Geliebte des Feuers - Christine Feehan - E-Book

Geliebte des Feuers E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Lissas flammenfarbenes Haar ist nicht das einzig Feurige an ihr. Die begabte Glaskünstlerin und »Schwester im Herzen« trägt eine brennende Kraft in ihrem Innern, die ebenso zerstörerisch wie schöpferisch sein kann. Ihre Kunstfertigkeit bringt sie bis nach Italien, während Lissas eigentliche Mission im Verborgenen bleibt: Rache. Zwischen ihr und dem russischen Geheimagenten Casmir Prakenskij entflammt eine leidenschaftliche Liebe, aber dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit bedrohen ihre gemeinsame Zukunft

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DAS BUCH

Ein rotumrandeter Mond über der kalifornischen Küste kündet vom Unheil, das Lissa Piner bevorsteht. Die fünfte der sechs Schwestern des Herzens bricht nach Europa auf, um dort die von ihr geschaffenen Kronleuchter anzubieten. Wie jede der Schwestern ist auch sie unter einem besonderen Zeichen geboren. Ihres ist das Feuer, und es lodert tief in ihrem Innern, denn der wahre Grund ihrer Reise ist Rache. Lissas echter Name lautet Giacinta. Sie ist die Nichte von Don Luigi, dem Oberhaupt der Familie Abbracciabene, der als ihr Mentor fungiert, seit Giacintas Eltern vor vielen Jahren von den verfeindeten Porcellis ermordet wurden.

Undercover nimmt Casimir Prakenskij einen Job als Bodyguard für Lissas Onkel Luigi an, um Lissa zu beschützen. Lissa wehrt sich gegen diese Bevormundung, aber sehr bald knistert es zwischen den beiden. Als Lissa erkennt, dass ihr Onkel sie seit Jahren hintergeht, entschließt sie sich widerwillig, mit Casimir zusammenzuarbeiten.

DIE AUTORIN

Christine Feehan wurde in Kalifornien geboren, wo sie heute noch mit ihrem Mann und ihren Kindern lebt. Sie begann bereits in jungen Jahren zu schreiben und hat seit 1999 mehr als sechzig erfolgreiche Romane veröffentlicht, die in den USA mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet wurden und alle auf die New-York-Times-Bestsellerliste gekommen sind. Auch in Deutschland ist sie mit den Drake-Schwestern, der Sea-Haven-Saga, der Schattengänger-Serie und der Leopardenmenschen-Saga äußerst erfolgreich.

Mehr Informationen über die Autorin und ihre Bücher finden sich im Anschluss an diesen Roman und auf ihrer Website www.christinefeehan.com.

CHRISTINE FEEHAN

Geliebte des Feuers

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Heinz Tophinke

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe FIRE BOUND erschien 2016 bei Jove, Penguin Random House Company, New York
Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2016 by Christine FeehanCopyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenVeröffentlicht in Zusammenarbeit mit The Berkley Publishing Group, an Imprint of Penguin Publishing Group, a Division of Penguin Random House LLCAlle Rechte sind vorbehalten.Redaktion: Birgit GrollUmschlaggestaltung: © Nele Schütz Design, München unter Verwendung von © Shutterstock (BlueSkyImage, Mariusz S. Jurgielewicz)Satz: KompetenzCenter, MönchengladbachISBN: 978-3-641-20395-5V002
www.heyne.dewww.penguinrandomhouse.de

Für Barbara King, eine Frau, die ich immer geliebt

und bewundert habe, und zu der ich aufschaue.

Ich kann mir vorstellen, dass du mit Mordgedanken im Kopf

von Land zu Land unterwegs bist.

Wir hätten eine verdammt gute Zeit miteinander!

1.

Gelächter schallte durch das Haus. Frauenstimmen wurden laut und verklangen. Sanft. Glücklich. Liebevoll. Lissa Piner ging hinüber zur Tür, öffnete sie und schaute in die Dunkelheit hinaus, begleitet von diesen Lauten. Sie wollte sich diesen Abend für immer im Gedächtnis bewahren.

Ihre Schwestern des Herzens, die immer in ihrem Herzen sein würden. So klischeehaft. So abgedroschen, doch in diesem Fall sehr wahr. Sie hätte sie nicht mehr lieben können, wenn sie alle dieselben Eltern gehabt hätten. Kennengelernt hatten sie sich ausgerechnet in einer Therapiegruppe für Menschen, die mit dem gewaltsamen Tod nächster Angehöriger fertigwerden mussten. Sie hatten sich zusammengeschlossen, sechs Frauen, alle verloren, alle gebrochen, und entdeckt, dass sie zusammen um vieles stärker waren.

Der Wind zerrte an ihrem Haar, sie wandte das Gesicht dem Nachthimmel zu und sog tief die Luft ein. Lissa liebte Stürme. Sie liebte die Küste im Norden Kaliforniens, wo sich die sechs Frauen zusammengetan und eine Farm gekauft hatten. Hier waren sie einander in den vergangenen fünf Jahren immer nähergekommen und hatten sich sogar Erfolg und Wohlstand erarbeitet. Heute Nacht aber jagten sich die Wolken, trübten den Himmel ein, türmten sich dunkel und unheilvoll auf und verdeckten den Mond fast vollständig. Nicht genügend jedoch, dass sie den leuchtend roten Ring darum herum nicht gesehen hätte, der tapfer versuchte, die Wolkenschicht zu durchdringen.

»Ein Sturm zieht auf«, bemerkte Blythe Daniels über ihre Schulter hinweg. Sie reichte Lissa eine Tasse Tee. Blythe war groß und blond und überragte Lissa um ein ganzes Stück. »Magst du das nicht auch, wenn der Mond voll ist und Ringe hat, und der Himmel ist so dunkel, dass er fast violett aussieht?«

Lissa nippte an ihrem Tee. Tee hatte etwas Beruhigendes. Sie hatte seine Qualitäten erst hier auf der Farm kennengelernt. Tee schien das Getränk für Situationen zu sein, die sich als schwierig erwiesen. »Ich liebe es, wenn die Wolken so violett verfärbt sind«, räumte sie ein und vermied so eine Diskussion über die roten Ringe und das, was sie bedeuten könnten. Denn für sie hatten sie nur eine Bedeutung – Tod. Einen gewaltsamen Tod. Wahrscheinlich ihren eigenen. Sie seufzte leise und zwang sich dann zu einem Lächeln. Man musste so vorsichtig sein mit diesen Frauen. Sie waren alle sehr gut darin, einander zu durchschauen.

»Kommt schon, ihr beiden!«, rief Lexi von der anderen Seite des Zimmers. Sie war die jüngste der Schwestern, die, der Lissa am nächsten stand und die ihrer Meinung nach auch die schutzbedürftigste war.

Lexi hatte sich vor Kurzem verliebt, und Lissa war sich noch nicht sicher, ob sie sich darüber freuen oder deswegen sorgen sollte. Denn Gavril Prakenskij war nicht irgendein Mann. Er war rau, voller Narben und sehr gefährlich. Lexi gegenüber verhielt er sich jedoch überaus beschützend. Das mochte Lissa wirklich an ihm, besonders jetzt.

Blythe beugte sich zu ihr. »Ist mit dir alles in Ordnung, Lissa? Du bist so still.«

Lissa spürte, wie ihr Magen zuckte. Ihr Herz zog sich zusammen, eine seltsame und beunruhigende Reaktion auf das sichere Wissen, dass Blythe weit mehr merkte als jeder andere Mensch. Es war ihre Idee gewesen, sich zusammenzutun und die Farm zu kaufen. Sie war die treibende Kraft gewesen, und nach wie vor war sie es, auf die sie alle schauten.

»Ich bin immer still«, rechtfertigte sich Lissa mit einem weiteren kleinen Lächeln. Einem, das ihre Augen nicht erreichte, wie sie wohl wusste. »Vor allem vor einer Reise. Und dies ist eine besondere. Drei Hotels sind an meiner Arbeit interessiert. Wenn ich nur mit einem von ihnen Verträge machen kann, ganz zu schweigen mit allen dreien, dann können wir es uns für eine ganze Weile schön machen.« Sie drehte sich zu Blythe um, weg vom Nachthimmel und dem Mond mit seinen auf Gefahr und Gewalt hindeutenden roten Ringen. »Wer hätte gedacht, dass meine Kronleuchter weltweit Anklang finden und ich mit meiner Kunst berühmt werden würde?«

Sie hatte sich bewusst auf den europäischen Markt konzentriert, aber nicht damit gerechnet, innerhalb von nur fünf Jahren so erfolgreich zu werden.

»Du weißt doch, seit die Männer der Farm Geld zuschießen, bewegen wir uns nicht mehr jeden Monat am Rand der Katastrophe. Du musst also nicht so viel arbeiten, Lissa«, sagte Blythe leise. »Es geht uns jetzt gut. Wir können alle durchatmen. Dank Lexi steht die Farm besser da als je zuvor. Und Rikki, Judith und Airiana sorgen dafür, dass unsere Ernten nicht durch schlechtes Wetter Schaden nehmen.«

»Genau«, erwiderte Lissa und schloss wegen des aufkommenden Windes die Tür. »Rikki, Judith und Airiana stellen sicher, dass Lexis Ernten gut ausfallen. Und du verstärkst ihre Kräfte. So arbeitet ihr fünf zusammen und bringt der Farm Erfolg. Aber was trage ich bei? Als ich mit meiner Firma anfing, habt ihr mir alle geholfen. Ihr habt an mich geglaubt. Das ist nun meine Chance, der Farm etwas zurückzugeben.«

Blythe wollte ihr widersprechen, unterließ es aber nach einem Blick in ihre Augen. »Wir sind alle stolz auf dich. Dass gleich drei Hotels deine Kronleuchter haben wollen, das sagt doch, dass du es geschafft hast.«

»Noch habe ich keinen Vertrag«, hielt Lissa dagegen, wenngleich nicht ohne Enthusiasmus. »Ich musste die Reise um ein paar Wochen verschieben, weil zwei der Manager, die ich treffen will, zur ursprünglich vorgesehenen Zeit nicht erreichbar waren. Wie es aussieht, werde ich einen straffen Reiseplan haben.«

»Trotzdem« – Blythe ging wieder voraus ins Wohnzimmer – »ist es doch toll, dass du so viele Länder besuchen und das auch noch ganz legal von der Steuer absetzen kannst.«

»Das ist das Beste daran«, warf Airiana Prakenskij ein. Sie hatte vor Kurzem Maxim Prakenskij geheiratet und war gerade dabei, vier Kinder zu adoptieren, Geschwister, die sie und ihr Mann vor einem Menschenhändlerring gerettet hatten. »Dass du deine Reise steuerlich geltend machen kannst.« Mit ihrem von Natur aus platinblonden Haar, den großen Augen und ihrem zarten Äußeren sah sie aus wie eine schöne Fee, doch war sie keineswegs fragil. Airiana war mit dem Element Luft verbunden und arbeitete für das Verteidigungsministerium.

»Ich hasse es, mich mit Steuern abzugeben«, kommentierte Rikki Prakenskij. »Ich tauche unheimlich gern, und es ist super, für das, was ich liebe, bezahlt zu werden, aber dann die Steuererklärung erstellen zu müssen, das macht alles zum Albtraum. Dem Himmel sei Dank für Lev und dafür, dass er das alles total versteht.«

Mit einem Lächeln ließ sich Lissa in den Sessel gegenüber von Rikki sinken. »Ich mag es, dass du ihn jetzt Lev nennst und dass ihr alle den Namen Prakenskij angenommen habt.«

Lexi zuckte die Achseln. »Da Gavril hier wohnt und er und Ilja beide den Namen benutzen, warum sollten wir es dann nicht alle tun?«

»Meint ihr nicht, es ist ein bisschen verrückt, dass ihr alle einen Prakenskij geheiratet habt?«, fragte Lissa. Sie stellte ihre Tasse achtsam auf den Couchtisch und verschränkte die Hände ineinander.

»Absolut verrückt«, stimmte Lexi ihr zu, »obwohl – ich bin ja nicht verheiratet.«

»Das ist nur eine Frage der Zeit«, meinte Lissa. »Gavril wird seinen Ring an deinen Finger stecken, so wie er sein Zeichen auf deinem Handteller hinterlassen hat. Leugne es nicht ab. Ich habe gesehen, wie du deine Hand an deiner Jeans gerieben hast. Ihr alle tut das.«

»Manchmal juckt es eben«, sagte Lexi, ohne auch nur daran zu denken, es abzustreiten.

Wieder lachten alle. Lissa liebte es, wenn ihre Schwestern so lachten. Es war ein Ausdruck echter Lebensfreude. Sie hatten alle so verloren angefangen, so gebrochen, vor allem Lexi. Lissa wusste, dass es eine Verquickung von Umständen war, die für jede von ihnen alles verändert hatte. Wie sie sich als Familie zusammengetan hatten, ihre Farm, und wie dann die Prakenskij-Brüder, einer nach dem anderen, aufgetaucht waren. »Was glaubt ihr, weshalb ihr euch alle mit einem Prakenskij eingelassen und euch total in sie verliebt habt?«, fragte sie.

»Hallo?«, meldete sich nun Judith zu Wort. »Bist du blind? Sie sind doch einfach zum Reinbeißen!« Judith war mit Stefan Prakenskij verheiratet. Sie war fast so groß wie Blythe und hatte langes, glattes, schwarzes Haar, ein Erbe ihrer japanischen Mutter. Sie war Künstlerin, restaurierte Gemälde und kreierte einzigartige, wunderschöne Kaleidoskope.

»Das sind sie«, gab Lissa zu, »aber sie sind auch überbeschützend, dominant und arrogant – und sie gehen einem ganz schön auf den Geist.«

Alle Frauen nickten einstimmig. »Das ist alles total richtig!«, meinte Airiana. »Wir können nicht einmal darüber streiten, wer der absolut schlimmste …«

»Gavril!«, erscholl ein einstimmiger Chor.

Lexi blickte entgeistert. »Ist er nicht. Er ist so süß. Wie könnt ihr das nur denken?«

Wieder wurde gelacht, und dieses Mal stimmte Lissa aus vollem Herzen mit ein. Natürlich würde Lexi Gavrils gefährliche Seite niemals sehen. Er liebte sie. Sie war nicht nur das Zentrum seiner Welt, sie war seine Welt.

»Deshalb bekommen wir auch alle Russische Schwarze Terrier, die jedes Haus bewachen«, neckte sie.

Lexi warf ihr ein Grinsen zu und widersprach dann sofort wieder. »Lev ist es.«

»Ich schmeiße Lev so oft ich kann ins Meer«, sagte Rikki mit einem leisen Schniefen. »Das kühlt ihn ab, wenn er außer Kontrolle gerät. Mein Mann ist es also auf keinen Fall.«

Blythe erhob eine Hand. »Also, ich muss schon sagen, alle eure Männer sind die allerschlimmsten. Nur Lissa und ich sind noch bei Verstand.«

Lissa atmete tief und nickte dann. »Weshalb ich sehr froh bin, nach Europa zu reisen und dich, Blythe, dem zärtlichen Erbarmen jenes Prakenskij-Bruders zu überlassen, der als Nächster hier aufkreuzt, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass das passieren wird. Sea Haven scheint jene von uns zu rufen, die Elemente sind oder wie die Drake-Schwestern übersinnliche Fähigkeiten besitzen. Da alle Prakenskijs beides zu sein oder zu haben scheinen, ziehe ich lieber Leine.«

Wenigstens log sie diesbezüglich nicht. Praktisch alles, was sie betraf, war gelogen gewesen, obwohl sie ihren Schwestern unbedingt die Wahrheit über sich hatte offenbaren wollen. Sie sagte ihnen, was sie von sich preisgeben konnte, doch sie hätten sie nicht akzeptiert, wenn sie die ganze Wahrheit über sie erfahren hätten. Deshalb schaffte sie es manchmal kaum, sich im Spiegel anzusehen.

»Was ist denn so falsch daran, einen Mann zu finden?«, fragte Lexi. »Ich war mir sicher, dass ich nie diese Art von … Intimität … mit einem Mann bekommen würde, nicht nach allem, was mir passiert ist. Aber dann kam Gavril, und heute kann ich mir mein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Wünschst du dir denn nicht auch eine Beziehung, Lissa?«

Lissa hätte Lexi am liebsten in ihre Arme geschlossen. Die süße, wundervolle Lexi, mit ihrer unglaublichen Offenheit. Sie war von einer brutalen Sekte entführt worden, die auch noch ihre Familie ermordete, war dann zu Kinderarbeit und einer fingierten Ehe mit einem Pädophilen gezwungen worden, und dennoch hatte sie noch immer dieses süße Wesen, das ihr niemand nehmen konnte. Lissa spürte einen starken Impuls, sie zu beschützen, und liebte sie wie eine Schwester, die sie nie gehabt hatte. Sie würde alles tun, damit Lexi sicher und glücklich war. Sie hatte sich vorgenommen, dafür zu sorgen, dass niemand Lexi dieses Gefühl der Sicherheit würde nehmen können.

»Was ist?«, fragte Lexi plötzlich und setzte sich auf die Lehne von Lissas Sessel, ganz nah zu ihr. Eingehend musterte sie Lissa, bemerkte mehr, als sie sollte. »Du schaust so traurig. Als würdest du dich für immer von uns verabschieden.« Beklommenheit schwang in ihrer Stimme. Ihre Miene ließ Furcht erkennen. Doch sie sprach leise, beschützte Lissa instinktiv vor den anderen.

Lissa war ihr dankbar. Alle ihre Schwestern verstanden einander inzwischen praktisch ohne Worte. Lissa hatte so lange ein Leben der Lüge mit ihnen geteilt, dass sie sich nun schämte und schuldig fühlte. Sie zeigten sich ihr vorbehaltlos, doch sie musste verbergen, wer sie wirklich war. Was sie wirklich war. Sie versuchte ein Lächeln. »Meine Liebe, du weißt, dass ich bald nach Europa fliege, nicht wahr? Ich muss meine Maschine erwischen. Deshalb haben wir uns doch hier versammelt, oder?« Sie versuchte, irgendwie neckisch zu klingen, doch in Wirklichkeit glaubte sie nicht daran, jemals wieder nach Hause zurückzukommen.

Lexi schüttelte den Kopf. »Du weißt, was ich meine. Dies ist dein Zuhause. Bist du hier glücklich?«

»Ich bin hier glücklicher, als ich es seit meiner Kindheit je war. Dies ist mein Zuhause«, sagte Lissa bestimmt, froh darüber, nicht lügen zu müssen. Das war die reine Wahrheit, und Lexi würde es an ihrem Ton erkennen.

»Kommst du zurück?«, fragte Lexi beharrlich weiter, jedoch mit furchtsamem Blick.

»Das ist mein Zuhause«, antwortete Lissa, »und wird es immer sein. Ich komme immer wieder zurück.« Wenn ich kann. Das würde sie. Solange sie die Wahl hatte, würde sie Sea Haven, die Schönheit und den Frieden der Farm niemals verlassen. Sie sprach etwas lauter weiter, damit auch die anderen sie hören konnten. »Wenn ich die Verträge für alle diese drei Hotels bekomme, dann können wir es uns für die nächsten Jahre schön machen. Das wird die Farm gut vorwärtsbringen.«

»Der Farm geht es bereits gut, Lissa«, entgegnete Lexi. »Du brauchst dich nicht mehr zu überarbeiten. Ich habe jetzt Gavril, der mit mir arbeitet, und während der Ernte helft ihr alle mit. Wenn er da ist, macht es mir auch nichts aus, noch jemanden einzustellen, falls nötig. Früher habe ich mich mit Fremden immer schwergetan, aber mit Gavril fühle ich mich sicher. Und mit den anderen Jungs auch.«

Lissa lachte schallend. »Nur du bringst es fertig, die Prakenskij-Brüder ›Jungs‹ zu nennen. Ich liebe dich, Lexi. So sehr. Durch dich habe ich gelernt, wie man Zorn loslässt. Er ist noch da, aber ich arbeite dran.« Wie, das würde sie ihrer kleinen Schwester allerdings niemals sagen.

»Ich liebe dich auch, aber im Ernst, Lissa, nimm nicht mehr Arbeit an, als du ohne Stress bewältigen kannst.«

Lissa nickte. »Ein Hotel in Italien, eine Burg in Deutschland, die zu einem Luxushotel umgebaut wurde, und ein Hotel in Russland. Ich komme wirklich herum, und das auch noch umsonst. Ist ein hartes Leben, aber einer muss es schließlich machen.«

Airiana lehnte sich mit einem Seufzer zurück und nippte an ihrem Tee. »Ich dachte, nach all meinen Abenteuern auf der Yacht und dann auf dem Kreuzfahrtschiff würde ich nie mehr reisen wollen, aber die Kinder machen mich fertig. Benito ist ein verrückter Kerl. Er wird Max mit jedem Tag ähnlicher. Ich schwöre, er ist schon jetzt ein Prakenskij, auch ohne Adoption. Ich könnte einen Urlaub gut gebrauchen. Neulich nachts schlichen Max und ich uns zum Pavillon davon, um ein wenig Spaß zu haben, und gerade als wir zur Sache kamen, blitzten plötzlich überall rote Lichter auf, und ein Alarm ging los. Hat sich dieser schreckliche Junge doch an unserem einzigen sicheren Ort zu schaffen gemacht!«

Die Frauen lachten lauthals.

»So etwas musste doch irgendwann kommen«, meinte Blythe. »Darauf habe ich schon eine ganze Weile gewartet. Es war doch klar, dass er da nicht würde widerstehen können. Ich kann mir Benito und seine Schwestern so richtig vorstellen, wie sie aus dem Fenster schauen und sich dabei kaputtlachen.«

»Bis Max sie sich vorgeknüpft hat«, sagte Judith, obwohl sie vor lauter Lachen kaum sprechen konnte.

»Er hat Benito durch das ganze Haus gejagt. Die Mädchen und ich konnten nur mehr hysterisch lachen«, gab Airiana zu. »Ich habe es Max nicht gesagt, aber ich vermute ja fast, Lucia war der Kopf hinter den roten Lichtern. Die kleinen Mädchen dachten, sie hätten sich die Idee mit den Sirenen einfallen lassen, und angesichts von Max’ Zorn ließ Benito gnädig zu, dass sie den Ruhm für sich in Anspruch nahmen. Aber sie hatten das ganz eindeutig alle zusammen ausgeheckt und nur darauf gewartet, dass wir uns davonstahlen.«

»Ich wette, das hat auch nicht lange gedauert«, meinte Rikki.

Wieder lachte die ganze Runde schallend.

»Wir müssen uns hinausschleichen«, verteidigte sich Airiana. »Diese kleinen Monster schlafen in unserem Zimmer. Wir hoffen, wenn wir den kleinen Hund kriegen, werden sie alle in Lucias Zimmer schlafen.«

»Wahrscheinlich wird das Hündchen zusammen mit den Kindern in eurem Zimmer schlafen«, meinte Lissa, ohne eine Miene zu verziehen.

Airiana bedeckte sich stöhnend die Augen. »Wie wahr. Vergesst das nicht, falls eine von euch daran denkt, Kinder zu bekommen. Sie sind verdammt anstrengend.«

»Ich bestimmt nicht«, warf Rikki ein. »Ich werde lieber die Lieblingstante!«

»Das ist meine Rolle!«, entgegnete Blythe. »Ich werde die alte Jungfer mit fünf Katzen sein.«

Judith schnaubte. »Träum weiter, so weit kommt es bestimmt nicht.« Sie atmete tief durch. »Ich dachte zuerst, ich will keine Kinder, aber Stefan ist so wunderbar, und er wird bestimmt ein Vater, der mit anpackt und mithilft. Ich mag es, wenn Benito bei uns ist und Kunst mit mir macht. Nicia und Siena sind total süße Kinder. Und Lucia ebenso, auch wenn sie kaum zu uns kommt. Stefan und ich haben beschlossen, es zu versuchen.«

Eine betroffene Stille trat ein.

»Wirklich?«, fragte schließlich Blythe. »Das ist wunderbar. Mir gefällt diese Vorstellung, dass hier auf der Farm Kinder glücklich aufwachsen.«

»Das ist gut«, fuhr Judith fort, »weil Airiana nämlich schwanger ist. Ich habe keine Ahnung, wann sie es uns sagen wollte, aber ich sehe ganz klar, dass es so ist. Ihre Aura verrät sie.«

Airiana wirkte verblüfft. »Bin ich nicht.« Sie setzte sich gerade auf, stellte ihre Tasse auf den Tisch und funkelte Judith an. »Ich habe vier Kinder. Das reicht. Ein Baby wäre jetzt definitiv zu viel, wo ich jetzt schon die ganze Zeit schrecklich müde bin.«

»Genau deshalb bist du müde«, erklärte Judith ihr. »Hast du es nicht gewusst? Wirklich nicht?«

Airiana blickte sie finster an. »Solange ich keinen Test gemacht oder es laut ausgesprochen habe, dachte ich, ich könnte noch einmal drum herumkommen. Anfangs haben wir nicht besonders gut aufgepasst. Und manchmal passen wir auch jetzt noch nicht richtig auf.«

»Na, dann braucht ihr es jetzt auch nicht mehr tun«, meinte Judith.

»Der Zug ist abgefahren«, sagte Blythe.

»Ich hasse euch alle!«, zischte Airiana. »Hört auf, mich auszulachen! Jetzt haben wir bald diesen jungen Hund, um den ich mich werde kümmern müssen, wie auch um den verrückten Benito und die Mädchen.«

»Lucia wird sich um den kleinen Hund kümmern«, sagte Lexi. »Sie lernt schon jetzt, die Hunde zu versorgen, und macht das sehr gut. Sie ist ein Naturtalent. Ich glaube, das ist gut für sie, und du solltest ihr sagen, dass du schwanger bist. Sie wird dir helfen.«

Airiana schüttelte den Kopf; sie hatte plötzlich Tränen in den Augen. Sofort verstummte jegliches Gelächter in der Runde.

Blythe ergriff ihre Hand. »Was ist denn, Süße? Du liebst die Kinder doch, und du weißt, dass Lucia das Hündchen braucht; du hast ja auch nichts dagegen. Warum bist du denn traurig?«

Airiana schüttelte erneut den Kopf und zuckte mit den Schultern. »Ich habe diese Morgenübelkeit, aber so schlimm ist es nicht. Ich passe einfach auf, was ich morgens esse. Es geht mir um Lucia und die anderen. Ich möchte, dass sie sich geliebt fühlen. Dass sie wissen, sie haben ein Zuhause. Sie haben so viel durchgemacht. Durch eine Autobombe ihre Eltern verloren. Ihre kleine Schwester wurde ermordet. Dann dieses schreckliche Schiff; all die Dinge, die ihnen dort angetan wurden. Sie müssen das Gefühl haben, bei Max und mir ein sicheres Zuhause zu haben. Dass wir sie lieben und ihre Eltern sind.«

»Natürlich wissen sie das«, versicherte ihr Blythe sanft. »Sie werden sich an das Baby gewöhnen müssen, aber sie werden es akzeptieren und lieben wie ihr auch.«

Wieder schüttelte Airiana den Kopf. »Ich will nicht, dass sie denken, wir würden sie, weil wir ein Baby bekommen, beiseiteschieben. Ich will dieses Baby. Es ist das Kind von Max, aber ich liebe die vier, als wären sie meine eigenen. Ich weiß, dass vor allem Lucia es schwer hat. Sie alle brauchen Zeit. Ich habe noch nichts gesagt, weil ich denke, je mehr Zeit sie nur mit uns haben, ohne ein neues Baby, desto besser ist es für sie. Aber dann denke ich auch wieder, am besten wäre es, wenn sie sich möglichst bald an den Gedanken gewöhnen.« Sie warf die Arme in die Luft. »Ich habe einfach keine Ahnung, was ich tun soll!«

»Was sagt Max?«

Airiana biss sich auf die Lippe.

Lissa rang nach Luft. »Du hast es ihm noch nicht gesagt? Bist du verrückt? Max bringt dich um, wenn du ihm so etwas vorenthältst! Was hast du dir dabei bloß gedacht?«

»Dass er dann noch beschützender wird, als er es ohnehin schon ist. Er kann mich zum Wahnsinn treiben, Lissa. Sie können mich alle wahnsinnig machen, und in letzter Zeit hatte ich nicht die Toleranz und den Humor, die ich brauche, wenn er zum machomäßig-überbeschützenden Irren wird. Ich will nur noch heulen und mit Sachen um mich schmeißen.«

»Süße, du bist schwanger«, sagte Blythe. »Da muss man mit so etwas rechnen.«

»Deine Hormone spielen verrückt«, fügte Judith sanft hinzu. »Liebe, du musst es ihm sagen. Du musst. So etwas kannst du nicht für dich behalten. Sag es ihm, und dann besprecht ihr, wie ihr am besten mit den Kindern verfahrt. Dann geht es dir mit Sicherheit um einiges besser.«

Lissa nickte. »Und dann belegen wir Judith mit einem Zauber, damit auch sie schwanger wird und die Kinder beste Freunde werden können.« Sie stupste Lexi in die Seite. »Was ist mit dir? Meinst du, dein Mann wird dir eine Kinderschar schenken?«

Lexi lachte. »Eine Schar nicht gerade, aber wir haben schon darüber gesprochen.«

Lissa schüttelte den Kopf. »Ich muss unbedingt aus diesem Wahnwitz hier raus. Sonst werde ich, ehe ich mich versehe, noch stellvertretend für jemanden schwanger.« Sie stand auf. »Ich mache mich besser auf den Weg. Bis zum Flughafen sind es immerhin vier Stunden.«

Die Frauen erhoben sich sofort und umringten sie. Sie spürte ihre Wärme. Ihre Liebe. Sie musste kämpfen, um nicht in Tränen auszubrechen. Dies war ihre Familie. Sie liebte sie inzwischen mehr, als sie es sich je hatte vorstellen können. Sie hatte ihnen nie mitgeteilt, wer sie war, und ihnen auch nie das einzige noch lebende Mitglied ihrer Familie vorgestellt, aber sie waren ihre Welt. Sie erwartete nicht, zu ihnen zurückzukehren, aber sie würde für ihre Sicherheit sorgen, weil sie alles für sie waren.

Jede von ihnen war ein Opfer von Gewalt geworden, die ihr Leben zerstört hatte. Sie hatten die Fähigkeit eingebüßt, jemals wieder ohne Furcht in der Welt existieren zu können. Ein Zuhause sollte ein Rückzugsort sein, doch diese Frauen hatten alle erfahren, dass die Grenzen eines Zuhauses jederzeit übertreten werden konnten.

Sie würde nie die Chance haben, sich in einen Mann zu verlieben, doch das war ihre Wahl. Sie würde nie Kinder haben, aber auch das war ihre Entscheidung. Sie wusste, dass sie diese Entscheidung für diese Frauen traf, die ihr alle so viel bedeuteten. Sie hielten einander fest in ihrem Kreis, um sich gegenseitig Solidarität, Verbundenheit, Kraft und Liebe zu geben. Dieses Gefühl der Liebe und des Beistands wollte Lissa überallhin mitnehmen.

»Wir sehen uns, wenn du wieder da bist«, sagte Lexi und durchbrach den Kreis, um Lissa zu umarmen. Sie drückte sie fest. »Ich liebe dich. Ich will, dass du wiederkommst.«

»Ich liebe dich auch, kleine Schwester«, erwiderte Lissa aufrichtig. Sie musste ihre Gefühle zurückdrängen, die sie für gewöhnlich doch so gut unter Kontrolle hatte. »Passt aufeinander auf. Und hört auf die Prakenskijs, wenn es um eure Sicherheit geht. Das meine ich wirklich so. Ich werde auf euch alle sauer sein, wenn ihr das nicht tut.«

Sie umarmte jede von ihnen herzlich und rannte dann fast aus dem Zimmer, hinaus in den aufkommenden Wind. Der Sturm näherte sich Sea Haven, er kam vom Meer herein, und sie hatte das Gefühl, dass dies ein ominöses Vorzeichen für Dinge war, die auf sie zukommen würden. Ihr Gepäck war bereits im Wagen verstaut; wenn sie ihr Flugzeug nicht verpassen wollte, musste sie sich nun auf den Weg machen. Sie ließ die Farm hinter sich, ihren Ort des Friedens, ohne zurückzublicken. Sie wagte es nicht.

Der Ozean toste, der unablässige Wind peitschte die Wellen zu gewaltigen Bergen auf. Das Wasser wuchs förmlich in die Höhe, bildete Wände, die zum Teil bis über zehn Meter aufragten. Wogen rollten auf das Land zu, brachen sich in weiß schäumenden Kronen hoch an Felsen und Klippen. Das stetige Brüllen und Dröhnen steigerte noch das dramatische Bild, wenn die Gischt hochspritzte, das Wasser sich zurückzog und dann wieder und wieder gegen die Brandungspfeiler krachte, als wollte es sie zerstören.

»Das ist eine gute Nacht dafür«, erklärte Lev Prakenskij mit einem raschen Grinsen seinen Brüdern, während sie über den Sand auf den relativen Schutz einiger riesiger Felsblöcke zustapften, die aussahen, als habe ein Gigant sie auf den Strand geworfen. Irgendwie wirkten sie auf der weiten Sandfläche deplatziert. »Und ein perfekter Platz noch dazu. Selbst wenn unsere Frauen es mitbekämen, könnten sie uns hier nicht belauschen.«

Gavril, der Älteste von ihnen, nickte. »Das ist der Grund, weshalb ich es so haben wollte, dass dieses Treffen nicht in der Nähe der Farm stattfindet.«

Über ihnen spannten Wolken dunkle Fäden, wirbelten und wogten unablässig im Rhythmus mit den berstenden Wellen. Der Wind pfiff und heulte, fegte über den Sand, schleuderte ihnen salzige Tropfen ins Gesicht und wirbelte feine Körner hoch, die ihnen auf dem Weg zum Schutz der Felsen ins Gesicht prasselten.

»Airiana war extrem argwöhnisch«, berichtete Maxim. »Lissa reist heute Abend ab, und anscheinend haben sie sich vor ihren Reisen immer zusammengesetzt. Sie bringt mit ihrer Glasbläserei und dem Schweißen eine Menge Geld herein und hat in Europa als Kunden zwei große Hotels und eine Burg, die zur Luxusherberge umgebaut wird. Die Frauen tun etwas, was ihr Glück bringen und ihre Reise sicher machen soll. Airiana wollte, dass ich heute Abend zu Hause bleibe und auf die Kinder aufpasse, aber als ich ihr sagte, ich müsse weggehen, verlegte sie das Treffen einfach in unser Haus.«

»Na, du hast vielleicht Probleme«, meinte Stefan grinsend. »Wenn du heute Nacht heimkommst, wird sie dich in die Mangel nehmen. Und wie. Airiana weiß, wie sie dich zum Reden bringt.«

»Und deine Frau vielleicht nicht?«, fragte Ilja, der jüngste der Brüder. »Wenn ich mich recht erinnere, braucht Judith doch bloß den kleinen Finger zu krümmen, und schon rennst du so schnell, dass deine Schuhsohlen rauchen.«

Sie lachten über Stefan – hauptsächlich, weil sie wussten, dass es genau so war. Judith war seine Welt, und er schämte sich nicht, das zuzugeben. Er wusste ja auch, dass alle seine Brüder Frauen gefunden hatten, denen sie verfallen waren. Am meisten hatte ihn sein älterer Bruder Gavril überrascht, der vor Kurzem bei Lexi, der jüngsten der Frauen auf der Farm, eingezogen und wirklich über beide Ohren in sie verliebt war. Selbst für seine Brüder war Gavril einer, der ihnen Angst machen konnte, doch mit seiner Verlobten war er nett und sogar zärtlich, zwei Wesenszüge, die niemand, nicht einmal seine Familie, ihm zugetraut hätte.

Die Brüder schritten weiter auf die Reihe von Felsen zu. In der Dunkelheit waren sie mächtige, einschüchternde Gestalten, die sich mit fließenden Bewegungen über den Strand bewegten. Der Wind heulte um sie herum, doch sie gerieten nicht aus dem Tritt, sondern strebten gleich einem Rudel todbringender Raubtiere vorwärts. Ihr Vertrauen in sich selbst und zueinander war unübersehbar. Sie alle waren imposante Männer mit breiten Schultern und starker Brust, und man konnte leicht erkennen, dass ein jeder von ihnen auf sich aufzupassen wusste.

Ein Stück entfernt ließ das Flackern eines Feuers die Umrisse eines vorspringenden Felsens markant hervortreten. Der rotorangene Schein fiel auf einen Obdachlosen, der bequem an den Felsen gelehnt dasaß, eine Flasche in der Hand, den Mantel eng um sich gezogen und das Gesicht halb mit einem Schal bedeckt. Wenigstens schien er aufgrund der vor ihm auflodernden Flammen nicht zu frieren. Er hatte sich den Felsen in der Mitte für sein Lager ausgesucht und den Brüdern quasi die anderen für deren Treffen überlassen.

»Willst du uns nicht sagen, warum du dieses Treffen anberaumt hast, Gavril?«, fragte Lev. Er hielt sich im Schatten, abseits von dem Mann und seinem Feuer, ohne diesen jedoch aus den Augen zu lassen. Lev war am längsten von ihnen auf der Farm und empfand eine tiefe Zuneigung für die Frauen, die dort lebten. Deshalb ließ er sie nicht gern allein und unbewacht zurück, nicht einmal für ein paar Stunden.

Er blickte auf das tosende Meer hinaus. Einmal war er der dunklen See hilflos ausgeliefert gewesen, die mächtigen Wogen hatten seinen wehrlosen Körper hin und her gespült und schließlich mit solcher Wucht an einen Felsen geschleudert, dass er eine Gehirnerschütterung davongetragen hatte. Rikki Sitmore, eine Seeigel-Taucherin und eine dieser erstaunlichen Frauen auf der Farm, hatte ihm damals das Leben gerettet. Nun war er rettungslos in sie verliebt und mochte es nicht, auch nur kurze Zeit von ihr getrennt zu sein, doch das wollte er seine Brüder auf keinen Fall wissen lassen. Er würde es sonst ewig zu hören kriegen, auch wenn es um sie keinen Deut besser stand.

Lev konzentrierte den Blick auf die Faust des Mannes, die eine Flasche Scotch umklammert hielt. »Wir sollten unser Treffen verlegen«, schlug er leise vor. »Wir sind hier nicht allein.«

»Du hast den Scotch bemerkt«, meinte Gavril.

Lev zog die Brauen nach oben. »Wie könnte ich nicht? Der Kerl trinkt Glenmorangie 18 Years Old Single Malt. Extrem selten. Das ist nichts, was sich ein Obdachloser leisten kann.«

Maxim nickte zustimmend. »Alles andere an ihm ist stimmig, aber diese Flasche kostet mindestens hundert Dollar. Kann er sich auf keinen Fall leisten, wenn er wirklich ein Obdachloser ist.«

Keiner der Prakenskijs hatte dem Mann den Rücken zugewandt. Sie wussten, dass sie verfolgt wurden. In Russland waren sie zu Agenten ausgebildet worden, zu Mördern, die Staatsfeinde eliminieren sollten. Ihre Eltern hatten jedoch gegen die Politik von Kostya Sorbacov opponiert, einen sehr einflussreichen Mann, der damals die Macht hinter dem Präsidenten war, und waren deshalb ermordet worden.

Schon in frühem Alter waren die Brüder voneinander getrennt, zwangsweise in speziellen Schulen ausgebildet und einem brutalen Training unterzogen worden. Nun, nach Jahren, hatte Sorbacovs Sohn Uri kürzlich den Beschluss gefasst, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Deshalb konnte er es sich nicht leisten, dass sein Name mit einem Skandal in Verbindung gebracht wurde – was bedeutete, dass jegliche Hinweise auf die extremen Gräueltaten im Zusammenhang mit diesen Schulen getilgt werden mussten. Mit anderen Worten, er versuchte, alle ermorden zu lassen, die diese Schulen durchlaufen hatten. Selbst wenn sie ihrem Land treu gedient hatten, standen sie nun auf einer Todesliste.

»Erkennt ihn einer von euch?«, fragte Gavril.

Stefan schüttelte den Kopf. »Nein, aber er ist einer von uns. Er ist gut. Spielt die Rolle perfekt. Bis auf den Glenmorangie; der lässt seine Tarnung auffliegen. Gegen uns hätte ich ihm ohnehin keine Chance gegeben.«

»Schau genauer hin«, forderte Gavril ihn auf.

Lev starrte auf seinen Bruder. »Du kennst ihn. Du hast gewusst, dass er hier sein würde.«

Gavril grinste. »Ich kann nicht glauben, dass ihr euren eigenen Bruder nicht erkennt. Ich habe Casimir eingeladen, sich hier mit uns zu treffen, aber er hat nicht viel Zeit. Er muss heute Abend noch einen Flug nehmen.«

Die anderen blickten von ihm zu dem am Feuer sitzenden Mann, der sich daran wärmte und einen Schluck aus seiner Flasche nahm.

»Du hast ihm aufgetragen, nach Lissa zu sehen«, erriet Stefan. »Ich hätte daran denken müssen. Ich habe mir auch schon Sorgen gemacht, weil sie allein in Europa herumirrt. Wahrscheinlich haben die Sorbacovs bereits die Information, dass sie hier auf der Farm lebt. Dann wissen sie auch, dass sie Teil der Familie ist, und könnten versuchen, uns über sie zu finden.«

Gavril nickte. »Ich will nicht, dass die Frauen irgendwo ohne Schutz hingehen. Wir können nicht mitfliegen, und Lissa würde uns wahrscheinlich die Hütte abbrennen, wenn sie erführe, dass wir ihr jemanden mitschicken, der ein Auge auf sie hat, aber so können wir beruhigt sein, und sie kann in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen. Ich habe Kontakt mit ihm aufgenommen, sobald ich von Lissas Reise erfuhr. Zum Glück musste sie sie wegen der Burg in Deutschland um zwei Wochen verschieben; dadurch bekam er einen Monat, in dem er sich in Europa eine Tarnung zulegen konnte.«

Lev nickte anerkennend. »Gute Idee, Gavril.«

Die Brüder beeilten sich, über den Sand zu dem Feuer zu gelangen. Der »Obdachlose« stand lächelnd auf und kam auf sie zu. Gavril umarmte seinen Bruder, klopfte ihm auf die Schulter und ließ ihn dann die anderen begrüßen. Sie mussten sich vorstellen, weil sie Casimir seit ihren Kindertagen nicht mehr gesehen hatten.

Sobald sie sich um das Feuer niedergelassen und die Flasche die Runde gemacht hatte, ergriff Gavril das Wort. »Ich weiß, du hast nicht viel Zeit, und bald wird es zu regnen anfangen, aber da du hier in den Staaten bist, wollte ich dich sehen. Und ich wusste, dass die anderen dich auch sehen wollten.«

Casimir nickte. »Mir ging es ebenso. Es wäre ein zu langer Weg hierher gewesen, um euch alle dann nicht wenigstens ein Mal zu treffen. Ich wünschte, Viktor wäre auch hier. Hat irgendeiner von ihm gehört? Ich überprüfe regelmäßig unser Notsystem, aber in den letzten fünf Jahren ist er wie vom Erdboden verschwunden.«

Sie schüttelten alle den Kopf.

»Er ist vollkommen untergetaucht«, sagte Gavril und versuchte, Zuversicht in seinen Ton zu legen. »Aber wenn jemand ihn erwischt hätte, wüssten wir es. Das wäre ein derartiger Erfolg, dass sie damit prahlen würden.«

»Viktor ist nicht so leicht totzukriegen«, stimmte Stefan zu.

»Ich habe in letzter Zeit Gerüchte gehört, dass einige der Männer, die mit ihm zur Schule gingen, ebenfalls verschwunden sind«, berichtete Maxim. »Um die Zähesten, die am meisten Gefürchteten, die Legenden unserer Schulen scheint es still geworden zu sein.«

»Und das schließt unseren geschätzten Bruder mit ein«, sagte Ilja.

Sie verfielen in Schweigen, ließen die Flasche noch einmal herumgehen, und jeder begrüßte damit die roten Ringe um den Mond, bevor er einen Schluck nahm.

»Lissa ist eine von uns, Casimir«, brach Lev das Schweigen. »Wichtig für unsere Familie. Sie ist zäh und glaubt, sie kann selbst für sich sorgen, aber sie hat keine Vorstellung davon, wozu die Sorbacovs fähig sind, wenn sie tatsächlich in Erfahrung bringen, dass sie für uns Teil der Familie ist. Gavril hat uns gesagt, du bist bereit, dich um sie zu kümmern.«

»Ja, das habe ich gesagt«, stimmte Casimir zu. Es klang jedoch nicht so, als würde er sich darum reißen.

»Sie ist gescheit und bekommt definitiv alles mit«, erklärte Stefan. »Wenn du nicht willst, dass sie dir auf die Schliche kommt, musst du vorsichtig sein.« Er sah sich im Kreis seiner Brüder um. »Und wir wollen nicht, dass sie etwas mitbekommt, denn das könnte für uns Ärger bedeuten. Sie könnte die anderen Frauen anstacheln, und dann hätten wir alle Probleme.«

Casimir schnaubte höhnisch. »Nach der wirklich kurzen Zeit, die ich euch nun beobachten konnte, muss ich sagen, ihr steht alle ganz schön unterm Pantoffel.« Er sagte es ohne Wehmut im Ton. Er würde seinen Brüdern diesen einen Gefallen tun – Männern, von denen er sein ganzes Leben lang getrennt gewesen war. Männern, die er nicht kannte, für die er jedoch größte Loyalität empfand.

»Ich werde dich nicht belügen«, sagte Maxim. »Meine Frau ist meine Welt. Ich denke, ich spreche hier für jeden; ihre Frauen bedeuten ihnen dasselbe. Und Lissa ist ein Teil dieses Ganzen. Sie ist wichtig, Casimir. Sie muss sicher sein.«

Casimir zuckte die Achseln. »Ihr habt mein Wort.« Er beugte sich über das wärmende Feuer, für einen Augenblick blieb sein Blick daran hängen. Seine Augen waren wässrig, flüssiges Silber, fast dieselbe Farbe wie die von Ilja, dem Jüngsten der Brüder. Sein Haar war fast pechschwarz, mit eigenartigen Silberstreifen; sie deuteten an, dass irgendwann etwas Scharfes seinen Schädel gestreift und diese fünf dünnen Linien hinterlassen hatte. Er trug das Haar kurz geschnitten und gepflegt. Das markante Kinn war von Stoppeln bedeckt, seine Züge geprägt von Flächen und Kanten. Drei Narben verliefen von seinem Kinn bis zur Schädeldecke, dünne Schnitte, als hätte, was immer seinen Kopf so zurichten konnte, auch sein Gesicht erwischt. Die Narben waren kaum als solche zu erkennen, doch sie verhinderten, dass er aussah wie ein Dressman.

»Erzählt mir aus eurem Leben. Alles. Was ihr all die Jahre getan habt und was ihr jetzt macht. Ich habe weniger als eine Stunde Zeit, und vielleicht sehe ich euch nie wieder. Also, redet.«

2.

Manchmal war das Leben pure Ironie. Casimir Prakenskij war ein Mörder. Ein erstklassiger, ein Spitzenmörder. Und zwar bereits seit seinem fünfzehnten Geburtstag. Praktisch von Geburt an hatte man ihn dazu trainiert, irgendjemand – jedermann – zu sein, nur nicht Casimir Prakenskij. Er wusste nicht einmal, wer Casimir war. Hätte er in den Spiegel geschaut, er hätte den Mann nicht erkannt.

Die Rolle, in der er sich befand, war unerwartet schwieriger, als er gedacht hatte. Oberflächlich besehen war sie einfach, und er hatte solche Rollen schon oft gespielt – so oft, dass ihm diese zur zweiten Natur geworden waren. Bodyguard auf dem Besitz von Luigi Abbracciabene. Für gewöhnlich fiel es ihm leicht, jede Position zu übernehmen, doch Luigi beschäftigte nur sehr wenige Leute auf dem Abbracciabene-Anwesen.

Haus und Grundstück waren nicht übertrieben groß, doch das Ganze wurde nur von zwei patrouillierenden Männern bewacht, nicht von einem Team. Er schaffte es, zur Stelle zu sein, als einer der Bodyguards »unerwartet« mit einer »schweren Krankheit« daniederlag und beschloss, sich zu verabschieden. Man hatte ihn informiert, und er wusste, dass seine Zielperson zu Besuch kam, und zum Glück hatte er ein paar Wochen, um seine Tarnung vorzubereiten.

Sein »Opfer« war sehr schön. Anders konnte man es nicht sagen. Wunderschön. Sie lachte nicht oft, aber wenn, dann drehten sich alle nach ihr um. Sie war nicht schwer im Auge zu behalten, denn sie hielt sich gern im Freien auf, und ihr Haar verriet sie. Wenn die Sonne auf sie niederbrannte, glich ihr Haar einer lodernden Flamme. Dichte, dicke rote Strähnen umrahmten das zarte, ovale Gesicht. Die Augen waren frappierend blau. Nicht blaugrün, sondern von einem reinen, tiefen Saphirblau, und von dichten, rotgoldenen Wimpern umrahmt, die sie nur selten mit Mascara nachdunkelte.

Sie hatte ihn sofort bemerkt und sich erkundigt. Sie lebte nicht dort. Sie war über ein Jahr lang nicht mehr da gewesen, aber trotzdem fiel ihr auf, dass er nicht zum regulären Hauspersonal gehörte. Aus irgendeinem seltsamen Grund fand er das sexy – dass sie Dinge zu bemerken schien, die anderen Frauen nicht auffielen.

Sie war direkt auf ihn zugekommen und hatte sich vorgestellt. Nah. Furchtlos. Noch nie zuvor hatte eine Frau wirklich etwas bei ihm ausgelöst, nicht einmal dann, wenn er mit ihr geschlafen hatte, doch dass er sich zu ihr sofort hingezogen fühlte, war nicht zu leugnen. Und sie spürte es ebenfalls. Er sah es für den Bruchteil einer Sekunde in ihren Augen. Ihre Atmung veränderte sich. Ein Atemzug. Zwei. Das war alles, doch er hatte es bemerkt. Abgespeichert. Er würde sich immer an diesen Moment erinnern, denn für ihn war er bedeutsam gewesen. Er hatte eine besondere Kraft zwischen ihnen gespürt, und sie ebenfalls. Sie vertuschte und ignorierte es, genau wie er.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich, als er in diese erstaunlichen blauen Augen blickte, gewünscht, eine Frau könne Casimir Prakenskij sehen und nicht den Mann, der zu sein er vorgab. Er wollte nicht, dass es diese Frau mit einer fiktiven Figur zu tun hatte, einem Bodyguard, der seinen Job machte und dann auf Nimmerwiedersehen verschwand. Er wollte, dass sie ihn sah – wer immer das auch war.

Sie sprach leise, tief und melodiös. Die Töne drangen durch die Haut in ihn ein, brannten sich in seine Knochen ein wie ein Mal – kein guter Start für einen Mann wie ihn. Er war ein Meister der Verschleierung und damit auch ein Meister seiner Emotionen, doch er stellte fest, dass er, wo immer er war, im Haus oder draußen, überall nach dem Klang ihrer Stimme lauschte. Weder ihr noch sonst jemandem zeigte er seine Reaktion auf sie; er verbarg sie, um sie später hervorzuholen und auszukosten. Es war ein Geschenk. Ein Gefühl. Irgendetwas anderes als Einsamkeit und Verzweiflung. Ein Gefühl für eine Frau war ein Geschenk.

Sie war seit einer Woche hier. Er hatte ihren Sicherheitsdienst begleitet, wenn sie mit ihrem Onkel Luigi in die Stadt fuhr, was fast jeden Tag geschah. Sie liebte es, durch die Stadt zu bummeln. Er wusste, dass es nicht ihre Heimatstadt war. Sie war als einziges Kind von Marcello und Elisabeta Abbracciabene in Ferrara geboren worden. Damals hatte sie noch Giacinta geheißen, und sie war ein typischer keltischer Typ gewesen, wie ihre Mutter mit ihrem flammend roten Haar und den unglaublich blauen Augen. Seine Informationen hatten auch Bilder aus ihrer Kindheit und ihre außergewöhnliche Geschichte beinhaltet.

Angeblich war sie als Kind mit ihren Eltern umgekommen. Luigi hatte ihre Existenz geheim halten können und sie dann mit achtzehn weggeschickt. Zurückgekehrt war sie als die Künstlerin Lissa Piner. Luigi stellte sie als eine Person vor, die ihm etwas bedeutete, wie eine Tochter – oder eine Nichte –, und erwartete, dass sie entsprechend behandelt wurde. Alle Männer schienen zu akzeptieren, dass Luigi und Lissa verwandt waren und er sie als Teil der Familie betrachtete.

Sie bewegte sich so leise, dass er sie nie kommen hörte, wenn sie im Haus ihres Onkels unterwegs war, aber er fühlte sie. Er war ihrer so stark gewahr, dass er immer wusste, wo im Haus sie sich gerade aufhielt. Das ließ ihm Zeit, sich wie beiläufig an die Wand zu lehnen, eine Pose, die sie ärgerte, wie er wusste, weil sie dann immer anmerkte, was für einen leichten Job er doch habe. Mit den anderen Bodyguards, die ihre Zeit mit Billard oder Videospielen im Aufenthaltsraum verbrachten, redete sie nicht viel. Nur mit ihm. Und es gefiel ihm, dass sie nur mit ihm redete. Selbst wenn sie ihn zurechtwies.

Sie lächelte ihm immer zu, wenn sie ins Zimmer kam, mit ihrem geschwungenen Mund, den vollen, auch ohne Lippenstift kräftig roten Lippen, die sich zu einem feinen Lachen verformten, das ihre Augen jedoch nicht ganz erreichte. An ihren Mund hatte er schon viel zu oft gedacht. Seine Form. Ihre offenbar seidenweichen Lippen, die seine Fantasie über Gebühr beflügelten, ihn nachts nicht zur Ruhe kommen ließen. Er konnte jederzeit und überall schlafen; bei seinem Job war das einfach notwendig. Aber wenn sie in seine Träume eindrang, dann wurde es ihm praktisch unmöglich.

Kleine, weiße Zähne blitzten ihn an, während ihr Blick ihn eingehend in Augenschein nahm. Er war breitschultrig, groß, aber schlank. Das war eine seiner zahlreichen Gaben – diese Schlankheit erlaubte es ihm, quasi über Nacht Gewicht zuzulegen oder abzunehmen, je nach der Rolle, die er spielte. Sein sehniger Körper war insofern eine Täuschung, als er seine enorme Kraft nicht erkennen ließ. Er hatte kein Gramm Fett an sich und war sehr athletisch und muskulös.

Er hatte Narben. Zahlreiche Narben, die aber seltsamerweise nicht von seinem Job herrührten. Er war keiner, der erwischt wurde – jedenfalls nicht im Normalfall. Die meisten Narben stammten von dem brutalen Training in den Schulen, die er durchlaufen hatte. Er war ein schwieriger Schüler gewesen. Trotzig. Waffentraining und Nahkampfausbildung waren ihm leichtgefallen, darin hatte er brilliert. Auch in seiner Ausbildung als Frauenverführer war er hervorragend gewesen. Aber der Schulunterricht und das Erlernen von Sprachen hatten ihn zu Tode gelangweilt. Trotzdem hatte er gelernt, denn wer nicht lernte, der starb.

Er hatte gelernt zu foltern und wie es war, gefoltert zu werden. Nie würde er das Gefühl vergessen, wenn Messer ins Fleisch schnitten. Die Verbrennungen. Die Elektroschocks. Manchmal wachte er nachts auf, schweißüberströmt, die Pistole in der Faust, den Geschmack von Blut im Mund und mit fest zusammengebissenen Zähnen, damit er keinen Laut von sich gab.

Seine Eltern waren aus politischen Gründen ermordet worden – sie hatten zu freimütig über die in ihrem Land nötigen Reformen gesprochen. Sie liebten Russland und wollten, dass die Regierung für das Volk arbeitete. Stattdessen war ein Killerkommando gekommen. Casimir und seine sechs Brüder waren zwangsweise in die Schulen gesteckt worden.

Der Mann, der diese Schulen leitete, Kostya Sorbacov, hatte nicht riskieren wollen, dass sie aufeinander zählen konnten, und sie deshalb getrennt. Er wollte, dass sie ihm gegenüber loyal waren, seinen Befehlen gehorchten.

Wegen der Brutalität und schieren Grausamkeit der Trainingsmethoden waren viele Schüler, die meisten wie er Söhne oder Töchter ermordeter Oppositioneller, während der Ausbildung gestorben. Andere lernten – wie er –, nichts mehr zu fühlen. Nie eine Emotion zu zeigen. Er wurde exakt, wie sie ihn wollten, denn andernfalls hätten sie einen seiner Brüder getötet. Er wusste, was für ein Tod das sein würde. Langsam. Qualvoll. Er hatte gesehen – und gelernt –, wie man diese Art von Tod bewerkstelligte.

Gleich ihren Eltern besaß jeder der Prakenskij-Brüder übersinnliche Fähigkeiten. Diese Begabungen waren stark und ermöglichten es ihnen, in ihrer brutalen Umwelt zu überleben und zu gedeihen. Er hatte überlebt, aber manchmal, so wie jetzt, fragte er sich, zu welchem Preis. Er hatte kein Zuhause und keine Zukunft. Er bewegte sich durch die Welt, nahm verschiedene Identitäten an und legte sie wieder ab. Keine von ihnen war real – nicht eine einzige.

Er hielt den Blick auf seine Zielperson gerichtet und ging dabei in Gedanken die Fakten über sie durch. Die Frau, die sich nun Lissa Piner nannte. Sie war als Giacinta Abbracciabene geboren worden und vor fast sechs Jahren von Sizilien in die Vereinigten Staaten geflohen. Dort hatte sie sich den Namen Lissa Piner zugelegt und war einer Therapiegruppe für Frauen beigetreten, die alle mindestens ein Familienmitglied durch Mord verloren hatten und sich für diesen Mord verantwortlich fühlten. Er verstand nicht, weshalb sie sich verantwortlich fühlte – sie war ein Kind gewesen, als ihre Eltern getötet wurden –, aber irgendwie war er froh, dass sie es tat.

Während dieser Sitzungen hatte sie fünf Frauen kennengelernt, mit denen sie sich rasch anfreundete. Sie taten sich sogar zu einer Art Familie zusammen und kauften miteinander eine Farm. Lissa war eine Einzelgängerin. Sie hatte niemanden an ihrem Leben teilhaben lassen, bis sie diese Frauen traf. Es gefiel ihm, dass sie sie hatte. Er wusste, was es bedeutete, völlig allein zu sein, von allem abgeschnitten eine Lüge zu leben.

Sie kam auf ihn zu. In das Zimmer. Sein Körper erkannte, dass sie in unmittelbarer Nähe war, lange bevor er sie tatsächlich sah. Sie strahlte Wärme aus. Vielleicht war es ihr wunderschönes Haar, vielleicht auch ihre zurückgehaltene, beherrschte Leidenschaft. Er sah es. Spürte es. Sie konnte das vor allen anderen verbergen, aber nicht vor ihm.

Lissa Piner schritt geradewegs auf ihn zu. Kam ihm so nahe, dass ihr Geruch ihn erfüllte. Ein schwer fassbarer Duft, kaum wahrnehmbar, gerade genug, um einen Mann wünschen zu lassen, sie möge noch näher kommen, damit er ihr natürliches Parfum noch tiefer in sich aufnehmen könnte. Es erinnerte ihn an eine Blume, deren Name ihm jedoch nicht einfiel.

Ihre Augen, dieses lebhafte, kräftige Blau, richteten sich beharrlich auf sein Gesicht. Auf seine Augen. Er trug natürlich Kontaktlinsen, dunkelbraune, die zu seinem dunklen Haar passten. Sie musste das Kinn heben, um ihm in die Augen schauen zu können. Er hielt die Narben und sein Haar vor der Welt verborgen. Tomasso Dal Porto hatte weder diese Narben noch das Haar mit den Silberfäden darin.

»Guten Morgen, Tomasso«, sagte Lissa.

Sein Bauch verspannte sich. Dieses leise Schnurren in ihrer Stimme mochte er nicht. Sie hatte ihn jedes Mal, wenn sie ihn sah, gegrüßt, so wie jeden anderen Beschäftigten auf dem Anwesen ihres Onkels. Aber irgendwie behandelte sie ihn dennoch ganz anders. Sie hatte diese Art, ihn zu beobachten. Sie beobachtete ihn so genau, als wüsste sie, dass er ein anderer war als der, für den er sich ausgab.

Deshalb war er misstrauisch geworden. Er ließ sich sein Unbehagen jedoch nicht anmerken. Seine Tarnung war verlässlich. Er spielte seine Rolle perfekt. Sein Akzent war perfekt. Er hatte eine Vorgeschichte und glaubte sogar selbst daran, dass er Tomasso Dal Porto war.

Casimir neigte den Kopf, ließ den Blick ein wenig frech über sie gleiten. Doch sie ging nicht in die Falle, so wie sonst. Dann wurde das Blau ihrer Augen noch intensiver, und unmittelbar bevor sie ihn zurechtwies, formte ihr Mund eine vollkommen sinnliche Linie – wiewohl er nicht glaubte, dass ihr das wirklich bewusst war. Jetzt signalisierten ihm seine Alarmglocken, dass er ein ganz anderes Problem bekommen könnte. »Guten Morgen, Signorina Piner.«

Sie presste die Lippen aufeinander. »Wie oft muss ich dich noch bitten, mich Lissa zu nennen?«

Er zuckte die Achseln. »Das gehört sich nicht.« Keiner der anderen Bodyguards hätte es gewagt, sie derart vertraulich anzusprechen. Ihrem Onkel würde es nicht gefallen. Er wollte nicht bevorzugt werden. Es gefiel ihm nicht, dass sie seit zwei Tagen darauf bestand, dass er sie mit dem Vornamen ansprach.

Sie beugte sich näher zu ihm, ihr Mund war nahe an seinem Ohr. Wäre sie größer gewesen, so hätte sie ihn berühren können, doch ihr Kopf reichte gerade bis zur Mitte seiner Brust. »Feigling«, murmelte sie leise. So leise, dass niemand es gehört hätte, falls sie nicht allein im Raum gewesen wären.

Er erwiderte nichts. Seine Miene blieb vollkommen ausdruckslos, er gab nichts preis. Verdammt, aber so nahe hatte sie noch viel mehr Power. All diese zurückgehaltene Leidenschaft in diesem wilden Blick ihrer blauen Augen. Ihr Haar fühlte sich an wie Seide, dort wo es seinen Arm streifte. Er reagierte sonst nicht spontan körperlich auf Frauen, merkte nun jedoch, dass er gegen eine Erektion ankämpfen musste. Allein die Wärme ihres Atems und ihr Duft ließen seinen Schwanz bereits anschwellen. Hart werden. Ohne dass er es wollte. Etwas, das ihm nicht mehr passiert war, seit er siebzehn war. Damals war er so oft ausgepeitscht worden, hatte die Peitsche ihm so lange Striemen ins Fleisch gerissen, bis er totale Disziplin und Beherrschung seines Körpers gelernt hatte.

»Ich möchte gern ein wenig auf dem Anwesen spazieren gehen und brauche dich als Begleitschutz.«

Ein leicht befehlender Ton schwang in ihrer Stimme mit. Sie fragte ihn nicht. Er hob eine Augenbraue und stand mit einer einzigen flüssigen, eleganten Bewegung auf, die seinen Körper sehr nah an ihren schob. Er bemerkte, wie ihr Atem aussetzte. Ihre lebhaften blauen Augen weiteten sich, und das Blau wurde noch intensiver. Er verspürte ein wahnwitziges Verlangen zu sehen, wie es wäre, wenn er tief und heftig in sie eindringen und sie die Beherrschung verlieren würde. Für einen Moment ließ er zu, dass sie das mitbekam – ein kurzer Blick, nicht mehr.

»Es gefällt mir, dass Sie mich brauchen, Signorina Piner.« Er sprach leise. Sinnlich. Füllte die Wahl seiner Worte mit Bedeutung. Stachelte sie vorsätzlich an, indem er ihren Nachnamen benutzte.

Ein Hauch von Farbe stahl sich in ihren hellen Teint. Ihre Haut war ein Kunstwerk, und er war sicher, dass kein Maler diese Farbe je würde treffen können. Er begegnete lange ihrem Blick und deutete dann mit einer lächelnden Geste an, sie solle vorausgehen. Lissa starrte noch einen Herzschlag länger in sein Gesicht; dann drehte sie sich abrupt um und schritt auf die Tür zu. Er ging nicht neben, sondern hielt sich hinter ihr, was sie noch ärgerlicher fand.

Er liebte es, ihren Gang zu beobachten. Sie war immer lautlos. Anmutig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie jemals stolpern würde. Sie bewegte sich wie eine Balletttänzerin, fließend und beherrscht. Selbstsicher. Sie war klein, sogar zierlich, doch er beobachtete, wie sich unter ihrer unglaublichen Haut Muskeln bewegten. Sie hatte einen tollen Hintern, und er mochte es, wie sie ihn beim Gehen bewegte, wie sich der Stoff ihres langen Rocks darüber spannte und aufreizend fiel. Sie war eine sehr sinnliche Frau. Wohin sie auch ging, erregte sie Aufmerksamkeit, doch er hatte noch nie bemerkt, dass sie mit jemandem flirtete. Am ehesten noch mit ihm, doch das war nicht wirklich ein Flirten, sondern lediglich diese kleine Reaktion, die sie nicht immer verbergen konnte.

Sie ging voraus in den Garten und wartete dort auf ihn. Ihre Miene war eine einzige, definitive Herausforderung. Sie hatte das Kinn angehoben, die blauen Augen waren zusammengekniffen. »Welcher bist du?«, fragte sie auf Englisch.

Er blickte sie erstaunt an. »Ich verstehe Ihre Frage nicht.« Er antwortete in fließendem Italienisch. Perfekte Aussprache. Er sah aus und bewegte sich wie ein Einheimischer. Perfekt. Er fiel nie aus der Rolle. Niemals.

»Oh doch!«, zischte sie. »Ich mache dieses Spiel mit dir nicht mit. Gavril hat Kontakt mit dir aufgenommen, nicht wahr? Und wage es ja nicht, mich anzulügen, oder ich gehe zu meinem Onkel und lasse dich so schnell von ihm rausschmeißen, dass du nicht weißt, wie dir geschieht.«

Natürlich hatte Gavril mit ihm Kontakt aufgenommen und ihm alle nötigen Informationen verschafft, um Lissa Piner beschatten zu können, aber das konnte sie unmöglich wissen. Keiner seiner Brüder würde ihn je ihren Frauen preisgeben, und wenn sie noch so verliebt sein sollten. Sie waren es gewohnt, sich gegenseitig zu beschützen, und er war im Einsatz.

»Es kann nur Gavril gewesen sein. Er ist so …« Sie brach ab, schritt weg von ihm, eine fließende Bewegung voller Energie, drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an, beide Hände zu Fäusten geballt. »Überheblich.« Sie spuckte ihm das Wort ins Gesicht. »Arrogant. Dominant. Ich lasse nicht zu, dass du mich beschattest. Meinen Babysitter spielst.«

Er massierte sich verwirrt, mit gerunzelter Stirn, den Nacken. »Es ist mein Job, auf Sie aufzupassen. Don Luigi besteht darauf, dass Sie immer einen Bodyguard dabeihaben …«

»Nicht Don Luigi, du Trottel! Gavril. Dein Bruder. Er hat dich geschickt! Ich weiß es. Wahrscheinlich wissen sie alle Bescheid. Du bist eindeutig ein Prakenskij!«, fuhr sie ihn an. »Ich hätte wissen müssen, dass er so etwas tun würde.«

Eine Woche, und sie hatte seine Identität aufgedeckt. Das war nicht gut. Er hatte überlebt, weil er ein Meister der Tarnung war. Kopfschüttelnd rieb er sich den Nacken. Er konnte mit den Besten pokern. »Wie viele Brüder habe ich denn?«, fragte er mit einem Anflug von Belustigung. Belustigung und Verwirrung. Dieser Ton war ein Kunststück. Er bemerkte die plötzliche Skepsis in ihrem Blick – als würde sie für einen kurzen Moment an sich selbst zweifeln.

Sie reckte ihm das Kinn entgegen, eine eindeutige Geste der Herausforderung, die etwas Unerwartetes – und Gemeines – in ihm auslöste. Das Bedürfnis, sie zu bändigen. Zu dominieren. Sie war pures Feuer. Eine leibhaftige Flamme, so schön, dass sie ihm den Atem raubte.

»Du hast sechs Brüder. Als ob du das nicht wüsstest!«

Er sah sie verblüfft an. Krümmte die Lippen, als würde das überlegene Männchen sein Lachen vor dem dummen kleinen Weibchen verbergen. »Sechs? Ich dachte eigentlich, ich habe gar keine Geschwister, aber wenn ich gleich sechs habe, dann muss ich ja wohl wissen, an welcher Stelle ich stehe. Bin ich der Älteste? Der Jüngste? Bitte erzählen Sie mir mehr über meine Familie.«

»Du bist in der Mitte, und das macht dich so unausstehlich.«

Er lachte laut. »Ah ja! Also, falls du meine Aufmerksamkeit willst, cara, dann musst du es mir einfach nur sagen. Dazu hättest du gar keine so ausgetüftelte Story gebraucht.« Er fuhr ihr über das lange, rote Haar, zeichnete die Form ihres Kopfes nach, strich über ihren Rücken bis zur Rundung ihres wundervollen Hinterns und erlaubte sich, die Hand dort liegen zu lassen.

Es sprach für sie, dass sie ihm nicht auswich, sondern lediglich sehr reglos wurde. Etwas in ihm veränderte sich, warnte ihn. Sie war nur ein kleines bisschen unsicher geworden. Durcheinander. Hatte versucht, sich und ihren Gedanken, sie könne wissen, wer er war, zu verteidigen. Nun war sie sich seiner wieder äußerst bewusst. Des Mannes. Des Mannes, den er selbst nicht sah. Den er nicht kannte. Casimir Prakenskij. Dieses Mannes, der keine echte Identität besaß. Und kein Zuhause. Keine Familie. Seiner selbst.

Sie sah zu viel. Viel zu viel. Wer so viel sah, konnte einen Menschen umbringen.

Er blickte ihr ohne ein Wort in die Augen. In dem Wissen, dass sie allein waren, schob er sich fast unmerklich näher an sie. Sie hatte es so arrangiert, dass niemand sie sehen oder hören konnte. Er wollte sie dazu bringen, sich zurückzuhalten. Doch sie einzuschüchtern war gar nicht so leicht. Sie trat nicht von ihm weg. Bewegte nicht einen Muskel. Ihr Blick streifte über sein Gesicht und heftete sich dann wieder auf seine Augen.

»Vier meiner Schwestern sind mit Prakenskijs verheiratet. Joley Drake mit einem fünften. Also bleiben noch zwei übrig. Ich weiß, dass du Gavrils Bruder bist«, erklärte sie, eine Hand zwischen ihnen, als könne sie ihn damit abwehren.

Er studierte ihr Gesicht. Die blauen Augen und das angehobene Kinn. Da war etwas. Angst, aber wovor, das erkannte er nicht sicher. Vor ihm? Wenn sie wusste, dass Gavril ihn geschickt hatte, dann wusste sie auch, dass er auf sie aufpasste und ihr nichts tun würde. Sie gehörte zur Familie. Seine Brüder hatten sie als zugehörig erklärt, und das bedeutete, sie musste jederzeit bewacht werden. Sie hatten Feinde.

Kostya Sorbacovs Sohn Uri kandidierte für das Präsidentenamt. Gavril hatte erklärt, dass er deshalb sämtliche Beweise für jene brutalen Schulen sowie alle, die gezwungen worden waren, als Agent für ihr Land zu arbeiten, beseitigen wollte. Auf jeden der Prakenskij-Brüder war ein Killerkommando angesetzt. Auf alle. Sogar auf Ilja, den Jüngsten, der für sie hauptsächlich ganz offen mit Interpol zusammengearbeitet hatte.

Lissa würde ein Unterpfand für Uri sein. Er wusste, dass die Prakenskijs alles tun würden, um sie zu schützen. Sie hatten einander beschützt, indem sie mit Sorbacov kooperiert und zugelassen hatten, ausgebildet und als Waffen eingesetzt zu werden.

»Redest du jetzt mit mir, oder reden wir mit meinem Onkel?«, fragte sie fordernd.

»Warum sind Sie sauer?« Er blieb beim Italienisch. Bei seiner Rolle. »Erklären Sie es mir.«

Sie atmete hörbar durch die zusammengepressten Zähne aus. »Würde es dir gefallen, wenn jemand dir einen Babysitter aufdrängte?«