Halloween - Stewart O′Nan - E-Book
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Halloween E-Book

Stewart O'Nan

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Beschreibung

Halloween, Tag der lebenden Leichen. Die Geister dreier toter Teenager kehren aus dem Zwischenreich zurück nach Connecticut. Vor einem Jahr sind sie hier bei einem Unfall auf dem Highway gestorben. Nun sehen sie nach den Freunden, die überlebten: Kyle, entstellt und debil, und Tim, unverletzt, aber innerlich «längst tot». Sie merken, dass Tim etwas Schreckliches vorhat. «Die Katastrophe jährt sich, und die Opfer ziehen Bilanz – die im Jenseits genauso wie jene im Diesseits. Da ist Tim, der mit den Schuldgefühlen des Überlebenden kämpft. Brooks, der Polizist, der die jugendlichen Raser mit Blaulicht verfolgt hatte. Da ist Kyle, hirngeschädigt und entstellt. Erzählerisch präzise und unsentimental dringt O'Nan in seelische Abgründe vor.» (Die Weltwoche) «Stewart O´Nan, ein Meister des subtilen Schreckens, gilt als einer der besten amerikanischen Erzähler seiner Generation.» (Der Spiegel) «Wie alles von O'Nan – tief beeindruckend.» (Stern) «Ein Meister des Psychothrillers.» (Die Weltwoche)

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Seitenzahl: 371

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Stewart O'Nan

Halloween

Roman

Deutsch von Thomas Gunkel

Für Ray Bradbury

Ist es möglich, eine Seitenstraße

ohne Gehsteige zu lieben?

Geparkte Autos und Holzhäuser?

THEODORE WEESNER

Ich hasse mich

und wäre am liebsten tot.

KURT COBAIN

Etwas Böses

Na, hörst du das? Der Wind – wie er unter der Dachtraufe rauscht und die kahlen Bäume streift. Wie er heult, als wäre er Musik, eine Harmonie aus altem Gestöhn. Das Haus scheint zu atmen, klingt wie ein Kranker. Vergiss die lange Gruselfilmnacht; das hier ist besser als Fernsehen. Lass das Licht aus. Das blaue Leuchten folgt dir den Flur entlang. Geh in dem unbenutzten Zimmer ans Fenster, wo die Kälte durch die Scheibe dringt. Da ist der Mond, gefangen in den wippenden Zweigen. Das Bild fesselt dich, schwarze Bäume, von hinten beleuchtet, ein silberner Lichtstrahl, der auf die Veranda fällt und winkt. Dies ist eine Abenteuergeschichte, eine Einladung zum Wahnsinn (Verwandlung in einen Werwolf, Tanz mit dem Vampir), ganz natürlich und doch verboten, verlockend, etwas, das auch du noch im Blut hast.

Bist du nicht gespannt?

Willst du es nicht wissen?

Na dann los, komm mit uns in die Nacht hinaus. Komm jetzt, du liebeskrankes Amerika, du ängstliches, seliges, gebildetes Amerika, komm, schleich durch die dunklen Seitenstraßen und stell dich vor die hell erleuchteten Häuser, ruhig wie ein Mörder im Garten, still wie ein Hirsch. Komm, du Schläfer, du Faulpelz, erwach aus deinem Schlaf und flieg über den verwilderten Wald. Komm, du Träumer, du Zombie, du Ungeheuer. Denn was tust du schon, Rechnungen bezahlen, das Geschirr spülen, auf das Klingeln an der Tür warten? Los, nimm deine Schlüssel, lass die Schüssel mit den Süßigkeiten auf der Veranda stehen, setz die erstickende Maske von jemand anderem auf und hol Luft. Sei ausnahmsweise jemand, den du nicht besonders leiden kannst. Hör zu: Genau wie die Kinder haben wir nur eine Nacht.

Glaub mir, es macht Spaß. Wir lassen uns nicht erwischen. Es ist sowieso bloß ein Spiel, eine Maskerade. Wir sind in der Vorstadt; hier passiert doch nichts.

Also komm, Freund, Fremder, Geliebter, Nachbar. Komm aus deinem behaglichen Zimmer mit dem Großbildfernseher, komm aus deinem warmen Haus in die kühle Nacht hinaus. Riech die nassen, zermatschten Blätter in der Einfahrt, die moderige Mischung aus Staub und Koriander in der Luft. Es ist die beste Zeit des Jahres, die einzige Jahreszeit, in der du etwas von uns und unserer malerischen Vergangenheit wissen willst – von Hexenjagden und dem Rauch von Holzfeuern, den urigen Namen der Toten auf moosbedeckten Friedhöfen. Ist doch unwichtig, dass all das längst vorbei ist, die weißen Palisadenzäune nur noch aus abwaschbarem Plastik, die Freundschaftsdecken genäht in der Dominikanischen Republik, das hier ist noch immer ein neues England, gartengrün, durchzogen von schwarzen Flüssen und Blutbädern.

Komm mit, am letzten Stückchen Gehsteig vorbei, vorbei an den neuen Siedlungen mit ihren spärlichen Rasenflächen, vorbei an den Ladenzeilen der Ausfallstraßen mit dem Friendly’s, dem Chili’s und dem Gap, dem CVS, dem Starbucks und dem Blockbuster, dem KFC und dem Chinarestaurant, die Ladenschilder verlöschende Kometen in der Nacht, die Ampeln blinkende Lichter. Komm in die Stagecoach Lane, den Blueberry Way und den Old Mill Place, finde den Weg durch das Labyrinth der Vorstadthäuser, wo die letzten Kinder (schon zu alt, aber noch nicht bereit, erwachsen zu werden) wie Kommandotrupps aus Kleinbussen strömen und mit raschelnden Tüten über den Rasen zur Haustür stürmen. Hier gibt es echte Süßigkeiten, große Hershey-Riegel und doppelte Reese’s Cups. Nein, du hast keine Zeit anzuhalten, keinen Grund. Das ist längst vorbei, die glückliche Kindheit, die wir alle hätten haben sollen, die wir hatten und nicht zu schätzen wussten. Behalt deine Maske auf. Wenn du jetzt etwas sagst, verrätst du uns alle. Dafür sind wir zu alt, die grinsenden Kürbisse, die Treppen und gemütlichen Fenster, die nach uns greifenden Straßenlaternen liegen längst hinter uns. Hier draußen gibt es bloß schlammige Bäche und Marschland, Steinmauern, die brach liegendes Weideland schützen. Wenn man will, kann man sich hier noch immer verirren.

Also fahr mit uns im Kreis durch die Nacht, die Bäume von den Scheinwerfern aufgeschreckt. Was, du erkennst die Straße nicht wieder, die sich in unübersichtlichen Kurven mit bröckelnden Banketten durch die Landschaft schlängelt, sodass wir uns vertraulich, ja gemütlich aneinander lehnen und jedes Mal lachen, wenn wir den außen Sitzenden gegen die verschlossene Tür quetschen? Denk an den Duft der Zigaretten, an die damit verbundenen kleinen Rituale. Form aus zwei Fingern eine Schere und schnorr eine Zigarette, ist schon okay, aber steck ja nicht mein Feuerzeug ein. Die Musik ist zu laut, als dass man sich unterhalten könnte, aber es besteht auch kein Grund dazu, wir sind glücklich, umschlossen von unserem Innern und der Nacht, der Illusion von Unendlichkeit– Highschool, die Freiheit des Fahrens. Sei wieder siebzehn und bereit, dich von der Welt lieben zu lassen. Spür durch den Wagenboden die Geschwindigkeit, spür, wie die Luft an den Fenstern entlangrauscht. Wir schneiden die Kurven, überqueren die gelbe Linie, springen über Bodenwellen. Ein Hirsch wäre unser Ende, doch der Fahrer fährt bloß noch schneller, der Wald ist dunkel wie das Weltall, noch immer eine Wildnis.

Sieh dich jetzt um. Kannst du dich an irgendeinen von uns erinnern? Dein Gesicht hat sich verändert; unsere sehen noch genauso aus, erstarrt auf Jahrbuchfotos in der Lokalzeitung, neben den neuesten Bekanntmachungen der Schulbehörde, den Footballergebnissen, dem Ramschverkauf der Bücherei. Eine Woche lang sind wir berühmt – Götter, die den Märtyrertod starben–, dann vergessen. Du hast keine Ahnung, wie wir heißen (das sind doch diese Jugendlichen, die ums Leben gekommen sind), aber du weißt noch, was passiert ist. Also weißt du auch, wohin wir jetzt fahren.

Hast du es gesehen? Nicht bloß im Vorbeifahren, sondern hast du gehalten, bist ausgestiegen und hast dir die zerfetzten Schleifen und Bänder, die schlaffen Luftballons und grün verfärbten Bilder in den Gefrierbeuteln, die Plastikkreuze und verwelkten Blumen, die längst unleserlichen Zettel in Mädchenhandschrift angesehen, all die Versprechen, sich ewig an uns zu erinnern? Hast du den Baumstamm auf Schrammen untersucht und dich über die Natur gewundert, weil keine zu sehen waren?

Natürlich nicht. Selbst wenn du hier aus der Gegend wärst, hättest du dich längst daran gewöhnt, würdest dich vielleicht sogar über die Karten und Blumen, über die schamlose Rührseligkeit der Jugend ärgern. Keine Sorge, sie bringen die Schule hinter sich und ziehen dann weg, wie danach auch unsere jüngeren Geschwister, sie gehen aufs College, nehmen Jobs an, heiraten und verlassen unsere Eltern, eine Mutter, die sich der Wohltätigkeit widmet, und einen Vater, der sich in sich selbst zurückzieht und sonderbar wird. Der eine wird verbittert, der andere entdeckt die Religion. Verwandeln sie sich in Winterflüchtige in geschmackloser Polyesterkleidung, oder lassen sie das Haus verfallen? Egal. Jeder vergisst irgendwann – das muss so sein, stimmt’s? Beweist das nicht, dass die Zeit gnädig ist?

Antworte nicht. Du hast später noch Zeit, darüber nachzudenken – eine ganze Nacht, eine Ewigkeit. Halloween ist nur einmal im Jahr.

Kannst du unter der Maske da atmen? Ist doch nicht zu heiß, oder?

Schau, wir sind schon fast da, wo die Kurve sich der Kreuzung nähert. Kein anderer Wagen im Spiel, kein dummer Zufall, bloß der Baum, die rutschigen nassen Blätter auf der Straße, der Zauber der Geschwindigkeit. Die Jahreszeit ist es, die uns umbringt, die fehlende Haftung in Verbindung mit einem leichten, zentrifugalen Seitwärtsdrall. Die Polizisten werden die Abstände mit einem schlaffen Maßband abschreiten und alles rekonstruieren (da neben dem roten X liegt mein Feuerzeug), sie werden die Aussagen der Beteiligten aufnehmen und den langen Bericht für die Gerichte und die Versicherungsgesellschaften fotokopieren. Jemand, den du liebst, hat ihn gelesen oder auch nicht, der Inhalt ist lebensverändernd und zugleich unbedeutend, das Geld wird gespart oder ausgegeben.

Vom Rücksitz aus kannst du den Baum nicht sehen oder erst im letzten Moment, falls du vor Angst ständig Anweisungen gibst («Fahr langsamer»). Es kommt der Augenblick, in dem uns klar wird, dass wir die Kurve nicht schaffen – uns allen, auch den Optimisten. Das stetige Geräusch der Straße verschwindet jäh, wird in schwarze Stille gesaugt. Von dem Baumstamm strahlt Licht zurück, als hätte er aufgeblendet, um uns im letzten Moment zu warnen. Es ist wirklich eine Mutprobe.

«O Scheiße», sagt Danielle; du spürst es, weil sie auf deinem Schoß sitzt und du die Arme um ihren Brustkorb, ihren schmalen, parfümierten Körper gelegt hast.

«Toe, du Arsch» – Kyle, direkt neben dir. (Wer? Toe, Kyle, Danielle. Siehst du, du hast schon alles vergessen. Wie heiße ich? Und du?)

Es ist eine Täuschung, aber der Baum scheint vorzuspringen, scheint direkt auf uns zuzukommen, breit wie ein Sattelschlepper. Schrei, wenn du willst. Du wirst schnell feststellen, dass es zwecklos ist. Du wirst dich an uns erinnern und daran denken, dich zu verabschieden. Du wirst so rührselig werden wie unsere Freunde und diese Nacht und diese Fahrt als unser Leben hinstellen: die fünf Unzertrennlichen. Also halt die Augen offen. Schlag nicht die Hände vors Gesicht, wenn wir von der Straße abkommen und durch das hohe Unkraut schießen (das vom Kühlergrill gesiebt wird wie Weizen von einer Dreschmaschine). Denk daran, was passiert, wie es klingt und riecht und schmeckt. Genieß die Fahrt.

Hab ich dir’s nicht gesagt? Es gibt einen Grund, warum wir dich besuchen, warum diese Nacht immer wieder abläuft, ein Albtraum in einem Traum. Du hältst es für eine Qual, aber du weißt, dass es Gerechtigkeit ist. Du kennst den Grund. Du bist der Glückliche, weißt du noch? Du hast überlebt.

Ich weiß, was du getan hast

In dem dunklen Wagen piept Brooks’ Armbanduhr mit der militärischen 24-Stunden-Anzeige, die er seit der Grundausbildung eingestellt hat, auch das eine starre Gewohnheit, und dann fängt sie wieder bei null an, wie ein unbeschriebenes Blatt. Mitternacht gibt’s nicht, nur ein digitales Piepen um 23:59:59Uhr, das den vorigen Tag auslöscht, und Brooks sagt, dass es noch sieben Stunden dauert, bis er nach Hause fahren kann, wo niemand auf ihn wartet (bloß wir sitzen in seiner Küche oder huschen durch den Wald). Die Hunde bellen, obwohl in der Küche das Licht brennt (wir ärgern sie gern ein bisschen), aber da, wo Brooks wohnt, ist das kein Problem. Den ganzen Weg zur Haustür wird er hören, wie sie ihn auffordern wegzugehen, einfach wieder in den Pick-up zu steigen und loszufahren, und glaub bloß nicht, dass er noch nie daran gedacht hat. Wenn Gram nicht wäre, würde Brooks wohl weggehen – alles der Maklerin überlassen–, aber das ist vielleicht eine Lüge. Er hat ein Leben lang hier gewohnt, ist ein echter Einheimischer; er wüsste gar nicht, wo er hinsollte. (Er geht nirgends hin. Wir haben gesehen, wie er in Zeitlupe seine Pistole aufgehängt hat, vorsichtig wie in einem Horrorfilm, und nur Toe ist so verrückt, das Holster zum Schaukeln zu bringen, eine blöde Idee. Denk nicht so viel über uns nach, Brooksie.)

Seine billige koreanische Armbanduhr piept zweimal, und jedes Mal, wenn er in der Stadt ist – wenn er an der im Schatten liegenden Laderampe des Stop’n’Shop vorbeifährt oder es sich leicht macht und auf dem Parkplatz von Battison’s irgendwelchen Familienvätern auflauert, die ihre Videos noch rechtzeitig zurückbringen wollen–, sieht Brooks die schnellste Strecke zu dem Baum vor sich wie ein Diagramm, der Stadtplan an der Wand in der Funkzentrale beleuchtet, die Old Farms Road, die von der Country Club Road abzweigt, und er kommt zu spät, jedes Mal kommt er zu spät.

Ihm braucht niemand zu sagen, dass sich der Todestag jährt. Er durchlebt ihn jede Nacht – piep-piep–, und schon seit Mitte September fürchtet er sich davor und beobachtet, wie die Blätter fallen, wie der Wind sie raschelnd über die Straßen treibt und im Schutz seines Pick-ups aufhäuft, wie kreiselnde Ahornsamen seine Scheibenwischer bedecken. An den Wochenenden lässt er die Dusche zum Wachwerden ausfallen und harkt Blätter, bis er ins Schwitzen kommt und ihm schwindlig wird. Er weiß, dass er den Herbst, die schmerzhaft klaren Tage, den Raureif auf dem Gras nicht aufhalten kann; das liegt an der Rotation der Erde, ihrer unsinnigen Drehung um die Sonne – jeglicher Kontrolle entzogen, unaufhaltsam. Er hat Glück gehabt, dass auf dem Revier keine geschmacklosen Witze gerissen, keine Pappskelette mit dünnflüssigem Vampirblut bespritzt und in seinen Spind gesteckt wurden (vielleicht kommt das noch, vielleicht heckt Ravitch an seinem Pult gerade was aus und überlegt, wie weit er gehen kann; es ist die richtige Nacht für fingierte Anrufe).

Heute Nacht ist es Battison’s, in unerschütterlicher Treue, mit eingeschaltetem Radar, sein Streifenwagen von dem künstlich angelegten Hügel verdeckt, hinter ihm die dunkle Reinigung mit dem still stehenden Karussell voller Plastikkleiderhüllen – steife Smokings und Abendkleider für den Herbstball. Die Filme von letztem Freitag müssen zurückgebracht werden. Brooks wartet im Dunkeln, das kleine rote Licht huscht auf der Suche nach Stimmen über die Funkanzeige. Er hat zu viel Zucker in seinen Kaffee gerührt, und seine Muskeln zucken. Am liebsten hätte er irgendeine Routinesache, irgendwas Blödes, einfach was, das ihn beschäftigen würde, wie der Plastiklöffel, auf dem er gerade rumkaut, auch das eine schlechte Gewohnheit. Er hört auf zu kauen und steckt ihn in den Aschenbecher, zum Kaugummipapier. Er hasst es, mitternachts zu arbeiten; tagsüber sind Aufträge zu erledigen, dem Chef irgendwelche Gefälligkeiten zu erweisen. Er hätte nie gedacht, dass er das mal vermissen würde.

Auf der anderen Straßenseite gleitet ein silberner Mercedes-Geländewagen zum Autoschalter der Webster Bank. Brooks merkt sich das Kennzeichen. Der Rest des Platzes ist leer, nichts als Parkplätze – weiße Linien und Ölflecke, die hohen Laternen brennen vergeblich.

Heute ist es so weit, heute Nacht. Was bedeutet das, falls es überhaupt was bedeutet? Tragische Unfälle gibt es in jeder Jahreszeit, und wie kann man was rückgängig machen, das schon passiert ist? Darüber hat er sich immer mit Melissa gestritten. Jetzt, wo sie weg ist, übernimmt er beide Seiten und streitet sich allein. (Wir brauchen nichts zu tun, bloß dazusitzen und zuzuhören; Danielle sagt, das ist grausam, und schon bricht ein anderer Streit aus.)

Brooks wünscht sich, ein Einsatzbefehl würde ihn am Nachdenken hindern, und kontrolliert den grünen Bildschirm, der Cursor färbt seine Hände, und sie sehen aus wie die von Frankenstein. Seine Hoffnung ist nicht ganz unberechtigt; es ist immer noch Cabbage Night, die Nacht der mit Seife beschmierten Fenster, der gegen die Scheiben geworfenen rohen Eier und der mit Toilettenpapier umwickelten Obstbäume, der kostenlosen Lieferung dampfender Hundescheiße und der bedeutendsten Sportart in Avon, Briefkastenbaseball. Bloß die Auswirkungen, mehr nicht, einer unserer Väter, in Pantoffeln und stinksauer, der Brooks fragt, was er dagegen unternehmen will – irgendein unglücklicher Steuerzahler, der gewöhnlich seine Sekretärin schikaniert. «Als Erstes muss ich Ihre Aussage aufnehmen», wird er dann sagen und die Jungs, die es getan haben, mir nichts, dir nichts ungeschoren davonkommen lassen, während das Blaulicht seines Streifenwagens über die Fassade des Hauses streicht und den Nachbarn signalisiert, dass alles unter Kontrolle ist. «Und Sie sagen, Sie haben keinen Wagen gesehen, bloß den Schlag auf den Briefkasten gehört, und das war’s?»

Das ist dein großer Held. Denn es muss einen Helden geben, stimmt’s, jemanden, dem man die Daumen drückt? Tut uns Leid, er ist alles, was wir haben, er und Tim, aber Tim kann nicht der Held sein, stimmt’s? (Toe findet das, was Tim tun will, heldenhaft oder zumindest supercool, aber Toe ist natürlich durchgeknallt. Danielle findet es dumm, mehr will sie dazu nicht sagen; sie ist immer noch wütend auf ihn. Und ich – hi, ich bin Marco–, ich bin unschlüssig. Ich bin der Stille. Du wirst sehen, auf mich hört keiner.) Ich weiß nicht mal, ob wir versuchen werden, dir Kyle vorzuführen, er ist völlig hinüber. Du wirst sehen, Brooksie ist ein guter Kerl, ein bisschen kaputt nach dem Ganzen, aber wer ist das nicht? Es ist keine perfekte Welt. Es ist keine perfekte Geschichte, nur ein dummer Zufall, der uns getroffen hat. Natürlich kann man das Brooks nicht klar machen. Er ist ein Typ, der für alles einen Grund braucht, für ihn muss alles einen Sinn ergeben.

Ein Einsatzbefehl, ein falscher Alarm, ein Brand, ein bellender Hund, ein Herzanfall, Unterstützung bei einer Fahrzeugkontrolle, ein Familienstreit, ein Dummejungenstreich, ein Herumtreiber, aber es kommt nichts rein, niemand kommt mit quietschenden Reifen auf der 44 zum Blockbuster gebraust. Zum Spaß tippt er mit zwei Fingern das Kennzeichen des Mercedes ein. Enter drücken, senden. Der Bildschirm wird schwarz, das verblasste Licht eingeschlossen in seinen Augäpfeln, dann leuchtet er wieder auf.

Zugelassen auf einen Einheimischen: Ronald Seung, 25Candlewood Terrace – es liegt nichts vor. Was hat er erwartet?

Er weiß, dass er sich entspannen muss. Mitternachts muss man einfach die Zeit verstreichen lassen. Fünf Minuten nach Beginn des längsten Tages in seinem Leben (wahrlich, den wird er bis zu seinem Tod nicht vergessen) blickt Brooks ständig auf die Uhr. Er überlegt, die Augen zu schließen und ein Nickerchen zu machen – zehn Minuten, mehr will er gar nicht. Er musste früh aufstehen und das Haus verlassen, damit Charity, die Maklerin, es leer vorführen konnte, und jetzt holt der fehlende Schlaf ihn ein. Das Haus wird sich nicht verkaufen lassen, solange das Dach so aussieht, aber Brooks kann sich die Reparatur nicht leisten; er wird dabei auf jeden Fall Geld verlieren. Er träumt von Florida und davon, Tarpons zu angeln, mit den Hunden an einem weißen Strand spazieren zu gehen und knochenharte Treibholzstöcke zu werfen, damit sie sich darum streiten, aber das ist nur ein Traum, das kitschige Ende eines Kinofilms. Es dauert noch sechs Jahre, bis er in Rente gehen kann – eigentlich sogar sieben–, und Ginger ist schon zehn, Skip acht; das erleben sie nicht mehr. (Er will nicht an Gram in ihrem winzigen Zimmer in Golden Horizons denken, an der Wand das Bild von ihm mit dem roten Cowboyhut und den silbernen Revolvern, richtig niedlich.) Er wird drüben in Towerview ein kleines Haus mieten und die meisten Sachen irgendwo unterstellen – falls da Hunde erlaubt sind. Wenn nicht, dann gibt es ja noch diesen Wohnblock in Canton, den Charity ihm empfohlen hat; da ist es sowieso billiger. Aber er hat immer in Avon gewohnt, das ist seine Stadt. Wie viele Leute können schon von sich behaupten, dass sie Einheimische sind? Wie’s aussieht, wird ihm alles genommen. (Als ob wir nicht wüssten, was für ein Gefühl das ist.)

Er versucht gerade, sich an den Namen dieses Wohnblocks an der Stadtgrenze von Farmington zu erinnern, als ein weißes Cabriolet vorbeibraust und das Radargerät 85 anzeigt. Der Wagen rast unter dem gelb blinkenden Licht der Ampel vor dem Blockbuster durch, so schnell, dass Brooks das Nummernschild nicht erkennen kann, wegen der Rauchplastikabdeckung, das Zeug sollte man verbieten.

Kein Abbremsen, die haben ihn nicht mal gesehen. Oder wenn doch, dann halten sie einfach nicht an.

Und plötzlich kommen wir ins Spiel, wir klopfen dem alten Brooksie auf die Schulter, und er denkt, wir könnten es sein, letztes Jahr Halloween, bevor er die Auszeichnung bekam, aber dann erschien der Zeitungsartikel, und alles ging den Bach runter. Vielleicht ist das ein Test, eine zweite Chance, um zu sehen, ob er seine Lektion gelernt hat. Nur ein Aufblitzen, ein Gedanke, der schnell wie ein Elektron über den dunklen Bildschirm seines Gehirns schießt – das Bild des alten Camry von Toes Mutter mit der abgerissenen Tür und dem eingeschalteten Blinker – tink, tink, tink. Wenn er nichts unternimmt, kann auch nichts Schlimmes passieren. Aber seine Reflexe sind schneller als seine Gedanken, und seine Hände haben ihre eigenen Erinnerungen.

Einen Augenblick lang vergisst er seine Scheinwerfer und prescht los, ein Unsichtbarer, der erst merkt, dass er blind fährt, als er den Lichtschein des Platzes verlässt und die Geschwindigkeit nicht ablesen kann. Er schaltet die Scheinwerfer ein, gibt Vollgas, und der Crown Vic gerät ins Schlingern. Er nimmt den Fuß vom Gas und bringt den Wagen wieder in seine Gewalt, schwenkt auf die linke Spur, damit ihm niemand in die Quere kommen kann.

Er hat sie im Blick, sie sind schon ein ganzes Stück den langen Berg runter, brausen an dem Pendlerparkplatz am neuen Wal-Mart vorbei (eindrucksvoll, eindeutig eine Verbesserung gegenüber dem Caldor’s mit seinen minderwertigen Waren und lahmarschigen Kassiererinnen), vorbei am Autoschalter der chemischen Reinigung, die früher mal eine Fleet Bank war, und an den Foreign Auto Experts mit dem Parkplatz voller lebensgefährlicher Fiats. Um diese Uhrzeit ist nichts mehr geöffnet, und die Ampeln blinken gelb, freie Fahrt auf der ganzen Strecke bis zur Old Farms Road (los, Brooksie, es ist Halloween, du hast uns doch nicht vergessen, oder?). Danach kommt nur noch die Route 10, bevor die lange Steigung am Avon Mountain zur Stadtgrenze führt. Er beschließt, sich zurückzuhalten, das Blaulicht nicht einzuschalten – eine Taktik, die er in dem verordneten Fahrschulunterricht gelernt hat und die seiner Natur völlig widerspricht, jetzt aber beruhigend ist, denn er weiß, er kann das Cabriolet einfach aus der Stadt geleiten und es dann West Hartford überlassen.

Warum meldet er die Sache nicht? Er müsste bloß den Knopf drücken und sagen, dass er ein 10-36 hat – ein Fahrzeug, das sich einer Kontrolle entzieht–, und schon würde der Mann in der Funkzentrale sich melden und ihm sagen, was er tun soll. Aber dann müsste er sich den neuen Verfolgungsrichtlinien unterwerfen. (Danke, vielen Dank. Nett, dass du uns daran erinnerst.)

An der Senke hinter dem Bagel-Laden verliert er den Wagen aus den Augen, entdeckt ihn wieder am Stub Pond und braust die Gerade entlang. Sein erster Gedanke ist, Vollgas zu geben, damit er ihn mit seinem V-8-Motor einholt, aber er spürt uns, lärmend wie kleine Kinder, auf dem Rücksitz, und das zügelt seinen Jagdeifer. Es erscheint ihm falsch, wie ein Trick, als gäbe es keine richtige Antwort. Das Cabriolet bremst, um die vor ihm liegende S-Kurve zu nehmen, und er verliert es wieder aus dem Blick, da die Rücklichter durch die Kurve verdeckt sind. Sie kommen direkt am Revier vorbei; Ravitch könnte bei geöffneter Seitentür heimlich eine rauchen, ihn sehen und sich fragen, was er wohl vorhat. Er gleitet aus der Kurve in die orangen Lichter, die in die Innenstadt führen, und sieht gerade noch, wie das Cabrio scharf nach rechts auf die Old Farms Road biegt (überschlag dich bloß nicht, betet er).

Ich schwöre bei Gott, dass wir es nicht sind, aber Brooks hat Halluzinationen. (Toe lacht und Danielle sagt, er soll die Klappe halten. Nichts findet sie witzig; du würdest kaum glauben, was für ein Miststück sie geworden ist.)

Er fährt langsamer. An der Kreuzung, dem kolonialen Kern von Avon, ist niemand zu sehen. Zu seiner Linken erhebt sich weiß und gebieterisch die Kongregationalkirche, der Kirchturm angestrahlt, der Friedhof auf der Rückseite im Schatten; zur Rechten leuchtet O’Neill Chevrolet, der mit Teppichboden ausgelegte Ausstellungsraum nur noch ein Geist des IGA, in dem seine Mutter immer einkaufte, als Brooks noch klein war, die Gänge in minzgrünem Linoleum aus der Zeit vor seiner Geburt, das in den Ecken abgesplittert war und den uralten Fußboden darunter zum Vorschein brachte.

Brooks hat in diesem Moment jede Menge Möglichkeiten (die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft – der Typ ist wie Mr.Magoo als Scrooge, und wir sind seine Geister: «Sag mir, Geist, sind dies die Dinge, die sein werden, oder die, die sein können?»). Er hat den Code 36 immer noch nicht gemeldet. Er könnte geradeaus fahren und dann auf der 44 den Berg rauf bis zur Stadtgrenze, könnte umkehren und sich hinter dem «Willkommen in Avon»-Schild neben dem Golfplatz aufstellen, von den Bäumen verdeckt. Er könnte warten und links abbiegen, mit seinem Suchscheinwerfer über die Parkplätze am Postamt und am Sperry Park streichen (dort macht sich gerade ein Junge mit einer Schachtel Kreide und einer Tube Sekundenkleber an der Imbissbude zu schaffen und ist froh, dass Brooks nicht abbiegt). Er könnte sogar bei O’Neill’s reinfahren, zwischen den Reihen kostspieliger neuer Luminas und Malibus entlanggleiten, in drei Zügen wenden und sich so hinstellen, dass die Schnauze des Vic zu sehen ist und die Leute bremsen. Aber er ist Brooks (vielleicht ist es der Marine in ihm, der Rekrut, der sich den Arsch aufgerissen, sich vor Versagensangst in die Hose geschissen hat), für ihn gibt es keine Wahl.

Er biegt nach rechts in die Old Farms Road und versucht, ihre Spur aufzunehmen. Nichts, bloß ein paar Verandalichter, rote Reflektoren auf Metallstangen. In den Bäumen baumeln Bettlakengespenster, in Gartenstühlen fläzen sich ausgestopfte Vogelscheuchen. Hier gibt es einen Gehsteig aus der Zeit, als die Stadt noch eine Stadt war. Brooks findet, dass er Glück hat: Morgen – heute, heute Nacht – wird es hier von kostümierten Kindern wimmeln, von Eltern, die ihre Kleinen begleiten. Er wird eine Extraschicht einlegen, dankbar für diese Möglichkeit. Er muss diese Stunden irgendwie hinter sich bringen.

Da sind sie, weit vorn, sie fahren mit ausgeschalteten Scheinwerfern unter der Ampel an der Arch Road durch und verspielen die Chance, unter der Eisenbahnüberführung zu wenden. (Toe muss ihnen seine Anerkennung ausdrücken; ihm ist dieser alte Trick nicht mal eingefallen.) Wahrscheinlich irgendwelche Jugendlichen, denkt Brooks und muss sich zurückhalten, damit er ihnen nicht hinterherrast. Im Unterricht hat ihnen der harte Hund von der Staatspolizei Dias von Wagen gezeigt, die sich um Telefonmasten gewickelt hatten, in zwei Teile gerissen oder von Sattelschleppern zusammengedrückt worden waren, ein paar davon waren Streifenwagen, alle nach wilden Verfolgungsjagden. Brooks hat fast mit uns gerechnet, in all unserer hässlichen, blutigen Herrlichkeit, dem Camry und dem berühmten Baum. «Kann mir jemand sagen, welches Tempo eine Hochgeschwindigkeitsjagd zu einer Hochgeschwindigkeitsjagd macht?», fragte der Staatspolizist, und niemand war so mutig oder so dumm, ihm zu antworten. «Von einer Hochgeschwindigkeitsjagd», sagte er in belehrendem Ton, während er wie ein militärischer Ausbilder zwischen den Stühlen auf und ab ging, «spricht man, sobald das Tempo der geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten wird.»

Die vorgeschriebene Geschwindigkeit ist hier fünfundsechzig, aber bei dem neuen Straßenbelag fahren die Leute problemlos achtzig. Brooks fährt fünfundneunzig. Er will dem Cabrio keine Angst einjagen und geht zurück auf siebzig. Die Straße macht eine Kurve, und die Straßenlaternen werden von Bäumen abgelöst, einem Felshang, auf dem ein heruntergekommener Wohnblock steht. Brooks beugt sich übers Lenkrad, kann den Wagen aber nirgends sehen; er fragt sich, wie sie es schaffen, etwas zu erkennen. Blätter trudeln vor ihm auf die Straße und werden von seinem Wagen aufgewirbelt.

Vor dem Wald gibt es bloß noch eine Straße, die Country Club Road, und als er dort ankommt, ist nichts von ihnen zu sehen. Die Country Club Road ist voll gefährlicher Haarnadelkurven, und obwohl er da ein paar gute Verstecke kennt, entscheiden sich die Leute immer für den Wald – genau wie wir damals. (Wie Toe, sagt Danielle. Na klar, sagt Toe, als ob du die Country Club Road langgefahren wärst.) Und Toe hat nicht völlig Unrecht. Es ergibt einen Sinn; im Wald kann man sich verirren. Er gehört zum alten Scoville-Besitz, die Gebäude im Pseudo-Tudorstil mit Schieferdächern, selbst die kurvige Zufahrt landschaftlich so gestaltet, dass man an England denkt, Nebel in den Senken – echtes Werwolfgebiet. Wir hätten uns genauso entschieden.

Man muss Brooks einfach mögen. Er weiß nicht genau, ob das Cabrio wirklich existiert oder was er eigentlich beweisen will, aber er weiß, dass es falsch ist, aufzugeben. (Toe kann das Holster von dem Haken im Wandschrank stoßen, und trotzdem versteht Brooks die Botschaft nicht.) Er fühlt sich verantwortlich, deshalb fährt er an der Country Club Road vorbei, vorbei an der neu gestrichenen Remise und zwischen den alten Backsteinsäulen mit den zerbrochenen Gaslaternen durch, und seine Scheinwerfer gleiten zitternd über die dünne Straßendecke.

Hier kann er nicht rasen, denn es ist ziemlich kurvig. Er hat gesehen, was diese Kurven anrichten können, und fährt nicht schneller als fünfzig. Er hat das Gefühl, als würde er schleichen. Er weiß, dass er das Cabrio nicht einholen wird, dass es bloß eine Sinnestäuschung war (denn er sieht inzwischen Gespenster, spürt, dass Augen hinter den Bäumen vorschauen). In jeder Kurve stellt er sich vor, dass er uns wieder sieht, die Version dieses Jahres, das Cabrio auf seinem dünnen Dach neben der Straße, die Zweige weiß im Scheinwerferlicht, das Radio an, ein Reifen, der sich noch dreht, als wäre das Ganze ein Kinofilm.

Aber es ist noch nicht die richtige Nacht, denkt er und klammert sich daran wie an eine Vorschrift. (Siehst du, das hat ihm keiner gesagt. Er weiß alles, als hätte er übersinnliche Kräfte.)

Sollten wir ein Eichhörnchen über die Straße huschen, den weißen Bauchfleck eines Hirschs vor ihm auftauchen lassen?

Das ist nicht nötig. Irgendwie weiß er, was er hier tut, warum er nach Mitternacht als Erstes zu dem einzigen Ort fährt, an dem er wirklich nicht sein sollte. Wenn unsere Eltern oder der Polizeichef ihn sehen könnten, würde er gefeuert werden, einen Tritt in den Arsch kriegen, und dass Melissa zurückkommt, könnte er dann auch vergessen.

Der Gedanke ist ernüchternd, und Brooks fährt langsamer. Das Cabrio ist längst verschwunden, als er in die Kurve geht und die Steigung rauffährt, in der wir durch die Luft geflogen sind. Die Schnauze des Vic hebt und senkt sich, kommt wieder in die Waagerechte, und da steht der Baum plötzlich mitten im Scheinwerferlicht, die modrigen Erinnerungen halb unter den Blättern begraben. Unser Baum. Tims. Seiner.

Brooks hält an. Das ist kein Schuldeingeständnis. Es ist nicht das erste Mal seit dem Unfall, dass er den Baum sieht. Avon ist nicht besonders groß; im Stadtgebiet gibt es nur wenige Straßen. Auf dem Weg zu einem Code 3 ist er sogar mal mit Blaulicht zu schnell in die Kurve gegangen, aber der Vic ist schwer, und seine Reifen sind neu. Brooks ist ein guter Fahrer; er wird nicht bei einem Autounfall sterben. (Damit will ich gar nichts sagen, Toe. Halt einfach die Klappe und lass mich erzählen, okay?)

Brooks sitzt mit dem Fuß auf der Bremse da, im Scheinwerferlicht schwebt eine vom Wind verwehte Abgaswolke hoch. Wenn er ausstiege, sich hinhockte und die Blätter von den verwelkten Blumen und den durchnässten Teddybären streifte, würden wir über ihn herfallen wie Vampire; am nächsten Morgen würde man seinen Wagen ohne Benzin dort finden, die Tür offen, die Zündung noch eingeschaltet. Also lässt er es bleiben. Stattdessen schaltet er die beiden abnehmbaren Blaulichter ein, zwei grelle Leuchten auf dem Dach, die dazu dienen, dass er bei einer Fahrzeugkontrolle heimlich einen Blick in den Wagen werfen kann (Fahrer, die nach einer Dose Bier oder einer Flasche greifen, die versuchen, mit genauso betrunkenen Beifahrern den Platz zu tauschen), und schlagartig weicht die Nacht zurück, Bäume hinter Bäumen, richtig Blair-Witch-mäßig.

Das Licht spielt ihm einen Streich, zeigt ihm Bewegung, wo gar keine ist, ein plötzliches Huschen im Dunkeln, das in Wirklichkeit auf der feuchten Oberfläche seines Auges stattfindet. Es ist nicht Kyle, der zwischen den Bäumen herumirrt, aber einen Augenblick lang verschmilzt die Erinnerung mit dem Trugbild und täuscht Brooks, und er sieht, wie der Junge ächzend im Wald rumtaumelt, außerstande, etwas zu sagen, sein Gesicht eine zertrümmerte Maske.

Denn heute Nacht ist Brooks auf alles gefasst – nervös, könnte man sagen. Er wäre nicht überrascht, wenn er uns alle blutüberströmt dastehen sähe, oder bloß Danielle, die mit dem Gesicht im Gras liegt. An Danielle kann er sich besser erinnern als an uns (wir sind nicht eifersüchtig, das ist bloß eine Tatsache). Er hat mehr Zeit mit ihr verbracht, sie fotografiert, alles ausgemessen. Sie war das Rätsel, das physikalische Problem, das er lösen musste, hier ist die Leiche, da der Wagen. Wir saßen da wie Puppen, die unters Armaturenbrett gerutscht waren, langweilig, das hatte er schon oft gesehen, aber Danielle lag draußen, mit dem Rücken zum Wagen, als wollte sie flüchten. Kyle war Furcht erregend, denn er war noch am Leben; Danielle war interessant, ein Untersuchungsgegenstand. Im Laufe des letzten Jahres hat Brooks versucht zu begreifen, wie er zu einem Menschen werden konnte, der so denkt, aber es ist unverkennbar: Er hat es getan – er tut es noch. Melissa hat Recht.

«232», meldet sich Ravitch. Das ist Brooks’ Nummer, aber er reagiert nicht. Die Blaulichter erinnern ihn an später in jener Nacht, als er Tim aufs Revier gebracht hatte und die Feuerwehr ihre Scheinwerfer aufstellte, damit man den Unfallort absuchen konnte. Mit der Spitze eines Bleistifts hatte er gerade eine Dose Budweiser aufgehoben (nicht von uns), als er etwas sah, das er für ein Schmuckstück hielt, verborgen unter einem Blatt, ein goldenes Flimmern.

(Halt die Klappe, Marco, sagt Danielle. Du bist so gemein. Ich kann nicht glauben, dass du das erzählen willst.

Ich wollte bloß sagen, dass es ein Ohrring war.

Quatsch, sagt Danielle und boxt mich fest auf den Arm. Dabei versuche ich, es nett zu erzählen.)

«232, hier spricht die Zentrale.»

Brooks weiß noch, dass er sich bückte, um zu sehen, was es war, vorsichtig, um die Blätter nicht durcheinander zu bringen. Ein baumelnder Ohrring, wie Melissa sie mochte, durchsichtige lila Perlen an dünnem Golddraht. Er winkte Saintangelo rüber, damit er ein Foto davon machte. Das Blitzlicht färbte ihre Beine silbern – zwei-, dreimal–, dann ging Saintangelo zurück, um sich wieder mit uns zu beschäftigen.

«232, bitte melden.»

Brooks ließ sein Maßband ablaufen, fand heraus, wie weit der Ohrring vom Wagen entfernt war, wie weit von Danielle, und notierte die Zahlen auf seinem Klemmbrett, ein weiterer Anhaltspunkt. In Gedanken zeichnete er Dreiecke auf, verband die Punkte miteinander und verwandelte uns in ein Rätsel, mit dem er sich am Wochenende vor seinem Computer beschäftigen konnte. Als er sicher war, alles dokumentiert zu haben, kniete er sich mit einem durchsichtigen Umschlag und einer Pinzette hin und legte den Ohrring behutsam frei. Er war noch befestigt.

(Ich kann’s nicht glauben, Marco. Du bist so ein Arsch.)

Sein erster Gedanke – und wer weiß, warum er das Melissa erzählt hat – war, dass er schon Schlimmeres gesehen hatte.

«232, 232.»

Brooks lässt sich Zeit, bevor er den Knopf drückt. «Hier 232, was ist los?»

«Wo, zum Kuckuck, bist du gewesen?», fragt Ravitch, will es aber eigentlich gar nicht wissen. «Hör mal, kannst du ein 10-65 in Riverdale übernehmen? Stones and Sterling.»

Ein Alarm, nicht weit weg. (Riverdale Farms ist ein malerischer kleiner Einkaufsort aus ein paar alten Tabakscheunen, die man mit Tiefladern dorthin transportiert hat; dort sind unsere Mütter immer hingefahren, um Halstücher zu kaufen, zu Mittag zu essen und sich bei Sushi oder Pasta den neuesten Klatsch zu erzählen.)

«Verstanden», sagt Brooks und legt bereits den Rückwärtsgang ein. Er sollte froh sein, dass Ravitch etwas für ihn hat, aber jetzt, wo er hier ist, fällt es ihm schwer loszufahren. Denn Brooksie ist nicht dumm. Er weiß, dass es noch nicht vorbei ist. Ihn quält nicht nur die Vergangenheit, er hat da so eine Vorahnung wegen heute – morgen, heute Nacht. («Geist, hab Erbarmen, zeig mir nichts mehr!» An dieser Stelle rufen wir ihm Tim ins Gedächtnis, lassen die Erinnerung daran aufblitzen, wie er vom Rücksitz aus nach Brooks ruft, die Tür zerknittert wie Aluminiumfolie, total verklemmt.

Er wendet in drei Zügen, seine Lichter gleiten gespenstisch durch die Bäume. Während er in die Stadt zurückfährt, fragt er sich, was wohl aus dem Cabriolet geworden ist – keine Halluzination, bloß ein Zufall. Jugendliche. Er glaubt das, was er muss. Und es stimmt, zumindest teilweise; wir haben ihn nicht hergebracht, wir haben nur geholfen. Er hat uns gerufen, nicht andersrum. (Wär das nicht cool?, sagt Toe. Wenn wir jederzeit aus dem Nichts auftauchen könnten?)

Brooks folgt der Ausfahrt, lässt den großen Vic durch die Kurven rollen. Er muss vor dem zweiten Streifenwagen da sein und drückt auf die Tube. Jetzt wäre der richtige Augenblick, um ihm das Eichhörnchen zu schicken, es unter seine Reifen flitzen zu lassen, rums-rums. Toe ist bereit, er hat sogar schon eins ausgewählt, aber Danielle hindert ihn daran.

Ihr seid ja wie besessen.

He, Marco, sagt Toe. Los, wir lassen die Straßenlaterne blinken.

Warum?

Weil es gruselig ist.

Das ist nicht gruselig, sagt Danielle. Kyle ist gruselig. Tim ist gruselig.

Tim ist cool, sagt Toe, und während sie sich streiten, gleitet Brooks zwischen den Säulen durch und kehrt in die Welt der Lebenden zurück.

Guck mal.

Scheiße, sagt Toe und lässt die Laterne blinken – zu spät, der Streifenwagen ist schon daran vorbei. Er will, dass wir Brooks folgen, ihn die ganze Nacht quälen, mit ihm nach Hause fahren, aber es ist noch früh, und im Vergleich zu Tim ist es mit Brooks einfach.

Lass ihn in Ruhe, sagt Danielle, und sie hat Recht. Wir haben noch den ganzen Tag. Bei Brooks ist es bloß eine Frage der Zeit. Denn er ist wie Tim (Wir lieben dich, Tim) – er erinnert sich. Oder liegt es daran, dass er nicht vergessen kann? Egal. Es liegt nicht so sehr an übersinnlichen Kräften, sondern eher daran, dass Brooks so berechenbar ist, und er begreift das, er versteht, warum Melissa gehen musste. Genau wie wir kommt er nicht klar. Schon als er wegfährt, weiß er, dass er wiederkommen wird.

Mitten auf dem Parkplatz, direkt unter einer Laterne, steht ein leerer Einkaufswagen. Kyle weiß nicht, wie er ihn übersehen konnte – die Autos sind alle weg. Es ist kurz vor Feierabend. Zu Hause gibt es Kakao. Hoffentlich auch Marshmallows. Seine Mutter sollte welche besorgen, aber was ist, wenn sie es vergessen hat? (Hat sie nicht. Sie hat sie gestern besorgt, Sta-Pufs, seine Lieblingssorte, sie hat Kyle die neue Tüte extra gezeigt, als sie sie einräumte, denn er hat das ganze Wochenende von nichts anderem geredet. Das kann man nicht erklären. Stell dir vor, du springst von einem fünfstöckigen Gebäude und landest auf dem Gesicht. Und jetzt stell dir den Genesungsprozess vor.

Tim ist einfacher; er ist bloß durchgeknallt.

Tim ist cool, sagt Toe. Zieht nicht über Tim her.

Es gibt den üblichen Streit, aber ein Blick von Danielle, und wir halten beide den Mund.)

Tim schlingt das Klettband um den Griff des vorderen Wagens, um die ganze rasselnde Schlange durch die Tür zu schieben, als er den einzelnen Wagen sieht. Bei Kyle kann ihn nichts mehr überraschen. Manchmal wird Tim ungeduldig mit ihm, und dann kann er sich selbst nicht leiden. So ist Kyle nun mal – aber eigentlich ist das nicht mehr Kyle, nicht der echte Kyle, welcher auch immer. Die Welt ist nicht die Welt, aber alles soll okay sein.

«Los, Kumpel, nicht aufhören jetzt. Ich muss sie alle kriegen.»

«Okay, Tim», sagt Kyle und lächelt über den Pokémon-Witz, die unerwartete Verknüpfung so angenehm, als hätte er ein Puzzle richtig zusammengefügt. Im Rehazentrum legt er Puzzles. Dort gibt es einen Tisch, an dem er sie mit den anderen legt. Einmal hat ein Mädchen in seinem Alter mit einem Bauklotz geworfen, und da hat seine Nase geblutet. Kyle kann sich nicht mehr an ihren Namen erinnern. Seine Mutter heißt Nancy, Nancy Sorenson, 675-0257. (Wir haben sie besucht, sie stand an der Ampel in der Country Club Road, gedankenverloren, das Radio dudelte ungehört, bis sie es seelenruhig ausschaltete. Nachts hört sie Kyles Sprungfedern quietschen; morgens setzt sie ihn in den Bus, wäscht seine Laken und steht dann im bleichen Licht des Kellerfensters und denkt, dass sie sich nicht ewig um ihn kümmern kann, dass es sie allmählich zugrunde richtet. Schon zugrunde gerichtet hat.)

«He, Kumpel.»

«Was?» Kyle sieht Tim an und zieht ein Gesicht, als hätte er irgendwas verpfuscht.

«Hast du nicht was vergessen?»

Erst als Tim den Finger ausstreckt, begreift Kyle. Wer hat den Wagen da stehen lassen, war er das? Er macht so blödes Zeug und kann sich dann nicht mehr dran erinnern. Sie müssen alle Wagen holen, damit sie nach Hause fahren können.

Tim beobachtet, wie Kyle bedächtig über den Parkplatz geht, in perfekter Haltung, starr wie ein Roboter, ein Nebeneffekt des Krankenhauses (sie haben ihm das Laufen in einem Schwimmbad beigebracht, wo er sich an dem am Beckenrand angebrachten Geländer festhielt, voller Angst, obwohl seine Füße auf dem Boden standen). Der Bürstenhaarschnitt ist die Idee seiner Eltern; Tim wartet noch immer darauf, dass Kyles Haare wieder wachsen. Der Kyle, den er kannte, wollte sich Koteletten wachsen lassen und hätte um keinen Preis eine Stop’n’Shop-Mütze getragen. Und er hat zugenommen, klaut ständig Schokoriegel (der Geschäftsführer hat Tim aufgefordert, auf ihn aufzupassen, das heißt, dass Tim die Schokoriegel bezahlt; wozu braucht er noch Geld? «Danke, Tim», sagt Kyle mit ausdruckslosem Gesicht). Er trägt jetzt eine Brille, befestigt mit einem schwarzen Gummiband, und hat eine Zahnprothese. Sein Gesicht ist platt und schief. Weder seine Nase noch seine Wangen sind echt, auch seine Stirn nicht; nur sein Kinn und seine Hände sind unverändert. Er ist jemand anders oder etwas anderes geworden, sogar seine Kleider sind eine Maskerade. Wenn Tim ihn nach der Schule abholt, hat Kyles Mutter ihm schon die Uniform angezogen, jeden Tag dieselbe. Sie packt sein Abendessen in eine schwarze Lunchbox, sein Name mit Leuchtstift auf ein Stück Kreppband geschrieben (manchmal fährt Tim in der Pause mit ihm zum Autoschalter von McDonald’s und kauft ihm etwas, stopft das Erdnussbuttersandwich mit Marmelade und die Selleriestangen in den Abfalleimer, sagt Kyle, dass er nichts verraten soll, und tupft dann mit einer Serviette an dem Ketchupfleck auf seinem Hemd). Sie behandelt Kyle wie ein kleines Kind, aber – und es hat Monate gedauert, bis Tim das zugeben konnte – Kyle ist auch ein kleines Kind. Er mag die Nudelsuppe mit Huhn in seiner Thermosflasche, er mag seine Tüte Double Stuf Oreos. Wenn Tim ihm beim Essen zusieht, wünscht er, er könnte sich für ihn freuen, statt zu denken, dass er besser gestorben wäre. (Das denkt er jedes Mal, wenn er ihn sieht, aber eigentlich denkt er dabei an sich. Manchmal glaubt er, es wäre einfacher, Kyle zu sein.

Toe findet, Tim ist egoistisch. Ich weiß nicht. Danielle verbringt mehr Zeit mit ihm als andere, aber sie will nicht drüber reden. Sie glaubt immer noch, wir können ihn aufhalten.

Warum?, fragt Toe.)

Kyle schiebt den letzten Wagen rasselnd über den Parkplatz, während Tim auf ihn wartet und den überwältigenden Himmel bestaunt, an dem sich die Wolken vor den Vollmond schieben. Auf der Heimfahrt dürfte es kalt werden, das ist der einzige Nachteil an dem Jeep, auch mit festem Dach. Danielle hat sich beim Knutschen immer über die Heizung beklagt, und jetzt sieht er unwillkürlich ihr Gesicht vor sich, sieht, wie sie sich mit feuchten Gesichtern über die Handbremse hinweg küssen, ihre Bluse offen, seine Finger damit beschäftigt, ihren BH hochzuschieben.

(O Baby!, sagt Toe.

Halt die Klappe, sagen wir beide.)

Die Erinnerung ermüdet ihn, und er senkt den Kopf, um sie abzuschütteln. Er weiß noch, dass Danielle in jener Nacht auf seinem Schoß gesessen hat, dass er das Ohr an ihren Rücken legte, um ihren Herzschlag zu hören. Aber die Musik und der Wind draußen waren zu laut.

Hinter Kyle biegt an der Ampel ein Wagen auf den Parkplatz – zu spät, sie haben offiziell geschlossen, die Türautomatik ist ausgeschaltet. Diesen Fehler begehen die Leute ständig, weil das Schild an ist und die Schaufenster noch erleuchtet sind; all die anderen Stop’n’Shops in der Gegend sind rund um die Uhr geöffnet, bloß Avon hat noch diese blöden Vorschriften. Tim ist bereit, den Wagen wegzuschicken, dem stocksauren Fahrer zu erklären, dass er seine Milch an der Shell-Tankstelle holen muss, aber dann erreicht der Wagen die ersten Laternen, und er sieht, dass es ein Polizist ist.

Zuerst kriegt er einen Schreck. Er hat den Drang wegzulaufen, als hätte man ihn bei irgendwas ertappt, doch dann entspannt er sich und ist nur noch empört – Scheiße, nicht schon wieder. Er weiß, wer es ist. Er geht zu Kyle und nimmt ihm den Wagen ab, versucht, den auf sie zurollenden Streifenwagen, die Scheinwerfer, die hinter den Chromgittern leuchten und ihre Schatten an die Wand werfen, nicht zu beachten. Es gibt kein Entrinnen, trotzdem rammt er den letzten Wagen fest und lässt den Gurt durch den Griff gleiten.

Der Streifenwagen fährt entgegen der Fahrtrichtung auf die gestreifte Feuerwehrspur und hält so dicht neben ihnen, dass sie ihn berühren könnten. Die Scheibe ist bereits unten. Es ist sein Schutzengel, und Tim empfindet wieder diese schuldbeladene Mischung aus Dankbarkeit und Gleichgültigkeit, spürt das Band zwischen ihnen, das es am besten nicht gäbe. Die einzige Art, sich zu revanchieren, bestände darin, ihm das Leben zu retten (erwartungsgemäß umgekommen zu sein), aber das wird nicht passieren.

«Na, Kyle. Tim.»

«Hallo, Officer Brooks», sagt Kyle in seinem teigigen, trotteligen Tonfall. (Tss, sagt Toe, was ist mit den Kaninchen, George?

Warum musst du so gemein sein?, fragt Danielle.

Ich bin tot, sagt Toe. Ich brauche nicht nett zu sein.)

«Hey», sagt Tim, und wie immer spürt er, dass Brooks seine Gedanken liest, dass er die Zimmer seines Gehirns durchsucht und Schubladen zuknallt – wahrscheinlich sind wir es bloß, aber das weiß er nicht.

Sie sind sich einig, dass es eine ruhige Nacht ist. Nein, keine Probleme hier. Brooks sagt, dass er hinten trotzdem mal kontrolliert. Tim glaubt schon, er ist ihn los, als Brooks nochmal den Ellbogen aus dem Fenster lehnt.

«Ihr beide kennt nicht zufällig jemanden mit einem weißen Cabriolet? Schwarzes Verdeck?»