SMCA: Salzburger Museum Carolino Augusteum, Salzburg

Bildnachweis

Wenn nicht anders angegeben, stammen alle verwendeten Fotos und Abbildungen aus dem Archiv des Hauses der Natur.

 

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1 Norbert Winding (Hrsg.), Haus der Natur 2009–2019. Tätigkeitsbericht, [Salzburg] 2020, 4.

2 Kristina Kratz-Kessemeier, „… daß sie dabei ihr Gesicht nicht verloren“. Brüche und Kontinuitäten im Deutschen Museumsbund während des Nationalsozialismus und in der frühen Bundesrepublik, in: Museumskunde, Bd. 83 (2018), Heft 1, 81–93, hier 84.

3 Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reichs, Stuttgart 1974 (Neuaufl. 1997 u. 2001), 69.

4 In der Festschrift „75 Jahre Haus der Natur, seit seiner Gründung immer lebendig und erfolgreich“ (Salzburg 1999) erfährt die NS-Zeit in einem zwei Seiten umfassenden Kapitel erstmals eine knappe Erwähnung.

5 Ernst Hanisch, Nationalsozialistische Herrschaft in der Provinz. Salzburg im Dritten Reich, Salzburg 1983; Gert Kerschbaumer, Faszination Drittes Reich. Kunst und Alltag der Kulturmetropole Salzburg, Salzburg 1988.

6 Frank Tichy, Salzburger Sümpfe. Ehren, Bürger, Kameraden, Blätter, in: Forum 37/436–438 (1990), 39–47, hier 42.

7 Gottfried Fliedl, unter: https://museologien.blogspot.com/2010/01/das-haus-der-natur-in-salzburg-als.html (abgerufen am 20.4.2021).

8 Sabine Schleiermacher, „Dem Menschen einen Weg in die Natur weisen“ − Das naturwissenschaftliche und didaktische Konzept des Museums „Haus der Natur in Salzburg“ im Nationalsozialismus, in: Ideologie der Objekte – Objekte der Ideologie. Naturwissenschaft, Medizin und Technik in Museen des 20. Jahrhunderts, Kassel 1991, 39–45; Mechthild Rössler, Sabine Schleiermacher, Himmlers Imperium auf dem „Dach der Erde“: Asien-Expeditionen im Nationalsozialismus, in: Medizingeschichte und Gesellschaftskritik. Festschrift für Gerhard Baader, hrsg. v. Michael Hubensdorf u. a., Husum 1997 (Abhandlungen zur Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften, 81), 436–453.

9 Gottfried Fliedl, Sabine Schleiermacher, „Blutgebundene Abhängigkeit“. Museumspreis 1991: Eine späte Ehrung für nationalsozialistische Rassenforscher, in: Der Standard, 13.2.1992, 23.

10 Wie Anm. 7.

11 Gert Kerschbaumer, Das Deutsche Haus der Natur, in: Herbert Posch, Gottfried Fliedl (Hrsg.), Politik der Präsentation. Museum und Ausstellung in Österreich 1918–1945, Wien 1996, 180–212.

12 Vgl. u. a. die zahlreichen Arbeiten von Verena Pawlowsky und Maria Teschler-Nicola.

13 Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? Frankfurt a. M. 2003.

14 z. B. Ernst Klee, Von deutschem Ruhm, in: Die Zeit, Nr. 40, 25.9.2003.

15 Bernd-A. Rusinek, „Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte“ − Ein Forschungsprojekt des „Ahnenerbe“ der SS 1937–1945, in: Albrecht Lehmann, Klaus Schriewer (Hrsg.), Der Wald – Ein deutscher Mythos? Perspektiven eines Kulturthemas (Lebensformen, 16), Berlin/Hamburg 2000, 267–363.

16 Andrzej Mężyński, Kommando Paulsen. Organisierter Kunstraub in Polen 1942–1945, Köln 2000.

17 Heather Pringle, The Masterplan. Himmler’s Scholars and the Holocaust, London 2006.

18 Peter Mierau, Nationalsozialistische Expeditionspolitik. Deutsche Asien-Expeditionen 1933–1945 (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft, 1), München 2006.

19 Wolfgang Kaufmann, Das Dritte Reich und Tibet. Die Heimat des „östlichen Hakenkreuzes“ im Blickfeld der Nationalsozialisten, Ludwigsfelde, 3. überarb. Aufl. 2012.

20 Gerald Lehner, Zwischen Hitler und Himalaya. Die Gedächtnislücken des Heinrich Harrer, Wien 2007 (2. Aufl. 2017), 202–223.

21 Julien Reitzenstein, Himmlers Forscher. Wehrwissenschaft und Medizinverbrechen im „Ahnenerbe“ der SS, Paderborn 2014.

22 Julien Reitzenstein, Das SS-Ahnenerbe und die „Straßburger Schädelsammlung“ – Fritz Bauers letzter Fall, Berlin 2018.

23 Peter Danner, „Weltanschauungsfreie Forschung … nicht einmal wünschenswert“. Wissenschaft in Salzburg während der NS-Zeit, in: Sabine Veits-Falk, Ernst Hanisch (Hrsg.), Herrschaft und Kultur. Instrumentalisierung – Anpassung – Resistenz (Die Stadt im Nationalsozialismus, 4), Salzburg 2013, 198–267.

24 Andreas Schmoller, „Unbrauchbare Bestände“. Die „Ahnenerbe“-Bücherei Salzburg, in: Ursula Schachl-Raber, Helga Embacher, Andreas Schmoller, Irmgard Lahner (Hrsg.), Buchraub in Salzburg. Bibliotheks- und Provenienzforschung an der Universität Salzburg, Salzburg 2012, 70–83.

25 Johannes Straubinger, Sehnsucht Natur: Geburt einer Landschaft. Books on Demand 2009.

26 Ortrun Veichtlbauer, Großdeutscher Nationalpark im NS (1938–1948), in: Patrick Kupper, Anna-Katharina Wöbse, Geschichte des Nationalparks Hohe Tauern (Nationalpark Hohe Tauern – Wissenschaftliche Schriften), Innsbruck 2013, 64–91.

27 Tatsächlich wurde Tratz’ Ehrenbürgerschaft erst 2014 aberkannt. Salzburger Nachrichten, 5.12.2014.

28 Ebd.

29 Robert Hoffmann, Gutachten zu den Aktivitäten von Prof. Dr. h. c. Eduard Paul Tratz im Rahmen des „Ahnenerbes“ der SS 1938–1945, erstellt im Auftrag des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (2007); zur Pressekontroverse über den Inhalt des Gutachtens siehe u. a. Hans Katschthaler, Die historische Wirklichkeit. Braune Flecken im Haus der Natur, in: Die Presse, 27.7.2007; Robert Hoffmann, Geschichte, Geheimnisse & Gutachten, in: Die Presse, 4.8.2007.

30 Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte 35 (2008), Heft 3, 154–175.

31 Der formelle Startschuss für die umfassende kritische Aufarbeitung der Geschichte des Museums erfolgte auf Initiative von Norbert Winding, der 2009 die Leitung des Hauses der Natur übernommen hatte, mit dem Beschluss des Kuratoriums vom 8.10.2010.

32 An den Beratungen und Diskussionen des Projektteams waren außerdem Maria Teschler-Nicola (Anthropologin, NHMW) sowie Alfred Goldschmid (Zoologe, Universität Salzburg) beteiligt.

33 Vgl. u. a. Nicole Lundeen, In Austria, Museum Acts to Shed its Nazi Plunder. Salzburg’s Haus der Natur Seeks to Return Natural-History Artifacts Looted by Founder, in: Wall Street Journal, 26.1.2014, unter: https://www.wsj.com/articles/in-austria-museum-acts-to-shed-its-nazi-plunder-1390784091 (abgerufen am 31.8.2018); Ana Carbajosa, Austria aún lidia con el pasado nazi, in: El País, 30.4.2014.

34 Norbert Winding, Robert Lindner, Robert Hoffmann, Geschichtsaufarbeitung als Ausstellung: Das Haus der Natur 1924–1976. Die Ära Tratz, in: neues museum, 14-4, Oktober 2014, 62–67; Robert Lindner, Sammlungsgeschichte, Provenienzforschung und Restitution im Salzburger Haus der Natur. Vortrag im Rahmen der Sonderausstellung „Die Ära Tratz“ am Haus der Natur, 27.5.2014; siehe auch Gottfried Fliedl, Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Vergangenheit. Manche Frage bleibt offen (11.10.2014), unter: http://museologien.blogspot.com/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html (abgerufen am 20.4.2021).

35 Bruno Richtsfeld, Die Tibet-Dioramen – ein musealer Blick von außen. Vortrag anlässlich der Ausstellungseröffnung „Die Tibet-Dioramen als Ort der Museumsgeschichte“, 21.11.2019.

36 Robert Lindner, Sonja Frühwirth, Haus der Natur Salzburg – Sammlungsgeschichte, Provenienzforschung und Restitution. Mittagsgespräche der Kommission für Provenienzforschung am Bundesdenkmalamt in Wien, 20.2.2014; Robert Hoffmann, „Leben bedeutet Kampf!“ Eduard Paul Tratz und die Anpassung an den biologistischen Determinismus der NS-Ideologie, in: Regina Thumser-Wöhs u. a. (Hrsg.), Außerordentliches. Festschrift für Albert Lichtblau, Wien/Köln/Weimar 2019, 377–391; Robert Lindner, Stolen nature: The participation of E. P. Tratz and the museum „Haus der Natur“ in the looting of natural history collections between 1939 and 1945. 9th International Meeting of European Bird Curators, Darwin Museum, Moskau, 12.–16.11.2015; Robert Lindner, Haus der Natur, Salzburg, Beitrag zum Panel I „Wie machen es die anderen“, Workshop „Im zeithistorischen Kontext: Provenienzforschung am NHM“, veranstaltet von der Kommission für Provenienzforschung beim Bundeskanzleramt in Kooperation mit dem NHMW, 12.1.2017, NHMW.

37 Tanja Baensch, Einleitung, in: Tanja Baensch, Kristian Kratz-Kessemeier, Dorothee Wimmer (Hrsg.), Museen im Nationalsozialismus. Akteure – Orte – Politik, Köln 2016, 17.

38 Ebd., 16.

39 Christa Riedl-Dorn, Von Leermeldungen zu achtzehn Dossiers – Zehn Jahre Provenienzforschung am Naturhistorischen Museum, in: Gabriele Anderl, Christoph Bazil, Eva Blimlinger, Oliver Kühschelm, Monika Mayer, Anita Stelzl-Gallian, Leonhard Weidinger (Hrsg.), … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung, Wien/Köln/Weimar 2009, 176–194. Siehe auch Claudia Spring, Die Aktualität der Vergangenheit: Rückgabe von NHM-Sammlungen, in: Universum/Das Naturhistorische, Nr. 9, September 2011, 70–71; Dies., NS-Provenienzforschung in den Bibliotheken des Naturhistorischen Museums Wien. Ein Werkstattbericht, in: Bruno Bauer, Christine Köstner-Pemsel, Markus Stumpf (Hrsg.), NS-Provenienzforschung an österreichischen Bibliotheken. Anspruch und Wirklichkeit (Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, 10), Düns 2011, 425–440; Dies., Provenienzforschung in der Anthropologischen Bibliothek des NHM, in: Universum, Dezember 2013, 106–107; Dies., Politische Brüche – Inhaltliche Kontinuitäten. Aspekte zur Bibliothek der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs (MÖStA), 2013, 409–431. Erst in den letzten Jahren entwickelte sich verstärkt ein Bewusstsein für die Bedeutung von Provenienzforschung auch an Naturkundlichen Museen. Siehe dazu Peter-René Becker, Provenienzforschung in naturkundlichen Sammlungen – ein Gewinn für alle, in: Museumskunde, 80 (2015), Heft 2, 52–55; Silke Stoll, Die Relevanz der Provenienz naturkundlicher Objekte, in: Museumskunde, 80 (2015), Heft 2, 56–62. Das NHMW wird dabei immer wieder als Vorreiter benannt.

40 Siehe z. B. zur NS-Geschichte des Senckenberg Museums Frankfurt: Andreas Hansert, Das Senckenberg-Forschungsmuseum im Nationalsozialismus. Wahrheit und Dichtung, Göttingen 2018, 304 ff.; zur NS-Geschichte des Hamburger Naturhistorischen Museums: Susanne Köstering, Ein Museum für Weltnatur: die Geschichte des Naturhistorischen Museums in Hamburg (Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg, Neue Folge 46), München/Hamburg 2018, 343 ff.; zur NS-Geschichte nordrhein-westfälischer Museen: Rainer Hutterer, Till Töpfer, Rheinische Naturkundemuseen im Nationalsozialismus am Beispiel von Wuppertal und Bonn, in: Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.), Die Geschichte der Dinge. Zur Herkunft der Objekte in nordrhein-westfälischen Sammlungen, Münster 2020, 126–131; zum Wandel musealer Strategien in Folge der deutschen Wiedervereinigung: Lioba Thaut, Wandel musealer Strategie. Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden und das Museum für Naturkunde in Berlin nach 1989/90 – ein Vergleich, Köln/Weimar/Wien 2018, 256 ff.

41 Dario Alejandro Luger, Der richtige Umgang mit Objekten aus Unrechtskontexten als Zukunftsfrage für Museen, in: neuesmuseum, 19-1, März 2019, 34–37.

42 vgl. Kerschbaumer, Das Deutsche Haus der Natur (wie Anm. 11); Gerald Lehner, Der Salzburger Naturforscher Eduard Paul Tratz, das „Haus der Natur“ und das „Ahnenerbe“ der SS, in: Journal Panorama, Radio Ö1, Österreichischer Rundfunk (ORF), 21.6.1999; NS-Raubgut aus Polen im Haus der Natur?, in: Salzburger Nachrichten, 21.6.1999.

43 Eberhard Siegl, Protest gegen Sammlung von Missbildungen, in: Salzburger Fenster, 19/2002, 14.6.2002.

44 Ebd.

45 Ernst Berger, Stellungnahme v. 8.5.2003 lt. Beschluss des Salzburger Landtages v. 11.12.2002. S. a. Lindner Sammlungsgeschichte.

46 Ina Heumann, Mareike Vennen, Fragmentieren. Dinosaurier und Geschichte, in: Ina Heumann, Holger Stoecker, Marco Tamborini, Mareike Vennen, Dinosaurierfragmente. Zur Geschichte der Tendaguru-Expedition und ihrer Objekte, 1906–2018, Göttingen 2018, 311 ff.

Zwischen Innovation und Ideologie: Die Ausstellung im Haus der Natur 1924–1976

Susanne Köstering

Das Haus der Natur war ein Museum neuen Typs. Anders als traditionelle Museen speiste es sich nicht aus einer bestehenden Sammlung, sondern es verstand sich als permanente, wachsende und sich verändernde Ausstellung. Andere typische Bereiche der Museumsarbeit, etwa Sammeln und Forschen, spielten demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Hauptaufgabe der Museumsmitarbeiter war es, die Ausstellung stets aktuell zu halten, zu überarbeiten und zu erweitern. Die Ausstellung war gleichsam das Museum, und sie war immer im Werden, niemals abgeschlossen.

Die Ausstellung des Hauses der Natur auf ideologische Elemente zu untersuchen, ist demnach ein zentraler Aspekt der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Museums. Vermittelte sie biologistisches Gedankengut, rassistische Ideologie? Die Zeit des Nationalsozialismus bildet den Dreh- und Angelpunkt dieser Analyse, die sich indes nicht auf diese Zeit beschränken darf. Der Anspruch dieses Beitrags besteht vielmehr darin, die Ausstellung über die gesamte Zeit des Direktorats Tratz zu rekonstruieren. Die Zeit des Nationalsozialismus wird nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der Vorgeschichte und der Verarbeitung nach 1945 betrachtet. Ziel ist es, die Inhalte, die das Haus der Natur seit seiner Gründung 1924 und bis zum Ende der „Ära Tratz“ 1976 durch seine Ausstellung vermittelte, zu rekonstruieren und dabei Kontinuitäten und Brüche herauszuarbeiten. Das bedeutet, das Gesamtkonzept, den inhaltlichen Aufbau, den didaktischen Ansatz und visuelle Strategien zu analysieren. Die gesamte Dramaturgie muss berücksichtigt werden, die Kernbotschaften müssen herauspräpariert werden.

Die Betrachtung des Salzburger Natur-Museums und seiner Ausstellung steht im Kontext der Museumsreformbewegung des 20. Jahrhunderts. Immerhin verstand dessen Direktor sich als Teil der Avantgarde der Museumswelt und sein Projekt als Vorbild für andere. Es muss daher nach dem Realitätsgehalt dieser Behauptung gefragt werden: Wie innovativ war das Haus der Natur? Und – vorausgesetzt, sein Innovationspotenzial war tatsächlich groß – lag dann genau darin etwa zugleich ein Gefahrenpotenzial, sich der NS-Ideologie auszuliefern? War das sich stets wandelnde Museum besonders anfällig für politische Einflussnahme, weil es dem Zeitgeist folgte?

Die Literaturbasis, auf der die vorliegende Analyse aufbaut, ist schmal. Einen grundlegenden Beitrag zum Salzburger Haus der Natur leistete 1990 die Hamburger Wissenschaftshistorikerin Sabine Schleiermacher, als sie in einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik erstmals das Konzept der Ausstellung des Hauses der Natur im Nationalsozialismus dekonstruierte.1 Entsprechende historische Abhandlungen zu anderen Naturkundemuseen im Nationalsozialismus sind rar, das Feld wird jedoch seit wenigen Jahren intensiver bestellt als zuvor.2

Dagegen darf die für das Fallbeispiel Salzburg relevante Quellenüberlieferung als reichhaltig bezeichnet werden. Tratz ließ sein Museum und dessen Ausstellung bis in das kleinste Detail dokumentieren. Neben Jahresberichten und Museumsführern, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln bieten daher Fotodokumentationen und Arbeitsbücher, Schriftwechsel, Skizzen und Konzepte eine breite Grundlage. Das Fehlen der meisten Aktenbestände aus der Zeit des Nationalsozialismus kann teilweise durch Bestände aus dem deutschen Bundesarchiv kompensiert werden.

Das Museum für darstellende und angewandte Naturkunde (1924–1937)

Das frühe 20. Jahrhundert war in Westeuropa geprägt von Nationalismus, Konservatismus, zugleich aber auch von Fortschrittseuphorie und Modernisierung. Reformströmungen im Bereich der Kunst, des Kunstgewerbes, der Lebensführung und des Schulunterrichts forcierten den gesellschaftlichen Aufbruch in die Moderne. Auch die Museumslandschaft geriet in Bewegung. Das Museum – der ehrwürdige Tempel der Wissenschaft und der Kunst – wurde als Ort der Volksbildung neu konstituiert. Pioniere dieser Aufbruchstimmung waren im deutschsprachigen Raum die naturhistorischen Museen. Sie verstanden es zunehmend als ihre Aufgabe, der breiten Bevölkerung, vor allem aus der Arbeiterschaft und dem neuen Mittelstand, Wissen über die Phänomene und Zusammenhänge der Natur zu vermitteln.

Die Reformbewegung der Naturkundemuseen durchdrang in Deutschland im späten Kaiserreich das dichte Netz von Museen aller Sparten. Sie trennten ihre wissenschaftlichen Sammlungen von didaktisch konzipierten Ausstellungen. Die Inhalte und Formen der neu geschaffenen Ausstellungen variierten je nach wissenschaftlicher oder ästhetischer Ausprägung, aber allen Konzepten war gemein, dass sie neue wissenschaftliche Perspektiven, Positionen und Disziplinen visualisierten, die sich aus der Evolutionstheorie ableiteten: darunter als die verbreitetsten die Tiergeografie, die Biologie und die Ökologie. Der Erste Weltkrieg bremste die Museumsreform ab, aber in den 1920er Jahren nahm sie erneut Fahrt auf.

Inzwischen hatte die Reformbewegung einen neuen Museumstyp hervorgebracht: das Sozial- bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseum. Dieser neue Typ war in Europa seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert aufgekommen, dazu gehörten Technik-, Arbeitsschutz- und Hygienemuseen sowie Museen für Wirtschafts- und Gesellschaftskunde.3 Sie hatten das Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischer, sozialer und ökonomischer Anwendung zu verbinden und aufklärend breit in die Gesellschaft hineinzuwirken. Gesundheits- und Sozialvorsorge waren ihre Mission, Wissenschaftspopularisierung ihr Mittel. In ihren von Weltausstellungen und Messen inspirierten Ausstellungen setzten sie neue didaktische Instrumentarien ein, u. a. Modelle, Hands-on-Versuchsanordnungen, Grafiken und statistische Darstellungen. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erlebten sie einen Boom. Sie standen prototypisch für Volksbildung, Fortschritt und Modernität.

Die Ausstellung in Etappen

Das 1924 in Salzburg eröffnete „Museum für darstellende und angewandte Naturkunde“ fußte auf dem Ansatz, Methoden der Gesellschaftsmuseen auf ein Naturkundemuseum zu übertragen. Damit war es im Kontext der Naturkundemuseen ein Vorreiter.

Wirtschafts- und Gesellschaftsmuseen beruhten oftmals auf Initiativen von Einzelpersonen, die in der Wirtschaft tätig waren und der Gesellschaft dienen wollten: Dies gilt beispielsweise für den Ingenieur Otto von Miller in München (Deutsches Museum) und den Odol-Fabrikanten Karl August Lingner in Dresden (Deutsches Hygiene-Museum). In Salzburg war ein Biologe Vater des Gedankens: Eduard Paul Tratz. Eine Universitätskarriere als Biologe war ihm verwehrt, da er keinen akademischen Abschluss vorweisen konnte, seine Kompetenzen befähigten ihn aber durchaus als Museumsgründer und -leiter, denn er brachte Sammeleifer, künstlerische Begabung und eine stark ausgeprägte Ambition, geradezu missionarischen Eifer mit.4

Die Idee

Im Dezember 1922 legte Eduard Paul Tratz die Gründungsidee und zugleich eine Vision des „Museums für darstellende und angewandte Naturkunde“ einer größeren Öffentlichkeit dar.5 Als gedanklichen Ausgangspunkt markierte er das Weltbürgertum des modernen Menschen mit dessen Entfremdung von der Natur (Industrialisierung, Zweckdenken, Ausbeutung der Natur) und folgerte daraus, dass die Heimatliebe und die Kenntnis der heimatlichen Natur überaus dringlich in der Bevölkerung zu verankern seien. Dafür solle das Museum geschaffen werden, der Gedanke liege in der Luft, und sein Vogelmuseum in Hellbrunn bei Salzburg habe schon den Ansatz gezeigt, den ein solches Museum haben müsse: 1920 hatte Tratz im Monatsschlössl Hellbrunn ein privates Vogelmuseum eröffnet, dessen Ausstellung auf einem biologischen, d. h. die Lebensweisen der Vogelarten darstellenden Ansatz fußte. Die gegenwärtige wirtschaftliche Lage stehe dem Vorhaben zwar entgegen, aber es gehe um Höheres, langfristig zu Schaffendes, das sich mit Unterstützung der Bevölkerung und zahlender Besucher, auch Touristen, weitgehend selbst erhalten könne. Die Hürde, ein passendes Gebäude zu finden, könne ebenfalls überwunden werden, denn die leer stehende ehemalige Hofstallkaserne eigne sich bestens für das Museum. Sammlungen seien auch vorhanden, nämlich seine eigene, die städtische und private Sammlungen. Das Museum werde, indem es auch angewandte Naturkunde zeigen würde, das heißt: die Verwertung natürlicher Rohstoffe thematisieren würde, insbesondere der heimischen Wirtschaft nützen.

Anschließend an diese Vorrede malte Tratz seine Vision in Form eines gedanklichen Rundgangs durch das Museum aus. Geschickt begann er in der Gegenwart, mit einer Darstellung des Landes Salzburg, die sowohl geografisch angelegt als auch touristisch ausgerichtet war. Von da aus katapultierte er sie in die Vorgeschichte, um sie mit der Entstehung des Bodens, dessen Aufbau, ausgestorbenen Riesentieren, Höhlen, Rohstoffen aus der Erde und deren vielfältigen Verwertungen bekannt zu machen. Er führte sie weiter zum Wasser und zur Wasserkraft, zur Erforschung der Seen, ferner in den Wald mit seinen Holzarten und deren Nutzung sowie seltenen Alpenpflanzen – unter Verweis auf den Naturschutz. Über die Landwirtschaft ging es in die Tierwelt der Alpenregionen. Während die geologische Abteilung des Museums eher verwertungsorientiert sein werde, denke er sich die Tierabteilung mehr belehrend und ethisch ausgerichtet, klärte er seine Zuhörer auf. In die geologische Abteilung würden – von Firmen bereitgestellte – Lehrsammlungen eingebaut werden, in der Zoologie würde populäre Wissenschaftsvermittlung dominieren, deshalb sollten Dioramen und biologische Gruppen präsentiert werden, aber auch vergleichend anatomische Installationen und Beispiele für „technische Zoologie“ – d. h. Analogien zwischen Mechaniken im Tierreich und menschlicher Ingenieurskunst. Der Rundgang durch die Tierwelt solle sich in „aufsteigender“ Reihenfolge vollziehen und daher, beginnend mit den einfachen Lebensformen, zu den Insekten, Reptilien/Amphibien, Vögeln und Säugetieren führen, um am Ende beim Menschen anzukommen. Als Höhepunkt schlug Tratz ein Diorama „In der Nacht“ vor, mit funkelnden Sternen am Salzburger Himmel.6

Tratz’ Vortrag war mitreißend, weil er es einerseits verstand, viele Einzelthemen zu einer flüssigen, spannenden und Zusammenhänge aufdeckenden Dramaturgie zu verklammern, und weil er sein Anliegen andererseits so verkaufte, dass sehr viele Menschen und Interessengruppen davon profitieren und auch dazu beitragen konnten.

Ähnlich artikulierte sich Tratz im ersten Museumsführer aus dem Jahr 1924.7 Das Museum diene der Wiederbesinnung des deutschen Volkes, dessen Kraft im Boden wurzle – der Heimat! Die Salzburger Heimat sei wegen ihrer Naturschönheit einzigartig, aber man solle die Natur nicht nur lieben, sondern auch verstehen. Naturerkenntnis würde zur Veredlung des Menschen beitragen, aber nicht im Sinne gespeicherten Wissens, sondern als Verständnis großer Gesetzmäßigkeiten. In Salzburg seien die Naturwissenschaften lange vernachlässigt worden, deshalb müsse jetzt das Museum errichtet werden – aber ein Museum neuen Typs als Lehranstalt für alle Menschen. Das Museum wolle auch diejenigen erreichen, die kein Interesse an Naturwissenschaften hätten. Hier werde ein naturwissenschaftliches Heimatmuseum neuen Typs vorgestellt, denn dessen Ausgangspunkt werde die Heimat sein, die österreichischen Alpenländer, von dort aus eröffne es den Blick auf die ganze Welt.

Eine Vision wird Wirklichkeit

Mehrere günstige Umstände trafen zusammen, die diese Vision Wirklichkeit werden ließen. Zunächst einmal: Es waren Sammlungen und Räume vorhanden, und es stand ein Mann bereit, der das Unternehmen in die Hand nahm: Eduard Paul Tratz. Es erwies sich weiterhin als glückliche Fügung, dass sich das Salzburger Städtische Museum Carolino Augusteum (heute: Salzburg Museum) just im Herbst 1922 seiner naturwissenschaftlichen Sammlungen entledigen wollte, um sich als kulturgeschichtliches Museum zu profilieren.8 Ohne diesen kommunalen Bestand, allein mit der Tratz’schen Vogelsammlung, hätte die Substanz für ein größeres Naturkundemuseum nicht ausgereicht. Dieser Zuwachs ist als direkte Auswirkung der Museumsreformbewegung in Deutschland zu verstehen, denn es war das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, die damalige staatliche Museumsberatungsstelle in München, die im Zuge der Neuprofilierung des Salzburger Städtischen Museums Carolino Augusteum für eine Ausgliederung der naturkundlichen Abteilung plädierte, indem sie der Argumentation folgte, moderne Museen erfüllten ihre Aufgabe, wenn sie sich auf das Wesentliche konzentrierten, wenig zeigten, dies aber didaktisch durchdacht aufbereiteten. Kultur- und Naturgeschichte sollten unbedingt getrennt werden.9 Diese Ausdifferenzierung der Museumssparten entsprach der damals aktuellen Emanzipation der Geschichtsmuseen von Kunst- und anderen Museen, wie sie in Deutschland vor allem von Otto Lauffer vertreten wurde. In Salzburg war es besonders der Direktor des Städtischen Museums Julius Leisching, der diese Position stärkte. Diese Debatte, die ursprünglich eine Stärkung der Geschichtsmuseen bezweckte, führte im Ergebnis auch dazu, die kommunalen naturhistorischen Sammlungen aufzuwerten. Die erste gemeinsame Tagung der naturwissenschaftlichen Landesmuseen und des Naturhistorischen Museums in Wien 1921 setzte sich dafür ein, dass naturwissenschaftliche Abteilungen der jeweiligen Museen den kulturhistorischen gleichgestellt und mit qualifizierten Leitungen besetzt würden.10 In Salzburg führte die kulturhistorische Profilierung des Städtischen Museums letztlich dazu, dass die Naturkunde in der städtischen Museumslandschaft und im Kontext der Naturschutzbewegung an Bedeutung gewann und die Gründung eines Naturkundemuseums im Raum stand.11 Als zusätzlicher Treibsatz wirkte die Ankündigung von Tratz, seine ornithologische Sammlung aus Salzburg abzuziehen, wenn es keine öffentliche Finanzierung für das Monatsschlössl gebe.12 Mit der Neugründung des Naturkundemuseums wurde diese Drohung obsolet.

Die Frage der Raumbeschaffung konnte schnell geklärt werden, weil die ehemalige Hofstallkaserne leer stand. Sie war nach dem Krieg und dem Ende der Monarchie an den Bund und dann im Tausch an die Stadt gegangen.13 Es kursierten Pläne, darin Notwohnungen einzurichten, doch dafür hätte das historische Gebäude grundlegend umgebaut werden müssen. Es gab also drei Probleme: Wohin mit den naturwissenschaftlichen Sammlungen der Stadt? Wie weiter mit dem Vogelmuseum in Hellbrunn? Was tun mit der Hofstallkaserne? Und eine Lösung! Tratz erntete für seinen Vorschlag reichlich Applaus.

Das Gebäude der ehemaligen Hofstallkaserne (am Standort des heutigen Festspielhauses) war 1923 in den Besitz der Stadt Salzburg übergegangen und bot sich als neuer Museumsstandort an (ca. 1924).

Die öffentliche Argumentation reichte allerdings über solche rein pragmatischen Motive weit hinaus. Sie stellte die Museumsgründung als überregional relevante Innovation dar. Der Gastredner der Gründungsversammlung der Gesellschaft für darstellende und angewandte Naturkunde am 26. Juni 1923, Professor Steuer aus Innsbruck, bezeichnete das Salzburger Museum als Speerspitze der Reformbewegung naturkundlicher Museen.14 Das Deutsche Museum in München wirkte als Zugpferd und als Vorbild, dem das Naturkundemuseum in Salzburg folgen sollte.15

Anders gelagerte Argumente brachten die lokale Politik und Wirtschaft dazu, dem Unterfangen ihre Unterstützung zuzusichern: Das Museum würde dem wirtschaftlich-kulturellen Wiederaufstieg Österreichs nach dem „Zusammenbruch“ dienen, indem es Tourismus, Handel und Gewerbe ankurbeln und zur Besinnung auf ureigenste Kräfte des österreichischen bzw. deutsch-österreichischen Volkes anhalten würde. Das stieß auf offene Ohren bei den Gewerbetreibenden, die kostenlos Arbeitskräfte und Sachspenden bereitstellten.16 In das Erdgeschoss der Hofstallkaserne sollte zudem eine Gewerbehalle einziehen. Die Kombination aus Naturmuseum und Gewerbeausstellung war mehrheitsfähig. Aber nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in psychologischer Hinsicht wurde von dem Projekt viel erwartet: Es sei geeignet, die „deutsche Volksseele“ zu heilen, weil der „deutsche Mensch“ besonders naturverbunden sei und seine Kraft aus dem Boden schöpfe.17 Selbst der Bundespräsident, Dr. Michael Hainisch, betonte die Bedeutung des Projekts für die „Wiedererweckung“ des österreichischen Volkes und spitzte das Argument noch weiter zu: Es handele sich um ein Projekt der Volkskultur gegenüber der durch die Salzburger Festspiele vertretenen Hochkultur.18 Dieser Tenor durchzog auch einen Bericht der „Salzburger Neuesten Nachrichten“ vom 28. Juni 1923 über die Gründungsversammlung, der einen Antagonismus aufbaute zwischen „fremder Hochkultur“, die sich in den Salzburger Festspielen manifestiere, und der „Heimat-, Volkskultur“ als „Unterströmung, die aus dem Boden des Landes quillt“.

Ansatz und Ziel

Das Museum für darstellende und angewandte Naturkunde fußte zwar auf einem Grundstock naturwissenschaftlicher Sammlungen, aber es war kein Sammlungs- und Forschungs-, sondern ein reines Schaumuseum. Eine Trennung zwischen wissenschaftlicher Haupt- und populärer Schausammlung, wie sie in den reformorientierten Naturkundemuseen im deutschen Kaiserreich eingeführt worden war, war hier gegenstandslos, denn alles, was vorhanden war, wurde didaktisch aufbereitet und ausgestellt. Museum und Ausstellung waren identisch. Dieses Konzept setzte die Volksbildungsziele der Museumsreformbewegung radikal um und ähnelte mehr dem der modernen Gesellschaftsmuseen als dem der traditionellen Sammlungsmuseen. Tratz setzte sich entschieden von jeglicher Verbindung zu allen bestehenden, angeblich rückständigen Naturkundemuseen ab und behauptete einen Neuansatz gleichsam aus wilder Wurzel oder freiem Genie, höchstens unter Verweis auf das Deutsche Museum in München, also einen Vertreter des neuen Museumstyps. Anzumerken ist, dass dieser Neuansatz nur möglich war, weil es sich um eine Gründung auf der Basis einer relativ bescheidenen Sammlung handelte.

Das Konzept zeichnete sich durch einen expliziten Gesellschaftsbezug aus. Entgegen der von der Museumsreformbewegung angestrebten Trennung von Natur und Kultur führte es beide Bereiche auf neue Weise zusammen, indem es in drei Schritten von den natürlichen Grundlagen (Boden, Pflanzen, Tiere) über deren wirtschaftliche Nutzung (Bergbau, Forst- und Landwirtschaft) zur Kulturlandschaft (Tourismus, Naturschutz) und zum Menschen leitete. Diese drei Schritte waren jedoch nicht als lineare Abfolge gedacht, sondern als zusammengehörige Aspekte, die alle Abteilungen und Gruppen miteinander verbanden. Dabei dehnte sich die Auslegung des „Anwendungsbezugs“ weit über rein ökonomische Verwertungsaspekte hinaus auf kulturelle Aneignungsformen in Brauchtum, Mythen und Kunst und auf ethische Fragen des Schutzes der Natur aus.

Im Zusammenhang mit dem Anwendungsbezug aller Ausstellungsthemen war die Perspektive des Menschen Teil der gesamten Ausstellung. End- und Zielpunkt der Präsentation war dann auch, dem Konzept entsprechend, der Mensch. Verbunden mit der Botschaft des Natur- und Heimatschutzes wollte Tratz einen bestimmten Menschentyp, nämlich den in der Natur verwurzelten „Salzburger Menschen“, konstruieren.

Tratz entwarf ein „Heimatmuseum“ neuen Typs, das von der Heimat aus die weite Welt eröffnen sollte. Die Ausstellungsgegenstände sollten demgemäß nicht nur aus der Region stammen, sondern auch einen Rundumblick in die Welt ermöglichen. Die Idee, ein Weltmuseum zu schaffen, war von Anfang an impliziert. Prof. Othenio Abel plädierte dafür, das Museum als naturkundliches Regionalmuseum zu konzipieren und keinesfalls eine Universalschau zu planen, da ein solch weit gefasster Anspruch nicht eingelöst werden könne, aber er setzte sich damit nicht durch.19

Mit der Aufnahme des Themas „Gesundheit und Menschenkunde“ führte die Ausstellung über die naturkundlichen Kontexte hinaus in ein benachbartes Wissensgebiet, die Hygiene. Krankheitsvorsorge, Sexualaufklärung und Eugenik gehörten in den 1920er Jahren international zu den aktuellen Themen der gesellschaftlich relevanten medizinischen Wissenschaften. An dieser Stelle weitete sich der Anwendungsbezug des Museums über eine Nutzung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen und die Konstruktion eines durch eine Landschaft geprägten Menschen hinaus auf eine Anwendung biologischer Kenntnisse auf den menschlichen Körper hin aus.

Die Umsetzung

Ein kleines Komitee bereitete die Gründung eines Trägervereins vor. Zum 26. Juni 1923 wurde die Gründungsversammlung der Gesellschaft für darstellende und angewandte Naturkunde einberufen.20 Mit der Vereinsgründung wurden ein zehnköpfiger Vorstand und ein Kuratorium aus über 60 Personen gebildet. Am 23. März 1924 fand die erste Mitgliederversammlung und Kuratoriumssitzung statt. In Arbeitsausschusssitzungen wurden die ersten konkreten Schritte beraten.21 Der Arbeitsausschuss bestand als Gremium für die Koordination der praktischen Arbeiten weiter. Nachdem man mit der Stadt einen günstigen, zunächst auf zehn Jahre befristeten Mietvertrag für die Hofstallkaserne ausgehandelt hatte, erklärten sich zwei Baumeister, Franz Wagner und Ambros Crozzoli, bereit, die Räume des ersten Stocks auf eigene Kosten herrichten zu lassen, organisierten dann aber eine Arbeitsgemeinschaft aus Baufirmen, koordiniert von Crozzolis Tochter, der Baumeisterin Hilda Crozzoli.22 Parallel dazu beschloss die Stadt auf Antrag des Direktors des Städtischen Museums Julius Leisching, der neuen Museumsinitiative die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Städtischen Museums als Leihgabe zu überlassen, darunter die wertvolle Mineraliensammlung des verstorbenen Professors Dr. Eberhard Fugger.23 Hinzu kam Tratz’ private ornithologische Sammlung, die seit 1920 im Monatsschlössl Hellbrunn zu sehen gewesen war.

Mit Hilfe der örtlichen Handwerker kam der Ausbau der Hofstallkaserne schnell voran. Im ersten Obergeschoss wurden zunächst sieben Räume mit insgesamt 2.300 qm Fläche fertiggestellt.24