Eisige Nähe - Andreas Franz - E-Book
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Eisige Nähe E-Book

Andreas Franz

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  • Herausgeber: Knaur eBook
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Der Kieler Musikproduzent Peter Bruhns wird zusammen mit seiner jungen Geliebten tot in seinem Penthouse aufgefunden. Eine Beziehungstat? Oder das Werk eines persönlichen Feindes, von denen es nicht wenige gibt? Bei den Untersuchungen wird ein Gift gefunden, das den Kommissaren Sören Henning und Lisa Santos Rätsel aufgibt. Der Fall nimmt eine ungeahnte Wendung, als am Tatort DNA sichergestellt wird, die in Deutschland bereits nach verschiedenen Morden aufgetaucht ist. Ist hier ein Massenmörder am Werk? Was steckt wirklich hinter dem Mord an Peter Bruhns? Eisige Nähe von Andreas Franz: Spannung pur im eBook!

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Seitenzahl: 722

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Andreas Franz

Eisige Nähe

Kriminalroman

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Das scheinbar Gute ist [...]SamstagSamstag, 7. März 2009Samstag, 20.22 UhrSonntagSonntag, 0.47 UhrSonntag, 11.45 UhrSonntag, 14.50 UhrSonntag, 16.35 UhrSonntag, 9.00 bis 23.30 UhrSonntag, 21.30 UhrMontagMontag, 8.30 UhrMontag, 10.35 UhrMontag, 11.40 UhrMontag, 13.10 UhrMontag, 14.45 UhrMontag, 16.25 UhrMontag, 17.55 UhrMontag, 18.35 UhrMontag, 19.45 UhrDienstagDienstag, 1.20 UhrDienstag, 8.30 UhrDienstag, 10.00 UhrDienstag, 11.35 UhrDienstag, 12.45 UhrDienstag, 21.45 UhrDienstag, 23.50 UhrMittwochMittwoch, 9.10 UhrMittwoch, 11.15 UhrMittwoch, 11.55 UhrMittwoch, 14.05 UhrMittwoch, 16.15 UhrMittwoch, 16.20 UhrMittwoch, 16.45 UhrMittwoch, 20.30 UhrMittwoch, 21.15 UhrDonnerstagDonnerstag, 7.10 UhrDonnerstag, 9.15 UhrDonnerstag, 9.40 UhrDonnerstag, 10.33 UhrDonnerstag, 11.25 UhrDonnerstag, 13.50 UhrDonnerstag, 13.55 UhrDonnerstag, 14.35 UhrDonnerstag, 16.10 UhrDonnerstag, 16.25 UhrDonnerstag, 21.05 UhrDonnerstag, 22.50 UhrFreitagFreitag, 8.15 UhrEpilogNachwort

Das scheinbar Gute ist nicht immer gut,

das scheinbar Böse nicht immer böse.

Es ist der Mensch mit vielen Masken,

die vieles verdecken.

Beides wohnt im Menschen, das Gute und das Böse.

[home]

Samstag

Samstag, 7. März 2009

Hans Schmidt war pünktlich am frühen Nachmittag in Hamburg gelandet. Er holte den für ihn reservierten BMW bei der Autovermietung ab und fuhr nach Kiel. Es war kalt, viel kälter als in Lissabon, die Temperatur lag kaum über null Grad, während es in Portugal in den letzten Tagen beinahe zwanzig Grad gewesen waren, nur die Nächte waren kühl, aber immer noch wärmer als die Tage hier in Norddeutschland.

Der Verkehr war fließend, und er brauchte kaum eine Stunde, bis er sein Haus in dem vornehmen Kieler Stadtteil Düsternbrook erreichte.

Es gab zwei Gründe, weshalb er nach Kiel gereist war: Der erste und offizielle betraf das Erstellen von Expertisen für ein paar sehr alte und vermutlich sehr wertvolle Handschriften, eine davon angeblich aus dem elften Jahrhundert, und zwei Bücher von Niccolò Machiavelli, Il Principe und Discorsi, beide mit handschriftlichen Anmerkungen versehen. Woher der Klient die Bücher hatte, interessierte Schmidt nicht, obwohl es heutzutage fast unmöglich war, an solche nahezu unbezahlbare Originalausgaben zu gelangen, ohne kriminelle Wege zu beschreiten.

Der zweite und hauptsächliche Grund war – er war gekommen, um zu töten.

Nicht viel, und er hätte seine Lebensgefährtin Maria mitgebracht, aber sie war glücklicherweise unabkömmlich, die Handwerker wollten am Montag den neuen Kamin einsetzen, den Maria sich schon so lange gewünscht hatte, ein Wunsch, den er ihr nicht hatte abschlagen können. Dabei war es in Lissabon selten so kühl, dass man einen Kamin benötigte, aber sie hatte immer wieder betont, wie schön es doch aussehen würde, wenn … Er hatte es sich ein paarmal geduldig angehört und ihr schließlich vorgeschlagen, ein Unternehmen damit zu beauftragen, was sie sich natürlich nicht zweimal sagen ließ.

Vielleicht war es auch ganz gut so, dass sie in Lissabon geblieben war, denn die vor ihm liegende Mission erforderte seine vollste Konzentration, obwohl Maria ihn nicht gestört hätte, sie war eine zwar stets präsente, aber sich doch immer im Hintergrund haltende Frau, die keine unnötigen Fragen stellte. Sie fragte nicht, wohin er ging, wie lange er blieb, wann sie ihn zurückerwarten könne. Nichts von alledem, keine Klette wie viele oder die meisten anderen Frauen, die er im Laufe seines Lebens kennengelernt hatte. Sie war eine Perle, wie man sie nur unter Tausenden fand, schön, unprätentiös, fleißig, sie las ihm beinahe jeden Wunsch von den Augen ab, und manchmal war es ihm sogar unangenehm, wenn sie in seine Gedankenwelt einzutauchen schien, auch wenn dies eigentlich unmöglich war, denn wäre es ihr möglich gewesen, sie hätte Dinge erblickt, die sie nie hätte sehen wollen, die kaum ein Mensch hätte sehen wollen. Entweder hätte sie ihn oder sich längst umgebracht, oder sie wäre einfach gegangen, ohne ein Wort zu verlieren, denn sie war eine stolze und höchst verschwiegene Frau. Und sie war, neben einer anderen, die einzige Person, von der er meinte, sie sei ihm ebenbürtig, auch wenn sie zeitweise in zwei völlig verschiedenen Welten lebten.

Sie war wie ein Hurrikan in sein Leben getreten, und das nur, weil er eine Haushälterin gesucht hatte. So stand sie mit einem Mal vor ihm, diese aparte, anfangs unnahbare Frau, die ihn von der ersten Sekunde an in ihren Bann gezogen hatte. Halblange, fast schwarze Haare, hellbrauner Teint, eine markante Stirn und noch markantere Wangenknochen, eine fast porenlose Haut und Augen, wie er sie noch bei keiner anderen Frau gesehen hatte, ein tiefes Blau, das einen beinahe unnatürlichen Kontrast zu den Braun- und Schwarztönen bildete. Zarte, fragile Hände und eine Figur, die in jedem Mann unweigerlich ein Feuer entfachen musste. Das Schönste an ihr war jedoch der Mund, diese feingeschwungenen, nicht zu vollen Lippen, die sich perfekt diesem ohnehin perfekten Gesicht anpassten. Er hatte sie gesehen und sich in sie verliebt, obwohl er nie vorgehabt hatte, sich jemals in eine Frau zu verlieben. Aber sie stand vor ihm, und er wusste, er würde nie wieder eine andere Frau ansehen, vorausgesetzt, Maria erwiderte seine Gefühle. Er hatte nie nach ihr gesucht, er hatte überhaupt nie nach einer Frau gesucht, sondern immer nur die sich ihm bietenden Gelegenheiten genutzt, doch in all den Jahren hatte es keine Frau gegeben, mit der er sein Leben hätte verbringen wollen. Vielleicht war es Bestimmung – oder weil er nie nach ihr gesucht hatte. Sein Motto lautete: Versuche nie, etwas zu erzwingen, lass alles auf dich zukommen. Dies betraf aber nur den privaten und den offiziellen Teil seines geschäftlichen Lebens.

Sie war die Nummer zwölf der Bewerberinnen gewesen, ein Volltreffer, mehr wert als ein Sechser im Lotto. Er konnte sich an nichts in seinem Leben erinnern, das der ersten Begegnung mit Maria auch nur im Ansatz gleichkam.

Außer einer Sache, aber das war etwas anderes gewesen, so unterschiedlich wie Sonne und Mond. Und doch auf eine gewisse Weise prickelnd, erregend, sinnlich.

Sein erster Mord.

In Auftrag gegeben von einer von Eifersucht zerfressenen Frau, die es leid war, dass ihr Mann sich ständig mit jungen Mädchen vergnügte. Dabei war diese Frau erst Mitte dreißig, aber für ihren damaligen Mann schon zu alt, obwohl er selbst bereits neunundvierzig war. Ein schwerreicher Immobilienmogul aus Frankfurt, der nie der Pubertät entwachsen war. Einer, der sich in allen Betten rumtrieb, nur kaum einmal in seinem eigenen. Der aber seine Frau und die beiden Kinder wie in einem goldenen Käfig gefangen hielt, aus dem sie sich und die Kinder unbedingt befreien wollte. Nicht nur aus dem Käfig, sondern auch von ihrem Mann, den sie zu hassen gelernt hatte, wie nur Frauen hassen können. Was wirklich hinter diesem Auftrag stand, das sollte Schmidt erst später erfahren.

Hans Schmidt war damals gerade zweiundzwanzig, doch er hatte die Lebenserfahrung eines Mittvierzigers. Er lebte in Kiel, hatte aber vor, baldmöglichst seine Zelte dort abzubrechen und sich irgendwo anders niederzulassen, einen gutbezahlten Job anzunehmen und Karriere zu machen. Er, zu dem Zeitpunkt ein von der Hand in den Mund lebender Student, schaltete mehrere Anzeigen in regionalen und überregionalen Zeitungen, und auf eine davon meldete sich diese Frau. Sie suchte einen Gärtner für das Anwesen, und da Schmidt angegeben hatte, auch Gartenarbeiten auszuführen, dachte er, dies könnte die Gelegenheit sein, aus seiner Heimatstadt herauszukommen. Ihre erste Begegnung fand in Kiel statt, wo die Frau angeblich zu tun hatte, doch ihm war klar, dass sie nur seinetwegen gekommen war. Er würde diese erste Begegnung nie vergessen, sollte sie doch sein Leben von Grund auf verändern. Es war in einem Café in Düsternbrook, dem Viertel, in das er später ziehen sollte. Ein Viertel, das zum größten Teil jenen vorbehalten war, die es sich leisten konnten, dort zu wohnen.

Bei dem Treffen merkte er, wie diese unglaublich schöne und elegante Dame ihn zwar unauffällig und doch unentwegt musterte und begutachtete, obwohl sie anfangs nur über den Job als Gärtner für das Anwesen in Hofheim, einer kleinen Stadt an der Peripherie Frankfurts, sprachen. Allein, wie sie sich die Zigarette anzündete, wie sie dezent und doch mit überwältigender Erotik die Beine übereinanderschlug, war es wert gewesen, mit ihr diesen Nachmittag zu verbringen. Mit Sarah Schumann, so hatte sie sich ihm vorgestellt.

Er solle nach Hofheim ziehen, Kost und Logis seien frei, dazu werde er einen guten Lohn erhalten, und außerdem könne er in Frankfurt weiterstudieren, mit ein wenig Planung ließe sich alles unter einen Hut bringen. Es klang wie Musik in seinen Ohren, seine noch verschwommenen Pläne erhielten zum ersten Mal klare Konturen. Schließlich lud sie ihn noch für denselben Abend zu sich in ihr Kieler Haus ein, um, wie sie wörtlich sagte, die Details zu fixieren.

Der Abend verlief jedoch völlig anders, als er erwartet hatte. Nie hätte er für möglich gehalten, dass durch die Annonce sein Leben in eine Bahn gelenkt werden würde, an die er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen zu denken gewagt hätte. Sarah Schumann fragte ihn wie beiläufig, ob er ganz langsam wenig Geld verdienen wolle oder lieber ganz viel in kurzer Zeit. Er wusste nicht, was er mit dieser Frage anfangen sollte, doch er antwortete, dass wohl jeder am liebsten schnell viel Geld verdienen möge.

Mit einem Mal stand sie splitternackt vor ihm, sie verbrachten die Nacht zusammen, und es war ein großartiges Gefühl, mit einer Frau zu schlafen, die zwölf oder dreizehn Jahre älter war. Sie hatte nicht nur einen Traumkörper, sondern auch Intellekt und Charisma und Charme, dem er sich nicht zu entziehen vermochte. Unmittelbar nach dem Sex rauchte sie schweigend eine Zigarette und trank ein Glas Rotwein, beobachtete Hans Schmidt eine Weile, als wollte sie seine Gedanken lesen oder in sein Innerstes eintauchen, dorthin, wo bisher nur er zu schauen imstande war, bis sie sagte, was sie wirklich von ihm wollte.

Sie berichtete von ihrem Mann, seinen permanenten Seitensprüngen mit jungen Frauen, manchmal sogar Minderjährigen, seiner aktuellen Affäre mit einer Fünfzehnjährigen und dass sie es mit diesem pädophilen Hurensohn nicht länger aushalte. Vor allem hatte sie Angst, dass er sich an den gemeinsamen zehn und zwölf Jahre alten Töchtern vergehen könnte.

Schließlich rückte sie mit der vollen Wahrheit heraus, die Worte kamen kühl und emotionslos über ihre Lippen, sie legte ein Foto ihres Mannes auf den Tisch und sagte, sie suche jemanden, der sie von ihm befreie. Und zwar für immer. Ob er, Hans Schmidt, dazu bereit sei, es solle nicht zu seinem Schaden sein. Dabei zeigte sich außer einem Aufblitzen in den Augen keinerlei Regung, während sie im Gegenzug jede noch so winzige Reaktion von Schmidt registrierte und analysierte.

Er tat verwirrt und erschrocken (obwohl das nicht ganz richtig ist, denn anfangs, ganz am Anfang, direkt nachdem sie ihr Anliegen vorgebracht hatte, war er tatsächlich verwirrt und erschrocken gewesen, aber nur für ein paar Sekunden) und sagte, er habe so etwas noch nie gemacht, aber sie antwortete gelassen und beinahe klischeehaft, es gäbe für alles ein erstes Mal. Die ersten Schritte, das erste Hinfallen, der erste Schultag, die erste große Liebe … Sie könne sich vorstellen, es sei wie der erste Sex, man hat Angst und verspürt gleichzeitig dieses unbeschreibliche Kribbeln, das durch den ganzen Körper zieht, man will es und ziert sich doch, aber schließlich tut man es, weil die Lust auf die Erforschung des Unbekannten übermächtig wird. So oder ähnlich müsse es wohl mit dem ersten Mord sein. Sie erklärte, und es klang aufrichtig, wie oft sie den Mord an ihrem Mann durchgespielt hatte, wie sie ihren untreuen Gatten erschoss, wie er langsam zu Boden sank und seine Augen sie flehend und bettelnd ansahen und sie breitbeinig über ihm stand und ihn kalt anlächelte, während allmählich der letzte Hauch Leben aus seinem Körper wich.

»Ich hasse ihn abgrundtief für das, was er mir und den Kindern angetan hat. Ich könnte jetzt noch viel mehr über ihn sagen, aber das würde zu lange dauern und tut auch nichts zur Sache. Vielleicht erzähle ich dir eines Tages die ganze Geschichte.«

Auf Schmidts Frage, warum sie es denn nicht selbst in die Hand nähme, antwortete sie mit einem unvergleichlichen Lächeln (etwas kühl und doch irgendwie entrückt), sie würde es ja liebend gerne, aber der Verdacht würde natürlich sofort auf sie fallen. Sie brauche für diese Aufgabe jemanden, den niemand in ihrem Umfeld kenne, der kommen und wieder gehen würde. Lautlos, spurlos, wie ein Phantom. Sie habe sofort gespürt, schon nach der nur Sekunden dauernden Begrüßung im Café, er sei der richtige Mann dafür, denn wenn sie eines sei, dann eine hervorragende Menschenkennerin, die vom ersten Eindruck noch nie getäuscht worden war. Eine Ausnahme allerdings hatte es gegeben, die Begegnung mit ihrem Mann, einem Schauspieler allererster Güte.

Er fühlte sich geschmeichelt, und er sagte nicht nein, auch wenn er sich fragte, wie er es anstellen sollte, einen Menschen zu töten, den er nur auf einem Foto gesehen hatte und von dem er nichts wusste als das, was seine Frau ihm erzählt hatte – ganz abgesehen davon, dass er keine Gewähr dafür hatte, ob ihre Geschichte überhaupt der Wahrheit entsprach. Er fragte auch nicht danach, denn es war ihm gleich. Seltsamerweise empfand er keine Angst bei dem Gedanken, einen Menschen zu töten, was vielleicht daran lag, dass er noch nie in seinem Leben wirklich Angst vor irgendetwas gehabt hatte, denn er hatte schon früh lernen müssen, auf eigenen Beinen zu stehen und sich durchzusetzen.

Hatte er Skrupel empfunden? Vielleicht. Ein schlechtes Gewissen? Möglicherweise. Letztlich wusste er nicht mehr, was damals in ihm vorgegangen war, weil alles fast surreal gewirkt hatte. Aber – und das war das Entscheidende – sie hatte ihm hunderttausend Mark geboten, wenn er bereit wäre, ihren Mann zu beseitigen oder, wie sie es ausdrückte, zu liquidieren und somit aus ihrem Leben ein für alle Mal zu entfernen. Und weitere hunderttausend, sobald der Auftrag erledigt war. Vorausgesetzt, niemand könne die Spur zu ihm und ihr zurückverfolgen.

Er hatte nicht lange überlegt, ihr Angebot war ein Vermögen für jemanden, der sich bis dahin mit wenig lukrativen Gelegenheitsjobs neben seinem Studium über Wasser gehalten hatte. Sie besprachen den genauen Ablauf: Wenn sie ihn in den nächsten Tagen kontaktieren würde, müsse er umgehend nach Frankfurt kommen, wo er in einem First-Class-Hotel unterkommen würde. In einem Schließfach im Hauptbahnhof wäre eine Waffe hinterlegt, und er bekäme den Schlüssel per Kurier in sein Hotel geliefert.

Sie hatte an alles gedacht. Sie selbst würde sich in diesen Tagen bei einer Freundin im Ausland aufhalten und erst zurückkehren, sobald sie vom Tod ihres Mannes durch die Polizei oder jemanden aus der Familie erfahren würde. Den Rest des Geldes würde er ein paar Tage später wieder in einem Schließfach finden, der Schlüssel dazu würde im Hotel abgegeben werden.

Zweihunderttausend Mark, ein Vermögen für Hans Schmidt, der bis dahin neben seinem Studium der Germanistik und Romanistik mit Ach und Krach über die Runden gekommen war. Zweihunderttausend Mark für einen Mord an einem untreuen Ehemann. Er hatte so etwas schon im Kino gesehen, aber dass er selbst eines Tages einen Auftragsmord ausführen würde, hätte er bis zu jenem Abend des 12. Oktober 1984 niemals für möglich gehalten.

In seiner damals noch vorhandenen Naivität hatte er Sarah gefragt, wann er denn die Stelle als Gärtner antreten solle, worauf sie lachend geantwortet hatte: »Glaubst du ernsthaft, ich würde mich wegen eines Gärtners auf den langen Weg nach Kiel machen? Bei uns im Rhein-Main-Gebiet gibt es so viele Gärtner, da brauche ich keinen von hier oben. Ich bin nur aus einem einzigen Grund gekommen, und den habe ich dir genannt. Mich hat deine Annonce angesprochen, ich wusste sofort, du bist der richtige Mann für diese Aufgabe. Bis jetzt hast du mich keines Besseren belehrt. Oder sollte ich mich doch getäuscht haben?«

»Nein, natürlich nicht. Ich bin der Richtige«, hatte er geantwortet.

»Gut. Es wird dein Schaden nicht sein.«

 

Nur drei Tage später rief Sarah Schumann ihn an und teilte ihm mit, der Zeitpunkt sei gekommen. Er fuhr nach Frankfurt und checkte in einem First-Class-Hotel ein, wo ein Umschlag mit zweitausend Mark für ihn hinterlegt worden war. Die Luxussuite im Herzen von Frankfurt war für eine Woche im Voraus bezahlt. Zwei Tage verbrachte er fast ausschließlich in seinem Zimmer und wartete, bis Sarah endlich anrief und ihm mitteilte, dass ihr Mann den nächsten Tag in seiner Jagdhütte im Taunus verbringe. Angeblich, um sich vom Stress der vergangenen Wochen zu erholen. Noch am selben Abend wurde ihm von einem Kurier ein wattierter Umschlag mit einer Karte, auf der die Hütte eingezeichnet war, sowie dem Schlüssel für das Bahnhofsschließfach übergeben. Dort fand er eine Sporttasche vor, in der sich eine großkalibrige Pistole mit Schalldämpfer und die versprochene Anzahlung von hunderttausend Mark befanden.

Hans Schmidt mietete sich einen Wagen und fuhr zu einem Waldparkplatz, der etwa fünfhundert Meter von der Jagdhütte entfernt war. Neben der Hütte parkte ein Range Rover, wie es ihm von Sarah Schumann beschrieben worden war. Schmidt ging durch das angelehnte Tor, nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass niemand ihn beobachtete. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Er klopfte mehrfach gegen die Tür, bis ein hochgewachsener, bulliger Mann in Unterhemd und Shorts öffnete – unverkennbar Sarahs Gatte. Hans Schmidt behauptete, er habe sich verlaufen und wisse nicht mehr, wie er zur Hauptstraße käme. Der mürrische Hausherr wollte ihn so schnell wie möglich loswerden, deutete mit der Hand Richtung Westen und murmelte ein paar kaum verständliche Worte.

Dann ging alles sehr schnell, Schumann bekam kaum mit, wie mit einem Mal die große Pistole mit dem Schalldämpfer gegen seine Brust gedrückt und er in die Hütte gedrängt wurde, wie Schmidt einen Finger auf den Mund legte und meinte, dass er keinen Mucks von sich geben sollte. Dann erst sah er das Mädchen, das splitternackt auf dem Bett saß und ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ein sehr junges und sehr hübsches Mädchen, eine sich mitten in der Pubertät befindende Schönheit mit slawischen Gesichtszügen. Blond, blaue Augen und eine Figur, die erst in ein oder zwei Jahren ausgereift wäre. Vielleicht dreizehn, vielleicht auch schon vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Ein Mädchen, das Sarah Schumann nicht erwähnt hatte, von dem sie vermutlich nicht einmal etwas wusste. Er würde später mit ihr darüber sprechen. Eines aber stand fest: Er konnte, er durfte das Mädchen nicht am Leben lassen, es wäre zu gefährlich gewesen. Sie hätte ihn identifizieren können.

Eine Flasche Champagner und zwei Gläser standen auf dem Tisch, leise Musik spielte. An all das erinnerte sich Hans Schmidt, als wäre es gestern gewesen. Im Gesicht des Mannes hatte blanke Todesangst gestanden, er stammelte wirres Zeug, das Schmidt nicht interessierte. Er kickte die Tür mit dem Absatz hinter sich zu, runzelte die Stirn und drückte zweimal ab. Der erste Schuss traf den Mann in die Brust, der zweite in den Kopf, so hatte es Schmidt in einem Mafiathriller gesehen. Das Mädchen hielt sich ein Kissen vor das Gesicht, die Augen weit aufgerissen, kein Laut kam über ihre Lippen, doch es dauerte nur wenige Sekunden, bis auch ihre Augen brachen.

Was Sarah erzählt hatte, war die Wahrheit gewesen: ein alternder Mann, der es am liebsten mit jungen Mädchen trieb. Ein Mann, der das Geld hatte, sich alles leisten zu können, kleine Mädchen inklusive. Und doch war Schmidt selbstverständlich davon ausgegangen, Schumann alleine anzutreffen.

Es war ein einfacher Job gewesen, Schmidt hatte auf die beiden Toten herabgesehen, als wären sie Puppen, hatte die Hütte verlassen und war gemäßigten Schrittes zu seinem Wagen gegangen. Wieder war er niemandem begegnet. Auf der Fahrt zurück nach Frankfurt hatte er überlegt, die Waffe wegzuwerfen, aber dann doch beschlossen, sie zu behalten. Ein Souvenir vom ersten Mal, sozusagen. Die Waffe besaß er noch immer, sie war auch mehrfach benutzt worden, zuletzt vor einem halben Jahr.

Später im Hotel ließ er die Tat Revue passieren. Dabei dachte er mehr und mehr über das Mädchen nach, dessen Leben beendet war, bevor es richtig begonnen hatte. Für eine kurze Zeit hatte er ein schlechtes Gewissen, auch wenn er davon überzeugt war, dass sie so oder so bald gestorben wäre, denn die Zwangsprostituierten, vor allem junge Mädchen, überlebten selten die ersten drei Jahre, so hatte er einmal gelesen. Entweder starben sie an einer Überdosis Heroin oder an einer Kombination aus Drogen und Alkohol oder sie wurden umgebracht. Dennoch beschloss er, nie wieder Kinder oder Jugendliche zu töten, und bis zum heutigen Tag hatte er dieses Versprechen gehalten.

Wochenlang berichteten die Zeitungen über den heimtückischen Mord an dem angesehenen Immobilienmogul Manfred Schumann und einer jungen Frau, deren Namen man nie herausfand. Die Ermittler gingen davon aus, dass es sich um eine junge Frau aus Osteuropa handelte, die vermutlich mit falschen Versprechungen in den Westen gelockt worden war, wie so viele Mädchen und Frauen, die trotz des Eisernen Vorhangs in immer größeren Scharen in das vermeintliche Paradies Deutschland kamen. Das Alter der jungen Frau wurde stets mit achtzehn bis zwanzig angegeben, eine Lüge, denn Schmidt hatte das Mädchen gesehen. Je länger die Ermittlungen andauerten, desto weiter führte die Spur in den Osten. Es stellte sich heraus, dass Schumann dubiose Geschäfte in Polen, der ČSSR, der Sowjetunion und den damals noch zur Sowjetunion zählenden baltischen Staaten getätigt und vermutlich auch mit Menschenhändlern in Kontakt gestanden hatte. Für einige Wochen war sein bislang guter Name mit einem Makel befleckt, doch schon bald wurde das Mädchen aus der Berichterstattung gestrichen, als hätte es nie existiert. Zwanzig Jahre später wurden ein Hochhaus und eine kleine Straße nach Schumann benannt, der sich so sehr um Frankfurt verdient gemacht hatte.

Vom Täter fehlte weiter jede Spur. Schließlich ging man davon aus, dass er von einem Rivalen aus der Bau- oder Immobilienbranche beseitigt worden sein könnte, doch es fanden sich keinerlei Beweise.

Natürlich war seine Frau unter die Lupe genommen worden, aber sie konnte ein einwandfreies Alibi vorweisen und gab offen zu, dass ihre Ehe nicht gerade vorbildlich gewesen war, wobei sie ihren Mann immer geliebt habe, auch wenn sie von den unzähligen Affären ihres Mannes wusste – wie so viele in ihrem Umfeld. Dank dieser Offenheit gegenüber der Polizei und Öffentlichkeit war sie schnell aus dem Visier der Fahnder verschwunden.

Drei Tage nach dem Mord erhielt Schmidt das restliche Geld und schon kurz darauf den nächsten Auftrag. Vermittelt von der Frau, die, wie die Zeitungen vermeldeten, auf so sinnlose und tragische Weise ihren geliebten Mann verloren hatte.

Er war zweiundzwanzig gewesen, als er seinen ersten Auftragsmord beging, und bis dahin hatte er nicht einmal im Traum daran gedacht, jemals einem Menschen physisches Leid zuzufügen, geschweige denn, einen Mord zu begehen. Jetzt waren es gleich zwei auf einmal gewesen, und er hatte nichts oder zumindest nur wenig dabei empfunden. Keine Reue und auch nicht dieses berühmte schlechte Gewissen, das einen angeblich plagen sollte. Keine Alpträume, keine nächtlichen Schweißausbrüche, kein Gang zu einem Priester, um sich von der Last der Sünde zu befreien. Stattdessen fühlte er eine Art Stolz und Genugtuung, etwas getan zu haben, was sich nur die allerwenigsten trauten.

Es war so unglaublich einfach gewesen, und für einen Moment, als er wieder im Auto saß, hatte ihn sogar ein nie gekanntes Glücksgefühl überkommen. Und das alles durfte er nur erleben, weil diese ganz besondere Frau, Sarah Schumann, ihn über eine Anzeige kontaktiert hatte. Sie hatte sein Leben verändert und ihm eine Richtung verliehen, die so ganz anders als in seiner Vorstellung gewesen war. Ein Leben, das aller Wahrscheinlichkeit nach so langweilig und eintönig wie das so vieler Menschen verlaufen wäre. Das Studium beenden, einen mehr oder minder gutbezahlten Job annehmen, eine Frau kennenlernen, heiraten, Kinder bekommen, abends nebeneinander vor dem Fernseher hocken und schweigend auf den Bildschirm starren, ein-, zwei- oder am Anfang auch dreimal in der Woche miteinander schlafen und das Leben zur unsäglichen Routine verkommen lassen. Das alles in einer endlosen Schleife bis zum bitteren Ende in vierzig, fünfzig oder sechzig Jahren.

Doch Hans Schmidt führte seit jenem Abend im Oktober 1984 ein sorgloses und ausgefülltes Leben, er hatte Geld und andere materielle Güter im Überfluss, er war körperlich und geistig topfit, alles passte, es gab nichts, worüber er sich Gedanken zu machen brauchte. Bis auf den ersten Fall hatte es sich in den folgenden Jahren ausschließlich um Zielpersonen gehandelt, die eine zwielichtige und kriminelle Rolle in der Gesellschaft spielten.

In all der Zeit hatte es nur einen einzigen Auftrag gegeben, der ihm persönliche Probleme bereitet und bei dessen Ausführung er Skrupel verspürt hatte. Er hatte eine Frau liquidieren müssen, mit der ihn eine langjährige tiefe Freundschaft und eine lose sexuelle Beziehung verband. Es hatte ihm fast das Herz zerrissen, aber ihm war keine Wahl geblieben. Hätte er diesen Auftrag abgelehnt, hätte er wohl nie wieder einen weiteren erhalten.

Niemand wusste von seiner Affäre mit Julianne Cummings, der Frau des ehemals zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, von den Massen schon lange vor der Wahl wie ein Heilsbringer gefeiert, dessen demokratischem Konkurrenten, wer immer es auch sein mochte, kaum eine Chance eingeräumt worden war. Cummings war in der Tat beeindruckend, geboren in Portland, Oregon, treues Mitglied einer einflussreichen Sekte, der schon seine Eltern und Großeltern angehörten, mit achtundzwanzig der jüngste Gouverneur aller Zeiten, mit Ende dreißig im Senat in Washington, mit Mitte vierzig höchst aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat. Er war ein charismatischer Mann, rhetorisch unschlagbar, auf jedes Argument hatte er ein Gegenargument – und wenn es ein Zitat aus der Bibel war.

Was jedoch niemand außerhalb seines politischen Vertrautenkreises ahnte: Peter Cummings war verschlagen bis ins Mark.

Hans Schmidt war nach New York geflogen, um sich mit Julianne Cummings zu treffen, die ihn nur als Pierre Doux kannte. Er wusste noch, was sie am letzten Abend ihres Lebens getragen hatte, als sie ihm die Tür ihres Refugiums in Greenwich Village öffnete und ihn mit einem Kuss begrüßte. Ihre Augen strahlten wie immer, wenn sie sich sahen, was nicht sehr häufig vorkam. Sie trug ein kaum die Schenkel bedeckendes, enganliegendes weißes, transparentes Kleid, das der Phantasie nicht viel Spielraum ließ. Ihre fünfundvierzig Jahre sah man ihr nicht an, dank eiserner Disziplin stand ihr Körper dem einer Fünfundzwanzigjährigen in nichts nach. Lediglich ein paar winzige Fältchen um Augen und Mund verrieten dem aufmerksamen Betrachter, dass sie keine fünfundzwanzig, sondern vielleicht doch schon Mitte oder Ende dreißig war. Aber fünfundvierzig hätte kein Außenstehender vermutet.

Normalerweise pflegte sie einen anderen Kleidungsstil, besonders, wenn sie an der Seite ihres Mannes repräsentieren musste, was gerade jetzt, in der anstehenden heißen Phase des Wahlkampfs, immer häufiger der Fall war. Sie verabscheute ihren Mann, aber sie sah keinen Ausweg aus dieser Ehe. Er hasste sie nicht weniger, doch wenn sie sich der Öffentlichkeit zeigten, sah man ein auch nach zwanzig Jahren Ehe glückliches Paar mit drei wohlerzogenen Kindern. Peter Cummings’ zutiefst verlogene Seite kam zu keiner Zeit zum Vorschein. Wie alle Politiker, die Schmidt kannte – und er kannte viele –, war Cummings ein verschlagenes und verkommenes Subjekt. Er ließ jeden beiseiteschaffen, der ihm nicht bedingungslos ergeben war. Im Laufe seiner Karriere hatte er mindestens zehn Personen aus dem Weg räumen lassen. Vier starben durch Selbstmord, vier bei Unfällen, zwei durch Krankheit. So lauteten die Meldungen. Die Wahrheit kannten nur ein paar wenige Eingeweihte. Wer nicht für Cummings war, war automatisch gegen ihn, und so etwas duldete er nicht.

Schmidt hatte ihn ein paarmal getroffen, in seine kalten blauen Augen geblickt und sich jedes Mal gewünscht, jemand würde ihm den Auftrag erteilen, ihn zu liquidieren. Doch dann kam alles ganz anders. Sein Auftrag lautete nicht Peter Cummings, sondern dessen Frau Julianne. Warum ausgerechnet sie, wusste er nicht, anfangs hatte er Peter Cummings hinter der Anweisung vermutet. Es hätte seine Popularität sicher noch verstärkt, wenn er ein Jahr vor der Wahl den trauernden Witwer hätte spielen dürfen und er das Mitgefühl von Millionen Amerikanern erfahren hätte. Andererseits traute Schmidt Cummings vieles zu, eine derartige Perfidität jedoch nicht.

Nach längerem Überlegen war Schmidt sicher, dass die Order von allerhöchster Stelle kam, von dort, wo noch mächtigere Männer und Frauen als der Präsident der USA agierten. Die wahren Machthaber, die Strippenzieher, die die Regeln von Politik und Wirtschaft bestimmten. Nach der Kontaktaufnahme hatte Schmidt zwei Wochen Zeit, Julianne Cummings zu töten. Das Wo und Wie und den genauen Zeitpunkt überließ man Schmidt, das hatte er sich ausbedungen. Er hatte außerdem gefordert, dass Julianne Cummings innerhalb dieser zwei Wochen zu keiner Minute überwacht werden dürfe, er würde es kontrollieren, und sollte er auch nur einen Anhaltspunkt dafür finden, würde er die Aktion sofort abbrechen, denn zum einen wollte er seine Anonymität bewahren, und zum anderen wusste er, wie sehr die Nachrichtendienste seine Arbeit schätzten und auch in Zukunft benötigen würden. Er würde Bescheid geben, wann und wo ihre Leiche zu finden sei. Per E-Mail bekam er die Zusicherung, dass Julianne Cummings nicht überwacht werden würde.

Es war das erste und auch einzige Mal, wo er beinahe alles hingeschmissen hätte, aber er fühlte sich dem von ihm selbst verfassten Ehrenkodex verpflichtet, der es ihm verbot, einen einmal angenommenen Auftrag nicht zu erfüllen.

Erst nachdem er sie auf schnelle und schmerzlose Weise getötet und die Informationen, wo ihre Leiche zu finden sei, übermittelt hatte, erfuhr er während seines Rückflugs nach Lissabon, was wirklich hinter diesem Auftrag gesteckt hatte: Der Tatort war kurz nach dem Auffinden der Toten so präpariert worden, dass der Verdacht automatisch auf Peter Cummings fiel. Er hatte kein Alibi, nichts, das ihn entlastete. Er würde nie Präsident der USA werden, beim Prozess fehlten aber wichtige Beweisstücke, und so wurde Cummings aus Mangel an Beweisen freigesprochen, doch der Makel des möglichen Mörders an seiner Frau blieb. Sosehr er auch seine Unschuld beteuerte, es half ihm nichts. Nach dem Freispruch verkroch er sich wie ein geprügelter Hund in die Karibik, aber es dauerte nicht lange, bis er sich von seinem Schock erholt hatte und es sich in seinem selbstgewählten Exil mit seinem beträchtlichen Vermögen gutgehen ließ. Doch was man gewollt hatte, war erreicht worden: Cummings war ein für alle Mal von der politischen Bildfläche verschwunden. Dafür hatte seine Frau, Schmidts Freundin, ihr Leben lassen müssen.

 

Julianne Cummings war Vergangenheit, doch jene Frau, die ihn vor beinahe fünfundzwanzig Jahren angeheuert hatte, lebte noch. Sarah Schumann war und blieb die Einzige, die jemals Schmidts wahres Gesicht als Auftragskiller gesehen hatte, auch wenn er dieses Gesicht permanent veränderte. Mit wenigen Handgriffen gelang es ihm, so auszusehen, dass niemand, nicht einmal seine engsten Bekannten (wahre Freunde hatte er keine, auch wenn er einigen das Gefühl gab, ihr Freund zu sein) ihn jemals hinter einer seiner vielen Masken erkannt hätten. Mal sah er wie ein alter Mann aus, mal trug er eine dicke Brille und einen Schnauzer, mal einen Vollbart, mal eine Glatze, mal hatte er schmale Lippen, dann wieder einen geradezu femininen Mund, manchmal verkleidete er sich als Frau. Er konnte sogar Hände und Hals älter oder jünger aussehen lassen, er war ein Verwandlungskünstler par excellence. Zu jedem Aussehen besaß er einen eigenen Pass, einen Ausweis und einen Führerschein, insgesamt waren es einundzwanzig Pässe, einundzwanzig Führerscheine, einundzwanzig Ausweise, sogar drei Diplomatenpässe. Er war einer der meistgesuchten und doch freiesten Menschen auf diesem Planeten.

Sarah Schumann hatte ihn aus Dankbarkeit und Anerkennung in Kreise eingeführt, in denen es vor allem darum ging, unliebsame Zeitgenossen liquidieren und unter Umständen auch spurlos verschwinden zu lassen, was eigentlich die Aufgabe eines Cleaners gewesen wäre, aber gegen angemessenes Geld übernahm er auch die Aufgabe des Beseitigens eines Opfers und die Reinigung des Tatorts. Letzteres kostete zwar noch einmal so viel wie der eigentliche Mord, aber wer Hans Schmidt anheuerte, dem kam es auf ein paar hunderttausend Dollar oder Euro nicht an. Hans Schmidt und Sarah Schumann teilten ein Geheimnis und konnten auf die Verschwiegenheit des anderen zählen: Würde sie ihn ans Messer liefern, würde dies auch ihr das Genick brechen, dazu wusste er zu viel über sie.

Natürlich wussten die Menschen ihres Umfelds so gut wie nichts über Hans Schmidt, weder wie alt er war noch wo er herkam, sie wussten nur, er war der Mann für Notfälle, dem sie bedingungslos vertrauen konnten. Sarah Schumann war wesentlich daran beteiligt, dass er zu einem der gefragtesten Männer für knifflige Fälle wurde. Bis zum heutigen Tag verband ihn mit Sarah eine enge Freundschaft, auch wenn sie sich nur in unregelmäßigen Abständen sahen und darüber hinaus über Internet und Telefon in Verbindung blieben. Eine besondere Frau, die seinem Leben eine besondere Note verliehen hatte.

Nebenbei beendete er sein Studium, das sich nun problemlos finanzieren ließ, denn jeder Auftrag brachte ihm eine sechsstellige Summe ein (anfangs in Dollar, inzwischen kostete die Beseitigung eines Unternehmers, Bankiers oder Aufsichtsratsvorsitzenden ab dreihunderttausend Euro aufwärts, die einer Person des öffentlichen Lebens abhängig von ihrer Bedeutung zwischen fünfhunderttausend und einer Million, für den Mord an Julianne Cummings hatte er umgerechnet sogar anderthalb Millionen Euro kassiert), mittlerweile beherrschte er neun Sprachen und war ein Kunstliebhaber und -kenner, in dem Bereich der Musik ebenso wie in Malerei und Literatur. Tief in seinem Innern war er ein Feingeist, den schönen Dingen zugetan, sein ganzes Leben war von der Kunst geprägt – wozu in seinen Augen auch die hohe Kunst des Tötens zählte. Ein Mord sah im Übrigen auch nicht immer wie ein Mord aus, vieles wurde von der Polizei und den Rechtsmedizinern als Selbstmord oder Unfall deklariert, nur bei wenigen Opfern ließ er es bewusst wie eine Hinrichtung aussehen.

 

Aber in erster Linie war er Geschäftsmann, und wichtige Geschäfte waren es unter anderem, die ihn diesmal nach Kiel geführt hatten. Geschäfte, die auch mit dem Tod zu tun hatten. Geschäfte, die zu seinen Bedingungen abgewickelt wurden und von denen die Partner noch nichts wussten. Geschäfte, die zeitlich fest terminiert waren. Die Partner hatten nicht den Hauch einer Ahnung, wie wertvoll – ab jetzt gerechnet – jeder Tag für sie sein würde.

Seit Anfang der neunziger Jahre bewegte er sich in der High Society, in der natürlich niemand auch nur im Entferntesten ahnte, mit welch gefährlichem Mann sie es in Wirklichkeit zu tun hatten. Sie hatten ihn tatsächlich auch kaum zu fürchten, denn Hans Schmidt arbeitete nur im Auftrag und nicht, weil er jemanden persönlich nicht mochte oder eine Rechnung zu begleichen hatte. Wie jeder andere auch kam er mit dem einen besser, mit dem anderen schlechter zurecht, aber es hätte nie einen persönlichen Grund gegeben, einen Mann oder eine Frau zu töten, nur weil die Person ihm nicht gefiel, weil die Chemie nicht stimmte oder die Interessen unterschiedlich geartet waren. Er hätte auch niemals jemanden aus niederen Beweggründen wie Neid, Habsucht oder Eifersucht getötet, nicht einmal, wenn derjenige sich an Maria herangemacht hätte. Privates und Berufliches trennte er strikt. Nur zweimal war es vorgekommen, dass ein Auftrag zeitlich mit einem geschäftlichen Termin zusammenfiel. Dann hatte er zwei oder drei Tage verstreichen lassen, bevor er die Zielpersonen tötete. Eines jedoch hatte er bisher nie getan – er hatte nie einen Geschäftspartner liquidiert, da er unter allen Umständen vermeiden wollte, dass die Polizei auf seine Spur gelenkt wurde.

Schmidt gehörten drei Nobelrestaurants, alle aufgeführt im Guide Michelin und Gault Millau. Eines in Nizza, eines in Cannes und eines in Saint Tropez. Für Schmidt war nur das Beste gut genug, er hatte hohe Ansprüche an sich und an andere. Doch er selbst ließ sich nur zu besonderen Gelegenheiten dort blicken, wenn außergewöhnliche Gäste sich angemeldet hatten oder alte Freunde oder Bekannte kamen und er es als seine Pflicht ansah, sich um diese zu kümmern. Dass er sonst zurückgezogen in Lissabon lebte, wurde von den meisten respektiert.

Frauen hatten in seinem Leben stets eine wichtige Rolle gespielt, aber nur in Maria hatte er sich verliebt. Ganz gleich, was auch geschah, er würde alles daransetzen, dass sie blieb. Maria war eine reinrassige Portugiesin, sie hatte einen Stolz, der nicht überheblich war, einen über Generationen vererbten und tief in ihr verwurzelten Stolz, der sie selbstbewusst machte, ohne andere zu verletzen.

Drei Jahre war es nun her, genau genommen drei Jahre, zwei Monate und sieben Tage, seit sie bei ihm eingezogen war. Sie kümmerte sich um den Haushalt und all die Dinge, die im und am Haus zu erledigen waren. Sie bestellte Handwerker, führte Verhandlungen und hielt ihm den Rücken frei. Sie war eine phantastische Liebhaberin, die stets ohne große Umschweife zur Sache kam, weil sie von Anfang an gespürt hatte, dass er das so wollte. Sie verstanden sich blind und verhielten sich bisweilen schon wie ein altes Ehepaar, ohne jedoch in monotonen Alltagstrott zu verfallen.

Als er am Morgen aufgebrochen war, hatte sie ihn wie bei jedem Abschied lange umarmt und sich an ihn geschmiegt wie eine Katze. Er hatte den Duft ihrer dunkelbraunen, fast schwarzen Haare eingeatmet, ein ganz besonderer Duft, den er nicht einmal ansatzweise je bei einer anderen Frau gerochen hatte, der Duft einer großen, starken Frau, obgleich Maria eher klein war. Klein, zierlich, aber enorm zäh. Im Januar war sie siebenundzwanzig geworden, und damit war sie fast zwanzig Jahre jünger als Hans Schmidt. Aber auch das machte ihr nichts aus, sie sagte stets mit einem Lächeln, dass er viel jünger aussehe und niemand ihn auf siebenundvierzig schätzen würde.

Maria wusste eine große Familie hinter sich, einen Vater, der mit Argusaugen darüber wachte, dass es ihr gutging, eine Schwester und zwei Brüder, die ebenfalls ein Auge auf sie hatten, und eine Mutter, wie sie resoluter nicht sein konnte. Sie hatten Schmidt wohlwollend aufgenommen, was wohl nicht zuletzt daran lag, dass er ein kultivierter und vermögender Mann mit einem exzellenten Leumund war. Ein Deutscher, der seit vielen Jahren Portugal als seine Heimat ansah, der die portugiesische Lebensart liebte und so verinnerlicht hatte, dass er, wie Marias Vater einmal bemerkte, fast als Portugiese durchgehen könnte, dabei sei er doch nur ein halber. Schmidt hatte lachen müssen, aber Marias Vater hatte recht, er war Halbportugiese, seine Mutter stammte aus Lagos an der Algarve und war Anfang der sechziger Jahre als eine der ersten Gastarbeiterinnen nach Deutschland gekommen, hatte sofort einen Mann gefunden und einen Sohn mit ihm gezeugt.

Schmidt hatte nur noch vage Erinnerungen an seine Eltern, die bei einem Hausbrand ums Leben gekommen waren, als er neun Jahre alt war. Ihn hatte die Feuerwehr in letzter Sekunde aus den Flammen retten können, und er wurde in einem Heim etwas außerhalb von Kiel untergebracht, wo er bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr blieb. Das Grab seiner Eltern war in Kiel, und obwohl er eine Friedhofsgärtnerei mit der Pflege beauftragt hatte, ließ er es sich nicht nehmen, alle drei Monate herzukommen und nach dem Rechten zu sehen. So würde er es auch diesmal halten.

Zudem diente es dem Wahren seiner Identität, sich regelmäßig in Kiel blicken zu lassen und allen, die er kannte, zu zeigen, dass es ihn noch gab und dass er seiner Heimatstadt niemals untreu werden würde. In Kiel war er geboren und aufgewachsen, weshalb er sich mit diesem Ort verbunden fühlte, doch Lissabon war seine eigentliche Heimat, wo er irgendwann begraben werden wollte. Bevor es so weit war, würde er seine Eltern nach Lissabon holen und ihnen eine würdige Grabstätte auf einem Friedhof über der Stadt mit Blick auf die Mündung des Tejo oder den Atlantik kaufen.

Er wusste noch nicht, wie lange er diesmal in Kiel bleiben würde, geplant waren zehn bis vierzehn Tage, es konnten aber durchaus auch mehr werden, denn es standen noch mindestens drei weitere Zielpersonen auf seiner Liste. Sein Aufenthalt war bis ins letzte Detail durchgeplant (wobei es immer wieder Abweichungen geben konnte, denn gerade in seinem Job kam es auf den richtigen Zeitpunkt an), jede Minute, jeder Schritt, jeder Augenblick bis zum großen Finale, für das er sich diesmal etwas ganz Besonderes ausgedacht hatte. Etwas, was das Land möglicherweise in seinen Grundfesten erschüttern würde, vorausgesetzt, man ließ die entsprechenden Informationen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Etwas, womit keiner rechnete, nicht einmal seine bisherigen Auftraggeber, von denen keiner wusste, dass der Schmidt in der Stadt war. Und er würde zum ersten Mal seinem Grundsatz untreu werden, niemals aus persönlichen Gründen zu töten.

Als Schmidt in Kiel eintraf, hatte der Himmel aufgeklart, und die Märzsonne machte Anstalten, den Winter zu vertreiben. Aber sollte der Wetterbericht recht behalten, so würde es nur ein kurzzeitiges Intermezzo sein, bis die Kälte wieder zuschlug.

Schmidt stellte den Wagen vor der Garage ab, holte den Schlüssel aus seiner Jackentasche und schloss die Haustür auf. Die Luft war stickig, er öffnete ein paar Fenster im Erdgeschoss und drehte die Heizung auf, denn er fröstelte leicht, anschließend ging er nach oben und sah auch dort nach dem Rechten. Alles war noch so, wie er es vor zwei Monaten zurückgelassen hatte. Seinen Aktenkoffer legte er auf den Schreibtisch im Arbeitszimmer, lüftete auch hier kurz durch, streifte die Schuhe ab und zog sich bis auf die Unterhose aus. Danach begab er sich wieder nach unten, schloss die Fenster, warf durch die Vorhänge einen Blick über den großen Garten, der von einer zwei Meter hohen Buchenhecke eingezäunt war. Dazu war das gesamte Grundstück mit hochwertiger modernster Sicherheitstechnologie bestückt, die jeden potenziellen Eindringling sofort abschrecken oder in die Hände der Polizei treiben würde.

Schmidt kannte alle seine unmittelbaren und auch die meisten etwas weiter entfernt residierenden Nachbarn, hin und wieder wurde er eingeladen, und er selbst veranstaltete jedes Jahr mindestens ein Fest – in der Regel zur Sommersonnenwende oder auch in der Adventszeit, zu dem er alle einlud, die Rang und Namen hatten.

Auch am heutigen Abend würde er auf einer Party sein, wo sich nicht nur die High Society aus Kiel, sondern aus ganz Deutschland die Ehre gab, denn die Einladung eines Grafen und höchst einflussreichen Politikers und Unternehmers schlug niemand aus. Nicht nur, um zu sehen und gesehen zu werden, sondern auch, um Geschäfte zu tätigen.

Mit dem Gastgeber verband Schmidt seit Jahren ein oberflächlich-freundschaftliches Verhältnis, er hatte sogar schon zwei Aufträge für ihn ausgeführt, ohne dass der Graf wusste, dass Hans Schmidt der Liquidator gewesen war und das erledigt hatte, mit dem sich die oberen Zehntausend die Finger nicht schmutzig machten, weil sie es gewohnt waren, dass andere die Drecksarbeit für sie besorgten, während sie die Titelblätter schmückten, in Talkshows auftraten, in den Vorständen und Aufsichtsräten großer Unternehmen saßen, Unternehmen leiteten, Fabriken besaßen, eine gewichtige Rolle in der Politik spielten oder sich in der Kunstszene einen Namen gemacht hatten … Eines war allen gemein: Sie waren Saubermänner und -frauen, deren düstere und schmutzige Geheimnisse nur Insidern bekannt waren, unter anderem Hans Schmidt.

 

Schmidt lächelte seinem Spiegelbild zu, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und ging in sein üppig ausgestattetes Sportzimmer auf der anderen Seite des Flurs, um ein paar Übungen zu absolvieren: hundertzwanzig Liegestütze, davon jeweils dreißig mit einem Arm, hundertzwanzig Sit-ups, zwölf Minuten Tai-Chi. Seit über zwanzig Jahren verging kein Tag, an dem er nicht seine Übungen machte, und sofern es seine Zeit erlaubte, joggte er bis zu zehn Kilometer am Tag. Schmidt war nur einen Meter vierundsiebzig groß, dafür sehr schlank und durchtrainiert. Er beherrschte seinen Körper, den er zusammen mit seinem messerscharfen Verstand als sein größtes Kapital sah.

Schmidt lebte Grundsätze, er aß stets maßvoll, gönnte sich nur hin und wieder ein Glas Rotwein, keine Zigaretten und schon gar keine Drogen. Wie ein Asket betrachtete er seinen Körper als ein Heiligtum und einen Tempel.

Nach den Übungen duschte er, zog sich etwas Legeres an und telefonierte mit Maria, die wie immer erleichtert war, als fürchtete sie jedes Mal, wenn er auf Reisen war, ihm könnte unterwegs etwas zustoßen. Als er aufgelegt hatte, betrat er einen Raum, den selbst die gewieftesten Einbrecher niemals finden würden, nur sechs Quadratmeter groß und verborgen hinter einer langgezogenen, hohen Bücherwand, von der ein Teil sich durch das Eingeben eines sechsstelligen Codes per Fernbedienung öffnen ließ. Dort befand sich alles, was er für seine Aufträge benötigte, und hierhin würde er es wieder zurücklegen, nachdem seine Arbeit beendet war.

Er verweilte fast eine halbe Stunde in dem Geheimzimmer, wo er, wie in seinem Haus in Lissabon, sämtliche Aufträge sorgfältig archiviert hatte, zum einen in zwei Aktenordnern, zum anderen auf einem Rechner. Er wusste, sie würden eines Tages gefunden werden, doch das würde erst nach seinem Tod sein, der hoffentlich noch eine Weile auf sich warten ließ. Aber Hans Schmidt hatte keine Angst vor dem Tod, so wie er keine Angst vor dem Leben hatte.

Er hatte noch Zeit, die Feier würde auch ohne ihn beginnen. Er nahm die beiden Ordner aus dem Regal und blätterte in Erinnerungen. Schmidt hatte mehr Menschen ins Jenseits befördert als die meisten Serienkiller. Aber im Gegensatz zu den Bestien, die oft unter einem schweren psychischen Defekt litten, hatte er nie aus niederen Beweggründen getötet. Zu fast hundert Prozent handelte es sich um Personen, die gesellschaftlich hochangesehen gewesen waren, die Macht und Einfluss besessen und häufig selbst schon gemordet oder Morde in Auftrag gegeben hatten.

Als er nach vierzig Minuten die Ordner zurückstellte, empfand er Genugtuung. Er fühlte sich einmal mehr bestätigt, kein Mörder im eigentlichen Sinn zu sein, sondern lediglich das Spiel der Mächtigen mitzuspielen, ohne dass diese merkten, dass er zunehmend die Regeln bestimmte. Aber da war wieder dieses Bauchgefühl, das ihm sagte, dass das Blatt sich allmählich gegen ihn zu wenden begann und es an der Zeit war, sich eine neue Strategie einfallen zu lassen. Noch fühlte er sich sicher, würde als Hans Schmidt, der Name, unter dem er in diesem Haus lebte, zu dem Fest gehen, schließlich war die Einladung auf diesen Namen ausgestellt. Er steckte sie in die Innentasche seines Sakkos, lächelte und sprühte sich noch ein wenig Eau de Toilette auf den Hals.

Samstag, 20.22 Uhr

Um acht Minuten vor halb neun verließ er das Haus, nahm diesmal seinen Jaguar und fuhr zu dem ausgedehnten Gut des Grafen, wo das Fest stattfand. Er traf viele bekannte Gesichter, Hände wurden geschüttelt, es schien, als freuten sich die meisten, ihn zu sehen, doch wenn man genauer hinsah, wurde klar, dass es im Grunde kaum jemanden interessierte, ob er da war oder nicht. Auch er war nur wegen einer einzigen Person gekommen, die jedoch erst in zwei, drei Stunden eintreffen würde.

Hans Schmidt blieb dreieinhalb Stunden, erging sich in unsäglichem Smalltalk, den er hasste, aber als Mittel zum Zweck perfekt beherrschte, denn er verstand es, sich jeder Situation anzupassen. Er trank nur ein Glas Wein zum Essen, danach hielt er sich ausschließlich an Wasser. Ein grellgeschminktes Vollweib von höchstens fünfundzwanzig Jahren, bei dessen überdimensioniertem Busen ein Chirurg kräftig nachgeholfen hatte, umgarnte ihn fast den ganzen Abend und ging ihm damit zunehmend auf die Nerven, was er sie einige Male recht deutlich spüren ließ. Sie ließ sich davon nicht beeindrucken, vermutlich, weil sie zu beschränkt war, um die Zeichen zu erkennen. Diese Art von Frauen kannte er zur Genüge. Nach zahllosen vergeblichen Versuchen ließ sie endlich enttäuscht von ihm ab und wandte sich wieder ihrem Begleiter zu, einem fettleibigen und mindestens dreißig Jahre älteren Mann mit einem feisten Gesicht, seine Körperfülle war mindestens so beeindruckend wie sein Konto. Schmidt kannte ihn seit Jahren, ein Baulöwe, der es durch zahlreiche dubiose Geschäfte und Bestechung zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht hatte.

Schmidts eigentliche Aufgabe bestand an diesem Abend darin, eine bestimmte Person nicht nur zu beobachten, sondern sich auch mit ihr zu unterhalten. Peter Bruhns traf erst gegen dreiundzwanzig Uhr ein, er kam direkt von einer Fernsehsendung, die er nicht nur produzierte, sondern deren unumstrittener Star er auch war. Bruhns war neunundvierzig Jahre alt und nur etwas über eins siebzig groß, wobei er nicht klein wirkte, denn er trug in der Öffentlichkeit stets Schuhe, die ihn mindestens fünf Zentimeter größer erscheinen ließen. Er hatte sehr kurz geschnittenes dunkelbraunes Haar und braune, bei genauerem Hinsehen stechende Augen, auch wenn er häufig lachte, vor allem über seine eigenen, oft zotigen Witze. Er war Musikproduzent und hatte schon zahlreiche Hits mit diversen Künstlern in den Charts gelandet, aber das genügte ihm nicht. Er hatte ein großes Ziel vor Augen: Er wollte unbedingt in der Liga der ganz Großen mitspielen, Frank Farian, Dieter Bohlen oder Jack White und anderen Superstars, allerdings war er noch ein Stück von deren Erfolg als Produzent entfernt. Und doch gab es in der Unterhaltungsindustrie Deutschlands der letzten Jahre kaum jemanden, der so sehr die Massen in seinen Bann zog. Es waren besonders die jungen Menschen, die ihn fast wie einen Gott verehrten und in ihm ein Vorbild sahen.

Schmidt kannte Bruhns seit vielen Jahren, sie waren sich schon bei diversen Veranstaltungen über den Weg gelaufen, hatten sich privat verabredet oder in einem seiner Restaurants, hatten viel miteinander gesprochen, meist belangloses Zeug, über die Yacht, das Meer, das Wetter, die Frauen. So belanglos und leer Bruhns in seinem Innern war, so gab er sich auch im privaten Rahmen. Nur nicht in der Öffentlichkeit, wo er es seit einiger Zeit meisterhaft verstand, sich selbst zu feiern und immer wieder zu betonen, dass er der erfolgreichste Komponist und Produzent aller Zeiten in Deutschland sei, was sich anhand der Verkaufszahlen jedoch leicht widerlegen ließ, doch noch zwei oder drei Jahre, und er würde vielleicht an der Spitze stehen.

Ein sich selbst maßlos überschätzender Selbstdarsteller, wie es nur wenige und doch zu viele auf der Welt gab. Unangenehm, obszön und unendlich langweilig, sobald man ihn etwas näher kannte. Aber Schmidt hatte Bruhns nie spüren lassen, was er wirklich über ihn dachte.

Eine Viertelstunde nach Mitternacht, noch bevor die Gesellschaft sich aufzulösen begann, verabschiedete sich Schmidt, nicht ohne sich vorher mit der Zielperson Bruhns eine Weile freundschaftlich, doch auch geschäftlich unterhalten zu haben. Unauffällig brachte er einen winzigen Peilsender an Bruhns’ weißem Porsche Cayenne an, setzte sich in seinen Wagen, fuhr gut hundert Meter vom Grundstück weg und wartete geduldig.

Bereits sieben Minuten später verließ Bruhns die Villa und fuhr mit seinem Porsche an Schmidt vorbei, auf dem Beifahrersitz eine bildhübsche junge Blonde, die nur wenige Minuten vor Bruhns auf der Party eingetroffen war. Bruhns hatte sich nicht mit ihr unterhalten, vermutlich, damit niemand merkte, dass er sich mit der jungen Dame später noch vergnügen wollte. Schmidt wusste viel über sie, achtzehn Jahre alt und ein durchtriebenes Biest. Und sie passte perfekt in Bruhns’ Beuteschema. Je älter er wurde, desto jünger wurden seine Geliebten, alle klein bis mittelgroß, blond bis rotblond und vollbusig, nordischer oder slawischer Typ mit markanten Gesichtszügen – und vor allem sehr jung.

Wie schon bei Schumann und so vielen anderen, die Schmidts Weg gekreuzt hatten, suchte auch hier ein allmählich alternder Mann ständig nach Bestätigung, eine Suche, die nie ein Ende finden würde, gäbe es nicht Hans Schmidt. Die Frauen wurden nicht von Bruhns’ Intelligenz oder seinem guten Aussehen angelockt, sondern kamen nur seines gesellschaftlichen Status und vor allem seines Geldes wegen. Viele, wenn nicht gar die meisten von ihnen, erhofften sich durch ihn eine Karriere im Musikbusiness, doch alles, was Bruhns wollte, war die Abwechslung im Bett.

Diese Affären interessierten Schmidt allerdings nicht im Geringsten. Während Bruhns in der Boulevardpresse, den Schmierblättern und Talkshows herumgereicht wurde, wusste Schmidt von seinen wahren Schattenseiten, wobei der Begriff »Schattenseiten« zu kurz griff. Vielmehr taten sich Abgründe auf, in denen sich Bruhns seit Jahren bewegte. Aber darüber wurde nicht berichtet, weil nicht einmal die gewieftesten Pressevertreter davon wussten. Bruhns war für die Öffentlichkeit Oberfläche, sein aufgesetztes Lächeln, seine bisweilen scheinbar klugen Sprüche, die zur Schau gestellte Seriosität, mit der er seine Niedertracht überspielte (überhaupt war fast alles, was er sagte und tat, gespielt), die von ihm wohldosierten Schlagzeilen, mit denen er beinahe täglich die Medien bediente, die Selbstsicherheit, die er an den Tag legte, sein Bekenntnis zu Gott und seinem Elternhaus, seine einfache Herkunft und wie seine Eltern sich krummgelegt hätten, um ihrem Sohn ein Studium zu ermöglichen … Kaum etwas davon stimmte, und so sollte es auch bleiben. Den wahren Bruhns zu zeigen wäre nicht nur einer Blasphemie gleichgekommen, es hätte die Nation in einen Schockzustand versetzt, obwohl er laut Fachmeinung nur ein mittelmäßiger Musikproduzent war, der es jedoch perfekt verstand, den Geschmack einer breiten Masse zu bedienen. Denn er hatte einen Vorteil gegenüber vielen seiner Konkurrenten: Er war ein begnadeter Komponist, der schon Songs für die größten Stars geschrieben hatte und vor allem dadurch zu enormem Reichtum gelangt war.

Doch Schmidt war gewappnet, denn wie kaum ein anderer bewegte er sich lautlos inmitten dieser Abgründe, aus denen Bruhns schon lange nicht mehr herausfand. Schmidt hingegen war ein Wanderer zwischen den Welten, der den Ausgang aus dem Labyrinth der Abgründe genauestens kannte, denn er hielt sich immer nur so lange dort auf, wie ein Auftrag es erforderte. Er war ein Künstler, wie es keinen zweiten gab. Es konnte nur einen Hans Schmidt geben oder einen Pierre Doux oder Martin Sanchez oder Henry Jones oder Michail Petrow … Er trat unter vielen Namen auf, den richtigen kannten nur er und seine erste Auftraggeberin, die ihr Versprechen bis heute gehalten und niemals seinen wahren Namen preisgegeben hatte. So blieb er ein Phantom – und würde es immer bleiben. Das war auch gut so, denn wüssten die anderen, welcher Tätigkeit er neben seinen offiziellen Geschäften nachging, sie hätten vor Entsetzen die Hände vor das Gesicht geschlagen. Er würde längst in einer Gefängniszelle dahinvegetieren, oder, noch wahrscheinlicher, er wäre gar nicht mehr am Leben. Aber Schmidt war unfassbar, im wahrsten und übertragenen Sinn des Wortes. Seine Tarnkappe saß perfekt. Und seine Auftraggeber wussten, was sie an ihm hatten.

Doch diesmal hatte er eine besondere Überraschung parat: Er hatte für Bruhns und seine kleine Geliebte ein Geschenk mitgebracht, eigentlich weniger für das Pärchen als für die Polizei – ein kleines Bonbon, an dem sie lange zu knabbern hätte, hing es doch mit anderen Fällen zusammen, die offiziell als aufgeklärt galten. Zumindest war dies am Freitagabend so vermeldet worden. Schmidt wusste es besser, denn er hatte seit nunmehr beinahe zehn Jahren an sämtlichen Tatorten Spuren hinterlassen, kleine, feine Spuren. Manchmal wurden sie gefunden, häufig nicht. Er war gespannt, ob man sie diesmal entdecken würde.

Aber das war noch nicht alles, Bruhns war nur der Anfang von etwas, was Schmidt seit dem letzten Sommer vorhatte und das er jetzt endlich durchführen konnte. Er hatte auf die Gelegenheit gewartet, alles durchgeplant, und nun war die Zeit reif, die Früchte zu ernten. Danach würde er sich zur Ruhe setzen und nie wieder einen Auftrag annehmen. Er würde die E-Mail-Adresse löschen, über die seine Auftraggeber bisher Kontakt zu ihm aufgenommen hatten, und ein ganz gewöhnliches Leben führen. In Lissabon, Nizza, Cannes und Saint Tropez. Er würde viel reisen. Und Maria würde er überallhin mitnehmen.

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Sonntag

Sonntag, 0.47 Uhr

Schmidt war Bruhns in großem Abstand nach Schönberg gefolgt, hatte erst auf dem letzten Kilometer aufgeschlossen, und als Bruhns seinen Wagen durch die Einfahrt lenkte, blieb Schmidt am Straßenrand stehen. Er stieg aus, trat blitzschnell durch das sich allmählich schließende Tor und wartete, bis Bruhns und seine Begleiterin ausgestiegen waren.

»Hallo, nicht erschrecken«, sagte Schmidt mit gedämpfter Stimme, woraufhin Bruhns sich abrupt umdrehte und in seine Richtung blickte. Seine Miene hellte sich erleichtert auf, als er im Licht der beiden Laternen, die am Eingang standen, Schmidt erkannte.

»Was führt dich denn jetzt hierher? Bisschen spät, oder?«, sagte Bruhns nicht sonderlich erfreut, Schmidt um diese Zeit zu sehen.

»Tut mir leid, ich weiß, es ist spät, aber ich müsste dringend was mit dir besprechen, dauert auch höchstens fünf Minuten. Darf ich kurz mit reinkommen?«

»So wichtig? Na gut, wenn’s wirklich nur ein paar Minuten dauert, ich, äh, du siehst ja …«

»Fünf Minuten. Es geht um übermorgen. Ich hab mich da vorhin ein bisschen vertan.«

»Entschuldigung, darf ich vorstellen, Kerstin, das ist Hans, wir kennen uns schon lange.«

»Angenehm«, sagte Schmidt und reichte Kerstin die Hand. Sie hatte einen selbstbewussten Händedruck, ungewöhnlich für eine junge Dame.

»Ja, okay, gehen wir rein«, sagte Bruhns und ging voran in den Wohnbereich. »Woher weißt du überhaupt von diesem Haus?«

»Ich war schon mal hier, liegt allerdings schon einige Zeit zurück. Es ging um die Wallenstein-Handschrift.«

Bruhns überlegte und nickte. »Doch, ich erinnere mich, ich dachte nur, das wäre in Kiel gewesen. Kerstin, würdest du uns bitte einen Moment allein lassen, kannst dich schon mal im Bad frisch machen. Und mach bitte die Tür hinter dir zu, Süße.«

»Sie kann ruhig bleiben, ist doch kein Geheimnis«, sagte Schmidt.

»Von mir aus. Also, dann setz dich zu mir.«

Schmidt zog aus der Innenseite seines langen Mantels eine Flasche heraus. »Habe ich mitgebracht, ist aus meiner eigenen Kelterei. Ein besonders edler Tropfen, den es sonst nur in meinen Restaurants gibt. Ich weiß doch, dass du auf Rotwein stehst.«

»Danke«, sagte Bruhns und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Dann lass uns ein Glas trinken und keine Zeit verschwenden.«

Er stand auf und holte drei Gläser und einen Korkenzieher.

Schmidt öffnete die Flasche und schenkte erst Bruhns, danach Kerstin und schließlich sich selbst ein.

»Ich muss zwar noch fahren, aber nur bis Kiel. Wird ja wohl nicht ausgerechnet heute eine Polizeikontrolle geben. Auf euch.« Schmidt hob das Glas und wartete, bis Bruhns und Kerstin getrunken hatten, und gab vor, ebenfalls zu trinken.

»Du wirst doch sowieso durchgewinkt«, sagte Bruhns grinsend. »Ich bin in den letzten zehn Jahren nur ein einziges Mal angehalten worden, weil die Bullen mich erkannt hatten und ein Autogramm von mir wollten. Mein Führerschein hat die gar nicht interessiert.«

»Ich bin aber nicht prominent, mich kennen die Bullen nicht. Aber lass uns zum Geschäftlichen kommen. Wir hatten vorhin Montagvormittag ausgemacht, das geht bei mir leider nicht. Ich muss an dem Tag nach Hamburg und werde nicht vor dem Abend zurück sein. Ginge es auch Dienstag oder vielleicht sogar heute Nachmittag?«

Bruhns kratzte sich am Kinn. »Und deswegen bist du extra hergekommen? Du hättest mich doch auch auf dem Handy anrufen können …«

»Tja, das ist ja das Problem, ich habe deine Nummer aus Versehen gelöscht, als ich letztens mein Telefonbuch auf Vordermann gebracht habe. Tut mir leid, ich wollte eure traute Zweisamkeit wirklich nicht stören.«

»Na ja, schon gut, schon gut. Dienstag bin ich im Studio, da kann ich nicht, die Aufnahmen müssen bis Ende der Woche im Kasten sein, sonst wird’s zu teuer. Dann lieber heute Nachmittag. Wie lange wirst du brauchen?«

»Zwei bis vier Stunden, auf keinen Fall länger. Du bestimmst die Uhrzeit, ich komme, wann es dir passt.«

»Um drei?«

»Um Punkt drei steh ich auf der Matte. Ich mache dir dafür auch einen Sonderpreis.«

»Danke, nicht nötig. Ich will nur wissen, ob die Schwarte echt ist oder nicht. Falls ja, habe ich ein echtes Schnäppchen gemacht.«

Allein für das Wort »Schwarte« hätte Schmidt Bruhns umbringen können, zeigte es doch seine Ignoranz. Handelte es sich tatsächlich um einen echten Machiavelli mit handschriftlichen Einträgen, war er unbezahlbar, da weltweit nur eine Handvoll Exemplare existierten. Aber das interessierte Bruhns nicht, er gab sich als Kunstkenner, in Wahrheit kannte er sich im Bereich der Kunst keinen Deut besser aus als der Großteil der Bevölkerung.

Kerstin schenkte sich und Bruhns nach und sah Schmidt fragend an, doch der hielt die Hand über sein Glas und schüttelte den Kopf.

»Ich verschwinde auch gleich wieder«, sagte er und sah auf die Uhr, sieben Minuten waren vergangen, seit Bruhns und Kerstin die ersten Schlucke zu sich genommen hatten. Nun waren sie bereits beim zweiten Glas. Die Wirkung müsste jeden Moment eintreten, dachte er und beobachtete das Paar. Bruhns hatte sein zweites Glas fast leergetrunken, als er sich zurückfallen ließ, den Reißverschluss seiner Hose öffnete und sich zwischen den Beinen kratzte. Ein breites Grinsen trat auf sein Gesicht.

»Hey, Alter, was is’n das für ’n Wein? Saugeil, hammermäßig, geht voll auf die Eier. Ich will jetzt ficken, ich hatt noch nie so ’n Steifen«, kam es lallend über seine Lippen.

»Ein besonderer Tropfen aus meiner Kelterei, habe ich doch schon gesagt. Wenn du ficken willst, bitte, tu dir keinen Zwang an«, sagte Schmidt kalt. »Wenn ich dich aber so ansehe, fürchte ich, dass du kaum dazu in der Lage sein wirst.«

»Was glaubst du, wozu ich alles in der Lage bin. Hey, Süße«, sagte Bruhns und wollte Kerstin anfassen, schien aber mit einem Mal seine Arme nicht mehr bewegen zu können. Er wollte sich aufsetzen, schaffte es jedoch nicht, versuchte es vergeblich erneut und gab schließlich auf. Seine Pupillen weiteten sich, bis sie fast so groß waren wie die gesamte Iris, ein untrügliches Zeichen dafür, dass das Gift seine Wirkung voll entfaltet hatte. Bruhns war zwar nicht sehr groß, dafür durchtrainiert und kräftig und für sein Alter in einer ausgesprochen guten Verfassung. Es war fraglich, ob er an dem Gift sterben würde. Das war jedoch zweitrangig, Schmidt hatte einen anderen Plan.