Herr Heiland und der gefallene Engel - Johann Simons - E-Book

Herr Heiland und der gefallene Engel E-Book

Johann Simons

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Beschreibung

Folge 2 - Herr Heiland springt über seinen Schatten: Im alten Kino von Sonntal findet ein Heimatfilm-Festival statt. Heilands Haushälterin Fräulein Dimpel besteht auf den gemeinsamen Besuch. Denn niemand geringeres als Evi Bachbichler, die große alte Dame des Kinos der 1950er, wird persönlich anwesend sein. Doch es kommt zur Tragödie: Der Stargast wird tot in seiner Garderobe gefunden. War es Selbstmord, wie Polizist Kern vermutet? Bürgermeister Mindenfeld bittet den cleveren Heiland, zur schnellen Aufklärung beizutragen ...

Über die Serie: Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin, dem überambitionierten Bürgermeister und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen ...

Herr Heiland - ein himmlischer Cosy-Krimi für alle Fans von gemütlichen Ermittlungen.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.


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Inhalt

CoverHerr Heiland – Die SerieÜber diese FolgeÜber den AutorTitelKAPITEL 1KAPITEL 2KAPITEL 3KAPITEL 4KAPITEL 5KAPITEL 6In der nächsten FolgeImpressum

Herr Heiland – Die Serie

Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin Fräulein Dimpel, dem überambitionierten Bürgermeister Moritz Mindenfeld und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen …

Über diese Folge

Herr Heiland springt über seinen Schatten: Im alten Kino von Sonntal findet ein Heimatfilm-Festival statt. Heilands Haushälterin Fräulein Dimpel besteht auf den gemeinsamen Besuch. Denn niemand geringeres als Evi Bachbichler, die große alte Dame des Kinos der 1950er, wird persönlich anwesend sein. Doch es kommt zur Tragödie: Der Stargast wird tot in seiner Garderobe gefunden. War es Selbstmord, wie Polizist Kern vermutet? Bürgermeister Mindenfeld bittet den cleveren Heiland, zur schnellen Aufklärung beizutragen …

Über den Autor

Johann Simons ist ein deutscher Autor, der bereits viele Romane unter vielen Namen verfasst hat. Unter diesem Pseudonym lebt er seine Vorliebe für gemütliche Krimis mit charmantem Schmunzelhumor aus.

JOHANN SIMONS

KAPITEL 1

Der Mörder lädt zum Tanzen ein

Die Leiche lag auf dem Bett.

Klaas Heiland seufzte wohlig, als er die Tür des Schlafzimmers hinter sich schloss. Endlich war er allein mit seinem neuen Mordfall. Er zog den Gürtel des flauschigen Morgenmantels enger, schlüpfte aus den abgewetzten Filzpantoffeln und stieg ebenfalls in die Federn. Gespannt griff er nach dem Kriminalroman, der aufgeschlagen auf dem Kopfkissen wartete.

»Also dann, Inspector Smart«, wandte er sich murmelnd an seinen Lieblingshelden, während sein Blick schon auf die dicht beschriebenen Seiten des neuesten Abenteuers fiel. »Es wird Zeit für meinen wohlverdienten Feierabend. Bringen wir es zu Ende und fassen den Täter.«

Heiland liebte die Romane um den besten Mann von Scotland Yard – vielleicht auch, weil der gemütliche Timothy Smart ihm in vielerlei Hinsicht ähnelte. Beide mochten sie üppige Mahlzeiten und vor allem süße Nachspeisen, und beide neigten sie nicht gerade zu körperlicher Überaktivität. Außerdem war zumindest der fiktive Smart mit einem analytischen Verstand gesegnet – ein Detail, das man dem ganz und gar realen Klaas Heiland auch mitunter nachsagte.

Der neue mörderische Schmöker hieß »Schatten über Botany Bay« und spielte in einem walisischen Fischerdorf mit dunklen Geheimnissen und pittoresker, sturmumtoster Küste. Heiland schmunzelte, als er die Seiten umblätterte, denn auch vor den Fenstern seines kleinen Pfarrhauses tobte an diesem Abend ein stattliches Unwetter. Scharfer Wind pfiff um die alten Mauern, und das Prasseln des Regens hatte beinahe etwas Gespenstisches.

»Die perfekte Atmosphäre für einen entspannten Leseabend«, freute sich der Zweiundsechzigjährige. Er saß bequem im Bett, Inspector Smarts jüngstes Abenteuer vor Augen und …

Klopf, klopf, klopf.

»Herr Pfarrer? Sind Sie da drin?«

Fräulein Elvira Dimpel pochte an die Tür von Heilands Zimmer. Die rüstige alte Dame – die auf das »Fräulein« bestand wie der Gott Moses’ weiland auf die Einhaltung der zehn Gebote – war Heilands strenge Wirtschafterin. Sie achtete auf alles im Haushalt, vom Speiseplan bis zur korrekten Mülltrennung. Und genau wie der Gott des Alten Testaments kannte auch sie keinerlei Gnade.

»Ja, Fräulein Dimpel?«, ergab sich Heiland ihrem Pochen. Es nutzte nichts, sich tot zu stellen. Früher oder später kam Dimpel sowieso ins Zimmer. »Ist noch etwas?«

Die Tür ging auf. Dimpel – breite Schultern unter einer Kittelschürze mit Blumenmuster, ein faltiger Kopf mit wachen Augen und aschgrauen Wickellocken – erschien auf der Schwelle.

»Herr Heiland, ich wäre dann so weit.«

Er runzelte die Stirn und sah zum Wecker auf seinem Nachttisch. Zwanzig Uhr, normalerweise zog auch Dimpel sich nun in ihr Zimmer im Obergeschoss des Pfarrhauses zurück. »So weit? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz. So weit für was, meine Liebe?«

Dimpel verschränkte die Arme vor der ausladenden Brust. »Wusste ich’s doch«, tadelte sie und trat näher. »Wenn ich Sie nicht an alles erinnere, Herr Pfarrer … Sie würden den eigenen Kopf vergessen, wäre er nicht zufällig angewachsen.«

Sie hatte nicht unrecht. Heiland neigte zur Vergesslichkeit – auch wenn er es lieber als kreative Spontaneität bezeichnete.

»Was, äh, habe ich denn dieses Mal vergessen?«

»Na, Evi Bachbichler! Unseren Filmabend! Das Wohnzimmer ist vorbereitet, und der versprochene Imbiss steht längst auf dem Tisch.«

Jetzt endlich klingelte es bei Heiland. Tatsächlich: Dimpel hatte kürzlich von einem Film gesprochen, den sie ihm »unbedingt« zeigen müsse. War das etwa heute?

»Also«, begann er entschuldigend. »Ich bin bereits im Bett und eigentlich auf meinen Roman eingestellt. Außerdem …« Dann stutzte er. »Erwähnten Sie gerade einen Imbiss?«

Dimpel nickte. »Natürlich. Zu einem zünftigen Filmabend gehört auch ein ordentlicher Teller voller Leckereien. Es steht alles bereit, Herr Pfarrer. Sie brauchen nur zu kommen.«

Heiland seufzte innerlich. Das Abendbrot im Pfarrhaus war mal wieder äußerst mager ausgefallen. Ein später Happen wäre da wirklich nicht zu verachten. Allein der Gedanke genügte, seinen Magen knurren zu lassen.

»Na gut, ich komme«, sagte er, legte Inspector Smart zur Seite und ergab sich der Aussicht auf die versprochenen Leckereien. Der beste Mann von Scotland Yard, da war Heiland sich absolut sicher, hätte genauso gehandelt.

Das Wohnzimmer lag im Erdgeschoss des Pfarrhauses und war bei jedem Wetter urgemütlich. Der Großteil des Mobiliars erinnerte noch an Heilands pensionierten Amtsvorgänger, schließlich fungierte er erst seit wenigen Wochen als neuer Geistlicher des kleinen Touristenorts Sonntal am See. Doch die deckenhohen Bücherregale und die alten Sessel gefielen dem von der fernen Ostseeküste zugereisten Priester sehr. In den Regalen hatte seine geliebte Büchersammlung ausreichend Platz, und die Sessel luden stets zum Verweilen ein.

Auch an diesem Abend ließ er sich wohlig in einen von ihnen sinken. Erst dann fiel sein Blick auf den kleinen Beistelltisch in der Mitte der Sitzecke. Sofort stockte ihm der Atem.

»S… Sind das etwa Karotten?«

Fräulein Dimpel hatte neben ihm Platz genommen. Mit völliger Gelassenheit schenkte sie grünen Tee aus einer Porzellankanne ein. »Karottenstreifen, Paprika, Gurke«, zählte sie auf. »Jede Menge gesunder Knabberkram. Dazu gibt es einen Dip aus fettarmem Hüttenkäse und Schnittlauch aus dem Kirchengarten. Sie wissen ja, dass wir auf Ihre Linie achten müssen. Sonst werden Sie mir noch zum Diabetiker!«

Heiland wusste nicht, was ihn mehr entsetzte: die Selbstverständlichkeit, mit der sie auch nach Feierabend noch über seinen Speiseplan bestimmte, oder die Aussicht auf einen Abend voller kalter Möhren und Salatgurken. Zugegeben, die Waage war nicht gerade sein Freund. Aber musste man deswegen gleich auf das verzichten, was das Leben lebenswert machte?

Ein Himmelreich für ein Stück Schokolade, dachte er und versuchte, sich die Enttäuschung nicht zu sehr anmerken zu lassen. Oder gleich für eine ganze Tafel.

An der gegenüberliegenden Zimmerwand, flankiert von hohen Regalen, stand der alte Fernseher. Dem Standbild nach zu urteilen, das auf der Mattscheibe prangte, durfte Heiland sich auf eine »Toni-Brenner-Produktion in prächtigem Technicolor« freuen.

Toni wer? Er rieb sich das Kinn. »Was genau sehen wir uns noch gleich an, Fräulein Dimpel?«

Die strenge Seele des Pfarrhauses reichte ihm eine uralt anmutende VHS-Kassettenhülle. Von deren Titelbild strahlten ihm zwei junge Menschen in knallbunten Sommerkleidern entgegen. Hinter dem Pärchen mit dem Zahnpastalächeln präsentierte das gezeichnete Cover noch eine Eisdiele mit pikiert wirkendem Kellner in weißem Livree sowie ein altes Spukschloss mit hohen Türmchen und allerlei Fahnen, die im Wind flatterten.

»Der Mörder lädt zum Tanzen ein«, las Dimpel vor, was auf der Hülle stand. »Das war Evis vielleicht größter Kassenerfolg. Dieser Film machte sie endgültig zum Engel von Babelsberg.«

»Babelsberg?« Heiland hob eine Braue. »Moment, liegt das nicht oben in Pr…«

Fräulein Dimpel unterbrach ihn, bevor er den Namen des Erzfeindlandes aussprechen konnte. »Das tut nichts zur Sache!«, verkündete sie in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Die Evi ist eine von uns!«

Heiland schmunzelte und widmete sich abermals der Hülle. Über dem Schloss und der Eisdiele hatte der unbekannte Künstler die Namen der beiden Hauptdarsteller verewigt. Doch »Evi Bachbichler« und »Ted White« sagten dem Pastor nichts, wenngleich letzterer Name mit Sicherheit ein Pseudonym war. Überhaupt schrie alles an der Optik dieser Kassette nach den frühen 1970er Jahren – von den Frisuren der Stars bis hin zum »prächtigen Technicolor«.

Heiland war kein Cineast. Gegen ein gutes Buch kam in seinen Augen nichts an, und er ahnte, dass ihn auch solch ein Oldie wie »Der Mörder lädt zum Tanzen ein« nicht vom Medium Film würde überzeugen können.

Dimpel griff zur Fernbedienung und startete die Aufnahme. Das Standbild wich einem quietschvergnügten Vorspann in Breitbildformat. Zwei Zeichentrickfiguren, die dem Paar auf der Hülle ähnelten, huschten durch die finsteren Gänge eines Geisterschlosses. Dazu ploppten luftballonförmige Schrifteinblendungen auf. Eine glockenhelle Frauenstimme sang einen mit zaghaften Beatklängen untermalten Gute-Laune-Schlager über die große Liebe und die Freuden eines heißen Sommers.

Herr, erbarme dich meiner, dachte Klaas Heiland, griff nach seinem Tee und ergab sich seinem grausamen Schicksal.

Die Handlung des Filmes hätte mühelos auf einer Hostie Platz gefunden und deren Rückseite auch noch komplett frei gelassen: Eine attraktive Mittzwanzigerin – Evi Bachbichler, so Fräulein Dimpels bereitwillige Auskunft – trat als quirlige »Carla« eine Gouvernantenstelle im Schloss eines Grafen an. Bei Tag plagte sie sich fortan mit den überraschend anstrengenden Kindern ihres komplett humorbefreiten Arbeitgebers, gespielt von niemand Geringerem als Gert Fröbe. Wenn der Abend kam, zog es Carla allerdings hi­nun­ter ins Dorf, wo die einheimische Jugend offenbar eine Party nach der anderen feierte. Dort lernte der zugereiste Rotschopf Carla – im Zuge allerlei sinnfreier Komplikationen – den charmanten Musiker Ted kennen, dem die Drehbuchautoren offenbar kurzerhand den Namen seines Darstellers verpasst hatten. Gemeinsam tanzten Carla und Ted sich da­rauf­hin durch einen ansichtskartenblauen Sommer. Ganz nebenbei lösten sie noch einen mysteriösen Mordfall auf dem Schloss des Grafen, der als B-Handlung wohl für ein wenig Thrill sorgen sollte, aber in etwa so spannend daherkam wie ein schlecht besuchter Häkelkurs im Sonntaler Frauenverein. Und nicht minder irrelevant.

Doch das Schlimmste blieben die Lieder. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit – und bei einigen mehr – legte die Story eine ausgiebige Musikpause ein. Ted White ließ dann die Stimmbänder und die jeansbedeckte Hüfte spielen, während um ihn he­rum noch der letzte Statist zu tanzen begann. Hin und wieder begleitete Carla ihren föhnfrisierten Beau sogar im Duett, wobei eine Szene in der örtlichen Eisdiele offenbar als musikalischer Höhepunkt des gesamten Films gedacht war.

»Das da«, sagte Fräulein Dimpel dann auch prompt, als die ersten Akkorde von »Ein Spaghetti-Eis für zwei« erklangen. »Das ist Evis größter Hit, Herr Pfarrer. Bis heute. Ach, diese Szene hat Filmgeschichte geschrieben! Herrlich, nicht wahr?«

Heiland hielt es da eher mit Eddie Arendt, der sich als spießiger Kellner Gino – angeklebter Schnurrbart, das Haar voller Pomade – über die Sangeskünste des jungen Pärchens beschwerte … und der zur Strafe prompt zwei Eisbecher ins Gesicht bekam.

Die Tortur dauerte mehr als achtzig Minuten und endete in einer großen Tanzeinlage auf Gert Fröbes Schloss. Auch dort wurde selbstverständlich gesungen, sogar der frisch gefasste Mörder stimmte vom Rücksitz des Streifenwagens aus ein.

Dann kam der Abspann.

»Dem Himmel sei Dank!«, murmelte Heiland. Erstaunt sah er, dass irgendjemand das komplette Gemüse aufgegessen hatte.

»Schön, nicht wahr?« Dimpel lehnte sich im Sitz zurück. »Hach, ich liebe Evis Filme. Es ist auch nur angemessen, dass wir uns gebührend auf sie vorbereiten, finden Sie nicht?«

Heiland, der immer noch ratlos auf den verschwundenen Imbiss starrte, hob das Kinn. »Vorbereiten?«

»Ja, sicher. Jetzt, wo der große Engel von Babelsberg doch tatsächlich mal hierherkommt …« Sie lächelte selig. »Wer hätte das gedacht? Der kleine Moritz holt uns die großen Stars nach Sonntal!«

Mit einem Mal war das Gemüse vergessen. »Meine Liebe, wovon in aller Welt reden Sie denn da? Weshalb mussten wir uns diesen Film anschauen?«

Dimpel sah ihn an wie eine Lehrerin ein begriffsstutziges Kind. Dann zog sie ein bunt bedrucktes Faltblatt aus der Kitteltasche. »Na, deswegen.«

Staunend studierte Heiland den Werbeflyer.

MORITZ MINDENFELD PRÄSENTIERT

HEIMART –DASFESTIVAL DES GUTEN ALTEN KINOS

ERSTMALIG UND EINMALIG

DIE GROSSE WELT DES LICHTSPIELS AN EINEM DER SCHÖNSTEN ORTE DEUTSCHLANDS

Dann folgten mehrere Fotos der Sonntaler »Sehenswürdigkeiten«: Marktplatz, Maibaum, Stausee, Waldrand. Zu guter Letzt lächelten Bürgermeister Mindenfeld und der Betreiber des lokalen Kinos in die Kamera.

GROSSER GALA-ABEND IM ROXY. STARGÄSTE:

REGIELEGENDE TONIBRENNER &EVIBACHBICHLER

»Ich hätte mir das ja nie träumen lassen«, schwärmte Dimpel. »Die Bachbichler höchstpersönlich, hier in meiner Heimat. Glauben Sie, sie kommt am Sonntag zum Hochamt?«

Heiland drehte den Flyer um und fand einen Programmplan. Tatsächlich, die Sause sollte schon in wenigen Tagen über die Bühne gehen. Erstaunlich, dass er jetzt erst davon hörte.

»Ein Filmfestival?«, wunderte er sich. »Ausgerechnet hier, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen?«

Dimpel schüttelte pikiert den Kopf. »Der kleine Moritz sagt, Kultur ist wichtig. Deswegen hat er sich ja auch für die Evi stark gemacht, sagt er. Und für Sonntal.«

Heiland kannte den örtlichen Bürgermeister, der in ihren Augen wohl immer ein Kind bleiben würde, noch nicht lange. Aber er wusste, wie gerne Moritz Mindenfeld Luftschlösser baute – und wie blind er war, wenn es da­rum ging, sie als solche zu erkennen.

»Regisseur und Hauptdarstellerin dieses Streifens kommen nach Sonntal?«, murmelte er und griff erneut nach der VHS-Hülle mit dem bunt gezeichneten Leinwandpaar. »Na, das kann ja was werden.«

Der Wind heulte ums alte Pfarrhaus, als wolle er die Worte unterstreichen. Klaas Heiland sah zum regennassen Wohnzimmerfenster, hinter dem die Nacht regierte. Gleich morgen früh, so beschloss er, würde er diesem Roxy mal einen Antrittsbesuch abstatten. Einfach aus Neugierde.

Der nächste Vormittag überraschte mit strahlend blauem Himmel. Geschickt wich Heiland ein paar Pfützen aus und steuerte seine Schritte auf den geteerten Hof des Sonntaler Kinos. Das Roxy lag ein wenig abseits, in einer Parallelstraße hinter dem gelben Rathaus, und war ein zweigeschossiger Altbau. Schmutzig weiße Außenmauern trafen auf vorsintflutlich anmutende Reklametafeln aus Neon und Plastik. Doch so verstaubt der Außenbereich auch wirkte, so verblüffend hübsch war das Innenleben des Gebäudes. Durch eine zweiflügelige Glastür gelangte man ins Foyer mit dem Kassenhäuschen und der kleinen Snackbar. Rote Teppiche bedeckten hier die Böden, und an den Wänden hingen kunstvolle Zierlampen mit goldener Lackierung und roten Applikationen. Eine geschwungene Jugendstil-Treppe führte ins Obergeschoss mit der Empore und der Kabine des Filmvorführers. Den Besuchern wiesen zwei breite Eingänge den Weg zum großen Saal mit seinen Plüschsesseln und der Leinwand, die ein roter Vorhang vor neugierigen Blicken bedeckte. Die Luft roch selbst zu der frühen Stunde schon nach Popcorn und gebrannten Mandeln – vermutlich tat sie das hier immer.

Heiland blieb im Eingang des Saales stehen und sah sich um. Er war zum ersten Mal im Sonntaler Kino und positiv überrascht. Die wenigen Provinzkinos, die er bislang gesehen hatte, waren kaum der Rede wert. Doch das Roxy mit seiner einen Leinwand gab sich spürbar Mühe, sich den Begriff »Theater« auch richtig zu verdienen.

»Morgen, Herr Pfarrer.«

Heiland drehte sich um. Ein Mann in seinem Alter kam die schmucke Treppe hi­nun­ter. Er trug einen Arbeitsoverall und hatte dünnes Haar. Heiland erkannte ihn sofort.

»Herr Bender. Ein schönes Kino haben Sie hier, wirklich. Das ist ein hübscher Rahmen für Ihr Festival.«

Erich Bender, der Besitzer des Roxy, brummte vielsagend. »Das ist nicht mein Festival. Ich bin hier nur der Vermieter. Wenn es nach mir ginge, könnten die ganzen Hochwohlgeborenen bleiben, wo der Pfeffer wächst.«

Heilands Mundwinkel zuckten. Bender war im Ort nicht gerade als Menschenfreund verschrien. »Aber Sie verdienen doch bestimmt nicht schlecht an der Veranstaltung, oder?«

Der Kinobetreiber zuckte mit den Schultern. »Zumindest behauptet Mindenfeld das.« Er verschwand im Kassenhäuschen und suchte nach irgendetwas unter der Theke.