Hamish Macbeth fängt einen dicken Fisch - M. C. Beaton - E-Book

Hamish Macbeth fängt einen dicken Fisch E-Book

M.C. Beaton

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In welchen trüben Gewässern muss Hamish diesmal angeln?

Eigentlich ist Tommy Jarret auf der Suche nach einem Seeungeheuer in der Nähe des Dorfes Drim. Aber dann ist er plötzlich tot. Offenbar starb er an einer Überdosis Drogen. Hamish Macbeth findet das Ableben des Jungen ein bisschen sehr merkwürdig - und seine Spürnase hat den schottischen Dorfpolizisten noch nie getäuscht! Daher beschließt er, undercover zu ermitteln, und schleust sich in den illegalen Drogenhandel im nahe gelegenen Strathbane ein. Seine Tarnung fliegt allerdings schnell auf, nachdem er sich mit der knallharten Glasgower Kriminalinspektorin Olivia zusammengetan hat, um den Fall aufzuklären. Für den schlaksigen Gesetzeshüter heißt es nun: untergehen oder schwimmen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 259

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Über das Buch

In welchen trüben Gewässern muss Hamish diesmal angeln?

Eigentlich ist Tommy Jarret auf der Suche nach einem Seeungeheuer in der Nähe des Dorfes Drim. Aber dann ist er plötzlich tot. Offenbar starb er an einer Überdosis Drogen. Hamish Macbeth findet das Ableben des Jungen ein bisschen sehr merkwürdig – und seine Spürnase hat den schottischen Dorfpolizisten noch nie getäuscht! Daher beschließt er, undercover zu ermitteln, und schleust sich in den illegalen Drogenhandel im nahe gelegenen Strathbane ein. Seine Tarnung fliegt allerdings schnell auf, nachdem er sich mit der knallharten Glasgower Kriminalinspektorin Olivia zusammengetan hat, um den Fall aufzuklären. Für den schlaksigen Gesetzeshüter heißt es nun: untergehen oder schwimmen …

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

M. C. BEATON

Hamish Macbeth

Hamish fängt einen dicken Fisch

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche ErstausgabeFür die Originalausgabe:Copyright © 1999 by Marion ChesneyPublished by Arrangement with M. C. BEATON LIMITEDTitel der englischen Originalausgabe:»Death of an Addict«

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

M. C. BEATON® and HAMISH MACBETH® are registered trademarks of M. C. Beaton Limited

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2024 byBastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6–20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Textredaktion: Dorothee Cabras, GrevenbroichUmschlaggestaltung: Kirstin OsenauEinband-/Umschlagmotiv: © Arndt Drechsler, LeipzigeBook-Erstellung: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-4796-7

luebbe.delesejury.de

Kapitel 1

Soll man des Atems Rätsel erspähen,in gehetztem Keuchen einen Pfad gar sehen?Oder des Todes verschleiert’ Geheimnis heben,mit dem Blick in ein weißes Aug’ ohne Leben?

GEORGE MEREDITH

An einem schönen Septembertag fuhr Hamish Macbeth einen holprigen Feldweg entlang. Die Berge von Sutherland ragten in einen blassblauen Himmel auf. Wochenlang hatte es wie aus Eimern geschüttet, sodass alles sauber geschrubbt schien und ein schwerer Duft von Kiefern und wildem Thymian in der Luft lag.

Es war ein guter Tag, um am Leben zu sein. Für einen schlaksigen, rothaarigen Highland-Polizisten, der jüngst entdeckt hatte, dass sein Herz wieder ganz war, sogar ein himmlischer.

Die einstige Liebe seines Lebens, Priscilla Halburton-Smythe, war kurz in den Highlands zu Besuch gewesen. Sie waren zusammen zum Essen ausgegangen, und sein Verstand hatte sein verräterisches Herz geprüft, jedoch nichts Stärkeres dort mehr gefunden als schlichte Sympathie.

Die Sonne strahlte, und irgendwo da draußen gab es charmante junge Frauen, wunderschöne Frauen, die Hamish Macbeth nur zu gern ihre Liebe schenken und ihr Leben mit ihm teilen würden.

In der weiten Heidelandschaft außerhalb von Lochdubh, die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörte, gab es derzeit keine Verbrechen, sodass er wenig anderes zu tun hatte, als sich um seine kleine Landwirtschaft hinter der Polizeiwache zu kümmern, die Schafe und Hühner zu füttern, sich auf seine faule Art durchzuschnorren und von nichts Besonderem zu träumen.

Seine Streife bestand in letzter Zeit aus einer Reihe von Höflichkeitsbesuchen – hier eine Tasse Tee auf einer Farm, da ein Becher Kaffee in einem geweißelten Bauern-Cottage. Er war auf dem Weg zu einem Kleinbauern namens Parry McSporran, der im wilden Moorgebiet nahe der Quelle des Flusses Anstey wohnte, ein wenig außerhalb des Dorfs Glenanstey.

Es gibt zwei Typen von Highlandern, den Unternehmer und den Cowboy. Die Unternehmer arbeiten fleißig und schmieden Pläne, wie sie mit dem Tourismus Geld verdienen können; die Cowboys sind gewöhnlich betrunkene Nichtsnutze, neidisch auf die Unternehmer und darauf aus, deren Bemühungen zu sabotieren. So konnte es einem Taxifahrer, der anfing, ein erfolgreiches Geschäft aufzubauen, durchaus passieren, dass er auf einmal in abgelegene Winkel bestellt wurde, um dort festzustellen, dass der Anruf nur ein gemeiner Streich gewesen war. Oder jemandem, der sich auf Forellenzucht verlegte, wurde das Wasser vergiftet.

Parry McSporran hatte auf seinem Land drei kleine Ferienhütten gebaut. Und beim Bau hatte er einigen Ärger gehabt. Material war verschwunden; abscheuliche Graffiti hatten seine Hausmauern verschandelt.

Hamish hatte die Jugendlichen aufspüren können, die den Schaden angerichtet hatten, und hatte ihnen mit Gefängnis gedroht. Danach hatten sie Parry in Ruhe gelassen. Und kürzlich konnte der Bauer langfristige Mieter gewinnen. Er sagte, auf die Art könne er sich die Mühe sparen, wöchentlich die Wäsche zu wechseln und alles zu putzen. Es war eine kluge Entscheidung, war die Touristensaison in Sutherland doch sehr kurz, weil die Grafschaft so weit nördlich lag, wie es auf dem britischen Festland überhaupt möglich war.

Als Hamish ankam, trieb Parry seine Schafe gerade von einer Weide auf die andere. Er winkte Hamish zu, der den Gruß erwiderte und sich an den Zaun lehnte, um Parrys Schäferhunden bei der Arbeit zuzuschauen.

Etwas Besseres gibt es nicht, dachte er träge, als ein Paar hervorragender Schäferhunde an einem herrlichen Tag zu beobachten. Ihm fehlte nur noch eine Zigarette zu seinem Glück. Hör auf, ermahnte seine Vernunft ihn streng. Er hatte das Rauchen schon vor einiger Zeit aufgegeben, aber gelegentlich überkam ihn die Lust auf eine Zigarette aus dem Nichts.

Nachdem der Schaftrieb abgeschlossen war, winkte Parry Hamish zum Farmhaus. »Kommen Sie rein«, sagte er. »Sie sind gerade rechtzeitig für einen Tee.«

»Sehr gut«, antwortete Hamish und folgte ihm in die steingeflieste Küche.

Parry war nicht verheiratet. Dem Gerede nach hatte er nie heiraten wollen. Er war ein kleiner, drahtiger Mann mit blondem Haar und einem Elfengesicht, dessen hellgraue Augen wenig preisgaben, als würde ihre leuchtende Klugheit jedwede Gefühle verbergen, die hinter ihnen brodeln mochten, ähnlich einem Mann, der aus grellem Sonnenschein in einen dämmrigen Raum tritt und unmöglich Dinge erkennen kann, die drinnen herumliegen.

»Wie sieht es mit Ihren Ferienhäusern aus?«, fragte Hamish, der sich an den Küchentisch setzte.

»Ich habe die beiden Langzeitmieter«, antwortete Parry, »und das dritte Haus ist für den Sommer von Familien gebucht.«

»Wer sind die Langzeitmieter?«, hakte Hamish nach, als Parry den Kessel auf den Raeburn-Herd stellte, der sommers wie winters befeuert wurde.

»In Nummer eins wohnt Felicity Maundy, Engländerin, grün.«

»Grün?«

»Sie ist eine von diesen Weltrettern, Sie wissen schon. Sie macht sich Sorgen wegen der globalen Erwärmung.«

»In den Highlands!«, rief Hamish aus. »Hier oben wäre ein bisschen globale Erwärmung super!«

»Schon, aber wenn man ihr das sagt, schüttelt sie bloß den Kopf und meint, die kommt eines Tages noch.« Parry stellte ihm einen Becher hin.

»Hübsch?«, wollte Hamish wissen.

»Wenn man so was mag.«

»Was mag?«

»Flattrige Haare, flattrige Klamotten, klobige Stiefel, keine Schminke.«

»Und was macht sie hier oben in Glenanstey?«, fragte Hamish neugierig.

»Sie will Lebensqualität finden.«

»Oh, eine von denen.«

»Ja, aber sie ist jetzt schon seit drei Monaten hier und scheint ganz zufrieden zu sein. Sie schreibt Gedichte.«

Schlagartig verlor Hamish das Interesse an Felicity. »Was ist mit der anderen Hütte?«

»Ein netter junger Mann. Tommy Jarret. Anfang zwanzig. Schreibt ein Buch.«

»Ach so«, sagte Hamish zynisch. Leute, die sich fernab der Zivilisation vergruben, um ein Buch zu schreiben, waren meistens solche, die nirgends schreiben konnten. »Jarret«, wiederholte er nachdenklich. »Kommt mir bekannt vor.«

»Heißt das, er ist vorbestraft?«

»Wahrscheinlich nicht, Parry. Ich sehe mal nach, wenn Sie wollen.«

»Ja, machen Sie das. Da wäre ich Ihnen echt dankbar, Hamish.«

»Mr. McSporran«, rief eine sanfte Stimme von der offenen Tür. »Kann ich vielleicht einige Eier bei Ihnen kaufen?«

Hamish drehte sich um. Das musste Felicity Maundy sein. Das Sonnenlicht schien zur Tür herein und durch ihr dünnes indisches Kleid aus zart gemusterter Baumwolle, während es ihr farbloses Haar in einen Strahlenkranz verwandelte. Sie bewegte sich vorwärts und verwandelte sich im Schatten in eine dünne junge Frau mit einem blassen, ängstlichen Gesicht und nervösen wässrig blauen Augen, deren Blick hin und her huschte.

Sie trug so viele Bernsteinketten um den Hals, dass er zerbrechlich wirkte. Unter dem langen Kleid lugten ein Paar Stiefel hervor, die wie Armeestiefel aussahen.

»Ich hole Ihnen welche«, antwortete Parry. »Setzen Sie sich. Das ist Hamish Macbeth.«

Nervös musterte Felicity Hamishs Uniform. »Ich bleibe lieber stehen.« Ihre Stimme war so zart und dünn wie ihre Erscheinung.

»Wie vertreiben Sie sich hier oben die Zeit, Miss Maundy?«, fragte Hamish.

»Was meinen Sie?« Jetzt schlich sich eine schrille Note in ihre Stimme.

»Ich meine«, antwortete Hamish geduldig, »dass es hier ein bisschen abgelegen ist. Finden Sie es nicht einsam?«

»Oh nein, überhaupt nicht!« Theatralisch breitete sie die Arme aus. »Berge und Vögel sind meine Gefährten.«

»Also wirklich«, schnaubte Parry, der mit einem Eierkarton zurückkehrte, »Sie sollten sich ein bisschen schminken, sich hochhackige Schuhe anziehen und runter nach Strathbane fahren, ein wenig Spaß haben.«

»Ich schminke mich nicht«, erwiderte Felicity verkniffen.

»Wieso nicht?«, fragte Parry. »Sie können etwas Farbe im Gesicht vertragen.«

»Wenn man Make-up trägt«, verkündete Felicity, und es klang wie auswendig gelernt, »können andere nicht sehen, wer man wirklich ist.«

»Ich würde meinen, dass Sie gar keiner sieht, ob wirklich oder nicht, wenn Sie sich hier draußen verstecken«, merkte Hamish an.

Felicity beachtete ihn gar nicht. »Was schulde ich Ihnen für die Eier?«

»Die kosten heute nichts.«

»Oh, danke! Sie sind zu nett!« Felicity schnappte sich den Karton und verschwand durch die Küchentür.

»Die hat Sie schon richtig dressiert«, bemerkte Hamish.

»Ach, sie ist doch bloß ein zartes, kleines Ding und muss ein bisschen aufgepäppelt werden. Überprüfen Sie mal diesen Tommy Jarret für mich, Hamish?«

»Mach ich jetzt gleich«, versprach er. »Dauert nicht lange. Ich habe ein Handy im Auto, auch wenn diese Dinger die Pest sein können. Man glaubt nicht, wo die in den Highlands überall nicht funktionieren!«

Er ging nach draußen zu dem Land Rover der Polizei, nahm sein Mobiltelefon auf und wählte die Nummer der Polizeizentrale in Strathbane, wo er sich mit Jenny McSween verbinden ließ, Spitzname »Aktenwache«.

»Warten Sie kurz, Hamish«, sagte Jenny. »Ich gebe nur schnell den Namen in den Computer ein.«

Hamish lehnte sich an den Land Rover und genoss das Gefühl der Sonne im Gesicht, während er wartete. Die drei Ferienhütten waren hinter einem Birkenhain versteckt, um den Bewohnern Privatsphäre zu bieten. Durch das flatternde Birkenlaub konnte Hamish Felicitys blasses Gesicht an einem Fenster sehen.

Dann erklang wieder Jennys Stimme aus dem Telefon. »Thomas Jarret, letztes Jahr wegen Besitzes von Ecstasy und Cannabis verhaftet. Kam um eine Anklage herum, weil er sagte, es wäre zum Eigengebrauch gewesen. Der verhaftende Detective, Jimmy Anderson, denkt, dass Jarret dealt, konnte ihm aber nichts nachweisen. Thomas Jarret war oder ist heroinabhängig.«

»Verstehe«, sagte Hamish matt. »Danke, Jenny.«

Er ging zurück ins Haus und erzählte Parry, was er erfahren hatte.

»Den schmeiße ich sofort hochkant raus«, knurrte Parry. »Mit Drogen will ich nichts zu tun haben.«

»Gehen wir mal rüber und reden mit ihm«, schlug Hamish vor. »Er könnte inzwischen clean sein. Ich bin immer dafür, Leuten eine zweite Chance zu geben.«

Parry ging mit finsterer Miene voran zu der Hütte und klopfte an die Tür. »Mr. Jarret, wir würden gerne kurz mit Ihnen reden.«

Die Tür wurde geöffnet, und ein nett aussehender junger Mann stand dort. Er hatte braunes, lockiges Haar und braune Augen. Sein Gesicht war sonnengebräunt. Und er blinzelte hektisch beim Anblick der Polizeiuniform.

»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Hamish.

»J-ja.« Er trat zurück ins Wohnzimmer der Hütte. Auf dem Tisch am Fenster stand ein Computer, umgeben von Manuskriptstapeln. »Setzen Sie sich doch«, bat Tommy sie nervös.

»Ich komme direkt zur Sache«, sagte Hamish, der der Bitte nachkam, seine spitze Polizeimütze abnahm und sie in den Händen drehte. »Sie wurden wegen Drogenbesitzes festgenommen, und der Detective, der Sie verhaftete, war überzeugt, dass Sie gedealt haben.«

»Ich bin seit sechs Monaten clean. Ehrenwort«, beteuerte Tommy. »Und ich habe nicht gedealt. Ich habe in Strathbane einen Entzug gemacht. Da können Sie jeden fragen. Jetzt schreibe ich sogar ein Buch über meine Drogenerfahrungen, um Leuten klarzumachen, wie das ist.«

»Warum wurden Sie mit Ecstasy und Cannabis erwischt, wenn Sie heroinabhängig waren?«, fragte Hamish.

Tommy lächelte reumütig. »Wenn man seine Wahldroge nicht bekommen kann, nimmt man alles.« Er krempelte die Ärmel hoch. »Sehen Sie, keine Einstiche, und Mr. McSporran hier wird Ihnen bestätigen, dass er mich nie anders als nüchtern gesehen hat.«

»Na, um Alkohol mache ich mir keine Gedanken«, sagte Parry.

»Das ist Therapiejargon«, erklärte Hamish ihm. »›Nüchtern‹ heißt in dem Fall, dass er keine bewusstseinsverändernden Drogen genommen hat. Stimmt’s, Tommy?«

»Ja, und ich trinke übrigens auch gar keinen Alkohol mehr. Bitte, geben Sie mir eine Chance«, flehte Tommy ernst. »Sie wissen, dass ich keine Probleme mache, Mr. McSporran, und ich zahle meine Miete pünktlich.«

»Ja, das stimmt«, räumte Parry widerwillig ein.

Hamish kam zu einem Entschluss. »Ich würde ihn erst mal bleiben lassen, Parry. Ich glaube ihm.«

Draußen im Sonnenschein sagte Parry: »Sie scheinen sich ja verdammt sicher zu sein, Hamish Macbeth.«

»Ach, ich irre mich nie«, antwortete Hamish mit dem typischen Selbstbewusstsein der Highlander.

Doch als er wieder in Lochdubh war und seine Hennen für die Nacht weggesperrt hatte, ging Hamish ins Büro und rief Detective Jimmy Anderson an.

»Tommy Jarret?«, fragte Jimmy prompt. »Bei dem wäre ich vorsichtig. Ist mit Drogenbesitz zum Eigenverbrauch davongekommen, weil der Amtsrichter gnädig war. Wurde bloß zu einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik und hundert Sozialstunden verknackt.«

»Hm«, murmelte Hamish. »Er war doch heroinabhängig, oder?«

»Ja.«

»Das Zeug ist in den Highlands sehr teuer. Woher hatte er das Geld?«

»Von einer Tante geerbt, sagt er, und es scheint zu stimmen. Respektable Eltern. Gut gestellt. Der Vater ist Bankmanager. Schickes Haus außerhalb von Strathbane, Mitglied bei den Rotariern, poliert sonntags seinen Wagen, die Art Mann meine ich, verstehen Sie? Also kann Jarret sich Heroin leisten. Aber ich sage Ihnen, was mich noch sauer gemacht hat: Ich konnte nicht aus ihm rausbekommen, wer ihn versorgt hat. Ich meine, der Junge hat Glück, dass er noch am Leben ist.«

»Warum das?«

»Ich glaube, es ist eine Menge gepanschtes Zeug im Umlauf, und irgendein Mistkerl im Three Bells, dem Pub unten bei den alten Docks, hat sogar mit Puder gedealt. Der Straßenpreis für Heroin liegt in Aberdeen bei hundert Pfund das Gramm. Aber warum fragen Sie nach Tommy Jarret?«

»Der Name ist aufgetaucht«, antwortete Hamish ausweichend.

»Dann ist der kleine Drecksack in Ihrer Gegend? Ich traue keinem dieser Junkies.«

»Gibt es viele Drogen in Strathbane?«, fragte Hamish.

»Ja, die sind die Pest. Schuld sind die modernen Verkehrsanbindungen. Wir sind hier nicht mehr abgeschnitten wie früher, und diese Kerle kommen über die Autobahn schnell von Glasgow und Manchester herüber. Die Drogenbosse machen Geld, und jedes Jahr sterben mehr junge Leute.«

»Ich frage mich, was passieren würde, wenn man das Zeug legalisiert«, überlegte Hamish laut. »Ich meine, dann gäbe es Qualitätskontrollen, und alle Drogenbosse und Kartelle wären aus dem Geschäft.«

»Was?! Solche Aussagen erklären, warum Sie Dorfpolizist sind und ich Detective bin. Das ist gefährlicher Blödsinn, was Sie da reden, Hamish.«

»War ja nur eine Frage«, erwiderte Hamish kleinlaut.

Er beendete das Gespräch, schlüpfte in Zivilkleidung und machte sich zu einem Spaziergang am Wasser entlang auf. Ihn störte es kein bisschen, nur Dorfpolizist zu sein. Hamish Macbeth hatte schon mehrfach eine Beförderung nach Strathbane abgewendet. Das Wasser des Lochdubh lag ruhig unter einem blassen Himmel; einzig ein Tümmler sorgte dafür, dass sich die Oberfläche hin und wieder kräuselte. Und die gewalttätige Welt der Städte wie Strathbane schien angenehm weit entfernt zu sein.

»Träumen Sie, Hamish?«

Hamish, der an der Hafenmauer gelehnt hatte, drehte sich zu Dr. Brodies Frau Angela um, die ihn amüsiert musterte. »Ach, ich habe eigentlich nicht an viel gedacht«, antwortete Hamish. »Außer vielleicht an Drogen.«

»Ich glaube nicht, dass wir in Lochdubh Drogenfälle haben.«

»Schön.«

Sie lehnte sich neben ihn an die Mauer, und Hamish stützte wieder die Arme auf den rauen Stein, der noch warm von der Sonne des Tages war.

»Warum nehmen Leute Drogen, Angela?«

»Weil sie die Wirkung mögen. Solche simplen Sachen müssten Sie wissen, Hamish. Und junge Menschen haben es gern gefährlich und aufregend.«

»Aber all die Warnungen«, widersprach Hamish. »All die Jugendlichen, die an Ecstasy sterben.«

»Süchtige denken nie, dass es ihnen passiert. Und junge Leute halten sich sowieso für unsterblich.«

»Was wäre, würde man das Zeug legalisieren?«

»Weiß ich nicht. Doch ich denke, dazu wird es nicht kommen. Allein, dass Drogen illegal sind, schreckt schon ab. Können Sie sich Jugendliche, vielleicht Kinder, mit uneingeschränktem Zugriff auf LSD vorstellen?«

»Sie haben recht«, sagte Hamish seufzend. »Was ist die Lösung?«

»Dass keiner mehr Drogen nimmt.«

»Was ich für unwahrscheinlich halte.«

»Es könnte aber passieren. Drogen werden einfach unmodern. So wie das Rauchen. Sie haben ziemlich ruhige Tage, Hamish.«

»Und mögen sie noch eine Weile andauern! Ich brauche nicht noch einen Mord in Lochdubh.«

»Es könnte aber bald einen geben.«

»Was? Wer?«

»Nessie und Jessie Currie haben in diesem Jahr gemeinsam den Vorsitz im Mütterverein der Kirche inne.«

»Ach, du meine Güte!«, murmelte Hamish. Jessie und Nessie waren Zwillinge mittleren Alters, beide unverheiratet.

»Die anderen beschweren sich, dass sie den Verein führen wie die Militärpolizei.«

»Können sie die zwei nicht abwählen?«

»Nicht vor nächstem Jahr.«

»Was machen sie denn, was so schlimm ist?«

»Na, beim Kuchenverkauf meckern sie ständig an der Qualität herum, und das so sehr, dass zum Beispiel die kleine Mrs. McWhirter hinterher in Tränen aufgelöst war. Und neuerdings sind sie besessen von Keimen und bestehen darauf, dass der Gemeindesaal regelmäßig geschrubbt wird. Sie haben einen Putzplan erstellt, und alle Frauen müssen ihre Schuhe ausziehen, ehe sie den Saal betreten.«

»Ich rede mal mit ihnen.«

»Meinen Sie, Hamish? Ich wüsste nicht, was Sie sagen könnten. Alle anderen haben es schon versucht.«

»Dann probiere ich es auch mal.«

Hamish verabschiedete sich von Angela Brody und ging zum Cottage der Currie-Schwestern. Er betätigte den blitzblank polierten Messingklopfer in Form eines Löwenkopfes.

Jessie öffnete und blinzelte durch ihre dicken Brillengläser. »Sie sind’s. Sie sind’s.« Sie hatte die enervierende Angewohnheit, alles zu wiederholen.

»Ich wollte nur kurz mit Ihnen reden«, sagte Hamish munter.

»Kommen Sie rein. Rein.«

Hamish duckte sich unter dem niedrigen Türsturz durch und folgte ihr ins Wohnzimmer, wo Nessie Currie saß.

Nessie strickte wild, und die Nadeln blitzten durch die roten Wollmaschen. »Was führt Sie her?«, fragte sie.

Hamish setzte sich.

»Ich hole Tee. Ich hole Tee«, sagte Jessie.

Hamish hob eine Hand. »Für mich nicht, danke. Es dauert nur eine Minute.«

Jessie verschränkte die Arme vor der Brust und beäugte den großen, rothaarigen Polizisten nervös. »Muss ernst sein, wenn Sie einen Gratistee verweigern. Einen Gratistee.«

»Es geht um den Mütterverein.«

Nessie hörte auf zu stricken. »Was ist mit dem Mütterverein?«

»Sie beide. Das ist mit dem.«

»Was meinen Sie? Was meinen Sie?«, fragte Jessie streng. »Wir leiten ihn mit eiserner Faust. Mit eiserner Faust.«

»Tja, meine Damen, die eiserne Faust scheint das Problem zu sein. Sie führen sich auf wie die Militärpolizei, heißt es.«

»Wer hat sich beschwert?«, fragte Nessie erbost.

»So ziemlich jeder«, antwortete Hamish Macbeth.

»Wir machen nichts falsch, nichts falsch«, erklärte Jessie. »Wir achten darauf, dass der Gemeindesaal sauber ist, und das war ein Saustall. Ein Saustall.«

»Ja, und es ist prima, dass Sie beide gegen Keime kämpfen, aber müssen Sie sich auch mit den anderen anlegen?« Ist es nicht eine seltsame Welt, in der ein Mütterverein von zwei kinderlosen alten Jungfern geleitet wird?, dachte Hamish bei sich. Sagte man überhaupt noch »alte Jungfer«? War das politisch korrekt? »Fräulein« war altmodisch. Single? Und warum überhaupt galten unverheiratete Frauen als seltsam? Er war ja selbst ledig.

»Ich rede mit Ihnen, Hamish Macbeth«, unterbrach Nessie laut seine Gedanken, »und Sie sitzen da wie ein dämlicher Idiot, nachdem Sie uns beleidigt haben.«

»Uns beleidigt haben«, wiederholte Jessie.

»Ich habe an Margaret Thatcher gedacht«, log Hamish, der um die Thatcher-Verehrung der beiden Schwestern wusste.

»Was ist mit ihr?«, fragte Nessie, die sofort einen ehrfürchtigen Gesichtsausdruck bekam.

»Na ja, Mrs. Thatcher …«

»Baroness Thatcher«, korrigierten die Currie-Schwestern ihn im Chor.

»Dann eben Lady Thatcher. Jemand wie sie würde den Mütterverein mit fester Hand führen. Aber die Verantwortung delegieren, alle einbeziehen. Man bekommt mehr von den Leuten, wenn sie einen mögen. ›Diplomatie‹ ist das Stichwort, meine Damen.«

»Was wissen Sie denn schon über Lady Thatcher?«, erwiderte Nessie.

Hamish schloss halb die Augen. »Es war ein herrlicher Tag damals«, schwärmte er, und sein Highland-Akzent wurde ausgeprägter, als er zu einer riesigen Lüge ausholte. »Ich war unten in Inverness, und da war sie, hat eingekauft, so wie Sie oder ich.«

»Was hat sie gekauft?«, wollte Nessie mit leuchtenden Augen wissen.

»Es war bei Marks and Spencer. Sie hat sich eine von diesen Blusen angesehen, die sie gern trägt. Seide war das.«

»Und haben Sie mit ihr geredet?«

»Ja, habe ich«, antwortete Hamish.

»Was haben Sie gesagt?«

»Ich habe sie um ein Autogramm in meinem Notizblock gebeten, und das hat sie mir gegeben. Und ich habe sie nach dem Geheimnis ihres Erfolges gefragt.«

Beide Schwestern neigten sich vor. »Und was hat sie gesagt?«

»Sie hat gesagt: ›Das Geheimnis ist eine feste Hand.‹«

»Aha!«

»›Aber mit Freundlichkeit‹, hat sie hinzugefügt. Sie war mir so nahe wie Sie zwei jetzt. Sie hat gesagt, dass sie sich nie dazu herablässt, Leute zu tyrannisieren oder sich mit Kleinigkeiten abzugeben. ›Wenn man hart arbeitet‹, hat sie zu mir gesagt, ›erweist man anderen einen Dienst, weil man es will. In dem Moment, in dem man anfängt, Leute herumzuschubsen oder damit zu prahlen, wie viel man für sie tut, wenden sie sich gegen einen. Keiner will einen Märtyrer.‹«

Die Schwestern sahen einander an. »Vielleicht sind wir ein bisschen zu streng. Ein bisschen zu streng«, räumte Jessie ein.

»Ja, möglicherweise sollten wir nachsichtiger sein«, stimmte Nessie zu. »Was hat sie noch gesagt?«

»Dennis, ihr Mann, ist gekommen. ›Die Bluse kaufst du nicht, Maggie. Es ist die falsche Farbe‹, erklärte er. Es war lila Seide.«

Nessie schnaubte. »Ich wette, sie hat ihm gesagt, er soll verschwinden.«

»Oh nein. Sie hat nur gelächelt und geantwortet: ›Ja, mein Lieber, wahrscheinlich hast du recht.‹ Es waren ja überall Sicherheitsleute um sie herum, und eine Dame wie sie gibt sich nicht kleinlich oder rechthaberisch.«

»Was für eine Frau! Was für eine Frau!«, hauchte Jessie ehrfurchtsvoll. »Eine wie sie werden wir nie wieder erleben.«

Hamish stand auf, und sein roter Schopf berührte die Zimmerdecke. »Ich gehe dann mal.«

»Dürfen wir das Autogramm sehen, Hamish?«

»Oh nein, das habe ich meinem Cousin Rory in New Hampshire geschickt. Er hat es gerahmt und über seinem Kamin aufgehängt.«

Hamish ging zur Haustür. In dem kleinen Flur hing ein Bilderrahmen mit einem Foto von Margaret Thatcher. Dem zwinkerte er zu, bevor er das Cottage verließ.

Er wanderte zurück zur Polizeiwache. Als er sich Patels Dorfladen näherte, erkannte er die etwas verwahrloste Gestalt von Felicity Maundy. Im selben Moment sah sie ihn und wurde sehr bleich. Sie schloss die Fahrertür eines alten Metro auf, warf ihre Einkäufe hinein, stieg ein und fuhr davon, sodass nur noch eine Abgaswolke blieb.

»Na, was hat die denn angestellt?«, murmelte Hamish. »Wahrscheinlich war sie als Schülerin mal auf einer Demo und glaubt, die Polizei hätte sie immer noch im Blick.«

Er zuckte mit den Schultern und ging weiter. Seine Kletterrose vorn an der Wache gedieh nach wie vor gut, und die Blüten verdeckten beinahe die blaue Polizeilampe.

Hamish beschloss, einen entspannten Abend zu verbringen, vielleicht einen Eintopf anzusetzen und für eine Stunde in den Pub zu gehen, solange sein Essen vor sich hin köchelte. Diese neumodischen Alcopops, diese süßen, sprudelnden Getränke, hatten sich als gefährlich erwiesen. Hamishs Meinung nach waren die erfunden worden, um die jungen Leute zu verführen, allen voran die Fischer, die eine Vorliebe für Süßes hatten und ihnen sofort verfallen waren. Also hatte Hamish vor, die Pflicht mit dem Vergnügen zu verbinden und auf die Autofahrer zu achten, die zu viel tranken. Rechtzeitig bevor der Pub schloss, würde er wieder hingehen und Autoschlüssel einkassieren.

Er öffnete die Küchentür und trat ins Haus. In diesem Moment begann das Telefon im Büro zu schrillen. Hamish lief hin. Ihn überkam ein ungutes Gefühl, das er abzuschütteln versuchte. Wahrscheinlich nur eine geringfügige Beschwerde. Oder ein Telefonstreich. Er nahm den Hörer auf. »Polizei Lochdubh.«

»Hamish, hier ist Parry. Es geht um den Burschen, Tommy Jarret. Er ist tot.«

»Tot? Wie? Warum?«

»Ich denke, dass es eine Überdosis war. Ich habe eine Spritze gefunden.«

»Ich bin gleich da.«

Fluchend zog Hamish wieder seine Uniform an. Was war mit seiner berühmten Intuition los? Er hätte schwören können, dass bei Tommy Jarret kein Rückfall drohte. Wie hatte das so schnell geschehen können? Dem Jungen war es doch gut gegangen.

Schweren Herzens fuhr Hamish die gewundene Straße aus Lochdubh nach Glenanstey. Große, dunkle Wolken brauten sich hinter den Bergen zusammen. Sie kamen Hamish wie ein schwarzes Omen vor, das Ärger ankündigte.

Kapitel 2

Dennoch, mit Eurer Gunst,Erzähl ich schlicht und ungefärbt den HergangVon meiner Liebe: was für Tränk und Künste,Was für Beschwörung, welches Zaubers Kraft –Denn solcher Mittel steh ich angeklagt.

WILLIAM SHAKESPEARE

Der Tod eines jungen Menschen ist stets besonders tragisch. Vorhin noch schien das ganze Leben vor Tommy Jarret zu liegen. Und jetzt war er eine leblose Hülle.

»Haben Sie nichts angefasst?«, fragte Hamish, als er mit Parry vor der Leiche stand.

»Ich habe nach seinem Puls gefühlt, weil ich sicher sein wollte, dass er tot ist. Ach, Hamish, er muss gedacht haben, ihm passiert nichts, als sie ihm diese Chance gegeben haben, und da hat er beschlossen, wieder das Zeug zu nehmen.«

Hamish schob seine spitze Mütze nach hinten und kratzte sich am Kopf. »Aber wie konnte das so schnell geschehen? War er nach Strathbane gefahren?«

»Ich habe ihn nicht wegfahren gesehen.«

»Was ist mit Besuchern? Wo sind Sie heute Nachmittag gewesen, Parry?«

»Na, hier. Sie denken doch nicht, dass ich das war?«

»Also wirklich, Parry. Ich will wissen, ob Sie auf dem Hof gewesen sind, weil Sie jemanden gesehen haben könnten oder so.«

»Zwischendurch bin ich mal rüber nach Dornoch, um Ersatzteile für meinen Wagen zu holen. Da war ich so zwei Stunden weg.«

Hamish hörte eine Polizeisirene heulen. »Das werden die Kollegen aus Strathbane sein. Hoffentlich ist es nicht Blair.« Detective Chief Inspector Blair war der Fluch in Hamishs ansonsten ruhigem Leben.

Doch es war Blairs Handlanger, Detective Jimmy Anderson, der hereinkam. Ihm folgten einige Uniformierte und ein Team der Spurensicherung.

»Kein Blair?«, fragte Hamish.

Jimmy schnaubte verächtlich. »Der schwingt seinen Hintern doch nicht für einen toten Junkie vom Stuhl.«

»Könnte Mord sein«, sagte Hamish.

»Ja, klar«, höhnte Jimmy. »Der große Detective hat gesprochen! Ein polizeibekannter Junkie wird mit einer Spritze an seiner Seite tot aufgefunden, und Sie ignorieren das Offensichtliche einfach mal.«

»Ich hatte heute erst mit ihm gesprochen«, konterte Hamish trotzig. »Und ich hätte schwören können, dass er das Zeug nie wieder anfasst.«

»Lassen Sie sich eines gesagt sein, Hamish: Drogensucht ist ein echter Dreck. Die kriegt Sie und behält Sie. Aber Sie hier oben mit Ihren Schafen sehen ja nicht viel vom Leben.«

Der Gerichtsmediziner, Mr. Sinclair, drängte sich an ihnen vorbei. »Gönnen Sie mir ein bisschen Ruhe, bis ich mir das angesehen habe.«

Alle gingen nach draußen. Jimmy wandte sich an Parry. »Also, Sie sind Parry McSporran.«

»Ja.«

»Wer wohnt in den anderen Hütten?«

»Nur eine junge Frau, Felicity Maundy.«

»Gehen wir zu ihr. Wir sollten die Zeit nutzen, bis Sinclair fertig ist, und danach muss die Spurensicherung erst mal überall Abdrücke nehmen.«

In diesem Moment kam Felicity angefahren. Beim Anblick der vielen Polizeiwagen wurde sie kreidebleich. Sie hielt an und stieg langsam aus. Hamish fand, dass sie aussah, als würde sie gleich ohnmächtig.

»Was wissen Sie hierüber?«, fragte Jimmy und stürmte in einer kampflustigen Manier auf sie zu, die der seines Chefs Blair in nichts nachstand.

Sie blickte sich benommen um. »W-was?«

»Tommy Jarret ist tot.«

»Er … Das kann nicht sein!«

»Es sieht nach einer Überdosis aus.«

»Aber er war clean!«, rief Felicity und begann zu weinen.

»So bekommen Sie nichts aus ihr heraus«, sagte Hamish. »Ich besorge ihr eine Tasse Tee. Kommen Sie mit, Miss Maundy. Es wird Zeit, dass wir uns mal unterhalten. Wir gehen einfach in Ihre Hütte und trinken einen Tee.«

Sie sträubte sich nicht, als er sie zu ihrem Haus führte. »Haben Sie den Schlüssel?«, fragte Hamish.

»I-Ich schließe nie ab.«

Er öffnete die Tür und bugsierte sie nach drinnen. Ihre Hütte war identisch mit Tommys, bis auf die getrockneten Kräuter, die an Haken von der Decke hingen. In einer Ecke des Wohnraums stand eine Strickmaschine, in der anderen eine Nähmaschine. »Setzen Sie sich lieber hin«, sagte Hamish ruhig.

Er ging in die kleine Küche. Hier gab es nur Kräutertee, also goss er einen Becher Kamillentee auf und brachte ihn ihr.

Einen Moment lang beobachtete er, wie sie an dem Tee nippte, dann fragte er sanft: »Warum waren Sie so entsetzt, als Sie mich heute vor Patels Laden gesehen haben?«

»Ich habe Sie gar nicht gesehen«, antwortete sie, wobei ihr Blick hin und her huschte wie der eines gehetzten Tieres.

»Lassen wir das erst mal. Wann haben Sie zuletzt mit Tommy gesprochen?«

»Heute. Er hat mich gefragt, ob ich ihm einige Sachen von Patel mitbringe. Er hat ja die ganze Zeit an seinem Buch gearbeitet.«

»Wie gut haben Sie ihn gekannt?«

»Nicht sehr gut. Er war eben ein Nachbar. Aber er hätte keine Drogen genommen.« Wieder fing sie zu weinen an.

Hamish sah eine Packung Papiertücher auf dem Küchentresen und holte sie ihr. Lautstark schnäuzte sie sich. Während Hamish wartete, dass sie sich wieder erholte, dachte er angestrengt nach. Warum war sie so erschüttert, so verzweifelt geradezu, wenn Tommy und sie nur Nachbarn gewesen waren?

»Und bevor Sie weggefahren sind, haben Sie da Fremde in der Nähe gesehen? Einen Wagen gehört?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ein paar Autos sind mir auf dem Weg nach Lochdubh entgegengekommen, zwei, meine ich, aber ich habe nicht weiter auf sie geachtet.«

»Etwas an ihnen müssen Sie wahrgenommen haben«, sagte Hamish streng. »Farbe? Groß, klein?«

Müde schüttelte sie den Kopf. »Das eine war klein und schwarz, glaube ich. Das andere grau und ein bisschen größer.«

»Ein Kombi?«

»Weiß ich nicht«, jammerte sie. »Und Sie belästigen mich.«

Hamish beschloss, später auf sie zurückzukommen. »Ich schicke eine Polizistin rein, die sich zu Ihnen setzt.« Er ging, fand eine Kollegin und bat sie, bei Felicity zu bleiben. Dann näherte er sich Parry. »Was gibt’s Neues?«

»Ich habe gehört, wie der Gerichtsmediziner gesagt hat, dass es ein klarer Fall ist: eine Überdosis.«

Hamish war ärgerlich, weil er das Gefühl hatte, dass man ihn mal wieder am langen Arm verhungern ließ. Doch er ermahnte sich im Stillen, dass es seine eigene Entscheidung gewesen war, ein gewöhnlicher Polizist zu bleiben und die Beförderungen nicht anzunehmen, als man sie ihm angeboten hatte.