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Das Handlexikon der Behindertenpädagogik in Schlüsselbegriffen steht als Nachschlagewerk zwischen kürzer gefasstem lexikalischem Wörterbuch und einem mehrbändigen Handbuch. Es soll in erster Linie eine handliche Informationsquelle für das Studium und die Berufspraxis im Sinne einer Einführung in die wissenschaftlichen Aufgabengebiete und Handlungsfelder entlang ausgewählter zentraler Begriffe sein. Bei der Auswahl dieser Begriffe stand zunächst die erziehungswissenschaftliche Einbindung der behindertenpädagogischen Grundbegriffe im Mittelpunkt, um die Behindertenpädagogik damit als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft auszuweisen. Die Gliederung der Schwerpunkte der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung folgt dann dem Duktus der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur sonderpädagogischen Förderung, wonach diese Schwerpunkte nicht Personenkreise nach Arten von Behinderungen unterteilen, sondern Bereiche von Beeinträchtigungen der Erziehung und Bildung und damit spezifische Ansatzpunkte pädagogischer Förderung darstellen. Die Handlungsfelder wiederum folgen einer Perspektive auf den Lebenslauf als Ganzes und auf unterschiedliche Lebensbereiche vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Relevanz. Der Anspruch des Bandes, so etwas wie eine Quintessenz behindertenpädagogische Theoriebildung zu praktischen Zwecken zusammenzufassen, war nur über vielfältige und multidisziplinäre Zugangswege zu erreichen. Die Mitarbeit von 80 Autorinnen und Autoren sichert Heterogenität der wissenschaftlichen Denkweisen; widersprechende Gesichtspunkte in den Artikeln sind eine Bereicherung des Diskurses.
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Seitenzahl: 998
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3., erweiterte und völlig überarbeitete Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-029932-0
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pdf: ISBN 978-3-17-029933-7
epub: ISBN 978-3-17-029934-4
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Die dritte Auflage des Handlexikons der Behindertenpädagogik erscheint 14 Jahre nach der Erstveröffentlichung im Jahre 2001. Der Zeitraum und die wiederholte Auflage liefern einen Beleg dafür, dass nach wie vor Bedarf nach einem Werk besteht, das lehrbuchartig gefasste Informationen mit dem lexikalischen Anspruch eines Wörterbuchs verbindet. Und doch liegt eine deutliche Zäsur zwischen der Erstfertigung und dem nunmehr aktualisierten Text des Handbuchs. Etwa die Hälfte der in der ersten Konzeption vorliegenden Schlüsselwörter wurde durch neue Artikel ersetzt. Die übernommenen Stichwörter konnten dank der Mithilfe der seinerzeitigen Autorinnen und Autoren durch Veränderungen und Hinzufügungen mit neuzeitlichen Ergebnissen verknüpft werden. Etliche neue Schlüsselbegriffe kamen hinzu; andere wurden fortgelassen. Ein deutliches Merkzeichen ist die Erweiterung der Herausgeberschaft. Iris Beck und Markus Dederich haben die Aufgabe übernommen, das von Georg Antor und Ulrich Bleidick begründete Handlexikon auf einen zeitgemäßen Diskussionsstand zu bringen. Wir suchen auf diese Weise, Generationen übergreifend, eine Brücke zwischen erhaltenswerter Tradition und sichtbarer Fortentwicklung zu schlagen. Die Zusammenarbeit im Team erwies sich als fruchtbar. Markus Dederich hat mit der Geschäftsführung der Manuskriptsammlung den größten Anteil der Arbeiten übernommen. Den Beiträgerinnen und Beiträgern des Handlexikons danken wir herzlich für ihre Mitarbeit, Herrn Dr. Klaus-Peter Burkarth vom Verlag Kohlhammer für wertvolle Unterstützung.
Hamburg und Köln im Januar 2016
Markus Dederich, Iris Beck, Ulrich Bleidick, Georg Antor
Vorwort zur dritten Auflage
Einleitung
Teil I Theoretische Grundlagen
1 Grundlagen der Pädagogik
Beurteilung
Bildung
Bildungswesen
Didaktik
Differenzierung
Erziehung
Hilfe, Helfen, Selbsthilfe
Historiographie
Lebenslauf und pädagogische Begleitung
Lehrer, Lehrerin
Lehrerbildung
Lehrplan, Bildungsplan
Lehr- und Lernplanung
Lernen
Pädagogik, Erziehungswissenschaft
Professionalisierung
Sozialisation
Soziokulturelle Bedingungen kindlicher Entwicklung
Vielfalt, Differenz, Heterogenität
2 Grundlagen der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung
Barriere, Barrierefreiheit
Behindertenpädagogik
Behinderung
Benachteiligung
Empowerment
Fördern, Förderung, Förderbedarf
Geschichte der Behindertenpädagogik (Heilpädagogik)
Heilpädagogik
Inklusion
a) Inklusion historisch: Integration und Inklusion
b) Inklusion soziologisch: Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe
c) Inklusion pädagogisch: Handlungsanforderung in Erziehung und Bildung
d) Inklusion didaktisch: Entwurf einer inklusiven Unterrichtstheorie
Konstitutionsmodelle und Theorien der Behindertenpädagogik
Normalisierung, Lebensqualität
Prävention
Rehabilitation
Rehabilitationspädagogik
Selbstbestimmung
Sonderpädagogik
Sonderschule
Vergleichende Behindertenpädagogik
Teil II Differenzielle Gebiete der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung
3 Schwerpunkte der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung
Bildung bei Beeinträchtigungen der Sprache
Bildung bei Beeinträchtigungen des Hörens
Bildung bei Beeinträchtigungen des Lernens
Bildung bei Beeinträchtigungen des Sehens
Bildung bei Beeinträchtigungen durch Taubblindheit
Bildung bei Beeinträchtigungen durch Krankheit
Bildung bei körperlichen und motorischen Beeinträchtigungen
Bildung bei kognitiven Beeinträchtigungen
Bildung bei komplexen Beeinträchtigungen
Bildung bei sozial-emotionalen Beeinträchtigungen
4 Handlungsfelder der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung
Ästhetische Bildung
Arbeit, Beruf
Außerschulische Kinder- und Jugendbildung
Basale Förderung
Berufliche Bildung
Berufsvorbereitung
Bewegung, Bewegungsförderung
Elternarbeit
Erziehungshilfen
Erwachsenenbildung
Freizeit
Frühe Bildung
Pädagogik im Strafvollzug
Pädagogische Beratung
Pflege
Schulabsentismus
Schule, Schultheorie, Schulversuche
Sexualität
Spiel
Sport, Behinderung
Studium
Teilhabeplanung
Übergang in Ausbildung und Beruf
Unterstützte Kommunikation
Wahrnehmung, Wahrnehmungsförderung
Wohnen
Teil III Interdisziplinäre Aspekte
5 Philosophie
Anthropologie
Ethik
Eugenik
Euthanasie
Leid, Leiden
Person
Technik
Wissenschaft, Wissenschaftstheorie
6 Psychologie
Aggressivität
Anlage, Umwelt
Aufmerksamkeit
Autismus
Diagnostik in pädagogischen Kontexten
Entwicklung
Gedächtnis
Hochbegabung
Intelligenz
Krisenintervention
Kunsttherapie
Musiktherapie
Psychotherapie
Resilienz, Coping
Teilleistungsstörungen
7 Soziologie
Abweichendes Verhalten
Armut
Delinquenz und Kriminalität junger Menschen
Deprivation
Disability Studies
Drogenprävention
Gemeinde, Sozialer Raum
Geschlecht, Gender
Gesellschaft
Identität
Interkulturalität
Intersektionalität
Kooperation
Lebenswelt
Medien, Öffentlichkeit
Migration
Partizipation
Randständigkeit
Rolle, Rollentheorie
Soziale Netzwerke, soziale Unterstützung
Stigma, Stigmatisierung
Vorurteile
8 Politik
Bildungspolitik
Europäische und internationale Behindertenpolitik
Interessensvertretung
Sozialpolitik
9 Recht
Behindertenrechtskonvention
Diskriminierungsverbote und Gleichstellungsgesetze
Kinder- und Jugendrecht
Menschenrechte, Menschenwürde
Schulrecht
Teilhaberecht (SGB IX)
10 Medizin
Gesundheit, Krankheit
Klassifikation der Krankheitsfolgen ICF
Pränatale Diagnostik
Sozialepidemiologie
Sozialmedizin
Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Das Handlexikon der Behindertenpädagogik in Schlüsselbegriffen steht als Nachschlagewerk zwischen kürzer gefasstem lexikalischem Wörterbuch und einem mehrbändigen Handbuch. Es soll in erster Linie eine handliche Informationsquelle für das Studium und die Berufspraxis im Sinne einer Einführung in die wissenschaftlichen Aufgabengebiete und Handlungsfelder im Sinne ausgewählter zentraler Begriffe sein.
Für die Auswahl dieser Begriffe sind zwei Begründungslinien wesentlich: das Verständnis der Fachkonstitution einer Pädagogik bei Behinderung und Beeinträchtigung zum einen und die Auswahl und Funktion von »Schlüsselbegriffen« zum anderen. Von der ersten Auflage dieses Handlexikons an waren die Herausgeber bemüht, die erziehungswissenschaftliche Einbindung der behindertenpädagogischen Grundbegriffe zu erreichen und die Behindertenpädagogik damit als Teildisziplin der Erziehungswissenschaft auszuweisen. Ein solches Verständnis legitimiert sich mit Blick auf die Systematik der Erziehungswissenschaft und die Grundbegriffe der Erziehung, Unterrichtung und Bildung. Aber auch wenn bereits 1861 Georgens und Deinhardt im ersten wissenschaftlichen Lehrbuch, das den Titel Heilpädagogik trug, schrieben: »Die Heilpädagogik im Ganzen ist ein Zweig der allgemeinen Pädagogik«, ist der Bezug, den die Behindertenpädagogik auf die Allgemeine Erziehungswissenschaft nimmt, nicht ein für alle Mal festzulegen, sondern kontingent: er ist immer auch in anderer Weise möglich. So gibt es in beiden Feldern unterschiedliche Begründungsansätze, die sich auch in den unterschiedlichen Namensgebungen widerspiegeln. Auch besteht das »Allgemeine« der Erziehungswissenschaft nicht darin, alles Besondere zu verbinden oder zu beinhalten. Vielmehr geht es um die Herausarbeitung bestimmter Grundfragen und Grundprobleme, die es immer wieder neu und damit nie abschließend zu begründen gilt, wie die Frage nach der Sozialisation, nach Lernen, Erziehung, nach Unterricht und Bildung.
Die im ersten Teil des Handlexikons unter der Überschrift »Grundlagen der Pädagogik« versammelten Begriffe sind gleichsam als Standortbestimmung allgemeinpädagogischer Grundfragen zu verstehen, die gleichzeitig daraufhin hinterfragt werden, welche Relevanz das Besondere – die Erschwerung und Beeinträchtigung der Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung, von Bildung und Erziehung – für die Theorie und Praxis der Pädagogik an sich hat. Das Ganze hat bekanntermaßen seine Bewegung an den Teilen und die Teile am Ganzen; dies gilt nicht nur, aber doch besonders in Zeiten der Forderung nach wirksamer und gleichberechtigter Inklusion. Das Besondere soll und kann durch diese Bezugnahme in seinem Allgemeinheitsgrad deutlich werden, so dass Verbindungen offengelegt werden, ohne relevante Differenzen zu übergehen oder zu nivellieren. Diese Bestimmung des Verhältnisses von Allgemeinem und Besonderen gilt dann auch für die Binnensystematik der Behindertenpädagogik: sie wird ebenfalls von allgemeinen Grundlagen im Sinne verbindender und verbindlich zu begründender Fragen eingeleitet, wie denen nach den Systemen der Fachkonstitution, wie sie sich in den unterschiedlichen Termini der Fachbezeichnung (Heil-, Sonder-, Rehabilitations-, Behinderten-, Förder-, Inklusionspädagogik) niederschlagen, nach den Leitzielen und dem Verständnis von Behinderung und Benachteiligung.
Mit einer solchen, vom Allgemeinen und Verbindenden in doppelter Hinsicht ausgehenden Bearbeitung wird eine Entlastung der differentiellen Gebiete und Handlungsfelder im Teil II angestrebt, die dann der Spezifität zu Gute kommen soll. Die Gliederung der Schwerpunkte der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung folgt dabei dem Duktus der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur sonderpädagogischen Förderung, wonach diese Schwerpunkte nicht Personenkreise nach Arten von Behinderungen unterteilen, sondern Bereiche von Beeinträchtigungen der Erziehung und Bildung und damit spezifische Ansatzpunkte pädagogischer Förderung darstellen. Die Handlungsfelder wiederum folgen einer Perspektive auf den Lebenslauf als Ganzes und auf unterschiedliche Lebensbereiche vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Relevanz. Mit der Wahl des Titels »Behindertenpädagogik« schließlich verbindet sich keine inhaltliche Präferenz gegenüber den anderen Fachbezeichnungen, die bei den verschiedenen Stichwörtern auch synonym verwendet werden. Die Option für »Behindertenpädagogik« gründet sich vielmehr in der, auch sozialrechtlich verankerten, Bedeutung von Behinderung als erschwerte Teilhabe. Diese hebt auf besondere Lebenslagen ab, auf die Beeinträchtigung von Aktivitäten und der Partizipation und zeigt somit die Maßgabe und Rechtfertigung spezieller Hilfen und Nachteilsausgleiche an. Im pädagogischen Verständnis geht es dann spezifischer gewendet um Beeinträchtigungen und Benachteiligungen mit Blick auf Bildungs- und Erziehungsprozesse.
Der Terminus »Schlüsselbegriff« soll näher erklärt werden. Schlüsselbegriffe stellen repräsentative, leitende Begriffe des Faches dar, sie bestimmen seinen Gegenstand und werden tragend für Forschung und Lehre. In den Sozialwissenschaften, insbesondere in der Psychologie und Soziologie, ist der Begriff geläufig, in der Behindertenpädagogik wirft der Begriff Fragen danach auf, inwieweit es sich hier tatsächlich um »einheimische«, also genuin behindertenpädagogische Begriffe handelt. Diese Frage betrifft den Gegenstandsbereich: in der Psychologie und Soziologie stellen die Grundbegriffe des Psychischen und des Sozialen eigene, relativ abgrenzbare Wirklichkeitsdimensionen dar, die leitend für die Forschung und damit für den Aufbau des Gegenstandsbereiches sind. Daraus resultieren dann auch eine ganze Reihe von angestammten und disziplinär begründeten weiteren Grund- und Hauptbegriffen. Der Wirklichkeitsdimension des »Pädagogischen« lässt sich jedoch nicht als vollkommen eigenständige abgrenzen, sondern stellt sich eher als ein Handlungsfeld dar, das sich aus psychischen und sozialen Prozessen speist und als eigenes nur anhand der Festlegung bestimmter Merkmale entsteht, die zugleich kontingent, also auch anders möglich sind. Somit können eine ganze Reihe der grundlegenden Begriffe wie frühkindliche Entwicklung oder Sozialisation im klassischen Sinn keine »genuin« pädagogischen sein. Für die Behindertenpädagogik wiederum gilt, dass sie keine eigene, sondern eine Teildisziplin der Erziehungswissenschaft ist. Die Auswahl von geistes- oder sozialwissenschaftlichen Termini zu »Schlüsselbegriffen« für die Behindertenpädagogik resultiert also aus der Zugehörigkeit einer behindertenpädagogischen Fragestellung zur Erziehungswissenschaft und dadurch wiederum erklärt sich die Platzierung der unter den »Grundlagen der Pädagogik« versammelten Schlüsselbegriffe an der ersten Stelle der Kategorisierung.
Der Teil III spiegelt den Versuch einer systematischen Bezugnahme auf Nachbardisziplinen wider und zwar unter dem Gesichtspunkt einer Anschlussfähigkeit an behindertenpädagogische Probleme; deshalb sind hier zum Teil andere soziologische oder psychologische Stichwörter aufgenommen als im Teil I. Gemäß der Mehrdimensionalität, Kontingenz und Komplexität von Behinderung sind diese noch um philosophische, rechtliche, medizinische und politische Begriffe ergänzt worden. Somit repräsentieren im Teil I die »Grundlagen der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung« und im Teil II Stichwörter der und für die Behindertenpädagogik im engeren Sinn. Der Anspruch an die theoretische Grundlegung war es dabei nicht, eine »Allgemeine Behindertenpädagogik« zu repräsentieren. Auch die »Schwerpunkte der Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung« erheben nicht den Anspruch, die Fachrichtungen insgesamt repräsentieren zu können. Vielmehr geht es um den Versuch der Repräsentanz aller Grundfragen und Aufgaben des Faches mit Blick auf das Ganze der erziehungswissenschaftlichen Bestimmung. Auswahl und inhaltliche Gestaltung der Begriffe spiegeln aber letztlich eine momentane Situation des Faches im deutschen Sprachraum wider; und da es letztlich von der Einbindung in praktische Handlungsvollzüge abhängt, ob ein Sachverhalt der Wirklichkeit der Erziehung und Bildung bei Behinderung zu einem Schlüsselbegriff wird, ist die Auswahl immer wieder vor diesem Kriterium in einer gegenwärtigen Situation zu rechtfertigen. Deshalb sind eine ganze Reihe von Stichwörtern gegenüber der 2. Auflage weggefallen, andere sind hinzugekommen. Was die Zielbegriffe betrifft, so hat sich hier auch der Stellenwert verändert, weshalb die Entscheidung fiel, den Inklusionsbegriff breiter unter historischen, gesellschaftlichen, pädagogischen und methodisch-didaktischen Gesichtspunkten diskutieren zu lassen. Insgesamt liegt mit der Kategorisierung nun zum ersten Mal der Versuch einer fachsystematischen Gesichtspunkten folgenden Zuordnung ohne eine »Rest«Kategorie von Einzelproblemen vor. Dadurch sind einige Stichwörter entfallen, die unterhalb der Bedeutung einer verbindenden Grundfrage liegen; andere Stichwörter dieser Kategorie sind den Handlungsfeldern zugeordnet worden.
»Schlüsselbegriffe« sind mehr als lexikalische Stichwörter, aber zugleich weniger als Fachartikel. Weder fachimmanent noch in der Gesamtzahl von Stichwörtern können sie eine wirkliche enzyklopädische Vollständigkeit leisten. Der Anspruch, so etwas wie eine Quintessenz behindertenpädagogischer Theoriebildung zu praktischen Zwecken zusammenzufassen, war nur über vielfältige und multidisziplinäre Zugangswege zu erreichen. Die Mitarbeit von zahlreichen Autorinnen und Autoren sichert Heterogenität der wissenschaftlichen Denkweisen; widersprechende Gesichtspunkte in den Artikeln betrachten wir als Bereicherung des Diskurses.
Häufig und in vielen Zusammenhängen müssen professionelle Pädagogen Beurteilungen abgeben: Beurteilungen der Lernausgangslage und des Entwicklungsstandes ihrer Schülerinnen und Schüler (→ Entwicklung), ihrer Fördermöglichkeiten und ihres Förderbedarfs (→ Fördern, Förderung, Förderbedarf), ihrer Lernfortschritte und Lernergebnisse (→ Lernen), Beurteilungen des Förderpotentials von Unterrichtsarrangements, Lernmaterialien und Lernmedien, Beurteilungen des Anspruchsniveaus von Aufgaben usw.
Eine professionelle Beurteilung von Schülerleistungen, auf die sich dieser Beitrag beschränkt, erfordert vier Überlegungen (Sacher/Winter 2011; Sacher 2014, Kap. 4 u. 5):
Es sind erstens präzise Erwartungen zu formulieren, auf welche die Leistungsbeurteilungen bezogen werden. Je nachdem, welche Art der Leistung zu erwarten ist, sind dabei unterschiedliche Verfahren anzuwenden:
Wenn sich die Gesamtleistung aus einer Summe von richtigen oder falschen Einzelleistungen ergibt (z. B. in Mathematik, beim Rechtschreiben oder im Sachunterricht), sind Teilleistungen und Einzelschritte der Gesamtleistung so weit zu identifizieren, dass sie in der Form von Rohpunkten oder Fehlern abgezählt werden können.
Wenn eine ganzheitliche Gesamtleistung von mehrdimensionaler Qualität vorliegt (z. B. im Aufsatz- und Kunstunterricht), müssen die verschiedenen Qualitätskriterien (z. B. Stil, Grammatik, Gedankenführung usw.) benannt und Ausprägungsgrade für ihre mehr oder weniger gute Erfüllung (z. B. guter, mäßiger, schlechter Stil usw.) beschrieben werden.
Es ist zweitens die Bezugsnorm auszuwählen, welche der Beurteilung zugrunde gelegt wird. Das heißt, es muss entschieden werden, wonach Leistungen als gut oder schlecht eingestuft werden – mit Bezug auf eine Gruppenleistung (soziale Bezugsnorm), auf eine fachliche Anforderung (kriteriale Bezugsnorm) oder auf die eigene bisherige Leistung der betreffenden Schüler (individuelle Bezugsnorm). Die soziale Bezugsnorm ist zumindest dann problematisch, wenn die Bezugsgruppe sehr klein ist (z. B. nur eine einzelne Klasse).
Sofern über das Konstatieren der Lernzielerreichung hinaus zur Vergabe von Ziffernnoten fortgeschritten werden soll, ist viertens ein Benotungsmodell erforderlich, d. h. eine Regel oder ein Regelsystem, das den Schülerleistungen Ziffernnoten zuweist. Im Falle eindimensionaler Leistungen ist dies eine Benotungsskala, welche erreichten Punkte- oder Fehlerzahlen Noten zuordnet. Im Falle mehrdimensional-ganzheitlicher Leistungen muss ein Beurteilungsraster angelegt werden, der Beurteilungskriterien und Ausprägungsgrade eindeutig auf Noten bezieht.
Bei der Beurteilung kollektiv erbrachter Leistungen müssen die Arbeits- und Lernprozesse, die Teamprozesse, die Arbeitsergebnisse und die Präsentation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Allein die individuellen Leistungsanteile der einzelnen Schülerinnen und Schüler bei der Beurteilung zu berücksichtigen, widerstreitet der pädagogischen Intention kooperativer Unterrichts- und Arbeitsformen (→ Kooperation) (Sacher 2014, Kp.11).
Gegenstand der Beurteilung von Prozessen sollten weniger Teilergebnisse, sondern vor allen Dingen Qualitäten von Lern- und Arbeitsprozessen sein, die sich in den Ergebnissen nicht mehr ohne weiteres zeigen, vor allen Dingen psychodynamische und metakognitive Komponenten der Leistung – die Motiviertheit der Schülerinnen und Schüler, ihre Zielstrebigkeit, Beharrlichkeit, Konzentration und Ausdauer (→ Aufmerksamkeit), ihr Methodenbewusstsein, die Selbstständigkeit, Originalität und Kreativität ihres Vorgehens sowie kommunikative und soziale Kompetenzen (Sacher 2014, Kap.11).
Ein besonderes Problem ist die Beurteilung von Leistungen im differenzierten und offenen Unterricht (Bohl 2009). Ein tragbarer Kompromiss könnte darin bestehen, Grundanforderungen, erhöhte Anforderungen und reduzierte Anforderungen zu unterscheiden und ihnen jeweils bestimmte Notenbereiche zuzuweisen, z. B. auf das Erfüllen erhöhter Anforderungen die Note 2, auf das Erreichen der Grundanforderungen die Note 3 und auf eine reduzierten Anforderungen entsprechende Leistung die Note 4 zu vergeben, wobei in Ausnahmefällen auch Über- und Unterschreitungen um eine Notenstufe möglich sind.
Um Lernenden die Steuerung und Kontrolle ihres Lernens zu ermöglichen, muss ihre Selbstbeurteilungskompetenz entwickelt werden. Dabei sollte weniger die Selbstbewertung und Selbstbenotung im Mittelpunkt stehen als das Erkennen und Beurteilen von Zusammenhängen zwischen einzelnen Faktoren erfolgreichen Lernens – zwischen der Ausgangslage, der Lernplanung, den Lernprozessen und den erzielten Lernergebnissen.
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