Herr Heiland und der tote Herbergsvater - Johann Simons - E-Book

Herr Heiland und der tote Herbergsvater E-Book

Johann Simons

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Folge 8 - Herr Heiland geht auf große Fahrt: Der alljährliche Ausflug mit den Messdienern steht an. Und dann noch in eine abgelegene Jugendherberge - ein Graus! Wie viel lieber wäre Heiland auf seiner Sonntagskanzel ... oder sogar bei einer seiner Mordermittlungen. Ein Wunsch, der ihm leider viel zu schnell erfüllt wird: Der Herbergsvater Sigismund Grumpelmoser liegt im Gras - erschlagen! Doch von wem? Der wohlhabende Charmeur war allseits beliebt ...

Über die Serie: Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin, dem überambitionierten Bürgermeister und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen ...

Herr Heiland - ein himmlischer Cosy-Krimi für alle Fans von gemütlichen Ermittlungen.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 136

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsHerr Heiland – Die SerieÜber diese FolgeTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Über den AutorWeitere Titel des AutorsIn der nächsten FolgeImpressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.

Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!

Dein beTHRILLED-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Herr Heiland – Die Serie

Der gemütliche Dorfpastor Klaas Heiland wagt einen Neuanfang im bayrischen Touristenidyll Sonntal am See. Dabei muss er nicht nur mit seiner resoluten Haushälterin Fräulein Dimpel, dem überambitionierten Bürgermeister Moritz Mindenfeld und den eigenwilligen Traditionen der Sonntaler zurechtkommen: Nein, hier in der Provinz geben sich die Mörder die Klinke in die Hand! Und im Gegensatz zum sympathischen Dorfpolizisten Tobias Kern hat der friedliebende Heiland ein Talent zur Lösung von Kriminalfällen …

Über diese Folge

Herr Heiland geht auf große Fahrt: Der alljährliche Ausflug mit den Messdienern steht an. Und dann noch in eine abgelegene Jugendherberge – ein Graus! Wie viel lieber wäre Heiland auf seiner Sonntagskanzel … oder sogar bei einer seiner Mordermittlungen. Ein Wunsch, der ihm leider viel zu schnell erfüllt wird: Der Herbergsvater Sigismund Grumpelmoser liegt im Gras – erschlagen! Doch von wem? Der wohlhabende Charmeur war allseits beliebt …

JOHANN SIMONS

Kapitel 1

So schön, schön war die Zeit

Das Meer schlug gegen die Felsen, als wolle es sie vernichten. Dicke Regenwolken zogen über die einsame walisische Küste. Ein gnadenloser Wind hatte sie aufgepeitscht, und ihre Ladung war kalt wie Eis.

Timothy Smart stand an der Klippe, die das Land von den Weiten des wilden Ozeans trennte, und senkte den Blick. Selbst bei dieser unmenschlichen Witterung waren die scharfkantigen Felsen, die einige Meter unter ihm aus den Fluten ragten, noch deutlich zu erkennen. Sie wirkten mindestens so gnadenlos wie die See selbst, und sie waren viele.

Zu viele.

»Sie begehen einen großen Fehler«, versuchte Smart es erneut. Regen schlug ihm ins Gesicht, und der weite Trenchcoat klebte nass an seinem voluminösen Oberkörper. »Denken Sie doch nach, Mann! Sie können noch immer alles ändern. Nichts hiervon muss geschehen.«

Ein spöttisches Lachen erklang in Smarts Rücken. »Und da heißt es, Sie seien der beste Mann von Scotland Yard. Gar nichts lässt sich mehr ändern, Chief Inspector! Sie wissen Bescheid, schon vergessen? Sie kennen die Wahrheit, Smart! Und wenn Sie mir auf die Schliche kommen können, dann werden es auch andere schaffen.« Die Stimme wurde noch dunkler, ihr Tonfall noch fatalistischer. Der Mann, dem sie gehörte, duldete keinen Plan B. »Nein, Smart. Es muss sein. Wir beide werden es beenden, jetzt und hier. Indem wir uns beenden.«

Smart spürte einen leichten Stoß am Rücken, der vom Lauf der auf ihn gerichteten Pistole herrühren musste. Abermals schluckte der Inspector. Nicht nach unten schauen, sagte er sich, während er das Zittern in seinen Knien nach Kräften zu ignorieren versuchte. Bloß nicht nach unten schauen!

»Auf drei, einverstanden?«, forderte der Mörder hinter seinem Rücken. »Ich zähle, und auf drei springen Sie. Sobald Sie unten sind, folge ich Ihnen nach. Wir nehmen die Wahrheit mit ins Grab. Dann kann mir niemand mehr gefährlich werden.«

»Sie sind wahnsinnig!«, schimpfte Smart.

Der Mörder ließ ein Schnauben erklingen. »Wer nicht, Inspector? Wer ist das nicht?«

Einmal mehr hörte Timothy Smart das Rauschen des Meeres. Es klang gierig, lauernd und …

Klopf, Klopf, Klopf.

Klaas Heiland ächzte leise, als die walisische Küste verschwand. Eben noch hatte er sie vor sich gesehen, sturmumtost und geheimnisvoll. Nun aber löste sie sich einfach auf und nahm den Rest des Traumes mit.

Klopf, Klopf, Klopf.

Blinzelnd öffnete Heiland die Augen. Im ersten Moment fehlte ihm jegliche Orientierung. Warum war sein Bett derart unbequem? Seine Zehen hingen da unten ja völlig frei in der Luft! Und wo war der Kirchturm hin, den er normalerweise nachts vor seinem Fenster sah? Da draußen konnte der Pastor aktuell nur das blattreiche Geäst einer alten Buche erkennen – und eine nachtgraue Eule, die ihn nicht minder fragend ansah als er sie.

Klopf, Klopf, Klopf. »Herr Pfarrer?«

Das half. Dem dritten Klopfen war eine Kinderstimme gefolgt, und mit einem Mal kehrte die Orientierung zurück. Heiland begriff, dass er gar nicht zu Hause in seinem eigenen Bett lag, sondern in dieser elenden Jugendherberge. Außerdem begriff er, dass die Kinderstimme extrem besorgt klang.

Im Nu schwang er die Beine über die Bettkante und griff nach seinem Morgenmantel, der gleich neben der zwischen zwei Buchdeckel gepressten Inspiration seines Traumes – dem neuen Timothy-Smart-Krimi – auf einem Stuhl lag.

»Ich komme, Ella«, rief er und entschuldigte sich stumm bei Smart dafür, das Ende der spannenden Szene nicht direkt weiterträumen zu können. »Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«

Dann öffnete er der Kleinen die Tür. Ella Schäfer war neun Jahre alt und zählte zu den jüngsten Mitgliedern des Ministrantenteams von Sankt Hilarius. Aktuell trug sie einen Eiskönigin-Schlafanzug, das blonde Haar offen und eine aufgeregte Miene im Gesicht.

»Ich soll Sie wecken, Herr Pfarrer«, erklärte das Mädchen.

»Ach ja?«

Heiland sah zur Uhr auf seinem Nachttisch. Es ging auf Mitternacht zu. Wer in aller Welt verlangte denn ausgerechnet hier draußen im Nirgendwo nach einem nächtlichen Besuch des Dorfpfarrers von Sonntal am See? Es gab doch sicher einen eigenen Pfarrer unten in Fuchsbach und …

Dann begriff er, und mit einem Mal war ihm, als würden die Herberge, die Ministranten und alles andere an diesem unangenehmen Ausflug schon bald ebenso mühelos verblassen, wie es die Spuren des spannenden Traumes getan hatten.

Es geht wieder um Mord!, ahnte Heiland. Ein wohliges Kribbeln stieg in ihm auf, dass ihn fast – aber nur fast! – beschämte.

»Es ist etwas passiert, Herr Pfarrer«, bestätigte die kleine Schäfer auch prompt. »Fräulein Dimpel sagt, genau das soll ich Ihnen ausrichten. Genau diese Worte. Dann wüssten sie schon Bescheid.«

Erleichterung breitete sich in ihm aus, denn er ahnte sofort, was vorgefallen sein musste. Und angesichts der Umstände war ihm selbst ein Mord willkommen, bot er doch eine angenehme Abwechslung.

»Gott sei Dank«, murmelte er.

Und schämte sich prompt dafür.

Am Morgen davor

Es plätscherte leise, als der Obstler ins Glas floss. Klaas Heiland stand am Tresen des Gasthofs Zur stolzen Kaiserkrone und sah in den kristallklaren Birnenschnaps, als fände er darin alle Antworten, die er brauchte.

»So, da wären wir«, hörte er die Stimme seines Wirtes. Gerd Söhnchen plante offenbar voraus, denn er stellte die Flasche gleich neben das Glas. »Trinken Sie den, Herr Pfarrer. Der wird Ihnen guttun, wirklich.«

Heiland zögerte. Er war kein allzu großer Freund von Alkohol, erst recht nicht zu dieser frühen Stunde. Als Dorfpfarrer des idyllischen Örtchens Sonntal am See begegnete er dem »Geist aus der Flasche« eigentlich nur, wenn es sich während der Heiligen Messe in seinen Gabenkelch verirrte. Und Messwein war in allererster Linie süß, nicht stark. Söhnchens Obstler roch da schon ganz anders.

»Ich weiß nicht«, murmelte Heiland und hob den Blick. »Alkohol löst das Problem nicht. Das Problem steht nämlich dort draußen auf dem Dorfplatz, mein lieber Söhnchen, nicht hier an Ihrer Theke.«

Söhnchen lachte. Der stämmige Wirt trug an diesem Vormittag einen ärmellosen Trachtenjanker. Aus dem Kragen seines hellblauen Hemdes ragte ein Büschel grauer Brusthaare, die nicht ansatzweise so gnadenlos gezügelt wurden wie der sorgsam gezwirbelte Schnäuzer in seinem Gesicht.

»Ach, Herr Pfarrer«, winkte Söhnchen ab. »Wenn Sie lange genug in meiner Branche arbeiten, dann lernen Sie eins mit Sicherheit: Das Problem steht immer an der Theke. Nirgendwo sonst.« Er griff nach einem zweiten Schnapsglas und goss es ebenfalls randvoll. Dann hob er es prostend. »Ich leiste Ihnen Gesellschaft, einverstanden? Dann trinkt es sich meistens leichter – und ob Sie es nun glauben oder nicht: Sie brauchen diesen Schnaps. Ihre Nerven brauchen ihn. Das würde sogar ein Blinder Ihnen ansehen.«

Heiland fügte sich. Er nahm das Glas, ignorierte den strengen Alkoholduft nach Kräften, und führte es an die Lippen. »Na dann, Prost«, murmelte er. »Auf den Glauben.«

»Prost, dass d’Gurgel net verrost!«, bestätigte sein Gastgeber. Er klang amüsiert.

Es war Freitagmorgen in Sonntal am See. Die Turmuhr von Sankt Hilarius kroch auf die elfte Stunde zu. Heiland hingegen kroch auf dem Zahnfleisch. Seit Tagen graute es ihm schon vor diesem Termin, und nun war er gekommen – unerbittlich wie der Wal zu Jona. Eine Messdienerfahrt ins ehemalige Landschulheim war das Letzte, was sich der friedliebende Pastor unter einem entspannten Wochenende vorstellte. Doch genau das stand ihm aktuell ins Haus, und der dazugehörige Reisebus stand sogar schon draußen vor der Kirche. Kein Wunder, dass Söhnchen das frisch geleerte Schnapsglas gleich wieder füllen wollte.

»Noch einen, Herr Pfarrer«, beharrte der Wirt, als er Heilands zweifelnde Miene bemerkte. »Auf einem Bein kann man nicht stehen.«

»Ich hoffe, das muss ich auch gar nicht«, meinte Heiland. Der Schnaps brannte zwar in seinem Rachen, wärmte seinen Brustkorb allerdings auf überraschend angenehme Weise. »Die nächsten zwei Stunden werde ich nämlich sitzen.«

So lange dauerte die Fahrt angeblich. Fuchsbach hieß die Gemeinde, wohin die Reise ging, und wie Heiland inzwischen gelernt hatte, war sie den Ministranten von St. Hilarius bestens vertraut. Schon seit ganzen Generationen kannten die hiesigen Messdienerfahrten kein anderes Ziel als den dortigen »Beherbergungsbetrieb Sigismund Grumpelmoser« – ein Landschulheim am Fuße der Alpen, das man in den 1950er Jahren zur Jugendherberge umfunktioniert hatte. Die Sonntaler schworen auf ihren Sigismund, so hieß es, der zu den bekanntesten und wohlhabendsten Unternehmern seiner Gegend zählte. Und die Lage der Jugendherberge Grumpelmoser sei auch ideal für Tagesausflüge in und Wanderungen durch die Umgebung. Alles, was man zudem noch für eine gelungene Fahrt benötige, sei gutes Wetter, und das habe der Herrgott seinen Hilarius-Dienern noch jedes Jahr geschenkt.

»Vor allem werden Sie mal etwas anderes sehen«, beharrte Söhnchen. »Ein wenig Abwechslung schadet niemandem, Herr Pfarrer. Prosit!«

Auch das sah Heiland anders. Er war kein Freund von Abwechslung, noch weniger als von Alkohol. Was war denn falsch an der guten alten Gemütlichkeit? Warum durfte man nicht mit dem zufrieden sein, was man hatte und vor allem mochte? Seit über sechzig Jahren wandelte Heiland nun schon auf Erden, und er glaubte, inzwischen ganz genau erkannt zu haben, was ihm gefiel und was nicht. Entsprechend gern umgab er sich mit genau diesen Dingen, idealerweise sogar nur mit ihnen. Und doch: Für den Großteil der Menschheit schien Alltag ein unerträglicher Zustand zu sein, dem man bei jeder sich bietenden Gelegenheit entfloh.

Dabei ist so ein Alltag ganz wunderbar, dachte der Geistliche und setzte – etwas weniger widerwillig, zugegeben – auch den zweiten Obstler an die Lippen. Man muss ihn sich nur gut zu gestalten wissen.

Zum Beispiel mit guter Lektüre. Und mit gutem Essen. Und mit …

»Servus, Herr Schmitzbauer«, erklang eine Stimme rechts von ihm.

Heiland erschrak so sehr, dass er sich verschluckte. »G… Guten Morgen.« Ein kleiner Hustenanfall trieb ihm kurz Tränen in die Augen – oder lag das an diesem herrlichen Obstler? –, und danach erkannte er die kleine Gestalt, die auf der Schwelle zwischen dem Schankraum und dem großem Saal der Gaststätte erschienen war.

Xaver Hufnagl war in Sonntal am See als Küster und Leiter des Kirchenchores aktiv. Außerdem war er ein wenig speziell, sogar für hiesige Verhältnisse. Der wortkarge Kahlkopf trug selbst während des Sonntagshochamts noch seine blauen Arbeitskittel, aus deren Taschen diverse Werkzeuge ragten. Obwohl der von der Ostsee her versetzte Heiland nun schon seit Monaten Teil der Gemeinde war, sprach Hufnagl ihn noch immer mit dem Namen seines pensionierten Amtsvorgängers an. Das schien ohne jede böse Absicht zu geschehen, reine Gewohnheit.

Ungewohnt war allerdings die kleine Kiste in Hufnagls Händen. Sechs bauchige Flaschen Bier standen darin, und auf jeder einzelnen prangte dasselbe Markenlogo wie auf Gerd Söhnchens Zapfhähnen.

»Ah, der Proviant!« Söhnchen kam um die Theke herum und half dem Küster beim Tragen. »Natürlich. Die Kiste soll raus in den Bus, Xaver, ja?«

»Mhm.« Hufnagl nickte. »Freilich.«

Der Wirt sah zu Heiland. »Unser guter Xaver nimmt jedes Jahr eine Kiste aus meinen Vorräten mit nach Fuchsbach. Weil das dortige Bier nicht schmeckt, sagt er.«

»Plörre«, brummte der Kahle verächtlich.

Söhnchen wirkte beinahe stolz. »Xaver weiß eben, was gut ist.«

»Andere nehmen frische Socken mit«, so Hufnagl gelassen. »Ich eben Wichtigeres.«

Dann lachte er kurz, und Söhnchen stimmte mit ein.

Das ungleiche Duo verließ den Schankraum der stolzen Kaiserkrone und trat ins Freie. Heiland stellte sein bedauernswert leeres Schnapsglas auf den Tresen, dann folgte er ihnen.

Über dem Dorfplatz, der direkt vor dem Gasthaus begann, strahlte die Sonne. Der Brunnen plätscherte friedlich, und ein sanfter Wind ließ die blau-weißen Fahnen vor dem gelben Rathaus wehen. Am Kiosk stand Jakob Billen, dem der ortsnahe Bauernhof gehörte, und blätterte in einer Sportzeitschrift. Auf den Eingangsstufen der Bäckerei Bais unterhielten sich Margarethe Schönbach und Schuldirektorin Jenny Jessen. Alles wirkte wie immer, wäre da nicht der rotbraune und doch arg betagte Reisebus gewesen, der mitten auf dem Platz hielt. Schöne Zeit stand in gelben Lettern auf seinen Seiten – ein in Heilands Augen unhaltbares Versprechen, zumindest unter diesen Umständen.

Das ältliche Gefährt hatte sämtliche Türen geöffnet, und schon von Weitem konnte Heiland das fröhliche Krähen der Kinder hören, die darin auf ihren Plätzen saßen und warteten. Nicht minder fröhlich klang das Geplauder der dazugehörigen Eltern und Großeltern. Der Großteil von ihnen hatte zwischen Kiosk und Lädchen Station bezogen und winkte bereits zum Abschied, während ein paar Nachzügler-Väter noch immer damit beschäftigt waren, die Koffer und Rucksäcke ihrer Sprösslinge im Gepäckfach an der Seite des Busses unterzubringen. Heiland staunte nicht schlecht, wie viele Taschen so wenige Kinder zusammenbrachten. Auch Hufnagls Proviantflaschen wanderten in den Bauch des Busses. Niemand schien sich an ihnen zu stören.

»Hier, Tobias«, kam plötzlich eine vertraute Stimme von weiter oben. »Hier entlang.«

Fräulein Elvira Dimpel, die mit strenger Hand Heilands pastoralen Haushalt führte, war neben Heiland und dem Küster die dritte Aufsichtsperson des Wochenendes. Sie kam gerade den Weg vor der Kirche hinabspaziert – dicht gefolgt von Tobias Kern. Der frischgebackene Dorfpolizist trug die Koffer der rüstigen Dame, und deren Gewicht schien ihn ganz schön ins Schwitzen zu bringen.

»So ist es recht«, lobte Dimpel, als sie ihr Ziel erreicht hatten. Die Väter machten nur zu gerne für sie und den Beamten Platz. »Stell sie einfach hier ab, das ist nett. Der liebe Herr Zavlakis erledigt dann sicher den Rest.«

»Klare Sache, Fräulein Elvira«, rief der Angesprochene.

Leonard Zavlakis stieg aus dem Bus, wo er hinter dem Lenkrad gesessen hatte, nahm dem dankbaren Kern die Koffer ab und hievte sie ebenfalls noch in den Stauraum unten im Bus. Dann winkte er Heiland zu, der nach wie vor auf den Stufen der stolzen Kaiserkrone stand. »Guten Morgen, Herr Pfarrer. So sieht man sich wieder, was?«

Als gäbe es nur einen einzigen Fahrer weit und breit, dachte Heiland und winkte zurück. Kleine Welt.

Obwohl: Vielleicht stimmte das sogar.

»Verzeihung, Herr Pfarrer?«

Heiland drehte den Kopf zur Seite. Miriam Bosbichler kam auf ihn zu. Die Mittdreißigerin gehörte zum Kirchenchor und war Mutter eines seiner Ministranten. Außerdem war sie in Heilands Augen päpstlicher als der Papst.

»Ja, bitte?«, fragte er. »Kann ich Ihnen helfen?«

Bosbichler hielt einen rechteckigen Lederbeutel in Händen, der größer war als das dicke Evangelium auf Heilands Altar. Und schwerer, wie der Pastor feststellte, als die junge Mutter ihn ihm aufdrängte.

»Hier«, sagte Bosbichler. »Das sind die Medikamente für unseren Paul. Sie wissen ja, wie kränklich er ist. Geben Sie ihm einfach jeden Morgen die Tabletten aus der gelben Schachtel, jeden Mittag die aus der grünen und dann kurz vorm Schlafengehen den Saft aus der weiß-orange gestreiften Flasche. Nicht den aus der weiß-ockerfarbenen, der ist nur für Notfälle und kann zu allergischen Reaktionen führen. Aber …«

Heiland hob entsetzt eine Hand. »Medikamente? Ich fürchte, Sie sind falsch informiert, meine Liebe. Die Kinder achten selbst auf ihre Medizin – zumindest ist das meines Wissens genau so kommuniziert worden. Wo das nicht geht, kann das betroffene Kind leider nicht an der Fahrt teilne…«

Auch er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Fräulein Dimpel fiel ihm ins Wort.