Hostage - Entführt - Robert Crais - E-Book

Hostage - Entführt E-Book

Robert Crais

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Beschreibung

Jeff Talley war Verhandlungsführer bei der Sondereinheit SWAT in L.A. - bis eine der Geiselbefreiungen blutig endete. Seitdem hat er sich als Polizeichef in ein Provinznest zurückgezogen. Als ein Überfall dreier Jugendlicher schiefgeht, geraten Talleys Frau und seine Tochter in höchste Gefahr. Um seine Familie aus den Fängen der gnadenlosen Entführer zu retten, muss der Ermittler sich seiner Vergangenheit stellen. Und es bleiben ihm nur fünfzehn Stunden …

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Robert Crais

Hostage – Entführt

Roman

Zum Buch

Jeff Talley war Verhandlungsführer bei der Sondereinheit SWAT in L.A. - bis eine der Geiselbefreiungen blutig endete. Seitdem hat er sich als Polizeichef in ein Provinznest zurückgezogen. Als ein Überfall dreier Jugendlicher schiefgeht, geraten Talleys Frau und seine Tochter in höchste Gefahr. Um seine Familie aus den Fängen der gnadenlosen Entführer zu retten, muss der Ermittler sich seiner Vergangenheit stellen. Und es bleiben ihm nur fünfzehn Stunden …

Zum Autor

Robert Crais, 1953 geboren, begann seine Karriere als Drehbuchautor für das amerikanische Fernsehen und wurde unter anderem mit dem Emmy ausgezeichnet.1980 beschloss er, sich ganz dem Schreiben von Romanen zu widmen. Crais wurde mit zahlreichen namhaften Preisen ausgezeichnet (u. a. mit dem Edgar Award und dem Anthony Award), seine Thriller erscheinen in 42 Ländern und belegen regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten. Robert Crais lebt mit seiner Frau, drei Katzen und Tausenden von Büchern in den Bergen von Santa Monica, Kalifornien.

Lieferbare Titel

978-3-641-11302-5 - Straße des Todes

978-3-641-13721-2 - Gesetz des Todes

978-3-641-15806-4 - Unter Verdacht

978-3-641-16289-4 - Stunde der Rache

Die Originalausgabe Hostage erschien bei Doubleday/Random House Inc., New York 

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Copyright © 2001 by Robert Crais 

Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673

Redaktion: Rainer Michael Rahn

Umschlaggestaltung: Robert Schober, München, unter Verwendung eines Motivs von © Arcangel/ Stephen Carroll, Shutterstock/ Anne Kitzman/ VladimirCeresnak/ Knumina Studios

ISBN: 978-3-641-16292-4V001

www.heyne.de

www.randomhouse.de

Für Frank, Toni, Gina, Chris und Norma.Und für Jack Hughes, der unser Leben bereichert hat.Für zwanzig Jahre voller Lachen und Freundschaft –

Inhaltsverzeichnis

CopyrightWidmungPrologERSTER TEIL - Die Avocado-Plantage
1
Dennis RooneyJunior Kim, Jr.Margaret Hammond, ZeuginDennisOfficer Mike Welch, Streifenpolizist in Bristo CaminoDennisJennifer SmithMike Welch
2
Jeff TalleyJenniferTalleyJennifer
3
TalleyJenniferTalley
4
DennisJennifer
5
Glen HowellSonny Benza
ZWEITER TEIL - Die Fliege
6
TalleyDennisTalleyTalleyGlen Howell
7
Marion Clewes
8
TalleyDennisJenniferDennisMarion Clewes
9
TalleyThomasDennisThomasTalleyThomasDennisTalleyThomas
10
Sonny Benza
11
Vic Castellano
12
TalleyKen Seymore
13
Jane
14
TalleyJennifer
15
TalleyDennisTalley
16
TalleyDennisKen Seymore
DRITTER TEIL - Der Kopf
17
Mikkelson und Dreyer
18
Glen Howell
19
TalleyThomasTalleyDennisThomasDennisThomasTalley
20
ThomasTalleyThomas
21
Marion ClewesTalley
22
DennisTalleyKevinTalley
VIERTER TEIL - Taktik
23
TalleyDennisThomasJenniferDennisThomas
24
MarsThomasTalleyMarsTalley
25
TalleyKen SeymoreGlen HowellTalley
26
TalleyGlen HowellPalm Springs
27
TalleyDuane ManelliTalleyGlen HowellMarion ClewesTalleyMarion ClewesTalley
28
Sonny BenzaVic CastellanoSonny Benza
FÜNFTER TEIL - Die Avocado-Plantage
29
Talley
Leseprobe

Prolog

Der Mann da drin würde sich umbringen. Als er sein Telefon in den Hof warf, war Talley klar: Der hat mit seinem Leben abgeschlossen. Sechs Jahre war Sergeant Jeff Talley jetzt Chefunterhändler in Krisensituationen beim Sondereinsatzkommando der Polizei von Los Angeles. Er wusste, dass verzweifelte Menschen sich oft in Symbolen ausdrücken. Und dieses Symbol war eindeutig: Es gab nichts mehr zu sagen. Talley befürchtete, der Mann würde sich umbringen oder die Polizei zwingen, ihn zu töten. Man nannte es: Selbstmord durch Polizeieinsatz. Talley glaubte, es sei seine Schuld.

»Ist seine Frau endlich aufgetaucht?«

»Nein, aber wir suchen weiter.«

»Suchen hilft nichts, Murray. Nach dem, was passiert ist, muss ich ihm was bieten.«

»Es ist nicht Ihre Schuld.«

»Doch. Ich hab’s verbockt, und der Mann dreht gleich durch.«

Talley hockte mit dem Leiter des Einsatzkommandos, Lieutenant Murray Leifitz, hinter einem gepanzerten SEK-Fahrzeug. Auch er war Murrays Weisungen unterstellt. Während Talley mit George Donald Malik übers Krisentelefon – Maliks einziger Verbindung zur Außenwelt – verhandelte, saß ihm sein Chef also buchstäblich im Nacken. Jetzt, wo Malik sein Telefon in den Hof geworfen hatte, konnte Talley nur noch das Megafon benutzen. Oder unter vier Augen verhandeln. Er mochte den Lautsprecher nicht, denn er verzerrte seine Stimme, ließ sie grell und hart erscheinen und machte den Kontakt unpersönlich. Dabei war doch gerade die Illusion eines persönlichen Vertrauensverhältnisses wichtig, gewissermaßen das A und O. Talley schnallte sich eine kugelsichere Weste um.

Malik schrie mit schriller, verkrampfter Stimme durchs zerbrochene Fenster.

»Ich bring den Köter um! Ich bring ihn um!«

Leifitz spähte hinter Talleys Rücken zum Haus hinüber. Bis jetzt hatte Malik nichts von einem Hund gesagt.

»Nanu – hat er da drin einen Hund?«

»Was weiß ich? Ich versuch nur, den Schaden in Grenzen zu halten. Fragen Sie die Nachbarn. Besorgen Sie mir den Namen.«

»Wenn er abdrückt, stürmen wir, Jeff. Da haben wir keine Wahl.«

»Ruhig Blut. Besorgen Sie mir erst mal den Namen des Hundes.«

Leifitz zog sich geduckt zurück, um mit Maliks Nachbarn zu sprechen.

George Malik war ein arbeitsloser Anstreicher, hoch verschuldet, von seiner Frau mehrfach und in aller Öffentlichkeit betrogen, obendrein krebskrank. Vor vierzehn Stunden, um 02:12, hatte er über die Köpfe zweier Streifenpolizisten, die wegen Ruhestörung bei ihm geklingelt hatten, einen Schuss abgefeuert. Dann hatte er die Tür verbarrikadiert und gedroht, sich umzubringen, wenn seine Frau nicht mit ihm sprechen wolle. Die Polizisten hatten von den Nachbarn erfahren, Maliks Frau Elena habe das Haus mit dem neunjährigen Brendan, dem einzigen Kind der Eheleute, verlassen. Während die Polizei nach Elena suchte, hatte Malik in immer kürzeren Abständen gedroht, er werde sich umbringen, bis Talley überzeugt war, gleich erschieße er sich wirklich. Als ihm gemeldet worden war, Elenas Schwester habe offenbar eine zuverlässige Angabe über den Aufenthaltsort von Ehefrau und Sohn gemacht, hatte Talley es drauf ankommen lassen und Malik gesagt, man habe Elena gefunden. Das war sein Fehler gewesen. Er hatte eine Grundregel des Krisengesprächs verletzt: Er hatte gelogen. Und er war dabei ertappt worden. Er hatte ein Versprechen gegeben, es aber nicht halten können. So hatte er die Vertrauensillusion zerstört, die er zuvor aufgebaut hatte. Das war jetzt zwei Stunden her, und eben hatte er erfahren, dass Maliks Frau noch immer nicht gefunden worden war.

»Ich bring den Köter um! Das ist ihr Köter, und ich schieß ihm in den Kopf, wenn sie jetzt nicht mit mir spricht!«

Talley kam aus seiner Deckung. Seit elf Stunden war er schon vor Ort. Er hatte einen dicken Schweißfilm auf der Haut, ihm dröhnte der Kopf, und sein Magen war von zu viel Kaffee und Stress ganz verkrampft. Er ließ seine Stimme normal und dabei zugleich besorgt klingen.

»George – ich bin’s, Jeff. Drücken Sie nicht ab, ja? Wir wollen keinen Schuss hören.«

»Du Lügner! Du hast gesagt, meine Frau spricht mit mir!«

Das Haus war klein und staubgrau verputzt. Links und rechts der Eingangstür befand sich je ein Flügelfenster, und entlang der Vorderfront verlief eine schmale Veranda. Die Tür war verrammelt, und vor den Fenstern hingen dicke Vorhänge. Das linke Fenster war zerbrochen, als Malik das Telefon rausgeworfen hatte. Gut zwei Meter rechts von der Veranda kauerte ein fünfköpfiges SEK-Team an der Wand und wartete darauf, die Haustür zu stürmen. Malik war nicht zu sehen.

»Hören Sie, George – ich hab gesagt, wir haben sie gefunden, und das will ich erklären. Ich hab mich geirrt. Hier draußen ist was durcheinander geraten, und ich hab eine falsche Information bekommen. Aber wir suchen weiter, und wenn wir sie finden, sorgen wir dafür, dass sie mit Ihnen spricht.«

»Du hast vorhin gelogen, und jetzt lügst du schon wieder. Du lügst, um diese Kröte zu schützen, und das mach ich nicht mit. Ich erschieß ihren Köter, und dann blas ich mir das Hirn aus dem Schädel.«

Talley wartete ab. Es war wichtig, ruhig zu erscheinen und Malik die Gelegenheit zu geben, Dampf abzulassen. Beim Reden wurde Stress abgebaut. Wenn es Talley gelang, Maliks Stressniveau zu senken, kamen sie vielleicht über den Berg und aus dieser verfahrenen Situation heraus.

»Lassen Sie den Hund leben, George. Egal, was zwischen Ihnen und Ihrer Frau passiert ist – lassen Sie es nicht an dem Tier aus. Ist das auch Ihr Hund?«

»Keine Ahnung, wessen Köter das ist. Sie hat immer gelogen, also da vermutlich auch. Die ist schon als Lügnerin auf die Welt gekommen. So wie du.«

»George, bitte – ich hab mich geirrt, aber ich hab nicht gelogen. Ich hab einen Fehler gemacht. Ein Lügner würde das nicht zugeben, doch ich will ehrlich zu Ihnen sein. Und ich hab auch einen Hund. Was haben Sie denn für einen?«

»Ich glaub dir nicht. Du weißt genau, wo sie ist, und wenn du sie nicht dazu bringst, mit mir zu reden, erschieß ich den Köter.«

Menschen können so tief in die dunklen Gletscherspalten der Verzweiflung stürzen, dass sie darin zerquetscht werden wie unter dem Gewicht des Wassers am Meeresgrund. Talley hatte oft gehört, wie dieser Überdruck die Stimme verzerrt. Jetzt hörte er es wieder – Malik wurde gerade zerquetscht.

»Durchhalten, George! Sie spricht bestimmt mit Ihnen.«

»Warum macht sie dann nicht den Mund auf? Warum sagt sie nicht irgendwas? Mehr muss sie doch nicht tun!«

»Wir kriegen das hin.«

»Sag was!«

»Wir kriegen das hin, hab ich gesagt.«

»Sag was, oder ich erschieß den Köter!«

Talley atmete tief ein und dachte nach. Was Malik da redete, verwirrte ihn. Talley hatte laut und deutlich gesprochen, doch Malik verhielt sich, als habe er ihn nicht gehört. Wahrscheinlich war er völlig durchgedreht oder würde gleich in eine Psychose abgleiten.

»George, ich kann Sie nicht sehen. Kommen Sie ans Fenster, damit ich Sie sehe.«

»Hör auf, mich anzustarren!«

»George, kommen Sie bitte ans Fenster!«

Talley bemerkte, dass Leifitz sich von hinten wieder dem SEK-Fahrzeug näherte. Jetzt waren die beiden kaum einen Meter voneinander entfernt, Leifitz in Deckung, Talley ungeschützt.

Er fragte leise: »Wie heißt der Hund?«

Leifitz schüttelte den Kopf. »Die Nachbarn sagen, er hat keinen.«

»Mach jetzt dein Maul auf, oder ich knall den Köter ab!«

Da fiel bei Talley der Groschen, und der Schweiß brach ihm aus. Er begriff plötzlich, dass diesmal er einer Täuschung erlegen war. Die Polizisten hatten Maliks Frau nicht gefunden, weil sie im Haus war. Die Nachbarn hatten sich geirrt. Maliks Frau war die ganze Zeit drin gewesen. Und der Junge auch.

»Murray, lass stürmen!«

In diesem Moment drang ein Peitschenknall durchs Haus. Der zweite Schuss ging los, als das SEK-Team die Eingangstür aufbrach.

Talley rannte hinterher und fühlte sich eigenartig schwerelos. Später konnte er sich nicht mehr erinnern, dass er auf die Veranda gesprungen und durch die Haustür gelaufen war. Malik lag reglos und wie festgenagelt am Boden. Man hatte ihm Handschellen angelegt, obwohl er schon tot war. Seine Frau lag ausgestreckt auf dem Sofa im Wohnzimmer – sie war seit mehr als vierzehn Stunden tot. Zwei Männer vom SEK versuchten, die Blutfontäne zu stoppen, die Maliks neunjährigem Sohn aus der Halsschlagader schoss. Einer von ihnen schrie nach Unfallsanitätern. Die aufgerissenen Augen des Jungen suchten das Zimmer ab, als wollten sie einen Grund für das Geschehen finden. Sein Mund öffnete und schloss sich, öffnete und schloss sich. Seine Haut verlor rasch an Farbe und schien zu leuchten. Seine Augen blieben an Talley hängen, der neben ihm kniete und die Hand auf den Oberschenkel des Jungen legte. Talley sah ihm unverwandt in die Augen und erlaubte sich keinen Wimpernschlag. Das war der einzige Trost, den er Brendan Malik geben konnte, der vor seinen Augen starb.

Nach einer Weile setzte Talley sich raus auf die Veranda. Ihm dröhnte der Kopf, als sei er verkatert. Auf der anderen Straßenseite liefen Polizisten zwischen ihren Autos hin und her. Talley zündete sich eine Zigarette an, ließ die letzten elf Stunden Revue passieren und suchte nach Anhaltspunkten, die ihm hätten sagen können, was wirklich los gewesen war. Er konnte keine finden. Vielleicht hatte es tatsächlich keine gegeben, aber das glaubte er nicht. Er hatte es verbockt. Er hatte Fehler gemacht. Der Junge war die ganze Zeit im Haus gewesen – eingerollt zu Füßen seiner ermordeten Mutter wie ein treuer Hund.

Murray Leifitz legte ihm die Hand auf die Schulter und schickte ihn nach Hause.

Jeff Talley war seit dreizehn Jahren beim SEK der Polizei von Los Angeles, die letzten sechs Jahre als Unterhändler in Krisensituationen. Gerade war sein dritter Einsatz innerhalb von fünf Tagen zu Ende gegangen.

Er versuchte, sich die Augen des Jungen zu vergegenwärtigen, aber er hatte schon vergessen, ob sie braun oder blau waren.

ERSTER TEIL

1

Bristo Camino, KalifornienFreitag, 14:47

Dennis Rooney

Es war einer dieser glutheißen Tage. In den Vorstädten nördlich von Los Angeles war die Luft so trocken, als atmete man Sand. Die Sonne brannte auf ihrer Haut wie Feuer. Sie aßen Hamburger aus dem Drive-in und fuhren in Dennis’ rotem japanischen Pick-up durch die Gegend. Den hatte er einem Bolivianer für 600 Dollar abgekauft, den er zwei Wochen vor seiner Verhaftung bei der Arbeit auf einer Baustelle kennen gelernt hatte. Vor elf Tagen war der 22-jährige Dennis Rooney aus dem Antelope-Valley-Gefängnis entlassen worden, das die Insassen Ant Farm nannten. Er saß am Steuer, sein jüngerer Bruder Kevin in der Mitte, ein Kerl namens Mars auf dem Beifahrersitz. Dennis kannte Mars erst seit vier Tagen.

Ein paar Stunden später, als Dennis immer wieder verzweifelt überlegte, was er nun tun sollte, kam er zu der Auffassung, dass es nicht die sengende Hitze gewesen war, die ihn auf die Idee gebracht hatte, ein Verbrechen zu begehen. Sondern Angst. Angst, etwas Besonderes zu verpassen, das auf ihn wartete. Angst, dieses Besondere werde einfach hinterm Horizont und aus seinem Leben verschwinden. Dieses Besondere – seine einzige Chance, etwas aus sich zu machen.

Dennis beschloss, sie sollten den Minimart überfallen.

»Wisst ihr was! Wir überfallen den Minimart am anderen Ende von Bristo. Den an der Straße nach Santa Clarita.«

»Ich dachte, wir wollen ins Kino?«

Typisch Kevin. Und dazu sein Angsthasengesicht – weit hochgezogene Brauen, Glotzaugen, zitternde Lippen. Viele stellen sich ihr Leben als Film vor. Dennis sah sich in der Rolle des grübelnden Außenseiters – genau der Typ, auf den die heißesten Mädchen scharf waren. Aber sein Bruder war ein Waschlappen, der ihn nur blockierte.

»Meine Idee ist besser, Angsthase. Wir gehen danach ins Kino.«

»Du bist gerade erst von der Ant Farm zurück, Dennis. Willst du gleich wieder einsitzen?«

Dennis schnippte seine Zigarette aus dem Fenster und begutachtete sich im Seitenspiegel, ohne auf Funken und Asche zu achten, die ihm der Fahrtwind entgegenwehte. Er sah sich als einen Mann mit leidenschaftlichen, tief liegenden, gewitterfarbenen Augen, markanten Wangenknochen und sinnlichen Lippen. Wenn er sich musterte – und das tat er oft –, wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sein Schicksal sich erfüllen und das Besondere, das auf ihn wartete, in sein Leben treten würde. Dann wäre Schluss mit den lausig bezahlten Jobs, und er müsste nicht mehr mit seinem feigen Bruder Kevin in einer runtergekommenen Wohnung hausen.

Dennis rückte seinen Revolver in der Hosentasche zurecht und sah dann zu Mars rüber.

»Was meinst du?«

Mars war ein Schrank – breite Schultern, starke Hüften. Er trug Glatze und hatte ein Tattoo auf dem Hinterkopf: BURN IT. Dennis hatte ihn auf der Baustelle kennen gelernt, auf der er mit Kevin tageweise arbeitete. Mars’ Nachnamen kannte er nicht. Er hatte nicht danach gefragt.

»Also – was meinst du?«

»Fahren wir doch mal gucken.«

Damit war die Sache klar.

Die Tankstelle mit dem Minimart lag in der Flanders Road, einer breiten Ausfallstraße, die einige teure Wohngegenden miteinander verband. Vier Zapfsäulen umgaben einen bunkerartigen Laden, in dem es Toilettenartikel, Getränke aller Art und viele Kleinigkeiten für den täglichen Gebrauch gab. Dennis hielt an der Rückseite des Gebäudes, damit man sie von drinnen nicht sehen konnte. Beim Runterschalten machte der Pick-up Zicken – das Getriebe war ziemlich hinüber.

»Sieh dir das an – nichts los. Prima.«

»Mensch, Dennis, bau keinen Mist. Die schnappen uns.«

»Mach dir nicht in die Hose – ich geh nur mal gucken.«

Bis auf einen schwarzen Kombi, der gerade tankte, und zwei Fahrräder vor der Ladentür war das Grundstück leer. Dennis’ Herz schlug laut, und seine Unterarme waren feucht – trotz der furchtbaren Hitze, die ihm die Spucke im Mund verdunsten ließ. Er war nervös, auch wenn er das nicht zugegeben hätte. Gerade aus der Ant Farm entlassen, wollte er nicht schon wieder einsitzen. Aber wie sollten sie denn geschnappt werden? Was konnte hier schon schief gehen? Ein dumpfer Drang riss ihn mit, und Widerstand war zwecklos.

Kalte Luft schlug Dennis entgegen, als er den Laden betrat. Zwei Kinder standen vor dem Zeitschriftenregal am Eingang. Ein fetter Chinese saß weit nach vorn gebeugt hinterm Kassentresen. Nur sein Kopf ragte über die Tischplatte. Wie ein Frosch, der in einer Schlammpfütze auf Tauchstation gegangen ist.

Die Verkaufsfläche bestand aus zwei Regalzeilen und einer Kühltruhe voll Bier, Joghurt und Cola. Plötzlich befielen Dennis Zweifel. Vielleicht sollte er Mars und Kevin erzählen, hinterm Tresen säße eine ganze Horde Chinesen? So käme er darum herum, den Laden zu überfallen. Aber er verwarf diesen Gedanken und schlenderte an der Kühltruhe entlang und durch die zweite Regalzeile zum Eingang zurück, um sich zu vergewissern, dass niemand sonst im Geschäft war. Sein Herz klopfte stark, denn er wusste, er würde es tun – er würde diesen Saftladen überfallen. Als er wieder zum Pick-up ging, fuhr der Kombi weg. Dennis hielt auf die Beifahrertür zu. Auf Mars.

»Da drin sind nur zwei Kinder und ein fetter Chinese. Der sitzt hinterm Tresen.«

»Koreaner«, sagte Kevin.

»Häh?«

»Auf dem Ladenschild steht ›Kim‹. Das ist ein koreanischer Name.«

Typisch Kevin. Immer eine Klugscheißerei parat. Dennis hätte ihm am liebsten eine verpasst. Stattdessen zog er kurz sein Hemd hoch und ließ den Griff seiner Pistole sehen.

»Das ist doch wohl egal, Kevin. Der Chinese macht sich in die Hose, wenn er die sieht. Ich muss sie gar nicht erst ziehen. Dreißig Sekunden, und wir sind weg. Der muss sich erst trockenlegen, bevor er die Bullen ruft.«

Kevin wand sich – mal wieder ein Feigheitsanfall. Seine Augen tanzten nervös herum wie Bohnen in heißem Fett.

»Bitte, Dennis! Was gibt’s hier schon zu holen? Höchstens ein paar hundert Dollar. Gehen wir doch ins Kino!«

Dennis dachte, dass er womöglich weitergefahren wäre, wenn Kevin nicht so gejammert hätte. Aber nein – der musste ja wieder den Hasenfuß raushängen lassen und ihn damit unter Zugzwang setzen.

Mars beobachtete die beiden. Dennis spürte, wie er rot wurde, und fragte sich, was Mars von ihm hielt. Der war wirklich ein Brocken – massig und ruhig, wachsam und wie ein Fels in der Brandung. Schon auf der Baustelle war Dennis aufgefallen, dass Mars die Leute eingehend betrachtete und taxierte. Immer wieder beobachtete Mars Unterhaltungen. Zum Beispiel als zwei Mexikaner einen dritten breitschlugen, mit ihnen zusammenzulegen, um ein paar Maispasteten zu kaufen. Mars war stets der unbeteiligte und überlegene Beobachter, als liege das Leben der anderen seit ihrer Geburt offen vor ihm. Als sehe er sie mit fünf ins Bett nässen und sich heute heimlich einen runterholen. Und dann lächelte er leer und unbeteiligt, als wüsste er alles, was sie jetzt und in Zukunft tun würden, selbst wenn es nur um Maispasteten ging. Dieser Gesichtsausdruck war manchmal unheimlich, aber Mars war eigentlich immer mit Dennis’ Vorschlägen einverstanden, weil er seine Ideen gut fand. Als die beiden sich vor vier Tagen kennen gelernt hatten, hatte Dennis gleich gespürt, dass sich sein Schicksal endlich entscheiden würde. Denn dieser Mars war mit einer gefährlichen elektrischen Energie geladen, und er tat alles, was Dennis ihm sagte.

»Wir machen das, Mars. Wir überfallen den Saftladen.«

Mars stieg aus. Cool wie er war, beeindruckte ihn Dennis’ Entscheidung kein bisschen.

»Na dann los.«

Kevin rührte sich nicht. Die beiden Kinder fuhren mit ihren Fahrrädern davon.

»Hier ist doch niemand, Kevin! Du musst nur an der Tür Schmiere stehen. Der fette Kerl wird die Kohle sofort ausspucken. Die sind versichert – die reichen einfach die Kasse rüber. Die werden gefeuert, wenn sie rumzicken.«

Dennis packte seinen Bruder am T-Shirt. Auf dem stand The Lemonheads. Na super – das sagt alles, dachte er. Kevin war einfach ein Knallkopf. Und Mars schon auf halbem Weg zur Ladentür.

»Raus jetzt, du Feigling. Wie sieht das sonst aus!«

Kevin gab nach und schob sich wie ein Kleinkind aus dem Wagen.

Junior Kim, Jr.

Junior Kim, Jr., erkannte Ganoven sofort.

Er war als Kind eingebürgerter koreanischer Einwanderer in den Staaten geboren worden und hatte sechzehn Jahre hinterm Tresen eines Tankstellen-Shops in Newton gestanden, einem der gefährlichsten Stadtteile von Los Angeles. Dort war er verprügelt, überfallen, niedergestochen, angeschossen, mit Baseballschlägern zusammengeknüppelt und dreiundvierzigmal ausgeraubt worden. Dann hatte es ihm gereicht. Nach sechzehn Jahren hatte er mit seiner Frau, den sechs Kindern und allen Großeltern dem Schmelztiegel Los Angeles den Rücken gekehrt und war nach Norden in eine der viel weniger gefährlichen Vorstädte gezogen. Dorthin, wo sich der obere Mittelstand schlafen legte.

Junior war nicht einfältig. So ein Shop zog nun mal Ganoven an wie das Aas die Fliegen. Sogar hier in Bristo Camino hatte er es mit Ladendieben zu tun (meistens waren es Teenager, doch oft auch Männer im Straßenanzug), mit Scheckbetrügern (in der großen Mehrzahl Frauen), mit Nutten, die mit Blüten bezahlen wollten (ihre Zuhälter hatten sie aus der Stadt hergebracht), und mit Betrunkenen (meist aggressive weiße Männer, die ihre Gin-Fahnen durch den Laden wehen ließen) – alles harmlos im Vergleich mit Los Angeles, aber Junior hatte doch vorgesorgt. Nach den in der Innenstadt sechzehn Jahre lang sauer erworbenen Erfahrungen hatte er einen kleinen Helfer unterm Tresen liegen. Für die, die aus dem Ruder liefen.

Als an diesem Freitagnachmittag drei Ganoven reinkamen, lehnte Junior sich weit vor. Seine Brust berührte den Tresen, und seine Hände waren verborgen.

»Was darf’s sein?«

Ein hagerer Junge im Lemonheads-T-Shirt blieb bei der Tür stehen. Ein etwas älterer Bursche mit ausgebleichtem schwarzen Hemd und ein Hüne mit kahl rasiertem Schädel kamen auf ihn zu. Der Bursche lüpfte sein Hemd, um den schwarzen Griff einer Pistole sehen zu lassen. »Zwei Schachteln Marlboro für meinen Kumpel und alles Bargeld aus der Kasse, fettes Schlitzauge.«

Junior Kim durchschaute Ganoven schon von weitem.

Mit gelassenem Gesicht fischte er unterm Tresen nach seinem Revolver. Er bekam ihn genau in dem Moment zu fassen, in dem der Ganove sich über den Tresen schwang. Als der Mann im schwarzen Hemd gegen ihn krachte, kam Junior taumelnd wieder auf die Beine und hob seine Waffe. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Mann über den Tresen springen würde, und den Revolver nicht mehr entsichern können.

Der Hüne rief: »Er hat eine Kanone.«

Alles ging so schnell, dass Junior die Übersicht verlor, wessen Hände wo waren. Der im schwarzen Hemd dachte nicht mehr an seine eigene Waffe, sondern versuchte, Junior den Revolver zu entwinden. Der große Kerl langte über den Tresen und schnappte auch danach. Noch nie war Junior mit gezogener Waffe so ängstlich gewesen wie jetzt. Denn wenn es ihm nicht gelang, seinen Revolver zu entsichern, bevor dieser Kerl die eigene Waffe zog oder ihm seine aus der Hand wand, war er erledigt. Junior Kim kämpfte um sein Leben.

Dann war die Waffe entsichert, und Junior Kim wusste, dass er gewonnen hatte.

»Jetzt seid ihr fällig«, sagte er.

Der Revolver ging mit sattem Knall los, und die Ganoven bekamen Stielaugen, so erschrocken und überrascht waren sie.

Junior lächelte triumphierend.

»Das war’s, ihr Mistkerle.«

Dann spürte er einen reißenden Schmerz in der Brust. Einen gebieterischen, endgültigen Schmerz. Wie bei einem schweren Herzanfall. Während er rückwärts gegen den Kühlschrank stolperte, strömte ihm Blut aus der Brust und breitete sich auf seinem Hemd aus. Dann glitt er zu Boden.

Das Letzte, was Junior hörte, war der Schrei des Ganoven an der Tür: »Dennis! Beeil dich! Da kommt jemand.«

Margaret Hammond, Zeugin

Als Margaret Hammond an der zweiten Zapfsäule aus ihrem Wagen stieg, hörte sie den Knall einer Fehlzündung.

Sie wohnte in der Siedlung gegenüber. Ihr mit Ziegeln gedecktes Haus glich hundert anderen rundum bis aufs Haar. Sie sah drei junge Weiße, die aus dem Minimart rannten und in einen roten japanischen Pick-up sprangen. Der Wagen bockte ein paar Mal beim Beschleunigen. Klarer Fall – Kupplung am Ende. Er fuhr nach Westen, Richtung Autobahn.

Margaret steckte den Stutzen in den Tank, ließ die Einfüll-Automatik einrasten und ging in den Minimart, um sich einen Schokoriegel für die Rückfahrt zu kaufen.

Keine zehn Sekunden später – so ihre eigene Schätzung – stürzte sie aus dem Laden. Der rote Pick-up war verschwunden. Sie nahm ihr Handy, wählte den Notruf und wurde zur Polizei von Bristo Camino durchgestellt.

Dennis

Sie schrien durcheinander, und Kevin packte Dennis am Arm, brachte dadurch den Wagen zum Schlingern. Dennis stieß seinen Bruder weg.

»Du hast ihn umgebracht! Du hast ihn erschossen!«

»Keine Ahnung, ob er tot ist!«

»Überall war Blut! Du bist auch ganz voller Blut!«

»Hör auf, Kevin! Er hatte eine Kanone! Woher hätte ich das wissen sollen? Sie ist einfach losgegangen!«

Kevin hämmerte aufs Armaturenbrett und zappelte wild zwischen Dennis und Mars herum.

»Wir sind geliefert, Dennis, garantiert! Wenn der tot ist …«

»Schnauze!«

Als Dennis sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, schmeckte er Kupfer und Salz. Er blickte in den Rückspiegel und sah lauter rote Tautropfen. Da verlor er die Nerven, weil er Menschenblut geleckt hatte. Er klatschte sich ins Gesicht und wischte die Hand an seiner Jeans ab.

Mars legte ihm kurz die Hand aufs Knie.

»Keine Panik, Alter.«

»Wir müssen verschwinden!«

»Tun wir doch. Keiner hat uns gesehen, niemand hat uns geschnappt – alles prima.«

Mars saß ruhig auf dem Beifahrersitz. Kevin und Dennis waren völlig durcheinander, Mars aber so entspannt, als sei er gerade aus einer Trance erwacht. Er hatte den Revolver des Chinesen in der Hand.

»Mann – schmeiß den weg! Vielleicht werden wir angehalten.«

Mars schob den Revolver in den Hosenbund und ließ die Hand zwischen den Beinen liegen.

»Kann sein, dass wir den brauchen.«

Dennis prügelte den nächsten Gang ins Getriebe und kümmerte sich nicht um das Knirschen der Kupplung. Noch drei Kilometer bis zur Autobahn. Mindestens vier Menschen hatten den Wagen gesehen. Sogar die Dumpfbullen aus Bristo würden zwei und zwei zusammenzählen können, wenn Zeugen ihnen das Auto beschrieben.

»Denkt nach! Wir müssen uns was einfallen lassen.«

Kevins Augen waren groß wie Untertassen.

»Mann, Dennis – wir müssen uns stellen.«

Dennis hatte das Gefühl, ihm platzten gleich die Augen – so stark war der Druck in seinem Kopf.

»Niemand stellt sich! Wir können es schaffen. Uns muss nur was einfallen!«

Mars legte ihm wieder die Hand aufs Knie.

»Hör zu.«

Er lächelte ins Leere. Er sah sie nicht mal an.

»Wir sind doch nur drei Typen in einem roten Pick-up. Und davon gibt’s ne Million.«

Daran wollte Dennis unbedingt glauben.

»Meinst du?«

»Die brauchen Zeugen. Falls sie die beiden Kinder oder die Frau auftreiben, müssen die uns beschreiben. Vielleicht können sie’s. Vielleicht auch nicht. Wenn die Bullen das geregelt haben, müssen sie nach drei Weißen in einem roten Pick-up suchen. Weißt du, wie viele es davon gibt?«

»Ne Million.«

»Genau. Und wie lange dauert das alles wohl? Bis heute Abend? Bis morgen? In vier Stunden schaffen wir’s über die Grenze. Also ab nach Mexiko.«

Das leere Lächeln war sich seiner Sache vollkommen sicher. Mars war so gelassen, dass Dennis unwillkürlich überzeugt war. Der hat in solchen Dingen wohl Erfahrung und kennt alle Winkelzüge, dachte er.

»Klasse Idee. Das ist die Lösung! Wir tauchen einfach ein paar Tage ab und kommen wieder, wenn die Luft rein ist. Das gibt sich bestimmt rasch.«

»Genau.«

Dennis drückte stärker aufs Gaspedal und merkte, dass das Auto nicht zog. Dann knallte es, und das Kupplungsseil war gerissen. 600 Dollar in bar – was hatte er erwartet?

»Scheißkarre!«

Der Wagen wurde langsamer und bockte, als Dennis ihn auf den Seitenstreifen lenkte. Er war noch nicht ausgerollt, da stieß Dennis schon die Tür auf, um wegzurennen. Kevin packte ihn am Arm und hielt ihn zurück.

»Wir können nichts machen, Dennis. Sonst wird alles noch schlimmer.«

»Schnauze!«

Dennis schüttelte die Hand seines Bruders ab und glitt aus dem Wagen. Er blickte die Straße entlang, in beide Richtungen, und rechnete fast damit, dass die Autobahnpolizei auftauchte. Doch es war wenig los. Nur ab und an kam ein Wagen vorbei. Meistens saß eine Frau am Steuer, die ihre Kinder zum Fußballtraining fuhr. Bis zur Autobahn führte die Flanders Road durch eine reiche Wohngegend. Einige Siedlungen waren eingezäunt, und ein Sicherheitsdienst bewachte die Zufahrt. Aber die meisten Wohnanlagen waren unbewacht, nur durch Hecken und Mauern geschützt. Dennis sah auf die Hecken und die Mauern dahinter. Er fragte sich, ob ihnen auf diesem Weg die Flucht gelingen könnte.

Mars schien seine Gedanken zu lesen.

»Klauen wir doch einfach einen Wagen.«

Dennis sah wieder zur Hecke. Hinter der Mauer lag eine noble Wohnanlage voller Autos. Sie konnten in ein Haus eindringen, die Fußballmutti fesseln, um Zeit zu gewinnen – und dann ab durch die Mitte.

So leicht stellte Dennis sich das vor.

»Also los.«

»Bitte nicht, Dennis.«

Der zerrte seinen Bruder aus dem Wagen.

Sie warfen sich durch die Hecke und kletterten die Mauer hoch.

Officer Mike Welch, Streifenpolizist in Bristo Camino

Officer Mike Welch – 32 Jahre alt, verheiratet, ein Kind – wollte gerade in einem Stehcafé am westlichen Stadtrand von Bristo Camino eine Pause einlegen, als er über Funk die Nachricht erhielt.

»Zentrale für Wagen vier.«

»Hier Wagen vier.«

»Bewaffneter Raubüberfall auf Kim’s Minimart in der Flanders Road. Schusswaffengebrauch.«

Welch hielt das für absurd.

»Bitte wiederholen – Schusswaffengebrauch? Soll das ein Witz sein?«

»Täter: Drei weiße Männer um die zwanzig in Jeans und T-Shirts. Laut Augenzeugen sind sie in einem roten Nissan Pick-up auf der Flanders Road Richtung Westen unterwegs. Fahr zum Minimart und kümmere dich um Junior.«

Mike Welch befand sich auf der Flanders Road und kam von Westen. Juniors Tankstelle lag kaum drei Kilometer weiter geradeaus. Er schaltete Signallicht und Sirene ein. Seit drei Jahren fuhr er nun Streife, aber Lichtorgel und Martinshorn hatte er bisher nur benutzt, um Temposünder am Straßenrand zu stoppen.

»Ich bin auf der Flanders Road. Was ist mit Junior?«

»Auf jeden Fall angeschossen. Der Rettungswagen ist unterwegs.«

Welch trat das Gaspedal durch. Er wollte unbedingt vor den Sanitätern beim Minimart sein und war schon an dem roten Pick-up vorbei, der auf der anderen Straßenseite stand, ehe ihm auffiel, dass er der Beschreibung des Fluchtwagens entsprach.

Welch schaltete die Sirene aus und hielt auf dem Seitenstreifen. Er drehte sich um und musterte die Straße. Im Wagen war niemand zu sehen. Auch nicht in der Nähe. Aber da stand er – ein roter Nissan Pick-up. Welch wartete, bis die Straße frei war, wendete, fuhr zurück, hielt hinter dem Fahrzeug und schaltete sein Schulterfunkgerät ein.

»Zentrale, hier Wagen vier. Ich bin auf der Flanders Road, gut zwei Kilometer westlich von Kims Minimart. Hier steht ein roter Nissan Pick-up, Kennzeichen Drei-Martha-Nordpol-Zeppelin-Vier-Zwei-Neun. Sieht aus, als wäre er einfach stehen gelassen worden. Kann jemand anders zu Kim fahren?«

»Geht in Ordnung.«

»Ich überprüf jetzt das Fahrzeug.«

»Drei-Martha-Nordpol-Zeppelin-Vier-Zwei-Neun. Verstanden.«

Welch stieg aus seinem Wagen und legte die rechte Hand auf den Griff seines Revolvers. Er zog ihn nicht, aber er wollte schussbereit sein. Er näherte sich von der Beifahrerseite, spähte unter den Wagen und ging dann nach vorn. Der Motor knackte noch, und die Haube war warm. Verdammt, dachte Welch, das ist er – das ist der Fluchtwagen.

»Zentrale, hier Wagen vier. Fahrzeug überprüft. Es wurde erst vor kurzem stehen gelassen.«

»Verstanden.«

Welch ging zur Fahrertür und sah ins Führerhaus. Zwar war er nicht sicher, dass das der Fluchtwagen war, doch sein Herz pochte heftig vor Aufregung. Bevor Mike Welch bei der Polizei in Bristo angefangen hatte, war er sieben Jahre lang Dachdecker gewesen. Er hatte geglaubt, Polizeiarbeit sei mehr, als Knöllchen zu schreiben und dann und wann einen Ehekrach zu schlichten. Von wegen! Nach drei öden Jahren bei der Polizei würde er jetzt vielleicht endlich einem echten Verbrecher gegenüberstehen. Er sah die Straße rauf und runter und fragte sich, warum die drei den Wagen stehen gelassen hatten und wohin sie verschwunden waren. Plötzlich bekam er Angst. Er musterte die Hecke und bückte sich, um unter den niedrigen Ästen durchzuschauen, sah aber nur eine Mauer. Er zog seinen Revolver und näherte sich der Hecke, um sie sich genauer anzusehen. Einige Äste waren abgeknickt. Er blickte zum Pick-up zurück, kombinierte messerscharf und stellte sich vor, wie sich die drei Verdächtigen durch die Hecke schlugen. Drei Jungs auf der Flucht. Vor Angst die Hosen voll. Und hopp – über die Mauer. Dahinter standen lauter teure Häuser: York Estates. Von seinen Streifenfahrten wusste Welch, dass nur zwei Straßen aus dem Viertel rausführten. Oder sie kletterten wieder über die Mauer. Wahrscheinlich versteckten sie sich bei irgendwem in der Garage. Oder sie rannten wie wild quer durch die Siedlung, um zu entkommen.

Welch hörte noch ein paar Sekunden zu, wie der Motor des Pick-ups mit knackenden Geräuschen abkühlte, und kam zu der Einschätzung, dass er den dreien dicht auf den Fersen war. Sein Puls beschleunigte sich. Er traf seine Entscheidung, startete mit quietschenden Reifen und raste los, um den Männern den Fluchtweg aus der Siedlung abzuschneiden und sie zu verhaften.

Dennis

Mit dem Sprung von der Mauer landete Dennis in einer anderen Welt, die hinter üppigen Farnen, Rhododendren und Orangenbäumen verborgen war. Er brannte darauf weiterzurennen, durch den Garten zu spurten, über die nächste Mauer zu setzen und sich aus dem Staub zu machen, aber das Martinshorn war ganz in der Nähe. Dann wurde es still.

»Bitte, Dennis – die Polizei wird den Wagen entdecken. Die wissen bald, wer wir sind«, sagte Kevin.

»Schnauze. Das weiß ich. Ich muss nachdenken.«

Sie standen im dicht bepflanzten Teil des Gartens und blickten auf die Rückseite einer Luxusvilla. Gleich vor ihnen begann der Swimmingpool und zog sich bis zur Terrasse des zweistöckigen Bonzenhauses hin, das jede Menge Fenster und Türen hatte. Und eine der Türen stand offen. Einfach so. Offen. Wenn jemand zu Hause war, war auch ein Auto in der Garage. Aus dem Ghettoblaster am Beckenrand kam Musik. Also musste jemand zu Hause sein.

Dennis sah zu Mars rüber, und der nickte, ohne ihn auch nur anzublicken. Als hätte er schon wieder Dennis’ Gedanken gelesen.

Jennifer Smith

Zwanzig Meter weiter hantierte Jennifer Smith in der Küche und war extrem genervt. Ihr Vater arbeitete hinter verschlossenen Türen in seinem Büro, das nach vorne raus lag. Er war Steuerberater und erledigte viel zu Hause. Ihre Mutter war in Florida zu Besuch bei Tante Kate. Also hatte sich Jennifer rund um die Uhr um ihren zehnjährigen Bruder Thomas zu kümmern. Wenn ihre Freunde ins Kino gehen wollten, musste Jennifer Thomas mitschleppen. Wenn sie ihrem Vater erzählen würde, sie führe nur rüber nach Palmdale, und sich dann für ein paar Stunden ins Multiplex nach Los Angeles absetzte, würde Thomas sie gleich verpetzen. Jennifer Smith war sechzehn. Einen Giftzwerg wie Thomas den ganzen Tag am Hals zu haben verdarb ihr den Sommer.

Jennifer hatte sich am Pool gesonnt und war dann ins Haus gegangen, um ein paar Thunfischbrote zu schmieren. Den Giftzwerg hätte sie lieber hungern lassen, aber ihrem Vater machte sie ganz gern was zu essen.

»Thomas?«

Er wollte auf keinen Fall Tommy genannt werden. Nicht mal Tom. Sondern unbedingt Thomas.

»Thomas – sag Daddy, das Essen ist fertig.«

»Leck mich.«

Thomas spielte im Wohnzimmer mit seinem Gameboy.

»Los, sag Daddy Bescheid.«

»Ruf doch einfach. Der hört dich schon.«

»Jetzt hol ihn, oder ich spuck dir ins Essen.«

»Spuck zweimal. Das macht mich an.«

»Du Ekelpaket.«

Thomas hörte auf zu spielen und sah sie an. »Ich hol ihn, wenn du Elyse und Tris zum Sonnenbaden einlädst.«

Das waren Jennifers beste Freundinnen. Sie kamen nicht mehr her, weil Thomas ihnen restlos auf die Nerven ging. Er wartete immer ab, bis die drei sich am Pool hingelegt hatten, kam dann aus dem Haus und bot ihnen an, sie mit Sonnenöl einzureiben. Dass alle drei »Igitt, hau ab« sagten, half gar nichts – er setzte sich einfach in die Nähe und glotzte ihnen den Bikini weg.

»Die bräunen sich hier nicht, solange du da bist. Die wissen, dass du ein Spanner bist.«

»Die mögen das.«

»Du bist wirklich ein Ekelpaket.«

Als die drei jungen Männer reinkamen, dachte Jennifer zuerst, sie seien Gärtner. Aber alle Gärtner, die sie kannte, waren kleine, dunkle Latinos. Dann vermutete sie, die drei wären vielleicht aus einer Schulklasse über ihr, aber das konnte auch irgendwie nicht sein.

»Was macht ihr hier?«, fragte sie.

Der, der als Erster reingekommen war, zeigte auf Thomas.

»Mars, schnapp dir den Heini.«

Der Größte der drei lief zu Thomas, während der Erste in die Küche stürmte.

Jennifer wollte gerade schreien, da hielt der Bursche ihr den Mund schon so fest zu, dass sie dachte, er würde ihr den Kiefer brechen. Auch Thomas versuchte zu schreien, aber der große Kerl drückte ihm das Gesicht fest in den Teppich.

Der Dritte war jünger als die anderen beiden. Er war an der Terrassentür stehen geblieben und weinte. Dann flüsterte er laut. So ein weit tragendes Bühnenflüstern. Dabei hätte er wohl am liebsten geschrien.

»Komm, Dennis, wir hauen ab! Das ist Wahnsinn!«

»Schnauze, Kevin! Jetzt sind wir hier. Basta!«

Der Mann, der sie festhielt – Dennis, wie sie jetzt wusste –, drückte sie rückwärts über die Küchentheke in die Sandwiches. Er presste seine Hüften so fest gegen ihre, als wollte er ihr die Knochen zermalmen. Sein Atem roch nach Hamburgern und Zigaretten.

»Hör mit dem Gestrampel auf! Ich tu dir nichts!«

Sie versuchte, in seine Hand zu beißen. Er drückte ihr den Kopf so weit zurück, dass sie fürchtete, er könnte ihr das Genick brechen.

»Hör auf, hab ich gesagt. Beruhige dich – dann lass ich dich los.«

Jennifer setzte sich stärker zur Wehr, bis sie die Waffe sah – der große Typ hielt Thomas eine schwarze Pistole an den Kopf.

Sie hörte auf zu kämpfen.

»Ich nehm jetzt meine Hand weg, aber schrei bloß nicht. Kapiert?«

Jennifer starrte weiter auf die Pistole.

»Kevin, mach die Tür zu.«

Sie hörte, wie die Tür zuging.

Dennis nahm seine Hand weg, behielt sie aber in der Nähe, um Jennifer sofort wieder den Mund zuhalten zu können. Er flüsterte.

»Wer ist noch hier?«

»Mein Vater.«

»Und sonst?«

»Niemand.«

»Wo ist er?«

»In seinem Arbeitszimmer.«

»Habt ihr ein Auto hier?«

Ihre Stimme versagte. Sie konnte nur nicken.

»Schrei ja nicht. Sonst bring ich dich um. Kapiert?«

Sie nickte.

»Wo ist sein Arbeitszimmer?«

Sie zeigte Richtung Haustür.

Dennis packte sie am Schopf und schob sie in den Flur. Er war so dicht hinter ihr, dass er sie mit dem ganzen Körper berührte. Ihr wurde bewusst, dass sie nur Shorts und ein Bikini-Oberteil trug. Sie fühlte sich nackt und ausgeliefert.

Das Büro ihres Vaters lag am Ende des Flurs neben dem Hauseingang. Sie klopften nicht erst an die Flügeltür. Dennis machte sie wortlos auf, und der große Typ – Mars – schleppte Thomas rein, dem er die Pistole noch immer an den Kopf hielt. Dennis stieß Jennifer auf den Fußboden und lief mit gezogenem Revolver quer durchs Zimmer auf ihren Vater zu.

»Kein Wort! Keine Bewegung!«

Ihr Vater arbeitete am Computer, und jede Menge Ausdrucke lagen nachlässig herum. Er war schlank, hatte ausgeprägte Geheimratsecken und blinzelte über seine Brille, als verstünde er nicht ganz, was er da vor Augen hatte. Er glaubt wohl, das sind Freunde von mir, die einen Witz machen, dachte Jennifer, doch dann erkannte sie, dass ihm klar war: Die meinen es ernst.

»Was machen Sie da?«

Dennis zielte jetzt mit beiden Händen und schrie lauter.

»Keine Bewegung! Bleib sitzen! Hände auf den Tisch!«

Was ihr Vater dann sagte, konnte Jennifer sich nicht erklären.

Er fragte: »Wer hat Sie geschickt?«

Dennis nahm die linke Hand von seinem Revolver und stieß Kevin an.

»Los, mach die Jalousien runter. Steh nicht weiter rum wie ein Idiot.«

Kevin ging von Fenster zu Fenster und ließ die Jalousien herab. Er heulte dabei schlimmer als Thomas.

Dennis machte Mars mit dem Revolver ein Zeichen.

»Gib ihm Deckung. Und pass auf das Mädchen auf.«

Mars stieß Thomas neben Jennifer auf den Boden und zielte dann auf ihren Vater. Dennis schob seine Waffe in den Hosenbund und griff sich die Schreibtischlampe. Er zog den Stecker mit einem Ruck aus der Dose und riss das Kabel aus der Lampe.

»Dreh nicht durch, und alles wird gut. Kapiert? Ich schnapp mir dein Auto. Ich fessle dich, damit du nicht die Bullen rufst, und schnapp mir dein Auto. Ich will dir nichts tun, ich brauch nur den Wagen. Her mit den Schlüsseln.«

Jennifers Vater sah verwirrt drein.

»Wovon reden Sie eigentlich? Warum sind Sie hier?«

»Ich will dein Auto, du Spinner! Ich klau dir deinen Wagen – capito? Also – wo sind die Schlüssel?«

»Sie wollen meinen Wagen? Das Auto?«

»Red ich hier Russisch oder was? Du haben Auto?«

Ihr Vater hob beschwichtigend die Hände.

»In der Garage. Nehmen Sie’s und verschwinden Sie. Die Schlüssel hängen neben der Garagentür an der Wand. Gehen Sie einfach durch die Küche und weiter in die Garage.«

»Kevin, hol die Schlüssel. Und dann hilf beim Fesseln, damit wir hier wegkommen.«

Kevin war noch am letzten Fenster beschäftigt und sagte: »Da kommt ein Bulle.«

Jennifer sah den Streifenwagen durch die Schlitze der Jalousie. Ein Polizist stieg aus. Er sah sich um, als orientiere er sich, und ging dann aufs Haus zu.

Dennis packte sie wieder am Schopf.

»Mach ja keinen Mucks. Nicht einen Mucks!«

»Bitte tun Sie meinen Kindern nichts.«

»Schnauze! Mars, Augen auf!«

Jennifer beobachtete, wie der Polizist den Gehweg heraufkam. Er verschwand aus dem Blickfeld, dann klingelte es an der Tür.

Kevin sprang zu seinem älteren Bruder und packte ihn am Arm.

»Er weiß, dass wir hier sind, Dennis! Er hat bestimmt gesehen, wie ich die Jalousien runtergelassen habe.«

»Schnauze!«

Es klingelte wieder.

Jennifer spürte, wie Dennis’ Schweiß ihr auf die Schulter tropfte, und wollte schreien. Ihr Vater sah ihr in die Augen und schüttelte langsam den Kopf. Was sollte das heißen? Schrei nicht? Rühr dich nicht? Oder merkte er gar nicht, dass er den Kopf bewegte?

Der Polizist ging an den Fenstern entlang zur Hausecke.

»Er weiß, dass wir hier sind, Dennis! Er wird reinkommen.«

»Der weiß gar nichts. Der glotzt einfach nur rum.«

Kevin war außer sich, und jetzt bemerkte Jennifer auch in Dennis’ Stimme Angst.

»Er hat mich am Fenster gesehen. Er weiß, dass hier jemand ist. Los, wir geben auf!«

»Schnauze!«

Dennis ging ans Fenster und spähte durch die Jalousie. Dann hastete er plötzlich zurück zu Jennifer und packte sie wieder beim Schopf.

»Steh auf.«

Mike Welch

Officer Mike Welch hatte keine Ahnung, dass alle im Haus nur ein paar Meter entfernt hockten und ihn durch die Jalousien beobachteten. Vom Auto aus hatte er niemanden bemerkt, nicht mal Kevin Rooney, denn das Einparken hatte seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht.

Welch schätzte, die Kerle aus dem roten Nissan waren nach Überquerung der Mauer sehr wahrscheinlich hier im Garten gelandet. Er ging davon aus, dass die drei inzwischen schon ein paar Straßen weiter waren, hoffte aber, jemand aus dem Haus oder ein Nachbar habe sie gesehen und könnte ihm sagen, in welche Richtung sie aus der Sackgasse geflohen waren.

Als niemand an die Tür kam, ging Welch am Haus entlang zum Gartentor und rief ein paar Mal. Wieder nichts. Er kam zur Haustür zurück und klingelte zum dritten Mal. Als er sich gerade umdrehte, um nebenan zu klingeln, öffnete sich die schwere Tür. Ein hübsches Mädchen tauchte auf. Aber bleich. Und mit roten Augenrändern.

Welch lächelte breit und betont professionell.

»Mike Welch mein Name, Miss. Haben Sie hier zufällig drei junge Männer vorbeirennen sehen?«

»Nein.«

Sie sprach so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. Sie wirkte aufgeregt, und Welch fragte sich, warum.

»Das muss ungefähr fünf bis zehn Minuten her sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie über die Mauer in Ihren Garten gesprungen sind.«

»Nein.«

Jetzt sah Welch, wie ihre Augen verschwammen. Dann liefen ihr zwei Tränen ganz langsam und simultan über die Wangen – die Kerle mussten bei ihr im Haus sein! Womöglich standen sie direkt hinter der halb geöffneten Haustür. Mike Welchs Herz begann zu pochen, und die Finger kribbelten ihm.

»Alles klar, Miss. Wie gesagt – war nur eine Nachfrage. Schönen Tag noch.«

Er entsicherte unauffällig seine Pistole im Halfter und legte die Hand an die Waffe. Dann blickte er betont zur Tür und fragte nur mit den Lippen, ob jemand dahinter stehe. Ihr blieb keine Zeit zu antworten.

Einer, den Mike Welch hinter der Tür nicht sehen konnte, schrie:

»Er zieht seine Kanone!«

Schüsse krachten, und etwas traf Mike Welch in die Brust und stieß ihn rückwärts. Seine kugelsichere Weste wehrte den ersten Schuss ab, doch die zweite Kugel traf ihn unterhalb der Weste in den Bauch, und die dritte blieb knapp oberhalb der Weste in der Schulter stecken. Welch versuchte, auf den Beinen zu bleiben, doch sie knickten einfach weg. Das Mädchen schrie, und weiter drinnen schrie noch jemand.

Mike Welch fand sich auf dem Rücken im Vorgarten wieder. Er setzte sich auf, begriff dann, dass er angeschossen worden war, und kippte wieder um. Er hörte weitere Schüsse, konnte aber nicht hochkommen oder sich in Deckung bringen. Er zog seine Waffe und feuerte aufs Haus, ohne sich zu fragen, wen er treffen mochte. Er dachte nur ans Überleben.

2

Freitag, 15:24

Jeff Talley

Drei Kilometer von York Estates entfernt hatte Jeff Talley in einer Avocado-Plantage geparkt. Er sprach per Handy mit seiner Tochter und hatte den Polizeifunk leise gedreht. Nachmittags kam er oft vom Revier hierher. Bald nachdem er sein Amt als Chief der Polizei von Bristo Camino angetreten hatte, die aus vierzehn Mitarbeitern bestand, hatte er diese Plantage entdeckt. Eine Baumreihe nach der anderen, ein Baum wie der andere, alle gleich weit voneinander entfernt, die Äste reglos in der klaren Wüstenluft – ein Chor stummer Zeugen. Diese Eintönigkeit ließ ihn zur Ruhe kommen.

Seine inzwischen vierzehnjährige Tochter Amanda zerstörte diese Ruhe.

»Warum kann Derek nicht mitkommen? Dann hätte ich wenigstens Gesellschaft.«

Ihre Stimme war sehr kalt. Er hatte Amanda angerufen, weil heute Freitag war und sie am Wochenende zu ihm kam.

»Ich dachte, wir gehen zusammen ins Kino.«

»Das machen wir jedes Mal. Außerdem können wir trotzdem ins Kino. Wir nehmen Derek einfach mit.«

»Vielleicht später mal.«

»Wann?«

»Vielleicht nächstes Mal. Ich weiß nicht.«

Sie seufzte theatralisch, und er fühlte sich prompt in der Defensive.

»Mandy? Du kannst ruhig mal Freunde mitbringen. Aber ich bin auch gern mit dir allein. Ich möchte, dass wir miteinander reden.«

»Mom will mit dir reden.«

»Ich hab dich gern.«

Sie antwortete nicht.

»Ich hab dich gern, Amanda.«

»Du sagst jedes Mal, du möchtest reden. Aber dann gehen wir ins Kino. Kann man da vielleicht reden? Ich geb dir Mom.«

Jetzt war Jane Talley am Apparat. Sie hatten sich getrennt, nachdem Jeff bei der Polizei von Los Angeles gekündigt und anschließend fünf Monate lang ununterbrochen auf der Couch gesessen und Tag und Nacht ferngesehen hatte, bis beide es nicht mehr ertragen konnten. Dann war er ausgezogen. Das war zwei Jahre her.

»Hallo, Chief. Sie hat gerade Bombenlaune.«

»Ich weiß.«

»Und – wie geht’s?«

Gute Frage, dachte Jeff.

»Sie mag mich zurzeit nicht besonders.«

»Sie hat’s zurzeit ja auch nicht leicht. Sie ist vierzehn.«

»Ich weiß.«

»Sie hat noch immer mit unserer Trennung zu kämpfen. Manchmal kommt sie ganz gut damit klar, aber dann wird ihr wieder alles zu viel.«

»Ich versuch, mit ihr zu reden.«

Ihre Frustration war unüberhörbar, seine aber auch.

»Jeffrey, das sagst du jetzt seit zwei Jahren. Und? Nichts. Es ist nun mal so, dass du ausgezogen bist und ein neues Leben begonnen hast, und zwar ohne uns. Jetzt hast du da oben ein neues Leben, und sie baut sich hier unten ein eigenes auf. Das verstehst du doch wohl?«

Talley schwieg, denn er wusste nichts zu sagen. Seit er nach Bristo Camino gezogen war, hatte er sich jeden Tag vorgenommen, die beiden zu bitten, zu ihm zu ziehen. Aber er hatte es nicht geschafft. Er wusste, dass Jane diese zwei Jahre auf ihn gewartet hatte. Wenn ich sie jetzt fragen würde, würde sie zu mir ziehen, dachte er. Aber er brachte es nicht fertig und starrte nur in die reglosen Bäume.

Schließlich hatte Jane das Schweigen satt.

»Ich will nicht mehr so weiterleben. Einfach so getrennt. Du und Mandy – ihr seid nicht die Einzigen, die sich was Neues aufbauen müssen.«

»Ich weiß. Ich versteh das.«

»Ich brauch dein Verständnis nicht. Es ist mir egal, ob du mich verstehst.«

Das klang schneidend und verletzt. Sie schwiegen. Talley dachte an die Hochzeit zurück. Daran, dass ihre Haut im weißen Brautkleid wie Gold geschimmert hatte.

Wieder brach Jane die Stille. Diesmal klang ihre Stimme resigniert. Sie würde also auch heute nicht mehr von ihm erfahren. Er sage ihr einfach nichts Neues. Talley war verlegen und fühlte sich schuldig.

»Soll ich sie vor deinem Haus oder beim Revier absetzen?«

»Lieber beim Haus.«

»Um sechs?«

»Um sechs. Vielleicht können wir zusammen essen?«

»Ich fahr gleich weiter.«

Als sie eingehängt hatte, legte Talley das Handy beiseite und dachte an den Traum. Es war immer der gleiche: Ein kleines, mit Schindeln gedecktes Haus war von einem kompletten SEK umstellt. Hubschrauber standen in der Luft, Journalisten drängten sich hinter der Absperrung. Talley war Chefunterhändler in diesem Albtraum und stand ohne Deckung und Schutzweste vor dem Haus, während Jane und Amanda von der Absperrung her zuschauten. Talley sprach mit einem unbekannten Mann, der sich verschanzt hatte und mit Selbstmord drohte. Es war ein Gespräch um Leben und Tod. Der Mann schrie immer wieder: »Ich bring mich gleich um!« Jedes Mal hielt Talley ihn mit Worten davon ab, wusste aber auch, dass der Mann nun noch näher am Abgrund stand. Es war nur eine Frage der Zeit. Niemand hatte den Mann gesehen. Es ließen sich weder Nachbarn noch Angehörige auftreiben, um ihn zu identifizieren. Und er gab seinen Namen nicht preis. Für alle war er eine Stimme hinter Mauern. Nur nicht für Talley. Der wusste, dass der Mann im Haus er selber war, und seine Angst wurde immer betäubender. Er war der Verschanzte. An einen Fleck gebannt stand er da und erlebte in einer Zeitschleife immer wieder das Gleiche – dass er mit sich selbst verhandelte, um sein Leben zu retten.

Brendan Maliks Augen hatten Talley in den ersten Wochen aus jedem Halbdunkel angeschaut. Immer wieder hatte er gesehen, wie das Leben in ihnen langsam erlosch und nur noch nachleuchtete. Wie die Mattscheibe, wenn man den Apparat ausschaltet. Brendan Maliks Lebensfunke war immer schwächer geworden und dann im Dunkel verglüht. Nach einer Weile hatte Talley dabei nichts mehr gefühlt und war der Erinnerung an Brendans sterbende Augen so abgestumpft begegnet, wie er sich »Glücksrad« im Fernsehen ansah – er glotzte eben, was lief.

Talley hatte bei der Polizei von Los Angeles gekündigt und danach fast ein Jahr auf seinem Sofa gesessen – erst zu Hause, dann – nachdem Jane ihn rausgeworfen hatte – in einer billigen Mietwohnung in Silver Lake. Anfangs hatte Talley sich eingeredet, er habe seine Familie verlassen, weil er es nicht habe ertragen können, dass Jane und Amanda Zeuginnen seiner Selbstzerstörung wurden. Doch nach einiger Zeit stellte er allmählich fest, dass seine Motive viel einfacher und weniger edelmütig waren: Er glaubte, sein früheres Leben brachte ihn langsam um. Und er hatte Angst. Dann suchte die Gemeinde Bristo Camino einen Polizeichef für ihre vierzehn Ordnungshüter und war froh, Talley einstellen zu können. Dass er beim SEK gewesen war, gefiel den Leuten, obwohl die Arbeit in Bristo nur verlangte, Verkehrssündern Strafmandate zu verpassen und in den Schulen Präventionsarbeit in Sachen Drogen zu leisten. Talley sagte sich, die Arbeit in Bristo sei gut für seinen Heilungsprozess. Jane hatte auf seine Gesundung warten wollen, aber es sah aus, als ginge es mit seiner Rekonvaleszenz nicht recht voran. Inzwischen glaubte Talley, damit würde es nie mehr etwas.

Er ließ den Wagen an, fuhr über die gewalzte Erde des Feldwegs aus der Plantage, bog auf eine Schotterstraße ein und folgte ihr bis zum Highway, der das Santa Clarita Valley der Länge nach durchzog. Kaum auf der Schnellstraße, drehte er den Polizeifunk laut und hörte Sarah Weinman, die Telefonistin seines Reviers, aufgebracht rufen:

»… Welch hat’s erwischt – in York Estates …«

Durch das Knistern in der Leitung drangen die Stimmen der angefunkten Kollegen – Larry Anders und Kenn Jorgenson redeten wirr und hektisch durcheinander.

Talley drückte den Knopf, der ihn als Revierleiter auf einer eigenen Frequenz mit der Telefonzentrale verband.

»Sarah, hier Wagen eins. Was soll das heißen – Mike hat’s erwischt?«

»Chief?«

»Was ist mit Mike?«

»Er wurde angeschossen. Der Rettungswagen aus Sierra Rock ist unterwegs. Jorgy und Larry kommen von Osten.«

In den neun Monaten, die Talley jetzt die Polizei in Bristo leitete, hatte es nur drei schwere Straftaten gegeben. Zwei davon waren unbewaffnete Einbrüche gewesen. Im dritten Fall hatte eine Frau versucht, ihren Ehemann mit dem gemeinsamen Auto zu überfahren.

»Soll das heißen, er wurde absichtlich angeschossen?«

»Junior Kim ist auch niedergeschossen worden! Von drei weißen Männern in einem roten Nissan Pick-up. Mike hat gemeldet, dass er den Wagen gefunden hat. Dann hat er am Castle Way 18 in York Estates Kode 41 14 durchgegeben. Als er sich wieder gemeldet hat, hat er nur gesagt, er sei angeschossen worden. Ich hab ihn seitdem nicht erreicht.«

41 14 – Welch hatte vorgehabt, das Grundstück Castle Way 18 zu betreten.

Talley drückte den Knopf für Signallicht und Martinshorn. York Estates lag sechs Minuten entfernt.

»Wie ist Kims Zustand?«

»Noch nicht bekannt.«

»Wissen wir, wer die Verdächtigen sind?«

»Noch nicht.«

»Ich bin in sechs Minuten da. Erzähl mir, was passiert ist.«

Talley hatte das letzte Jahr in dem Glauben verbracht, sein Leben habe von dem Tag an, als er bei der Polizei von Los Angeles Unterhändler in Krisensituationen geworden war, unumkehrbar einen immer schlechteren Verlauf genommen.

Nun stand wieder eine Veränderung bevor.

Jennifer

Etwas so Lautes wie diese Schüsse hatte Jennifer noch nie gehört. Die Knallerbsen, die Thomas auf der Terrasse losließ, oder das Gebrüll im Basketballstadion, wenn die Lakers den spielentscheidenden Korb warfen, waren nichts dagegen. Auch Schießereien im Kino konnten da nicht mithalten. Als Mars und Dennis zu feuern begannen, dröhnte das Geräusch durch Jennifers Kopf und betäubte sie.

Sie schrie. Dennis knallte die Haustür zu, zog Jennifer rückwärts ins Arbeitszimmer und stieß sie zu Boden. Sie packte Thomas und hielt ihn fest. Ihr Vater schloss beide in die Arme. Im Sonnenlicht, das in Streifen durch die Jalousien fiel, schwebte Pulverdampf und stach ihr in die Nase.

Nach der Schießerei sog Dennis wie ein Blasebalg Luft ein und stakste mit bleichem Gesicht zwischen Büro und Haustür hin und her.

»Wir sind erledigt. Den Bullen hat’s erwischt!«

Mars ging zur Haustür. Er beeilte sich nicht und wirkte auch nicht ängstlich – er schlenderte.

»Also – ab ins Auto, bevor noch mehr Bullen auftauchen.«

Kevin lag zitternd neben dem Schreibtisch. Sein Gesicht war schneeweiß.

»Du hast ihn umgelegt. Du hast einen Bullen umgelegt, Dennis!«

Der packte seinen Bruder am T-Shirt.

»Hast du nicht gehört, was Mars gesagt hat? Er hat nach seiner Kanone gelangt!«

Durch das Geschrei hindurch hörte Jennifer ein Martinshorn näher kommen. Dann bemerkte auch Dennis die Sirene und rannte ans Fenster.

»Mist – sie kommen!«

Jennifers Vater zog seine Tochter noch näher an sich.

»Nehmen Sie die Autoschlüssel und verschwinden Sie mit meinem Jaguar, solange es noch geht.«

Dennis beobachtete die Straße in banger Erwartung. Er stierte durch die Jalousien wie durch schwedische Gardinen. Jennifer wollte, dass sie abhauten, verschwanden, sie in Ruhe ließen, aber Dennis stand erstarrt am Fenster, als warte er auf etwas.

Von der Haustür her sagte Mars mit einer Stimme, die so ruhig war wie ein Moorsee:

»Nehmen wir also den Jaguar, Dennis. Wir müssen los.«

Plötzlich war die Sirene so laut, als wäre sie im Haus – es war zu spät. Draußen quietschten Reifen. Dennis lief zur Haustür, und die Schießerei ging weiter.

Talley

York Estates war von einer Mauer umgeben und nach dem englischen York benannt, das berühmt für seine Stadtmauer ist. Das Wohngebiet bestand aus 28 Häusern, deren Grundstücke zwischen 4000 und 12 000 Quadratmeter groß waren. Durch die Siedlung führte eine kurvenreiche Straße, von der Sackgassen abgingen, die nach Lanzelot, Queen Anne und King John benannt waren. Die Steinmauer rundum war dekorativ, bot aber kaum Schutz. Als Talley von Norden her York Estates erreichte, schaltete er die Sirene aus und ließ nur das Signallicht an. Jorgenson und Anders riefen ins Mikro, sie lägen unter Feuer, und Talley hörte über Funk einen Schuss.

Als er in den Castle Way einbog, sah er Jorgenson und Anders mit gezogenen Revolvern hinter ihrem Streifenwagen hocken. Im Haus hinter ihnen standen zwei Frauen in der offenen Eingangstür, und ein Junge beobachtete die Lage von der Straßeneinmündung aus. Talley beschleunigte und schaltete den Lautsprecher ein.

»Bleiben Sie in Deckung! Gehen Sie in Ihre Häuser!«

Jorgenson und Anders drehten sich um und beobachteten, wie Talley näher kam. Die beiden Frauen wirkten konfus, und der Junge wich nicht von der Stelle. Talley ließ seine Sirene aufheulen und rief ein zweites Mal über den Lautsprecher:

»Gehen Sie jetzt rein! Sofort!«

Talley stieg auf die Bremse und hielt hinter Jorgensons Wagen. Aus dem Haus kamen zwei Schüsse – eine Kugel pfiff über Talleys Auto hinweg, die andere prallte an seiner Windschutzscheibe ab. Talley rollte sich aus der Tür, machte sich ganz klein und verschanzte sich hinterm Vorderrad. Mike Welch lag gut zehn Meter entfernt auf dem Rasen vor einem großen Haus im Tudor-Stil.

Anders rief: »Welch hat’s erwischt. Sie haben ihn niedergeschossen!«

»Sind die drei Täter alle im Haus?«

»Keine Ahnung! Wir haben niemanden gesehen!«

»Sind noch andere Leute drin?«

»Keine Ahnung!«

Aus östlicher Richtung hörte man sich nähernde Sirenen. Das konnten nur Dreyer und Mikkelson in Wagen sechs und die Rettungssanitäter sein. Jetzt wurde nicht mehr geschossen, doch man hörte, dass drin geschrien und gebrüllt wurde. Talley legte sich flach auf den Boden und rief unter seinem Wagen hindurch:

»Mike – hörst du mich?«

Welch reagierte nicht.

Anders schrie mit verzweifelter Stimme:

»Ich glaube, er ist tot!«

»Schrei nicht so, Larry. Ich bin nicht taub.«

Talley musste die Situation beurteilen und Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, mit wem er es zu tun hatte und worum es eigentlich ging. Welch lag reglos und ungedeckt mitten im Vorgarten. Talley musste handeln.

»Grenzt das Grundstück an die Flanders Road?«

»Ja, Sir. Der rote Nissan Pick-up steht direkt an der Mauer, die hinterm Haus verläuft! Das sind die drei, die Kims Laden überfallen haben!«

Die Sirenen kamen näher. Talley musste davon ausgehen, dass auch Unschuldige im Haus waren. Und dass Mike Welch noch am Leben war. Er nahm sein Funkgerät.

»Wagen eins an Wagen sechs. Wer spricht?«

Er hörte Dreyers Stimme.

»Dreyer hier, Chief. Wir sind in einer Minute da.«

»Und der Krankenwagen?«

»Ist direkt hinter uns.«

»Gut. Ihr fahrt in die Flanders Road und bezieht beim Pick-up Stellung – für den Fall, dass die Männer wieder über die Mauer klettern. Schickt den Krankenwagen her, aber lasst die Sanitäter an der Einfahrt zum Castle Way warten. Ich bring Welch zu ihnen.«

Talley unterbrach die Verbindung.

»Larry – habt ihr aufs Haus geschossen?«

»Nein, Sir.«

»Lasst es weiter sein.«

»Was haben Sie vor?«

»Bleibt in Deckung. Und schießt nicht aufs Haus.«