Elton John - Mark Bego - E-Book

Elton John E-Book

Mark Bego

4,3

Beschreibung

Seit fast fünfzig Jahren zählt er zu den schillerndsten Entertainern der Popgeschichte: Elton John machte sich Ende der Sechziger einen Namen als Songwriter und Sänger, und in den folgenden Jahren bewies er mit Bravour, dass er alle damals beliebten Richtungen der Popmusik - Soul, Hardrock, Pop, Folk und Disco - gleichermaßen beherrschte. Aus seiner Feder stammen romantische Balladen, niveauvolle Rocksongs und zeitlose Pop-Perlen. Durch sein extravagantes Auftreten und sein musikalisches Genie wurde er zu einem der größten Popstars jener Ära. Er ist es bis heute geblieben. In einer Zeit, in der kurzlebige Pop-Phänomene den Markt beherrschen, gilt er immer noch als einer der ganz Großen, der sich meisterhaft auf perfekten Pop mit Tiefgang versteht. Hits wie "Crocodile Rock", "Sorry Seems To Be The Hardest Word", "Nikita" oder "I'm Still Standing" sind längst als Klassiker in der Popgeschichte eingegangen. Seine Ballade "Candle In The Wind", die er anlässlich der Trauerfeier für seine Freundin Lady Diana als "Goodbye England's Rose" noch einmal einspielte, wurde beinahe über Nacht zur meistverkauften Single aller Zeiten. Über die Jahre gelang ihm nicht nur, seine Beliebtheit zu erhalten, sondern auch Neuland zu erobern: Er komponierte die Musik zum Erfolgsmusical "Der König der Löwen" und präsentierte mit großem Erfolg eine eigene Show in Las Vegas. So schillernd wie seine Musik ist auch sein Privatleben. Sex, Drugs & Rock'n'Roll gingen für Elton in den frühen Karrierejahren Hand in Hand, und mit seinen skurrilen Kostümen und Brillen sorgte er regelmäßig für Aufsehen. Nachdem er in den Achtzigern noch eine befreundete Tontechnikerin geheiratet hatte, um die Gerüchte um seine Sexualität zum Schweigen zu bringen, outete er sich ein paar Jahre später in einem Interview mit dem Rolling Stone als schwul. Inzwischen ist er mit seinem langjährigen Partner, dem Designer David Furnish, verheiratet und hat zwei Kinder - nach langen Jahren der Unsicherheit, der Drogengeschichten und Selbstmordversuche hat er sein Glück gefunden. Wie, das schildert Star-Biograf Mark Bego in seinem umfangreichen, aufwändig recherchierten Buch. Er konnte dabei auf viele Interviews mit zahlreichen Branchenkennern, Freunden und Bekannten des Sängers zurückgreifen und vermittelt faszinierende Einsichten in ein bewegtes Leben, das nichts auslässt. Die aktualisierte Neuausgabe umfasst nun auch alle Geschehnisse der letzten zehn Jahre, Eltons Zusammenarbeit mit Keyboard-Legende Leon Russell, die beiden Alben The Union und The Diving Board sowie die Vorbereitungen für die große Filmbiografie Rocketman, die Ende Mai in die Kinos kommt. Ein grandioser Schlusspunkt einer phänomenalen Karriere - denn Elton John hat seine Abschiedstournee angekündigt und wird im Mai und Juni 2019 auch hierzulande zum letzten Mal live zu erleben sein. Alle Fans, die passend dazu seine Karriere und sein Leben noch einmal Revue passieren lassen möchten, halten mit Elton John - Die Story - das ideale Buch dazu in Händen. Ein beeindruckendes Porträt eines beeindruckenden Menschen.

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Danksagungen

Der Autor bedankt sich bei den folgenden Personen, ohne deren Hilfe es dieses Buch nicht geben würde:

Catherine Bailey, Bob und Mary Bego, Linda Bego, Cindy Birdsong, Angela Bowie, Gary Brooker, Richie Cannata, Carlene Carter, Sarah Dash, Brad DeMeulenaere, Liberty DiVitto, Micky Dolenz, Abdul ,Duke‘ Fakir, Lamar Fike, Duncan Faure, Chris Gilman, Jimmy Greenspoon, Harry Haun, Bobby Hedglin, Danny Hutton, Randy Jones, Tony King, Marcy MacDonald, George Masek, Scott ­Mendel, Charles Moniz, Mark Olsen, May Pang, Tony Panico, Kenneth ­Reynolds, Jeremy Robson, RuPaul, David Salidor, Andy Skurow, Mark Sokoloff, David Stanley, Marsha Stern, Derek Storm, Henrietta Tiefenthaler, Crystal Waters, Harry Weinger, Beth Wernick, Mary Wilson, Bill Wyman.

Impressum

Der Autor: Mark Bego

Deutsche Erstausgabe 2009

Der Verlag: Hannibal – ein Imprint der KOCH International GmbH

A-6020 Innsbruck, www.hannibal-verlag.de

Titel der Originalausgabe:

„The Elton John Story“ von JR Books, London, ISBN: 978-1-906779-21-4

Umschlaggestaltung: bürosüd˚, München

Coverfoto: Corbis

Layout und Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com, Innsbruck

Fotos aus dem Innenteil: Retna

Übersetzung: Kirsten Borchardt (Einleitung und Kapitel 1–10), Thomas Pfeiffer (Kapitel 11–13) und Violeta Georgieva Vasileva Topalova (Kapitel 14–16 und Anhang)

Lektorat: Hollow Skai

ISBN 978-3-85445-391-8

Auch als Hardcover erhältlich: ISBN 978-3-85445-298-0

Hinweis für den Leser:

Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Es kann jedoch keinerlei Gewähr dafür übernommen werden, dass die Informationen in diesem Buch vollständig, wirksam und zutreffend sind. Der Verlag und der Autor übernehmen weder die Garantie noch die juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für Schäden jeglicher Art, die durch den Gebrauch von in diesem Buch enthaltenen Informationen verursacht werden können. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

Copyright © 2009 by Hannibal

Inhalt

Vorwort

Einleitung – Sir Elton John

Kapitel 1 – Reg Dwight aus Watford

Kapitel 2 – Crocodile Rock

Kapitel 3 – Bluesology

Kapitel 4 – Der Songwriter

Kapitel 5 – Your Song

Kapitel 6 – Madman Across the Water

Kapitel 7 – Rocket Man

Kapitel 8 – Höhenflug auf der Yellow Brick Road

Kapitel 9 – The Bitch is Back

Kapitel 10 – Captain Fantastic und der Pinball Wizard

Kapitel 11 – Sorry Seems to be the Hardest Word

Kapitel 12 – A Single Man

Kapitel 13 – I’m Still Standing

Kapitel 14 – I Fall Apart

Kapitel 15 – Like Candles in the Wind

Kapitel 16 – The Red Piano

Epilog

Quellenangaben und Zitatnachweise

Bibliografie

Diskografie

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Vorwort

Wir schreiben den 28. Februar 2016. Es ist der Tag, an dem die Academy Awards verliehen werden – wohl der wichtigste Tag des Jahres in Hollywood. Im nahegelegenen West Hollywood gilt die 24. Ausgabe der jährlich stattfindenden Elton John AIDS Foundation Academy Awards Viewing Party als Pflichttermin.

Elton erscheint mit seinem Ehemann David Furnish, der in seiner schwarz-silbernen und schwungvoll bestickten Jacke überaus attraktiv wirkt. Die Gästeliste stellt einen Querschnitt der Hautevolee des Showgeschäfts dar: Mariah Carey, Boy George, Dave Grohl, Caitlyn Jenner, Kelly Rowland, Dave Navarro, Heidi Klum, Mary J. Blige, Hilary Swank, Brandy, Andie MacDowell sowie Verdine White und Phillip Bailey von Earth, Wind and Fire. Alle sind schick herausgeputzt und die Stimmung in der Cocktail-Lounge ist schon vor Beginn der Show nahezu elektrisch.

Meine glamouröse Begleitung an diesem Abend ist niemand Geringeres als die umwerfende Mary Wilson von den Supremes. Sie und Sir Elton sind schon seit Jahrzehnten befreundet. Elton ist ein bekennender Motown-Fan und steuerte einst sogar Liner-Notes zu einem Album von Mary und ihren Supremes bei. Mary sieht jedenfalls hinreißend aus in ihrer schwarz und silbern karierten, mit Pailletten besetzten Kombination aus Bustier und Abendkleid sowie einer strahlend blauen Perlenkette.

„Sehen wir mal nach, wo unser Tisch ist“, sagt Mary zu mir, nachdem wir unsere Champagner-Flöten entgegengenommen haben und uns in Richtung des Speisesaals begeben. Als die Türen geöffnet werden, gehören wir zu den Ersten, die ins innere Heiligtum vordringen. Förmlich gekleidetes Personal geht von Tisch zu Tisch und rückt noch einmal alles gerade.

Auf den Tischen befinden sich ausführlich gestaltete Programme, ausgedruckte Beschreibungen des abendlichen Dinners sowie signierte Exemplare von Eltons neuester CD Wonderful Crazy Night. Das Essen, das uns heute Abend kredenzt wird, ist ein fünf-gängiger Traum, den der Promi-Koch Gordon Ramsey ersonnen hat.

Bis jetzt hat erst ein Prominenter den Raum betreten und sich an einen riesigen runden Esstisch niedergelassen. Es ist der Gastgeber selbst in all seiner Pracht. Ihn umgeben drei Leibwächter sowie sein persönlicher Fotograf. Elton sieht umwerfend aus in seinem metallisch anmutenden dunkelblauen Hemd. Darüber trägt er einen dunkelblauen Anzug und sein Revers ziert eine riesige, mit einem Diamanten und einem Saphir versehene Anstecknadel. Da Elton und Mary die ersten prominenten Sangeskünstler im Raum sind, fragt James Patrick Herman vom Magazin Billboard Miss Wilson neckisch: „Und wer ist nun die größte Diva im Raum?“ Sie lacht und antwortet schlagfertig: „Was die Größe betrifft? Na, Elton! Ich bestimmt nicht!“

Wir entdecken unseren Tisch in der Mitte des Saals – und direkt am Nebentisch sitzt der Gastgeber. Elton John beobachtet uns, während wir uns nähern. Er springt auf und ruft mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Mary!“

Sie stellt mich Elton vor und während ich seine Hand schüttele, weist er seinen Fotografen Michael Kovac an: „Wir brauchen ein Foto!“

Wir drei legen unsere Arme umeinander und stellen unser bestes Hollywood-Lächeln zur Schau. Wir befinden uns nun nicht länger in West Hollywood. Mary und ich sind nun vielmehr an jenem magischen Ort angelangt, zu dem einen die Yellow Brick Road führt: Willkommen in Elton-Land.

ORT: Monte Carlo Sporting Club, Monaco

ZEIT: 1. August 2008

MARK BEGO, Autor: „Wie sieht es aus, Bill, ist dir schon ein schönes Zitat für mein Buch über Elton John eingefallen?“

BILL WYMAN, ehemaliger Rolling Stone: „Du meinst Reg Dwight aus Watford?“

GARY BROOKER, Leadsänger von Procol Harum: „Du meinst Sharon?“

Elton John stellt für jeden etwas anderes dar. Für Rockfans ist er der Schöpfer des Albumklassikers Goodbye Yellow Brick Road. Für die englischen Rockmusiker, die ihn seit Anfang der 1960er-Jahre kennen, ist er immer noch der pummelige Reg Dwight aus Watford bei London. Für Filmfreunde ist er der ausgeflippte Pinball Wizard, der mit der Rockoper Tommy berühmt wurde. Für britische Bürger und die königliche Familie ist er inzwischen „Sir“ Elton John. Und für all jene engen Freunde, die schon immer wussten, dass er schwul oder bisexuell ist, geht er immer noch unter der liebevollen Bezeichnung „Sharon“ durch. Doch wie es auch immer sein mag, Elton zählt zu den langlebigsten Stars der Rockgeschichte und hat sich immer wieder selbst neu erfunden. Seine Musik hat ihn zum internationalen Superstar gemacht. Sein schillerndes und oft skandalträchtiges Leben machte ihn zur Showbiz-Legende.

So verrückt und ungewöhnlich seine Karriere, seine Sexualität und sein Image auch sein mögen, es ist seine Musik, mit der er sich in der Welt einen Namen gemacht und den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat. Das Gesamtwerk an Rock- und Popsongs, die Elton John erschuf, umfasst eine unglaubliche Liste millionenfach verkaufter Singles und Hitalben aus fünf Jahrzehnten. „Crocodile Rock“, „Your Song“, „Daniel“, „Island Girl“, „Bennie & The Jets“, „Goodbye Yellow Brick Road“, „Don’t Let The Sun Go Down On Me“, „The Bitch Is Back“ und „I Guess That’s Why They Call It The Blues“ – sie alle sind Teil eines unglaublich vielseitigen musikalischen Katalogs, auf den der Sänger und Pianist inzwischen zurückblicken kann.

Elton John hat weltweit über 200 Millionen Platten und CDs verkauft, er hat den Aufstieg und Fall von Disco, New Wave und Synthirock überstanden und genug kurzlebige Chartstürmer überlebt, um ein Fußballstadion mit ihnen zu füllen; dennoch ist er selbst nie aus der Mode gekommen. Zwar landet er inzwischen nicht mehr mit derselben Regelmäßigkeit große Hits und veröffentlicht auch nicht mehr so viel Material wie früher, aber zuletzt stellte er 2007 unter Beweis, dass seine Alben es immer noch bis in die Top Ten schaffen – auf beiden Seiten des Atlantiks. Niemand kann auf eine solche musikalische Karriere zurückblicken wie der selbsternannte „Captain Fantastic“. Er hat ein ganzes Panoptikum verschiedener Persönlichkeiten geschaffen, um die unterschiedlichsten Stimmungen auszuleben, und dazu die passenden Pseudonyme erfunden – männliche wie weibliche. Aber wenn im englischsprachigen Raum der Ausdruck „The Bitch Is Back“ fällt – „Die Zicke ist zurück“, dann weiß jeder, dass von Elton John die Rede ist.

Elton hielt nie damit hinter dem Berg, was gerade in seinem Kopf vorging – ganz gleich, wie kontrovers seine Gedanken auch sein mochten. Zwar verlässt er sich bei den Texten seiner Songs hauptsächlich auf Kollegen wie Bernie Taupin, Tim Rice und Gary Osbourne, dennoch handeln sie meist von Dingen, die ihm selbst am Herzen liegen. Zu seinen besonders persönlichen und leidenschaftlichen Songs zählen zweifelsohne „Someone Saved My Life Tonight“ (über seinen Selbstmordversuch), „Empty Garden“ (über den Tod von John Lennon), „American Triangle“ (über den Mord an Matthew Sheppard) und „The Last Song“ (über einen Mann, der an Aids stirbt). Mit „Ego“ spielte er einen Titel ein, in dem es um sein eigenes selbstsüchtiges Verhalten ging, mit „I’m Still Standing“ schrieb er eine Ode an das eigene Durchhaltevermögen, und mit „Big Dipper“ gab es sogar eine derbe Ballade über schwulen Achterbahnsex mit einem Seemann auf einem Jahrmarkt.

Zahllose Bücher und Artikel wurden bereits über den Mann verfasst, der sich offiziell den Namen „Elton Hercules John“ verlieh. Er hatte Affären, Wutausbrüche, Skandale, Depressionen, eine sexuelle Identitätskrise, Alkoholprobleme, Bulimie, sogar einige aberwitzige Selbstmordversuche, die alle reichlich Stoff für die Boulevardpresse boten. Die Zeitungen schrieben reißerische Berichte über Strichjungen, Berge von Kokain und angebliche Sexorgien. Er ist zudem wohl der einzige Superstar der Rockwelt, der sowohl mit einer Frau als auch mit einem Mann verheiratet war. Jemanden wie ihn gibt es schlicht kein zweites Mal.

In einem Markt, der mit schöner Regelmäßigkeit Pop-Idole zum Wegwerfen hervorbringt, ist es Elton nicht nur gelungen, seine weltweite Popularität als Rock-Ikone zu verteidigen, sondern in einer außergewöhnlichen Entwicklung auch in andere Kreativbereiche vorzustoßen: Er schrieb Erfolgsmusicals für den Broadway und das West End, komponierte Soundtracks und verschaffte sich eine ganz neue Generation von Fans, als er in Las Vegas die Aufsehen erregende, schrille Show The Red Piano vorstellte.

In den letzten vierzig Jahren sind zahlreiche Biografien in Wort und Bild über ihn erschienen, aber nur wenige konnten die Skandale und Widersprüche seines Privatlebens mit seiner Karriere als überragend kreativer Songwriter und Sänger vereinen. Oft näherte man sich nur mit Samthandschuhen der Darstellung seines Lebens und zeichnete ihn beinahe als einen eleganten, geschmackvollen George Gershwin des 21. Jahrhunderts. In Wahrheit gleicht das Leben von Sir Elton jedoch mehr dem eines modernen Oscar Wilde. Er ist wild, versoffen, derb und unkonventionell.

Eltons skandalumwittertes Leben voller Rock’n’Roll-Exzesse bleibt bunt und faszinierend. Seine stilistische Bandbreite, seine ausgefallene Bühnenshow und die ausgeflippten Kostüme machen aus ihm eine schillernde Kombination aus John Lennon, Noel Coward, Billy Joel und Barry Manilow. Er ist wild, glamourös, versoffen, derb und unkonventionell. Die Selbstzweifel, die Drogen, die Perücken, die Affären und die Skandale – es gibt keinen zweiten wie Elton John.

Und dies ist seine Geschichte.

Reginald Kenneth Dwight wurde am 25. März 1947 in Pinner, einem kleinen Ort nordwestlich von London, geboren. Seine Mutter hieß Sheila und war eine geborene Harris, sein Vater Stanley war bei der Royal Air Force, sowohl während des Zweiten Weltkriegs als auch danach. Die beiden hatten im Januar 1945 geheiratet und lebten seitdem in Pinner.

Das Paar hatte wenig Geld und war daher froh, bei Sheilas Eltern, Fred und Ivy Harris, einziehen zu können, die eine kleine Doppelhaushälfte in der Pinner Hill Road 55 bewohnten. Nachdem der kleine Reggie geboren war, lebten alle fünf unter einem Dach.

Elton berichtet über die einfachen Verhältnisse, in denen er aufwuchs: „Ich kam in Nord-London in einem Haus zur Welt, das von der Gemeinde gestellt wurde. Ich wohnte im Haus meiner Großmutter.“(1) Es war in der Tat ein bescheidenes Umfeld für den Jungen, der später einmal zu den reichsten Männern im Showgeschäft zählen sollte.

Das Leben im England der Nachkriegszeit war von vielen Entbehrungen gezeichnet. Nahrungsmittel und viele andere Gebrauchsgüter waren rationalisiert. Der junge Reggie wuchs in einem typischen Vorort auf. Er war ein Einzelkind und wurde dementsprechend von seinen Eltern ein wenig verhätschelt. Sheila hatte insgeheim auf ein Mädchen gehofft, bevor Reginald zur Welt kam, und sie weigerte sich lange, die blonden Locken ihres Sohnes abschneiden zu lassen, der auf den ersten Babyfotos tatsächlich ein wenig mädchenhaft wirkte.

In dem Jahr, in dem Reggie geboren wurde, erhielt Stanley seine Beförderung zum Hauptmann der Luftwaffe, und seine neue Stellung führte dazu, dass er sehr häufig von Frau und Kind getrennt war. Während der ersten vier Lebensjahre seines Sohnes war er im Irak stationiert, und Sheila erzog Reginald mit ausgesprochen weiblicher Hand. Sie behütete ihn sehr; er durfte weder mit anderen Kindern spielen noch seine Kleider dreckig machen. Stattdessen wurde er allein in den kleinen Garten hinter dem Haus geschickt, wo Sheila darauf achten konnte, dass er nicht irgendwelchen Unsinn machte, den Jungen seines Alters gern anstellen.

Schon früh wurde er von seiner Mutter, seiner Großmutter und seiner Tante dazu ermutigt, Klavier zu spielen. Elton erinnerte sich später: „Mein Vater war die meiste Zeit mit der Royal Air Force unterwegs, und ich wuchs in recht bescheidenen Verhältnissen bei meiner Mutter, Großmutter und Tante auf. In unserem Haus gab es immer viel Musik. Meine Tante Win spielte Klavier, und man hat mir erzählt, dass mich meine Oma und meine Tante oft auf den Schoß nahmen, damit ich an die Tasten herankommen konnte und dann selbst anfing zu spielen. Bei uns lief den ganzen Tag das Radio, und meine Mutter sammelte Schallplatten. Daher lernte ich schon früh die Musik von Nat ‚King‘ Cole, Kay Starr, Dean Martin, Rosemary Clooney und so weiter kennen. Es war ein ziemlich gutes Umfeld.“(2)

Seine Liebe und Begeisterung für die Musik begannen schon früh, sobald er alt genug war, um sich für Platten zu interessieren. Er berichtete: „Meine Mutter und mein Vater sammelten beide Schallplatten, und die ersten Songs, die ich hörte, waren von Kay Starr, Billy May, Tennessee Ernie Ford, Les Paul & Mary Ford und Guy Mitchell. Ich wuchs mit dieser Musik auf. Als ich diese Platten hörte, war ich drei oder vier, und offensichtlich hat mich Musik schon damals interessiert.“(3)

Als Reginald drei Jahre alt war, hörten seine Eltern eines Tages, wie er die Klaviertasten drückte, und sie erkannten, dass er klar und deutlich „The Skater’s Waltz“ spielte – ein Stück des französischen Komponisten Emile Waldteufel aus dem späten 19. Jahrhundert, das der Junge irgendwo einmal gehört hatte. Sheila erkannte sofort, dass ihr kleiner Sohn ein gutes Ohr hatte und die musikalische Begabung besaß, Lieder nachzuklimpern, die man ihm auf dem familieneigenen Klavier vorgespielt hatte.

Seit diesem Augenblick betrachtete man Reggie als das musikalische Wunderkind in der Familie, aus dem noch einmal Großes werden würde. Seine Mutter behandelte ihn stets als etwas Besonderes, und sie brachte ihren Sohn gern dazu, sein Talent vor Freunden und Verwandten unter Beweis zu stellen. Oft, wenn sie abends Gäste hatte, schickte sie Reggie am Nachmittag für ein ausgedehntes Schläfchen ins Bett. Dann weckte sie ihn, wenn die Party in vollem Gange war, sodass der Junge die Gesellschaft mit seinen Tastenkunststückchen unterhalten konnte. Die meisten Vierjährigen wären sicher schüchtern oder verlegen gewesen, hätte man sie derart vor Publikum gestellt, nicht jedoch Reginald Dwight. Er war nicht nur wenig zurückhaltend oder befangen, er war richtiggehend selbstbewusst.

Zunächst gefiel es Stanley, dass sein Sohn ein so großes Interesse an der Musik zeigte. Elton erzählte später über seinen Vater: „Er war Trompeter in einer Band. Natürlich hat er mich beeinflusst. Er hat mir Platten von George Shearing vorgespielt. Ein Vierjähriger, der George Shearing hört, das ist schon ein bisschen daneben.“(4)

Mit fünf Jahren bekam Reggie seine erste offizielle Klavierstunde: „Ich spielte zunächst nach Gehör, und irgendwann – ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war – beschlossen meine Eltern, dass ich Unterricht bekommen sollte. Ich ging zu einer gewissen Mrs. Jones, die wie meine Familie auch in Pinner wohnte.“(5)

Es dauerte nicht lange, und er hatte verinnerlicht, was ihm Mrs. Jones am Klavier beibringen konnte. Dabei stellte er fest, dass sein natürliches Talent durch ihre Anweisungen nur noch stärker hervor trat. Als er, inzwischen sechsjährig, gefragt wurde, was er später einmal werden wollte, antwortete er wie aus der Pistole geschossen, ihm sei es vorherbestimmt, Konzertpianist zu werden.

Es gibt ein Foto des kleinen Reginald aus dieser Zeit, das im Booklet seines 1973 erschienenen Albums Don’t Shoot Me I’m Only The Piano Player abgebildet ist. Man hat ihn auf die Bank vor dem Klavier seiner Eltern gesetzt. Seine Hände liegen auf den Tasten, und er blickt über seine linke Schulter, den Kopf schmeichelnd der Kamera zugewandt. Schon am selbstbewussten und engelhaften Gesichtsausdruck kann man es ablesen: Er weiß, dass er einmal ein großer Starpianist werden wird.

Mit sechs Jahren wurde eine weitere Leidenschaft im kleinen Reggie geweckt, die ihn sein Leben lang begleiten sollte. Sein Vater nahm ihn mit zu einem Spiel des örtlichen Fußballvereins FC Watford. Der Junge entwickelte nicht nur eine große Begeisterung für den Sport an sich, sondern auch für das Team.

1953 wurde Stanley erneut befördert und hatte nun den militärischen Rang eines Geschwaderführers inne. Nun endlich konnte er mit Frau und Kind ein hübsches eigenes Haus mit vier Zimmern beziehen. Es befand sich in der Potter Street 111 in Northwood, nur drei Kilometer von Pinner entfernt.

Elton klagte in der Öffentlichkeit oft darüber, dass er in seiner Jugend seinen Vater oft als kalt und lieblos erlebt habe. Vielleicht lag es daran, dass Sheila eine derart warmherzige und liebevolle Person war, dass Stanleys Bemühungen, väterliche Zuneigung zu zeigen, gar nicht wahrgenommen wurden. Zumindest jammerte Elton später über seine angespannte Beziehung zu Stanley: „Mein Vater verhielt sich mir gegenüber so blöd, es war schon albern. Ich konnte Sellerie nun mal nicht essen, ohne dabei Geräusche zu machen. Es war einfach der reine Hass.“(6)

Reggie lehnte die Autorität seines Vaters völlig ab. Als Erwachsener klagte er: „Er ließ mich nie tun, was ich wollte. Ich durfte nicht einmal im Garten spielen, ich hätte ja seine Rosenbeete zertrampeln können … Ich habe immer gebetet, dass mein Vater an den Wochenenden nicht nach Hause kommen würde.“(7)

Trotz der gemischten Gefühle, die Reggie seinem Vater entgegen brachte, förderte auch Stanley das Interesse seines Sohnes an der Musik, nicht nur Sheila. Elton berichtet: „Mein Vater war Trompeter, daher stammt mein musikalisches Talent vermutlich von seiner Seite. Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, schenkte mir mein Vater Frank Sinatras Songs For Swinging Lovers, nicht gerade ein ideales Geschenk für einen Jungen in dem Alter. Ich hatte mir ein Fahrrad gewünscht. Er kaufte mir auch Platten vom Nat ‚King‘ Cole Trio, bei dem Nat Klavier spielte, anstatt zu singen, und von George Shearing … Daher wuchs ich mit ungefähr allem auf, was es damals an aktueller Musik gab, bevor der Rock’n’Roll kam.“(8)

Ende der 1950er-Jahre traten mit dem Siegeszug des Rock’n’Roll neue Vorbilder auf die Bildfläche. Etwa zur gleichen Zeit machte auch der spätere „Elton John“ seine ersten Erfahrungen mit diesem neuen, rockenden Sound. 1958 erreichte Elvis Presley mit fünf verschiedenen Songs den ersten Platz der Hitparade und beherrschte die Radioprogramme auf der ganzen Welt. Der neu gekrönte König des Rock’n’Roll machte großen Eindruck auf Reggie.

„Ich erinnere mich sehr gut daran, wie es mit dem Rock’n’Roll losging“, erklärte Elton. „Eines Tages beim Friseur, als ich darauf wartete, mir die Haare schneiden zu lassen, fiel mir eine Ausgabe der Zeitschrift Life in die Hände. Darin war ein Foto von Elvis Presley. Jemanden wie ihn hatte ich noch nie gesehen. Ich habe es immer noch ganz lebendig vor Augen. An jenem Wochenende kam meine Mutter mit zwei 78-er-Schallplatten nach Hause, mit ‚ABC Boogie‘ von Bill Haley und ‚Heartbreak Hotel‘ von Elvis. Sie kaufte sich jede Woche zwei Platten, und irgendjemand hatte ihr wohl erzählt, diese beiden Songs seien toll. Ich sagte ihr, dass ich den einen Typen gerade in einer Zeitschrift gesehen hatte. Es war einfach komisch, dass das in der gleichen Woche passierte. Es hat mein Leben verändert.“(9)

Im gleichen Jahr landete der schottische Sänger Lonnie Donegan einen Riesenhit mit seinem Skiffle-Song „Rock Island Line“. Es waren allerdings die Rock’n’Roll-Sänger aus den USA, die Reggie besonders faszinierten. Sie waren Entertainer, die eine emotionsgeladene Show boten, im Gegensatz zu den eher zurückhaltenden Briten wie Donegan.

Elton erinnerte sich später: „All die Künstler, die ich verehrte, waren Amerikaner. Überhaupt kopierte jeder in Großbritannien die amerikanischen Vorbilder. Allerdings gab es auch eine Engländerin, die ich bewunderte – eine schwarze Lady namens Winifred Atwell. Sie war unglaublich dick und spielte Flügel und Klavier, und ich gab mir viel Mühe, sie nachzuahmen.“(10)

Natürlich war es Elvis, der dem Rock’n’Roll ein Gesicht gab, aber es waren vor allem jene Rocker, die mit Leidenschaft und großen Gesten das Klavier bearbeiteten, die Reggie sofort begeisterten. Jerry Lee Lewis und Little Richard spielten ihr Instrument mit Tornadogeschwindigkeit und Extravaganz, und vor allem Little Richard sollte Reggie zwölf Jahre später, als seine Karriere richtig in Schwung kam, als Vorbild dienen.

Dass Reggie sich derart für den Rock’n’Roll begeisterte, war ganz und gar auf Sheila zurückzuführen. „Ich erinnere mich, dass sie diese Schallplatten mit nach Hause brachte und sagte, sie seien ganz anders als alles, was wir bisher gehört hätten“, sagte Elton. „Sie glaubte, dass sie mir gefallen würden. Und tatsächlich, ich konnte beinahe gar nicht fassen, wie gut sie waren. Von diesem Augenblick an hatte mich der Rock’n’Roll erobert. Die Sachen von Jerry Lee Lewis und Little Richard spielte ich für mich selbst auf dem Klavier, haute sie einfach raus.“(11)

In den späten Fünfzigern verblichen in England wie auch im übrigen Europa allmählich die Erinnerungen an den Schmerz und die Verluste, die der Zweite Weltkrieg mit sich gebracht hatte. Als der Rock’n’Roll nach Großbritannien kam, wurde er wie eine frische Brise mit offenen Armen begrüßt. „Wir waren in England dafür bereit“, erinnert sich Elton. „Bis dahin waren die Lieder, die wir hörten, alle sehr brav und anständig. Und dann kamen plötzlich Sachen wie ‚All Shook Up‘, die völlig anders waren als Guy Mitchell, wenn er ‚Singing The Blues‘ brachte. Plötzlich sang Bill Haley ‚Rock Around The Clock‘ und Little Richard schrie ‚Tutti Frutti‘ – gerade vom Text her war das eine ganz neue Richtung. Alles lag vor uns, als sei gerade irgendetwas explodiert. Vorher gab es, vor allem in England, nichts, womit sich Jugendliche hätten identifizieren können. Nun tauchten völlig neue Leute auf, die anders aussahen und auch ganz anders sangen – und plötzlich war die Gitarre das angesagte Instrument. Es war einfach die richtige Zeit.“(12)

Beinahe über Nacht hatte die Rockmusik den kleinen Reggie Dwight überwältigt. Er hatte emotionsgeladene Pianisten entdeckt, die er nachahmen und bewundern konnte. „Jerry Lee Lewis hatte stets sehr großen Einfluss auf mich“, bekannte er. „Er ist der beste Rockpianist aller Zeiten. Niemand kommt an ihn heran. Ich könnte nicht so spielen wie er, er ist einfach zu schnell. Für einen Pianisten habe ich schreckliche Hände – leider habe ich richtige Winzlingfinger. Ich spiele eher wie Little Richard. Einmal sah ich mir Little Richard im Harrod’s Granada an. Er sprang aufs Klavier, und ich dachte nur: Ich wünschte, ich wäre an seiner Stelle.“(13)

Der junge Reginald war bald ebenso fasziniert von den Fernsehauftritten des extravaganten amerikanischen Pianisten Liberace, der für ein breites Publikum bearbeitete Klassikstücke auf einem Flügel spielte, auf dem ein überladener Kandelaber stand. Reggie war begeistert von dem homosexuellen Showstar, der seine Neigung jedoch vor der Öffentlichkeit verbarg.

1957 erwarb Reggie die ersten Schallplatten, die den Grundstock zu seiner eigenen Sammlung legten. „Die ersten Singles, die ich mir kaufte“, berichtete er, „waren ‚Reet Petite‘ von Jackie Wilson und ‚At The Hop‘ von Danny & The Juniors.“(14)

Mit der Fußballsaison 1957/58 hatte Reggie allen Grund, auf seine Familie stolz zu sein: Sein Cousin Roy Dwight wurde der Star der örtlichen Sportszene. Roy hatte den FC Fulton bis ins Halbfinale des FA Cup geführt und war anschließend zum Erstligisten Nottingham Forest gewechselt. Er hatte die damals astronomische Summe von 15.500 Pfund erhalten.

In der folgenden Saison schien Roy eine strahlende Zukunft als Fußballer vor sich zu haben. Er erwies sich als echter Star und führte Nottingham Forest bis ins Finale des FA Cup. Selbst die Königin und der Herzog von Edinburgh saßen bei diesem Schlagerspiel auf den Rängen. Doch in der 33. Minute des Spiels verletzte sich Roy; er erlitt einen komplizierten Wadenbeinbruch.

Obwohl diese Verletzung Roys Karriere jäh beendete, machte sein Erfolg großen Eindruck auf Reginald. Wenn Roy plötzlich der Star der Familie werden konnte, welche Möglichkeiten hatte dann sein kleiner Cousin Reggie?

1958 gewann Reginald Dwight ein Stipendium für eine ausgesprochen renommierte Musikschule: „Mit elf bestand ich die Prüfung für die Royal Academy of Music und wurde dort unterrichtet, bis ich 15 war.“(15)

Die Kursleiterin an der Academy, Margaret Donington, entdeckte sehr schnell, dass sie in Reginald einen sehr viel versprechenden Schüler vor sich hatte. Eine der Lehrerinnen, Helen Piera, sollte herausfinden, wie gut der Junge nach Gehör spielen konnte. Sie setzte sich ans Klavier und spielte ein Stück von Händel, dessen Noten vier Seiten umfassten. Als sie Reggie das Instrument überließ, wiederholte er das Stück beinahe Note für Note.

Ab diesem Zeitpunkt besuchte Reginald jeden Samstag die Royal Academy Of Music. Er war nicht nur für klassischen Klavierunterricht angenommen worden, sondern sang auch im Chor.

Zunächst war Reggie von der Academy begeistert, aber es dauerte nicht lange, und es langweilte ihn, immer nur die Klassiker zu lernen und zu spielen. Ihm kam es so vor, als ob er noch einen sechsten Tag zur Schule musste, und für einen Elfjährigen war das keine besonders verlockende Aussicht. Schon bald schwänzte er die Stunden. „Ich hatte irgendwie keine Lust auf die Academy“, berichtete er. „Außerdem gehörte ich zu den Kindern, die sich immer irgendwie durchwurschteln konnten, ohne geübt zu haben, und dann trotzdem bestanden. Ich kam immer gerade so durch die Prüfungen. Manchmal, wenn ich nicht übte, ging ich zur Baker Street, wo sich die Academy befindet, setzte mich in eine U-Bahn der Circle Line und fuhr einfach nur durch die Gegend. Dann kam ich nach Hause und erzählte meiner Mutter, ich sei beim Unterricht gewesen. Ich war wirklich kein Musterschüler.“(16)

Nachdem ihn der Rock’n’Roll gepackt hatte, schwand seine Begeisterung für Mozart noch stärker. „Als Kind hasste ich es, klassische Musik zu spielen, weil ich dazu gezwungen wurde“, erklärte er. „Ich wäre viel lieber draußen gewesen, hätte Fußball gespielt oder wäre ins Stadion gegangen. Ich habe nie mehr geübt, als unbedingt nötig war, um durch die Prüfungen zu kommen. Na ja, Chopin oder Bach haben mir manchmal schon gefallen, aber das war’s auch schon. Meist fand ich klassische Musik grässlich.“(17)

Zwar hatte er wenig Lust auf die strenge Disziplin, mit der er zum Studium der Klassik angehalten wurde, aber der Unterricht war ihm später im Leben durchaus nützlich. „Rückblickend bin ich wirklich froh, dass ich diese Stunden bekam“, gab er zu. „Denn dort vermittelte man mir die Grundlagen der Musik, auch wenn ich keine Lust hatte, den Lehrern zuzuhören. Aber irgendwie habe ich wohl doch was mitbekommen, denn man merkt an der Art, wie ich die Melodien meiner Songs strukturiere, dass ich eine klassische Ausbildung habe.“(18)

Elton hatte als Jugendlicher in der Schule durchaus Freunde, aber ihm blieb wenig Freizeit. „Von Montag bis Freitag hatte ich den normalen Schulunterricht“, erinnerte er sich. „Samstag war die Royal Academy Of Music dran. Sonntags musste ich dann zuhause hocken und meine Schularbeiten machen. Abgesehen von den Ferien hatte ich wirklich nichts zu lachen. Ich war ziemlich introvertiert und hatte schreckliche Minderwertigkeitskomplexe. Deswegen fing ich an, Brillen zu tragen – weil ich mich dahinter verstecken konnte. Ich brauchte eigentlich keine, aber als Buddy Holly kam, wollte ich unbedingt auch so eine Brille wie er! Schließlich trug ich sie den ganzen Tag, und das führte dann dazu, dass meine Augen wirklich schlechter wurden.“(19)

Elton fühlte sich in seiner Kindheit ein wenig wie ein Ausgestoßener. „Als Kind stand ich bei allem immer am Rand“, erklärte er. „Ich gehörte nie zu den angesagten Cliquen. Wenn die anderen ins Kino gingen, wurde ich meist als letzter gefragt, ob ich auch mit wollte. Ich glaube, es hat meine Persönlichkeit geprägt, dass ich von Frauen erzogen wurde, denn ich verbrachte viel Zeit allein, saß in meinem Zimmer und hörte Platten. Ich wurde zum Einzelgänger und war im Umgang mit anderen Kindern ziemlich befangen. Ich schuf mir meine eigene Welt. Schon in diesen jungen Jahren ging ich ganz in meiner Begeisterung für Musik und Schallplatten auf.“(20)

In dieser Zeit war es zudem ein besonderes Problem, dass er ziemlich rundlich war. Es führte dazu, dass er kein ausgeprägtes Selbstwertgefühl entwickelte, obwohl er sich in der Musik immer besser auskannte. Er wusste, dass er nie ein bewunderter Sportler werden würde wie sein Cousin Roy Dwight. „Ich hatte enorme Minderwertigkeitskomplexe. Ich war ein ziemlich dicker Junge, aber innerlich war ich unheimlich ehrgeizig. Für mich ging es bei Spielen nie darum, Spaß zu haben. Ich wollte gewinnen. Nur war ich leider nie gut genug.“(21) Das ständige Gefühl, nicht mithalten zu können, führte schnell dazu, dass er völlig das Interesse daran verlor, in den Sportmannschaften seiner Schule mitzumachen.

Diese Kindheitserfahrungen prägten maßgeblich die Persönlichkeit, die er als Erwachsener entwickelte. Der schrille Rockstar Elton John, der er mit Mitte Zwanzig geworden war, schien wild entschlossen, all den Spaß nachzuholen, den sein früheres Ich, Reggie Dwight, verpasst hatte. Er erklärte: „Ich war dick, wog um die 90 Kilo, und hatte furchtbare Minderwertigkeitskomplexe. Deswegen gebe ich mich auf der Bühne so ausgeflippt und trage so alberne Klamotten. Ich gönne mir jetzt den ganzen Spaß, den ich als Kind nicht hatte.“(22)

Anfang der Siebziger gab einer von Eltons Lehrern, der jedoch anonym bleiben wollte, ein Interview, indem er sich extrem schockiert darüber zeigte, dass aus dem höflichen kleinen Reginald Dwight ein rockender Paradiesvogel geworden war, der sich nun „Elton John“ nannte: „Er war sehr liebenswert und aufgeschlossen, und er lächelte immer, wenn wir auf dem Flur aneinander vorübergingen. Vielleicht war er in dieser Hinsicht erwachsener als seine Klassenkameraden. Während die anderen Jungen die eigenen Kräfte entdeckten und ausprobierten, wie weit sie gehen konnten, war er reserviert, aber sehr nett. Ich sehe ihn immer noch vor mir, mit kurzen Hosen über seinem herausstehenden kleinen Hintern und einem fest zugeknöpften Schulblazer. Man hätte ihn alles nennen können, nur nicht ‚schrill‘. Deswegen war ich völlig entgeistert, als ich ihn in der Albert Hall erlebte und dieses Wesen in dem gelben Satinfrack auf die Bühne kam und auf ein Klavier sprang!“(23) Wer hätte damals auch geahnt, dass dieses hässliche Entlein eines Tages ein Rockstar-Schwan werden würde? Seine Lehrer offenbar nicht.

Reggie ging bereits drei Jahre zum Unterricht an der Royal Academy Of Music, als Roy Dwight, der Fußballheld, heiratete. Bei der Feier verspätete sich die Band, die für diesen Tag angeheuert worden war. Um die Zeit zu überbrücken, bis die Musiker erschienen, bat Roy seinen kleinen Cousin, die Hochzeitsgäste mit ein paar klassischen Klavierstücken zu unterhalten, und der junge Reggie, der solche Spontanauftritte liebte, kam diesem Wunsch gern nach.

Seit Reggie zum ersten Mal Rock’n’Roll aus den USA gehört hatte, war er von dieser Musik besessen. Da er sich zwischen seinen Klassenkameraden immer ein wenig als Außenseiter fühlte, stürzte er sich auf die Musik. Er saß allein in seinem Zimmer vor dem Plattenspieler. Für ihn waren die Platten, die er hörte, seine engsten Freunde. „Ich begann mich für Musik zu interessieren“, sagte er, „kaufte Platten und sortierte sie. Ich konnte genau sagen, wer was produziert hatte, und ich stapelte die Platten vorsichtig auf und guckte mir all die Labels an. Ich mag es, Dinge zu besitzen. Ich bin damit groß geworden, dass unbelebte Objekte meine Freunde darstellten, und ich bin immer noch davon überzeugt, dass diese Dinge Gefühle haben. Deswegen halte ich so an all meinen Besitztümern fest, weil ich mich immer an Zeiten erinnern kann, in denen sie mich ein wenig glücklich gemacht haben – mehr, als Menschen es vermochten.“(24) Es wurde zu einer Besessenheit, die sein ganzes Leben prägte.

Als Reggie ins Teenageralter kam, begann es in der Ehe seiner Eltern zu kriseln. „Meine Eltern haben sich viel gestritten, als ich noch klein war“, berichtete er, „und ich schloss mich dann immer in meinem Zimmer ein. Wenn mein Vater nach Hause kam, gab es erstmal Ärger. Das erwartete ich schon richtig, und ich fürchtete diese Situationen. Ich glaube nicht, dass meine Familie dysfunktional war, aber wenn sich deine Eltern nicht gut verstehen, dann ziehst du dich eben in deine eigene Welt zurück. Meine war die Musik, und sie wurde mein Leben. Die Karriere eines jeden Künstlers beginnt mit einem Schrei nach Aufmerksamkeit: ‚Ich tue das gern, aber ich will Applaus und die Bestätigung, dass ich gut bin.‘“(25)

In der Pubertät fand Reggie die Welt um sich herum noch verwirrender, und auch die Veränderungen seines eigenen Körpers machten ihm zu schaffen. Wenn seine Klassenkameraden mit den ersten sexuel­len Erlebnissen prahlten, war es für den jungen Master Dwight, als ob sie sich in einer fremden Sprache unterhielten. Das Thema Sex war ihm ein einziges Rätsel.

„In der Schule war ich durchaus verliebt, aber ich hatte keinen Sex, weder mit Männern noch mit Frauen … Damals hatte mich auch überhaupt noch niemand aufgeklärt. Über Sex sprach man nicht“, erklärte er später. „Als ich mich zum ersten Mal selbst befriedigte, litt ich furchtbar. Ich war absolut entsetzt. Dann fanden meine Eltern es auch noch heraus, weil ich meine ganzen Schlafanzüge in die Wäsche geben musste, und ich wurde dafür richtig fertig gemacht. Sex war absolut Angst einflößend. In der Schule gaben alle damit an. Ich hingegen hätte alles dafür gegeben, dass sich endlich mal jemand an mich rangemacht hätte. Als ich Jahre später eine Therapie machte, fragte mich mein Psychologe, ob ich missbraucht worden sei. Und ich antwortete: ‚Nein, wurde ich nicht.‘ Aber ich hätte davon geträumt – nur, damit mir jemand gezeigt hätte, worum es ging, und ich endlich Bescheid gewusst hätte.“(26)

Er war übergewichtig, verwirrt, frustriert und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. In der Pubertät durchlebte Reggie Dwight genau jene typischen Teenagerängste, die Alice Cooper in seinem Song ­„Muscle Of Love“ beschrieb, der von den unerfüllten sexuellen Träumen Jugendlicher handelt. Bevor Reginald aus seinem Kokon ausbrechen und sich in den Show-Schmetterling verwandeln konnte, der er schon damals gern geworden wäre, ließ man den 13-Jährigen mit seinen widerstreitenden Gefühlen allein. Er saß in seinem Zimmer, hörte die Musik seiner sorgsam alphabetisch sortierten und ordentlich aufgereihten Platten und begann davon zu träumen, dass er seine Komplexe eines Tages überwinden und selbst zur klavierspielenden Rocklegende werden würde.

Im März 1961 wurde Reginald Kenneth Dwight 14 Jahre alt. In seinem neuen Lebensjahr sollten einige drastische Veränderungen auf ihn zukommen, vor allem in seinem häuslichen Umfeld. Die Schule langweilte ihn, und die ständigen Ermahnungen seines Vaters, seine Hausaufgaben zu machen, gingen ihm ebenso auf die Nerven wie die langen Vorträge darüber, was sein Sohn zu tun und zu lassen habe. Elton erinnerte sich später, dass er sich damals vor allem ein Paar Hush-Puppies-Schuhe wünschte; die Freizeitschuhe aus Wildleder waren damals sehr in Mode. Stanley verbot Reggie, sich ein Paar zu kaufen, und Reggie empfand diese Reaktion seines Vaters als echte Unterdrückung.

Klein, rundlich und nicht unbedingt attraktiv, litt der Teenager unter großen Selbstzweifeln. Die dicke Buddy Holly-Brille, die er trug, ließ ihn wie den personifizierten Außenseiter erscheinen. Er suchte nach einer Möglichkeit, seine Frustrationen und seine Musikbegeisterung auszuleben. Sein großes Interesse am Rock’n’Roll warf die Frage auf, welche berufliche Laufbahn sich für ihn anbot. Sollte er klassischer Musiker werden? Oder vielleicht Musiklehrer? Oder wollte er vielleicht als Klavierverkäufer in einem Musikgeschäft arbeiten? Der Plan, ein Rockstar zu werden, erschien natürlich sehr unrealistisch.

Später erinnerte er sich: „Die Schule fand ich ziemlich langweilig. Ich alberte viel herum und schwänzte. Wenn es irgendwelche Sportereignisse gab, ging ich lieber dorthin.“(1)

Dann geschah etwas, das sein Leben wirklich durcheinanderbrachte. Seine Eltern erklärten, dass sie sich scheiden lassen wollten. Damals war Stanley am Air-Force-Stützpunkt Harrogate in Yorkshire stationiert. Zwar behauptete Elton, sein Vater sei ständig fremdgegangen, aber es war seine Mutter Sheila, die die Scheidung einreichte. Da Stanley aus beruflichen Gründen so oft unterwegs war, hatte sie ohnehin sehr viel Zeit allein verbracht, und sie hatte die ständigen Streitereien der letzten Zeit gründlich satt. Sie sehnte sich nach einem Mann, der umgänglicher war und der sie auch stärker unterstützte. Diesen Mann fand sie schließlich in Fred Farebrother, der ein kleines Baugeschäft als Maurer und Maler betrieb.

Reggie mochte Fred sofort, und Farebrother kümmerte sich von Anfang an sehr liebevoll um Sheilas linkischen Teenager. Fred wurde der verständnisvolle, ihn unterstützende Vater, der Stanley nach Meinung seines Sohnes nie gewesen war. Reggie alberte gern mit Fred herum. Bei ihrem ersten Treffen hatte er dem neuen Mann im Leben seiner Mutter erklärt, sein Name würde, rückwärts gelesen, „Derf“ lauten, und Fred war über diese Bemerkung nicht beleidigt, sondern vielmehr belustigt. Von diesem Tag an nannte Elton ihn nur noch „Derf“.

Die beiden vertrugen sich so gut, dass es nicht lange dauerte, bis Reggie von Fred als „mein Vater“ sprach.

Als die Scheidung seiner Eltern rechtskräftig wurde, vertraute Reggie sich seiner Lehrerin Helen Piena von der Royal Academy Of Music an. Sie erzählte, dass Reggie damals befürchtete, seine Zeit in der Schule könne vorüber sein. Vor allem aber quälte ihn der Gedanke, dass er wohl nie das neue, eigene Klavier bekommen würde, das er sich so wünschte. Offenbar hatte Stanley ihm zum Üben zuhause ein solches Instrument versprochen, falls sich seine Zensuren verbesserten, und Helen zufolge machte Reggie gerade das große Sorgen.

Wie sich herausstellte, musste er die Academy nicht aufgeben, und er bekam ein eigenes Klavier. Es war, wie er erzählte, ein „ge­brauchtes Klavier aus Walnussholz der Firma Collingwood“, das im Musikgeschäft von Hodges & Johnson in Romford, Essex, gekauft wurde.(2)

Kurz nach der Scheidung fand auch Stanley 1962 eine neue Liebe in der 33-jährigen Edna Clough, die als medizinisch-technische ­Assistentin arbeitete.

In einem Brief vom 2. Dezember 1962 schrieb Stanley an Edna: „Nachmittags traf ich mich mit Reggie und erzählte ihm von uns; er hat sich sehr über diese Nachricht gefreut. Er war richtiggehend begeistert. Er nahm es genauso auf, wie ich es dir gegenüber schon vermutete, mein Schatz, und er sagte, dass er vor allem wollte, dass ich glücklich sei. Er freut sich jetzt sehr darauf, dich kennen zu lernen – vor allem, da du auch Klavier spielst. Er hat die Fotos von dir gesehen, meine Kleine, und ‚lecker, lecker!‘ gesagt, der kleine Frechdachs. Ha ha!“(3)

Am 17. Dezember 1962 schrieb Stanley Edna erneut, wobei er wieder von seinem Sohn berichtete. Er schilderte vor allem Ereignisse, die sich im Haus seiner Schwester Ivy ereigneten, als auch Ivys Schwager Henry zugegen war: „Am Wochenende kam Reggie vorbei und brachte uns einen hübschen Zeitschriftenständer als Hochzeitsgeschenk mit, mein Schatz. Gestern Abend nahm ich ihn mit ins Kino, und wir sahen uns Konstantin der Große an; der Film war ziemlich gut. Gestern waren Ivy, Henry, Reggie und ich beim Spiel Dartford gegen Wisbech, das Dartford 5:2 gewann.“(4)

Nach der Hochzeit von Stanley und Edna schrieb Reggie einen vierseitigen Brief an seinen Vater, in dem der ehrgeizige junge Pianist erklärte, welchen Beruf er am liebsten ergreifen würde: „Ich weiß jetzt auch, was ich machen will, wenn ich mit der Schule fertig bin. Eigentlich habe ich es schon lange gewusst, aber nie ausgesprochen, weil ich dachte, dass alle über mich lachen würden. Ich möchte auf der Bühne stehen – das heißt, singen und Klavier spielen. Ich weiß, es ist nicht leicht, ein Entertainer zu werden, und mir ist klar, dass viel Arbeit und vor allem auch viel Glück nötig sein wird, damit ich es schaffe, aber ich bin sicher, dass es mir wirklich viel Spaß machen würde. Ich hoffe, du denkst nicht, ich sei dumm, aber ich dachte, ich schreibe es dir trotzdem mal.“(5)

Doch genau hier lag das Problem. Während Reggie es völlig ernst damit war, eine Karriere als Pianist anzustreben, hielt Stanley so eine Idee für Unsinn. Er hoffte vielmehr, dass sich sein Sohn einen sicheren und ordentlichen Beruf suchen würde, anstatt es mit einer Laufbahn zu probieren, in der er bestenfalls damit rechnen konnte, ein stets um Engagements kämpfender Profimusiker zu werden.

Als Stanley seinen Berufswunsch nicht gerade wohlmeinend aufnahm, reagierte Reggie überrascht. „Mein Vater war Musiker. Er hatte bei Bob Miller & The Millermen Trompete gespielt, bevor er zur Air Force ging. Meine Berufswahl stieß ihm ganz übel auf … er war halt ein wenig versnobt. Aber meine Mutter hat mich stets ermuntert, und auch von meinem Stiefvater bekam ich stets viel Unterstützung.“(6)

Im Gegensatz zu Stanley und Edna lebten Sheila und Fred zehn Jahre ohne Trauschein zusammen, bevor sie heirateten. Sie zogen gemeinsam mit dem 14-jährigen Reggie in das Mehrfamilienhaus im Frome Court 30A.

Das Fernsehen war eine große Attraktion für die Jugendlichen Anfang der Sechzigerjahre. Reggie liebte besonders die Comedy-Sendungen der BBC wie The Goon Show, Take It From Here oder Round The Home. Eine seiner Lieblingsserien war Steptoe & Son, eine originelle Sitcom über einen Schrottplatzbesitzer und seinen recht modern eingestellten Sohn. In der Serie, die Reggie sehr beeindruckte, kam auch ein Pferd vor, das den Namen Hercules trug.

Stanley und Edna eröffneten nach ihrer Heirat ein kleines Schreibwaren- und Spielzeuggeschäft in Chadwell Heath, Essex. Reggie besuchte sie dort gelegentlich.

Edna erinnerte sich später: „Reggie kam immer sehr gern zu uns. Wir waren beide wegen des Geschäfts immer sehr beschäftigt, aber er hatte trotzdem viel Spaß, blieb oben in der Wohnung, spielte auf meinem Klavier oder tippte Briefe auf meiner Reiseschreibmaschine. Eines Tages entdeckte ich, dass er auf einer Seite immer wieder geschrieben hatte: ‚Stanley Dwight ist mein Vater, Sheila Dwight ist meine Mutter.‘ Damals empfand ich es als sehr traurig, dass ein Junge in einem noch so sehr prägenden Alter von einem Elternteil getrennt leben musste, und ich fragte mich, ob ihm das wohl durch den Kopf gegangen war, als er das getippt hatte.“(7)

Seit dieser Zeit hatte Elton eine wechselvolle Beziehung zu seinem Vater. In den nächsten Jahren bekamen Stanley und Edna vier gemeinsame Kinder. Reggie machte das schwer zu schaffen. Auf der Höhe seines Ruhms pflegte Elton Stanley in der Presse stets in einem schlechten Licht darzustellen. In einem Interview mit dem Playboy behauptete er 1976: „Als sich meine Eltern scheiden ließen, fühlte ich eine Zeitlang sehr viel Bitterkeit darüber, wie meine Mutter behandelt wurde. Sie musste beispielsweise alle Kosten der Scheidung tragen. Sie gab mehr oder weniger alles auf und musste zugeben, dass sie Ehebruch begangen hatte, während er hinter ihrem Rücken genau dasselbe tat und sie dafür bezahlen ließ. Er war so hinterlistig. Dann verschwand er, und fünf Monate später heiratete er diese andere Frau und sie bekamen in den nächsten vier Jahren vier Kinder. Das verletzte meinen Stolz sehr, weil er angeblich Kinder hasste. Wahrscheinlich war ich von Anfang an ein Fehler.“(8)

Stanley Dwight hielt später daran fest, dass das überhaupt nicht stimmte. Ihm zufolge zahlte er die Scheidung und teilte, als sie das Haus in der Potter Street 111 verkauften, den Erlös mit Sheila. Außerdem überließ er ihr das Auto und alle Möbel. Stanley behauptete, dass er nichts mitnahm außer seiner Kleidung und zwei Fotos von Reggie in silbernen Bilderrahmen.

Es war jedoch tatsächlich Fred Farebrother, der auf den Plan trat, als es darum ging, Reggie in seinen Träumen von einer Karriere als Musiker zu bestärken.

1961 übernahm das Ehepaar George und Ann Hill eine Bar im Northwood Hills Hotel, das kurz vor der Stadtgrenze von Pinner lag und insgesamt über drei Bars verfügte, alle mit englischer Eiche vertäfelt.

Die Hills hatten zuvor eine Bar namens The Hare in Harrow Weald geführt und waren dabei sehr erfolgreich gewesen, und daher waren sie der Aufgabe gewachsen, auch das wesentlich größere Northwood Hills Hotel gewinnbringend zu leiten. Um ein zahlungskräftiges Publikum anzulocken, das ordentlich Drinks bestellte, war es damals üblich, in einem der Gasträume Musik anzubieten. Zuerst versuchten sie es mit einer älteren Frau, die Honkytonk-Klavier spielte. Anschließend buchten sie einen energiegeladenen Pianisten, einen Albino, der eine ziemlich lebhafte Show hinlegte. Er blieb ein paar Wochen, beklagte sich aber dann, dass ihm die Anreise zu lang war, und kündigte.

Eines Tages erschien Fred Farebrother im Northwood Hills Hotel und wollte den Pächter der Bar sprechen. Als er zu George Hill geführt wurde, fragte er, ob vielleicht ein Klavierspieler gesucht würde, um die Gäste zu unterhalten, und George bestätigte, dass er tatsächlich gerade auf der Suche nach dem richtigen Mann war. Mehr war nicht nötig. Fred vereinbarte sofort einen Vorspieltermin für Reggie.

Ann Hill erinnerte sich: „Er war erst 15 und ging noch zur Schule. Er hatte sehr kurze Haare, trug Schlips und Kragen und graue Flanell­hosen. Und eine Sportjacke aus Harris-Tweed in einer rötlichen Farbe. Er war sehr schüchtern. Aber er erzählte uns, dass er einen Song geschrieben habe, der ‚Come Back Baby‘ hieß.“(9)

Da es momentan niemanden gab, der als Entertainer in der Bar Programm machte, gingen die Hills kein Risiko ein, indem sie den Jungen einfach mal machen ließen. Damals war Reggie sehr von Ray Charles’ Nummer-1-Album Modern Sounds In Country & Western Music angetan. Zwei der bekanntesten Songs auf dieser Platte waren die Hits „I Can’t Stop Loving You“ und „You Don’t Know Me“. Das war die Art von Musik, die Elton dem Publikum an seinem ersten Abend vorstellte.

Natürlich kamen Sheila und Fred zum ersten Auftritt des Fünfzehnjährigen im Northwood Hills Hotel. Wie George Hill zu berichten weiß, schlug der spätere Elton John nicht von Anfang an groß ein. „Die Leute haben ihn ganz übel auflaufen lassen“, sagte er. „Sie brüllten: ‚Verzieh dich!‘ oder ‚Mach leiser!‘ und bewarfen ihn mit leeren Chipstüten oder Aschenbechern – die waren bei uns nur aus Aluminium, deswegen tat das nicht weh. Oder es schlich sich jemand an ihn heran und zog die Kabel aus seinen Verstärkern. Ich glaube, es wurden auch mal ein paar Liter Bier ins Klavier gekippt.“

Dennoch trat Reggie die nächsten anderthalb Jahre einmal in der Woche dort auf und wurde sogar dafür bezahlt. „Ich bekam ein Pfund pro Abend“, erzählte Elton, „aber ich hatte auch noch eine kleine Kiste, die ich am Ende meines Auftritts herumgehen ließ. Als ich in dem Laden anfing, kam kaum jemand in die Bar, aber später war es jedes Wochenende gerammelt voll. Mit dem Trinkgeld, das ich einsammelte, verdiente ich etwa 25 Pfund pro Woche. Das war super, wenn man bedenkt, dass ich ja damals noch zur Schule ging.“(10)

Reginald Dwight wurde bald als eine Art Wunderkind bekannt. Dass er eine regelmäßige Auftrittsmöglichkeit hatte, für die er auch noch bezahlt wurde, war eine reife Leistung. „Jeden Freitag, Samstag und Sonntag spielte und sang ich in der Bar des Northwood Hills Hotel“, berichtete er, „und zwar ein ganzes Jahr lang. Ich glaube nicht, dass ich je einen Termin ausgelassen habe. Ich sang Songs von Jim Reeves, Cliff Richard, alles, was gerade angesagt war. Aber auch Sachen wie ‚Roll Out The Barrel‘ oder Cockney-Songs wie ‚When Irish Eyes Are Smiling‘. Das musste man spielen, sonst wurde man mit Bier begossen. Al Jolson-Songs waren auch sehr beliebt.“(11)

Das waren noch Zeiten: 2009 waren Elton Johns Fans bereit, Tausende von Dollars zu zahlen, um die letzten Shows seiner Auftrittsreihe im Caesar’s Palace in Las Vegas zu sehen, und 1962 ging man einfach in die Bar in der Joel Street 66 in Northwood Hills und konnte der aufstrebenden Legende umsonst zuhören, wenn man sich ein Glas Bier bestellte. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass der bebrillte Junge am Klavier eines Tages eine Rocklegende sein würde.

Die Gigs im Hotel gaben Reggie Selbstvertrauen und erweckten in ihm den Wunsch, den nächsten Schritt zu wagen. In dieser Zeit trat er seiner ersten Band bei. Sie nannten sich The Corvettes, nach dem Sportwagen, der damals bei Teenagern hoch im Kurs stand. Reggie spielte Klavier, Stewart Brown übernahm die Leadgitarre und Geoff Dyson den Bass. Am Schlagzeug saß der Sohn des örtlichen Pub-Besitzers. Trotz ihres coolen Namens hielten die Corvettes nicht lange durch. Als der Schlagzeuger sich plötzlich verabschiedete, standen Reggie und seine Freunde ziemlich verloren da und lösten die Band in aller Stille auf.

Wenig später tat sich Reggie mit ein paar Freunden zusammen und gründete die Gruppe Bluesology. Wenn er nicht zur Schule ging, die Royal Academy Of Music besuchte oder im Hotel auftrat, dann probte er mit ihnen. Inzwischen hatte sich die Musikszene um ihn herum gewandelt, und England war plötzlich zu einer echten Größe auf der Rock-Landkarte geworden. Der ansteckende Sound der ­Beatles hatte das Musikgeschäft entscheidend verändert. 1963 eroberten sie England, und im Februar 1964, nachdem die vier Liverpooler in der amerikanischen Fernsehsendung The Ed Sullivan Show aufgetreten waren, fraß ihnen auch Amerika aus der Hand. Nur Wochen später hatte es den Anschein, als ob die Beatles mit ihrem frischen Look und ihrem radikal neuen Sound auch den Rest des Planeten für sich eingenommen hatten. Aber es war nicht nur ein neuer Look und ein neuer Sound – die Beatles produzierten ein unglaubliches Multi­media-Phänomen. Die Beatlemania war in vollem Gange.

Reginald entdeckte durch die Beatles ganz neue Ziele und Ideen. Er erlebte mit, wie direkt vor seinen Augen unbekannte britische Jungs praktisch über Nacht zu großen Stars wurden.

Zwar hatte Reggie, wie er behauptete, nicht viele Freunde, aber einer seiner besten Kumpel, mit dem er viel Zeit verbrachte, war sein Cousin Paul Robinson, der Sohn von Tante Win, der ein paar Jahre jünger war als Reggie.

Wenn sie sich trafen, gingen sie meist zu Reggie, der Paul seine wachsende Plattensammlung zeigte. Paul erinnert sich, dass Reggie vor allem von den Beatles begeistert war. „Er sagte, sie seien das Größte, was je passiert sei. Wir saßen mit den Plattencovern da und er zeigte mir, wer John, Paul, George und Ringo war.“(12)

Reggie war so fasziniert von den Beatles, dass er seinen Cousin Paul einmal zu einem Konzert der Fab Four mitschleppte. „Wir waren wegen einer Schulausstellung nach London gefahren. Dort war es aber total langweilig, und Reg fragte: ‚Hast du Lust, die Beatles zu sehen?‘ Sie gaben eines ihrer Weihnachtskonzerte im Hammersmith Odeon. Es war auch ein echtes Erlebnis, als John, Paul, George und Ringo kostümiert über die Bühne alberten, sogar in Frauenkleidern. Niemand hatte je zuvor Pop mit Slapstickspäßen kombiniert.“(13)

Davon abgesehen begeisterte sich Reggie für die Musik von Dusty Springfield. Anfang der Sechziger war sie Teil eines Folk-Trios, der Springfields, gewesen, und 1964 wurde sie mit Hits wie „I Only Wanna Be With You“, „Wishin’ And Hopin’“ und „All Cried Out“ auch solo äußerst erfolgreich. Sie trug eine hochtoupierte Frisur und gehörte fest zum Modezirkel des gerade aufkommenden „Swinging London“. Reggie war ein so großer Fan, dass er sein Zimmer in Frome Court von oben bis unten mit den Fotos der Pop-Diva pflasterte.

Dank der Beatles begann 1964 die so genannte „British Invasion“ der amerikanischen Charts: Die Hitfabrikanten aus Übersee beherrschten die Top 40 der USA. Zu den großen britischen Hits der damaligen Zeit zählten unter anderem „Time Is On My Side“ von den Rolling Stones, „House Of The Rising Sun“ von den Animals, „A World Without Love“ von Peter & Gordon, „Do Wah Diddy Diddy“ von Manfred Mann, „I’m Into Something Good“ von Herman’s Hermits, „You Really Got Me“ von den Kinks oder „She’s Not There“ von den Zombies.

Die Beatles machten jedoch den größten Eindruck auf Reginald Dwight. Allein 1964 legten sie eine Reihe so abwechslungsreicher Hits vor, dass sie schlicht nicht mehr aufzuhalten waren. „I Want To Hold Your Hand“, „She Loves You“, „Twist And Shout“, „Can’t Buy Me Love“, „A Hard Day’s Night“ und „I Feel Fine“ waren nur ein Bruchteil des kreativen Outputs der Band in nur einem Jahr, und sie legten damit den Grundstein für ihren internationalen Ruhm. Mit ihrer charismatischen Ausstrahlung und ihrer Fähigkeit, in jedem musikalischen Stil zu singen, zeigten die Beatles dem jungen Reggie, was im Bereich von Pop und Rock alles möglich war. Sie schrieben ihre eigenen Songs, spielten ihre Instrumente selbst und waren eine Band, die sehr zusammenhielt und ein attraktives Äußeres mit spannender Musik verband. Sie verkörperten all das, das Reginald Dwight am liebsten selbst geworden wäre.

Anfang der 1960er-Jahre war Reginald Dwight an verschiedenen Fronten gefordert. An erster Stelle stand seine schulische Laufbahn an der Pinner Grammar School. Danach kamen seine Stunden an der Royal Academy Of Music. Aber er hatte auch bereits ein Dauerengagement im Pub des Northwood Hills Hotel, und er spielte in einer neuen Band, der R&B-Gruppe Bluesology. Es sollte jedoch nicht mehr lange dauern, bis er alles andere, was seine Zeit beanspruchte, zur Seite schob, um sich ganz und gar auf Bluesology zu konzentrieren – und auf seinen Traum, in der Musikbranche zu Ruhm und Ehre zu kommen.

Als erstes fiel diesem Traum der Unterricht an der Royal Academy Of Music zum Opfer. Seiner Lehrerin Helen Piena war schon eine ganze Zeitlang aufgefallen, dass sich ihr Schützling allmählich ihrem Einfluss entzog und sich mehr mit Rock’n’Roll und Pop beschäftigte als mit klassischer Musik. „Damals wurde ihm wohl klar, was er tun wollte“, erinnert sich Piena. „Später erzählte er mir, er hätte eine eigene Jazzband gegründet und sei damit sehr beschäftigt. Für mich legte er sich nicht so ins Zeug. Ich gab ihm ein paar der schönsten Stücke, die ich kannte, Mozart zum Beispiel. Ich wollte ihn einfach irgendwie dazu verlocken, ein bisschen zu üben; mir war klar, dass in ihm sehr viel Musik steckte, die ich jedoch nicht zum Vorschein bringen konnte. Dabei war das normalerweise meine große Stärke, die Talente der Kinder, die ich unterrichtete, zu erkennen und zu fördern. Aber bei Reggie gelang mir das nicht, weil ich schlicht die falsche Musik anbot.“(1)

Piena erinnert sich auch daran, wie Reginald ihr davon erzählte, dass er seine Schulausbildung komplett abbrechen wollte, um seine Popmusikträume zu verfolgen, und wie sie versuchte, ihm das auszureden. „Ich sah ihn immer an, wie er da auf dem Hocker neben mir saß“, berichtete sie, „und ich versuchte eine Dreiviertelstunde lang, ihn dazu zu überreden, zur Universität zu gehen. Aber er sagte immer: ‚Nein, aus meiner Familie hat niemand studiert, das mache ich auch nicht.‘ Leider konnte ich ihn nicht überzeugen.“(2) Es dauerte nicht lange, bis er den Musikunterricht aufgab.

Obwohl er die samstäglichen Stunden an der Academy offenkundig langweilig fand, räumte er später ein: „Ich bin sehr froh, dass ich eine klassische Musikausbildung bekam, weil man dabei die verschiedensten Arten von Musik zu schätzen lernt. Es hilft einem auch beim Songwriting, weil man als Pianist in der Regel mehr Akkorde verwendet, als wenn man auf der Gitarre komponiert. Bei mir hatte das viel mit meinem Klavierspiel zu tun, meiner Liebe für Chopin und Bach und mit meiner Begeisterung für das Singen im Chor. Meine Songs sind bestimmt stärker klassisch geprägt als die Titel von Künstlern, denen diese Musikausbildung fehlt, und dafür bin ich dankbar.“(3) Tatsächlich bekam Reggie an der Royal Academy Of Music den musikalischen Schliff, der ihm später als Komponist sehr zugute kam. Nicht nur er profitierte davon: Zwei seiner späteren Mitstreiter, der Orchester­arrangeur Paul Buckmaster und der Produzent Chris ­Thomas, wurden ebenfalls an der Royal Academy ausgebildet.

Reggies Engagement im Northwood Hills Hotel erwies sich vor allem gegen Ende der zwei Jahre als recht nützlich, um Bluesology weiter voranzubringen. Er legte so viel Geld wie möglich beiseite, um sich irgendwann einen eigenen Verstärker für zusätzliche Clubauftritte leisten zu können, und er konnte gelegentlich auch die Bühne der Bar benutzen, um mit Bluesology zu proben.

Bei der Namensfindung hatte sich die vierköpfige Band von dem belgischen Jazzgitarristen Django Reinhardt und seinem musikalischen Meisterwerk „Djangology“ inspirieren lassen. Da Reggie und seine Freunde nun einmal Blues spielten, schien „Bluesology“ ideal, um schon mit dem Namen einen Hinweis auf ihren Sound zu geben. Zur Besetzung gehörten anfangs Rex Bishop am Bass, Stuart A. Brown an der Gitarre, Mike Inkpen am Schlagzeug und Reginald Dwight an den Keyboards. Wenig später beschloss die Band, zusätzlich noch einen Saxophonisten, Dave Murphy, hinzu zu holen.

Zunächst waren Bluesology nichts weiter als eine ordentliche Pub- und Bar-Band. Sie spielten überall, wo man sie auf die Bühne ließ. Elton erinnerte sich: „Wir spielten in Pfadfinderhütten und bei Tanzveranstaltungen von Jugendclubs – mit einem Zehn-Watt-Verstärker und akustischem Klavier. Aber wir spielten immer die falschen Sachen. Bluesology kamen entweder zwei Monate zu spät oder waren drei Jahre zu früh dran. Wir sprachen ein Minderheitenpublikum an und dachten, wir wären unheimlich hip, weil wir Songs von Jimmy Witherspoon spielten.“(4) Für Reggie und seine Bandkollegen galt es als Zeichen größter Coolness, das Material von Musikern wie Wither­spoon zu covern, einem schwarzen Bluesmusiker aus Alabama, der mit Songs wie „Ain’t Nobody’s Business“, „Big Fine Girl“, „No Rollin’ Blues“ und „Times Getting Tougher Than Tough“ bekannt geworden war.

1965 ergab sich schließlich die große Chance für den siebzehnjährigen Reginald Dwight. Über seinen fußballspielenden Cousin Roy Dwight, der nach Stanleys Scheidung weiterhin mit Sheila und Reggie in Kontakt geblieben war, kam die Verbindung zu einem Musikverlag zustande, aus dem sich tatsächlich ein Job entwickeln sollte. Über einen Fußballkollegen war Roy mit Pat Sherlock bekannt, der bei dem Verlag Mills Music arbeitete, und Pat erklärte sich schließlich bereit, sich Roys kleinen Cousin einmal anzusehen.

„Ich sehe ihn noch vor mir, wie er in meinem Büro saß“, erinnerte sich Sherlock, und ich dachte: ,Für einen Pianisten hat er aber kleine Hände.‘ Er hatte die Angewohnheit, sich immer wieder nervös die Brille auf der Nase hochzuschieben, und so einen lustigen, schmollenden Gesichtsausdruck.“(5)

Reginald war bei dem Vorstellungsgespräch so engagiert, dass Sherlock ihm sofort einen Job als Bürogehilfe bei Mills Music anbot, zum fürstlichen Lohn von fünf Pfund die Woche. Reggie fällte die wichtigste Entscheidung seines jungen Lebens: Er war bereit, für diesen schlecht bezahlten Posten bei einem Musikverlag im West End die Schule abzubrechen.

Das führte zu großen Spannungen innerhalb der Familie. Stanley war entsetzt von der Vorstellung, dass sein Sohn alles hinwerfen wollte, und das nur wenige Monate vor seinem Abschluss. Aber ­Reggie hatte sich entschieden. Später erzählte Elton einmal: „Ich habe immer noch einen Brief von meinem Vater, in dem es heißt: ‚Er muss diesen ganzen Pop-Quatsch aus dem Kopf bekommen, sonst kommt er noch auf die schiefe Bahn, und er sollte sich einen vernünftigen Job bei der BEA oder Barclays Bank suchen.‘ Ich habe mich wirklich einmal bei der BEA beworben. Aber meine Mutter hat nie versucht, mir die Musik auszureden.“(6)

Reginald Kenneth Dwight ließ sich von den Ansichten seines Vaters nicht beirren. Am 5. März 1965 besuchte er zum letzten Mal den Unterricht an der Pinner Grammar School, und er bereute seinen Ausstieg nie. Wenn er wirklich ernsthaft Karriere im Musikgeschäft machen wollte, dann würde er eine bessere Ausgangsbasis haben, wenn er für einen anerkannten Musikverlag arbeitete.

Als Reggie seinem Geschichtslehrer von seinen Plänen erzählte, gab ihm Bill Johnson einen guten Rat: „Ich sagte ihm, wenn er es mit dem Musikgeschäft versuchen wollte, dann sei das vermutlich der vernünftigste Weg. ‚Wenn du vierzig bist‘, erklärte ich, ‚dann bist du entweder ein wirklich erfahrener Bürogehilfe – oder aber Millionär.“(7) Johnson sollte Recht behalten – für Reggie wurde die zweite Möglichkeit wahr.

Bei Mills Music handelte es sich um den Londoner Zweig eines amerikanischen Musikverlags, der unter anderem die Songs von Legenden wie Fats Waller, Leroy Anderson und Duke Ellington verlegte; die Londoner Tochter hatte einige Hits für den britischen Popsänger Cliff Richard verzeichnen können und Klavierstücke von Russ Conway herausgebracht.