Ganz entspannt vegan - Carina Wohlleben - E-Book

Ganz entspannt vegan E-Book

Carina Wohlleben

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Beschreibung

»Vegan leben könnte ich nicht!« Das sagen viele, wenn es um vegane Ernährung geht. Denn am Anfang steht ein scheinbar unüberwindbarer Berg an Fragen – und die Angst, dass man von nun an auf alles verzichten muss, was schmeckt.

Carina Wohlleben zeigt, dass es gar nicht so schwer ist, vegan zu leben – und noch dazu unglaublich vielfältig, nachhaltig und gesund! Sie selbst ernährt sich und ihre Familie seit Langem vegan und hat eine Weiterbildung als vegane Ernährungsberaterin absolviert. Ihr Wissen und viele ihrer ganz persönlichen Erfahrungen teilt sie nun mit allen, die sich fragen, womit sie nun ihren Auflauf überbacken sollen, welche tierischen Inhaltsstoffe in Kosmetika stecken und wie man damit umgeht, wenn die eigene Ernährung mal wieder Diskussionsthema Nr. 1 wird. Sie gibt nützliche Tipps für den Alltag, stellt ihre veganen Basics vor – und sie räumt mit den gängigen Vorurteilen über vegane Ernährung auf. Das alles, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen, denn den »perfekten Veganer« gibt es nicht. Jeder Schritt zählt, so unbedeutend er auch scheinen mag.

Ein Rundum-Sorglos-Paket für alle, die sich für eine vegane Lebensweise und vegane Alternativen interessieren. Mit leichten und alltagstauglichen Rezepten für den Einstieg.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 253

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Über dieses Buch:

Vielfältig, nachhaltig, gesund

»Vegan leben könnte ich nicht!« – Carina Wohlleben zeigt, dass das gar nicht so schwer ist, wie viele glauben – und erst recht nicht eintönig. Sie lebt selbst vegan und ist zertifizierte vegane Ernährungsberaterin. Ihr Wissen und ihre ganz persönlichen Erfahrungen teilt sie nun mit allen, die sich fragen, wie der Einstieg in eine vegane Ernährung gelingen soll.

Carina Wohlleben erzählt von ihrem veganen Alltag, stellt ihre persönlichen Basics vor und räumt mit den gängigen Vorurteilen über die vegane Ernährung auf. Das alles, ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen, denn einen »perfekten Veganer« gibt es nicht. Jeder Schritt zählt, so unbedeutend er einem selbst auch erscheinen mag.

Über die Autorin:

Carina Wohlleben, geboren 1991 in Adenau (Eifel), studierte Geografie sowie Naturschutz und Landschaftsökologie in Bonn und ist seit 2017 Teilhaberin der von ihrem Vater gegründeten Waldakademie. Im Jahr 2021 schloss sie eine Weiterbildung zur veganen Ernährungsberaterin ab und bietet seither neben Ernährungsberatungen auch vegane Koch- und Onlinekurse an. Ihre Erfahrungen und Rezepte teilt sie mit einer wachsenden Zahl an Followern auf Instagram (@vegan.wohl.leben). Carina Wohlleben lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern im Sauerland.

CARINA WOHLLEBEN

GANZ ENTSPANNT

vegan

Warum ein Alltag ohne tierische Produkte

erstaunlich einfach ist

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Originalausgabe 06/2022

Copyright © 2022 by Ludwig Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Innenabbildungen: Icon Erdbeere:

© Shutterstock.com/insemar.vector.art;

Icon Besteck: © Shutterstock.com/DDpins;

[>>]: Wikimedia Commons/gemeinfrei: DooFi

(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Minimum-Tonne.svg),

»Minimum-Tonne«, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/legalcode

Redaktion: Angelika Lieke

Umschlaggestaltung: Eisele Grafik Design

Umschlagfoto: © Gaby Gerster

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-28913-3V002

www.Ludwig-Verlag.de

Für Dennis

»Sei du selbst die Veränderung,

die du dir wünschst für diese Welt.«

Mahatma Gandhi

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Warum eine vegetarische Lebensweise nicht ausreicht

Was bedeutet eigentlich »vegan«?

Gute Gründe, sich für eine vegane Lebensweise zu entscheiden

Ist es ethisch vertretbar, tierische Produkte zu essen?

In gesellschaftlichen Denkmustern gefangen

Vegan für die Umwelt

Vegan für die Gesundheit

Ist Jagd eine Lösung?

Die Kluft zwischen Theorie und Praxis überwinden

Nährstoffwissen

Potenziell kritische Nährstoffe

Auf diese Blutwerte kommt es an

Woran erkenne ich ein gutes Nahrungsergänzungsmittel?

Lebensmittelkunde

Vegane Basics

Ersatz für Altbekanntes finden

Ersatzprodukte – so ungesund wie ihr Ruf?

Der Wolf im Schafspelz – versteckte Zutaten

Mit veganen Mythen aufräumen

Vegane Ernährung führt zu Mangelerscheinungen

Vegane Ernährung ist zeitintensiv

Vegan ist teuer

Pflanzen haben auch Gefühle

Der Mensch ist ein Fleischfresser

Eine vegane Ernährung ist unnatürlich

Die Entwicklung unseres Gehirns verdanken wir dem Fleisch

Eine vegane Ernährung ist zu extrem

Soja zerstört den Regenwald und ist ungesund

Darf man als Veganer:in Ersatzprodukte essen?

Herausforderungen in einem veganen Alltag

Vegan essen im Restaurant

Wenn sich die Verdauung meldet

Vegan, veganer, am vegansten

Veganer:innen müssen zu 100 Prozent ethisch korrekt leben

Veränderungen machen sich bemerkbar

Veganer Alltag leicht gemacht

Ausgewogene Ernährung – so klappt’s

Essen bei Freunden oder Familie

Farbe bekennen

Mit sich selbst im Reinen sein

Vegane Rezepte – einfach und nährstoffreich

Dank

Anmerkungen

VORWORT

Tierische Produkte, ob in Form von Käse, Eiern oder leckeren Würstchen, waren lange Zeit Teil meiner Ernährung. Sie gehörten einfach zum Alltag. So wie eben bei den meisten Menschen. Ich wuchs in einem kleinen gemütlichen Forsthaus am Waldrand auf, umgeben von einem riesengroßen Garten, in dem meine Familie Obst und Gemüse anbaute und wir Tiere hielten. Die Tiere hielten wir allerdings nicht aus reiner Tierliebe, sondern um ihren Nachwuchs irgendwann zu Hackfleisch, Würsten und Braten zu verarbeiten.

Mir war zeitlebens bewusst, was es bedeutet, tierische Produkte zu konsumieren. Allerdings war ich ziemlich gut darin, mein Wissen zu verdrängen. Ich verdrängte es sogar so erfolgreich, dass ich während meines Studiums – einer Zeit, in der ich so manches Mal knapp bei Kasse war – zu Discounterfleisch griff und mich sogar noch über den günstigen Preis freute. Das sollte sich jedoch wenige Jahre später ändern.

Anfang 2019 stellte sich unser Leben von heute auf morgen vollständig auf den Kopf. Mein Mann und ich schauten uns eher zufällig den Dokumentarfilm »Cowspiracy« des amerikanischen Filmemachers Kip Andersen an. Das Leid der Tiere wurde darin so ungeschönt gezeigt, dass es mich sehr hart traf. Die Folgen, die die Tierhaltung für unsere Erde hat, waren mir in diesem Ausmaß tatsächlich nicht bewusst gewesen. Am Ende des Films waren mein Mann und ich uns einig: Tierische Produkte werden ab sofort aus unserem Leben gestrichen. Diese Entscheidung war emotionaler Natur, und ihrer ganzen Tragweite wurden wir uns erst im Laufe der folgenden Wochen und Monate bewusst.

Zugegeben – ich bin ganz schön blauäugig an das Thema »vegane Lebensweise« herangegangen. Zunächst ersetzte ich alle tierischen Produkte durch Ersatzprodukte, dabei las ich mich immer intensiver in das Thema Nährstoffe ein. Es schien mir wie eine Art Puzzle, bei dem die Teile nicht ordentlich auf dem Tisch lagen, sondern in alle Himmelsrichtungen verstreut waren. Von überallher sammelte ich mir Informationen zusammen, in der Hoffnung, sie würden irgendwann ein übersichtliches großes Ganzes ergeben.

Auf dem Weg dorthin gab es einige Hürden, die ich nehmen musste (und bei der ein oder anderen brauchte ich auch mehr als nur einen Anlauf). Ich musste das Kochen und Backen neu lernen, mich im Supermarkt neu orientieren und sicherstellen, dass wir als Familie mit allen Nährstoffen versorgt werden. Und wofür zum Teufel brauchte man Hefeflocken, Kala Namak und Liquid Smoke? Zu allem Überfluss prasselten teils ungefragt von allen Seiten verschiedenste Meinungen auf uns ein – das war oft kein Zuckerschlecken.

Puh, das hatte ich mir irgendwie einfacher vorgestellt.

Mittlerweile sitzen wir fest im veganen Sattel. Ich habe mich zur veganen Ernährungsberaterin weitergebildet und gebe inzwischen vegane Kochkurse, denn die Rezeptentwicklung hat sich tatsächlich zu meiner Leidenschaft entwickelt. Die vegane Ernährung ist mein Herzensthema geworden, und ich möchte dir in diesem Buch zeigen, wie einfach es sein kann, tierische Produkte aus deinem Alltag zu streichen.

Ein klein wenig muss ich dich allerdings vorwarnen. An der ein oder anderen Stelle werden wir der Realität ungeschönt ins Auge blicken. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das manchmal Unbehagen auslöst und man sich vielleicht auch ertappt, wenn nicht gar angegriffen fühlt. Aber genau das sind Schlüsselmomente, die uns dabei helfen können, in uns hineinzuhorchen. Warum fühlen wir uns so unbehaglich, wenn wir mit den Tatsachen konfrontiert werden? Oftmals rührt es daher, dass ein inneres Ungleichgewicht herrscht und wir versuchen, das Altbekannte zu rechtfertigen.

Wie solche psychologischen Phänomene entstehen, erfährst du in diesem Buch. Das kann helfen, Erklärungen für die eigenen Gefühle und das gesellschaftliche Verhalten zu finden. Denn um es in aller Deutlichkeit zu formulieren: Niemand isst Fleisch, weil er oder sie ein schlechter Mensch ist und anderen schaden möchte. Die Hintergründe sind weit weniger persönlicher Natur, als man vermuten könnte.

Wir werden mit Mythen und Vorurteilen aufräumen, du lernst alles über wichtige Nährstoffe und erfährst, wie du tierische Produkte spielend leicht durch pflanzliche ersetzen kannst. Doch nicht nur das – du wirst auch auf Konflikte vorbereitet, die in deinem sozialen Umfeld auftauchen können, und ich zeige dir Wege auf, sie zu lösen und gleichzeitig deiner Linie treu zu bleiben.

WARUM EINE VEGETARISCHE LEBENSWEISE NICHT AUSREICHT

Für den Verzehr von Fleisch und Fisch sterben Tiere. Dass man aus ethischen Gründen darauf verzichtet, ist also durchaus sinnvoll. Für Eier, Milchprodukte, Daunen und Wolle muss allerdings kein Tier sein Leben lassen.

Dann könnten wir uns doch eigentlich auch vegetarisch ernähren, oder?

Während meines Geografie-Studiums unternahmen wir im letzten Semester eine große Exkursion in die Türkei. Der Hintergrund der Exkursion hatte eigentlich nichts mit Naturschutz zu tun, denn es sollte um die Geschichte der Türkei gehen. Wir besuchten einige sehr eindrucksvolle Ruinenstädte. Bis dato war ich davon ausgegangen, dass sie nur in Griechenland zu finden seien, doch ich wurde eines Besseren belehrt.

Unsere Unterkunft war ein sehr komfortables Hotel mit All-inclusive-Verpflegung. Nicht übel für eine Uni-Exkursion. Abends trafen wir uns immer zum gemeinsamen Essen, und so stellte sich recht schnell heraus, dass unser leitender Dozent Vegetarier war. Das wurde selbstverständlich sofort zum Thema unserer abendlichen Diskussion – wie sollte es auch anders sein? Er erzählte, dass er seit dem BSE-Skandal aufgehört habe, Fleisch zu essen, zudem habe er auch Mitleid mit den Tieren. Schon damals, es war 2013, argumentierte ich, dass es eigentlich inkonsequent sei, vegetarisch zu leben, wenn man damit verhindern möchte, dass Tiere leiden oder getötet werden.

Denn leider ist es nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Im ersten Schritt sterben die Tiere zwar nicht, aber sie werden ausgebeutet. Im zweiten Schritt jedoch werden auch sie getötet. Wenn du dich bereits intensiver mit dem Veganismus auseinandergesetzt hast, ist das, was ich jetzt erzählen werde, vermutlich nichts Neues für dich. Falls das Gebiet jedoch noch Neuland ist, werden wir nun ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Das wird übrigens auch in Gesprächen und Diskussionen sehr hilfreich sein. Denn erfahrungsgemäß wird man sich früher oder später für seine vegane Lebensweise rechtfertigen müssen. Da schadet es nicht, argumentativ gut aufgestellt und bestens aufgeklärt zu sein.

Beginnen wir mit den Eiern. Wie eingangs schon erwähnt, bin ich sehr ländlich aufgewachsen. Meine Eltern hielten neben Pferden, Ziegen, Kaninchen und einem Hund auch Hühner. Das Praktische an den Hühnern: Wir konnten sie mit unseren Essenresten füttern, und sie versorgten uns mit Eiern. Einmal adoptierten wir ein paar Hühner aus einer Legebatterie (die gab es zu dem damaligen Zeitpunkt leider noch). Als meine Eltern die Hühner ins Gehege setzten, war ich von dem Anblick ziemlich schockiert. Das ursprünglich weiße Federkleid war schmutzig und wies kahle Stellen auf. Die eigentlich leuchtend roten Kämme der Tiere hingen schlapp und blass herunter. Dass ihr Gesundheitszustand mehr als zu wünschen übrig ließ, konnte ich sogar als Kind auf den ersten Blick erkennen. Wir hatten die Hoffnung, dass die Hühner von nun an ein unbeschwertes Leben in unserem Garten führen durften. Doch die armen Tiere waren von der monatelangen Tortur so geschwächt, dass sie nur wenige Wochen überlebten.

Landwirt:innen, die Hühner halten, haben ein konkretes Ziel: viele Eier zu verkaufen. Denn das ist ihre Lebensgrundlage. Die gefiederten Tiere wurden also auf eine hohe Legeleistung gezüchtet. So kommt eine ausgewachsene Legehenne auf ungefähr 300 Eier pro Jahr, während ihre Vorfahren, die Bankivahühner, auf nur maximal 40 Eier pro Jahr kommen.

Das Eierlegen ist ein Kraftakt für die Hühner, und so kommt es, dass ihre Körper nach 12 bis 15 Monaten ausgelaugt sind und sie keine Eier mehr legen. Das ist der Zeitpunkt, an dem sie getötet werden und Platz machen für neue Hühner. Für jedes industriell gehaltene Huhn endet das Leben also früher oder später auf dem Schlachthof. Selbstverständlich gibt es Haltungsunterschiede. Übrigens: Auch wenn im Handel keine Eier mehr aus Käfighaltung erhältlich sind, so ist sie dennoch existent.

Die Industrie hat offenbar festgestellt, dass die Kund:innen Abstand von der miserabelsten Haltungsstufe nahmen. Das hat dazu geführt, dass die Eier aus Käfighaltung nun in verarbeiteten Lebensmitteln wie zum Beispiel Backwaren landen. Nun könnte man sich die Frage stellen, ob hier nicht Eier aus Biohaltung eine Lösung sein könnten. Schließlich haben die Hühner mehr Platz und führen ein artgerechteres Leben.

Dazu möchte ich dir eine kleine Anekdote, ebenfalls von den Hühnern meiner Eltern, erzählen. Die Hühner, die bei meiner Familie leben, könnten es besser nicht haben. Sie haben ein riesiges Freigehege, können nach Herzenslust im Boden scharren und Staubbäder nehmen. Meine Mutter reinigt jeden Morgen den Stall und versorgt sie mit frischem Wasser, Kräutern und Biofutter. Und doch gab es ein Ereignis, das sie dazu veranlasste, sich in Zukunft gegen die Haltung von Hühnern zu entscheiden. Henne Berta ging es nämlich eines Tages nicht gut. Sie kam nicht mehr vom Nest herunter. Es hatte den Anschein, als wolle sie ein Ei legen, jedoch blieben all ihre Versuche erfolglos. Sie quälte sich sehr und schied irgendwann einen Klumpen Gewebe aus. Letzten Endes verstarb Berta, vermutlich infolge einer Entzündung des Legeapparates.

Die Hühner werden zu solchen Höchstleistungen überzüchtet, dass ihr Körper diesen Kraftakt oft nicht lange übersteht. Da nützt auch ein großes Gehege mit viel Auslauf nichts. Dieses Ereignis hat dazu geführt, dass meine Eltern keine weiteren Hühner mehr anschaffen möchten. Sie wollen nicht länger zur Überzüchtung und Quälerei der Tiere beitragen.

Jetzt haben wir uns den eierlegenden Hennen gewidmet, doch was passiert eigentlich mit den Hähnen? Rein rechnerisch kommt auf jede Henne ein Hahn. Das Thema des Küken-Schredderns wurde in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit heiß diskutiert. Seit Anfang 2022 ist es verboten, und das Geschlecht der Tiere wird bereits im Ei bestimmt. Ist das Tier männlich, wird das Ei nicht weiter bebrütet – sprich, der Embryo verstirbt im Ei. Es klingt im ersten Moment harmloser, aber betrachtet man es aus ethischer Sicht, ist es nicht weniger verwerflich, als die bereits geschlüpften Tiere zu töten.

Große Supermarkt- und Discounterketten werben in letzter Zeit immer häufiger damit, dass auch die Hähne aufgezogen werden. Doch sind wir mal ehrlich: Die Hähne werden kein artgerechtes Leben führen, sondern einfach getötet, wenn sie ausgewachsen sind. Bei den Verbraucher:innen kommt dies schlichtweg besser an, denn mit Küken – also Baby-Hühnern – hat man intuitiv mehr Mitleid als mit ausgewachsenen Tieren. Aus Tierschutz-Aspekten ist das Essen von Eiern also definitiv keine Option.

Und wie sieht es mit Milchprodukten aus? In den Bauernhofbüchern wird das Leben der Milchkühe immer sehr idyllisch dargestellt. Die Kühe stehen nachts in einem gemütlichen, mit Stroh ausgepolsterten Stall und verbringen ihre Tage auf der Weide. Zweimal täglich werden sie vom freundlichen Bauern gemolken und haben ein glückliches Leben. Im Nachhinein bin ich erschrocken von mir selbst, dass ich diese Idylle die meiste Zeit meines Lebens nicht hinterfragt habe.

So habe ich vor einigen Jahren einen Milchviehbetrieb besucht. Die Kühe hatten wenige Tage zuvor ihre Kälber zur Welt gebracht. Jedoch waren die Babys nicht mehr bei ihren Müttern, sondern wurden in Einzelboxen gehalten. Ihre Nahrung bestand aus Wasser und Milchpulver, das in schmutzigen Eimern mit Saugvorrichtung angerührt wurde. Ich freute mich damals sehr, eines der niedlichen Kälber füttern zu dürfen. Dass es kurz nach der Geburt seiner Mutter entrissen wurde, hatte ich damals überhaupt nicht auf dem Schirm. Erst als ich selbst Mutter wurde und mich mit der Milchindustrie auseinandersetzte, wurde mir schmerzlich bewusst, was ich all die Jahre unterstützt habe. Ich konnte mich nun besser denn je in die Situation der Kühe hineinversetzen und im Ansatz erahnen, welchen seelischen und körperlichen Schmerz sie erleiden müssen.

Die Idylle, die uns bereits als Kindern gezeigt wird, trügt. Um für Nachwuchs zu sorgen, werden die Milchkühe in den meisten Fällen besamt. Das geht schneller und ist deutlich günstiger, als sie durch einen Bullen decken zu lassen. Nun sind sie schwanger und tragen ihr Baby 280 Tage in ihrem Bauch – übrigens genauso lange wie wir Menschen. Sind die Kälbchen dann auf der Welt, werden sie ihren Müttern häufig schon wenige Stunden nach der Geburt entrissen. Ein sehr schmerzlicher Verlust für Mutter und Kind. Denn Mutterliebe ist ein Gefühl, das Tiere ebenso empfinden wie wir Menschen.

Meine Familie hält seit mehr als zwanzig Jahren Ziegen. Mittlerweile sind es nur noch zwei, die weder Lämmer bekommen noch gemolken werden. Doch bis vor einigen Jahren wurden die Ziegen gehalten, um sie eines Tages zu schlachten. Nicht die Mutterziegen, aber den Nachwuchs. In unserer Ziegenherde hatten wir also einen Ziegenbock und meist mindestens drei Mutterziegen. Im Spätwinter kamen jedes Jahr die Lämmer zur Welt und durften ein wunderschönes Leben führen. Zunächst im gemütlichen und warmen Stall. Wenn es im Frühjahr wärmer wurde, ging es raus auf die Weide. Je näher der Sommer rückte, umso schwerer wurde mir ums Herz beim Anblick des lieb gewonnenen Ziegennachwuchses.

Der Schlachttag rückte immer näher. Die Tiere ahnten nicht, dass ihr Lebensende näher rückte, und von der Tötung bekamen sie nichts mit. Man kann sagen, dass es kurz und schmerzlos verlief. Das war unsere Realität.

Die der Ziegenmamas sah ganz anders aus. Offenbar ging das Ganze so schnell, dass sie nicht die Möglichkeit hatten zu begreifen, was gerade geschehen war. Sie konnten ihre Kinder nicht mehr finden, was dazu führte, dass sie verzweifelt nach ihnen riefen. Und oft hielten ihre Rufe tagelang an. Was sie für einen Schmerz empfunden haben mussten, vermag ich mir nicht auszumalen. Diese Erfahrungen haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Dennoch habe ich über zwei Jahrzehnte lang Milch und Milchprodukte konsumiert. Mir war lange Zeit überhaupt nicht bewusst, dass Kühe jährlich Kälber bekommen müssen, damit man sie melken kann.

Nun wurden die Kälber von ihren Müttern getrennt. Bei den Milchkühen läuft jetzt die Milchproduktion an, und sie werden in der Regel zweimal täglich gemolken. Für die Kühe, die auf Höchstleistungen hin gezüchtet wurden, ist das kein Zuckerschlecken. Die in Deutschland am weitesten verbreitete Rasse, Deutsche Holstein Schwarzbunt, bringt es durchschnittlich auf sage und schreibe 30 Liter Milch pro Tag. Nicht selten kommt es bei den Tieren zu schmerzhaften Euterentzündungen. Die Mamas unter euch, die ihre Kinder gestillt haben, wissen, was Milcheinschuss, Brustentzündungen oder Milchstau bedeuten. So merkwürdig es klingen mag – seit ich selbst Kinder habe, bin ich den Kühen gegenüber viel mitfühlender geworden.

Was passiert eigentlich mit den Kälbern? Milchkuhrassen bringen logischerweise ebensolche Kälber zur Welt. Sie sind gezüchtet, um möglichst viel Milch zu produzieren. Weibliche Kälber werden also meistens ebenfalls zu Milchkühen herangezogen. Die männlichen Kälber hingegen haben für die Industrie zwei Nachteile: Sie geben keine Milch, und sie sind keine Mastrinder und daher auch für die Fleischproduktion unbrauchbar. Deswegen werden viele Jungbullen schon als Babys getötet.

Du siehst, dass auch für den Konsum von Milchprodukten Tiere getötet werden. Und nein, auch die sogenannte Mutterkuhhaltung ist nicht die Lösung. Zwar dürfen die Kälber zumindest eine Zeit lang bei ihren Müttern bleiben, doch letzten Endes ist der Sinn und Zweck ihres Lebens, uns Menschen mit Milch zu versorgen. Warum das aus meiner Sicht nicht vertretbar ist, möchte ich dir in den folgenden Kapiteln näher erläutern.

WAS BEDEUTET EIGENTLICH »VEGAN«?

Veganer:innen sind Menschen, die in ihrem Leben gänzlich auf tierische Produkte verzichten. So landet zum einen nichts auf dem Teller, was aus oder von einem Tier gewonnen wurde, und zum anderen werden auch außerhalb der Ernährung keine tierischen Produkte, wie beispielsweise Leder oder Daunen, genutzt. Bei Kosmetikartikeln und Reinigungsmitteln wird darauf geachtet, dass sie nicht an Tieren getestet wurden. Einige Veganer:innen, ganz besonders diejenigen, die sich aus ethischen Gründen für diese Lebensweise entschieden haben, verzichten überdies auf Zirkus- und Zoobesuche.

Meine ganz persönliche Philosophie der veganen Lebensweise gründet darin, dass ich Tiere nicht als Ware sehen möchte, sondern als ebenbürtige Lebewesen. Ihr Leben darf nicht nur aufgrund ihrer Artzugehörigkeit weniger wert sein als meines, und ich sehe mich nicht in der Position, sie (aus)nutzen zu dürfen – wir sprechen ja so gerne von Nutztieren. Häufig wird der Veganismus als Trend oder Modeerscheinung bezeichnet, doch bereits in den 1930er-Jahren betonte Bruno Wolff, damals Vorsitzender des VEBU (heute ProVeg), dass es wichtig sei, keine tierischen Produkte zu sich zu nehmen.

Und bereits in der Antike verzichteten die sogenannten Orphiker aus religiösen Gründen zumindest auf Fleisch. Sogar der bekannte Mathematiker Pythagoras, den die meisten von uns vermutlich noch aus dem Mathematikunterricht kennen, war Vertreter des Vegetarismus. Von ihm stammt der Satz »Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück«. Er hatte offensichtlich eine böse Vorahnung, die sich nun angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise und sich ausbreitender Pandemien bewahrheitet.

In verschiedenen Religionen, wie dem Jainismus, dem Hinduismus und dem Buddhismus, spielt eine vegetarische Ernährung eine große Rolle, und sogar die Gladiatoren im alten Rom haben sich aktuellen Studien zufolge hauptsächlich pflanzlich ernährt. Abbildungen belegen, dass es sich bei den Kämpfern um Männer mit einem überaus muskulösen und sportlichen Körperbau handelte. Für ihre Fitness sorgte offenbar kein tierisches Eiweiß, sondern Getreide und Bohnen. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende durch eine Analyse der Knochen und durch Überlieferungen, in denen die Gladiatoren als »hordearii« (Gerstenfresser) bezeichnet wurden.1

Du siehst also, dass es hier um viel mehr als nur einen Trend geht. Der Veganismus basiert auf drei Aspekten, die in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Diese Lebensform vereint sowohl ethische, ökologische als auch gesundheitliche Motive und ist damit äußerst rücksichtsvoll im Umgang mit den Tieren, der Umwelt und nicht zuletzt uns selbst.

GUTE GRÜNDE, SICH FÜR EINE VEGANE LEBENSWEISE ZU ENTSCHEIDEN

Ist es ethisch vertretbar, tierische Produkte zu essen?

Die einen argumentieren, dass der Mensch ein Allesfresser sei, schon immer Fleisch und andere tierische Produkte gegessen habe. Der Körper brauche diese Form der Nahrung auch, um langfristig gesund zu bleiben. Die anderen halten dagegen, dass Tiere fühlende und leidensfähige Wesen sind. Zumindest in unseren Breiten sei es aus ethischer Sicht nicht vertretbar, Tieren Leid zuzufügen, um sie oder ihre Produkte zu verzehren.

Gibt es tatsächlich Gründe, die den Konsum tierischer Produkte rechtfertigen?

Dass Tiere fühlende Wesen sind wie du und ich, dürfte für die meisten nichts Neues sein. Doch was genau fühlen sie? Sind sie bloß instinktgesteuert – und was sind Instinkte überhaupt? Tatsächlich gibt es dafür keine allgemeingültige Definition. In den meisten Fällen versteht man jedoch darunter alle Verhaltensweisen, die ein Lebewesen von Geburt an beherrscht. Das heißt, diese Verhaltensweisen müssen nicht erlernt werden, sind aber keine Reflexe. Ein typischer negativer Instinkt ist Angst, ein typischer positiver Instinkt ist die Mutterliebe. Und wenn ich so recht darüber nachdenke, sind Instinkte sehr starke Gefühle, die viele andere Gefühle in den Schatten stellen. Und das ist evolutionär betrachtet durchaus sinnvoll.

In der Regel sorgt die Mutterliebe bei allen Lebewesen dafür, dass die Mütter alles dafür tun würden, damit es ihrem Nachwuchs gut geht, was häufig bedeutet, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse den Bedürfnissen ihres Nachwuchses unterordnen. So fliegen Vogelmamas und -papas unentwegt zwischen Futterquelle und Nistplatz hin und her, um ihre Jungen stetig mit Nahrung zu versorgen. In der Welt der Säugetiere sieht es ähnlich aus. Die Eltern versorgen ihre Babys nicht nur mit Nahrung, in diesem Fall Milch, sondern versuchen, sie mit allen Mitteln zu beschützen. Das konnte ich bei unseren eigenen Tieren gut beobachten.

Damit unsere Kühltruhe gefüllt blieb, wurde dafür gesorgt, dass es regelmäßig Nachwuchs gab. Bei einigen Tiermamas musste man wirklich aufpassen, dass man sich den Tierbabys nicht zu forsch näherte, denn sonst wurden die Mamas ungehalten. Man merkte regelrecht, dass sie dafür sorgen wollten, dass man die Finger von ihrem Nachwuchs ließ. Das finde ich nur nachvollziehbar. Als unsere Kinder noch Babys waren, konnte ich es auch nicht ausstehen, wenn fremde Menschen sie anfassten, weil sie ja ach so niedlich aussahen.

Ich erfuhr nicht nur, dass Tiere ihre Familienmitglieder ebenso liebten, wie wir unsere Eltern, Geschwister und Kinder lieben, sondern dass sie auch trauern, wenn sie ein Familienmitglied verlieren. Und das ist ein Punkt, der mich jedes Mal besonders berührt hat. Die Ziegenlämmer würden, sofern der Mensch nicht eingreifen würde, ungefähr zehn bis zwölf Monate von ihrer Mutter gestillt werden. So lange, bis die kleinen Geschwister das Licht der Welt erblicken. In dieser Zeit haben Mutter und Kind also eine ganz besonders enge Bindung zueinander. Wenn es jedoch darum geht, Fleisch zu produzieren, gibt es ein Problem: Die Ziegenkinder werden ab etwa sechs Monaten geschlechtsreif, und bei den männlichen Tieren bekommt das Fleisch einen unangenehmen Geschmack. Um dem vorzubeugen, werden insbesondere die männlichen Ziegenkinder geschlachtet, bevor sie geschlechtsreif werden. Das heißt, sie sind an ihrem Lebensende noch kein halbes Jahr alt.

Wie geht so eine Tötung vonstatten? Bei uns wurden die Ziegen auf der Weide mit einem Bolzenschussgerät bewusstlos gemacht und mit einem Schnitt durch die Kehle getötet. Ein schneller und schmerzfreier Tod, der den meisten Nutztieren nicht vergönnt ist. Die Lämmer bekamen zwar nicht viel davon mit, anders aber ihre Mütter. Sie konnten die Situation nicht einordnen, hatten nicht die Möglichkeit zu realisieren, dass ihre Kinder nun tot sind. Das führte dazu, dass sie tagelang um ihre Kinder trauerten und nach ihnen riefen, in der Hoffnung, sie würden antworten. All das ging meinen Eltern so nah, dass sie sich dazu entschieden, dass keine Lämmer mehr geschlachtet werden. Und da sie diese Arbeit auch nicht an andere abgeben wollten, verzichten sie nun vollständig auf Fleisch.

Die Frage, die ich mir damals stellte, lautete: »Warum esse ich Fleisch und andere tierische Produkte?« Letzten Endes blieb keine andere Antwort als folgende: »Es schmeckt mir einfach gut.« Dann begann ich abzuwägen, ob ich es tatsächlich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, dass nur aus diesem Grund ein Leben auf oftmals grausame Weise beendet wird. Das Ergebnis war für mich ein klares Nein. Denn ich würde mich als tierlieben Menschen bezeichnen, und mit echter Tierliebe hat der Konsum tierischer Produkte – so hart das auch klingt – nichts zu tun. Dieser Wahrheit musste ich ins Auge blicken, auch wenn es wehtat.

Doch wie, um Himmels willen, ist es möglich, trotz des Wissens um all die Grausamkeiten weiterhin tierische Produkte zu konsumieren? Dieser Frage werde ich mich im folgenden Kapitel widmen. Ganz unabhängig davon, wie du dich aktuell ernährst – ob bereits vegan, vegetarisch oder mischköstlich –, danke ich dir schon jetzt für deine Offenheit und die Bereitschaft, gemeinsam mit mir noch tiefer in das spannende Thema der veganen Ernährung einzutauchen.

In gesellschaftlichen Denkmustern gefangen

Kognitive Dissonanz

Ein schwerwiegender Punkt, der mich von einer veganen Lebensweise überzeugt hat, ist der ethische Aspekt. Tiere sind fühlende Wesen. Sie empfinden Liebe, Schmerz, Trauer und Freude. Wenn du ein Haustier hast, weißt du es aus eigener Erfahrung: Jedes Tier hat seinen ganz eigenen Charakter und ist eine individuelle Persönlichkeit. Trotzdem fällt es schwer, die Tiere noch als solche Lebewesen zu sehen, wenn sie zerstückelt und eingeschweißt im Kühlregal liegen. Einen Vorwurf kann und möchte ich niemandem machen, der im Supermarkt zu tierischen Produkten greift. Schließlich habe ich das die meiste Zeit meines Lebens selbst getan.

Das Schlachten der Tiere während meiner Kindheit ging nicht spurlos an mir vorbei, und auf das Fleisch der niedlichen Ziegenlämmer hatte ich ganz besonders wenig Appetit. Dennoch aß ich gerne und regelmäßig Fleisch. Während meines Studiums war ich sogar in einem Online-Studierenden-Netzwerk Teil der Gruppe »Vegetarier essen meinem Essen das Essen weg«. Das fand ich irre lustig.

Diese ganzen »Veganer:innen« waren mir völlig suspekt und auch nicht besonders sympathisch – wollten sie doch jeden und jede davon überzeugen, dass ihre Lebensweise die einzig richtige ist. Das fand ich unangenehm, und es stieß deshalb bei mir auf Ablehnung. Doch warum eigentlich? Das Stichwort heißt »kognitive Dissonanz«, und vielleicht kennst auch du dieses Gefühl. Grundsätzlich beschreibt die Theorie der kognitiven Dissonanz das menschliche Bestreben nach Widerspruchsfreiheit.2 Sprich: Eines unserer Ziele ist es, mit uns selbst im Reinen zu sein. Kommt es zu einem Widerspruch zwischen deinen Überzeugungen, die du im Laufe der Jahre gewonnen hast, und neuem Wissen, kann das zu Unbehagen führen. Und weil das kein besonders angenehmes Gefühl ist, suchen wir nach scheinbar logischen Argumenten, die unsere alten Überzeugungen rechtfertigen. Um es ein wenig zu veranschaulichen, nachfolgend ein kleines Beispiel für einen klassischen Fall von kognitiver Dissonanz. Vielleicht ist es dir ja schon mal begegnet, oder du hast die Argumentation sogar selbst angewendet:

Die Veganerin Luise unterhält sich auf einem Dorffest mit dem Mischköstler Tom. Während er in seine Bratwurst beißt, kaut sie auf einem trockenen Stück Brötchen herum – denn das ist das einzig Vegane, das sich finden ließ. Tom bietet Luise an: »Gleich sind wieder ein paar Würstchen fertig. Ich bringe dir eins mit.« Woraufhin sie erwidert: »Nein danke, ich esse keine tierischen Produkte. Ich kann das Tierleid und die Folgen, die die Tierhaltung für die Umwelt hat, einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.« Tom schaut sie erstaunt an, beginnt sich dann jedoch zu erklären: »Ich esse auch nur ganz selten Fleisch. Höchstens mal, wenn ich woanders bin, und ich achte auch immer auf Bioqualität.«

Na, kommt dir so ein Gespräch vielleicht bekannt vor? Ich habe schon unzählige Gespräche dieser Art geführt, und beinahe jeder, der von meiner Lebensweise erfährt und selbst noch tierische Produkte konsumiert, rechtfertigt seinen Konsum auf diese Art. Und all das sind klassische Fälle von kognitiver Dissonanz. Die Menschen, die in diesen inneren Widerspruch geraten, haben von ihrem Umfeld von Kindesbeinen an Werte und Normen mit auf den Weg bekommen, die sich manifestiert haben. Beispielsweise, dass der menschliche Körper Fleisch braucht oder Milch, für die starken Knochen. Gleichzeitig würden sie sich jedoch als tierliebe Menschen bezeichnen, haben vielleicht sogar ein Haustier, das sie als vollwertiges Familienmitglied ansehen. Trifft dann ein fleischessender Mensch auf eine/n Veganer:in, wird dieser innere Konflikt getriggert, und die meisten reagieren dann so wie in dem Beispiel beschrieben. Sie versuchen, sich zu rechtfertigen. Vor anderen, aber auch vor sich selbst.

Zum einen wird angeblich nur selten Fleisch gegessen, das heißt, es müssen nur wenig Tiere sterben, und wenn Fleisch gegessen wird, dann auf jeden Fall aus Biohaltung, denn da geht es den Tieren ja gut. Das schlechte Gewissen ist zunächst beruhigt, und damit lebt es sich wieder leichter. Tief im Inneren schwelt der Widerspruch dennoch weiter, und es kann sich sehr befreiend anfühlen, diesen zu lösen.

So hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich an Tiertransportern vorbeifuhr und in die traurigen Augen der Schweine schaute, die durch Belüftungsschlitze des Lkw das letzte Mal Tageslicht sahen. Wenn ich Reportagen über Massentierhaltung anschaute, redete ich mir ein, der Biowurst in meinem Kühlschrank wäre es zu Lebzeiten besser ergangen. Doch auch die Tiere aus Biohaltung sind am Ende nur Produkte und Lebewesen, die einen unfreiwilligen Tod sterben. Das musste ich mir irgendwann eingestehen.

Durch das psychologische Phänomen der kognitiven Dissonanz enden Diskussionen zwischen Mischköstler:innen und Veganer:innen häufig sehr unbefriedigend für beide Seiten. Der Mischköstler fühlt sich von der Veganerin angegriffen, weil sie seinen inneren Widerspruch triggert. Dadurch wird eine Diskussion dann schnell emotional und persönlich.

Speziesismus

Dass wir mit unseren Mitgeschöpfen anderer Spezies oftmals sehr gedanken- und lieblos umgehen, hat verschiedene Gründe. Allen Gründen gemein ist jedoch, dass es tief verwurzelte gesellschaftliche Glaubenssätze sind, die diesem Verhalten zugrunde liegen. Diese Glaubenssätze begleiten uns bereits über viele Generationen hinweg. Sie gelten als Maßstab, an welchem sich orientiert wird. So wird der Konsum von tierischen Produkten als normal bewertet und der Verzicht auf tierische Produkte als nicht normal.

Bereits in der Bibel wird ein Mechanismus deutlich, der uns eine Rechtfertigung für den Umgang mit Tieren liefert. So steht dort geschrieben, dass Gott zu den Menschen sprach: »Seid fruchtbar und mehret euch, bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz. Ihr sollt über die Fische des Meeres herrschen, über die fliegenden Tiere des Himmels und über jedes Lebewesen, das sich auf der Erde bewegt.«3