Emotionomics - Dan Hill - E-Book

Emotionomics E-Book

Dan Hill

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Beschreibung

Emotionen beeinflussen Entscheidungen, Kommunikation und Kaufverhalten – und sind damit ein elementares Kriterium für wirtschaftlichen Erfolg. Dem bewussten Umgang mit Gefühlen wird im Unternehmensalltag jedoch viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und so wird wertvolles Potenzial am Markt, bei Werbekampagnen und in der Mitarbeiterführung nicht genutzt. Emotionomics bedeutet, im gesamten Unternehmen systematisch Empathie einzusetzen, um Emotionen zu wecken und Beziehungen aufzubauen. Dieses Buch zeigt die Umsetzung speziell für Marketing, Design, Werbung, Verkauf, Handel und Service - und dass es wichtiger und lukrativer sein kann, auf Gefühle zu setzen, als Fakten zu bieten.

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Dan Hill

Emotionomics

Dan Hill

Emotionomics

Erfolg hat, wer Gefühle weckt

Übersetzung aus dem Amerikanischen von Karlheinz Dürr und Hans Freundl

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Nachdruck 2016

© 2010 Redline Verlag, FinanzBuch Verlag GmbH, München

Nymphenburger Straße 86

80636 München

Tel.: 089-651285-0

Fax: 089- 652096

© der Originalausgabe Dan Hill, 2007, 2008. All rights reserved.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2007 bei Adams Business & Professional. Die überarbeitete, in den Vereinigten Staaten und Großbritannien veröffentlichte Auflage erschien 2008 bei Kogan Page Limited unter dem Titel »Emotionomics – Leveraging Emotions for Business Success«.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Karlheinz Dürr/Hans Freundl

Redaktion: Bärbel Knill, Landsberg

Korrektorat: Magdalena Brnos, Berlin

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur GmbH, München

Umschlagabbildung: Gettyimages/Halfdark

Satz: Manfred Zech, Landsberg

ISBN Print 978-3-86881-461-3ISBN E-Book (PDF)ISBN E-Book (EPUB, Mobi)

Weitere Infos zum Thema

www.redline-verlag.de

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Inhalt

Vorwort

Einleitung

Erster Teil: Warum Emotionen eine Rolle spielen

1Das neue mentale Modell

Überblick

Naturwissenschaft: Die Bedeutung des dreiteiligen Gehirns

Psychologie: Einen Ausgleich schaffen zwischen blindem Instinkt und Wachstum

Wirtschaft: Die Einbeziehung der Emotionen in die Gleichung

2Die Methode des Facial Coding

Überblick

Die Herausforderung: Wenn Worte allein uns nicht weiterbringen

Ursprünge und Anwendungsbereich: Warum und wie Facial Coding funktioniert

Ergebnisse: Facial Coding in der Praxis

3Emotionen und Motivationen

Überblick

Emotionen in einen Kontext setzen: Wie Gefühle das Verhalten steuern

Motivationen: Was uns antreibt

Die Emotionomics-Matrix: Einführung eines strategischen Modells

Zweiter Teil: Anwendung im Markt

4Markenentwicklung

Überblick

Gespiegelte Überzeugungen: Die Werte der Verbraucher im Blick behalten

Zugehörigkeit: Wo sich Status und Sicherheit begegnen

Eine Geschichte erzählen: Vertrautheit und Bequemlichkeit verkaufen

Schlussfolgerung

5Angebotsdesign, Verpackung und Benutzerfreundlichkeit

Überblick

Überlegenheit gewinnen: Bewunderung hervorrufen

Ein sinnliches Erlebnis: Der Weg zum Herzen

Funktionale Erfüllung: Freude, nicht Frustration

Schlussfolgerung

6Werbung

Überblick

Die Aufmerksamkeit fesseln: Was Stopping Power nach sich zieht

Die unsichtbare Linie: Warum es wichtig ist, den Zielmarkt zu kennen

Bestätigung: Die Auflösung der Skepsis

Schlussfolgerung

7Verkauf

Überblick

Verpflichtung: Übernahme eines Beziehungsmodells

Einheit: Schritt halten mit dem potenziellen Kunden

Miteinander verknüpfte Belohnungen: Erzeugen von »Wir«-Denken

Schlussfolgerung

8Handel und Service

Überblick

Respekt: Effizienz ermöglichen

Engagement: die Freude zurückbringen

Bestätigung: sich beweisen, dass man richtig gehandelt hat

Schlussfolgerung

Dritter Teil: Anwendung am Arbeitsplatz

9Führungskräfte

Überblick

Das Wohl des Ganzen: Warum Charakter wichtig ist

Klare Vision: vorwärtsgerichtet denken und fühlen

Gemeinschaftliche Unternehmenskultur: alle werden mitgenommen

Schlussfolgerung

10Mitarbeiterführung

Überblick

Kompatibilität: Feststellen, was funktioniert

Vertrauen erwidern: Abkoppelung vermeiden

Die entscheidende Mission: Ansporn zu ständiger Verbesserung

Schlussfolgerung

Nachwort

Danksagung

Literatur- und Quellenverweise

Bildnachweis

Vorwort

Ich lernte Dan Hill kennen, als ich an einer PBS-Sendung mit dem Titel Mental Engineering teilnahm. Wahrscheinlich haben Sie noch nie davon gehört, aber Bill Moyers nannte diese Sendung »die interessanteste halbe Stunde über gesellschaftliche Themen im Fernsehen«.

In der Sendung wurden Werbefilme vorgeführt, die von den Teilnehmern hinsichtlich ihrer »tieferen Bedeutung« analysiert werden sollten. Ich weiß, das klingt sehr vage, doch die Diskussionen förderten in den Werbefilmen häufig politische, soziale oder psychologische Botschaften zutage, an die man nie gedacht hätte, wenn man als Experte an einer großen Fernsehshow teilnehmen soll und fürchtet, man könnte dumm aussehen oder nicht die passenden Worte finden. Das Expertenteam bestand aus drei hochgebildeten Menschen, unter anderem zum Beispiel Dan Hill. Der vierte Teilnehmer war gewöhnlich ein Komiker, der für etwas Auflockerung sorgen sollte oder eben manchmal auch ich.

Die meisten der gezeigten Werbefilme waren schlecht, manche gar grauenhaft. Vielleicht haben auch Sie einige davon schon gesehen. Sich über sie lustig zu machen, war keine große Kunst. Aber Dan besaß die außergewöhnliche Fähigkeit, die Fehler in diesen Filmen herauszuarbeiten – und die Fehler der Leute, die sie in Auftrag gegeben hatten. Er kannte sich wirklich aus. Er wusste sogar eine Antwort auf die große Frage: »Warum geben alle diese intelligenten Menschen mit guten Geschmack so viel Geld für diese schrecklichen Werbefilme aus?«

Ich sage immer wieder gern, dass ich noch keinen Tag in meinem Leben gearbeitet habe, und ich glaube, Bergleute würden mir beipflichten, dass das Erstellen von Texten für Comedys, bei dem man mit ein paar gut aufgelegten Leuten in einem Zimmer sitzt, Witze reißt und sich Häppchen schmecken lässt, die vom Catering Service angeliefert wurden, keine echte Arbeit ist, aber auch wir führen Tests durch. Ganz wie im normalen Geschäftsleben. Fernsehsender bedienen sich ihrer, wenn es um die Bewertung von Pilotsendungen geht, aber ebenso wie bei Produkten und Werbemaßnahmen in der wirklichen Geschäftswelt erscheinen diese Testverfahren höchst ungenau. Jedes Jahr gibt es viele gute Pilotsendungen, die miserabel abschneiden und daher nicht produziert werden, während eine andere, die keinem gefiel, im Test »einschlägt wie eine Bombe«, dann produziert wird, nach der ersten Ausstrahlung aber gleich wieder abgesetzt wird. Manchmal liefert eine Pilotsendung schlechte Testergebnisse, kommt aber wie durch ein Wunder doch ins Fernsehen, weil zum Beispiel ein Fernsehverantwortlicher nach seinem eigenen Urteil geht, und diese Sendung entwickelt sich dann zur besten und am längsten laufenden Show in der Fernsehgeschichte. Ich glaube, Cheers, eine Show, von der ich mit Stolz sagen kann, dass ich daran mitgearbeitet habe, war eine davon.

Die Sendung, die in meinem Nachruf als erste erwähnt werden wird, Die Simpsons, schnitt im Test hervorragend ab. Die Ergebnisse waren so überwältigend, dass der Mann, der für uns die Daten auswertete, gar nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Eine der Figuren war ein Kind namens Maggie. Sie tat überhaupt nichts. Sie konnte nicht einmal sprechen. Sie machte nur mit einem Schnuller ein entsetzliches Geräusch. Aber auch sie erreichte im Test eine Punktezahl von 97, was bedeutete, dass sie dem Testpublikum besser gefiel als alle anderen Charaktere sämtlicher Pilotsendungen in der Geschichte dieses Fernsehsenders. Normalerweise hätte der Sender uns nun gebeten, die übrigen Charaktere fallen zu lassen, die Show zu überarbeiten und diese bezaubernde Maggie zum Star der Serie zu machen, aber in diesem Fall tat er das nicht. Denn mit 97 Prozent war Maggie jene Figur in der Serie, die die schlechteste Bewertung erhielt. Daher wurde uns nahegelegt, nicht allzu viele Geschichten über Maggie zu bringen.

Das war meiner Meinung nach eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Die Simpsons war nicht nur gut, die Serie enthielt auch sehr vieles von dem – flottes Tempo, Vulgarität, übertrieben karikierende Darstellung –, was es ermöglicht, dass eine schlechte Serie zum Renner wird. Es war etwas so Machtvolles, dass das System es nicht unterkriegen konnte.

Auch Schokolade hätte wahrscheinlich im Test gut abgeschnitten. Ich bezweifle, dass jemand, der zum ersten Mal Schokolade probiert, sich fragt, wie ein Produkt, das derartig schlecht schmeckt, jemals auf den Markt kommen konnte, so wie ich es tat, als ich zum ersten Mal den Energydrink »Tab« probierte. Ich bin sicher, dass jeder, der Emeril! gesehen hat – die kurzlebige Situationskomödie mit Emeril LaGasse –, sich fragte, was sich NBC dabei gedacht hat. Waren Sie schon einmal in Disneys California Adventure?

Es hat sich gezeigt, dass viele große Firmen schwere, grundlegende Fehler machen, und Dan Hill weiß, woran das liegt. Sie haben keine Ahnung, wie sie ihre Kunden emotional ansprechen können. Dan weiß, wie sie das bewerkstelligen können, und darum geht es in diesem Buch.

Wie ich schon sagte, ich bin kein Geschäftsmann. Ich arbeite nicht, aber wenn ich mich jemals dazu entscheiden sollte, es zu versuchen, dann, so glaube ich, wäre Emotionomics eine starke Waffe. Für jemanden wie mich, der Bücher zur Entspannung liest, ist es eine faszinierende und unterhaltsame Lektüre.

Sam Simon

Miterfinder von Die Simpsons, Autor, Regisseur und Produzent vonCheers, Taxi und The Drew Carey Show

Pacific Palisades, Kalifornien

Einleitung

Warum lesen Sie dieses Buch?

Viel zu lange wurden die Emotionen hinter verschlossenen Türen versteckt und von der Rationalität und der Effizienz verdrängt. Aber da die Unternehmen heute, in einer Zeit, in der sich Waren und Angebote immer mehr gleichen, emotionale Bindungen herstellen müssen, rücken die Emotionen in den Vordergrund und spielen eine immer wichtigere Rolle.

Emotionomics öffnet diese lange verschlossene Tür und zeigt, wie wichtig es ist, im Geschäftsleben Emotionen einzusetzen.

Die neuere Gehirnforschung hat ergeben, dass die Menschen Entscheidungen in erster Linie aus emotionalen Gründen treffen. Um dem Leser diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nutzbar zu machen, beschäftigt sich dieses Buch mit zwei Bereichen. Auf der strategischen Ebene soll gezeigt werden, dass Emotionen große Bedeutung zukommt. Emotionen sind von zentraler, nicht von peripherer Bedeutung für das Verhalten im Markt und in der Arbeitswelt. Daher werden sich Unternehmen, die imstande sind, die Voraussetzungen für die Erlangung emotionaler Akzeptanz bei Kunden und Beschäftigten zu identifizieren und zu quantifizieren und entsprechend zu handeln, einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Gladwells Blink! machte die Öffentlichkeit darauf aufmerksam, wie oft Menschen schnelle, intuitive Entscheidungen treffen und wie man Facial Coding einsetzen kann, um dies zu erkennen.

Auf der taktischen Ebene präsentiert das Buch anhand zahlreicher Beispiele das »Facial Coding« – jenes Forschungsinstrument, das in Malcolm Gladwells Bestseller Blink! Die Macht des Moments (2005) ausführlich vorgestellt wurde – als ein Mittel, um auf wissenschaftliche Weise emotionale Reaktionen zu bewerten. Das ist ein sehr wirkungsvolles Instrument, das meine Firma, Sensory Logic, Inc., erstmals vor einem Jahrzehnt im wirtschaftlichen Bereich angewendet hat.

Die Verbindung von Psychologie, Biologie und Wirtschaft, wie sie in diesem Buch praktiziert wird, kann in theoretischer wie in praktischer Hinsicht vor allem für drei Gruppen von Lesern von Nutzen sein:

Die erste Gruppe sind Unternehmensführer, Kreative (insbesondere Mitarbeiter von Werbeagenturen) sowie alle in Unternehmen tätigen Personen, die schon lange wissen, wie wichtig emotionales Engagement für wirtschaftlichen Erfolg ist. Für sie soll dieses Buch nicht nur eine Bestätigung und Bekräftigung ihrer Ansichten sein, sondern auch eine Quelle zur Vertiefung ihrer Erkenntnisse.

Zum Zweiten ist das Buch für jene Leser gedacht, die bemerkt haben, dass in den allgemeinen Medien zunehmend über die Erfolge der Gehirnforschung und die Wirkung von Emotionen berichtet wird. Ihnen bietet dieses Buch eine Möglichkeit, sich auf einem Gebiet auf den neuesten Stand zu bringen, das sie interessiert und dessen wachsende Bedeutung sie erkennen, mit dem sie sich aber mangels Zeit noch nicht ausführlich beschäftigen konnten.

Schließlich soll dieses Buch auch für jene hilfreich sein, die sich bereits im Wirtschafts- oder Geschäftsleben betätigen oder dies anstreben und auf der Suche sind nach dem »gewissen Etwas«. Auf Märkten, in denen Differenzierung immer wichtiger wird, aber auch immer schwieriger zu erreichen ist, erschließt die Nutzung von Emotionen eine neue, noch weitgehend ungenutzte Fülle von Informationen. Zugleich kann in den Unternehmen die Nutzung emotionaler Intelligenz dazu beitragen, die Firmenkultur zu verbessern und eine interaktive Dynamik freizusetzen, die auf kostenneutrale Weise zu einer Produktivitätssteigerung führt.

Erklärungsbedürftig ist zweifellos der Titel des Buches. Den Begriff Emotionomics habe ich geprägt, um die Bedeutung der Emotionen in der Wirtschaft zu unterstreichen. Er soll der Wirtschaftswelt signalisieren, dass die Bewertung und der Umgang mit Emotionen das neue strategische Spielfeld sind, auf dem sich Unternehmen bewähren müssen. Maßnahmen zur Kostensenkung stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Und technologische Fortschritte werden fast zwangsläufig im Laufe der Zeit von den Mitbewerbern nachvollzogen. Dadurch wird der Aufbau stärkerer emotionaler Bindungen zu den Kunden und den Mitarbeitern ein entscheidendes Kriterium für nachhaltigen Erfolg.

Die Erlangung eines Wettbewerbsvorteils hängt in hohem Maße davon ab, inwieweit es gelingt, in der Zielgruppe sowohl rationale als auch emotionale Unterstützung zu erfahren – und diese beiden Aspekte sind keineswegs identisch. Wären sie es, würden wahrscheinlich Worte allein genügen. Aber weil Menschen Absichten verfolgen, sich verstellen können, ihren Mitmenschen Hinweise geben oder ihnen etwas verschweigen, versucht jeder, im Gesicht des anderen zu lesen. Wir alle studieren intuitiv Gesichter, um zu ergründen, ob sich die rationale Erklärung, die uns geboten wird, mit den emotionalen Regungen deckt oder ihnen widerspricht, die uns in einem Gespräch, einer Präsentation oder einer Rede übermittelt werden.

Der Mensch trifft eine Entscheidung aus zwei Gründen – aus einem guten Grund und einem wahren Grund.

J.P. Morgan

In diesem Sinne geht es im vorliegenden Buch darum, eine allgemeine, alltägliche Verhaltensweise zu einem gezielt und sorgfältig eingesetzten Geschäftsprozess zu verfeinern. Facial Coding ist schon allein deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es mitunter schwierig sein kann, die Wahrheit zu erkennen, wenn man davon ausgeht, dass J.P. Morgan mit seiner Behauptung recht hatte: Unsere Entscheidungen beruhen letzten Endes nicht auf guten, rationalen und vertretbaren Gründen. Anders ausgedrückt, bei uns allen besteht eine Kluft zwischen Rationalität und Emotionalität, derer wir uns oft nicht bewusst sind und die es umso wichtiger erscheinen lässt, zu den Emotionen vorzudringen. Ohne zu wissen, was das Gegenüber wirklich empfindet, kann man nur schwer Fortschritte erzielen.

Das Dilemma, das durch die von J.P. Morgan erwähnte Kluft zwischen Rationalität und Emotionalität hervorgerufen wird, ist persönlicher Natur. Wer von uns möchte nicht den Anschein erwecken, dass er sich stärker von der Logik leiten lässt, als es tatsächlich der Fall ist? Das Bemühen, einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen, erzeugt eine große Differenz zwischen dem, was wir empfinden, und dem, was wir sagen, wie auch zwischen unseren Worten und unseren Taten. Wenn es zur Gewohnheit wird, anderen etwas vorzuspielen, kann auch ein Bruch zwischen unserem Denken und unserem Empfinden entstehen.

Dieses Dilemma zeigt sich auch in der Wirtschaft. Viele Unternehmen vertreten die herrschende Meinung, dass Gefühle störend sind, gefährlich, minderwertig und für das Tagesgeschäft bedeutungslos. Auf die eine oder andere Weise versuchen wir also die Tatsache herunterzuspielen, dass Emotionen ein zentraler Bestandteil des Lebens sind, was entsprechend negative Folgen für unsere Unternehmensplanungen und Ergebnisse nach sich zieht.

Dieses Buch will den Lesern helfen, Emotionen als wirtschaftliche Chance zu begreifen. Handlungen sind nicht nur aussagekräftiger als Worte, die Emotionen und die Motivationen, die damit verbunden sind, haben auch einen bestimmenden Einfluss auf diese Handlungen. Zum Glück gibt es Möglichkeiten, Gefühle einzusetzen, um die Effizienz eines Unternehmens zu steigern und seine Erfolgschancen zu erhöhen.

Der erste Teil des Buches stellt die wissenschaftlichen Grundlagen dar, aus denen sich die Bedeutung der Emotionen ableiten lässt, und erklärt, wie man sie erfassen kann, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Um zu begreifen, warum man in der Wirtschaft Emotionen ernst nehmen sollte, betrachten wir zunächst einige Zahlen, von denen sich die einen auf den Markt allgemein und die anderen auf die Arbeitswelt beziehen:

Eine Studie des Journal of Advertising Research, an der 23 000 US-amerikanische Verbraucher teilnahmen und die sich auf 13 Artikelkategorien und 240 Werbebotschaften bezog, ergab, dass »Emotionen im Entscheidungsfindungsprozess des Menschen doppelt so wichtig sind wie Fakten« (Morris u.a., 2002).

In einer Titelgeschichte der Zeitschrift Time über den Zusammenhang von Emotionen und Produktivität kamen unterschiedliche Fachleute zu Wort, die unter anderem die Vermutung äußerten, dass emotionale Zufriedenheit bei Beschäftigten zu einer Steigerung der Arbeitsleistung um zehn bis 25 Prozent führen könne (Thottham, 2005).

Der Paradigmenwechsel, vor dem die Wirtschaft steht

Angesichts solcher Zahlen könnte man annehmen, dass die Unternehmen Emotionen in den Mittelpunkt von Entscheidungsbildungsprozessen rücken. Es erscheint sogar als eine Selbstverständlichkeit. Was ist die Wirtschaft anderes als die Bereitstellung von Dienstleistungen oder Produkten durch Menschen und für Menschen, die von Emotionen gesteuert werden? Aber dennoch wird emotionale Bildung als etwas Mystisches betrachtet, als eine Kraft, die bislang nur wenige Unternehmen erschlossen und noch weniger konstruktiv nutzen und für ihre Firmenkultur fruchtbar gemacht haben.

Vielleicht gehen diese Vorurteile gegen Emotionen auf einen französischen Philosophen aus dem 17. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1667 prägte René Descartes den berühmten Satz: »Ich denke, also bin ich.« Mit diesen knappen Worten begann die Romanze der westlichen Welt mit der Rationalität.

Als Ergebnis erhält man oft nur Rauschen. Wie wir in Kapitel 1 darstellen werden, sind der rationale und der emotionale Teil unseres Gehirns getrennte Bereiche. Auf der rationalen Ebene seinen Gefühlen nachzuspüren, wäre vergleichbar dem Versuch, im Mittelwellenband eines Radios einen bestimmten UKW-Sender ausfindig machen zu wollen.

Angesichts dieses kulturellen Erbes überrascht es nicht, dass sich Unternehmen der rationalen, auf Nützlichkeit ausgerichteten Funktionalität verschrieben haben und damit auch gut umzugehen verstehen. Schließlich lässt sich diese Evaluierungsgrundlage objektiv erfassen. Emotionen dagegen wirken häufig unterbewusst. Oder wenn sie berücksichtigt werden, versucht man gewöhnlich, sie durch Methoden des »Nachdenkens über Gefühle« zu bewerten, die auf der Annahme beruhen, dass Menschen in der Lage – und willens – sind, ihre emotionalen Reaktionen rational zu bewerten und präzise darzustellen. In Wirklichkeit sind Menschen aber dazu häufig nicht imstande.

Dass Emotionen im wirtschaftlichen Bereich weitgehend ausgeklammert werden, beruht darauf, dass man sie nicht quantifizieren, segmentieren und in einer Tabelle erfassen kann. Wenn sich Emotionen nicht messen lassen, kann man sie auch nicht steuern. Wenn sie nicht steuerbar sind, kann man sie auch nicht in Planungen einbeziehen, und sie sind unbrauchbar im Wirtschaftsleben.

Wir versuchen, den Emotionen auszuweichen, weil sie uns Unbehagen bereiten. Um persönlichen Konflikten aus dem Weg zu gehen, vermeiden es die Menschen, über Traurigkeit, Ärger oder Frustration zu sprechen. Es ist leichter, über finanzielle Dinge wie die Erträge von Investitionen zu reden und einfach traurig, wütend oder frustriert zu sein. Noch leichter ist es, die Existenz von Gefühlen schlicht zu verdrängen.

Dieses Verhalten beruht auf einem, wie es der französische Psychologe Claude Rapaille nannte, rationalen oder »intellektuellen Alibi«. Er meint damit, dass wir nach dem »guten Grund« suchen, von dem J.P. Morgan sprach, um unsere Entscheidungen zu verteidigen. Dadurch rationalisieren wir die emotional begründeten Entscheidungen, die wir bereits in unserem Innersten getroffen haben.

Wenn Unternehmen nicht über Methoden verfügen, um die Gefühle von Kunden und Mitarbeitern zu erfassen, haben sie immer eine Rechtfertigung, Emotionen zu ignorieren. Dass sich Unternehmensführer nur widerwillig mit nicht messbaren Dingen befassen wollen, ist insoweit sinnvoll, als Emotionen ohne ein präzises Instrument zu ihrer Erfassung weder strategisch antizipiert werden können noch taktisch handhabbar sind.

Doch Unternehmen tun sich keinen Gefallen, wenn sie die Rolle von Emotionen im Wirtschaftsleben ignorieren. Schließlich beeinflussen Emotionen auch die Art und Weise, wie sich Menschen in einem Markt verhalten, was sie wahrnehmen, welche Überlegungen sie anstellen, welche Überzeugungen sie gewinnen und woran sie sich erinnern. Sie betreffen zudem Managementfragen wie die Mitarbeiterleistung oder die Kundenbindung. Welche Schlussfolgerung ziehen wir also daraus? Man darf die Bedeutung des emotionalen Engagements als Erfolgsfaktor keineswegs unterschätzen.

In ihrem Werk Als hätten Sie nur einen Kunden (One Size Fits One, 1998) untersuchen Heil, Parker und Stephens, warum viele Unternehmen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten gegründet wurden, nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen konnten. In dem Abschnitt »Das Geschäftsleben wird von Menschen gestaltet« schreiben sie:

Wir haben einfach die wesentliche Tatsache übersehen, dass das Geschäftsleben grundsätzlich von Menschen gestaltet wird, von Individuen, die sich begegnen, miteinander sprechen und arbeiten und im übrigen versuchen, einander zu helfen und zu nützen, und dass der emotionale Faktor mindestens so wichtig für die Zufriedenheit und Loyalität des Kunden ist wie der Austausch von Geld und Leistung. Die emotionale Komponente der Wertgleichung ist weitgehend vernachlässigt worden, und zwar oft deshalb, weil sie verworren, nicht greifbar, irrational und schwer zu quantifizieren ist.

Eine wissenschaftliche Lösung

Zum Glück gibt es heute eine praktikable Möglichkeit, emotionale Reaktionen zu messen. Diese wissenschaftliche Methode ist das sogenannte Facial Coding. Sie beruht auf den Erkenntnissen von Charles Darwin und wurde durch Malcolm Gladwells ausführliche Darstellung in seinem bereits erwähnten Bestseller Blink! Die Macht des Moments (2005) einem breiteren Publikum bekannt.

Facial Coding verbessert die herkömmlichen Forschungsansätze, indem es die Zuverlässigkeit der Aussagen von Personen überprüft. Facial Coding erfasst das emotionale Engagement eines Menschen, während der verbale Input, auch verbale Reaktionen und Einschätzungen, vor allem das intellektuelle Alibi einer Person reflektieren. Kombiniert man sie, um zu ermitteln, wie in einer Zielgruppe ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung ankommen, kann sich daraus, sofern die Ergebnisse identisch und positiv ausfallen, die Bestätigung ergeben, dass die Zielgruppe richtig angesprochen wurde. Doch wenn sich beide Datensätze widersprechen, ist ein Unternehmensführer immer gut beraten, seine Entscheidungen anhand der emotionalen Reaktionen zu treffen, denn die rationalen »Fakten« sind formbar, die emotionalen, instinktiven Reaktionen eines Menschen dagegen nicht.

Seit seiner Gründung im Jahr 1998 hat Sensory Logic Pionierarbeit bei der Erfassung emotionaler Reaktionen durch die Analyse der Bewegungen der Gesichtsmuskeln geleistet. Facial Coding wird zwar erst in Kapitel 2 ausführlich behandelt, aber dennoch hier schon ein kleiner Hinweis: Die Gewohnheit der Menschen, Gefühle durch Veränderungen im Gesicht auszudrücken, ist so tief verwurzelt, allgegenwärtig und einheitlich, dass selbst Menschen, die blind auf die Welt gekommen sind, dieselben angeborenen Formen des Gesichtsausdrucks besitzen wie jene, die sehen können.

Abb. 0.1 Der Unterschied zwischen traditioneller Forschung und Facial Coding

Die Gefahr beim herkömmlichen Ansatz besteht darin, dass Menschen besonders schlau zu erscheinen versuchen, indem sie Informationen intellektuell filtern. Wenn Unternehmen neben dem verbalen Input auch mit Facial Coding arbeiten, können sie durch die Korrelation des Gesichtsausdrucks und der relevanten Emotionen herausfinden, wie Menschen auf der »Bauchebene« reagieren, und dadurch ihre Erfolgschancen verbessern.

Zwei Studien mit unterschiedlichem Ergebnis

Fall 1: Pech

Ein bekanntes Mobilfunkunternehmen erstellt einen witzigen Werbespot, in dem ein Architekt während eines Wutanfalls nach der Präsentation sein Modell zerstört. Er weiß nicht, dass sein gegenwärtiger Mobilfunkanbieter ihm einen Anruf nicht weiterleitet, in dem ihm seine Kunden mitteilen, dass sie ihre Meinung geändert haben: Ihnen gefällt das Gebäude jetzt doch. Schließlich erfährt er es, aber nun ist es zu spät. Das ist eine unglückliche Verkettung von Ereignissen. Der Kunde der Werbeagentur hielt das Konzept für gelungen und erteilte den Auftrag zur Produktion. Der Film wurde gedreht und geschnitten.

Dann ereigneten sich die Anschläge vom 11. September 2001. Nun erscheint Sensory Logic auf der Bildfläche, es soll die Feldforschung durchführen, bevor der Werbespot gesendet wird. Die Tortendiagramme in Abbildung 0.2 enthalten die Ergebnisse dieser Untersuchung. Die Grafik auf der linken Seite zeigt die positiven und negativen verbalen Reaktionen der Personen, die an dem Test teilnahmen. Scheinbar gefiel den meisten der Werbespot.

Das Tortendiagramm auf der rechten Seite dagegen zeigt die Ergebnisse unter Einsatz des Facial Coding. In Bezug auf die individuellen emotionalen Reaktionen der Testteilnehmer kam der Werbefilm nicht besonders gut weg. Nur ein Drittel der emotionalen Reaktionen war positiv. Die meisten Leute erklärten, ihnen gefalle der Werbespot, aber unsere Untersuchung ergab eine große Diskrepanz zwischen dem, was die Menschen über den Film sagten, und den Gefühlen, die er bei ihnen auslöste und die in ihren Gesichtern zum Ausdruck kamen. Die Leute behaupteten, der Film würde ihnen gefallen, aber ihre emotionalen Reaktionen sagten uns, dass das nicht der Fall war.

In Anbetracht der sich widersprechenden Daten stellt sich die Frage: Welche Ergebnisse sind verlässlicher? Sind es die verbalen Aussagen, die Akzeptanz signalisieren, oder die emotionalen Reaktionen, in denen Widerstand dagegen zum Ausdruck kommt, dass nach dem 11. September in einem Werbespot die symbolische Zerstörung eines Gebäudes dargestellt wird?

Abb. 0.2 Die Kluft zwischen Sagen und Empfinden

Zwar äußerten sich mehr als die Hälfte der Testteilnehmer positiv über den TV-Werbespot mit dem Architekten, aber nur ein Drittel der emotionalen Reaktionen war positiv – fast 50 Prozent weniger.

Fall 2: Triumph

Als der Cargill-Konzern, das größte Privatunternehmen in den USA, seinen Consulting-Zweig gründete, wurde Sensory Logic beauftragt, die TV-Spots des Unternehmens zu testen, um deren Stärken zu ermitteln und eventuelle Verbesserungsmöglichkeiten zu benennen. In diesem Fall gab es beim Facial Coding fast doppelt so viele positive Ergebnisse wie beim Architektur-Spot – das gehörte zu den stärksten Reaktionen, die wir jemals gemessen haben.

Wir konnten somit die Empfehlung geben, dass die ohnehin schon starken Werbespots durch ein etwas langsameres Tempo und eine zurückhaltendere Bildsprache noch an Überzeugungskraft gewinnen würden. Wir halfen dem Kunden und seiner Werbeagentur gewissermaßen dabei, Sieger noch besser zu machen. Und was war das Ergebnis? Für den besten Spot in ihrer Werbekampagne erhielten Cargill und seine Agentur Martin/Williams den Preis für Creative Excellence in Business Advertising (CEBA).

Das Thema und der Rahmen dieses Buches

Die Kernthese dieses Buches lautet, dass man mit rationalen Argumenten allein Menschen nicht überzeugen kann. Es reicht nicht, wenn Unternehmen und ihre Manager nur ihre Botschaft geschickt vermitteln. Sie müssen die Adressaten auch emotional ansprechen, das heißt, sie müssen in der Lage sein, eine Verbindung zu Kunden und Verbrauchern aufzubauen, indem sie herausfinden, welche Emotionen wichtig sind, wie sie wirken, und auch, wann genau sie ausgelöst werden.

Der Erfolg eines Unternehmens hängt letztlich davon ab, inwieweit sein Zielmarkt die emotionalen Reaktionen verinnerlicht, die durch seine Erfahrungen mit diesem Unternehmen hervorgerufen wurden. Die langfristige Überlebensfähigkeit eines Unternehmens hängt somit davon ab, wie es die Emotionen der Menschen zu formen und einzuschätzen versteht und wie es darauf reagiert.

Dieses Buch will nicht die neuesten Ergebnisse der Emotionsforschung präsentieren, sondern Erkenntnisse aus Tests und Untersuchungen vermitteln, die im Laufe eines Jahrzehnts durchgeführt wurden. Sie betreffen nahezu alle Berührungspunkte mit dem Kunden – von Produkten und Dienstleistungen bis zur Markenentwicklung und der Präsentation im Einzelhandel –, aber auch Fragen der Gestaltung der Arbeitswelt. Insgesamt verfügen wir über eine Datenbasis von mehr als 50 000 Vergleichen verbaler und nonverbaler Reaktionen.

Ich glaube, im Grunde geht es immer um »Emotion«.

Tom Peters

»Der Erfolg unserer Strategie ist davon abhängig, dass wir die rationalen und emotionalen Faktoren identifizieren können, aus denen die Treue der Kunden zu einer Marke erwächst.« – Jeff Fettig, CEO von Whirlpool

Erster Teil: Warum Emotionen eine Rolle spielen (Kapitel 1-3)

Die neuesten Erkenntnisse der Gehirnforschung zeigen, dass Emotionen Ergebnisse bestimmen. Die Leser werden eine Vorstellung davon bekommen, warum und wie die Grundemotionen, die wir mittels des Facial Coding entschlüsseln können, mit den wichtigsten Motivationsfaktoren verbunden sind, die zu Handlungen führen. Sie werden lernen, wie sich dieses Wissen mithilfe eines strategischen Modells, der Emotionomics MatrixTM, für unterschiedliche Projekte nutzbar machen lässt.

Zweiter Teil: Anwendungen im Markt (Kapitel 4-8)

Die Markenentwicklung ist in hohem Maß emotional geprägt, weil es dabei sehr stark um Vertrauen geht. Doch die Markenentwicklung ist nicht der einzige Bereich, in dem sich emotionales Engagement in Umsatz und Gewinn niederschlägt. Die Leser werden erkennen, dass es von der Abgabe eines Angebots über die Werbung und den Vertrieb bis zur Gestaltung von Verkaufsstellen und dem Kundendienst wichtiger ist, emotional überzeugend zu wirken, anstatt sich allein auf die Botschaft zu verlassen.

Dritter Teil: Anwendungen in der Arbeitswelt (Kapitel 9-10)

Da sich nach Untersuchungen nur 29 Prozent der Beschäftigten mit ihrem Job identifizieren und 16 Prozent eine aktive Distanz dazu haben, ist es wichtig, das emotionale und geistige Engagement zu fördern und zu stärken. In diesen Kapiteln werden die erfolgversprechendsten Methoden dargestellt, um die Beschäftigten emotional einzubinden und dadurch die Produktivität des Unternehmens zu steigern und die Beteiligung zu verbessern.

Wegweiser für den Leser und Terminologie

Ein Großteil der Informationen in diesem Buch dürfte für viele Leser neu sein. Daher habe ich mich entschlossen, meine Informationsquellen anzugeben, um sie überprüfbar zu machen und Interessierten die Möglichkeit zu vertiefenden Studien zu erschließen. Diese Quellen erscheinen in Klammern im Text, dazu gibt es ein Literaturverzeichnis mit den vollständigen bibliografischen Angaben.

In diesem Buch werden auch Begriffe verwendet, die vielen Lesern nicht vertraut sein werden oder die hier mit einer neuen oder anderen Bedeutung gebraucht werden. Einige sind aus dem spezifischen Analyseansatz meiner Firma Sensory Logic hervorgegangen. Andere sind vielleicht schwerer verständlich, weil sie aus der Naturwissenschaft oder der Psychologie stammen. Zur besseren Orientierung der Leser führe ich nachfolgend einige der zentralen Begriffe auf, die in Emotionomics verwendet werden.

Akzeptanz: das Ausmaß der positiven oder negativen emotionalen Reaktion (auf der Grundlage von Facial Coding).

Angebot: ein Produkt, eine Dienstleistung oder ein Erlebnis, das für einen Verbraucher geschaffen wird.

Brücke der Abwägung: die Brücke, über die ein Verkäufer einen potenziellen Kunden locken möchte, indem er sowohl emotionale wie rationale Einflussfaktoren nutzt, um den potenziellen Kunden zu überzeugen, dass das Annehmen des Angebots eine sichere, kluge Handlung wäre.

Commodity-Falle: das Problem, dass das Angebot von den Kunden als standardisiert, unauffällig und austauschbar eingestuft wird und durch Preisdruck in Bedrängnis geraten kann. Die Lösung besteht darin, ein Produkt oder ein Dienstleistungsangebot dadurch hervorzuheben, was es dem Kunden auf einer sinnlich-emotionalen Ebene bieten kann, was manchmal durch funktionale Überlegenheit erreicht wird.

Emotionale Reaktionsrate: das Ausmaß der Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Eine mangelnde Reaktion zeigt, dass der Reiz das Umgebungsrauschen nicht durchdringen konnte.

Emotionomics-Matrix: ein praktisch anwendbares Modell, das zur Verbreiterung der strategischen Unternehmensplanung eingesetzt werden kann und darauf zielt, nicht nur die rationalen, sondern auch die häufig ignorierten menschlichen Faktoren der Emotionen und Motivationen mit einzubeziehen. Das Modell kann dabei helfen, den Kontakt mit der Zielgruppe zu verbessern und die Akzeptanz der Angebote oder Handlungsvorschläge zu fördern.

Facial Coding: die Analyse der emotionalen Reaktionen von Menschen auf bestimmte Reize, auch auf Fragen, anhand der Untersuchung der Gesichtsmuskelbewegungen nach einem System, das von Dr. Paul Ekman entwickelt wurde.

Feature-itis: die Neigung mancher Unternehmen, ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung durch zu viele unwesentliche Eigenschaften oder Merkmale zu überfrachten.

Fiction: die stärkste Form eines Markenwertes, die sich den Konsumenten tief eingeprägt hat und die auf einer Story beruht, an die diese so stark glauben, dass sie das Angebot ohne Berücksichtigung von dessen tatsächlichem praktischen Nutzen bevorzugen. Non-fiction bezieht sich demgegenüber auf eine marginale Markeneigenschaft, die nicht darauf beruht, welche Empfindungen die Marke bei den Konsumenten hervorruft, sondern darauf, welchen Nutzen ihnen das Angebot in einem engeren, funktionalen Sinn bietet.

Große Kaufkette: Alles, was zum Verkauf angeboten wird, ist mit einer kürzeren oder längeren Kette verbunden, abhängig von der Frequenz des Kaufzyklus’ und davon, ob der emotionalen Wertigkeit, die dem Kauf zugeschrieben wird, größeres oder geringeres Gewicht beigemessen wird.

Intellektuelles Alibi: rationale Überlegungen, mit denen die instinktive Reaktion nach dem Abschluss des Entscheidungsbildungsprozesses gerechtfertigt wird.

Kluft zwischen Sagen und Empfinden: der Bruch, der häufig entsteht, zwischen dem, was Menschen sagen, und dem, was sie tatsächlich empfinden.

Message-itis: die Neigung mancher Unternehmen, die Konsumenten überzeugen zu wollen, indem sie ihre Werbeaussage mit zusätzlichen, rational ausgerichteten Botschaften überfrachten, die jedoch die Entscheidung zusätzlich erschweren.

Me-story: die Story, welche die emotionalen Gründe des Konsumenten zum Vorschein bringt, der eine Rechtfertigung für seine Entscheidung sucht, indem er sich beim Kundendienst um die Behebung eines Problems bemüht.

on-emotion: die Erzeugung einer emotionalen Reaktion in der Zielgruppe, die es ermöglicht, das Unternehmensziel zu erreichen. »On-emotion« zu sein, also die Emotionen anzusprechen und emotionale Reaktionen auszulösen, ist mindestens so wichtig wie »on-message« oder »on-strategy«, die beide jedoch häufig nicht das Herz ansprechen und Menschen nicht überzeugen können.

Sensorische Bandbreite: Die Fähigkeit, Reize an die Konsumenten auszusenden, die ihre fünf Sinne ansprechen (Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken).

Skript: die Bedeutung hinter den codierbaren Emotionen.

Wirkung: der Intensitätsgrad der emotionalen Reaktion der Menschen (gemäß Facial Coding).

Erster Teil:

Warum Emotionen eine Rolle spielen

1. Das neue mentale Modell

In einer zunehmend interdisziplinärer werdenden Welt haben Durchbrüche der Gehirnforschung zuerst die Psychologie und dann auch die Betriebswirtschaft veranlasst, überkommene Annahmen über die Bedeutung von Emotionen zu hinterfragen.

Überblick

Im Geschäftsleben wird uns seit jeher beigebracht, dass wir mit dem Kopf denken sollen und nicht mit dem Herzen. Die neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung zeigen uns, dass das nicht möglich ist. Die Emotionen können heute nicht mehr beiseitegeschoben und versteckt werden, sie rücken vielmehr auf vielen Feldern von den Rändern in den Mittelpunkt der Debatte. In diesem Kapitel möchten wir uns auf drei zentrale, miteinander verbundene Entwicklungen konzentrieren:

Naturwissenschaft: Das alte mentale Modell, wonach das bewusste, rationale, verbal orientierte Denken Vorrang besitzt, ist heute überholt. Technologische Fortschritte wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) führten zur Entwicklung eines neuen Modells, in dem unser dreiteiliges Gehirn (das aus einem sensorischen, einem emotionalen und einem rationalen Bereich besteht) stark bestimmt wird von den beiden ältesten, nicht rationalen Teilen. Der Entscheidungsbildungsprozess des Menschen verläuft daher schnell, emotional und unterbewusst; kurz gesagt, er ist intuitiv. Die Menschen fühlen, bevor sie denken. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Kunden und Mitarbeiter allein durch rationale Botschaften für sich einnehmen zu wollen, wäre weit weniger effektiv als eine Kommunikation, die den emotionalen Nutzen in den Vordergrund stellt.

Psychologie: Dass die Psyche des Menschen im Zuge der Evolution »verdrahtet« worden ist und uns mit den Höhlenmenschen verbindet, könnte zu der Annahme führen, dass die Natur des Menschen in Stein gemeißelt und unveränderlich sei. Doch die Psychologen stellen dieser Realität eine zweite neurologische Wirklichkeit gegenüber: Wie die Entstehung neuer Neuronen im Laufe des Lebens (die Neurogenese) und die Existenz von empathisch ausgerichteten Gehirnrezeptoren (Spiegelneuronen) belegen, besitzt der Mensch die Fähigkeit zu wachsen und sich anzupassen. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Die Erfahrungen, die der Mensch im Marktgeschehen und in der Arbeitswelt macht, können das Gehirn gewissermaßen neu verdrahten. Der Prozess der Schaffung von Markenwert – des Aufbaus positiver Gefühle – erstreckt sich heute auf jede Interaktion zwischen Unternehmen und Verbrauchern, und auch auf die Beziehungen zwischen Managern und Beschäftigten.

Wirtschaft: Auch dieses Gebiet, das lange Zeit eine Domäne der Rationalität war, erlebt heute einen Wandel. Gemäß dem Nobelpreisträger Daniel McFadden ist die neue Bewegung der »Verhaltensökonomik ein Gebiet, das heute von zentraler Bedeutung ist«. Woher kam der Anstoß dazu? Es ist abermals der Einfluss der Gehirnforschung, die die alte Vorstellung in Zweifel zieht, dass die Menschen Entscheidungen nach logischen Gesichtspunkten treffen. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Wert wird einer Sache auf emotionalem, nicht rationalem Weg zugemessen. Mangelnde Berücksichtigung der Emotionen kann in allen Bereichen, von der Preisbildung bis zur Produktivität, zu Annahmen führen, die einer realen Grundlage entbehren.

Betrachten wir nun im Einzelnen die Entwicklungen auf diesen drei Gebieten, und beginnen wir mit der Naturwissenschaft.

Naturwissenschaft: Die Bedeutung des dreiteiligen Gehirns

Kurze Zusammenfassung: Dieser Abschnitt beginnt damit, die Entwicklung der drei Gehirnbereiche darzustellen. Im Hauptteil geht es darum, was diese Einteilung im Einzelnen bedeutet, im Hinblick darauf, wie unser Gehirn funktioniert und was seine Verarbeitungsprozesse für den Bereich der Wirtschaft bedeuten.

Wichtige Merksätze

Gefühle beeinflussen das Denken stärker, als das Denken die Gefühle beeinflusst.

Aufgrund der Verdrahtung des Gehirns sind wir primitiver, als wir vielleicht vermuten.

Gefühle gehen den Gedanken voraus, und sie entstehen sehr schnell.

Das bewusste Denken macht nur einen kleinen Teil der mentalen Aktivitäten aus.

Dem Visuellen und anderen nonverbalen Formen der Kommunikation kommt eine beherrschende Bedeutung zu.

Unsere drei Gehirne

Gefühle beeinflussen das Denken stärker, als das Denken die Gefühle beeinflusst.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die US-Regierung beträchtliche finanzielle Mittel für die Gehirnforschung zur Verfügung, um den zahlreichen Soldaten zu helfen, die im Krieg Kopfverletzungen erlitten hatten. Im Jahr 1949 entdeckte Paul MacLean, dass das Gehirn des Menschen aus drei Teilen besteht, und dass sich seine Komplexität im Laufe der Zeit herausgebildet hat (Howard, 2000).

Im ursprünglichen Teil sind unsere Sinneswahrnehmungen angesiedelt. Dieser Teil des Gehirns entstand aus einem Gewebeklumpen am oberen Ende des Rückgrats und ermöglichte das Riechen, das nach wie vor der stärkste der fünf Sinne des Menschen ist (Ackerman, 1990). Die Gehirne von Reptilien sind über diesen Entwicklungsschritt nicht hinausgekommen. Beim Menschen ist dieser Bereich des Gehirns verantwortlich für das Erkennen von Mustern und erlaubt uns dadurch das Vergleichen aktueller Erlebnisse mit früheren. Diese Fähigkeit ermöglicht es uns auch, uns zu orientieren und einzuschätzen, welchen Grad an Sicherheit und Wohlbefinden wir erreicht haben.

Abb. 1.1 Die drei Bereiche des Gehirns und ihre Funktionen

Diese Abbildung zeigt, wo die drei Bereiche des menschlichen Gehirns liegen. Die Darstellung, wie sich ihre Funktionen entwickelt haben, vergleicht die Bereiche, um besser verständlich zu machen, wie sie jeweils Reize verarbeiten, nutzen und darauf reagieren (Ortony u.a., 2004). Das ursprüngliche Gehirn ist schätzungsweise 500 Millionen Jahre alt, das limbische System 200 Millionen und der Neocortex 100 000 Jahre (Postma, 2005).

Der zweite Bereich des Gehirns, das limbische System, ist unser emotionales Zentrum und hat sich zusammen mit den ersten Säugetieren entwickelt. Es wandelt sinnliche Wahrnehmungen in emotionale und physische Reaktionen um. Es überschneidet sich auch mit dem dritten und jüngsten Teil des menschlichen Gehirns, dem Denkhirn. Man könnte daher sagen, dass das limbische System als der Große Integrator fungiert, der die sensorischen, emotionalen und rationalen Teile des Gehirns miteinander verbindet. Seine Hauptaktivität besteht darin, die Situationen, in die wir geraten, im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf unsere körperlichen Abläufe zu bewerten.

Der Neocortex entwickelte sich als jüngster Teil des Gehirns. Da hier die Ratio angesiedelt ist, bezeichnet man ihn auch als »Verstand«. Seine Vorderlappen sind das exekutive Zentrum des Gehirns, in dem komplexe Daten verarbeitet werden. Dieser Teil des Gehirns entwickelte sich bei den sozialen Säugetieren. Die Größe des Neocortex’ ist direkt proportional zur Größe der Gruppe, in der sie leben, denn wenn mehr Beziehungen verarbeitet werden müssen, ist eine höhere Gehirnleistung erforderlich (Baker, 2006). Aufgrund unserer vielschichtigen sozialen Bindungen besitzen wir Menschen den größten Neocortex aller Lebewesen auf der Erde.

Diese Entwicklung vollzog sich im Laufe von Jahrtausenden. Doch sie als Progression zu bezeichnen, könnte zu der unzutreffenden Annahme verleiten, dass der rationale Teil des Gehirns, da er als letzter entstand und die komplexesten Aufgaben ausführt, auch der dominierende Teil wäre. Kurz gesagt, dass die Rationalität den Sieg davongetragen habe.

Doch in Wirklichkeit sind wir nicht in erster Linie rationale Wesen, wie etwa Mr. Spock aus Star Trek. Zur Verdeutlichung sei der bekannte Neurowissenschaftler Joseph LeDoux zitiert. Er weist darauf hin, dass

Emotionen das Bewusstsein überschwemmen können [...] denn unser Gehirn ist in dieser Phase unserer evolutionären Entwicklung so verdrahtet, dass die Verbindungsstränge aus dem emotionalen System zum kognitiven System stärker sind als jene aus dem kognitiven in das emotionale System. (2003)

Um es noch einmal zu wiederholen: Gefühle beeinflussen das Denken stärker, als das Denken die Gefühle beeinflusst.

Die allgemeine Bedeutung der Tatsache, dass wir ein dreiteiliges Gehirn besitzen

Aufgrund der Verdrahtung des Gehirns sind wir primitiver, als wir vielleicht vermuten.

Dass der Mensch ein aus drei Teilen bestehendes Gehirn besitzt, hat zwei weitreichende Konsequenzen. Die erste wurde bereits von Le-Doux erwähnt. Sie besteht darin, dass die älteren sensorischen und emotionalen Teile unseren Entscheidungsbildungsprozess maßgeblich beeinflussen. Die Emotionen sind von zentraler, nicht von peripherer Bedeutung, denn sie formen das Denken stärker als umgekehrt. Wir sind also nicht so stark rational geprägt, wie wir es vielleicht gerne wären.

Die zweite Konsequenz besteht darin, dass wir viel mehr Gemeinsamkeiten mit unseren Vorfahren aufweisen, als wir als aufgeklärte Konsumenten und berufstätige Menschen zu haben meinen. Geschäftsleute, die ihre Planungen an komplexen, intellektuellen Annahmen darüber ausrichten, wie sich Zielkonsumenten oder Beschäftigte verhalten werden, vernachlässigen die Möglichkeiten, die sich aus den Erkenntnissen der modernen Gehirnforschung ergeben. Aufgrund unseres neurobiologischen Erbes haben die Emotionen einen vorrangigen Einfluss auf alle unsere Entscheidungen.

Im Grunde haben wir uns noch nicht allzu weit entfernt von unseren in Höhlen hausenden Vorfahren, die – getrieben durch den Impuls, zu kämpfen oder zu fliehen – ihre Aufmerksamkeit mehr darauf richteten, wilden Tieren zu entkommen, anstatt sich mit Dingen wie der Betrachtung abstrakter Kunst, dem Zubereiten erlesener Speisen, Einkaufen oder Duschen zu beschäftigen.

Abb. 1.2 Die Zeitleiste der Menschheit: das Erbe der Höhlenbewohner wirft lange Schatten.

Die meisten Errungenschaften, die wir heute für selbstverständlich halten, sind kaum 150 Jahre alt. Dieses Schaubild zeigt die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft nach Generationen. Eine moderne Schicht zivilisatorischer Errungenschaften überdeckt eine lange Geschichte des schlichten Überlebenskampfes (Toffler, 1970).

Die speziellen Konsequenzen aus der Tatsache, dass wir ein dreiteiliges Gehirn besitzen

Bis jetzt haben wir die beiden wichtigen allgemeinen Implikationen unseres dreiteiligen Gehirns besprochen: Die Emotionen spielen eine beherrschende Rolle, und unsere alte, überlieferte Natur wirft einen langen Schatten. Daneben gibt es aber auch noch speziellere Auswirkungen, die wir nachfolgend ausführlich darstellen wollen, damit Sie eine genauere Vorstellung davon gewinnen, wie der Entscheidungsbildungsprozess beim Menschen abläuft.

Gefühle gehen dem Denken voraus, und sie entstehen sehr schnell.

Zuerst kommen die Gefühle. Gefühle gehen dem Denken voraus. Da im Zuge der Evolution das rationale Gehirn aus dem emotionalen hervorgegangen und weiter eng mit ihm verbunden ist, erscheint diese Anordnung auch sinnvoll. Der emotionale Teil des Gehirns ist größer als der rationale, und daher verarbeitet das Gehirn insgesamt mehr emotionale als kognitive Prozesse (Baker, 2006). Zudem werden vom emotionalen Gehirn mehr Signale zum rationalen ausgesendet als in der Gegenrichtung, und zwar im Verhältnis zehn zu eins (Howard und Blakeslee, 2004).

Dass nicht in erster Linie der rationale Gehirnbereich bestimmt, was im Leben geschieht, ergibt sich auch daraus, dass allein die sensorischen und emotionalen Gehirnbereiche unsere Muskelaktivität steuern (Ortony u.a., 2004). Das rationale Gehirn ist daher in gewisser Weise ein Lobbyist, der in den Wandelhallen des Parlaments die beiden anderen Bereiche, die über die Entscheidungsbefugnis verfügen, dafür gewinnen möchte, seinem Gesetzesvorschlag zuzustimmen.

Der entscheidende Unterschied zwischen Gefühl und Verstand besteht darin, dass das Gefühl zum Handeln führt, der Verstand dagegen zu Schlussfolgerungen.

Dr. Donald Calne

Wir nehmen die Hauptstraße, nicht die Nebenstraße. Das Gehirn verfügt über Reaktionsmechanismen, die sich auf direktem Weg oder über Umwege manifestieren können (Goleman, 1995), und wie so oft im Leben dominiert der direkte Weg. Die Hauptstraße ist beispielsweise der Weg, den wir einschlagen, wenn wir einen Impulskauf tätigen, da hier der Reiz unmittelbar in die Amygdala geleitet wird, den »entscheidenden Knopf« im Gehirn. Auf der Nebenstraße brauchen die Reize dagegen länger. Unsere rationalen Reaktionen werden daher durch die schnelleren emotionalen Reaktionen überlagert. Und wo endet die Hauptstraße eigentlich? Sie führt zurück in die Amygdala, wo sie »den Scheck unterschreibt«, den wir emotional bereits ausgestellt haben.

Erinnerungen beruhen auf Emotionen. Beschäftigen wir uns nun mit jenen Teilen des Gehirns, die unsere Erinnerungen steuern. Dies ist zum einen der Hippocampus, der für die Gedächtniskonsolidierung verantwortlich ist. Die Amygdala ist nicht nur zuständig für Gefühle wie Angst oder Aggression, sie spielt auch eine Rolle beim visuellen Lernen und beim Wiedererkennen von Situationen. Nicht zufällig befinden sich der Hippocampus und die Amygdala beide im emotionalen Teil des Gehirns und liegen nahe beieinander. Das ist der Grund dafür, dass Erinnerungen nur auf zwei Arten entstehen können (LeDoux, 1994): Neue Erinnerungen bilden sich, wenn ein Reiz auf die Amygdala trifft und eine emotionale Verbindung erzeugt; wenn später ein zweiter ähnlicher Reiz auf die Amygdala trifft, kann er leicht assimiliert werden, da er der vorher geschaffenen Verbindung ähnelt. Daraus entsteht ein Netz von gespeicherten Assoziationen, das durch einen neuen Reiz oder auch durch die Erinnerung an einen bestimmten Reiz aktiviert werden kann. Alle unsere Erinnerungen beruhen darauf, dass sie einen emotionalen Brückenkopf in unserem Gehirn gebildet haben.

Unsere instinktiven Reaktionen erfolgen innerhalb von drei Sekunden oder weniger. Anders ausgedrückt, unsere instinktiven Reaktionen erfolgen sehr schnell (Gladwell, 2005). Die emotionalen Prozesse verarbeiten einen sensorischen Input in einem Fünftel der Zeit, die unser bewusstes, kognitives Gehirn benötigt, um denselben Input aufzunehmen (Marcus, 2002). Die schnellen emotionalen Abläufe haben auch kaskadenförmige Auswirkungen. Unsere emotionale Reaktion auf einen Reiz schallt lauter durch das Gehirn als unsere rationale Reaktion und löst dadurch eine entsprechende Handlung aus. Um die langfristigen Wirkungen dieser Handlung in der Sprache der Gehirnforscher auszudrücken: »Neurons that fire together, wire together«, also Gehirnzellen, die gemeinsam etwas auslösen, verbinden sich auch untereinander (Banich, 2004). Unsere Erfahrungen führen zu einer Neuverdrahtung unseres Gehirns, indem sie neuronale Netzwerke zusammenschließen. Was wir einmal gesehen haben, prädisponiert uns dafür, es beim nächsten Sehen wiederzuerkennen. Aufgrund dieses Vorteils kann eine nachfolgende Handlung intuitiver und schneller ablaufen, weil sie sich ein bereits vorhandenes Netz zunutze machen kann.

Das Denken macht nur einen kleinen Teil der mentalen Aktivität aus.

Das bewusste Denken ist die Spitze des Eisbergs. Sowohl das sensorische als auch das emotionale Gehirn agieren unterbewusst. Nicht einmal 0,0005 Prozent unserer geistigen Aktivitäten sind dem vollen Bewusstsein zuzurechnen. Nach neuesten Schätzungen nimmt das Gehirn pro Sekunde 400 Milliarden Bytes an Informationen auf, verarbeitet davon aber nur 2000 bewusst (What, 2004). Was bedeutet das? Wir sind in viel geringerem Ausmaß denkende Wesen, als wir gerne glauben wollen. Das Auge nimmt in der Sekunde zehn Millionen Bytes an visuellen Informationen auf, aber nur 40 Bytes pro Sekunde werden zu mentalen Bildern; das ist ein Verhältnis von 250 000 zu 1 (Zimmermann, 1986; Medgadget.com, 2006).

Das Visuelle und andere nonverbale Formen der Kommunikation spielen eine dominante Rolle.

»Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.« Das ist zwar ein Klischee, aber es stimmt. Besser gesagt, es ist ein Klischee, weil es stimmt. Ein Kampf zwischen Bildern und Worten ist wie ein Kampf zwischen Mike Tyson und Tiny Tim: Das Bild hat den härteren Schlag. Betrachten wir folgende erhellende Fakten:

Zwei Drittel der Reize, die das Gehirn erreichen, sind visueller Art (Zaltman, 1996).

Mehr als 50 Prozent des Gehirns sind mit der Verarbeitung visueller Eindrücke beschäftigt (Bates und Cleese, 2001).

Aus diesem Grund wird das Lernen zu 80 Prozent visuell gesteuert (American Optometric Association, 1991).

Geschäftsleute, aufgepasst. Die Menschen sind in hohem Maße visuell ausgerichtet: Wir denken zum großen Teil in Bildern, nicht in Worten. Was Verbraucher oder Mitarbeiter nicht tatsächlich sehen oder sich, wenn es ihnen erklärt wird, nicht zumindest innerlich vorstellen können, geht sehr wahrscheinlich an ihnen vorbei.

Der Großteil der Kommunikation ist nonverbaler Natur. Jeden Tag geraten wir in Situationen, wo uns die Sprache und die Körpersignale unseres Gegenübers mehrdeutig oder widersprüchlich erscheinen. Was tun wir in solchen Fällen? Wir neigen dazu, uns mehr auf die nonverbalen Elemente zu verlassen, um herauszufinden, in welcher emotionalen Verfassung sich die Person befindet, die mit uns spricht. Hier sind die genauen Zahlen dazu (Mahrabian, 1981):

55 Prozent der Kommunikation spielen sich über den Gesichtsausdruck ab.

38 Prozent der Kommunikation erfolgen durch den Klang der Stimme.

Nur sieben Prozent der Kommunikation entfallen auf den verbalen Austausch.

Man sollte stets bedenken, dass es nichts Grundlegenderes gibt als die nonverbale Kommunikation. Der Mensch existiert seit mehr als 500 000 Jahren, aber erst seit einem Viertel dieser Zeitspanne verfügen wir über die Möglichkeit des Sprechens (Dunbar, 1996). Weil der rationale und der emotionale Bereich des Gehirns nicht unmittelbar nebeneinander liegen, können wir auch nur unzureichend im Detail beschreiben, was unsere Sinne entdeckt haben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass unsere ursprünglichen, instinktiven Wahrnehmungen zum großen Teil auf Sinneseindrücken beruhen.

»Wem glaubst du mehr, mir oder deinen eigenen Augen?« (Groucho Marx)

Wir haben also bis jetzt folgendes festgestellt:

Im Entscheidungsbildungsprozess stehen am Anfang und am Ende Gefühle, die von der Amygdala verlangen, den Scheck zu unterschreiben.

Wir empfinden schneller, als wir denken.

Auch die Entstehung von Erinnerungen beruht auf Emotionen.

Der Großteil unserer geistigen Aktivität vollzieht sich unterbewusst, also außerhalb unseres Bewusstseins.

Die geistige Aktivität wird häufig durch visuelle, sensorische Eindrücke in Gang gesetzt, die zu emotionalen Reaktionen führen, welche wir überwiegend auf nonverbale Weise kommunizieren.

Psychologie: Einen Ausgleich schaffen zwischen blindem Instinkt und Wachstum

Kurze Zusammenfassung: Psychologen sind Fachkräfte, die sich um das geistige Wohlergehen anderer bemühen, und damit gleichen sie Unternehmen, die danach streben, die Menschen glücklicher zu machen, mit denen sie zu tun haben. Dabei müssen sie zwei Aspekte der menschlichen Natur in ein Gleichgewicht bringen, die auch im Wirtschaftsleben große Bedeutung besitzen. Der erste bezieht sich vor allem auf den Markt, wo die »blinden« Instinkte der Menschen einen Einfluss darauf ausüben, wie sie Wahrnehmungen emotional bewerten. Der zweite gilt hauptsächlich für die Arbeitswelt, wo das Ziel, die Arbeitseffizienz der Mitarbeiter zu steigern, mithilfe der Gehirnforschung erreicht werden kann, die neue Erkenntnisse über die Wachstumsfähigkeit des Menschen gewonnen hat.

Wichtige Merksätze

Wir nehmen Dinge auf eine Weise wahr, die uns emotional schützt und unser Selbstbild fördert.

Zwei in einem offenen Regelkreis angelegte mentale Fähigkeiten ermöglichen uns die Nutzung der emotionalen Intelligenz bei unserem Streben nach Glück.

Emotionen färben Wahrnehmungen und verhindern Veränderung

Wir nehmen Dinge auf eine Weise wahr, die uns emotional schützt und unser Selbstbild fördert.

Zuerst die schlechte Nachricht: Unvoreingenommene Wahrnehmung gehört nicht unbedingt zu den Stärken des Menschen. Bei der Verarbeitung von »Fakten« geht es in Wirklichkeit zum großen Teil auch um die Verarbeitung der eigenen Emotionen, denn dabei wird die gesamte äußere Dynamik verarbeitet, der ein Mensch ausgesetzt ist. Schließlich sind wir genetisch darauf programmiert, uns selbst zu erhalten. Als Menschen streben wir in hohem Maße danach, ein Selbstbild zu entwickeln, mit dem wir uns wohlfühlen, und Verbündete und Partner zu finden, die durch unsere Vitalität angezogen werden (Wright, 1995). Robert Zajonc und andere Psychologen haben darauf hingewiesen, dass der Wahrnehmungsvorgang und die Reaktionen und Einschätzungen, die sich daraus ergeben, emotional codiert sind (»Präferenzen«). Gefühle liefern uns Informationen. Wir stellen uns üblicherweise die Frage: »Was für ein Gefühl habe ich bei dieser oder jener Sache?« Gefühle beeinflussen auch unsere Informationsverarbeitung.

Wie »wählen« wir zum Beispiel aus, welche Produktmarken wir wahrnehmen? Der erste Schritt im Wahrnehmungsprozess besteht in der Auslese, die häufig unterbewusst abläuft. Wir neigen dazu, das Unvertraute auszublenden (da es einer gewissen Anstrengung bedarf, auf unbekannte Reize zu reagieren). Stattdessen konzentrieren wir uns lieber auf das, was wir schon kennen, und zu dem wir leichter eine Beziehung herstellen können. Wenn wir dann einen Werbespot im Fernsehen sehen oder das Regal im Kaufhaus, klassifizieren und interpretieren wir das Markenangebot anhand unserer Reaktionen auf bestimmte Wahrnehmungen – oder aufgrund vorgefasster Einstellungen –, die ebenfalls in Emotionen wurzeln.

Ja, bisweilen analysieren Menschen die »Fakten« auf sehr rationale Weise. Doch die Emotionen sind grundlegender und bestimmender. Erinnern Sie sich: Wir fühlen, bevor wir denken, und diese Reaktionen erfolgen unterbewusst, unverzüglich und unausweichlich. Deshalb können wir unsere Reaktionen oft nicht verbal zum Ausdruck bringen. Unsere sprachlichen Fähigkeiten sind im rationalen Gehirn angesiedelt, das vielleicht gar nicht in Anspruch genommen wird, weil automatische Reaktionen hauptsächlich emotionaler Natur sind. Wie Zajonc (1980) feststellte, bedeutet die Aussage »Ich habe mich für X entschieden« häufig nicht mehr und nicht weniger als »Mir hat X gefallen« – und das reicht auch.

Warum genügt eine instinktive Präferenz im Alltagsleben im Allgemeinen und im Wirtschaftsleben im Besonderen? Der Grund besteht darin, dass emotionale Bewertungen gewöhnlich irreversibel sind, weil sie die persönlichen Einstellungen beinhalten und unsere vorgefassten Meinungen zum Ausdruck bringen. Bei unseren grundlegenden emotionalen Reaktionen irren wir uns nie im Hinblick darauf, was wir mögen und was nicht. Daher dürfen Unternehmen sich nicht darauf beschränken, nur objektiv etwas verkaufen zu wollen oder die Kunden nur auf einer rationalen Ebene anzusprechen. Zajonc hat darauf hingewiesen, dass die schlichte faktische Realität »Die Katze ist schwarz« gegenüber der emotionalen Realität der Aussage »Ich mag keine schwarzen Katzen« verblasst.

Worin besteht die letzte Stufe der Wahrnehmung? Es ist das Wiedererkennen, das abermals durch unsere Emotionen vermittelt wird. Wir neigen dazu, uns bevorzugt an jene Erfahrungen zu erinnern, die sich gut in unseren vorhandenen mentalen Rahmen eingefügt haben. Daher werden Erinnerungen durch Präferenzen gesteuert, die daraus entstanden sind, dass wir uns mit unserer Wahl wohlfühlen. Verbraucher und Mitarbeiter verteidigen häufig ihre Entscheidungen oder Handlungen unter Verweis auf Einzelheiten, die sie zuvor rational für irrelevant hielten. Woher kommt das? Es erklärt sich dadurch, dass Emotionen selbstrechtfertigend sind, weshalb sich emotionale Reaktionen vollständig vom Inhalt lösen können. Was wir früher einmal gesehen haben, prädisponiert uns für etwas, das wir irgendwann später zu Gesicht bekommen werden, weil wir zu etwas, das uns vertraut ist, eine emotionale Bindung empfinden. Diese Tatsache ist auch für die Markenentwicklung von Bedeutung (siehe dazu Kapitel 4), für das Design (Kapitel 5) und die Werbung (Kapitel 6). Ein Unternehmen mag überzeugt sein, dass es ein technologisch und funktional überlegenes Produkt anbietet, doch die Bewertungen der Verbraucher werden im Wesentlichen emotional bestimmt. Es gibt keine Objektivität, weil alles durch emotionale Reaktionen gefiltert und gefärbt wird. Die Kernaussage lautet, dass man wirtschaftlich in der Regel immer besser fährt, wenn man das aufzugreifen versucht, was die Menschen bereits emotional internalisiert und akzeptiert haben, anstatt dagegenzuhalten.

Wie Emotionen das Gehirn beeinflussen und zu Wachstum verhelfen

Zwei in einem offenen Regelkreis angelegte mentale Fähigkeiten ermöglichen uns die Nutzung der emotionalen Intelligenz bei unserem Streben nach Glück.

Wenn die schlechte Nachricht lautet, dass die Menschen von Natur aus dazu neigen, Wahrnehmungen zu kontrollieren oder sogar zu verzerren, um sie mit ihren emotional codierten Vorurteilen und Festlegungen in Einklang zu bringen (oder wenn das eine Realität ist, der Unternehmen Rechnung tragen und auf die sie sich einstellen müssen), was ist dann das Positive? Es besteht darin, dass die Menschen auch die Fähigkeit besitzen, zu lernen, zu wachsen, sich anzupassen und zu verändern. Wenn bis zu zwei Drittel des Gehirns fest verdrahtet und darauf ausgerichtet sind, die Lehren aus dem ursprünglichen Überlebenskampf zu reflektieren und umzusetzen (Pinker, 2003), bleibt noch ein Drittel, das offen ist und aufnahmebereit für neue Entdeckungen.

Lange Zeit betrachtete es die Psychologie als ihre Aufgabe, Schmerzen zu beseitigen, nämlich Neurosen zu behandeln und sich dabei der negativen Emotionen anzunehmen. Aber in der jüngeren Vergangenheit hat sich diesbezüglich ein Wandel vollzogen, der durch zwei Entdeckungen der Gehirnforschung und einen wachsenden Respekt für die Kraft positiver Gefühle (und Gedanken) angestoßen und vorangetrieben wurde.

Die erste dieser Entdeckungen ist die Neurogenese (Lehrer, 2006; Boyatzis, 2006). Dieser Begriff bezieht sich auf die Entstehung neuer Neuronen im Laufe des Lebens. Das bedeutet, dass wir nicht ein Leben lang festgelegt sind; wir besitzen die Fähigkeit, uns zu verändern. Wir haben die Möglichkeit, mentale Flexibilität zu erlangen und dadurch unser Leben zu verbessern und zu bereichern. Die Emotion spielt dabei eine unmittelbare Rolle. Das beruht darauf, dass die natürlichen chemischen Prozesse im Gehirn, welche diese Neuronen aktivieren und verdrahten, wie bereits erwähnt eine Funktion unserer emotionalen Reaktionen sind, die sich im Gehirn lauter bemerkbar machen als unsere rationalen Reaktionen. Wir bilden neue mentale Bausteine, die wir in unserem weiteren Leben einsetzen – und es liegt an uns, diese Möglichkeit optimal zu nutzen, um uns immer wieder zu erneuern. Dass wir nicht darauf beschränkt sind, vergangene Verhaltensweisen zu wiederholen, beruht auf der zweiten Entdeckung: der Existenz von Spiegelneuronen (Goldberg, 2005). Diese Neuronen ermöglichen es uns, andere Menschen zu imitieren und uns in sie einzufühlen, was zeigt, welch große Bedeutung unseren Emotionen bei der Sammlung von Informationen im zwischenmenschlichen Bereich zukommt.

Die Existenz von Spiegelneuronen bedeutet, dass wir über zwei in einem offenen Regelkreis angelegte mentale Fähigkeiten verfügen. In Verbindung mit der Neurogenese hat diese Entdeckung der Psychologie den Bereich des Emotionalen erschlossen und sie hinausgeführt über die bisher dominierenden Konzepte wie etwa den Behaviorismus und die kognitive Psychologie. Die hyperrationale Sicht des Menschen, die beispielsweise in der Figur des Mr. Spock in Star Trek zum Ausdruck kam, ist heute überwunden. Sie wurde abgelöst durch eine Betonung der Gefühle. Gestützt auf die neuen Erkenntnisse der Gehirnforschung, geht die Psychologie heute von zwei Evaluationssystemen aus. Das langsamere, denkende System wird vom schnelleren, intuitiven Gefühlssystem beherrscht, dem gebührende Beachtung geschenkt werden muss.

Die Positive Psychologie unterstreicht gemeinsam mit der Neurogenese und der Existenz von Spiegelneuronen die Bedeutung eines anderen Begriffs, den Daniel Goleman berühmt gemacht hat: der emotionalen Intelligenz. Emotionale Intelligenz in der Form, wie sie Verbraucher, Manager und Mitarbeiter an den Tag legen, bedeutet, dass man in Verbindung steht mit seinen Gefühlen (anstatt über sie nachzudenken). Es bedeutet auch, dass man in der Lage ist, sie zu verstehen, mit ihnen umzugehen und Nutzen aus ihnen zu ziehen, indem man zulässt, dass sie mit den stärker rational ausgerichteten Erkenntnissen harmonisch zusammenwirken.

Abb. 1.3 Spiegelneuronen

Ihr Name wurde daraus abgeleitet, dass sie bei der Betrachtung eines Vorgangs die gleichen Potenziale auslösen, die entstünden, wenn dieser Vorgang nicht bloß passiv betrachtet, sondern aktiv gestaltet würde. Spiegelneuronen helfen uns dadurch, andere zu imitieren, und, was vielleicht noch wichtiger ist, emotionale Verbindungen durch Empathie aufzubauen.

Dass die beiden neuen Entdeckungen der Gehirnforschung und die Konzepte der Positiven Psychologie und der emotionalen Intelligenz sich gut zusammenfügen, ist einfach zu erklären: Menschen und Unternehmen im Allgemeinen sind in der Lage, ihr Verhalten zu verbessern. Die neuen neuronalen Netzwerke, die durch die Neurogenese entstehen, können durch den Einsatz der Spiegelneuronen konstruktiver und nutzbringender werden. Mittels der emotionalen Intelligenz können wir nützliche Verbesserungen aufgreifen. Die Positive Psychologie liefert uns dazu den Anstoß, indem sie uns in dem Glauben bestärkt, dass es möglich ist, glücklicher zu werden.

Der entscheidende Faktor bleiben jedoch die Emotionen. Dass Emotionen uns innerlich steuern und äußerlich so ansteckend sind, dass sie schnell zwischen Menschen geteilt werden, legt die Grundlage dafür, dass die offenen Regelkreise des Gehirns als Wachstumsmotor eingesetzt werden können. Ohne das Feuer der Gefühle kann der Fortschritt nur auf begrenzte, rein rationale mentale Ressourcen zurückgreifen.

All dies – die Neurogenese, die Spiegelneuronen, die Positive Psychologie und die emotionale Intelligenz – hat beträchtliche Auswirkungen für den Bereich der Wirtschaft. Beginnen wir mit dem Markt. Wie wir in Kapitel 4 darstellen werden, ist die Markenentwicklung im Kern ein rein emotionaler und psychologischer Vorgang. Er bezieht sich auf Überzeugungen und mentale Modelle oder neuronale Netzwerke, durch die wir unsere Vorstellungen und Assoziationen über ein Unternehmen bilden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, welche Erfahrungen die Verbraucher im Markt machen. Diese können das Gehirn neu verdrahten, was bedeutet, dass das Konzept des Markenwerts – die Zumessung positiver Gefühle – sich heute auf sämtliche Interaktionen zwischen einem Unternehmen, den Verbrauchern und deren Ergebnisse erstreckt.

Mit anderen Worten: Die Verbindungen und Schlussfolgerungen, die sich bei der Betrachtung eines Unternehmens instinktiv in uns bilden, ergeben sich daraus, wie unsere alten und neuen Neuronen und Spiegelneuronen codiert sind. Von den Markenzeichen über die Werbung bis zur Präsentation im Einzelhandel, auf elektronischen Marktplätzen und insbesondere dem Kundendienst: Überall spielen die sensorisch-emotionalen Eindrücke und Erfahrungen, die Verbraucher aus der Begegnung mit einem Unternehmen gewinnen, eine zentrale Rolle. Denn sie bestimmen, ob das emotionale Barometer bezüglich des Markenwerts steigt oder fällt.

In Bezug auf die Arbeitswelt haben diese Zusammenhänge sogar noch stärkere Auswirkungen. Wie wir in den Kapiteln 9 und 10 zeigen werden, ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens, die Beschäftigten emotional einzubinden. Die Neurogenese ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, denn sie bedeutet, dass die mentale Kapazität der Menschen nicht auf einen bestimmten Rahmen begrenzt ist oder sich darin erschöpft. Sie verfügen vielmehr über die Ressourcen, zu wachsen und sich positiv zu verändern. Aber das gilt nur so lange, wie die Spiegelneuronen bei ihrer ständigen Beobachtung neue Signale in der Arbeitsumgebung entdecken – insbesondere von Führungspersonen und Managern –, die Anlass zu der Hoffnung geben, auf welche die Positive Psychologie setzt.

Die Erfahrungen, die Beschäftigte am Arbeitsplatz machen, können daher das Gehirn neu verdrahten, was bedeutet, dass das Konzept des Markenwerts sich auch darauf erstreckt, zwischen den Mitarbeitern konstruktive Interaktionen und Ergebnisse zu ermöglichen. Die Ansätze der emotionalen Intelligenz und der Positiven Psychologie können somit auch einen neuartigen Umgang mit betrieblichen Vorgängen wie Einstellung, Ausbildung und die Erzeugung von Feedback ermöglichen. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen, wenn sie das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter fördern und ihrem Bedürfnis entgegenkommen, in ihrer Arbeit einen Sinngehalt erkennen, einen sich selbst verstärkenden Kreislauf in Gang setzen können, der durch eine Verbesserung der Mitarbeiterzufriedenheit zu höherer Produktivität führen wird.

Wirtschaft: Die Einbeziehung der Emotionen in die Gleichung

Kurze Zusammenfassung: Neben der Psychologie wurde auch die Wirtschaftswissenschaft maßgeblich durch die Erkenntnisse der modernen Gehirnforschung beeinflusst. In der Folge rückten die Emotionen – nicht mehr allein der Verstand – in den Mittelpunkt der neuen Disziplin der Verhaltensökonomik. Wie wir hier darstellen werden, zeigt sich der Einfluss der Emotionen auf unterschiedlichsten Gebieten, bei großen Fragen wie der Differenzierung des Angebots und des Wertes in einer stark vom Wettbewerb bestimmten Weltwirtschaft ebenso wie in alltäglichen Dingen wie etwa der Art, wie Menschen auf Preise reagieren.

Wichtige Merksätze

Um Ergebnisse zutreffend vorhersagen zu können, muss man die Unwägbarkeiten der menschlichen Natur berücksichtigen.

Ein unverwechselbares emotionales Wertangebot zu unterbreiten, ist der Schlüssel zum Erfolg.

Wie Verbraucher auf Preispunkte reagieren, wird maßgeblich von ihren Emotionen beeinflusst.

Was uns die Verhaltensökonomik lehren kann

Um Ergebnisse zutreffend vorhersagen zu können, muss man die Unwägbarkeiten der menschlichen Natur berücksichtigen.

Im Jahr 2002 erhielt Daniel Kahneman von der Universität Princeton den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Seine Arbeiten haben maßgeblich zur Entwicklung der neuen Disziplin der Verhaltensökonomik beigetragen. Unter Bezug auf die neueren Erkenntnisse der Neurobiologie stellt dieser Wissenschaftszweig die herkömmlichen ökonomischen Theorien in Frage. Seine Grundthese besteht in der Annahme, dass Menschen Entscheidungen nicht in erster Linie nach logischen Gesichtspunkten treffen. Wie andere Forscher, die sich auf diesem Gebiet betätigen, weiß Kahneman, dass der Mensch ein fehlbares Wesen ist und nicht immer nach rationalen Überlegungen handelt. Stattdessen beeinflussen Faktoren wie Nächstenliebe, Gier und Rachsucht Entscheidungen viel stärker als alles andere.

Die Verhaltensökonomik, die nicht aus abstrakten Theorien entstand, sondern aus der Beobachtung der menschlichen Verhaltensweisen, beinhaltet einige grundlegende Auffassungen. Um die Darstellung zu vereinfachen, habe ich diese Konzepte jeweils einer von zwei Gruppen zugeordnet: der Kategorisierung und der Verlustaversion (Kahneman, 2005; Wahrman, Fusso und Serrins, 2003).