Ich bin so wild nach deinem Erdbeerpudding - Margie Kinsky - E-Book
SONDERANGEBOT

Ich bin so wild nach deinem Erdbeerpudding E-Book

Margie Kinsky

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Knaus
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Nach Bill Mockridge kommt jetzt Margie Kinsky! „Ihr Erfolgsrezept: Lachen wie bei Muttern.“ (Westdeutsche Zeitung)

Als die gebürtige Römerin Margie Kinsky, Tochter einer böhmischen Gräfin und eines Italieners, 1983 ihren Bill heiratet, ahnt sie nicht, worauf sie sich da einlässt. Gut 30 Jahre später und nach dem großen Erfolg von Ehemann Bill Mockridges Je oller, je doller packt nun Margie Kinsky aus. Mit ihrem unverwechselbaren Humor gibt sie uns tiefe Einblicke in das turbulente Leben eines italo-deutsch-kanadischen Künstlerhaushalts. Sie verrät, wie man erfolgreich sechs wilde Jungs bändigt und dem Ehemann trotzdem die beste Ehefrau von allen ist. Ihre Geschichten, Tipps und Mama-Tricks machen einfach nur eins: gute Laune.

Mit jeder Menge Bonusmaterial: Listen zum Rausreißen, Faltanleitungen, Notizen und Kritzelbildchen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 266

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Margie Kinsky

ICH BIN SO WILD NACH DEINEM ERDBEERPUDDING

Mein Familienlebenmit 7 Kerlen

Knaus

1. Auflage

Copyright © 2014 beim Albrecht Knaus Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Mitarbeit: Tania Kibermanis

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-13990-2www.knaus-verlag.de

Auf die Plätze, Pudding, los!

1 … 2 … 3 … Stella!

… fünf, vier, drei, zwo, eins … Happy New Year!

Während es draußen knallt und bummst, bleiben der Holzfäller und ich an Silvester ja traditionell stocknüchtern, weil wir schon Wochen vorher als Fahrdienst gebucht werden. Sechs Kinder, sechs Feten, im dümmsten Fall also sechsmal durch die Nacht kutschieren.

Beim Bleigießen hatte ich was, das sah aus wie ’ne Vier. Vier neue Handtaschen im nächsten Jahr? Viermal zum Friseur? Vier voll ausverkaufte Vorstellungen? Hm, das konnte ich mir nicht erklären.

Dann klingelt das Telefon. Unser Jüngster will abgeholt werden. Die Motto-Party ist nicht so sein Ding, jetzt steht er schon draußen in Shorts und Hawaiihemd und friert sich den Arsch ab. Ich schwing mich schnell in die Jacke, Hausschlappen an, dann düse ich zum Auto. Kein Schwein auf der Straße, also trete ich schön aufs Gas, bevor das arme Kind noch so lange in der Kälte rumstehen muss. Komisch, denk ich mir, die Schlappen sind so groß, hab ich vielleicht aus Versehen die vom Holzfäller erwischt? Und – schwupps – da bin ich auch schon über die rote Ampel drüber! Dann sehe ich im Rückspiegel, wie einer im Auto hinter mir mit irgendeinem Ding aus dem Fenster winkt.

»Dir auch Prost Neujahr!«, denke ich mir, kurble das Fenster runter und winke zurück. Dann sehe ich, dass es oben auf dem Auto blau blinkt. Und dann sind sie auch schon neben mir.

»Sie wissen, dass Sie gerade eine rote Ampel überfahren haben?«

»Ja, das tut mir auch leid, aber ich muss jetzt ganz dringend meinen Sohn abholen, der steht draußen und friert!«

»Wissen Sie, jeder, den wir anhalten, muss gerade ganz dringend jemanden irgendwo abholen …«

»Ich schwöre, es stimmt wirklich! Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie ja mitfahren!«

»Das machen wir auch, da können Sie ganz beruhigt sein.«

Ich fahre also los, die Polizei schön brav hinter mir her. Und wer steht nicht da, wo er stehen sollte? Rate mal! Ich also raus aus dem Auto, und auf dem Weg zur Haustür des Kumpels höre ich einen Polizisten rufen: »Was haben Sie denn da für Schlappen an? Die sind ja viel zu groß! Gute Frau, das geht nicht, beim Fahren ist geeignetes Schuhwerk zu tragen!«

Ich merke schon, wie mir der Kamm schwillt, und als ich grade anfangen will, was Passendes zurückzublöken, kommt das Kind aus der Tür.

»Mama, du bist schon da? Menno, grade wird’s wieder cool, darf ich noch ’n bisschen bleiben?«

Währenddessen sehe ich im Augenwinkel, wie die Polizisten um mein Auto schleichen, das Kennzeichen durchfunken und irgendwas notieren.

»Das Taxi zahlste aber dann von deinem Taschengeld!«

Als ich grade zu Hause zur Tür reinkomme, klingelt das Telefon. Bill geht ran, und ich höre ihn fragen: »Wer bist du denn? Tobias? Wir haben keinen Tobias! Und du willst abgeholt werden? Hast du keine eigenen Eltern?«

Natürlich haben wir unseren Jüngsten dann doch noch von der Party abgeholt, ’ne Stunde später, das hat dann Bill gemacht.

Als ich ein paar Tage später die Post aufmache, verstehe ich auch plötzlich, was die Vier beim Bleigießen zu bedeuten hatte: Ich bin jetzt für VIER Wochen den Lappen los, zahle VIERhundert Tacken Strafe und kriege noch VIER Punkte in Flensburg. Ich sag mal: Happy New Year!

Und so geht’s bei uns heiter weiter, hier ist nie Ruhe im Karton!

Dass ausgerechnet ich irgendwann mal ein Buch schreibe, das hätte ich nie gedacht! Hin und wieder kommt zwar immer mal jemand nach der Vorstellung zu mir und sagt: »Mensch, Frau Kinsky, schreibense dat doch mal alles auf!«

Aber ich hab immer gedacht, so was Besonderes sind wir ja nun auch wieder nicht – und ich hatte auch schon ohne Bücherschreiben genug um die Ohren!

Aber jetzt habe ich das einfach mal gemacht. Vielleicht ist es ja doch für euch ganz wissenswert – und wenn nicht, dann macht’s wenigstens Spaß! War auch gar nicht so schwer! Und weil ich ja nicht alleine bin, erzähle ich das Leben von meinen sieben Kerlen, von meinen Freundinnen und unserer Omma einfach gleich mit!

Und nicht nur das! Dieses Buch hier ist ein Mitmach-Benutz-Bastel-Ratgeber – Geschichtenbuch und ein Gute-Laune-Macher für Frauen dies- und jenseits der fünfzig.

Ein Survival-Guide für geplagte Muttis mit Geschichten, Anekdoten, Tipps und Bonusmaterial zum Basteln, Rausreißen und Spaßhaben.

Damit ihr gleich den Überblick habt, um wen’s hier in diesem internationalen Italowestern-Bollywood-Schinken geht – hier erstmal unser Kinsky-Mockridge-Cast:

Eine temperamentvolle, füllige, meistens gut gelaunte italienische Charakterdarstellerin, die Anna Magnani von Bonn-Endenich: MARGIE

Der nicht mehr ganz so jugendliche Liebhaber, Ehemann und Vater der sechs Söhne, John Wayne aus Toronto, ein Holzfällerhemd kommt selten allein: BILL

Die sechs hoffnungsvollen Nachwuchsdarsteller (nach Alter geordnet):

Keanu Reeves und Charmeur, unsere Nummer 1: NICK (Jahrgang 1984)

Dagegen ist Schwarzenegger eine Ballettmaus, unser Bodybuilder: TEO (1986)

Der große Blonde mit der noch größeren Schnauze: LUKE (1989)

Unser Musiker – da bleibt kein Auge trocken, wenn er erst mal seine Gitarre auspackt: LENNY (1991)

Kreischobjekt und einmal Klaus Kinski heiß gewaschen: JEREMY (1993)

Mädchenschwarm und komplette Boyband in einem: LIAM (1997)

Nominiert für die besten Nebenrollen:

Unsere böhmische Omma, die Freundinnen Maria, Tinchen und Marita Nettekofen

Kamera: Ein Blick durch unsere dreckigen Fenster

Licht und Ton: Bei uns sind immer alle Lampen an, wahlweise auch Handy- und Computerdisplays, es wird gebrüllt, die Telefone klingeln, Radio und Glotze laufen, und irgendeiner quatscht immer rein!

Kostüm: Viele Socken mit noch mehr Löchern, ein Haufen dreckiger Wäsche und ’ne Menge Turnschuhe

Location: Eine Bonner Villa Kunterbunt – dagegen hat Pippi Langstrumpf eine aufgeräumte Bude!

Catering: Alles, was schnell geht und satt macht – Pizza, Pasta, Bratkartoffeln – und natürlich Erdbeerpudding!

Special Effects: Die Möpse Kenzo und Möppie

Nominiert in den Kategorien: Bestes Drehbuch, bestes Chaos, beste Haupt- und Nebendarsteller

Wisst ihr übrigens, was das Geile an Pudding ist? Einfach alles! Wo’s Pudding gibt, da ist es sofort gemütlich! Pudding ist pappig süß und richtig schön ungesund, Pudding geht schnell, Pudding macht glücklich, Pudding ist billig, hat man immer im Haus, oder wenn man ihn selbst nicht da hat, haben die Nachbarn garantiert noch ’nen Beutel. Pudding ersetzt locker ein Abendbrot und manchmal auch ’ne ganze Beziehung. Pudding tröstet, Pudding wärmt, und wenn man ihn garniert – mit Erdbeeren oder Gummibärchen, mit Minzblättchen oder mit Sahne –, dann wird aus der 2,50-Packung ratzfatz ein Galamenü!

Koch dir doch mal wieder ’nen Pudding! Ich warte so lange. Pudding am Start? Prima! Dann können wir loslegen!

Mein Leben vor den sieben Kerlen

Ich bin am 21.4.58 in Rom geboren. Meine Mutter wurde von ihrer Freundin in ’nem alten VW Käfer in die Klinik gefahren, ins Santa Prisca, oben auf dem Aventin, einem der sieben Hügel Roms.

Mamma Genilde Gräfin Kinsky mit Papa Filippo Dozzi und Margie an einem Sonntag irgendwann in den Sechzigern in Rom

Und so kam ich, halb böhmisch, halb italienisch, römisch-katholisch-neurotisch zur Welt. »Padre ignoto« hat meine Mutter in die Geburtsurkunde eingetragen, das heißt so viel wie: Vatter jibt es nich! Aber den gab es sehr wohl: der italienische Journalist Filippo Dozzi – groß, breit, haarlos wie ein nackter Bär. Meine Eltern hatten sich beim Jobben im RAI kennengelernt, beide waren Radiomoderatoren. Geheiratet wurde allerdings nicht – dafür war Pippo der böhmischen Gräfin viel zu wenig standesgemäß!

Margie am Strand in Viareggio

Meine Mutter wäre 1948 eigentlich lieber im böhmischen Schloss geblieben – wäre da nicht die neue Regierung gewesen, mit der sie nicht wirklich gut klarkam. Und ihr erster Ehemann, mit dem sie sechzehnjährig von ihrem Vater verheiratet worden war. Ihr Vater besaß eine Landkarte, auf der die besonders guten, adeligen Partien für seine Tochter mit Fähnchen markiert waren! Richtig gepasst hatte es mit dem Gatten nicht, und so kam sie mit ihren beiden kleinen Söhnen aus der damaligen Tschechoslowakei über die Schweiz, wo sie unter anderem in einem Hotel und einer Konditorei gearbeitet hatte, nach Rom. Fremdsprachen hatte sie als Adlige zur Genüge gelernt, und den endgültigen Zuschlag hatte Rom 1953 mit dem Film »Ein Herz und eine Krone« bekommen, in dem sich die blaublütige Audrey Hepburn in den Journalisten Gregory Peck verknallt. Wenn das mal keine Vorsehung war!

Zwei Windhunde und ein Mops: Harry (l.) und Venda (r.) mit dem neuen Schwesterchen 1958 in Rom

Venda und Margie und die Hollywoodschaukel

Mit vollem Namen heiße ich Maria Grazia Alice Eleonora Kinsky. Viel zu lang, um’s mal eben zu rufen. Also wurde das Ding zusammengestaucht: Mar…g…ie! Ich bin übrigens keine Gräfin, sondern – wie es so schön formell heißt – »nichtadelige Namensträgerin«!

Meine Mutter, meine Brüder aus Mutters inzwischen geschiedener Ehe und ich wohnten in einer kleinen Dreizimmerwohnung. Für mich waren meine zwei viel älteren Halbbrüder Venda und Harry wie zwei große Windhunde, die mich – einen kleinen, runden Mops – immer hinterherschleppten.

Harry und Margie verstehen sich

Meine Zeit auf der deutschen Schule in Rom war grandios – am schönsten waren die drei Jahre in Klasse zehn.

Schon in meinem allerersten Grundschulzeugnis stand: »Margie ist meist albern und stört im Unterricht.«

Ich war keine gute Schülerin, aber dafür immer lustig und gut gelaunt. In einem Arbeitszeugnis würde man wohl heute schreiben: »Sorgte stets für ein gutes Betriebsklima.«

Manche Dinge ändern sich nie …

Beim Handball war ich zwar ein Klassetorwart, aber in der Schule nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte – ganz schlimm war Mathe, da hatte ich immer ’ne Fünf, aber im Abitur hab ich’s immerhin zu einem Punkt gebracht! Weil ich nie gefehlt habe.

Zuerst ging ich auf die Realschule, später aufs Gymnasium, da musste ich die zehnte Klasse wiederholen, und dann bin ich direkt noch mal sitzen geblieben. Wenn ich was mache – dann eben richtig!

Mein Französischlehrer Herr Kautz hat mir beigebracht: »Ziele hoch, dann landest du etwas tiefer, und damit passt es dann!«

Trotz allem habe ich die Schule geliebt. Mir machte es auch gar nichts aus, sitzen zu bleiben – das hat ja meine schöne Schulzeit nur verlängert! In der Pause konnte man beim Hausmeister – Herrn Tschurschentaler, was für’n Name! – für 100 Lire ’ne Pizza mit Tomatensauce kaufen, für 200 Lire gab’s Stullen mit Tomate, Olivenöl und Salz, obendrauf ’ne Scheibe Prosciutto. Und wenn ich grade dran denke, dann kann ich’s immer noch riechen!

Margies erster Auftritt

Meine Brüder spielten in den Sechzigerjahren bei Fellini kleine Rollen, und als ich ein bisschen älter war, nahmen sie mich dann auf die wilden Partys mit.

Auf dem Tiber lagen Hausboote, lauter schwimmende Kneipen! Nach der Schule hingen wir da bis spätabends rum. Es war dunkel, stank nach Qualm, weil man noch überall rauchen durfte, und es gab Wein in kleinen Gläsern. Und mein Lieblingsbier Nastro Azzuro – das war’s. Die Kneipenmutti Anna hat nachts immer noch Due Spaghetti gemacht, das hab ich später in Deutschland so vermisst – diese Spontaneität, mal eben um zwei Uhr morgens schnell wat innen Topf, alle ummen Tisch, fertig! Dann haben wir zusammen alte, römische Lieder gesungen. Das Schönste war von dem Schauspieler Nino Manfredi: »Quando c’e la salute c’e tutto, basta un paio di scarpe nuove e puoi gira tutto il mondoooooo!« Wie wahr: Biste gesund, dann haste alles, und du brauchst nur’n paar neue Schuhe und kommst damit durch die ganze Welt. Ja, genau so einfach war das Leben damals für mich. Genau richtig!

Scharfes Fahrrad, wilde Margie 1970 in Rom

Wir waren die jungen Wilden, und das Publikum bestand aus lauter klebrigen, langhaarigen, immer gut gelaunten Künstlern in langen Strickpullovern oder mit bestickten Fellwesten, die furchtbar nach Ziegenbock stanken. Ich hatte natürlich auch so ’n Westchen, klar, das musste zu Hause auf dem Balkon wohnen, weil es derart nach saurer Milch gerochen hat. Die Künstler hatten wenig Arbeit und dafür viel Zeit. Tolle Typen waren das!

Der Regisseur Federico Fellini und seine Entourage waren Stammgäste auf den Hausbooten – ein ganzes Panoptikum voller Statisten, Schauspieler, Freaks! Die beklopptesten Figuren lungerten bis tief in die Nacht auf diesen Hausbooten rum, es wurde Musik gemacht, gesungen, gefeiert, geliebt und gelebt. Ich war sechzehn, und das alles war einfach ein Traum für Teenie-Margie – aber ein Albtraum für meine Mutter! Mein Vater hatte mir damals zum achtzehn Geburtstag seinen kleinen Fiat 500 vermacht, er war blau und hatte das Kennzeichen ROMA62 – eine geile Rennsemmel! Meine Mutter kriegte jedes Mal ’nen Föhn, wenn ich mit dem Ding unterwegs war und dann morgens verpennt in der Schule hockte. Abends war ich dann wieder glücklich als Nesthäkchen zwischen den ganzen Filmleuten – das wurde meiner Mutter irgendwann mal zu viel. So kam sie 1979 auf die Idee, mich in Rom aus dem Verkehr zu ziehen, und ich musste nach Bonn! Verschickt als Au-pair-Mädchen zu einer Diplomatenfamilie mit drei kleinen Kindern in die Bundeshauptstadt Bonn. Dass mir der Abschied von Rom schwerfiel, könnt ihr euch ja sicher vorstellen – aber heute weiß ich inzwischen, dass man im Sinne des Familienfriedens mal besser tut, was Mama sagt!

Pummelig im Patchworkkleid: Mein 18. Geburtstag

Ich erinnere mich, als ich mit dem Zug aus Rom ankam, da wollte ich natürlich erst mal in eine Bar. Ich komme also raus auf den Bahnhofsvorplatz und – Pustekuchen! Nix Bar! War ich konsterniert! Einfach mal ’nen kleinen Espresso im Stehen, ich wollte mich ja gar nicht lange hinsetzen, aber – no way! Und dazu dieser bescheuerte Satz: Draußen jibbet nur Kännchen! Hä?

Das war meine erste Begegnung mit der Bundesrepublik Deutschland.

Hurra –jetzt bin ich auch eine Springmaus!

Ich hab mir gedacht: Studierste das, was du sowieso schon gut kannst. Also Italienisch, Französisch und vergleichende Literatur, ein bisschen Blabla, das klappte ganz gut. Das hab ich fünf Jahre lang gemacht, bis 1983. An der Uni war ich natürlich in der Theatergruppe – da waren sie wieder, die Gaukler. Jaaaa! Und nebenbei hab ich an der Oper in der Statisterie gearbeitet. Beim Rausgehen guckte ich immer mal wieder aufs Schwarze Brett neben dem Bühneneingang, da suchte ein kanadischer Schauspieler namens Bill Mockridge lustige junge Studenten für einen Impro-Theater-Workshop.

Klar bin ich da hin. Ich war ein bisschen zu spät, hatte meinen Pulli in der Eile verkehrt rum angezogen und fuhr auf Rollschuhen, das ging schneller. Ich kam also auf diese Probebühne – und da saß BILL! Mit Musketierbärtchen, schulterlangen Haaren, gestreiften Jeans und Stiefeln – wow, ein echter D’Artagnan! Er sagte mir sofort: »Du bist spät … ab auf die Bühne!«

Die erste Aufgabe lautete: Du sitzt im Bus, und irgendwas stinkt bestialisch. Ich setzte mich auf einen Stuhl, beamte mich zurück in den 38er-Schulbus morgens um 7 Uhr – und war drin. Ich hatte die kleinen italienischen Hausfrauen sofort wieder in der Nase, wie sie unterm Arm nach Knoblauchorgien riechen. Und zack – damit war ich feierlich im ersten Ensemble des Springmaus-Improvisationstheaters aufgenommen. So fing sie an, meine Improkarriere. Und ich war dreißig Jahre lang eine stolze Springmaus!

Manchmal habe ich mir gedacht: Wenn du mal einen Kerl findest, dann muss der so sein wie Bill. Und dann habe ich ihn auf einer Silvesterparty 1983 mal gefragt, ob er vielleicht der Patenonkel werden möchte, falls ich mal ein Kind kriege. Und was sagt er: »Ich wäre aber viel lieber der Vater!« Bumm!

Das frische Paar Bill & Margie 1984 in Bonn, ausnahmsweise mal ganz ernst

Wir waren vorher auch schon sehr eng zusammen, aber ab dann war es endgültig klar zwischen uns. Punkt. Auch wenn ihr an dieser Stelle sicher wahnsinnig scharf auf weitere Details seid! Es gibt einfach Türchen, auf denen steht »Privat«. Wir hatten beide den großen Wunsch, eine Familie aufzubauen, und so wurde Bill also zum Daddy unseres ersten Sohnes Nick, dann hab ich den »gottlosen Gaukler« (O-Ton meine Mutter) mal eben schnell in Bonn auf dem Standesamt geheiratet – aber so ’ne richtige Hochzeit mit allem Tamtam war das nicht! Dann ging’s auch schon flott weiter mit den Schwangerschaften – es kamen nacheinander: Teo, Luke, Leonardo, Jeremy und dann Liam. Noch ’n Junge … und noch ’n Junge …. Ich habe die meiste Zeit mit einem riesigen Bauch auf der Bühne gestanden, bin dick und kugelig über Tische und Stühle geturnt, und alle Kollegen hatten Schiss, dass das Kind am Ende noch in der Garderobe zur Welt kommt. Ich hatte auch nie Mutterschutz – ein paar Tage nach der Geburt war ich wieder auf Tour, Kind immer dabei, hinter der Bühne wurde gestillt und gepumpt, gewickelt und gewackelt, und als es dann immer mehr wurden, haben wir uns einfach die Omma aus Rom nach Bonn geholt!

Das Schöne ist ja – so ein Hirn ist wirklich ein nettes, löchriges Ding. Man vergisst nämlich ganz schnell, was das in Wirklichkeit für ein Höllenstress war! Bei der Generalstabsarbeit durfte bloß nix schiefgehen. Aber dafür kannste mich inzwischen überall als Logistiker einstellen!

Alle selbst gemacht – von links nach rechts: Liam, Jeremy, Lenny, Luke, Teo und Nick

1. Mein Leben mit sechs Zwergen

Mein Körper zwischen Stop & Go

Bevor ich euch erzähle, wie das mit den Schwangerschaften war, fange ich mal kurz damit an, wie es jetzt gerade ist: In meinem Alter hat man ja auch mal Hitzewallungen, und ich hab eine wunderschöne Formulierung dafür gehört: »Der eigene Sommer«. Toll, oder? Jedenfalls hatte ich neulich mal wieder so eine heißblütige Sommernacht, Bill schnarchte neben mir, es war wahnsinnig warm, und ich dachte: Weißte was, gehste einfach auf’n Balkon. Wir wohnen in Bonn-Endenich, da geht nachts sowieso kein Schwein vorbei, da machste dir einfach kurz ein Lüftchen mit deinem Nachthemd. Und dann hab ich mit dem Nachthemd rumgewedelt, aber weil es drei Uhr morgens war, dachte ich, zieh das blöde Ding doch gleich ganz aus! Dann hab ich das Ding ausgezogen und schön überm Kopf geschwungen – herrlich war das!

Was ich aber nicht gemerkt habe, war, dass mein Sohn Teo mit fünf Kumpels und ’nem Kasten Bier hinten durch den Garten kam. Plötzlich höre ich direkt unter mir. »Guten Abend, Frau Kinsky!« Der Kumpel guckt zu mir nach oben, und direkt danach kotzt mir der Kerl auch noch in die Fleißigen Lieschen!

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das war oder der Alkohol. Aber so ein Körper wird mit den Jahren ja auch nicht schöner. Und morgens um drei schon gar nicht!

Und sechs Schwangerschaften machen einen auch nicht straffer!

Womit wir beim Thema wären! Wenn du schon Kinder hast, dann ist das hier für dich nix Neues. Wenn du noch keine hast, dann weißt du sowieso nicht, was auf dich zukommt.

Ich bin zu dem Schluss gekommen: Neun Monate Schwangerschaft sind einfach viel zu lang. Oder auch wieder zu kurz – dann lieber gleich ein Jahr. Oder anderthalb. Kein Mensch sitzt neun Monate rum und wartet auf ein Kind. Niemand! Und es kommt sowieso immer was dazwischen. Entweder eine Theaterpremiere, oder deine beste Freundin verlässt ihren Kerl, und du musst ihr helfen, die Waschmaschine aus dem vierten Stock runterzuschleppen, und entweder du bist noch ganz frisch schwanger, dann ist das gefährlich, oder du bist so richtig moppeldick schwanger, dann passt du mit der Waschmaschine zusammen sowieso nicht mehr ins Treppenhaus.

Und bei der Premiere musst du alle fünf Minuten kotzen gehen.

Eigentlich übernehme ich viel lieber Verantwortung für Menschen, die sich außerhalb meines Körpers befinden. Wenn du in der Schwangerschaft mal ein Bier trinkst, denkste gleich, wenn der in der Grundschule ein anderes Kind verkloppt, dann kommt’s davon. Oder du schleppst im vierten Monat noch zwei Wasserkisten in den vierten Stock – am Ende wird das Kind dann Legastheniker! Oder du hast mal Sorgen, schlechte Laune, ’nen Wutanfall – kannste dann jetzt schon mal auf ’ne Gestalttherapie sparen?

Wer kann denn überhaupt neun Monate lang wie ein rohes Ei rumlaufen? Ich jedenfalls nicht! Apropos Ei: Genau so sieht man schneller aus, als einem lieb ist, und auch die Bewegungseleganz (hatte ich so was je?) verschwindet in dem Maße, in dem man figürlich anfängt, einem Rollbraten zu ähneln. Und man ist wirklich behindert! Nicht nur, dass die Durchblutung des Hirns zugunsten der internen Kinderversorgung gedrosselt wird und einem die einfachsten Wörter nicht mehr einfallen (»Mach doch mal das … Dingens … Scheiße, wie heißt das Teil mit der Scheibe?« – »Fenster?« – »Richtig, sag ich doch! Hältst du mich für blöd oder was!«), man braucht eine komplette Sonderausstattung: Klamotten mit eingenähter Bauchbeule, zum ersten Mal im Leben sündhaft teure Thrombosestrümpfe – und ein neues Auto! Ab dem fünften Monat passt du nämlich nicht mehr hinters Lenkrad! Und wenn du den Sitz so weit zurückstellst, dass der Bauch passt, dann sind die Arme zu kurz, dann bräuchtest du auch noch Prothesen! Und an Gas und Bremse kommste mit den Füßen auch nicht mehr.

Einmal, ich glaube, da war ich gerade mit Lenny, unserer Nummer vier, schwanger, da wollte ich nur kurz was einkaufen, parkte schnittig auf dem Supermarktparkplatz ein und will gerade aussteigen, als so ein Arsch mit voll aufgedrehter Mucke links neben mir mit quietschenden Reifen stehen bleibt, aus seiner dröhnenden Karre hopst, und zehn Meter weiter das Ding mit seinem Vollautomatikarschlochangeberautoschlüssel zum Schweigen bringt – bevor ich überhaupt reagieren kann! Zwischen meine Tür und seine Karre passt grade mal ’ne Tafel Schokolade. Und nu? Ich schiebe also den Sitz so weit wie möglich zurück, es knirscht und knautscht – Scheiße! Die Kindergartenlaterne, die lag da hinten aufm Boden! Da hatten der Älteste und ich zwei Stunden lang mit Heulen und Pattexfäden überall versucht, Buntpapier zwischen zwei Camembertdeckel zu kleben. Hübsch war sie nicht, na ja, nu isse hin. Ich versuche, wider besseres Wissen, die Fahrertür aufzumachen. Schrrrgh – verdammt! Die Arschlochkarre steht aber auch wirklich nah dran! Ich rechne kurz aus, um wie viel Prozent ich jetzt in der Versicherung steige. Bin ich eigentlich auch schuld, wenn mich einer mutwillig einparkt, noch dazu, wenn ich schwanger bin? Ich könnte ja theoretisch auch jetzt und hier ’ne Sturzgeburt haben, dann muss mich die Feuerwehr aus dem Auto raussägen – muss der das dann bezahlen? Ich überlege kurz, ob ich rein aus Rache schnell gebären soll, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder, bin ja erst im sechsten Monat. Auf der Fahrerseite geht also nix, Beifahrertür scheidet auch aus, das hab ich beim Einparken schon gesehen. Also durch den Kofferraum! Ich winde mich seitwärts zwischen den Vordersitzen langsam nach hinten. Als ich die obere Hälfte mitsamt Bauch schon mal nach hinten gewuchtet habe, höre ich draußen eine Kinderstimme: »Guck mal, die dicke Frau turnt im Auto!«

Ein kleiner Wurstfinger stupst gegen die Windschutzscheibe.

»Warum geht die dicke Frau nicht in die Turnstunde? Das mache ich doch auch!«

Ich kann mich leider nicht umdrehen, liege mit dem Kinn auf dem Rücksitz, mein Bauch hat Schlagseite und hängt über dem Fußraum. Durch die Windschutzscheibe hat man freie Sicht auf meinen Arsch, na danke schön!

Warum hat mein Auto eigentlich keine verdunkelten Scheiben? Und wer wollte überhaupt unbedingt Kinder? Leihmütter sind doch eigentlich auch was Tolles …

Ich schreie: »Wart mal ’ne Sekunde, wenn ich dir gleich meinen Schlüssel gebe, machst du mir mal den Kofferraum auf? Bitte! Haaalloo!«

Als ich bis zur Scheibe vorrobben kann, sehe ich das Kind noch von Weitem winken, während es von der Mutter in den Supermarkt gezerrt wird.

Dafür dröhnt in der Karre nebenan wieder Mucke. Ich hämmere gegen die Scheibe. Jetzt darf der Typ bloß nicht merken, dass ich ihm die Tür verschrammt habe, sonst hilft der mir nie!

Er hört gar nix, die Bässe hämmern lauter als ich. Und mit einem testosterongeladenen Quietschen parkt er aus und ist verschwunden. Endlich! Also Kommando rückwärts. Ich hake mich mit den Füßen unter den Vordersitzen fest, stoße mich mit den Armen von der Rücksitzlehne ab und – löse dabei die Handbremse! Das Auto rollt gemächlich rückwärts, und ich kann gerade noch den Hebel hochreißen, bevor ich eine Mutter mit Kinderwagen über den Haufen fahre – ganz schlechtes Omen! Die Frau mit dem Kinderwagen guckt böse durch die Seitenscheibe. Es ist die Kindergärtnerin meines Sohnes, mit der wir neulich die Laternen …

»Frau Kinsky, kann ich vielleicht irgendwie helfen?«

Wenn du also noch kein Kind hast: Plan bloß nix, es läuft sowieso immer ganz anders, als du gedacht hast.

Ich werde nie vergessen, als ich damals 1984 diesen Test vom Drogeriemarkt in der Hand hatte – das war so ein flatteriges Gefühl irgendwo zwischen Käfer im Bauch und kotzübel. Bill hatte so einen tollen Spruch, der wurde unser Motto: Was kommt, wird gewickelt!

Und so war’s dann auch. Am Ende hieß es dann: Zwölf Fäuste für ein Hallelujaaaaa!!! Klasse, wa? Man fragt sich am Anfang, oh Gott, wie soll das alles gehen? Aber der Tag hat 24 Stunden, und es geht immer weiter – und du gehst halt mit. Klingt viel zu einfach, ich weiß, aber da kannste ruhig drauf vertrauen!

Die erste Schwangerschaft war natürlich ein Wahnsinn, weil uns dieses Kind überhaupt erst richtig zusammengebracht hat. Und ich war von Anfang an sicher – der Vatter ist klasse, ich bin auch nicht ohne, also kann’s nur ’n Klassetyp werden! Was sonst? Außerdem bin ich auch noch so bekloppt katholisch. Ich glaube ans Leben, an das Gute im Leben – und dass alles schon irgendwie wird.

Luke (5 Tage alt) 1989 mit Mamma in der Bühnenpause

Ein Vetter von mir hat mal so schön gesagt: So lang du auf der Seite des Lebens bist, biste automatisch auf der richtigen Seite! Also war für mich von Anfang an klar, das Kind wird gekriegt, da gibt’s gar keine zwei Meinungen!

Und der nächste Gedanke war sofort: ICH WERDE NIE WIEDER ALLEINE SEIN! Auch nicht schlecht. Aber dass dann noch der super Papa dazukam – das war natürlich der Knaller! Hätte ja auch anders laufen können. Uns war aber ziemlich schnell klar – wir sind schon zu dritt ’ne Supertruppe, und dann haben wir aus drei eben gleich acht gemacht. Aber jedes Mal war uns neben der Riesenfreude auch ganz schön mulmig. Manno, wie geht das denn jetzt, wie wuppen wir das? Aber wir haben es nicht anders gewollt. Und sechs Mal haben wir so ’n Schwein gehabt – sechs supergeile, gesunde, tolle Kerle! Was für ein Geschenk! Beziehungsweise ein ganzer Sack voller Geschenke!

Die Kollegen und Freunde haben natürlich oft genug den Kopf geschüttelt: Die spinnen doch, die Römer, und die Kanadier genauso! Haben die keinen Fernseher? Keine anderen Hobbys? Und die Besatzung im Johanniterkrankenhaus hatte jedes Mal so ’n »Da-sindse-ja-schon-wieder-Blick« drauf.

Ich hab immer auf den Moment gewartet, in dem der Hausmeister mal sagt: »Frau Kinsky, dat nächste Kind geht aufs Haus!«

Meine Schwangerschaftstests waren sowieso immer positiv. Wenn ich das Gefühl hatte, dass ich schwanger sein könnte, war ich’s dann auch – ich hätte mir die Dinger also ruhig sparen können. Stattdessen gibt es ein paar untrügliche Zeichen – du bist schwanger, wenn:

du immer wieder in fremde Kinderwagen reinglotzt

du bei dem Geruch von Babyöl, Penaten-Creme und Weichspüler schier ausrastest

du wie von Aliens ferngesteuert IMMER automatisch in der Babyabteilung landest

du plötzlich keinen Bock mehr auf ein entspanntes Bierchen hast

deine Freundinnen alle Kinder kriegen, nur du nicht, und du denkst: »Gott sei Dank bin ich noch nicht dran!« Denkste!

du freiwillig einen gemütlichen Abend mit Fernseher und Tee statt mit Freunden und Party verbringst

dir zum ersten Mal auffällt, dass irgendwo ein Baby weint, und es ist dir nicht egal

du dir plötzlich beim gemütlichen Candle-Light-Dinner mit deinem Mann permanent selbst über die Titten streichelst

du jeden Tag Appetit auf dein allerliebstes Lieblingsessen hast, obwohl du jedes Mal fürchterlich darauf kotzen musst

du direkt nach dem Aufwachen schon wieder so watt von platt bist. Oder du bist frühmorgens schon unnatürlich wach und fit und möchtest nichts lieber als jetzt unbedingt mal alle Fenster putzen (was du sonst widerwillig nur alle paar Jahre mal machst)

Ja, dann wusste ich: Wir sind wieder so weit!

Im Johanniterkrankenhaus in Bonn hatten wir schon ’ne Zehnerkarte. Und wer dir erzählt, eine Geburt sei wunderbar, romantisch und schön – der lügt. Aber so was von! Es ist ungefähr so, wie den Ironman zu laufen – dreimal hintereinander! Und alle rundherum müssen hart im Nehmen und Verzeihen sein, alles bringen, was du gerade brauchst – und zwar sofort und zackig! –, und trotzdem damit rechnen, alle paar Minuten übelst angepöbelt zu werden. So isses halt – Kreißsäle sind eben kein Sternerestaurant!

Und noch was: Von wegen mit jedem Kind geht es schneller! Quatsch mit Soße – da renovierste aber ein Haus schneller!

Aber was wirklich stimmt: Wenn dein Kind dann endlich da ist – deins! –, dann ist wirklich wie durch ein Wunder alles vergessen! Ich weiß, das erzählen alle und kriegen dann ganz feuchte Augen, aber es stimmt wirklich.

Denn wenn man sich noch erinnern könnte, würden ja nur die komplett Bekloppten mehr als ein Kind haben. Obwohl …

2 x 2 Schlitzaugen

Du bist den Marathon gelaufen und hast gewonnen – den ersten Preis! Das ist schon ein verdammt geiles Gefühl! Dann suchst du das kleine Wesen sofort nach Ähnlichkeiten ab, nach deiner Nase oder den Ohren von Omma. Ich hab immer sofort die lachenden Schlitzaugen vom Holzfäller gefunden – zwölf Mal! Ein beklopptes Phänomen!

Aber anscheinend isses wirklich so: Wo Mockridge draufstand, war auch immer Mockridge drin.

Kindergeburtstage bei Mockridges

Schätz doch mal, wie viele Kindergeburtstage wir bisher gefeiert haben? Sechs mal zwölf oder dreizehn Geburtstage – macht 78-mal feiern! 78 Mal mit Kindern Einladungen basteln, bedrucken, wie immer viel zu spät verteilen, Mottos ausdenken, Kostüme schustern, Musik zusammenschneiden, Kuchen backen, Süßkram fürs Topfschlagen besorgen, später dann mit der ganzen Mannschaft ins Kino, Fahrdienste organisieren, zentnerweise Popcorn kaufen, der Nächste will ’nen Piratengeburtstag, der Dritte in den Kletterpark, der Vierte ’ne Indianerparty, der Fünfte will Marshmallows und Stockbrot grillen, der Nächste will Kanufahren … Kinners, das war vielleicht ein Zirkus! Und Herr Haribo hat sich auch an uns dumm und dämlich verdient – bei den Massen an Gummibärchen, die wir immer gekauft haben! Am Ende kotzte meistens einer von dem vielen Zucker, oder ein anderer kriegte den Topfschlagelöffel an den Kopp und heulte, pöbelte, musste früher abgeholt werden … Immer war was los!

Ich weiß noch, wie wir die Einladungen geschrieben haben, zuerst noch brav mit der Hand – ohne Computer! – mit aufgeklebten Fußbällen oder mit gemalten Skateboards, mit Inlinern, Zirkuszelten – wir hatten alles einmal durch!

Aber die schärfste Fete von allen, die hatte Teo an seinem zehnten Geburtstag. Schatzsuche war immer sehr gefragt, das haben sich alle unsere Jungs mal gewünscht, und der Holzfäller war eine echte Granate im Organisieren. Das Thema für diesen Geburtstag sollte sein: Nachtwanderung auf dem Friedhof! So richtig schön gruselig, huuuh!

Wir versammelten also zehn kleine Jungs (goldene Regel: Immer so viel Gäste wie Lebensjahre!) rund um Teo. Schon allein die Einladung mit Grabsteinen drauf hatte zwei Kumpels verschreckt – die konnten dann ganz plötzlich doch nicht kommen. Zuerst gab es das klassische Mockridge-Kindergeburtstagsmenü: Würstchen, Pommes und Mezzomix, dann alle in die Jacken gesteckt, jedem eine Taschenlampe in die Hand gedrückt und los!

Der Holzfäller marschierte vorneweg, zehn kleine Jungs mit roten Bäckchen und noch roteren Ohren taperten hinterher. Ich musste mal wieder zu Hause die Brutpflege für die kleineren Jungs übernehmen und konnte nicht mit. Zuerst sollten die Jungs also den Schatzplan finden und damit dann auf dem Friedhof suchen. Der Holzfäller hatte schon vorher zwei größere Jungs aus unserer Nachbarschaft klargemacht, die sollten dann gegen ein kleines Honorar auf ein vereinbartes Stichwort hin plötzlich hinter dem Grab von Anna Laubach aufspringen, flattern, »Huuhuu!« schreien und dann ganz geisterhaft in der Dunkelheit verschwinden. Der ganze Auftritt natürlich in einem amtlichen Horrorkostüm mit »Scream«-Maske! Kein Mensch wusste übrigens, wer Anna Laubach überhaupt war – das war ein alter, ganz verwitterter Grabstein, der schon ewig auf dem Friedhof ein bisschen abseits von den anderen Gräbern stand und so richtig schön schaurig aussah.

Die großen Jungs waren also auf Position, die Geburtstagsgesellschaft hatte inzwischen den Schatzplan gefunden, Rätsel gelöst, war über Stock und Stein gelaufen und ganz schön außer Puste – und die letzte Station war eben das Grab von Anna Laubach.