Freimaurer-Ärzte - Ronald Gemünd - E-Book

Freimaurer-Ärzte E-Book

Ronald Gemünd

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Beschreibung

Was hat Freimaurerei mit Vampirismus zu tun? Wofür hat sich der Freimaurer Dr. Guillotin eingesetzt? Sind der animalische Magnetismus oder die Homöopathie eine freimaurerische Erfindung? Was verbindet den Struwwelpeter mit dem genialen Detektiv Sherlock Holmes? Und was haben Vakzine mit Kühen zu tun? Antworten auf diese Fragen finden sich im vorliegenden Band, der über den Zusammenhang von Medizingeschichte und Freimaurerei informiert. Es wird von prominenten Freimaurer-Ärzten berichtet, die als Wohltäter der Menschheit bezeichnet werden können, sowie von Freimaurern, die als Politiker oder Autoren in die Geschichte eingegangen sind, deren medizinische und ethische Verdienste jedoch weitgehend unbekannt sind. Eine kleine Einführung in die Freimaurerei und ein kurzer medizingeschichtlicher Überblick leiten die Kurzbiografie bedeutender Freimaure-Ärzte ein.

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Seitenzahl: 184

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Impressum

© 2021 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-6160-0

Satz und Umschlag: Studienverlag/Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.

Inhaltsverzeichnis
Cover
Impressum
Titel
Vorwort
Kapitel 1: Kurzer Abriss über moderne Freimaurerei
Was will Freimaurerei heute?
Wie hat sich Freimaurerei entwickelt?
Wie ist Freimaurerei organisiert?
Was bedeutet Freimaurerei für die Zukunft?
Kapitel 2: Überblick über die Geschichte der Medizin seit dem Zeitalter der Aufklärung
Kapitel 3: Leben und Wirken von Freimaurer-Ärzten in chronologischer Reihenfolge
Freimaurer-Ärzte im 18. Jahrhundert
JAMES DOUGLAS, 21. März 1675 – FM 1730 – 2. April 1742Die Bauchfalte
GERARD VAN SWIETEN, 7. Mai 1700 – FM ca. 1735 – 18. Juni 1772
Erste Wiener Schule
ANTON FRIEDRICH MESMER, 23. Mai 1734 – FM 1755 – 5. März 1815
Der animalische Magnetismus
GEBRÜDER WARREN, Joseph Warren (11. Juni 1741 – FM 1761 – 17. Juni 1775), John Warren (27. Juli 1753 – FM 1761 – 4. April 1815)
Amerikanische Freiheitshelden
WILLIAM WITHERING, 28. März 1741 – FM 1763 – 6. Oktober 1799
Der Fingerhut
JOSEPH IGNACE GUILLOTIN, 28. Mai 1738 – FM 1776 – 26. Mai 1814
Die Justizreform
JEAN PAUL MARAT, 24. Mai 1743 – FM 1774 – 13. Juli 1793
Der Tod in der Badewanne
SAMUEL HAHNEMANN, 10. April 1755 – FM 1777 – 2. Juli 1843
Die Homöopathie
PERCIVAL POTT, 6. Januar 1714 – FM 1780 – 22. Dezember 1788
Der Schornsteinfeger-Krebs
CHRISTOPH WILHELM HUFELAND, 12. August 1762 – FM 1783 – 25. August 1836
Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern
Freimaurer-Ärzte im 19. Jahrhundert
EDWARD JENNER, 17. Mai 1749 – FM 1812 – 26. Januar 1823Die Kuhpocken-Impfung
JEAN CIVIALE, 5. Juli 1792 – FM 1825 – 13. Juni 1867
Die Blasenstein-Zertrümmerung
HEINRICH HOFFMANN, 13. Juni 1809 – FM 1836 – 20. September 1894
Der Struwwelpeter
Die Mayo-Dynastie und ihre KlinikWILLIAM WORRALL MAYO, 1819 – FM 1863 – 1911WILLIAM JAMES MAYO, 1861 – FM ca. 1890 – 1939CHARLES HORACE MAYO, 1865 – FM 1890 – 1939CHARLES HORACE MAYO II, 1898 – FM 1920 – 1968
ÉMILE LITTRÉ, 1. Februar 1801 – FM 1875 – 2. Juni 1881
Der Dictionnaire
JOSÉ RIZAL, 19. Juni 1861 – FM 1884 – 30. Dezember 1896
Der philippinische Freiheitsheld
SANTIAGO RAMÓN Y CAJAL, 1. Mai 1852 – FM 1877 – 17. Oktober 1934
Der Neuroanatom
ARTHUR CONAN DOYLE, 22. Mai 1859 – FM 1887 – 7. Juli 1930
Der Schöpfer des Sherlock Holmes
ANDREW TAYLOR STILL, 6. August 1828 – FM ca. 1890 – 12. Dezember 1917
Die Osteopathie
Freimaurer-Ärzte im 20. Jahrhundert
JULES BORDET, 13. Juli 1870 – FM 1908 – 06. April 1961
Der Keuchhusten
ALEXANDER FLEMING, 6. August 1881 – FM 1909 – 11. März 1955
Das Penicillin
CHARLES ROBERT RICHET, 26. August 1850 – FM ca. 1925 – 4. Dezember 1935
Die Anaphylaxie
JANUSZ KORCZAK, 22. Juli 1878 – FM 1926 – 7. August 1942
Das Waisenhaus im Warschauer Ghetto
SALVADOR ALLENDE, 27. Juli 1908 – FM 1929 – 11. September 1973
Der chilenische Präsident
JONAS EDWARD SALK, 28. Oktober 1914 – FM ca. 1930 – 23. Juni 1995
Der Kampf gegen die Kinderlähmung
Kapitel 4: Die vielen anderen bemerkenswerten, nicht prominenten Freimaurer-Ärzte
Kapitel 5: Einige Fragen zum geistesgeschichtlichen und soziologischen Zusammenhang von Medizin und Freimaurerei
Leben die Gedanken der Aufklärung in der Freimaurerei und besonders bei deren Ärzten weiter?
Gibt es Verbindendes unter den Freimaurer-Ärzten?
Waren oder sind in Logen überdurchschnittlich viele Ärzte?
Übt ein Freimaurer-Arzt eine andere Art von Medizin aus und ist er deswegen ein besserer Arzt oder Wissenschaftler?
Literaturverzeichnis
Personenverzeichnis
Glossar
Danksagung

Ronald Gemünd

Freimaurer-Ärzte

Verschwörung zum Guten

Edition zum rauhen Stein, Bd. 15

in memoriam Uta Wildenberg-Gemünd (1957–2018)

Vorwort

So klar uns der Nutzen von Impfungen und Antibiotika ist, kennen wir deren Entdecker doch nur oberflächlich. Über Freimaurerei ist selbst dem belesenen Publikum meist nur wenig bekannt und es existieren über sie immer noch etliche Vorurteile.

Ziel meines Buches ist sowohl über Medizingeschichte als auch über Freimaurerei zu informieren, anhand von bedeutenden Ärzten, die auch Freimaurer waren. Es wird von wirklich prominenten Freimaurer-Ärzten berichtet, die als Wohltäter der Menschheit angesehen werden können, sowie von Ärzten, die sich als Politiker oder Autoren einen Namen machten. Auch von weniger bekannten Ärzten aus den Logen gibt es Interessantes zu berichten.

Als Freimaurer der dritten Generation habe ich nach einer mehr als dreißigjährigen Mitgliedschaft in diesem Bruderbund einen gewissen Einblick in dessen Rituale, Symbole und Ziele.

Zudem habe ich mich seit dem Medizinstudium und der Promotion ausführlich mit der Medizingeschichte beschäftigt. So starte ich den Versuch, beide Bereiche schlaglichtartig zu beleuchten und miteinander zu verbinden.

Am Beginn des Buches steht eine Einführung in die Geschichte und die Ziele der Freimaurerei. Es schließt sich ein medizingeschichtlicher Überblick an. In den darauffolgenden Kurzbiografien der Freimaurer-Ärzte wird einerseits eine medizinhistorische Einordnung versucht, andererseits über masonische, also freimaurerische Besonderheiten berichtet.

Köln, im Februar 2021

Kapitel 1: Kurzer Abriss über moderne Freimaurerei

Auch wenn schon eine Reihe kluger Bücher (Helmut Reinalter – R, Dieter A. Binder – DG, Reinhold Dosch – DFL, die Großbuchstaben bezeichnen die Quellen am Ende des Buches) über diesen mehr als dreihundertjährigen verschwiegenen Männerbund geschrieben worden sind, ist es bei einem so vorurteilsbeladenen Thema doch sinnvoll, zunächst festzustellen, was Freimaurerei nicht ist:

Sie ist keine politische Vereinigung, erst recht keine revolutionäre Bewegung,

sie ist kein wirtschaftlicher Interessenverband, erst recht kein Verein zur gegenseitigen Bereicherung,

sie ist keine Religion und kein Religionsersatz, erst recht keine esoterische Sekte,

sie ist kein Geheimbund, erst recht keine Verschwörung zur Weltherrschaft (DFL 308).

Was ist denn Freimaurerei tatsächlich? Ich versuche eine Einführung zu geben in die Ziele, die Geschichte, den Aufbau und die zukünftige Rolle der Freimaurerei. Gleichzeitig bin ich bestrebt, die krassesten Vorurteile über den Bund zu zerstreuen oder sie zu widerlegen. Anhand ihrer Mitglieder, insbesondere ihrer prominenten Ärzte, will ich den „wohltätigen Einfluss der Maurerei“ (Zitat aus dem Ritual) aufzeigen. Im Hinblick auf gegenwärtige und zukünftige Aufgaben unseres Bundes bin ich nicht nur der festen Überzeugung, dass „Freimaurerei schon immer war“ (Lessing) sondern vor allem, dass sie auch immer (notwendig) bleiben wird.

Folgende Fragen sollen beantwortet werden: Was will Freimaurerei heute? Wie hat sich Freimaurerei entwickelt? Wie ist Freimaurerei organisiert? Was bedeutet Freimaurerei für die Zukunft?

Was will Freimaurerei heute?

Es ist fast unmöglich, das breite Spektrum der modernen Freimaurerei in einem Satz zu erklären. Eine mögliche Kurzversion lautet:

Sie ist ein ethischer Freundschaftsbund mit den besonderen Werkzeugen Ritual und Symbol.

Ethisch deswegen, weil Freimaurer sich der Brüderlichkeit, der Menschenliebe, der Toleranz, der Selbstkritik und Selbstverbesserung verpflichtet fühlen, ohne Religion oder Religionsersatz zu sein. Sie hat keine geoffenbarte Heilslehre und keine Sakramente, sie lehnt Dogmen ab. Aber sie fühlt sich (rück-)gebunden (lat. religio) an ein höheres Wesen oder ein höheres Prinzip unter dem Symbol des großen Baumeisters aller Welten.

Freundschaftsbund deswegen, weil sie unterschiedliche Menschen über alle Grenzen hinweg verbindet, ohne politische oder wirtschaftliche Interessen, aber der Toleranz und der Demokratie verpflichtet.

Für diese Ziele hat sie keinen Alleinvertretungsanspruch, aber sie bedient sich besonderer Methoden: Tempel, Ritual, Symbol und Initiation.

Den geschützten Versammlungsraum (den sogenannten Tempel), das feierliche Wechselgespräch (das Ritual), das einleuchtende Sinnbild des etwas Bauens (das Symbol) und die Einweihung in die Grade (die Initiation). Darüber bewahren die Brüder Verschwiegenheit, ohne ein Geheimbund oder gar eine Verschwörung zu sein.

Der Tempel ist der Ort der Ruhe und Nachdenklichkeit, er hilft dabei, Kräfte zu sammeln. Im Ritual wird ethische Haltung eingeübt mit der Aufforderung, diese nach außen in die Welt zu tragen. Die verschiedenen Symbole bekräftigen und vertiefen die Ideen von Gerechtigkeit, Gleichheit, Selbstverbesserung und Menschenliebe. Dies alles findet seinen Höhepunkt in der Initiation, also der Aufnahme in den Freimaurerbund oder dem Wechsel zum nächsthöheren Grad.

Wie hat sich Freimaurerei entwickelt?

Der Begriff Freimaurer, engl. freemason oder freestone mason, bezieht sich sowohl auf das Recht der mittelalterlichen Steinmetze und Baumeister frei und ungebunden reisen zu dürfen als auch auf die Fähigkeit, freistehende Steine oder Skulpturen bearbeiten zu können.

Wie ist nun dieses weltumspannende Netz entstanden? Eine Hauptquelle der modernen Freimaurerei sind die mittelalterlichen Bauhütten, z. B. jene von Straßburg, Köln oder Wien. Bauhütte bezieht sich auf den Namen loggia (Laubhütte), engl. lodge, bei uns Loge. Dort waren verschiedene Gewerke tätig: Zimmerleute, Mörtelmacher, Maurer, Steinmetze und Bildhauer. In der Blütezeit des Kathedralbaus arbeiteten dort über hundert Handwerker unter der Leitung eines Werkmeisters (magister operis, auch Baumeister).

Abb. 1: Der Baumeister nach Jost Ammans Holzschnitt von 1536 mit den Werkzeugen, die auch heute noch in den Bauhütten der Freimaurer im symbolischen Gebrauch sind.1

Die Ausbildung zum Steinmetz oder Maurer begann meist im vierzehnten Lebensjahr. Nach dreijähriger Tätigkeit als Maurer begann die Arbeit als Steinmetz und eventuell als Bildhauer. In dieser Zeit war eine mindestens einjährige Wanderschaft zu anderen Bauhütten vorgesehen. Erst danach stieg der Lehrling zum Meisterknecht oder schon zum Vertreter des Meisters auf und lernte Entwürfe, sogenannte Risse zu machen. Dann schloss sich wiederum eine Zeit der Wanderschaft an. Schließlich konnte er sich als Werkmeister bewerben. Eine derartige Ausbildung dauerte bis zu zehn Jahre. Auch als Werkmeister hat er auf verschiedenen Baustellen gearbeitet. Im Unterschied zu den meisten anderen Handwerkern, die zeitlebens in ihren Heimatstädten blieben, hat der Maurermeister Reisen gemacht und viel von der Welt gesehen. Insofern war er „frei“. Um sich in fremden Bauhütten auszuweisen, viele Handwerker konnten kaum lesen und schreiben, waren von alters her geheime Passwörter und Handzeichen üblich, die die moderne Freimaurerei übernommen hat.

Viele Symbole der Freimaurer stammen aus den mittelalterlichen Bauhütten: rechter Winkel, Zirkel, Spitzhammer, Lot, Maßstab, Knotenschnur, der unbehauene und der behauene Stein. Dieser Zeitraum wird operative Maurerei genannt, weil im wörtlichen Sinne Steine bearbeitet und Kirchen errichtet wurden.

Im 17. und 18. Jahrhundert nahm die Zahl und die Größe der Bauhütten deutlich ab, weil es kaum noch Bauaufträge gab. Die Bauhütten begannen auch Nicht-Handwerker aufzunehmen: Bürger, Adelige, Geistliche, Akademiker und auch Ärzte. Im Jahre 1645 wurde ein gewisser Dr. William Maxwell, Arzt am Hofe des schottischen Königs, in die Loge von Edinburgh aufgenommen (MS 4).

Durch die Aufnahme von Nicht-Handwerkern entstand der Begriff „freie und angenommene Maurer“. Das ist der Beginn der spekulativen Maurerei. Dort Mitglied zu werden, war attraktiv, weil der geschützte Raum der Bauhütte, die dort gepflegte Verschwiegenheit und die geheimen Erkennungszeichen aus dem Mittelalter ein ungestörtes Treffen von eventuell verfeindeten Gruppen ermöglichte: Katholiken trafen Protestanten, Bürgerliche debattierten mit Adeligen, Liberale mit Konservativen. Den operativen Werkzeugen wurde zunehmend eine spekulative oder philosophische Bedeutung zugemessen. Der rechte Winkel symbolisiert das Handeln nach Recht und Gesetz, der Zirkel die umfassende Menschenliebe, der Spitzhammer die Bereitschaft, bei sich die Ecken der Unvollkommenheit abzuschlagen und sich selbst als unbehauenen Stein aufzufassen, der in einen glatten behauenen Stein verwandelt werden muss. Erst dann kann er in den Tempelbau der Humanität eingefügt werden.

Die zweite Hauptquelle der modernen Freimaurerei sind die von den Logen aufgenommenen und dort weiterentwickelten Ideen der Aufklärung. Das vorurteilsfreie Denken zu erproben, Toleranz zu lernen, Brüderlichkeit zu leben, das fordert und fördert die spekulative Maurerei. In vielen kleinen Schritten und trotz mancher Umwege entstand so allmählich über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren die moderne Freimaurerei.

Andere Quellen von Freimaurerei wie Tempelrittertum, Alchemie oder Kabala sind wissenschaftlich wenig gesichert und spielen eine untergeordnete Rolle.

Als Geburtsstunde der modernen Freimaurerei gilt der Johannistag (der 24. Juni) des Jahres 1717, als sich fünf in London arbeitende Logen zur ersten Großloge der Welt zusammenschlossen. Sie hatten ihre Treffen zunächst in den Clubräumen von Gaststätten (z. B. „Zur Gans und zum Bratrost“) abgehalten, später wurde ein erstes Freimaurer-Logenhaus bezogen. 1723 wurde auf Anordnung des Vorsitzenden der Großloge, des Großmeisters Herzog von Wharton, von dem schottischen Geistlichen James Anderson (1680–1739) die „Constitutions“ verfasst, das erste Grundgesetz der Freimaurerei. Bereits 1721 wurde dem Großmeister Herzog von Montagu der Arzt Dr. John Beal als zugeordneter Großmeister zur Seite gestellt (KON 58). Ihm folgten in den nächsten Jahrzehnten drei weitere Mediziner in dieses hohe Amt (DRD 139). Ein anderer wichtiger Zeitzeuge der Großlogen-Gründung war der Arzt Sir Richard Manningham2 (1690–1759), Mitglied der Loge IV (Loge Royal Somerset House and Inverness), der, wie ihre heutigen Mitglieder sagen, „größten und prominentesten der fünf Gründungslogen“.

Abb. 2: Der Schwindel um Mary Toft. Die Karikatur des Freimaurers William Hogarth von 1726 zeigt unter B den Dr. Manningham, der die angeblich mit Hasen schwangere Mary Toft untersucht. Er wird als weiser Philosoph bezeichnet, der in der Tiefe nach der Wahrheit forscht. Die Begleiter (Chirurgen und Geburtsmediziner) werden als Karnickelspezialisten oder weise Männer von Godliman verspottet.3

Ihr entstammten drei der frühen Großmeister (Duke of Montague, Dr. Desaguliers und Duke of Richmond). Bereits acht Jahre nach der Großlogengründung in London existieren schon 68 Logen im Vereinigten Königreich. Von England aus eroberte die Freimaurerei schnell den europäischen Kontinent (erste Loge in Paris 1725, in Hamburg 1737, in Wien 1742 usw.), sodann die Kolonien und heute ist sie eine (fast) weltumspannende Bewegung, die die Maurer stolz „Weltbruderkette“ nennen.

Seit ihrer Gründung hat die Freimaurerei verschieden Ausformungen erfahren. Je nachdem, welche geschichtliche Quelle aufgegriffen wurde, bezogen sich die Lehrart und das Ritual mehr auf eine spätmittelalterliche Bauhütte oder auf antike Mysterien (z. B. den ägyptischen Isis- und Osiris-Kult) oder man bevorzugte das Rittertum (zum Beispiel die Tempelritter). Unterschiede bestanden und bestehen in religiösen oder philosophischen Fragen. Es gibt christliche, interreligiöse (sogenannte humanistische), deistische, agnostische und auch atheistische Richtungen. In ihrer Ausformung kann Freimaurerei eher intellektuell oder emotional-initiatorisch sein. Sie kann mehr politisch, gesellschaftlich oder karitativ ausgerichtet sein. Die heute existierenden freimaurerischen Lehrarten stellen spezifische Synthesen dieser unterschiedlichen Auffassungen dar. Demzufolge können Logen nur aus Männern oder nur aus Frauen bestehen, aber auch aus beiden Geschlechtern, und sich zusätzlich in der Anzahl der Grade unterscheiden. Reguläre Logen werden von der Vereinigten Großloge von England anerkannt, die „irregulären“ Logen nicht (siehe Seite 20). Daraus ergibt sich eine große Vielfalt freimaurerischer Richtungen auf der ganzen Welt.

Meine Loge „Zum ewigen Dom“ im Orient Köln fußt mehr auf den mittelalterlichen Bauhütten-Traditionen, sie ist nicht politisch, sondern humanistisch ausgerichtet, ihr Ritual ist eher emotional-initiatorisch, sie bearbeitet drei Grade und ist eine reguläre Männerloge.

Wie ist Freimaurerei organisiert?

Freimaurer gibt es auf allen Erdteilen, ihre Anzahl wird auf ca. fünf Millionen geschätzt. Lediglich in diktatorischen und in manchen autoritären Staaten ist sie verboten. So wurden die deutschen Freimaurerlogen 1935 von den Nationalsozialisten geschlossen und ihre Mitglieder verfolgt. Genauso waren sie im kommunistischen Herrschaftsbereich (bemerkenswerte Ausnahme: Kuba)4 und in radikal religiösen Gemeinschaften verboten. In der ehemaligen Sowjetunion arbeitet die Freimaurerei wieder, in manchen islamischen Staaten treffen sich die Freimaurer-Brüder im Verborgenen. In Deutschland (Stand 01.01.2018, JB 16) gibt es 511 Freimaurerlogen mit mehr als 14.400 Mitgliedern. Diese sind zusammengeschlossen zu den Vereinigten Großlogen von Deutschland. Die österreichische Großloge zählt 3.500 Mitglieder in 37 Logen. Die schweizerische Großloge Alpina vereint in 80 Logen ebenfalls ca. 3.500 Brüder. Außerhalb dieser Zusammenschlüsse existieren noch Frauenlogen, gemischte Logen (das heißt männliche und weibliche Mitglieder) sowie einige freimaurerähnliche Vereinigungen. Logen sind in diesen Ländern eingetragene Vereine, ihre Vorsitzenden sind im öffentlichen Vereinsregister nachzulesen. Ihre juristischen Belange sind im Vereinsrecht festgelegt.

Über Internet oder durch persönliche Ansprache erhält man den Erstkontakt mit einer Loge, man wird zu den sogenannten Suchenden-Abenden eingeladen. Hier erfährt der Interessierte mehr über Freimaurerei, dabei lernt die Loge den eventuell aufzunehmenden Menschen näher kennen. Wenn beide Seiten Zutrauen gefunden haben, reicht der Suchende seinen Aufnahmeantrag ein und die Loge stimmt demokratisch über seine Aufnahme ab.

Der neue Bruder wird als Lehrling aufgenommen und nach einigen Monaten zum Gesellen (zweiter Grad) befördert und schließlich zum Meister (dritter Grad) erhoben. Er könnte jetzt auch in einer demokratischen Wahl zum Vorsitzenden seiner Loge gewählt werden, dem sogenannten Meister vom Stuhl. Die Stuhlmeister wählen alle vier Jahre ihre oberste Spitze, den Großmeister. Dieser tritt auch bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen auf, z. B. der Verleihung des freimaurerischen Literaturpreises. Jedes Land hat seine eigene Großloge oder mehrere Großlogen, die sich dann zu einer Vereinigten Großloge zusammenschließen müssen.

Abb. 3: Tempelarbeit in einer englischen Loge, nicht mehr in einer Gastwirtschaft, sondern in einem festlichen Raum mit Musikanten und Orgel. Stich von C. Ewart (nach einem Gemälde von S. Watson)5

Dies sind die vier wichtigsten Voraussetzungen, um von der Englischen Großloge als reguläre Freimaurerloge anerkannt zu werden:

1. Der Glaube an ein göttliches Wesen oder ein göttliches Prinzip,

2. das Auflegen der Bibel als Buch des heiligen Gesetzes sowie

3. das Verbot von politischen oder religiösen Streitgesprächen und

4. ausschließlich männliche Mitglieder.

Eine bedeutende Gruppe der europäischen Freimaurerei mit immerhin mehr als 50.000 Mitgliedern gehört zur Französischen Großloge (Grand Orient de France). Sie nimmt auch Atheisten auf. Anstelle der Bibel wird ein Buch mit weißen, das heißt leeren, Seiten aufgelegt und politische Diskussionen sind erlaubt, sogar erwünscht. Diese Form von Freimaurerei wird von der Englischen Großloge nicht anerkannt und als irregulär bezeichnet.

Eine Weltspitze der Freimaurerei („die geheimen Oberen“) existiert nicht.

In Deutschland wie in den meisten Staaten arbeiten verschiedene Freimaurer-Richtungen, wie z. B. die humanistischen, die christlichen oder die Hochgrad-Logen nebeneinander. Sie sind überwiegend als reine Männerlogen organisiert, aber es gibt auch Frauen- und gemischte Logen.

Alle zwei bis vier Wochen treffen sich die Logenmitglieder zu einer Tempelarbeit, zusätzlich gibt es Veranstaltungen mit Ehefrauen bzw. Partnern und Partnerinnen oder Öffentlichkeitsabende mit Vorträgen, Ausstellungen oder musikalischen Darbietungen.

Abschließend kehre ich zu den Punkten zurück, was Freimaurerei nicht ist. Sie ist keine politische Partei, aber Toleranz und Brüderlichkeit sollten auch das politische Klima günstig beeinflussen. Die wirtschaftlichen Verpflichtungen gestalten sich wie bei vielen Vereinen: Aufnahmegebühr und Jahresbeitrag entsprechen dem eines Karnevalvereins oder eines Golfklubs. In Not geratenen Mitgliedern wird selbstverständlich geholfen. Bei jeder Tempelarbeit wird für karitative Zwecke gesammelt, beispielsweise für das Freimaurerische Hilfswerk oder für lokale Projekte. Bezüglich der Religionsähnlichkeit ihrer ethischen Ziele sei an die freimaurerische Verpflichtung erinnert, dem allgemeinen Sittengesetz zu gehorchen und an ein höheres Prinzip zu glauben. Logen sind nicht geheim, aber verschwiegen (laut Goethe ein „öffentliches Geheimnis“). Bei seiner Aufnahme verspricht der Bruder Stillschweigen über Ritual und Erkennungszeichen zu bewahren.

In England formuliert man das Ziel der Freimaurerei so:

to make good men better

oder allgemein

gute Menschen besser machen

Was bedeutet Freimaurerei für die Zukunft?

In früheren Jahrhunderten blieben unterschiedliche Gruppen weitgehend voneinander getrennt. Muslime hatten kaum Berührungspunkte mit Christen, Katholiken und Protestanten blieben unter sich, auch die Trennung von Arm und Reich selbst innerhalb einer Gruppe wurde eingehalten. Diese Abgrenzung wurde als gottgewollt hingenommen. Ein Austausch zwischen den Gruppen war eher selten (meist wirtschaftlicher Natur) und die Gefahr kriegerischer oder revolutionärer Auseinandersetzungen entsprechend groß. Die kommenden Jahrzehnte werden dadurch gekennzeichnet sein, dass höchst unterschiedliche Menschen in immer engerer Nachbarschaft zusammenrücken. Es ist notwendig, Menschen trotz ihrer verschiedenen Religionen, Ethnien, Weltanschauungen, politischen Meinungen und ungeachtet ihrer sozialen Stellung zusammenzuführen, um die drängenden Probleme wie Frieden, Umwelt und Ernährung anzugehen. Hier ist nicht zuletzt die integrative, ausgleichende und harmonisierende Kraft der Freimaurerei gefordert. Nur mit Toleranz, Menschlichkeit und angewandter Ethik lassen sich Konflikte vermeiden. Wir wollen dem Freimaurer Lessing folgen und „laut denken mit einem Freunde“, denn Freimaurerei ist „nichts Willkürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas Notwendiges“.

Kapitel 2: Überblick über die Geschichte der Medizin seit dem Zeitalter der Aufklärung

Das bislang erfolgreichste Konzept der Medizin ist die sogenannte Viersäftelehre oder Humoralpathologie. Der Gedanke, dass alle Krankheiten durch ein falsches Mischungsverhältnis von Blut, Schleim, gelber und schwarzer Galle hervorgerufen würden, hat die Ärzte von Hippokrates’ Zeiten bis zur späten Aufklärung beschäftigt. In der Volks- und Laienmedizin hat diese Idee noch lange weiterbestanden und existiert in manchen Redewendungen noch heute. „Man muss diese Erkrankung ausschwitzen“ oder „jene Krankheit entsteht durch schlechtes Blut“ sind nur zwei Beispiele. Den Säften wurden jeweils besondere Eigenschaften, Patientencharaktere und Organe zugeordnet. Beispielsweise hatte die schwarze Galle die Eigenschaften kalt und trocken, sie bewirkte beim Patienten die Melancholie und war der Milz zugeordnet. Von den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft war die schwarze Galle der Erde verbunden und stand astrologisch unter dem Zeichen des Saturn. Eine krankhafte Mischung der vier Säfte war an den Symptomen der Erkrankung, an der Veränderung des Pulses (Pulslehre) und des Urins (Urinschau oder Uroskopie) zu erkennen. Mit einer Diät und einer Änderung der Lebensweise bezüglich Schlaf, Bewegung, Sexualleben usw. erreichte man ein normales Verhältnis der „Humores“ und unterstützte es durch Pflanzenmedikamente, denen entgegengesetzte Eigenschaften zugeschrieben wurden. Bei einem Überschuss an schwarzer Galle (kalt und trocken) wurden Mittel mit feucht-warmen Eigenschaften verordnet. Um die gute Mischung der Säfte wiederherzustellen, waren oft sogenannte ableitende Maßnahmen notwendig. Durch Medikamente wurde Schwitzen, Erbrechen oder Durchfall herbeigeführt. Im 17. und 18. Jahrhundert war der Einlauf oder das Klistier in Mode. Die am meisten verbreitete ableitende Methode war der teils exzessiv durchgeführte Aderlass. Je nach Erkrankung wurde entweder eine kleinere Blutmenge durch die aufgekratzte Haut mittels eines erwärmten Glasgefäßes per Sog (das abkühlende Glasgefäß erzeugte einen leichten Unterdruck) entfernt. Man nennt das Schröpfen. Im übertragenen Sinn wird es damals wie heute benutzt, wenn jemand um sein Geld erleichtert wird.

Häufiger jedoch wurden durch Venenschnitt (venae sectio) größere Blutmengen abgelassen. Es lag in der Kunst des Arztes, die für die Erkrankung richtige Vene (am Arm, an der Schläfe oder am Bein) zum richtigen Zeitpunkt (je nach Sternzeichen) zu öffnen und die richtige Blutmenge zu entnehmen. Ein fiebernder Patient mit hochrotem Kopf war nach dem Aderlass blasser und ruhiger. Das wurde als Besserung der Erkrankung interpretiert. Aber Aderlass wurde unterschiedslos bei fast allen Indikationen angewendet, sehr viele Patienten sind trotz dieser Therapie verstorben und nicht wenige an ihr.

Auch aus heutiger Sicht ist das Konzept vom rechten Mischungsverhältnis nicht abwegig. Nur sind es nicht mehr vier Säfte oder Substanzen, sondern 40.000 oder mehr, die das Gleichgewicht im gesunden Organismus aufrechterhalten. Denken Sie an Zuckeraufnahme und Insulin, die (stark vereinfacht) den Glukosespiegel im Blut steuern. Ebenso kompliziert sind Mechanismen, die die Blutgerinnung, den Hormonhaushalt, den Fettstoffwechsel oder die Immunabwehr regeln. Die Steuerung läuft über mehrere Substanzen oder Botenstoffe, die durch positive oder negative Rückkopplung miteinander verknüpft sind. Ein Überschuss an Blutzucker bewirkt eine Ausschüttung des Zucker senkenden Insulins. Die Regelwerke sind zusätzlich miteinander verbunden (der Hormonhaushalt beeinflusst zum Beispiel die Immunabwehr). Fast täglich finden die Wissenschaftler neue Substanzen (z. B. bei der genetischen Steuerung), die zu einem höchst komplexen, noch nicht vollständig verstandenen Netzwerk gehören, das wir den menschlichen Körper nennen. Aber das rechte Verhältnis dieser Substanzen wird nach wie vor als Gesundheit bezeichnet.

Die Medizin vor der Aufklärung war gekennzeichnet vom unerschütterlichen Glauben an die antiken Autoritäten. Die Bücher von Hippokrates, Celsus, Galen und Avicenna wurden immer wieder in teils fehlerhaften, schlechten Übersetzungen gelesen, später neu übersetzt und korrigiert, teils kommentiert und mit Einzelbeobachtungen versehen (nur wenn diese nicht der Lehrmeinung widersprachen) oder es wurde kompiliert, das heißt Aussagen zu gleichen Erkrankungen von verschiedenen Autoritäten zusammengefasst.