Hamish Macbeth verschlägt es die Sprache - M. C. Beaton - E-Book

Hamish Macbeth verschlägt es die Sprache E-Book

M.C. Beaton

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Beschreibung

Mord ist nicht nur ihr Hobby, sondern ihr Beruf

Die betagte Schriftstellerin Patricia Martyn-Broyd ist entsetzt, als sie erfährt, dass ihre Protagonistin Lady Harriet in den Verfilmungen ihrer Krimis als kiffender Hippie dargestellt werden soll. Dass der Drehbuchautor für seine skurrilen Drehbücher bekannt ist und Lady Harriet von der moralisch fragwürdigen Penelope Gates gespielt werden soll, macht die Sache nicht besser. Aber Vertrag ist Vertrag, lernt die Autorin schnell. Plötzlich überschlagen sich jedoch die Ereignisse, und Patricia wird beschuldigt, Drehbuchautor und Hauptdarstellerin ermordet zu haben. Um ihre Unschuld zu beweisen, wendet sie sich an ihren einzigen Freund in Lochdubh: den Dorfpolizisten Hamish Macbeth ...

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Inhalt

Cover

Inhalt

Über das Buch

Über die Autorin

Weitere Titel

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Epilog

Über das Buch

Mord ist nicht nur ihr Hobby, sondern ihr Beruf

Die betagte Schriftstellerin Patricia Martyn-Broyd ist entsetzt, als sie erfährt, dass ihre Protagonistin Lady Harriet in den Verfilmungen ihrer Krimis als kiffender Hippie dargestellt werden soll. Dass der Drehbuchautor für seine skurrilen Drehbücher bekannt ist und Lady Harriet von der moralisch fragwürdigen Penelope Gates gespielt werden soll, macht die Sache nicht besser. Aber Vertrag ist Vertrag, lernt die Autorin schnell. Plötzlich überschlagen sich jedoch die Ereignisse, und Patricia wird beschuldigt, Drehbuchautor und Hauptdarstellerin ermordet zu haben. Um ihre Unschuld zu beweisen, wendet sie sich an ihren einzigen Freund in Lochdubh: den Dorfpolizisten Hamish Macbeth …

Über die Autorin

M. C. Beaton ist eines der zahlreichen Pseudonyme der schottischen Autorin Marion Chesney. Nachdem sie lange Zeit als Theaterkritikerin und Journalistin für verschiedene britische Zeitungen tätig war, beschloss sie, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Mit ihren Krimi-Reihen um die englische Detektivin Agatha Raisin und den schottischen Dorfpolizisten Hamish Macbeth feierte sie große Erfolge in über 17 Ländern. Sie verstarb im Dezember 2019 im Alter von 83 Jahren.

Weitere Titel der Autorin:

Agatha-Raisin-Reihe

Agatha Raisin und der tote Richter | Agatha Raisin und der tote Tierarzt | Agatha Raisin und die tote Gärtnerin | Agatha Raisin und die Tote im Feld | Agatha Raisin und der tote Ehemann | Agatha Raisin und die tote Urlauberin | Agatha Raisin und der Tote im Wasser | Agatha Raisin und der tote Friseur | Agatha Raisin und die tote Hexe | Agatha Raisin und der tote Gutsherr | Agatha Raisin und die tote Geliebte | Agatha Raisin und die ertrunkene Braut | Agatha Raisin und der tote Kaplan | Agatha Raisin und das Geisterhaus | Agatha Raisin und der tote Auftragskiller | Agatha Raisin und der tote Göttergatte | Agatha Raisin und die Tote am Strand | Agatha Raisin und die tote Witwe | Agatha Raisin und das tödliche Kirchenfest | Agatha Raisin und die tote Rivalin

Hamish-Macbeth-Reihe

Hamish Macbeth fischt im Trüben | Hamish Macbeth geht auf die Pirsch | Hamish Macbeth und das Skelett im Moor | Hamish Macbeth spuckt Gift und Galle | Hamish Macbeth und das tote Flittchen | Hamish Macbeth ist reif für die Insel | Hamish Macbeth und der tote Witzbold | Hamish Macbeth hat ein Date mit dem Tod | Hamish Macbeth riecht Ärger | Hamish Macbeth lässt sich nicht um den Finger wickeln | Hamish Macbeth riskiert Kopf und Kragen | Hamish Macbeth kämpft um seine Ehre | Hamish Macbeth vergeht das Grinsen

M.C. BEATON

Kriminalroman

Übersetzung aus dem Englischen von Sabine Schilasky

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe: Copyright © 1998 by Marion Chesney Published by Arrangement with M.C. BEATONLIMITED Titel der englischen Originalausgabe: »Death of a Scriptwriter« M.C. BEATON® and HAMISHMACBETH® are registered trademarks of M.C. Beaton Limited Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Für die deutschsprachige Ausgabe: Copyright © 2023 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln Textredaktion: Dorothee Cabras, Grevenbroich Covergestaltung: Kirstin Osenau Covermotiv: © Arndt Drechsler, Leipzig Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-7517-4214-6

Sie finden uns im Internet unter luebbe.de Bitte beachten Sie auch: lesejury.de

Für Mary Devery aus Cheltenham In Liebe

Kapitel 1

Leider sollte dieser Frühling mit der Rose verschwinden! Und der Jugend süß duftendes Manuskript sein Ende finden!

Edward Fitzgerald

Patricia Martyn-Broyd hatte seit Jahren keinen Krimi mehr geschrieben.

Sie hatte sich mit Anfang siebzig in die Highlands von Sutherland zurückgezogen, wo sie ein gepflegtes, niedriges Bauern-Cottage im Dorf Cnothan besaß. Inzwischen lebte sie seit fünf Jahren am Rand des Ortes. Sie hatte gehofft, die raue Landschaft und die abgeschiedene Lage würden sie inspirieren, wieder zu schreiben, doch jedes Mal, wenn sie sich an ihre alte Remington-Schreibmaschine setzte, spürte sie das enorme Gewicht des Scheiterns auf ihren Schultern, und es wollten ihr keine Worte einfallen.

Seit fünfzehn Jahren waren ihre Bücher vergriffen, obwohl ihr letzter Krimi, Der Fall der steigenden Fluten um die schottische adlige Detektivin Lady Harriet Vere, 1965 erschienen, ein kleiner Erfolg gewesen war.

Für ihr Alter sah Patricia bemerkenswert aus. Sie hatte dichtes schneeweißes Haar, war von schlanker, muskulöser Gestalt und hielt sich stets sehr gerade. Sie besaß die breiten Schultern einer Bogenschützin. Ihre Nase war schmal und wie ein Schnabel gebogen, und ihre blassblauen Augen spähten unter schweren Lidern hervor. Sie war die Tochter eines Grundstücksmaklers, der seit Jahren tot war, ebenso wie ihre Mutter.

In ihrer Jugend war Patricia Schulsprecherin an ihrem Internat gewesen, das eher für die Titel seiner Schülerinnen berühmt gewesen war, denn für seine Bildungsstandards. Damals hatte sie sich in ihren Englischlehrer verliebt, wodurch sie zum Krimilesen kam. Dann, nach einer erfolglosen Zeit als Debütantin in London, hatte sie sich entschlossen zu schreiben.

Sie hatte nie vergessen, wie aufregend es gewesen war, als ihr erstes Buch veröffentlicht wurde. Ihre Handlungen waren komplex und gründlich recherchiert. Am liebsten waren ihr Plots, in denen Zugfahrpläne, Tidezeiten und Londoner Busrouten vorkamen. Ihre Protagonistin, Lady Harriet Vere, war wie Patricia selbst in einer Welt aufgewachsen, in der jeder seinen Platz in der Gesellschaft kannte und Höhergestellten mit Respekt zu begegnen wusste. Ein wenig aufgelockert wurde alles durch humorvolle Bedienstete oder finstere Butler und Gärtner sowie durch ungeschlachte Polizisten, die grundsätzlich Bauklötze über Lady Harriets Sachverstand staunten.

Doch während sich die Welt veränderte, blieb Patricia dieselbe, ebenso wie ihre Figuren. Immer weniger ihrer Bücher wurden verkauft. Sie verfügte über ein privates Einkommen aus einem Familientrust, sodass sie sich keine andere Arbeit suchen musste. Dennoch beschloss sie letztlich, dass ihr ein Umzug in den schottischen Norden zu neuen Eingebungen verhelfen würde.

Obwohl ihre Protagonistin, Lady Harriet, Schottin war, war Patricia vor ihrem Umzug nie in Schottland gewesen. Und ihr Trotz ließ sie nicht zugeben, dass sie einen furchtbaren Fehler gemacht hatte, da zu ihrem Versagen nun auch noch die Bürde der Einsamkeit hinzukam.

Vor Kurzem war sie von einem Urlaub in Athen zurückgekehrt. In Griechenland war es sonnig gewesen. Abends waren die Straßen der Hauptstadt hell erleuchtet, und es wimmelte dort von Menschen. Doch allzu schnell war es zurück nach London und von dort mit einem Flugzeug nach Inverness gegangen.

Der Flieger aus Athen war schon beim Landeanflug nach Heathrow durch eine dicke Wolkendecke gesunken. Wie dunkel und elend alles gewirkt hatte! Wie kalt und verregnet! Wie grimmig und missgelaunt die Leute waren! Dann folgten in Inverness noch mehr Regen und Dunkelheit auf der langen Fahrt nach Hause.

Die Grafschaft Sutherland ist mit ihren Lochs, den Bergen und den weiten Mooren die größte und am dünnsten besiedelte Gegend in Westeuropa. Als Patricia ihre Haustür aufschloss, heulte der Wind schaurig schrill um ihr Cottage. Flüchtig kam ihr der Gedanke an Selbstmord in den erschöpften Sinn, den sie jedoch gleich wieder verwarf. Eine Martyn-Broyd nahm sich nicht das Leben.

Patricia ging in die hiesige Church of Scotland, obgleich sie Anglikanerin war, denn zur nächsten episkopalen Kirche war es eine lange, ermüdende Fahrt. Sie hätte Freunde finden können, nur wollten die, die sie für ihresgleichen hielt, nichts von ihr wissen, und die, die sich für sie interessierten, betrachtete sie als unter ihrem Stand. Sie war nicht auffallend kalt oder versnobt, und sie war einsam, aber so war sie nun einmal erzogen worden. Sie hatte Bekannte im Dorf, Einheimische, die auf einen kurzen Plausch mit ihr stehen blieben, doch überhaupt keine engen Freunde.

Eine Woche nach ihrer Rückkehr aus Athen war sie immer noch rastlos und beschloss, sich ein Abendessen im Tommel Castle Hotel zu gönnen. Das Hotel war einst das Zuhause von Colonel Halburton-Smythe gewesen, der es zu einem erfolgreichen Hotel umgebaut hatte, als er in Finanznöte geraten war. Bis heute allerdings mutete das Hotel wie ein komfortabler Highland-Landsitz an, und Patricia fühlte sich dort heimisch.

Es ging ihr schon besser, als sie im Speisesaal Platz nahm und sich umblickte. Es war Juni, und nach einem strengen Winter und einem eisigen Frühling mit sibirischen Ostwinden, die Schneestürme und Frostbeulen herbeitrugen, kam der Wind plötzlich aus Westen und brachte einen Vorgeschmack auf besseres Wetter mit.

Der Speisesaal war recht voll, und eine laute Anglergruppe besetzte den Haupttisch in der Mitte. Es waren Leute von Patricias Stand, die indes kaum auf eine alte Jungfer in der Ecke achteten.

Dann kamen Kellnerinnen und begannen, die restlichen Tische zusammenzuschieben, um eine lange Tafel zu schaffen. Eine Busgruppe trat ein, laut und aufgedreht, und verteilte sich um diesen langen Tisch. Patricia runzelte die Stirn. Wer hätte gedacht, dass das Tommel Castle Hotel Busreisende aufnahm?

Tatsächlich besuchten der Colonel und seine Frau für einige Tage Freunde, und ihre Tochter war in London, also hatte der Manager, Mr. Johnson, beschlossen, dass eine Gruppe Touristen mittleren Alters nicht schaden konnte.

Patricia war eben mit ihrer Suppe fertig und wünschte, sie hätte den Mut, den Rest ihres Dinners zu stornieren, als ein großer, schlaksiger Mann in den Speisesaal kam, stehen blieb und sich umschaute. Er hatte feuerrotes Haar und kluge braune Augen. Sein Anzug war gut geschnitten, und er trug ein leuchtend weißes Hemd und eine Seidenkrawatte. Dazu hatte er jedoch klobige, hässliche Stiefel an.

Der Oberkellner ging auf ihn zu, und Patricia hörte, wie er missmutig sagte: »Es ist kein Tisch mehr frei, Macbeth.«

»Für Sie, Jenkins, Mr. Macbeth«, hörte sie den Rothaarigen leicht amüsiert erwidern. »Sicher wird bald etwas frei.«

Beide hatten sich weiter in den Saal bewegt, sodass sie nun neben Patricias Tisch standen.

»Nein, das dauert noch lange«, konterte der Oberkellner.

Der Mann namens Macbeth bemerkte auf einmal, dass Patricia sie beobachtete, und lächelte ihr zu.

Sie wollte selbst kaum glauben, was ihr über die Lippen kam, doch sie hörte sich allen Ernstes sagen: »Der Herr darf sich gern zu mir an den Tisch setzen, wenn er möchte.«

»Das wird nicht nötig …«, begann Jenkins, aber der Rothaarige nahm prompt ihr gegenüber Platz.

»Gehen Sie, Jenkins«, sagte er, »und starren Sie jemand anderen böse an.«

Patricia bereute ihre Einladung und wünschte, sie hätte sich ein Buch mitgenommen.

»Gestatten, Hamish Macbeth«, stellte er sich mit einem weiteren charmanten Lächeln vor. »Ich bin Polizist in Lochdubh, und Sie sind Miss Patricia Martyn-Broyd und wohnen drüben außerhalb von Cnothan.«

»Ich glaube nicht, dass wir uns schon begegnet sind«, erwiderte Patricia.

»Sind wir nicht«, antwortete Hamish. »Aber Sie wissen ja, wie es in den Highlands ist. Jeder kennt jeden. Wie ich gehört habe, waren Sie verreist.« Während er sprach, nahm er die Speisekarte, die eine Kellnerin ihm hinhielt, und überflog sie rasch. »Ich nehme die Suppe und eine Forelle«, sagte er.

»Ich bin gerade aus Griechenland zurück«, erzählte Patricia. »Kennen Sie Griechenland?«

»Außer den schottischen Highlands kenne ich insgesamt nicht viel«, antwortete Hamish bedauernd. »Ich bin ein Sesselreisender. Mich erstaunt, wie lange Sie es hier oben aushalten.«

»Warum?«, fragte Patricia.

»Es kann sehr einsam sein. Für gewöhnlich sind die einzigen Engländer, die herkommen, Trinker oder Romantiker, und ich würde sagen, auf Sie trifft beides nicht zu.«

»Wohl kaum«, bestätigte Patricia mit einem hohen, nicht amüsierten Lachen. »Ich schreibe.«

»Was?«

»Krimis.«

»Die lese ich viel«, gab Hamish zurück. »Sie müssen unter Pseudonym veröffentlichen.«

»Leider muss ich gestehen, dass meine Bücher schon seit einiger Zeit vergriffen sind.«

»Ah, ach so«, erwiderte Hamish unsicher. »Dann finden Sie hier oben sicher neue Ideen.«

»Ich glaube kaum, dass sich in Sutherland die Verbrecher gegenseitig auf die Füße treten.«

»Nein, aber es ist eine merkwürdige Landschaft, die seltsame Fantasien gebären kann.«

»Mein letzter Krimi spielte in Schottland, doch die anderen waren meist im Süden angesiedelte Dorfkrimis.«

»Wie die Kriminalromane von Agatha Christie?«

»Ein bisschen besser konstruiert, wenn ich mich selbst loben darf.« Wieder lachte Patricia eigenartig.

»Dann ist es ein Wunder, dass Ihre Bücher nicht mehr gedruckt werden«, entgegnete Hamish boshaft.

»Was nicht meine Schuld ist. Ich hatte einen unfähigen Verlag, der sie nicht anständig beworben hat, und eine noch schlechtere Agentur«, verteidigte Patricia sich, und zu ihrem Entsetzen begann sie zu weinen.

»Aber, aber«, sagte Hamish. »Grämen Sie sich nicht. Sie sind nach Ihrer Reise noch nicht richtig zur Ruhe gekommen, und es war ein bitterer Winter. Ich würde gerne eines Ihrer Bücher lesen.«

Patricia holte ein kleines, gestärktes weißes Taschentuch aus ihrer Handtasche, tupfte sich die Augen und schnäuzte sich.

»Ich glaube, dass ich zu wenig Bezug zur modernen Welt habe, um wieder einen Krimi zu schreiben«, sagte sie und fragte sich, warum sie ihr Herz einem Dorfpolizisten ausschüttete.

»Ich könnte Ihnen mit ein bisschen Informationen helfen, falls Sie möchten.«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen, doch ich glaube nicht, dass es etwas nützen würde. Ich habe versucht, einen Krimi zu schreiben, der in den Highlands spielt, aber mein Verstand scheint in England festzusitzen.«

»Vielleicht sollten Sie einige von uns besser kennenlernen«, schlug Hamish vor. »Das könnte es leichter machen.«

»Kann sein«, bejahte sie traurig.

»Allerdings, falls ich darauf hinweisen darf«, wandte Hamish vorsichtig ein. »Cnothan ist nicht das freundlichste Dorf in dieser Gegend. Ich würde sogar sagen, dass es ein trübes kleines Kaff ist.«

Sie lächelte ein wenig. »Nicht wie Lochdubh?«

»Nirgends ist es so wie in Lochdubh«, antwortete Hamish voller Inbrunst. »Vielleicht kommt alles wieder, wenn Sie mal eine Weile aufhören zu schreiben. Angeln Sie?«

»Ich habe noch meine Angelruten, aber ich habe es schon länger nicht mehr versucht.«

Irgendwo in Hamishs Kopf fingen Alarmglocken zu schrillen an und sagten ihm, dass er sich von Versagern fernhalten sollte, ganz besonders von dieser Frau, die von den Einheimischen in der Gegend als »furchtbar versnobte Schachtel« verteufelt wurde. Dennoch erwiderte er: »Ich habe morgen frei. Dann kann ich Sie mit an den Anstey nehmen, wenn Sie wollen.«

Es entsprach exakt Patricias Vorstellungen davon, was richtig und passend war. Mit einem Polizisten als Helfer an einem schottischen Fluss zu angeln war ihrer Auffassung nach gesellschaftlich absolut akzeptabel.

»Danke«, antwortete sie. »Dann brauche ich aber noch eine Angelerlaubnis.«

Hamish rückte ein wenig nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Oh, darum kümmere ich mich. Ich hole Sie morgen früh um neun ab.«

Für den Rest des Essens unterhielten sie sich nett. Hamish war freundlich. Doch ihm wurde unterdes von Minute zu Minute deutlicher bewusst, wie schrecklich starr Patricia in ihrer Haltung war.

Am Ende trennten sie sich beide mit unterschiedlichen Gedanken. Hamish bereute seine großzügige Geste, Patricia fühlte sich ziemlich aufgeheitert. Hamish Macbeth ist wirklich recht intelligent, dachte sie. Es war ein Jammer, dass er nur Dorfpolizist war. Vielleicht könnte er mit ihrer Hilfe mehr aus sich machen. Und so fuhr Patricia vergnügt nach Hause, nicht ahnend, dass sie sich einer langen Liste von Frauen zugesellte, die geglaubt hatten, sie könnten den zufriedenen, ehrgeizlosen Highland-Constable ändern.

Patricia hielt den herrlich klaren, windigen Morgen für ein gutes Omen. Doch es wurde neun und später, und sie begann, in Panik zu geraten. Wenn Hamish nicht kam, würde es heißen, dass sie zurück in die deprimierende Isolation sank, die zu ihrem Leben geworden war.

Und dann, um halb zehn, sah sie zu ihrer Erleichterung einen Land Rover der Polizei durch die Schlaglöcher vor ihrem Cottage rumpeln. Aus einem der Seitenfenster ragte eine Angelrute.

Sie ging nach draußen.

»Tut mir leid, dass ich zu spät bin«, sagte Hamish. »Haben Sie eine Wathose? Das hatte ich vergessen zu fragen.«

»Ja, obwohl ich sie länger nicht benutzt habe. Ich hoffe, sie ist noch wasserdicht«, antwortete Patricia.

»Wir nehmen lieber Ihren Wagen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich darf eigentlich niemanden in einem Polizeiwagen mitnehmen, es sei denn, ich habe die Person verhaftet.«

Bald angelten sie im Fluss Anstey. Die Bergspitzen zeichneten sich schroff vor einem strahlend blauen Himmel ab, wie es ihn seit Monaten nicht gegeben hatte. Zu ihrem Entzücken stellte Patricia fest, dass sie nichts von ihrem Können eingebüßt hatte. Sie wollte eben eine Mittagspause vorschlagen, als der unternehmungslustige Constable verkündete, er habe ein Picknick mitgebracht. Patricia hatte zwei Forellen gefangen, Hamish eine.

»Bevor wir essen, packen wir lieber alles zusammen und verstauen es in Ihrem Kofferraum«, sagte Hamish.

»Warum das denn?« Sie war enttäuscht. »Ich habe gehofft, dass wir hinterher noch ein bisschen weiterangeln.«

Hamish blickte sich am Flussufer um und zu den Berghängen auf beiden Seiten. »Ja, machen wir auch, aber erst mal verstauen wir alles.«

Sie zogen ihre Wathosen aus, nahmen die Angelruten auseinander und räumten alles in Patricias Kofferraum.

Hamish holte einen Picknickkorb hervor, aus dem er dicke Hähnchen-Sandwiches und eine Thermoskanne mit Kaffee servierte.

Sie hockten auf einem flachen Felsen am Fluss, als eine raue Stimme hinter ihnen sagte: »Sie haben hoffentlich nicht in diesem Fluss geangelt, Macbeth.«

»Ah, Sie sind es, Willie«, antwortete Hamish, ohne sich umzudrehen. »Nein, nein, Miss Martyn-Broyd und ich veranstalten bloß ein Picknick.«

Patricia wandte sich mit vollem Mund um.

»Willie MacPhee, der Fischereiaufseher«, erklärte Hamish mit einem warnenden Blick.

Willie war ein korpulenter Mann mit buschigen, durchgehenden Augenbrauen und einem geröteten, wettergegerbten Gesicht. Er hatte eine breite Kinnpartie, doch nach oben hin lief sein Kopf spitzer zu, sodass er merkwürdig kegelförmig aussah.

Er stapfte zu Patricias Wagen und sah durch die Fenster ins Innere. Patricias Herz raste. Auf einmal begriff sie, warum Hamish alle Angelsachen in den Kofferraum hatte räumen wollen. Er hatte keine Angelerlaubnis!

Willie kam zurück und stand halb über sie gebeugt. »Sie wissen hoffentlich, meine Dame«, sagte er zu Patricia, »dass Sie nicht ohne Genehmigung im Anstey angeln dürfen.«

Der Tochter des Grundstücksmaklers wurde mulmig. Sie fragte sich, warum sie bisher nicht überlegt hatte, wie sich ein Highland-Polizist die gewiss sehr teure Angelerlaubnis leisten konnte. Vor allem aber gefiel ihr nicht, wenn man von oben herab mit ihr sprach.

Miss Patricia Martyn-Broyd richtete sich auf. »Guter Mann, bezichtigen Sie mich der Wilderei?«, gab sie frostig zurück.

Willie zog auf seltsame Weise den Kopf ein, wie ein Hund vor einem stärkeren Gegner. »Ich meine ja nur«, antwortete er kleinlaut. »Macbeth hat nämlich keinen Respekt vor dem Gesetz.«

Mit diesen Worten trottete er von dannen.

Patricia wartete, bis sie sicher war, dass er sie nicht mehr hören konnte, dann drehte sie sich entrüstet zu Hamish um. »Wie konnten Sie? Ein Polizist!«

»Tja, ich bin auch Highlander, und hier oben gilt es nicht als Straftat, einen Fisch aus dem Fluss zu nehmen.«

»Wenn es keine Straftat ist, warum gibt es dann Jagdgesetze und Fischereiaufseher?«

»Die«, erklärte Hamish ohne jede Reue, »verleihen dem Sport nur ein wenig zusätzliche Würze. Wir genießen jetzt unser Essen und angeln danach noch ein bisschen.«

»Sind Sie von Sinnen? Ich will ganz sicher nicht vor einem schottischen Sheriff landen.«

»Er kommt nicht wieder«, entgegnete Hamish munter. »Willie ist faul. Der sucht sich bloß leichte Ziele aus.«

Patricia wollte streng verlangen, auf der Stelle nach Hause zu fahren, doch in ihrem Kopf tauchte ein Bild von ihrem windgepeitschten Cottage auf. Und nachdem sie endlich aus ihrer langen Isolation entkommen war, wollte sie nicht gleich wieder zurück.

Sie lächelte matt. »Sie sind ein furchtbarer Mann. Sie müssen in den Dreißigern sein, und Sie sind immer noch ein einfacher Polizist. Liegt es daran, dass Sie keine Achtung vor dem Gesetz haben?«

»Abgesehen vom Angeln habe ich großen Respekt vor dem Gesetz«, erwiderte Hamish. »Aber ich mag Lochdubh, und ich hasse Strathbane, wo ich hinmüsste, würde ich befördert werden.«

»Jeder will doch vorankommen.«

»Und nicht jeder ist glücklich. Sie haben die Ausnahme von der Regel vor sich.«

Sie angelten den ganzen Nachmittag im warmen Sonnenschein, ohne noch mehr zu fangen, doch Patricia unterhielt sich prächtig. Am Ende lud sie Hamish ein, mit ihr zu Abend zu essen, aber er sagte, er müsste noch Berichte schreiben. Sie wollte ihn fragen, ob sie ihn wiedersehen könnte, wurde jedoch so schüchtern wie ein Teenager. Sie fürchtete sich zu sehr vor einer Zurückweisung.

Hamish besaß die fast telepathische Fähigkeit des Highlanders und wusste, was ihr durch den Kopf ging. Sie ist keine schlechte Gesellschaft gewesen, dachte er. Vielleicht würde sie jetzt ein bisschen häufiger vor die Tür gehen. Halt dich raus, schrie es in ihm. Sie ist in Ordnung, aber ein bisschen streng und eingebildet, und wenn sie einsam ist, ist das ganz allein ihre Schuld. Trotzdem ertappte er sich dabei, wie er aus ihrem Wagen stieg und sagte: »Vielleicht kann ich Ihnen mit ein paar Krimiideen helfen. Wir könnten morgen Abend einen Happen zusammen essen.«

Ihr Gesicht glühte. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, doch ich möchte Sie einladen. Wo wollen Sie hingehen?«

»Ins Napoli, das italienische Restaurant in Lochdubh.«

»Gut«, antwortete Patricia glücklich. »Dann bis morgen Abend um acht.«

Sie drehte sich um und ging ins Haus. Dort hob sie die Post von der Fußmatte. Der Postbote musste hier gewesen sein, nachdem sie weggefahren war. Sie trug die Briefe ins Wohnzimmer und legte sie dort auf den Tisch. Es kam nie etwas Interessantes mit der Post. Gewöhnlich waren es nur Kontoauszüge und Werbung.

Patricia summte vor sich hin, während sie sich einen Tee aufbrühte. Sie nahm ihn mit in ihr kleines Wohnzimmer, das gleichzeitig als Esszimmer fungierte, und setzte sich an den Tisch.

Ihr fiel ein Umschlag mit dem Absender Strathclyde Television auf. Langsam öffnete sie ihn.

Sehr geehrte Ms. Martyn-Broyd, las sie.

Wir haben mit großem Genuss einige Ihrer Kriminalgeschichten gelesen und sind interessiert, eine Reihe davon als Fernsehserie zu verfilmen, angefangen vielleicht mit Der Fall der steigenden Fluten. Gern verhandeln wir alles mit Ihrer Agentur, wenn Sie uns den Namen, die Adresse und die Telefonnummer geben könnten. Rufen Sie mich bitte an, damit wir einen Termin vereinbaren und das Projekt besprechen können.

Mit freundlichen Grüßen

Harry Frame, Executive Producer, Strathclyde Television

Patricia las den Brief mehrmals, ehe sie ihn schließlich mit zitternder Hand ablegte. Nach all den Jahren erfuhr sie endlich Anerkennung!

Patricia hatte eine unruhige Nacht verbracht und war hellwach, als der Morgen graute. Dann musste sie warten, bis die übliche Büroöffnungszeit gekommen war und sie anrufen konnte.

Sie musste sich sogar bis zehn Uhr gedulden, ehe sie Harry Frame erreichte.

»Freut mich sehr«, sagte er munter. »Darf ich Sie Patricia nennen?«

»Ich bitte darum … Harry.« Sie hatte das Gefühl, eben einen aufregenden Sprung in eine spannende, moderne Welt vollführt zu haben.

»Hätten Sie etwas dagegen, dass wir Ihre Bücher verfilmen?«

»Aber nein, ich bin sehr geschmeichelt«, flötete Patricia. »Wer wird Lady Harriet spielen?«

»So weit sind wir noch lange nicht. Vielleicht könnten Sie uns in Glasgow besuchen, dann besprechen wir den Vertrag. Oder möchten Sie, dass ich Ihre Agentur kontaktiere?«

Plötzlich empfand Patricia puren Hass auf ihren ehemaligen Agenten, der nichts getan hatte, damit ihre Bücher weiter gedruckt wurden.

»Nein«, antwortete sie entschieden. »Ich verhandle direkt mit Ihnen.«

Und so vereinbarte sie einen Termin. Es war Mittwoch, und am Freitag würde Patricia den ersten Zug von Inverness nach Perth und von dort einen zweiten Zug nach Glasgow nehmen, wo ein Taxi auf sie warten und sie zu Strathclyde Television bringen würde.

Als sie den Hörer auflegte, war ihr Gesicht gerötet, und ihr Herz klopfte sehr schnell.

Nachdem sie sich bei einer Tasse Kaffee wieder beruhigt hatte, wählte sie die Nummer ihres alten Verlags und bat, ihren Lektor zu sprechen, Brian Jones, doch man teilte ihr mit, dass Mr. Jones gestorben sei. Sie nannte den Grund ihres Anrufs und wurde zu einer Lektorin durchgestellt, Jessica Durnham.

Patricia erzählte ihr von der Fernsehserie und war enttäuscht, als man ihr nicht direkt Tausende für die Neuauflage ihrer Bücher anbot. Stattdessen erklärte die Lektorin zögerlich, sie würde es in der Konferenz besprechen und sich wieder melden – oder sollte sie vielleicht Ms. Martyn-Broyds Agentur anrufen?

»Nein, Sie verhandeln mit mir«, antwortete Patricia streng.

Den Rest des Tages verbrachte sie in rosigen Träumen, und erst am späten Nachmittag fiel ihr wieder die Verabredung mit dem Dorfpolizisten ein.

Sie runzelte die Stirn. Sie hätte sich nicht mit einem Polizisten einlassen dürfen. Gütiger Himmel! Was, wenn dieser Fischereiaufseher sie erwischt hätte und sie vor Gericht gelandet wäre? Eine Berühmtheit wie Patricia Martyn-Broyd musste auf ihren Ruf achten. Sie wählte die Nummer der Wache und sprach eine kurze Nachricht auf den Anrufbeantworter.

Hamish hatte seine Eltern in Rogart besucht und war nach seiner Rückkehr gleich zum Restaurant gegangen, sodass er die Nachricht erst abhörte, nachdem er allein dort gegessen hatte.

Die Stimme auf dem Band war unverschämt schroff. Er zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich würde er Patricia nicht wiedersehen, und das war kein großer Verlust.

Eine halbe Stunde bevor Patricia bei Strathclyde Television eintreffen sollte, leitete Harry Frame eine Besprechung. Mehrere Leute saßen an dem Tisch, und jeder von ihnen hatte eine Kopie von Der Fall der steigenden Fluten bei sich. Sie hatten nur eine Ausgabe ergattern können und sie für alle kopiert.

»Da soll ich die Produktion leiten?«, fragte Fiona King, eine hagere Kettenraucherin, deren Aussehen dem neuesten Trend in der streng feministischen Mode entsprach: sehr kurzes Haar, ein knapper Pulli, der ein wenig ihres gelblich weißen Bauchs freigab, Jeans und klobige Kampfstiefel. »Das wird eine spannende Herausforderung.« Insgeheim fand sie, dass es der langweiligste Quark war, den sie jemals hatte lesen müssen. Aber sogar aus dem ließe sich sicher etwas machen.

»Die Sache ist die«, antwortete Harry müde. »Sie wird seit ewigen Zeiten nicht mehr gedruckt, also wird sie nicht viel kosten. Wir lassen es in den Sechzigern spielen, mit Schlaghosen, weißen Stiefeln und Miniröcken.«

»Wird das eine Sonntagabendserie für die Familie?«, fragte Fiona, die sich noch eine Zigarette ansteckte, obwohl über ihrem Kopf ein Schild mit der Aufschrift Rauchen verboten prangte. »Dieser Schund, den die kakaoschlürfenden Idioten aus Mittelengland mögen?«

»Ja«, sagte Harry. »Aber wir setzen auch auf Schock. Jede Menge Sex.«

»Wie das? Diese Kuh, Lady Harriet, trennt sich im Buch kein einziges Mal von ihren Harris-Tweed-Höschen.«

»Die wird sie ausziehen. Wir lassen sie ein bisschen auf der Heide vögeln.«

»Welche Schauplätze willst du?«, fragte ein Rechercheur aus dem Team.

»Da gibt es jede Menge Orte in den Highlands.«

»Und wer soll Lady Harriet spielen?«

»Penelope Gates.«

»Oh, wow«, murmelte Fiona. »Die prollige Kleine aus Glasgow?«

»Sie hat große Titten und ist bereit, im Fernsehen die Beine breit zu machen.«

»Und auch sonst«, bemerkte Fiona finster. »Was wird diese alte Schachtel Martyn-Broyd dazu sagen?«

»Wir brauchen bloß ihre Unterschrift. Danach muss sie sich eben mit dem abfinden, was wir drehen. Es wird ihr sogar Spaß machen. Heutzutage will jeder was mit dem Fernsehen zu tun haben. Habt ihr diese kitschigen Fernsehshows aus den Staaten gesehen? Die Leute lassen sich vor der Kamera scheiden, wenn es ihnen ein paar Minuten Ruhm bringt. Mir gefällt übrigens dein Ton nicht, Fiona. Willst du es nicht machen?«

»Ich empfinde es als Privileg, von dir dafür ausgesucht worden zu sein, Harry«, antwortete sie rasch.

Eine Sekretärin sah herein und verkündete: »Miss Martyn-Broyd ist da.«

Patricia betrat den Raum. Sie sah aufgebracht aus, denn es hatte kein Taxi am Bahnhof auf sie gewartet. Fernsehproduktionen waren berüchtigt dafür, Leute nicht wie vereinbart an Flughäfen oder Bahnhöfen abzuholen, doch das wusste Patricia nicht. Sie nahm es als persönlichen Affront.

Überdies hatte sie etwas Schillernderes als diesen Betonklotz unter einer Stadtautobahn erwartet, der hauptsächlich mit fleckigen Teppichen und Plastikpflanzen eingerichtet war.

Am Empfang hatte man ihr ein Plastiknamensschild gegeben, das sie an ihr Tweedkostüm stecken sollte, doch sie hatte es auf dem Weg nach oben wütend in ihrer Handtasche verschwinden lassen. Es erinnerte sie zu sehr an eine entsetzliche amerikanische Party, auf der sie vor Jahren gewesen war und wo sie sich ein Schild ans Kleid hatte heften müssen, auf dem Hi! Ich bin Patricia gestanden hatte. Noch heute schüttelte es sie, wenn sie daran dachte.

Sheila Burford, eine Recherche-Assistentin, blickte neugierig zu Patricia auf. Ein Mittelaltergesicht, dachte sie beim Anblick der blassen Augen unter den schweren Lidern, des hellen Teints und der Hakennase.

Harry Frame begrüßte Patricia mit einem Wangenkuss und einer Umarmung, die ihr sichtlich unangenehm waren.

Patricia war so enttäuscht von Harry Frame wie von dem Gebäude. Er war ein dicker Mann mit einer braunen Mähne und einem aufgedunsenen Gesicht. Sein kariertes Arbeiterhemd war beinahe bis zum Nabel aufgeknöpft, sodass eine Menge Brusthaar hervorquoll.

»Setzen Sie sich doch, Patricia! Tee? Kaffee? Einen Drink?«

»Nein, danke«, antwortete sie. »Ich würde gern gleich zum Geschäftlichen kommen.«

»Ah, eine Geschäftsfrau! Gefällt mir!«, sagte Harry und stellte sie vor, wobei er endete mit: »Und das ist Fiona King, die unsere Produktionsleiterin sein wird.«

Patricia ließ sich ihren Verdruss nicht anmerken. »Ich kenne Ihre Firma nicht, Mr. Frame. Was haben Sie bisher an Erfolgen gehabt?«

»Die habe ich Ihnen aufgeschrieben«, antwortete Harry und reichte ihr eine Liste.

Patricia las die Aufstellung verwundert durch. Es schienen vor allem Dokumentarfilme zu sein, mit Titeln wie Wohin, Schottland?; Sind Engländer Schweine?; Gründe für eine Selbstverwaltung; Die Highland Clearances und Folksongs von den Gorbals. Von keiner der Produktionen hatte sie je gehört, geschweige denn sie gesehen.

»Die Liste enthält gar keine Krimis«, bemerkte Patricia.

Harry ignorierte es. »Mit der Verfilmung werden Ihre Bücher wieder gedruckt werden«, sagte er. »Wir schlagen eine Publicity-Fusion mit Pheasant Books vor. Geplant ist, dass wir mit Der Fall der steigenden Fluten anfangen.«

Patricia starrte ihn beunruhigend stumm an. Doch auf einmal lächelte sie. Strathclyde Television mit dem schäbigen Gebäude und den Leuten, die eindeutig keine feinen Damen und Herren waren, bekam auf einmal einen goldenen Glanz. Die restliche Besprechung rauschte an Patricia mehr oder weniger vorbei. Sie erklärte sich allerdings bereit, einen Vorvertrag über tausend Pfund zu unterzeichnen und einer Vereinbarung zuzustimmen, die besagte, dass sie noch einmal zweitausend Pfund pro Folge bekäme, sollte sich die Serie an die BBC oder ITV verkaufen.

Geld war Patricia nicht wichtig, denn sie stand sich gut. Doch der Gedanke, dass ihre kostbaren Bücher wieder gedruckt würden, machte sie weitestgehend unempfänglich für andere Bedenken.

Nachdem das Geschäftliche geregelt war, sagten Fiona und Harry, sie würden Patricia zum Mittagessen ausführen. Auf dem Weg zur Tür blickte Harry zum Tisch, wo Sheila Burford sich Notizen machte. Sheila hatte kurzes blondes Haar, große blaue Augen und eine fantastische Figur, die ihre dunkle Bomberjacke und die schwarze Jeans nicht ganz verbergen konnten. »Komm du lieber auch mit, Sheila«, sagte Harry.

Sie gingen in ein Restaurant gegenüber dem Gebäude. Es hieß Tatty Tommy’s Tartan Howf. Der Geruch nach altem Frittierfett war beherrschend. Tatty Tommy persönlich bediente sie, ein hochgewachsener Mann mit kahl rasiertem Kopf, einem Ohrring und blauem Lidschatten.

Patricia war enttäuscht. Sie hatte gedacht, eine Fernsehfirma würde sie in ein Glasgower Pendant zum Ritz ausführen. Wenig entzückt bestellte sie »Tatty Tommy’s Tumshies, Tatties and Haggis«, weil sie dachte, dass ein volkstümliches Gericht aus Haggis, Kartoffeln und Rüben sicherer wäre als die exotischeren Speisen auf der Karte. Leider war der Haggis knochentrocken, die Rüben waren wässrig, und die Kartoffeln hatten jene chemische Note von fertig geschälten aus der Packung.

»In meinem Buch«, sagte Patricia, »ist der Schauplatz ein fiktives Dorf namens Duncraggie.«

»Oh, wir lassen es in den Highlands spielen«, erklärte Fiona lächelnd. »Hübsche Landschaften und jede Menge gute schottische Darsteller.«

»Aber die Figuren sind Engländer! Es ist eine Hausparty in den Highlands. Lady Harriet ist Schottin, ja, doch sie ist in England zur Schule gegangen.«

Harry winkte übertrieben ab. »Engländer, Schotten, wir sind doch alle Briten.«

Sheila unterdrückte ein Grinsen. Harry war ein vehementer Befürworter der Unabhängigkeit Schottlands.

»Ja, ich schätze«, begann Patricia wieder, aber Harry legte ihr einen Arm um die Schultern.

»Jetzt zerbrechen Sie sich bitte nicht den Kopf über Fernsehsachen. Denken Sie daran, wie sagenhaft es wird, Ihre Bücher wieder in den Läden zu sehen.«

Er hatte clever geraten, dass Patricia alles abnicken würde, solange ihre Kriminalromane wieder veröffentlicht wurden.

»Wer soll die Lady Harriet spielen, die Protagonistin?«, fragte Patricia. »Wie wäre es mit Diana Rigg?«

»Die ist inzwischen ein bisschen alt«, antwortete Fiona. »Wir haben an Penelope Gates gedacht.«

»Von der habe ich noch nie gehört.« Patricia schob ihren Teller von sich, der noch beinahe voll war.

»Oh, sie ist gerade groß im Kommen«, versicherte Fiona.

Und billig, dachte Sheila zynisch.

»Habe ich sie schon in einem Film gesehen?«

Fiona und Harry wechselten kurz einen Blick.

»Schauen Sie viel fern?«, fragte Fiona.

»So gut wie gar nicht.«

»Oh, würden Sie, hätten Sie sie schon oft gesehen«, versicherte Fiona.

Und meistens nackt, dachte Sheila. Sie mochte Patricia nicht sonderlich, doch allmählich bekam sie Mitleid mit der alten Dame. Sheila hatte Harry gefragt, warum er sich ausgerechnet die vergriffenen Bücher irgendeiner alten Schachtel aussuchte, wenn sie so oder so wenig auf Charaktere oder Handlung achten wollten. Er hatte erklärt, dass diese Seriosität mit Sex gemischt ein Gewinner wäre. Außerdem spielte das Buch, das sie verfilmen wollten, in den Sechzigern, und er wollte jede Menge Schlaghosen, breite Revers, Mary-Quant-Kleider und Espresso-Bars haben, obwohl die Mode der Sechziger offensichtlich an der Autorin vorbeigegangen war.

Patricia bekam Kopfschmerzen. Sie wollte aus diesem schlechten, stinkenden Restaurant und vor diesen merkwürdigen Leuten fliehen. Alles wäre viel besser, wenn sie erst zu Hause war und allein die Freude genießen konnte, wieder gedruckt zu werden.

Sie stellten ihr die üblichen höflichen Fragen, die alle Schriftsteller hörten: Wie kommen Sie auf Ihre Plots? Arbeiten Sie nach einem festen Zeitplan? Patricia antwortete. Dabei versuchte sie, sich zu erinnern, wie es wirklich gewesen war, sich jeden Morgen an die Arbeit zu setzen.

Schließlich war das Essen vorbei. Patricia sah in ihren Fahrplan und sagte, in einer halben Stunde ginge ein Zug.

»Sheila winkt ein Taxi heran und bringt Sie zum Bahnhof«, erwiderte Harry.

Patricia schüttelte allen die Hand. Sheila musste nach draußen laufen und ein Taxi organisieren, während Patricia sich verabschiedete. 

»Es muss Ihnen alles ein bisschen verwirrend vorkommen«, sagte Sheila auf der Fahrt zum Bahnhof.

»Ja, ziemlich«, bestätigte Patricia in überheblichem Ton und lehnte sich zurück. Da die Freiheit nahte, fühlte sie sich nun sehr wichtig. »Wann höre ich wieder von Ihnen?«

»Das dauert noch«, antwortete Sheila. »Zuerst müssen wir einen Drehbuchautor finden, dann die Drehorte und die Schauspieler auswählen, und danach verkaufen wir die Serie entweder an die BBC oder an ITV.«

»Die BBC wäre wunderbar«, erwiderte Patricia. »Den anderen Kanal mag ich nicht. All diese schrecklichen Werbefilme sind so vulgär.«

»Auf jeden Fall werden wir noch einige Monate mit dem Vorlauf beschäftigt sein.«

»Haben Sie Der Fall der steigenden Fluten gelesen?«, fragte Patricia.