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Das Buch beinhaltet keine theoretische Abhandlung des Themas Führung. Es basiert auf Erfahrungsbeispielen, welche ich in meiner bisherigen Laufbahn gemacht habe. Auf diese Weise soll der Leser in ganz konkrete Situationen eingeführt werden und direkt erleben, was die jeweiligen Konsequenzen waren. Die Beispiele analysiere ich jeweils im Anschluss und fasse die wichtigsten Erkenntnisse daraus zusammen.
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Seitenzahl: 202
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FÜHREN VOR WISSEN
Wieso der Führungsstil entscheidend ist
Martin Arnold
© 2024 Martin Arnold
Umschlag, Illustration: Martin Arnold
Lektorat: Romy Schneider
Korrektorat: Günter Trost
Übersetzung: -
Weitere Mitwirkende: -
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
ISBN 978-3-347-98127-0
Hardcover
ISBN 978-3-347-98128-7
e-Book
ISBN 978-3-347-98129-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
I. Vorwort: Zum Aufbau dieses Buches
II. Einleitung: Hinführung zum Thema
Eine schwierige Situation
Kapitel 1 – Was zeichnet gute Führung aus?
Macht – und was sie aus Menschen macht
Machtspiele im Militär, erster Teil
Die Rolle des CEO
Machtspiele im Militär, zweiter Teil
Die Marktstudie
Gründung einer Tochtergesellschaft
Machtwechsel
Erkenntnisse zum Thema
Eigenverantwortung, Kontrolle und Wertschätzung
Aufbau einer HR-Organisation
Als Führungsperson übergangen werden
Die Geschichte mit den Parkplätzen
Büroerweiterung
Erkenntnisse zum Thema
Umgehen mit Fehlern und Konflikten
Fehler beim Bau
Das Finanzamt
Bewerber für eigene Zwecke missbrauchen
Erkenntnisse zum Thema
Kommunikation
Unterstützung von unerwarteter Seite in der Projektleitung
Wie Kommunikation nicht geht
Unerwartete Respektsbekundung
Erkenntnisse zum Thema
Selbstmanagement
Sich selbst falsch einschätzen
Sich ausschließlich mit Gleichgesinnten umgeben
An der Aufgabe wachsen
Erkenntnisse zum Thema
Zivilcourage
Respektlos gegenüber der Mitarbeiterin
Die Präsentation für den CEO
Erkenntnisse zum Thema
Entscheidungskompetenz
Beim GL-Meeting im Stich gelassen
Entscheidungsfindung Hallenkauf
Eigenentwicklung eines RJ45-Moduls
Erkenntnisse zum Thema
Hohe Ziele stecken, Erfolge feiern
Übergroßes Bauprojekt
Aushilfe in einem anderen Bereich
Erkenntnisse zum Thema
Richtige Fragen stellen
Produktion von Kunststoffteilen in China
Erkenntnisse zum Thema
Coaching
Coaching der Mitarbeiter
Leadership-Kurse
Sich selbst coachen lassen
Erkenntnisse zum Thema
Kapitel 2 – Genügt das theoretische Wissen?
Die Vielschichtigkeit des Menschen
Zwischenmenschliche Faktoren
Verschiedene Ansätze
Erfolg und Niederlage sind nahe beieinander
Kapitel 3 – Der Weg zu einer guten Führungskraft
Erfahrung macht den Unterschied
Wie wichtig ist Talent?
Verstecktes Talent
Ausbildung „on the job“
Die Verantwortung für gute Führung
Kapitel 4 – Alles auf einen Blick
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Titelblatt
Urheberrechte
I.Vorwort: Zum Aufbau dieses Buches
Kapitel 4 – Alles auf einen Blick
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I. Vorwort: Zum Aufbau dieses Buches
Führung oder Leadership ist ein riesengroßes Thema, das viele Ausprägungen hat und bei dem es vor allem kein Richtig oder Falsch gibt. Darüber zu schreiben ist gerade deshalb eine undankbare Aufgabe. Es wird nie gelingen, alle Bereiche in einem einzigen Buch bis in die Tiefe zu durchleuchten. Und doch hat der Leser, also Sie, der ein solches Buch in die Hände nimmt, insgeheim genau diese Erwartung. Wieso sollte ich mich also an dieses Thema heranwagen, zumal es mein allererstes Buch überhaupt ist. Da kann ich doch nur verlieren, oder?
Ich habe in meiner beruflichen Karriere die verschiedensten Aspekte von Führung kennengelernt, war ich doch in ganz unterschiedlichen Firmen tätig. Vor allem bin ich schon sehr früh in meine erste Führungsaufgabe hineingerutscht. Am allermeisten hat mich an diesem Thema immer fasziniert, dass nie vorhersehbar war, was als Nächstes in einer bestimmten Situation passieren würde, auch nach vielen Jahren in anscheinend wiederkehrenden ähnlichen Situationen nicht. Es hat mich immer, und tut es noch heute, extrem überrascht, wie Menschen unter gewissen Gegebenheiten reagieren. Ich bin auch oft an die Grenzen meiner Fähigkeiten gestoßen und wurde des Öfteren herausgefordert.
So habe ich verschiedentlich Unterstützung und Support gesucht, habe Leadership-Kurse besucht und Bücher gelesen. Ja, vielleicht hat mich das sogar ein wenig weitergebracht oder ich kannte danach wenigstens die Fachbegriffe für gewisse Verhaltensweisen. So wirklich nachhaltig konnte ich für mich aber nie etwas mitnehmen. Mir hat vor allem auch immer die Verbindung zwischen Theorie und Praxis gefehlt. So erging es mir, wie wahrscheinlich vielen, die sich diesem Thema ernsthaft annähern möchten. Jeweils kurz nach der Absolvierung eines Kurses oder nach dem Lesen eines Buches war ich enttäuscht, dass ich nicht wirklich weitergekommen bin. Und doch halte ich das Thema für so wichtig, dass ich nicht einfach aufgeben wollte. Und so ist die Idee für dieses Buch entstanden. Aber ich möchte gleich zu Beginn ehrlich sein: Wenn Sie die nächsten Seiten gelesen haben, sind Sie nicht automatisch eine bessere Führungskraft, das schafft leider auch dieses Buch nicht. Aber ich habe schon den Anspruch, dass Sie danach zumindest einen Weg sehen, wie Sie sich verbessern können. Den Weg gehen müssen Sie jedoch selbst.
Mein Buch ist ganz bewusst keine Abhandlung von Theorien und Erklärungen zu Begrifflichkeiten. Dazu gibt es schon genug Literatur. Ich habe versucht, einen anderen Weg zu gehen, werde sehr viele Beispiele bringen und hoffe, Sie damit zum Nachdenken anzuregen. Kein einziges dieser Beispiele ist eine Konstruktion einer Geschichte mit einem selbst gestrickten Ausgang, welcher zu einer vorher gemachten Behauptung passt. Nein, jedes Beispiel entspricht einer Gegebenheit, der ich im realen Leben begegnet bin. Und bei jeder Geschichte habe ich etwas gelernt, denn meine Reaktion war – im Nachhinein betrachtet – alles andere als immer richtig. Aber nur so kann man schließlich weiterkommen – auf dem nicht endenden Weg eine bessere Führungsperson zu werden.
Der Anonymität willen habe ich bei diesen Geschichten aus meinem Leben die Namen der involvierten Personen abgeändert. Es geht ja auch gar nicht um sie, sondern um ganz spezifische Verhaltensweisen, die sehr unterschiedlich sein können.
So, damit wünsche ich Ihnen viel Spaß und hoffe, dass meine Zeilen Sie zum Nachdenken anregen. Damit hätte ich mein Ziel – die Arbeitsumstände der vielen Mitarbeitenden, die alle von einer Führungsperson abhängen, etwas zu verbessern – schon erreicht. Ja genau, nur wenn Sie als Führungskraft beginnen, über Ihre Führungstätigkeit nachzudenken, sie zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen, begeben Sie sich auf den Weg, darin besser zu werden.
II. Einleitung: Hinführung zum Thema
Eine schwierige Situation
Der Außendienstmitarbeiter, nennen wir ihn Klaus, stand bei Erwin im Großraumbüro und unterbrach ihn offensichtlich bei seiner Arbeit. Ich war zu weit weg, um den Beginn des Gespräches zu hören, hatte aber schon kein gutes Gefühl, als ich Klaus kommen sah. Dazu muss man wissen, dass in diesem Büro etwa zwanzig Mitarbeiter aus dem Produktmanagement und dem Engineering saßen. Alle hatten zwei Tische direkt am Fenster längsseitig angeordnet, damit neben der Tätigkeit am Computer auch noch genügend Platz für irgendwelche Versuchsaufbauten oder Ähnliches blieb. Dazu kam, dass das Büro komplett offen gehalten war, es gab keine Trennwände, wo man ein Stück Privatsphäre hätte suchen können. Klaus war also für alle sichtbar und so richtig ausgeliefert.
Wenn man schon einmal etwas von Körpersprache und dem Verhalten von zwei Personen, die sich offensichtlich nicht auf Augenhöhe begegnen, gehört hatte, sah man sofort, dass Klaus schon im Tiefstatus (das ist die Person in einem Gespräch, welche sich dem Gegenüber untergeordnet fühlt) das Gespräch mit Erwin begann. Es dauerte dann auch keine Minute, bis Erwin laut wurde: „Du kannst mich doch nicht einfach so aus meiner Arbeit reißen, ich bin schon seit Stunden an diesem technischen White Paper und muss es dringend fertigstellen!“
Klaus wurde noch ein Stück kleiner und versuchte diplomatisch zu bleiben. Aber dazu war es bereits zu spät. Die Aufmerksamkeit des ganzen Büros war auf einen Schlag auf die beiden gerichtet. Während Erwin das nichts auszumachen schien, wäre Klaus wohl am liebsten im Boden versunken.
„Was? Ich soll mitkommen zum Kundengespräch und das schon kommende Woche? Das ist komplett ausgeschlossen und bringt meinen ganzen Terminkalender völlig durcheinander. Wieso könnt ihr bei den Schulungen, die ich euch immer wieder gebe, nicht besser aufpassen? Ihr müsst das doch endlich eigenständig lösen, für was werdet ihr denn hier sonst bezahlt?“
Ich staunte, wie Klaus trotz der eskalierenden Situation und des immer lauter werdenden Tonfalls seines Gegenübers hartnäckig blieb und die Schimpftiraden über sich ergehen ließ. Offensichtlich war es nicht das erste Mal, dass er so zusammengestaucht wurde. Auch dass von all den anderen im Büro niemand etwas sagte, sondern sich alle schnell wieder auf ihre eigene Arbeit konzentrierten, überraschte mich sehr.
Da fiel mir plötzlich ein, dass ich als neuer Vorgesetzter von Erwin ja eigentlich in der Verantwortung stand. Instinktiv erhob ich mich kurz aus meinem Stuhl, setzte mich aber wieder hin, bevor ich richtig stand. Mir war sofort klar, dass ein direktes Eingreifen die Sache nur massiv verschlimmert hätte.
Inzwischen hatte sich die Situation auch wieder etwas entspannt. Klaus schaffte es, dass Erwin auf den Gebäude-Grundrissplan seines Kunden schaute und sich sofort in die technischen Details vertiefte. Nun änderte sich Erwins Tonfall und er begann, sich über den schlechten Plan zu ärgern, darüber, dass man gar nicht an die zu verlegenden Datenkabel gedacht hatte. Klaus war sichtlich froh, dass er nicht mehr im direkten Schussfeld stand und begann, die hohe Kompetenz und die Unverzichtbarkeit von Erwin hervorzuheben.
Und das funktionierte tatsächlich. Erwin war jetzt der Ansicht, dass er unbedingt mit zum Kunden gehen müsse. „Schließlich ist es höchste Zeit, dass der Kunde endlich sein Augenmerk auf die wichtigen Details legt!“
Die beiden fanden also eine Lösung und Klaus verabschiedete sich wieder. Erwin murmelte leise noch etwas von Inkompetenz und falsch gelegtem technischem Fokus vor sich hin, vertiefte sich dann aber wieder in seine eigentliche Arbeit. Die Ruhe war ins Büro zurückgekehrt.
Ich war erst drei Monate in dieser Firma und kannte mich mit dem Produktportfolio noch nicht sonderlich gut aus. Aber natürlich hatte ich schon mitbekommen, dass das technische Wissen im Fachgebiet von Erwin innerhalb der Firma von niemand anderem auch nur annährend erreicht wurde. Die Schulungen, die Erwin nur für mich als seinem neuen Vorgesetzten organisiert und selbst gehalten hatte, waren eindrücklich und bis in die technischen Details fundiert. Vor allem fiel mir dabei auf, wie hilfsbereit und ausgenommen freundlich Erwin auftrat. Ich gewann schnell Respekt vor ihm, auch weil er zwar Ende fünfzig, aber noch sehr vital und blitzschnell im Finden von Zusammenhängen war. Umso mehr überraschte mich die Situation eben mit Klaus, und mir fiel es schwer, diese einigermaßen einzuordnen.
Natürlich konnte ich das Geschehene nicht einfach so stehen lassen, sondern musste darauf zurückkommen. Wie Sie sich vorstellen können, sind das jeweils Situatiownen, denen man als Führungskraft am liebsten aus dem Weg gehen würde. Aber genau das wäre das Falscheste, was Sie überhaupt tun könnten. Denn damit würden Sie eine solche Eskalation stillschweigend akzeptieren und könnten sicher sein, dass es wieder passieren würde. Immerhin das war mir sofort klar, auch wenn ich noch keine Idee hatte, wie ich hier konstruktiv korrigierend einwirken könnte.
Gleich am nächsten Morgen ging ich auf Erwin zu und fragte ihn, wann er im Verlaufe des Morgens eine Stunde Zeit für mich hätte. Natürlich hatte er auch jetzt wieder sehr viel zu tun, sicherte mir aber zu, kurz vor dem Mittag etwas Zeit freischaufeln zu können.
„Erwin, wir kennen uns noch nicht lange und ich habe dich bisher als sehr zuvorkommend und hilfsbereit wahrgenommen. Mir ist auch bereits aufgefallen, wie wichtig deine Fachkompetenz ist, und dass wohl deswegen alle etwas von dir wollen“, begann ich das Gespräch.
Erwin schaute mich mit großen fragenden Augen an und hatte offensichtlich keine Ahnung, um was es in der kommenden Stunde gehen sollte. Deshalb versuchte ich ihn abzuholen: „Ich würde gerne auf das Gespräch von dir mit Klaus von gestern zurückkommen. Wie ist das aus deiner Sicht verlaufen?“
Jetzt rollte Erwin mit den Augen: „Ach, weißt du, ich habe immer wieder solche Anfragen und es ärgert mich, wenn wir im technischen Verständnis keinen Schritt vorwärts kommen und ich immer so spontan für Kundengespräche zur Verfügung stehen muss. Aber am Schluss konnten wir doch eine Lösung finden und werden zusammen beim Kunden vorbeigehen. Damit verliere ich zwar schon wieder etwas Zeit für meine anderen Projekte, aber mehr als arbeiten kann ich ja nicht.“
Es blieb mir nichts anderes übrig, als noch konkreter zu werden: „Sag mal, Erwin, dir ist aber schon aufgefallen, wie du Klaus behandelt, und dass du ihn vor versammelter Mannschaft bloßgestellt hast?“
Jetzt schlug die Reaktion in Erstaunen um und Erwin blieb für einen Moment ruhig. „Was, wie meinst du das?“, brachte er endlich heraus.
„Na ja, Klaus muss sich nach diesem Gespräch schrecklich gefühlt haben und für alle anderen Anwesenden war es bestimmt auch nicht besonders hilfreich und motivierend“, antwortete ich. „Und ganz ehrlich, Erwin, ich kann und will das nicht akzeptieren. Ich erwarte von dir, dass du dich beherrschst und nicht dermaßen überreagierst. Immerhin bist du gerade für alle Jüngeren im Team ein Vorbild. Bitte verhalte dich beim nächsten Mal verständnisvoller und bleib ruhig.“
Erwin war völlig verstört. Er hatte offensichtlich ein komplett anderes Selbstbild und ihm war sichtlich entgangen, wie seine Außenwirkung war. Jetzt entwickelte sich ein langes Gespräch zwischen uns beiden, bei dem mir Erwin erzählte, dass er noch nie ein solches Feedback wie jenes gerade eben von mir erhalten hatte. Das erklärte auch die Reaktion beziehungsweise die Nicht-Reaktion von allen im Büro gestern. Für alle war das nichts Besonderes, aber es war auch noch nie jemand auf die Idee gekommen, dieses heikle Thema anzusprechen.
Ich war aber vor allem froh, dass sich Erwin nun sehr offen für eine Verbesserung seiner Verhaltensweise zeigte. Er hätte ja auch ganz anders reagieren und zum Beispiel laut werden können.
Zum Schluss verblieben wir so, dass ich Erwin in Zukunft regelmäßig Feedback geben würde und wir zusammen in kleinen Schritten versuchen wollten, die Gesamtsituation zu verbessern. Es wartete viel Arbeit auf uns beide, aber wir konnten tatsächlich Verbesserungen erreichen und bald machte es die Runde, dass Erwin seit einiger Zeit viel umgänglicher geworden war.
Aus diesem einleitenden Beispiel lassen sich bereits einige führungsrelevanten Kriterien ableiten. Wir wollen uns für den Moment aber auf eine ganz spezifische Fragestellung konzentrieren, welche uns viel später im Buch beschäftigen wird:
Was war nötig, um die Situation mit Erwin zu klären und in die richtigen Bahnen zu lenken? Ging es dabei um Fachkompetenz im technischen Gebiet? Und wenn nicht, ist dann Fachkompetenz überhaupt notwendig, um eine gute Führungspersönlichkeit sein zu können? Oder ist es nicht vielmehr entscheidend, sich im Thema Führung auszukennen und da das richtige Werkzeug anzuwenden, um schwierige Situationen nachhaltig zu lösen?
Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass in der heutigen Zeit der Fokus für die Besetzung einer Führungsposition zu großen Teilen auf der fachlichen Kompetenz liegt. Das gilt nicht nur für Mitarbeiter, die gar nicht die Ambition haben, in eine Führungsaufgabe hineinzuwachsen, sondern insbesondere auch für Angestellte mit Personalverantwortung. Werden solche Stellen intern besetzt, wird sehr oft der beste Fachspezialist, die beste Fachspezialistin ausgewählt. Ob diese Person auch Führungskompetenz aufweist, wird erst gar nicht gefragt. Oft ist das Resultat einer solchen Wahl nicht nur, dass man kein besonders gutes Team erhält, sondern auch, dass man einen guten Fachspezialisten verliert, weil diese Person sich jetzt um Dinge kümmern muss, die ihr gar nicht liegen. Nicht selten verlassen solche Mitarbeiter über kurz oder lang das Unternehmen.
In externen Ausschreibungen solcher Stellen steht zwar schon auch, dass man Führungserfahrung mitzubringen hat, der Fokus wird aber auch hier auf das Fachthema gelegt. Da wird bei der Ausschreibung auch ins Detail gegangen und genau beschrieben, was an Fachkenntnissen alles mitzubringen ist. Führungspersönlichkeiten, die nicht aus genau dieser Branche kommen, werden schon bei der Sichtung der Unterlagen aussortiert.
Aber wieso ist das so? Wieso ist die Wirtschaft in Bezug auf dieses Thema noch immer im letzten Jahrtausend hängen geblieben?
Einerseits mag hier eine Rolle spielen, dass die Firmen gar nicht wissen, welche Kriterien eine gute Führungskraft mitzubringen hat. Wie soll man das herausfinden, welche Fragen sind bei einem Bewerbungsgespräch zu stellen? Auf was muss man speziell achten? Es fehlt schlicht das Wissen dazu, also fragt man lediglich, ob man schon Führungserfahrung mitbringt, und belässt es dabei.
Andererseits ist das Thema den Firmen auch in der heutigen Zeit noch immer nicht wichtig genug. Sie haben keine Lösung für schlechte Führungskultur und klammern das Thema einfach aus. Oder aber sie organisieren teure Leadership-Workshops und sind dann erstaunt, dass damit keine nachhaltige Wirkung erzielt wird. Aber lassen Sie mich noch einmal zur Frage von vorhin zurückkommen. Kann man tatsächlich auch führen, wenn man im Fachgebiet keine Vorkenntnisse mitbringt? Und angenommen das wäre wirklich möglich, was wäre dann die Konsequenz daraus? Müsste es dann nicht ein eigenes Fachgebiet Führung geben? Ich meine Führung als Fachrichtung, für welche ein Studium besucht werden könnte? Oder ist das jetzt zu extrem, zu schwarz-weiß gedacht?
Kapitel 1 – Was zeichnet gute Führung aus?
In diesem längsten Teil dieses Buches wollen wir uns darauf konzentrieren, herauszufinden, welche Eigenschaften notwendig sind, um eine gute Führungspersönlichkeit zu werden. Die folgende Liste ist nicht abschließend, sollte aber die wichtigsten Kriterien streifen und eine gute Basis bilden. Außerdem sind es die Punkte, die mir immer wieder begegnet sind und ich auch deshalb als wichtig erachte.
Macht – und was sie aus Menschen macht
Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, spielt Macht beim Thema Führung eine sehr große Rolle. Aus diesem Grund beginnen wir auch mit diesem doch recht heiklen Punkt. Und obwohl Macht als solches negativ konnotiert wird, ist eigentlich nichts Verwerfliches dabei. Woher kommen also die negativen Gefühle und was bedeutet das genau? Dem wollen wir im Folgenden etwas nachgehen.
Machtspiele im Militär, erster Teil
In der Schweiz war es zu meiner Zeit zumindest noch so, dass man nicht um das Thema Militär und die Dienstpflicht herumkam. So erreichte auch mich die Armee mit 19 Jahren und ich wurde einberufen und als Füsilier der Infanterie zugeteilt. Das war zwar nicht besonders prickelnd und ich hätte mit meiner technischen Ausbildung sehr gerne etwas anderes gemacht. Aber wenigstens musste ich nicht schwer tragen.
In der Rekrutenschule fand ich mich relativ schnell zurecht und versuchte mit möglichst wenigen Problemen durch diese Zeit zu kommen. Was mich allerdings immer wieder störte, waren diese Schikanierereien, die immer mal wieder veranstaltet wurden. So mussten wir zum Beispiel regelmäßig Reaktionsübungen beim Antrittsverlesen über uns ergehen lassen. Das ging dann zum Beispiel so, dass wir am Morgen bei der Versammlung der ganzen Truppe und vor dem Beginn des eigentlichen Übungstages nicht einfach nur die Instruktionen für den Tag entgegennahmen, sondern ab und zu auch „aufgeweckt“ wurden. Wenn der Feldwebel oder der Kompaniekommandant das Gefühl hatte, dass wir zu müde dastanden, hetzte einer der beiden uns mit kurzen, knappen Befehlen über den ganzen Militärplatz. Dabei musste man auf die gegebenen Befehle schnellstmöglich reagieren und jeweils nach vorne, hinten, links oder rechts losrennen, bis nach ein paar Sekunden der Stopp-Befehl kam und es anschließend in eine andere Richtung weiterging. Das war, wie Sie sich vorstellen können, nicht nur nicht besonders lustig, sondern auf eine Art auch demütigend. Mir wurde dabei sehr eindrücklich bewusst, wie man Macht ausspielen und auch missbrauchen kann. Dann war da aber noch eine andere Sache, die mich massiv störte. Da wir die Infanterie der Schweizer Armee waren, wurden wir entsprechend oft im Feld ausgebildet. Und natürlich ging man nicht zum Mittagessen zurück in die Kaserne, sondern nahm das Essen direkt vor Ort ein. Das muss man sich ziemlich einfach vorstellen. Jeder Rekrut brachte sein eigenes Essgeschirr mit, in welches das Essen abgegeben wurde. Für die Reinigung war dann auch jeder selbst verantwortlich. Die Offiziere, die uns ausbildeten, genossen Privilegien. Da sie den Kopf der Truppe bildeten, war das Mittagessen jeweils so organisiert, dass immer ein paar Rekruten abwechselnd beim Essen einen Tisch für die Offiziere mit weißem Tischtuch und Offiziersbesteck vorzubereiten hatten. Logischerweise waren das normale Infanterie-Rekruten, die schon den ganzen Morgen mit auf dem Feld und entsprechend hungrig waren. Während des Essens mussten diese Rekruten, mit weißer Schürze ausgestattet, die Offiziere bedienen und am Schluss alles abräumen.
Natürlich fiel die Wahl auch ein paar Mal auf mich. Und wieder fand ich es vor allem demütigend, wie mit uns umgegangen wurde. Hatten die Herren Offiziere denn nicht begriffen, dass wir diejenigen waren, die im Ernstfall in den Kampf gehen würden? Und waren nicht wir es, die besonders viel Hunger hatten nach all den anstrengenden Übungen?
Zu der Zeit wusste ich noch nicht so genau, wieso ich mir so gedemütigt vorkam, aber mein Gefühl sagte mir schon damals klar, dass es so eben nicht richtig war.
Vor allem bestand unser Kader aus Miliz-Offizieren, welche in der Privatwirtschaft einer normalen Tätigkeit nachgingen. Sie wussten also ganz genau, wie sich die Rekruten fühlen mussten, wenn sie so behandelt wurden. Und trotzdem schienen sie es zumindest zum Teil sogar zu genießen, dass sie eine solche Macht auf uns ausüben konnten. Ich fand schon damals sehr erstaunlich, wie der Mensch einfach so in eine andere Rolle schlüpfen kann, selbst wenn er weiß, dass es nur für eine begrenzte Zeit der Fall ist. Hier hatte ich sogar das Gefühl, dass unsere Vorgesetzten gerade deshalb ihre Macht auskosten wollten, weil sie wussten, dass sie ein paar Wochen später, zurück in der Privatwirtschaft wieder auf der anderen Seite stehen würden. Nachhaltig ist ein solches Vorgehen auf jeden Fall nicht.
Sie werden mir jetzt bestimmt entgegnen, dass das Militär nichts mit dem realen Leben zu tun hat und es in der Wirtschaft ganz anders zugeht. Da haben Sie völlig recht, das Militär ist eine spezielle Umgebung, die man so im Privatleben nicht findet. Aber ist es da wirklich so viel anders? Lassen Sie mich bitte dazu eine Geschichte aus meiner beruflichen Erfahrung erzählen:
Die Rolle des CEO
Ich wurde von einem Headhunter abgeworben und begann meine Rolle als Leiter des Engineerings in dieser Firma mit knapp 1.000 Mitarbeitern. Leider hatte die Belegschaft nach einer sehr erfolgreichen Zeit in den letzten Jahren an rückläufigen Umsatzzahlen gelitten. Um den Turnaround zu schaffen, war man bereit, in die Infrastruktur und den Ausbau des Angebotes in einem sich ändernden Marktumfeld zu investieren. So brachte man die Eigenfertigung in der Schweiz technologisch auf den neusten Stand und baute eine neue Fabrikhalle in Shanghai auf.
Mich holte man dazu, um die Produktentwicklung und -betreuung zu professionalisieren und die Rolle des Produktmanagers einzuführen. Eine Aufgabe, die mich reizte, da sie nicht ganz so einfach umzusetzen war. Das vor allem deshalb nicht, weil die einzelnen kleinen Engineering-Abteilungen weltweit verteilt waren und es zu meiner Aufgabe gehörte, die Technik am neuen Standort in Shanghai aufzubauen.