Grenzenlos im Norden - Siv Stippekohl - E-Book

Grenzenlos im Norden E-Book

Siv Stippekohl

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Beschreibung

Wohl kaum ein Datum in der jüngeren Geschichte hat sich so tief in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben wie der Tag, an dem die Mauer fiel. Fragt man heute die Menschen, wo sie an jenem 9. November waren, wie sie ihn erlebten, wie er ihr Leben veränderte - man wird uinzählige Berichte hören. Die Journalistin Siv Stippekohl hat für den NDR diese Erinnerungen gesammelt. "Grenzenlos im Norden" ist ein Lesebuch, das Geschichte in Geschichten vermittelt.Für die meisten Deutschen begann der 9. November 1989 als ein ganz gewöhnlicher Donnerstag. Niemand konnte ahnen, dass am Abend in Berlin die Mauer fallen würde, dass dies das Ende von vierzig Jahren deutscher Teilung bedeutete. Doch kaum jemand hat bis heute den Augenblick vergessen, als plötzlich klar war: Dies ist ein historischer Tag. Im Jubiläumsjahr 2009 hat der Norddeutsche Rundfunk seine Hörer, Zuschauer und Leser im Internet gebeten, von ihrem ganz persönlichen 9. November 1989 zu erzählen. Das vorliegende Buch versammelt 15 dieser Geschichten, eingegangen aus Ost und West, aus Hamburg, Schwerin, Rostock oder Ratzeburg. Es sind Alltagsgeschichten, die exemplarisch stehen für das, was die deutsch-deutsche Teilung jenseits der großen Politik ausmachte: zerrissene Familien, ver-lorene Freiheit, veränderte Biografien. Und dann: ein Neuanfang.-

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Siv Stippekohl

Grenzenlos im Norden.

Menschen und der Mauerfall

Ein Lesebuch herausgegebenvom Norddeutschen RundfunkMit einem Vorwort von Erhart Neubert

Mitarbeit:Björn Ahrend, Thomas Balzer, Inga Bork,Lena Gürtler, Ulrich-Lars Houschka, André Keil,Lenore Lötsch, Thomas Naedler,Viktoria Urmersbach und Matthias Vogler

Saga

Grenzenlos im Norden! Zum Geleit

»Einfach Wahnsinn!«, »Unbeschreiblich!«, »Unglaublich!«

Vor 20 Jahren fehlten vielen Menschen zunächst die Worte. 20 Jahre später gibt es unzählige Geschichten zu erzählen, von dem Tag, von dem an das geteilte Deutschland plötzlich eins war.

»Wo warst du am 9. November 1989?« – »Das werde ich nie vergessen ... Wir saßen vor dem Fernseher ..., ich traf eine Freundin ..., ich kam gerade von der Arbeit ...« Die Antworten auf die Frage kommen stets wie aus der Pistole geschossen.

Es gibt wohl nur wenige Tage in der Geschichte, die solch eindrückliche persönliche Erinnerungsspuren bei jedem Zeitgenossen hinterlassen haben wie jener Tag, an dem die Grenze zwischen Ost und West nicht mehr unüberwindlich war. Kaum jemand hat vergessen, wo er war, wie er davon erfuhr, welche Gefühle die Nachricht ausgelöst hat.

Der NDR war lange Zeit der einzige Sender im ARD-Verbund, der alte und ein neues Bundesland umfasst. Bei uns arbeiten Menschen, die aus eigenem Erleben die Geschichte beider deutscher Staaten kennen. Eine große Bereicherung – in der journalistischen Arbeit, aber auch im alltäglichen Umgang miteinander.

Die Geschichten in diesem Buch sind so unterschiedlich wie die Menschen, die sie erzählen. 20 Jahre nach dem Mauerfall ist es an der Zeit, sich noch einmal zu erinnern an den für uns alle so besonderen Tag im November 1989.

Lutz Marmor

NDR-Intendant

Im Herbst 1989 war er grenzenlos – der triumphierende, noch leicht ungläubige Jubel im Norden des geteilten Deutschlands. Vielen ist dies längst in Vergessenheit geraten, in Ost wie West. Geblieben ist den meisten lediglich die restliche Ahnung dieses Gefühls vom Tag, als plötzlich die Mauer fiel.

Mit Beginn des Jahres 2009 hat der Norddeutsche Rundfunk mit der trimedialen Aktion »Grenzenlos im Norden – 20 Jahre Mauerfall« seine Hörer, Zuschauer und Internet-Nutzer gebeten, sich zu erinnern, ihre ganz persönliche Geschichte von 1989 zu erzählen. Viele haben sich gemeldet, haben geschrieben, viele Geschichten wurden erzählt, im Radio, im Fernsehen und im Internet, in allen Programmen des NDR.

Eine Auswahl dieser Geschichten findet sich in diesem Buch.

Berührt haben vor allem jene leisen Erzählungen, die Jahre oder aber tatsächlich zwei Jahrzehnte gebraucht haben, um erzählt werden zu können, deren Erzähler sich selbst und ihre Erinnerungen überdacht und überprüft haben, zuweilen auch vieles heute anders sehen als vor 20 Jahren, die nichts in die Öffentlichkeit getrieben hat, die sich bislang nicht aufgedrängt haben mit ihrer Geschichte und es nun doch, zuweilen eigens ermutigt, gewagt haben, sie zu erzählen.

Das sind nicht unbedingt »Heldengeschichten«, die erzählt werden, schließlich haben die meisten Zeitzeugen sich nicht als Bürgerrechtler hervorgetan, keine Unterschriften gesammelt, keine Plakate auf Demonstrationen getragen, nicht alle waren mutig, saßen im Stasiknast, wurden freigekauft oder haben sich als Fluchthelfer betätigt, und auch eine aufregende oder spektakuläre Fluchtgeschichte haben die wenigsten vorzuweisen.

Und dennoch haben sich auffallend viele Menschen beim NDR gemeldet, die eine ganz eigene Grenzerfahrung erlebt und die Geschichte ihrer Flucht zu erzählen haben. Insofern versammelt dieses Buch besonders viele Geschichten, die von der Grenze und ihrer Überwindung erzählen. Auffällig auch: Die Geschichten in diesem Buch sind ebenso norddeutsch wie deutsch-deutsch. In den Familiengeschichten war die deutsche Teilung 1989 auch nach 40 Jahren noch nicht endgültig vollzogen. Spuren aus Ost und West ziehen sich durch die Biografien der Menschen und ihrer Familien, ein Grund, warum der 9. November 1989 sie besonders bewegt hat, warum sie sich nun 20 Jahre danach an den NDR gewandt haben.

Wie schreibt der frühere DDR-Bürgerrechtler Erhart Neubert? »Es gab keine Gewöhnung an die Grenze, sie schnitt das Naheliegende ab und versagte Raum und Zeit.«

Ich bin mir sicher: Diese literarische Reise in die Vergangenheit wird unseren gemeinsamen Weg in die Zukunft erleichtern.

Elke Haferburg

Direktorin NDR-Landesfunkhaus

Mecklenburg-Vorpommern

Vorwort

Von Erhart Neubert

In den letzten Jahren ihres Bestehens war die DDR ein isolierter Staat, abgegrenzt gegenüber dem Westen und zunehmend verlassen von ihren sozialistischen »Bruderländern«. Diese kleine, graue und enge Provinz des einst so mächtigen kommunistischen Weltsystems fiel wie ein Kartenhaus zusammen, als sich 1989 die Zungen der Menschen lösten, als sie nach Freiheit riefen und als sie mit ihren Leibern die Mauern um sie herum sprengten. Dafür steht besonders der 9. November 1989. Es gab viele wichtige Tage in der friedlichen Revolution. Aber die Nacht des Mauerfalls ist das Symbol der radikalen Veränderung, die alle Menschen betraf, die jeden Lebenslauf auf neue Bahnen stellte.

Die Diktatur und ihre Zumutungen waren fast schon zur Normalität geworden. So riefen die Leute in der denkwürdigen Nacht »Wahnsinn, Wahnsinn«. Soviel Neues konnte nicht gleich verarbeitet oder verkraftet werden. Abgrenzung und Grenzen waren über Jahrzehnte in die Menschen hineingekrochen. Wer öffentlich redete, hütete seine Zunge oder sprach die falschen Propagandalosungen nach. Misstrauen und Angst hatte die Menschen zum Schweigen gebracht. Allenfalls in den eigenen vier Wänden wurden die Erfahrungen mit dem Regime ausgetauscht. Die Revolution veränderte auch das Sprechen, das Erzählen. Am Anfang riefen die DDR-Bürger Losungen gegen die Gewalt. Bald kamen spöttische und lustige Sprüche auf, die vom neuen Selbstbewusstsein zeugten. Und die Menschen wurden von einem unabweisbaren Bedürfnis nach offenem Sprechen erfasst. In den Kirchen, auf Versammlungen, auf den Marktplätzen ergriffen sie das Wort. Vielerorts hefteten sie ihre Botschaften an Tafeln und Pinnwände.

Bei manchen sprudelten die Worte wie ein Sturzbach, dessen aufgestautes Wasser sich einen Weg sucht. Es musste heraus, all die Demütigungen, die Ungerechtigkeiten und manchmal auch die eigenen Feigheiten wollten weggespült werden. Bei anderen dauerte es viel länger. Sie brauchen bis heute Zeit, ihre Erfahrungen zu erzählen, ihre Verletzungen auszusprechen und neue Perspektiven zu gewinnen.

Der Mauerfall hatte nachhaltige politische Wirkungen. Seine heilenden Kräfte für Deutschland und für Europa wirken bis heute. Noch nie war Europa so friedlich, noch nie so geeint. Aber heilend wirkt er auch auf Menschen. Allerdings nur, wenn sie Gelegenheit haben, öffentlich über ihre Befreiung, die äußere und die innere, zu reden. Solche Gelegenheiten bot dankenswerter Weise der Norddeutsche Rundfunk mit der Aktion »Grenzenlos im Norden – 20 Jahre Mauerfall«. Die hier veröffentlichten beispielhaften Texte des Projektes zeigen das anhaltende Sprechbedürfnis. Der Leser spürt geradezu, wie die Erzähler in der neuen Wirklichkeit ankommen und sich zurechtfinden.

Die Erinnerung an das lebenswendende Ereignis des Mauerfalls hält lebendig, was die Menschen einst bedrückte, ihre Verfolgungs- und Fluchtgeschichten, ihre Erfahrungen mit Trennungen und Versagungen. Vor allem aber schwingt in den Erzählungen auch Genugtuung und manchmal der Stolz mit an, dies überwunden zu haben und neue Wege gehen zu können. Sicher ist, dass ein freies Leben ohne Mauern nicht alle Probleme löst und neue Aufgaben stellt. Aber der Mauerfall hat allen ermöglicht, sich endlich im wahrsten Sinne des Wortes freizusprechen. Dem Buch ist zu wünschen, dass es viele Leser unter der jungen Generation findet, die jetzt ihre Freiheit genießen können. Sie brauchen die Erinnerungen der Zeugen, damit auch sie die Kostbarkeit der Freiheit nacherleben können.

»Dann haben wir uns umarmt und geweint«

Siegfried Mitschardund das erste DDR-Sportboot auf Westkurs

Sitzt man in Timmendorf an der Ostsee, sieht man bei klarer Sicht die Lichter der Badeorte an der Lübecker Bucht: Scharbeutz und Grömitz. Gemeint ist nicht das westdeutsche Timmendorf sondern das ostdeutsche Timmendorf auf der Insel Poel vor Wismar. »Wie oft habe ich dort nachts an der Mole gesessen«, erzählt Siegfried Mitschard, »habe die Lichter von Grömitz gesehen und gedacht: Was mag da bloß los sein? Warum darfst du da nicht hin? Ja, und mit einem Mal war es möglich!«

Wenn sich Siegfried Mitschard an 1989 erinnert, dann kann er an nichts anderes denken als an die Öffnung der Grenze. »Da komme ich nicht dran vorbei«, sagt er. Er spricht von seinem »Lebens-Erlebnis«, und wenn er spricht, dann in breitem Norddeutsch, ab und an snackt er op Platt. Die Geschichte von seiner persönlichen Grenzüberwindung ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der Latovia. Ein Schiff ist die Latovia, sein Schiff, zehn Meter lang, Marke Eigenbau, Heimathafen ist der Jachtclub in Wismar-Wendorf. Sein »Wochenendhaus«, sagt er liebevoll, sei das Motorboot jahrelang gewesen.

Es gibt alte Fotos von der Latovia, einem Schiff aus Eichenholz. Auf einem weißen angeschraubten Schild steht der Name in geschwungenen blauen Lettern. Siegfried Mitschard ist auf einem der Fotos zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter zu sehen, lässig hat er den linken Fuß auf der Reling abgestellt, der Himmel über der Ostsee ist strahlend blau. Gekauft hat er die Latovia Anfang der 1980er Jahre von einem Wismarer Zimmermann, der das Schiff in seinem Garten selbst gebaut hat. Die Latovia wurde dann völlig umgebaut, besonders die Kabine hat er komplett neu verkleidet. Ganz nach seinen Vorstellungen, erzählt er nicht ganz ohne Stolz, zu einer »richtig schicken Jacht« habe er das Schiff gemacht. Nun ja ..., er muss selbst ein wenig schmunzeln, genau genommen sehe man vieles nach heutigen Maßstäben natürlich etwas anders, aber damals, ja damals sei die Latovia richtig schick gewesen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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