Hans Hoffmeister. Harmonie ist mir suspekt - Paul-Josef Raue - E-Book

Hans Hoffmeister. Harmonie ist mir suspekt E-Book

Paul-Josef Raue

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Beschreibung

Hans Hoffmeister, der Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung (TLZ), hat fast ein Vierteljahrhundert so polarisiert, dass es oft genug im Gebälk krachte. Die Zahl seiner Freunde in der Politik und im Journalismus ist überschaubar, die Zahl der zufriedenen Leser geht in die Zigtausende. Die TLZ ist eine Zeitung, die kaum Abonnenten verliert, die untreue Leser nicht kennt und eine Leser-Blatt-Bindung aufweist, von der die meisten Chefredakteure nur träumen. Hans Hoffmeister ist der Journalist der Wende in Thüringen, der mit Selbstbewusstsein in diesem Buch sagt: "Wir haben nicht über die Wende berichtet. Wir haben sie gemacht." So ist dieses Interview auch ein Buch über die friedliche Revolution und das Vierteljahrhundert danach. Was ist das Geheimnis des Erfolgs? In diesem Interview-Buch kommen wir dem Phänomen Hoffmeister auf die Spur. Die Reihe "Bibliothek des Journalismus" versammelt Lehr- und Lernbücher zu Handwerk und Ethik; Bücher zur Zukunft der Medien wie auch zu ihrer Geschichte; Studien zur Kommunikation sowie Reflexionen über die Wirkung von Medien.

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Paul-Josef RaueHans Hoffmeister: Harmonie ist mir suspekt

BIBLIOTHEK DES JOURNALISMUS

Band 1

herausgegeben von Paul-Josef Raue

in Zusammenarbeit mit der

Stiftung Presse-Haus NRZ

Paul-Josef Raue

Hans HoffmeisterHarmonie ist mir suspekt

Ein Gespräch über die Wende in Thüringen und den Journalismus

Titelabbildung:

Hans Hoffmeister und Paul-Josef Raue im Gespräch.

Foto: Peter Michaelis

1. Auflage Juli 2013

Satz und Gestaltung:

Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen

Porträtfotos:

Michael Baar, Sascha Fromm, Nico Kiesel,

Marco Kneise, Sascha Margon, Thomas Müller,

Marco Schmidt, Alexander Volkmann

Umschlaggestaltung:

Volker Pecher, Essen

Druck und Bindung:

Drukkerij Wilco B.V., Amersfoort (NL)

eISBN 978-3-8375-1177-2

Alle Rechte vorbehalten

© Klartext Verlag, Essen 2013

www.klartext-verlag.de

 

Inhalt

Vorwort von Christian Nienhaus

Editorial von Paul-Josef Raue

Hans Hoffmeister ist der Journalist der Wende in Thüringen

1.»Eine Affekthandlung«

Hans Hoffmeisters Aufbruch in den Osten

2.»So war der wilde Osten«

Der Start der Tagespost in Eisenach

3.»Wie sollten sie denn plötzlich Demokraten sein?«

Die ersten Tage in der Weimarer Redaktion

4.»Nicht nur nicken, auch handeln«

Die ersten Jahre der TLZ

5.»Thüringen ist der Sieger der Wende«

Politik und Wirtschaft nach der Vereinigung

6.»Harmonie ist mir suspekt«

Wie es dem Westdeutschen im Osten erging

7.»Ich mag Distanz nicht. Ich mag es lieber direkt«

Journalismus und Werte

8.»Ich musste mit meinen mageren Ärmchen die Stacheldraht-Rollen tragen«

Hans Hoffmeister über sein Leben

9.»Es wurde unfassbar viel gesoffen«

Anfänge im Journalismus

10. »Die Zeitung darf auch Lust verströmen«

Die Zukunft der Zeitung

»Hatten Sie Angst vor Hans Hoffmeister?«

Was prominente Zeitzeugen über den TLZ-Chefredakteur denken

Personenregister

 

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, was macht eigentlich ein Chefredakteur genau? Was darf er? Und wie weit sollte sein Engagement gehen? Für den 2005 verstorbenen Grandseigneur des TV-Journalismus Hanns Joachim Friedrichs war die Sache klar: »Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.«

Hier sehe ich Hans Hoffmeister förmlich vor mir, wie er aufsteht und laut ruft: »Einspruch!«

Für ihn muss ein Chefredakteur – besonders der einer regionalen Tageszeitung – mehr sein als der bloße Ordner von Themen, der Organisator einer Redaktion und der Kommentator, der von seinem Schreibtisch aus auf die Welt schaut und kluge Worte über die Lage der Nation, des Freistaates Thüringen oder des Nationaltheaters in Weimar ins Blatt hebt. Für Hoffmeister ist dies nicht genug. Ein Chefredakteur ist für ihn mehr als ein Blattmacher. Er geht hinaus zu den Menschen. Er will Missstände nicht nur aufdecken, sondern kümmert sich auch aktiv darum, sie zu beheben. Hans Hoffmeister bringt sich ein und will »sein« Thüringen weiter nach vorn bringen. Für ihn ist eine gute Zeitung mehr als eine Ansammlung von Texten, sie ist auch Anwalt für Leser, legt den Finger in die Wunde der Mächtigen, engagiert sich mit ihrer Kraft für ihre Region und hilft die Zukunft zu gestalten.

Wenn Sie dieses Buch zur Hand nehmen, freuen Sie sich auf den spannenden Blick in das Leben eines Chefredakteurs, der aus Westfalen mit seiner »Gabriele«-Schreibmaschine aufbrach, um im Osten etwas zu bewegen.

Als Chef vom Dienst des Westfalen-Blattes war er in den 1980er Jahren hinter dem Verleger und dem Chefredakteur die Nummer drei in der Redaktionshierarchie. Nicht schlecht für einen damals gerade 41-Jährigen. Er hätte sich »zurücklehnen«, weiter ein guten Job machen und in kleinen Schritten die Zeitung weiterentwickeln können. Solide. Aber wohl auch ein bisschen langweilig für einen »Macher« wie ihn. Er wagte einen mutigen nächsten Schritt, um sich in eine ungewisse Zukunft mit der Gründung einer neuen Zeitung zu begeben. Hans Hoffmeister tat es – mit einem klaren Ziel: »Ich will eine Zeitung machen.«

Abenteuerlich mutet es an, wenn Hans Hoffmeister auf den folgenden Seiten erzählt, wie auf seiner »Gabriele« die ersten Texte für die damals eigenständige Zeitung Eisenacher Tagespost entstanden. Es waren wilde Zeiten. Aufbruchsstimmung herrschte in allen Bereichen des Lebens in den letzten Tagen der DDR und den ersten in einer neuen Zukunft als wiedervereinigte Bundesrepublik Deutschland. Die Aufbruchsstimmung galt auch für die Verleger in Westdeutschland. Das damalige Management der »Zeitungsgruppe WAZ«, der jetzigen FUNKE MEDIENGRUPPE, erkannte schnell, welche Chance sich auf diesem neuen Markt ergab. Das Essener Unternehmen ging nach Thüringen und kaufte die Thüringische Landeszeitung (TLZ), die dann mit der von Hans Hoffmeister fast im Alleingang gegründeten Eisenacher Tagespost fusioniert wurde.

Diese Fusion war nicht eine Übernahme à la »Westlicher Goliath« schluckt »Ostdeutschen David«. Im Gegenteil. Es war der Beginn einer wunderbaren und erfolgreichen Zusammenarbeit, aus der eine bis heute erfolgreiche und eigenständige Regionalzeitung hervorging. Für die Zusammenarbeit galt das, was in unserer FUNKE MEDIENGRUPPE bis heute als Grundsatz gilt: Der Chefredakteur ist frei in der Gestaltung der Inhalte und kann sich unabhängig von Interessengruppen um journalistische Qualität kümmern. Nur den Leserinnen und Lesern muss es gefallen, denn es gilt der alte Satz erfolgreicher Verleger: »Wenn man predigen will, muss man dafür sorgen, dass die Kirche voll ist.«

Verlagsmanagement und Redaktion arbeiten Hand in Hand zusammen, um möglichst viele Leser gut zu informieren und zu unterhalten. Der Service für Kunden wird groß geschrieben und die regionale Verwurzelung in ihrer Heimat ist der Erfolgsweg einer guten Regionalzeitung, wie es die TLZ unter der Führung Hoffmeisters immer war.

Als echter Westfale ist Hans Hoffmeister quasi von Geburt an ein Mitglied im »Club der offenen Aussprache«. Klar, direkt, manchmal vielleicht auch etwas ruppig. Aber dabei immer zielgerichtet und fair. Diese Einstellung lebt auch »seine« TLZ für alle sichtbar.

Natürlich ist dies manchmal auch unangenehm. Wer Kanten hat, eckt an. Und wer an die Oberen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft austeilt und auf ihre Fehler hinweist, wird nicht überall beklatscht. Für Hoffmeister spielt dies keine Rolle. Wichtiger ist ihm, dass die Leserinnen und Leser »klatschen«. Dies zeigt nicht zuletzt die stabile Entwicklung der TLZ-Auflage besonders im Vergleich mit vielen anderen Zeitungen.

Dass für Hans Hoffmeister, den westfälischen Thüringer, seine TLZ und Weimar mehr als eine weitere Station in seiner Karriere sein sollten, hat er selbst so formuliert: »Ich hatte hier Feuer gefangen und beschlossen: Hier bin ich. Und hier bleibe ich. Und ich will das machen.«

Das war Anfang der 1990er Jahre. Dieses Feuer brennt in Hans Hoffmeister bis heute. Und davon lebt auch das in diesem Buch niedergeschriebene Gespräch. Möge dieses Feuer auch auf die Leserinnen und Leser übergreifen. Es lohnt sich.

Viel Spaß bei der Lektüre wünscht Ihnen

Christian Nienhaus

Geschäftsführer der FUNKE MEDIENGRUPPE

 

Editorial

Hans Hoffmeister ist der Journalist der Wende in Thüringen

Journalisten schreiben Geschichte. In dicken Zeitungsbänden, ob gebunden oder digital, finden wir die Chronik unserer Zeit und der modernen Jahrhunderte – so detailliert, gesammelt und bewertet für jeden Tag, wie es keine Epoche zuvor geschafft hat.

Journalisten schreiben aber nur selten ihre Geschichte auf. Bei aller Eitelkeit, die dem Beruf eigen ist, wird der Blick meist nur auf andere gerichtet, auf die Großen der Welt oder auf die historischen Wendepunkte.

Auch oder gerade Chefredakteure sperren sich, ihre Biografie zu schreiben. Das hängt zum einen mit der Abneigung zusammen, das eigene Tun zu reflektieren, zum anderen mit einem seltsamen Hang zum Defätismus. Gibt es eine andere Branche, die sich ihrer Erfolge schämt, sich unentwegt schlecht redet und stolz zu sein scheint auf ihre Mutlosigkeit?

Wenn aber Journalisten Geschichte schreiben, dann ist es sinnvoll herauszufinden: Wie arbeiten diese heimlichen Historiker? Was ist ihr Antrieb? Was und wer prägte sie von Jugend auf? Welchen Regeln folgen sie? Welche Regeln ihrer Zunft verletzten sie – bewusst oder unbewusst? Wie groß ist ihr Einfluss auf die Mächtigen, ob in der Politik, der Wirtschaft oder großen Institutionen wie Kirchen und Gewerkschaften?

Und – die wichtigste Frage: Was leisten sie für das Funktionieren unserer Demokratie? Wie wach sind sie für ihre Verantwortung, die so entscheidend ist für die Freiheit einer Gesellschaft?

Hans Hoffmeister, der Chefredakteur der Thüringischen Landeszeitung, hat sich diese Fragen immer wieder gestellt, sie auch vor und mit seinen Lesern diskutiert – und über mehr als zwei Jahrzehnte so polarisiert, dass es oft genug im Gebälk krachte. Die Zahl seiner Freunde in der Politik und im Journalismus ist überschaubar, die Zahl der zufriedenen Leser geht in die Zigtausende.

Am Ende zählen auch bei Zeitungen die Zahlen: Die TLZ gehört zu denen in Deutschland, die kaum Abonnenten verliert, die untreue Leser nicht kennt und – um im Jargon zu bleiben – eine Leser-Blatt-Bindung aufweist, von der die meisten Chefredakteure nur träumen.

Was ist das Geheimnis des Erfolgs? In diesem Interview-Buch wollen wir dem Phänomen Hoffmeister auf die Spur kommen. Immerhin hat Hoffmeister, der Chefredakteur aus Westfalen, fast ein Vierteljahrhundert im Osten gewirkt und der tief sitzenden Abneigung gegen Westdeutsche getrotzt.

Es gibt keinen Chefredakteur außer Hoffmeister, der eine Generation lang im Osten gewirkt hat; der eine westdeutsche Zeitung mit einer ostdeutschen verknüpft hat (was sonst keinem gelang); der seine Erfahrungen mit Demokratie samt Kontrolle der Mächtigen eingebracht hat ebenso wie seine Erfahrungen aus dem Journalismus und dem Umgang mit Lesern; der – zumindest in den ersten Jahren – einen unverstellten Blick auf die friedliche Revolution hatte, einen fast kühlen und nüchternen Blick.

Hans Hoffmeister ist der Journalist der Wende in Thüringen, der mit Selbstbewusstsein in diesem Buch sagt: »Wir haben nicht über die Wende berichtet. Wir haben sie gemacht.« So ist dieses Interview auch ein Buch über die Wende und das Vierteljahrhundert danach.

Hoffmeister ist schnell vom Beobachter zum Akteur geworden. Er stellte seine eigenen Regeln der politischen Korrektheit auf. Er verärgerte Politiker, die er gerne als »Strippenzieher« oder »Höflinge« verspottete; jedenfalls war sich keiner sicher, wie lange er sich in der Gunst des TLZ-Chefredakteurs sonnen konnte. Davon zeugen die seltsam ambivalenten Antworten von Wende-Zeitzeugen, die im Anhang des Buches die Frage beantworten: Hatten Sie Angst vor Hans Hoffmeister? – und die, journalistischer Fairness folgend, auch der Gegenseite die Chance gibt, ihre Meinung zu sagen.

Die Frage »Hatten Sie Angst?« mag der Chefredakteur Hoffmeister; noch mehr genoss er, wenn ihn einige anriefen und sich über die Anmaßung der Frage empörten und sich so gerierten wie ein übereifriger Schüler vor seinem Lehrer. Hans Hoffmeister hat nur Respekt vor seinen Lesern – und dies ist das Geheimnis seines Erfolgs.

Gut fünf Stunden dauerte das Interview, das ich im Frühjahr 2013 mit Hans Hoffmeister im Weimarer Hotel Elephant führte. Etliche Wochen feilten wir an der Druckfassung, die, den Regeln unserer Zunft folgend, von Hoffmeister durchgesehen und genehmigt ist.

Das gedruckte Interview hat wenig gemein mit einem Live-Interview in Fernsehen oder Radio; es ist mehr ein literarisches als ein journalistisches Format. Es gibt, neben der Reportage, keine Form, in die Journalisten so viel Mühe und Zeit stecken wie in ein ausführliches Interview – von der gründlichen Vorbereitung bis zur oft mühsamen und umkämpften Autorisierung.

Dass sich der Fragesteller in diesem Interview weniger kämpferisch gibt, als es der Befragte gemeinhin pflegt, hat einen einfachen Grund: Nicht der Interviewer hat sich zu profilieren, nicht seine Sicht der Welt will er aufdrängen, vielmehr muss er seinem Gast jede Chance bieten, seine Positionen klar herauszustellen. Der Interviewer ist eher Geburtshelfer denn Richter oder gar Henker.

Nach diesem Grundsatz ist dieses Interview geführt worden – aus Respekt vor dem Leser und zu seiner Freude.

Paul-Josef Raue

 

1. »Eine Affekthandlung«

Hans Hoffmeisters Aufbruch in den Osten

Als die Mauer geöffnet wurde, waren Sie jung, gerade mal 41 Jahre alt. Sie hatten schon eine steile Karriere hinter sich und eine noch steilere vor sich. Sie waren ein bekannter Journalist in Ihrer Heimat in Ostwestfalen. Was hat Sie in den Osten getrieben, der damals noch DDR hieß?

Ich war beim Westfalen-Blatt. Ich war dort acht Jahre lang der Chef vom Dienst, die Nummer 3 in der Redaktionshierarchie und Dienstvorgesetzter von 200 Redakteuren, 20 Volontären und 35 Lokalausgaben. Das Westfalen-Blatt ist eine große Regionalzeitung mit damals 170.000 Auflage, die in großen Städten wie Bielefeld, Gütersloh oder Paderborn erscheint, besonders aber auf dem Land.

Ich saß in Bielefeld in der Zentrale, relativ eingekeilt, das heißt: Ich hatte zwar einen exzellenten Kontakt zum Verleger und Chefredakteur, der mich dorthin geholt hatte. Aber es gab keine realistische Aussicht, an den beiden schwierigen, sehr eigenwilligen Vize-Chefredakteuren vorbei zu ziehen. Dabei hatte ich die Traum-Position des freien Lokalchefs einer auflagenstarken Großraumredaktion eingetauscht gegen die eines vermeintlichen »Verwaltungsarschs«, wie mir der Chefreporter spöttisch vorhielt – mit ganz vielen Hierarchie-Problemen.

Ich war objektiv zum ersten Mal in der Defensive und nicht wie gewohnt in der Offensive. Alle Befürchtungen sollten bei allem erfolgreichen Wirken eintreten. Mein Berufsweg war so an einem Haltepunkt; für die nächsten Jahre, Jahrzehnte wäre ich die Nummer 3 geblieben. In Ostwestfalen wusste ich alles und kannte ich alles, das war manchmal fast schon langweilig.

Ich wollte nicht als Aktenmensch, Redaktionsverwalter und ewiger Vermittler enden, sondern auch wieder schreiben, politisch-analytisch wirken. Und ich wusste: Ich konnte Menschen führen. Das konnten manche Hochmögende, die ich traf, nicht wirklich. Und schreiben konnten die auch nicht.

Sind Sie also den Weg vieler im Westen gegangen, die im Osten ihre Karriere beschleunigen und eine Buschprämie abgreifen wollten?

So weit habe ich nicht gedacht. Solche Prämien gab es auch nicht. Höchstens für Beamte. Der Aufbruch in den Osten – und nicht in den Busch – war eine Affekthandlung. Was ich hörte und sah im Osten, das hatte eine elektrisierende Wirkung auf mich. Als ich 13 war, wurde die Mauer gebaut! Nun kam plötzlich Dynamik auf, da veränderte sich etwas radikal. Die deutsche Einheit winkte – Wahnsinn! Ich war immer ein sehr politischer Mensch. Anders als meine beiden Chefs. Da wollte ich einfach rüber.

Das war in meinem gesamten Leben so: Wo etwas passierte, ob Gutes oder Tragisches, da wollte ich dabei sein, da wollte ich ganz schnell hin und etwas tun. So brach ich schon sehr früh in den Osten auf, sprach mit meinem Verleger. Das weiß ich noch genau: Es war ein Gespräch auf dem obersten Flur unseres Verlagshauses in Bielefeld, wir haben uns gegenseitig angeblafft, der Verleger und ich.

Ist das normal für Sie, den Vorgesetzten, sogar den Besitzer der Zeitung, anzublaffen?

Ich habe nie nach oben gebuckelt, ich bin gerade raus, so wie das in meiner westfälischen Heimat üblich ist. Ich kusche nicht vor Thronen, ich spreche Klartext nicht nur in meiner Zeitung, sondern auch gegenüber Verlegern und Geschäftsführern. Die guten und selbstbewussten Chefs wissen das zu schätzen.

Zurück zum Flur in der Bielefelder Westfalen-Blatt-Zentrale. Da stehen ein konservativer Verleger, der stets die Wiedervereinigung gefordert hatte, und ein junger Journalist, der tatendurstig ist. Worüber sprechen die beiden, während gerade die Mauer bröckelt?

Wir haben beide gefragt: Wieso sind wir noch nicht unterwegs? Wir sagten es gleichzeitig, das ist kein Scherz. Wir haben dann gelacht. Und dann durfte ich ganz schnell los und habe mich gefragt: Wo gehst Du denn jetzt hin? Wo fängst Du an?

Ich hatte in Leipzig und Berlin schon Gespräche mit Kirchenvertretern geführt: mit Superintendent Richter und Prälat Grande. Nun fuhr ich zuerst an die Elbe nach Magdeburg. Dazu gibt es eine Vorgeschichte: Das Westfalen-Blatt heißt in meiner alten Paderborner Heimat Westfälisches Volksblatt. Dieses war früher ein eigenständiger Verlag und ist heute eine eigenständige Lokalausgabe, die auflagenstärkste.

Ich erinnerte mich an meine ersten Jahre als Journalist im Raum Paderborn, also dort, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Das Westfalen-Blatt heißt dort immer schon Westfälisches Volksblatt. Mein Vater las mir daraus als Kind – abends auf dem Sofa liegend – Leitartikel von Ignaz Appel, Otto von Habsburg und Hans Habe vor. Vor dem Krieg reichte das Erscheinungsgebiet des Volksblatts bis nach Magdeburg.

Magdeburg war zur Wende noch immer Teil des Erzbistums Paderborn. Dennoch führte mich mein erster Weg nicht zum Erzbischof nach Paderborn, mein erster Weg führte gleich direkt nach Magdeburg. Dort traf ich Bischof Johannes Braun. Er hatte seine Residenz gegenüber der Stasi-Zentrale. Er ging ans Fenster und zeigte sie mir: »Da sitzt die Stasi, und da können Sie sich ausmalen, was ich hier alles durchgemacht habe.« Da wusste ich Bescheid.

Wir haben uns sofort gut verstanden, und ich habe gesagt: »Ich will eine Zeitung machen.« Da ging er ins Archiv und holte die Zeitungsbände raus, unsere eigene Zeitung, das Westfälische Volksblatt, Ausgabe Magdeburg, Ausgabe Eichsfeld! »Sieh mal an, Eichsfelder Volksblatt!«, dachte ich. Das war ein heiliger Augenblick. Die Zeitungsbände waren aus der Zeit vor dem Krieg, die habe ich gleich mitgenommen. Wir haben sie dann später alle kopiert, und sie liegen heute in Bielefeld im Archiv.

Aber schnell wurde mir klar: Das war keine gute Idee, mit dem Bischof in Magdeburg konzeptionell zu sprechen. Denn der Bischof hatte eine Vorstellung von der neuen Zeitung, die nicht meine war. Er wollte mich mit seinem Generalvikar, das ist eine Art Verwaltungschef, bekannt machen. Ich sagte nur: »Verzeihen Sie, Herr Bischof, es geht hier nicht um Kirchen-Berichterstattung, es geht hier um Lokalteile, um eine Familienzeitung, um Vereinsberichterstattung, eben um eine normale, freie journalistische Arbeit. In dieser atheistischen Welt muss jetzt die Demokratie hervorgebracht werden. Und dazu gehört der Aufbau einer freien Presse.«

Der Bischof wollte nicht akzeptieren, dass ich an einer Lokalzeitung interessiert war; er hatte nicht verstanden, warum das so wichtig war. Er dachte nur an eine Kirchenzeitung, an eine fromme Berichterstattung. Er spürte wohl meine Abneigung. Als ich ihn das zweite Mal besuchte, sagte er mir: »Wir haben uns schon mit dem Dom geeinigt, das ist die Kirchenzeitung von Paderborn. Wir werden von dort die Zeitschrift Stadt Gottes übernehmen, eine Kirchenzeitschrift.«

Ich antwortete ihm: »Das hat aber nichts mit Tageszeitung zu tun, das hat nichts mit Journalismus zu tun. Bitte ersparen Sie mir Ihre Prälaten und Ihren Generalvikar.« In diesem Augenblick war mir klar: Gespräche waren jederzeit möglich – aber nicht in dem Sinne, dass der Bischof eine Anweisung gäbe, wie ich hier zu arbeiten hätte. Das schwebte ihm allerdings vor. Viel später hat er mich nochmals angerufen und gejammert: Ob ich mit meiner neuen Zeitung nicht doch noch kommen könnte … Es mache jetzt in Magdeburg die alte sozialistische Zeitung wieder Furore. Es war die Zeitung, bei der bald ein gewisser Herr Raue Chefredakteur werden sollte …

Der gewisse Herr Raue, der mit Ihnen dieses Gespräch führt, wurde erst 1998 Chefredakteur der Volksstimme. Aber zurück zum Jahr 1990: Sie sind ein Chefredakteur, der christlichen Werten verpflichtet ist. Sie haben viele Leser, die sich zum Christentum bekennen. Haben Sie die Haltung des Magdeburger Bischofs, ich nenne sie: eine missionarische Haltung, im Osten öfter erlebt?

Diese Haltung sollte ich sehr früh bei dem evangelischen Bischof Werner Leich in Eisenach wiederfinden, Erich Honeckers Gesprächspartner der »Kirche im Sozialismus«. Ich führte mit Leich ein Interview, aber als ich es ihm zur Autorisierung schickte, schrieb er’s völlig neu. Er wollte »das ordnen«, und ich kriegte ein völlig neues Interview, sagenhaft! Das ist natürlich nicht erschienen.

Also: Wir wollten ausschließlich journalistisch frei arbeiten und nicht eingetrichtert bekommen, was uns Obrigkeiten, und seien es auch kirchliche, vorschreiben wollten. Vom ersten Tag an ging es sofort um Freiheit, um journalistische Freiheit, das Gegenteil von Einengung.

Wie endete Ihr Ausflug nach Magdeburg? Offensichtlich sind Sie so dort nicht gelandet.

Genau, der Magdeburger Bischof sah, dass es wahrscheinlich sehr schwierig mit mir würde. »Also, da weiß ich auch nicht richtig weiter«, sagte er und schaute mir in die Augen. Ich sagte: »Ich weiß weiter: Wir sind schon unterwegs.«

Wir hatten verschiedene Möglichkeiten: Ein Kollege von mir hatte sich in Erfurt mit Leuten vom »Demokratischen Aufbruch« getroffen. Währenddessen hatte ich in Leipzig mit meinem Kollegen Ralf-Dieter Poch eine Nullnummer der Leipziger Freiheit produziert, zusammen mit der DSU, die damals aus dem Ei kroch und sich noch nicht mit der CSU verschmolzen hatte.

Warum mit einer Partei?

In der DDR – und wir arbeiteten 1990 noch in der DDR – gaben in der Regel Parteien eine Zeitung heraus. Die »Deutsche Soziale Union« war allerdings keine Blockpartei, sondern eine neue Partei. Peter-Michael Diestel, später sehr umstritten, war der Generalsekretär, und Hans-Wilhelm Ebeling, der Pfarrer der Thomaskirche, später auch sehr umstritten, war der Parteivorsitzende. Ich habe bei Diestel in der Wohnung am Nickelmannweg gesessen und konnte die Telefonate hören, die er wegen Bonn führte. Er wollte unter Kohl Innen- und Sportminister werden, was er dann ja auch wurde – in der letzten DDR-Regierung unter de Maizière. Dem Helmut Kohl hat er dann die CDU Brandenburg fast kaputtgemacht. Jörg Schönbohm, der baldige Bundeswehr-Kommandeur Ost, den ich aus Ostwestfalen kannte, musste retten.

 

Die schönste Telefonzelle der DDR: Hans Hoffmeister (links) und sein Kollege Ralf-Dieter Poch im Januar 1990 in Leipzig, wo sie eine Leipziger Freiheit herausbrachten.

Foto: Matthias Boge

Die Null-Ausgabe der Leipziger Freiheit wurde uns aus den Händen gerissen. Aber als wir sie am Bahnhof verteilten, hatte sich die DSU über Nacht mit der CSU verschmolzen – und Theo Waigel, der CSU-Vorsitzende, war schon unterwegs. Zudem rückte die DSU bald so stark nach rechts, dass sie eine CSU-Parteizeitung aus der Leipziger Freiheit machen wollte. Das wollten wir nicht, wir wollten eine freie demokratische Lokalzeitung machen. Das konnten und beherrschten wir.

War die Zeit der Wende eine gute Zeit für Missionare, ob in Kirchen, Parteien oder an Runden Tischen?

Die tummelten sich überall, aber sie gibt es auch heute noch. Wir dürfen uns als Journalisten eben nicht mit ihnen einlassen. Das war nicht immer leicht, schließlich hatten die Kirchen eine maßgebliche Rolle in der Wendezeit, vielleicht die entscheidende.

Was stand in der Nullnummer der Leipziger Freiheit?

Wir machten auf der Titelseite auf mit dem Kampf der Bürgerschaft gegen das Karl-Marx-Relief am Uni-Gebäude, wo einst die von Ulbricht gesprengte Paulinerkirche gestanden hatte.

Wie kamen Sie über Magdeburg und Leipzig nach Thüringen?

Der Kollege hatte in Erfurt beim Parteitag des »Demokratischen Aufbruchs« zwei langbärtige, hoch motivierte Menschen getroffen. Die tauchten wenig später mit ihrem Trabi in Bielefeld auf – mit zig Plastiktüten, vollgestopft mit Manuskripten.

Als sie auf den Hof des Verlags fuhren, sahen sie den BMW des Geschäftsführers und seufzten: »Ach, so einen BMW würden wir auch gern fahren.« Dann schütteten sie ihre Manuskripte auf einen Tisch und fragten: »Könnt ihr das mal in euren Computer stopfen? Wir brauchen dringend eine Zeitung für die politischen Gruppen.«

Das hatten wir verstanden, und am nächsten Tag erschien eine Zeitung mit den Programmen der politischen Gruppen. Die Zeitung hieß Thüringer Anzeiger, das war meines Wissens eine der ersten Neugründungen in Thüringen, mit Lizenznummer für den Kioskvertrieb. In der Zeitung bekamen alle einen Platz, jeder konnte sich äußern, alle gleich lang. Aber sie schrieben nicht gleich lang: Also gab es weiße Flecken in der Zeitung. Wir bildeten auch Willy Brandt ab: Er war gerade in Erfurt gewesen und fand die Zeitung gut – das Foto gibt es noch. Das war eine historische Stunde!

Uns war natürlich ganz klar, wir würden ganz schnell aus dem Thüringer Anzeiger eine Lokalzeitung machen müssen. Dann trafen wir in Eisenach Gerald Frisch, einen Drucker, der im CDU-Kreisvorstand war, der engagiert war – und vor allen Dingen war seine Frau Gisela auch engagiert.

Die war wirklich flott. Es waren ja meist die Frauen im Osten, die die Lagen beherrschten. In Regionen, in denen wir mit Lokalausgaben erscheinen wollten, hatte Gisela Frisch überall Verwandte. Beginnen wollten wir in Eisenach, dort eine Zeitung gründen: die Eisenacher Tagespost.

Die Tagespost gab es schon im 19. Jahrhundert, sie war eine bekannte und beliebte Zeitung. Da haben wir uns sofort den Titel gegriffen, im Untertitel schrieben wir Eisenacher Anzeiger. Für den Eisenacher Anzeiger hatten Frisch’s nämlich eine Lizenznummer. Du brauchtest eine Lizenznummer, sonst kamst du gar nicht in den Postverteiler der DDR. Das war der Witz an der Sache, das musstest du erst einmal wissen – denn wir machten ja eine Zeitung in der DDR, die vielleicht noch länger existieren würde. Ich wollte auch die DDR-Staatsbürgerschaft beantragen. Aber ich schrieb lieber Leitartikel über dieses unmenschliche System, statt mich unter seine Hoheit zu beugen.

Am 9. Februar 1990 erschien erstmals die Eisenacher Tagespost. Das war ein großer Tag – nicht nur für uns!

 

Willy Brandt hält 1990 bei einem Besuch in Erfurt ein Exemplar des Thüringer Anzeigers in den Händen.

Foto: Friedrich Thoma

 

2. »So war der wilde Osten«

Der Start der Tagespost in Eisenach

Die Eisenacher Tagespost erschien am 9. Februar 1990 zum ersten Mal, die Redaktion fiebert dem Tag entgegen – und plante den ersten Aufmacher. Was stand auf der Titelseite?

»Das Tor zum Thüringer Wald hat wieder eine eigene Zeitung«, das war die Hauptschlagzeile – abgeleitet vom Nicolai-Tor in Eisenach. Die Titelaufmachung hatte ich mit meinem Kollegen Matthias Boge im Hotelzimmer des »Christlichen Hospiz« geschrieben – auf der »Gabriele«, einer normalen Schreibmaschine, die ich immer bei mir hatte. Der Aufmacher wurde von den Lesern voll akzeptiert.

Auf dem Titel der ersten Nummer war von Presse- und Meinungsfreiheit die Rede. In den nächsten Tagen ging es um die entscheidenden Wende-Entwicklungen im Osten, lasen die Leute Tagespost-Interviews mit dem Eisenacher Staatsanwalt und mit dem Krankenhaus-Chef, der eine Frau war. Sie lasen eine Reportage über zwei tolle junge Typen, die die Eisenacher Brauerei übernehmen wollten und die wir dann als IM der Stasi entlarvten; das war dann gleich das Ende der Brauerei-Träume.

Als nächstes gründete ich sofort Redaktionen in Schmalkalden und Bad Salzungen, gefolgt von Gotha.

Es gab keine Computer, keine stabilen Telefonverbindungen, wenn man überhaupt ein Telefon bekam; zudem fiel immer wieder der Strom aus. Wie haben die Redakteure die Zeitung produziert?

Wir haben die Texte mit der Schreibmaschine geschrieben und mit Kurieren nach Bielefeld zur Druckerei gebracht. Wenige Wochen nach dem Start brachten wir Computer aus dem Westen mit und haben die Texte und Bilder auf Disketten gespeichert. Das war ganz schön umständlich, aber unsere Zeitung war immer noch aktueller als die gerade gewendete Thüringer Allgemeine oder als das Freie Wort im Süden Thüringens, das noch hinter dem Mond war.

Telefonieren konnte man anfangs nur auf Umwegen – mittels früher Anmeldung. Wenn das Gespräch nach Stunden kam, musste der Redakteur vom Obergeschoss ins Erdgeschoss flitzen – in die Druckerei Frisch. Dort stand das Telefon. Handys gab es nicht. In Herleshausen richteten wir einen Faxanschluss ein. Von dort wurden die Faxe abgeholt.

Für die Einrichtung der ersten Redaktion in der Alexanderstraße mussten wir einen Tischler aus Herleshausen kommen lassen. Der verlegte Spanplatten und Linoleum nach der Entrümpelung, das heißt: Der ganze Müll wurde aus Gründen der Geschwindigkeit aus dem Dachgeschoss einfach aus dem Fenster geworfen. Es staubte sehr.

Die Thüringer Redaktionen konnten sehr eigenständig arbeiten, was den weiteren Fortgang später bei der TLZ entscheidend prägen sollte. Es ging immer um eigenständige Kreativität der Lokalredaktionen – bis heute.

Dann habe ich ganz schnell immer neue, weitere Lokalteile gegründet, und wir haben den Thüringer Anzeiger mit der Tagespost verschmolzen. Das gefiel den Jungs vom »Demokratischen Aufbruch« nicht, aber das konnten wir nun nicht ändern. Die hatten eine Goldgräberstimmung mitgebracht, der konnten wir nicht entsprechen: Uns ging es um Lokalzeitung und nichts anderes, also nicht um eine Polit-Zeitung oder eine Zeitung für Parteien, das konnte nur eine Übergangssituation prägen.

Es gab kaum freie Wohnungen in Eisenach, der Alltag war grundverschieden von dem in Bielefeld, wo der Redakteur abends in eine Bar ging. Wer bewarb sich denn im Februar 1990 um eine Redakteurs-Stelle in Eisenach – noch in der DDR?

Ich und niemand anderes hatte persönlich vom Geschäftsführer in Bielefeld den schriftlichen Auftrag bekommen, eine Thüringen-Redaktion aufzubauen. Ich habe – im Stechschritt – hundert Leute gelockt, sie kamen vom Westfalen-Blatt, junge Frauen meistens, die allerbesten! Das war das Einfachste von der Welt. Die meisten waren meine Volontäre gewesen; ich habe ja mit meinem Stellvertreter immer schon Volontärsausbildung betrieben, jedes Jahr elf Volontäre. Die wurden dann auch Redakteure, so dass sich die Redaktion ständig verjüngte. Das tut einer Redaktion gut. Das ist bis heute auch ein Geheimnis des TLZ-Erfolgs.

Sie »brannten« alle. Von außen Zugekaufte »brannten« weniger. Eine Wohnung, besser: eine Kammer, oft in der Platte, beschaffte sich jeder selber. Es gab einen Mietkostenzuschuss. Bars gab es nicht, auch kaum freundliche Restaurants, wo man wirklich essen konnte. Die Eisenacher Lokalredaktion fuhr geschlossen spät nachts nach Herleshausen zum Jugoslawen oder ging ins Christliche Hospiz unterhalb der Wartburg essen, wo sie plötzlich mich antraf. Alles geschah gemeinsam. Tag und Nacht. Es wurde durchgearbeitet, immerzu. Manche hielten nicht durch, sie »verbrannten«.

Sie sprechen vom »brennenden Redakteur«? Ist das Ihr idealer Journalist – einer, der brennt?