Im Auftrag des Adlers - Simon Scarrow - E-Book

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Simon Scarrow

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Beschreibung

Die Invasion Britanniens hat begonnen! Zenturio Macro und sein Optio Cato führen die Zweite Legion gegen den schlimmsten Feind, mit dem es die römische Armee je zu tun hatte: Die keltischen Barbarenhorden sind wild, grausam und beinahe übermenschlich tapfer. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, müssen sich Cato und Macro auch noch gegen einen skrupellosen Feind aus den eigenen Reihen wehren: Der verräterische Tribun Vitellius hat seinen beiden Widersachen nämliche blutige Rache geschworen ...

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Simon Scarrow

IM AUFTRAGDES ADLERS

Roman

Aus dem Englischen vonBarbara Ostrop

ZUM BUCH

Als die Invasionsarmee von Kaiser Claudius an den nebelverhangenen Küsten Britanniens landet, ist dem erfahrenen Centurio Macro bewusst, dass ihm und der Zweiten Legion einer der härtesten Feldzüge der römischen Geschichte bevorsteht. In Blut und Schweiß kämpfen beide gegen den zahlenmäßig überlegenen Feind: die tapferen Kelten, deren Grausamkeit beispiellos ist. Doch der gefährlichste Gegner kommt aus ihren eigenen Reihen. Macro und Cato kommen einer Verschwörung auf die Spur, die das Römische Reich zu erschüttern droht!Ein ausführliches Werkverzeichnis von Simon Scarrow findet sich auf www.randomhouse.de/content/download/speziell/Simon_Scarrow.pdf

ZUM AUTOR

Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre als Dozent für Geschichte an der Universität von Norfolk, eine Tätigkeit, die er aufgrund des großen Erfolgs seiner Romane nur widerwillig und aus Zeitgründen einstellen musste.

Besuchen Sie Simon Scarrow im Internet unter www.simonscarrow.co.uk

Inhaltsverzeichnis

ZUM BUCHZUM AUTORWidmungDie Organisation der römischen LegionKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41Kapitel 42Kapitel 43Kapitel 44Kapitel 45Kapitel 46Kapitel 47Kapitel 48Kapitel 49Kapitel 50Kapitel 51Kapitel 52Kapitel 53Kapitel 54Anmerkung zum Stand der historischen ForschungCopyright

Für Carolyn, die alles erst möglich macht, mit all meiner Liebe

Die römische Armee Miltärische Rangordnung im Jahr 43 n. Chr.

Die Organisation der römischen Legion

Wie allen Legionen gehörten auch der Zweiten Legion rund fünfeinhalbtausend Mann an. Die Basiseinheit war die achtzig Mann starke Zenturie, die von einem Zenturio befehligt wurde, als dessen Stellvertreter der Optio fungierte. Die Zenturie war in acht Mann starke Unterabteilungen gegliedert, die sich im Lager eine Baracke beziehungsweise im Feld ein Zelt teilten. Sechs Zenturien bildeten eine Kohorte, und zehn Kohorten bildeten eine Legion; die erste Kohorte hatte jeweils doppelte Größe. Jede Legion wurde von einer hundertzwanzig Mann starken Kavallerieeinheit begleitet, unterteilt in vier Schwadronen, die als Kundschafter und Boten Verwendung fanden. Die Ränge in absteigender Folge lauteten folgendermaßen:

Der Legat war ein Mann aristokratischer Herkunft. Im Allgemeinen Mitte dreißig, befehligte der Legat die Legion bis zu fünf Jahre lang und hoffte darauf, sich einen Namen zu machen, um dergestalt seine darauf folgende Politikerkarriere voranzubringen.

Beim Lagerpräfekt handelte es sich zumeist um einen angegrauten Kriegsveteran, der zuvor eine Zenturie befehligt und die Spitze der einem Berufssoldaten offen stehenden Karriereleiter erklommen hatte. Er verfügte über große Erfahrung und Integrität und übernahm das Kommando über die Legion, wenn der Legat abwesend oder im Kampf gefallen war.

Sechs Tribunen dienten als Stabsoffiziere. Dies waren Männer Anfang zwanzig, die zum ersten Mal in der Armee dienten, um administrative Erfahrung zu erwerben, bevor sie untergeordnete Posten in der Verwaltung übernahmen. Anders verhielt es sich mit dem Obertribun. Er war für ein hohes politisches Amt vorgesehen und sollte irgendwann eine Legion befehligen.

Die sechzig Zenturionen sorgten in der Legion für Disziplin und kümmerten sich um die Ausbildung der Soldaten. Sie waren aufgrund ihrer Führungsqualitäten und ihres Todesmuts handverlesen. Demzufolge war bei ihnen die Sterblichkeitsrate weit höher als bei den anderen Rängen. Der oberste Zenturio befehligte die erste Zenturie der Ersten Kohorte, war hoch dekoriert und genoss großes Ansehen.

Die vier Dekurionen der Legion befehligten die Kavallerie-Schwadronen und hofften darauf, zum Befehlshaber der Kavallerie-Hilfseinheiten befördert zu werden.

Jedem Zenturio stand ein Optio zur Seite, der die Aufgabe eines Ordonnanzoffiziers wahrnahm und geringere Kompetenzen hatte. Ein Optio wartete für gewöhnlich auf einen freien Platz im Zenturionat.

Unter dem Optio standen die Legionäre, Männer, die sich für fünfundzwanzig Jahre verpflichtet hatten. Theoretisch durften nur römische Bürger in der Armee dienen, doch wurden zunehmend auch Männer der einheimischen Bevölkerung angeworben, denen beim Eintritt in die Legion die römische Staatsbürgerschaft verliehen wurde.

Nach den Legionären kamen die Männer der Auxiliar-oder Hilfskohorten. Diese wurden in den Provinzen rekrutiert und stellten die Reiterei sowie die leichte Infanterie des römischen Reiches und nahmen andere Spezialaufgaben wahr. Nach fünfundzwanzigjährigem Armeedienst wurde ihnen die römische Staatsbürgerschaft verliehen.

DIE RÖMISCHE INVASION BRITANNIENS IM JAHR 43 N. CHR. HAUPTLINIEN DES RÖMISCHEN VORMARSCHES UND DIE WICHTIGSTEN SCHLACHTEN

1

»Auf den Langen würde ich nicht setzen«, murmelte Zenturio Macro.

»Warum denn nicht, Herr?«

»Schau ihn dir doch an, Cato! Der Kerl besteht ja nur aus Haut und Knochen. Gegen diesen Gegner wird der nicht lange durchhalten.« Macro nickte zur anderen Seite der improvisierten Arena hinüber, wo gerade ein stämmiger Gefangener mit Rundschild und Kurzschwert ausgestattet wurde. Der Mann nahm die ungewohnten Waffen widerstrebend entgegen und fasste seinen Gegner ins Auge. Cato schaute zu dem hoch gewachsenen, mageren Briten hinüber, der bis auf einen kleinen Lendenschurz nackt war. Einer der Legionäre, die Arenadienst hatten, stieß ihm einen langen Dreizack in die Hand. Der Brite wog ihn prüfend, bis er gut ausbalanciert in der Hand lag. Er wirkte wie ein Mann, der eine Waffe zu handhaben wusste, und in seinen Bewegungen lag viel Selbstsicherheit.

»Ich setze auf den Langen«, entschied Cato.

Macro drehte sich um. »Bist du blöd? Schau ihn dir doch an.«

»Hab ich, Herr. Und ich bekräftige mein Urteil mit meinem Einsatz.«

»Dein Urteil?« Der Zenturio hob die Augenbrauen. Cato war erst im vergangenen Winter zur Legion gestoßen, ein Bursche aus dem kaiserlichen Haushalt in Rom, ein rechter Grünschnabel noch. Nicht mal ein Jahr lang war der Junge Legionär, und schon warf er mit seinem Urteil um sich wie ein alter Veteran.

»Dann mach eben, was du willst.« Macro schüttelte den Kopf und setzte sich in Erwartung des Kampfs auf seinen Platz. Dies war der letzte Kampf der vom Legaten Vespasian improvisierten Spiele, die in einem kleinen, waldigen Tal mitten im Marschlager der Zweiten Legion stattfanden. Morgen würden die vier Legionen und ihre Hilfstruppen wieder auf dem Marsch sein, angetrieben von General Plautius und seiner Entschlossenheit, Camulodunum noch vor Einbruch des Herbstes einzunehmen. Wenn die feindliche Hauptstadt fiel, würde das Bündnis britischer Stämme unter ihrem Anführer Caratacus vom Stamm der Catuvellauni zerbrechen. Mehr als die vierzigtausend Mann unter Plautius konnte Kaiser Claudius für die verwegene Invasion der nebligen Insel vor der Küste Galliens nicht entbehren. Jeder in der Armee war sich bewusst, dass die Briten ihnen zahlenmäßig weit überlegen waren. Doch bislang waren die Feinde unter sich gespalten. Wenn es den Römern gelang, rasch ins Herz des britischen Widerstands vorzustoßen, bevor die Legionen durch ihre geringere Mannstärke ins Hintertreffen gerieten, war der Sieg zum Greifen nahe. Jeder schien von dem Wunsch beseelt, so schnell wie möglich vorzurücken, doch für diesen Ruhetag und die von den Kampfspielen gebotene Unterhaltung waren die erschöpften Legionäre dankbar.

Zwanzig Briten waren mit den unterschiedlichsten Waffen ausgerüstet und paarweise gegeneinander aufgestellt worden. Um die Spannung zu steigern, hatte man Lose in den Helm eines Legionärs geworfen und die Gegner ausgelost, was einige amüsant ungleichgewichtige Paarungen ergeben hatte. So schien es auch bei diesem letzten Kampf zu sein.

Der Standartenträger der Legion hatte die Aufgabe des Zeremonienmeisters übernommen und schritt, die Arme schwenkend, in die Mitte der Arena, um die Zuschauer zur Ruhe aufzufordern. Seine Helfer beeilten sich, die letzten Wetten anzunehmen, und Cato ließ sich wieder neben dem Zenturio nieder, nachdem er seine Wette zu einer Quote von fünf zu eins abgeschlossen hatte. Recht unvorteilhaft, aber Cato hatte einen ganzen Monatslohn gesetzt, und falls der Mann gewann, würde er ein hübsches Sümmchen einsacken. Macro hatte auf den muskelbepackten Gegner mit Kurzschwert und Rundschild gesetzt. Eine wesentlich kleinere Summe, dafür aber zum günstigsten Verhältnis, das sich angesichts der allgemeinen Einschätzung der Kämpfer aushandeln ließ.

»Ruhe! Ruhe dort!«, brüllte der Standartenträger. Trotz der wegen der Ruhepause sehr gelösten Stimmung zeigten die versammelten Legionäre sofort Disziplin. Von einem Moment auf den anderen verstummten zweitausend schreiende, gestikulierende Soldaten und setzten sich in Erwartung des Zweikampfs hin.

»Nun also der letzte Kampf! Zu meiner Rechten präsentiere ich euch einen Schwertkämpfer, athletisch gebaut, ein erfahrener Krieger, das behauptet er zumindest.«

Die Menge johlte verächtlich. Wenn der Brite so verdammt gut war, warum, zum Teufel, kämpfte er dann hier als ihr Gefangener um sein Leben? Der Schwertkämpfer grinste höhnisch zu den Zuschauern hinüber, hob plötzlich den Arm und stieß einen trotzigen Kampfruf aus. Die Legionäre grölten zurück. Der Standartenträger ließ das Geschrei noch eine kurze Weile zu und forderte dann erneut Ruhe ein. »Zu meiner Linken haben wir einen Dreizack. Behauptet, er sei der Knappe irgendeines Häuptlings. Ein Waffenträger also von Beruf, kein Waffenkämpfer. Da wird das hier wohl eine saubere, schnelle Sache werden. Und jetzt, ihr faulen Säcke, vergesst nicht, dass gleich nach dem Mittagssignal der normale Dienst weitergeht.«

Die Menge stöhnte so laut, dass es nicht ganz echt wirkte, und der Standartenträger lächelte gutmütig. »Also aufgepasst, Kämpfer – auf eure Plätze!«

Der Standartenträger zog sich aus der Mitte der ›Arena‹ zurück, einer grasbewachsenen Fläche, die an den Stellen, wo Kämpfer gefallen waren, blutrot und schmierig schimmerte. Die Gegner wurden einander gegenübergestellt, wobei zwei in die Grasnarbe geschnittene Kerben die Markierungen bildeten. Der Schwertkämpfer hob Kurzschwert und Rundschild und duckte sich kampfbereit. Im Gegensatz dazu hielt der Dreizackkämpfer seine Waffe senkrecht nach oben gerichtet, ja, er schien sich fast darauf zu stützen, das Gesicht vollkommen ausdruckslos. Ein Legionär versetzte ihm einen Tritt, um ihm klarzumachen, dass er sich bereit machen solle. Der Dreizackkämpfer rieb sich jedoch nur mit schmerzlich verzogenem Gesicht das Schienbein.

»Ich hoffe nur, du hast auf den nicht viel gesetzt«, kommentierte Macro.

Cato antwortete nicht. Was, zum Teufel, hatte der Dreizackkämpfer im Sinn? Wo war das Selbstvertrauen, das er gerade eben noch ausgestrahlt hatte? Der Mann wirkte unbeteiligt, fast so, als hätte der ganze Vormittag aus einem langweiligen Training bestanden und nicht aus einer Folge von Kämpfen auf Leben und Tod. Er sollte sich besser mal in Bewegung setzen.

»Los!«, schrie der Standartenträger.

Bei diesem Wort stürzte sich der Schwertkämpfer mit Geheul auf seinen fünfzehn Schritt entfernten Gegner. Der senkte den Schaft seiner Waffe und stieß mit den scharfen Zacken nach der Kehle des untersetzten Mannes. Das Kriegsgeheul einstellend duckte sich dieser, schlug den Dreizack zur Seite und holte zum Todesstreich aus. Doch der Angriff wurde sauber pariert. Der hoch gewachsene Brite setzte nicht etwa erneut die Spitze des Dreizacks ein, sondern wandelte den Schwung des empfangenen Stoßes in eine Drehbewegung um und ließ das Schaftende gegen die Schläfe seines Gegners krachen. Der Schwertkämpfer sackte benommen zu Boden. Der Dreizack wendete rasch die Waffe und holte zum tödlichen Stoß aus.

Cato lächelte.

»Steh auf, du verpennter Sack!«, schrie Macro, die Hände trichterförmig vor den Mund gelegt.

Drei scharfe Spitzen stießen auf den am Boden Liegenden nieder, doch mit einem verzweifelten Schwertstreich rettete der Gestürzte seinen Hals. Er wurde zwar getroffen, doch es war nur ein flacher Schnitt in die Schulter. Die wenigen im Publikum, die gegen den Favoriten gesetzt hatten, stöhnten entsetzt auf, als der Schwertkämpfer sich zur Seite rollte und wieder auf die Beine kam. Er keuchte, die Augen weit aufgerissen, und jetzt, nachdem er so sauber ausgetrickst worden war, war alle Arroganz verschwunden. Sein hoch gewachsener Gegner riss den Dreizack aus dem Boden und duckte sich, das Gesicht grimmig verzerrt. Von nun an würde keiner dem anderen mehr etwas vormachen, jetzt zählten nur noch Waffenkunst und Kraft.

»Los!«, schrie Macro. »Durchbohr dem Schwein das Gedärm.«

Cato saß still da, zu befangen, um sich dem Geschrei der anderen anzuschließen, aber auch er trieb seinen Mann in Gedanken energisch an, die Fäuste geballt – trotz seiner sonst üblichen Abneigung gegen solche Kämpfe.

Der Schwertkämpfer testete mit einem Seitenschritt das Reaktionsvermögen seines Gegners, um einzuschätzen, ob das eben nur ein Glückstreffer gewesen war. Sofort waren die drei Zacken wieder auf einer Linie mit seiner Kehle. Die Menge johlte anerkennend. Hier wurde schließlich doch noch ein richtig guter Kampf geboten.

Einer plötzlichen Finte des Dreizackkämpfers wich der Gegner mit einem wohl ausgewogenen Sprung nach hinten aus, und wieder jubelte die Menge.

»Sauber!« Macro schlug sich mit der Faust in die Hand. »Hätten wir mit mehr von dieser Sorte zu tun gehabt, würden jetzt wir da vorne kämpfen. Die beiden sind gut, wirklich ausgezeichnet.«

»Ja, das stimmt, Herr«, antwortete Cato angespannt, die Augen auf das Paar geheftet, das einander jetzt auf dem blutverschmierten Gras umkreiste. Die Sonne strahlte auf das Schauspiel nieder. Das Vogelgezwitscher in den Eichen, die das Tal säumten, wirkte völlig unpassend. Einen Moment lang verwirrte Cato der Gegensatz zwischen den vom Kampf berauschten Soldaten, die mit heiserem Gejohle zwei Männer zum Kampf auf Leben und Tod anfeuerten, und der friedlichen Harmonie der umgebenden Natur. In Rom hatte er die Gladiatorenkämpfe immer missbilligt, doch hier, in Gesellschaft von Soldaten, die nach einem Kodex von Blut, Kampf und Disziplin lebten, konnte er seinen Abscheu unmöglich äußern.

Ein metallisches Klirren begleitete einen wilden Austausch krachender Schläge. Ohne dass eine der beiden Seiten einen Vorteil gewonnen hätte, begannen die beiden erneut, sich zu umkreisen. In den Rufen der zuschauenden Legionäre machte sich allmählich Enttäuschung bemerkbar, und so gab der Standartenträger den Männern mit dem Glüheisen das Zeichen, hinter die Kämpfer zu treten, wo sie die schwarzen Stangen mit den rotglühenden Spitzen in der Luft schwenkten. Über die Schulter des Schwertkämpfers hinweg erblickte der Lange die Gefahr, warf sich in einen wüsten Angriff und versuchte, dem Gegner mit einer Serie von heftigen Hieben die Klinge aus der Hand zu hauen. Der Schwertkämpfer parierte verzweifelt mit Schwert und Schild und wurde dabei immer näher an den Rand der Arena gedrängt, direkt auf die glühenden Eisen zu.

»Los!«, schrie Cato mit den Fäusten fuchtelnd, auch er jetzt von der Erregung mitgerissen. »Gib’s ihm!«

Ein schriller Schrei durchschnitt die Luft, als der Schwertkämpfer mit dem Rücken gegen glühendes Eisen stieß, instinktiv zurückzuckte und direkt in die mit Widerhaken versehenen Spitzen des Dreizacks sprang. Er heulte auf, als eine der Zacken seinen Oberschenkel unmittelbar unter der Hüfte durchbohrte und gleich wieder herausgerissen wurde. Ein mächtiger Blutschwall ergoss sich am Bein hinunter ins Gras. Der Schwertkämpfer wich den glühenden Eisen mit raschen Seitenschritten aus und versuchte, einen gewissen Abstand zwischen sich und die gefährliche Dreifachspitze zu bringen. Wer auf ihn gewettet hatte, unterstützte ihn mit Gebrüll und hoffte ungeduldig, dass er den Kampf wieder aufnahm und es dem Gegner zeigte, solange er noch konnte.

Cato bemerkte das Grinsen des Dreizackkämpfers, der wusste, dass die Zeit nun für ihn arbeitete. Er musste seinen Widersacher nur so lange auf Abstand halten, bis der Blutverlust ihn geschwächt hatte. Und dann konnte er ihm den tödlichen Stoß versetzen. Doch die Menge hatte keine Lust auf eine solche Wartepartie und heulte wütend, als der Dreizack vor seinem blutenden Gegner zurückwich. Wieder kamen die glühenden Eisen heran. Diesmal suchte der Schwertkämpfer seinen Vorteil, wusste er doch, dass die Zeit zum Handeln für ihn nur noch kurz bemessen war. Er stürzte sich auf den Gegner, ließ einen Schauer von Hieben auf die drei Zacken niederregnen und trieb den anderen rückwärts. Doch der Lange würde nicht in dieselbe Falle tappen. Er ließ die Hand am Schaft seiner Waffe heruntergleiten, schwang sie plötzlich gegen die Beine des Schwertkämpfers und rannte dann um ihn herum zur Seite, weg von den Eisen. Sein Gegner sprang ungeschickt und wäre fast gestrauchelt.

Es folgte eine Serie von Stößen und Paraden, und dann merkte Cato, dass der Schwertkämpfer taumelte und seine Schritte vom steten Blutverlust immer unsicherer wurden. Einen weiteren Angriff des Dreizacks wehrte er ab, allerdings nur mit Müh und Not. Dann schien die Kraft des Schwertkämpfers verbraucht, langsam sank er auf die Knie, das Schwert schwankte in seiner Hand.

Macro sprang auf. »Hoch mit dir! Hoch, bevor er dir den Bauch aufschlitzt!«

Auch die anderen Zuschauer erhoben sich, da alle das Ende des Kampfes nahen fühlten, und die meisten drängten verzweifelt den Schwertkämpfer zum Aufstehen.

Das Schwert geriet zwischen die Spitzen des vorschnellenden Dreizacks. Eine kurze Drehbewegung, und die Klinge wirbelte dem Schwertkämpfer aus der Hand und landete mehrere Schritte entfernt. Im Wissen, dass nun alles verloren war, ließ der Schwertkämpfer sich auf den Rücken sacken und erwartete ein schnelles Ende. Der Dreizackkämpfer stieß einen Siegesschrei aus, verlagerte seinen Griff an der Waffe nach vorn und trat über seinen Gegner, um ihm den Rest zu geben. Mit gespreizten Beinen über dem stark blutenden Schwertkämpfer stehend, holte er mit dem Dreizack weit nach oben aus. Plötzlich aber riss der Schwertkämpfer in wilder Verzweiflung den Rundschild hoch und rammte ihn dem hoch gewachsenen Gegner in die Lenden. Der Dreizackkämpfer krümmte sich unter lautem Stöhnen, die Menge jubelte. Mit einem zweiten Hieb wurde ihm der Schild ins Gesicht geschmettert, und die Waffe entglitt ihm, als er, die Hände vor Nase und Augen geschlagen, aufs Gras niedersank. Zwei weitere Schläge mit dem Schild gegen den Kopf, und der Dreizackkämpfer war erledigt.

»Wunderbarer Kampf!« Macro hüpfte auf und nieder. »Verdammt gut!«

Cato schüttelte verbittert den Kopf und verfluchte die Großspurigkeit des Dreizackkämpfers. Es zahlte sich nie aus, wenn man einen Feind vorschnell für erledigt hielt. Hatte der Dreizackkämpfer es nicht am Anfang des Kampfes mit genau demselben Kniff probiert?

Der Schwertkämpfer stand auf, weit behender, als man das bei einem Schwerverletzten für möglich gehalten hätte, und nahm eilig sein Schwert an sich. Das Ende war gnädig: Der Dreizackkämpfer wurde mit einem scharfen Stoß mitten ins Herz zu seinen Göttern geschickt.

Dann aber ereignete sich etwas äußerst Ungewöhnliches. Bevor der Standartenträger und sein Helfer den Schwertkämpfer entwaffnen konnten, hob der Brite die Arme und stieß einen herausfordernden Ruf aus. Mit einem starken Akzent schrie er auf Lateinisch: »Römer! Römer! Seht!«

Der Brite packte das Schwert mit beiden Händen, kehrte es gegen sich und stieß es sich tief in die Brust. Einen Moment lang stand er schwankend da, den Kopf in den Nacken gelegt, dann brach er neben der Leiche des Dreizackkämpfers auf dem Gras zusammen. Die Menge verstummte.

»Verdammt noch mal, warum hat er das denn gemacht? «, brummte Macro.

»Vielleicht wusste er, dass seine Verletzungen tödlich waren.«

»Er hätte sie vielleicht überlebt«, entgegnete Macro widerwillig. »Man weiß nie.«

»Dann wäre er doch nur zum Sklaven geworden. Vielleicht wollte er das nicht, Herr.«

»Dann war er ein Narr.«

Der Standartenträger, dem der plötzliche Stimmungsumschwung des Publikums Sorgen bereitete, eilte mit erhobenen Armen vor. »So, Leute, das war’s. Der Kampf ist vorbei. Ich erkläre den Schwertkämpfer zum Sieger. Die Wettgewinne werden ausgezahlt, und dann zurück an eure Pflichten.«

»Moment mal!«, rief eine Stimme. »Der Sieger muss ausgelost werden! Schließlich sind beide tot.«

»Der Schwertkämpfer hat gewonnen!«, schrie der Standartenträger zurück.

»Der war doch so gut wie am Ende. Der Dreizackkämpfer hätte dafür gesorgt, dass er verblutet.«

»Hätte«, stimmte der Standartenträger zu. »Wenn er es zum Schluss nicht versaut hätte. Meine Entscheidung ist endgültig. Der Schwertkämpfer hat gewonnen, und jeder hat seine Wettschulden zu begleichen. Oder er bekommt es mit mir zu tun. Und jetzt zurück zu euren Pflichten!«

Das Publikum zerstreute sich und strömte schweigend durch die Eichen zu den Zeltreihen zurück, während die Helfer des Standartenträgers die beiden Toten hinten auf einen Wagen luden, wo schon die Leichen derjenigen lagen, die in den vorangegangenen Zweikämpfen umgekommen waren. Während Cato wartete, eilte der Zenturio los, um seinen Gewinn beim Standartenträger seiner Kohorte einzukassieren, zusammen mit einer sich drängelnden Gruppe von Legionären, die ihre nummerierten Wettscheine in Händen hielten. Kurz darauf kam Macro zurück und wog glücklich die Münzen in seinem Beutel.

»Nicht gerade die gewinnträchtigste Wette aller Zeiten, aber trotzdem ein hübsches Sümmchen.«

»Wird wohl so sein, Herr.«

»Warum machst du denn so ein langes Gesicht? Oh, natürlich, du hattest dein Geld auf das großspurige Arschloch mit dem Dreizack gesetzt. Wieviel hast du denn verloren? «

Cato sagte es ihm, und Macro pfiff durch die Zähne.

»Na, mein lieber Bursche, da musst du wohl noch ein wenig über solche Kämpfer lernen, scheint mir.«

»Ja, Herr.«

»Mach dir nichts draus, Junge, das kommt schon noch.« Macro schlug ihm auf die Schulter. »Lass uns mal sehen, ob’s irgendwo einen anständigen Wein zu kaufen gibt. Und danach haben wir noch einiges zu tun.«

Der Kommandant der Zweiten Legion, der aus dem Schatten einer großen Eiche zuschaute, wie seine Männer das waldige Tal verließen, verfluchte lautlos den Schwertkämpfer. Die Männer brauchten dringend etwas, was sie von dem bevorstehenden Feldzug ablenkte, und das Schauspiel der britischen Gefangenen, die sich gegenseitig fertig machten, hätte eigentlich unterhaltsam sein sollen. Das war es ja auch tatsächlich gewesen, unter den Männern hatte Hochstimmung geherrscht. Dann aber hatte der verdammte Brite sich ausgerechnet diesen Moment für seine sinnlose Geste trotzigen Widerstands ausgesucht. Oder vielmehr gar nicht so sinnlos, überlegte der Legat grimmig. Vielleicht war das Opfer des Briten eben dazu gedacht gewesen, die Moral der Legionäre, die sich durch die Unterhaltungseinlage gehoben hatte, wieder zu untergraben.

Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, trat Vespasian langsam aus dem Schatten ins Sonnenlicht. An Kampfgeist mangelte es den Briten gewiss nicht. Wie die meisten Kriegerkulturen hielten sie sich an einen Ehrenkodex, unter dessen Einfluss sie sich voll hochmütiger Verwegenheit rücksichtslos in den Kampf stürzten. Noch besorgniserregender war allerdings die Tatsache, dass das lose Bündnis britischer Stämme von einem Mann angeführt wurde, der seine Kräfte gut einzusetzen wusste. Vespasian empfand eine widerwillige Hochachtung für den Führer der Briten, Caratacus, Häuptling der Catuvellauni. Dieser Mann hatte noch einige Tricks auf Lager, und die römische Armee unter General Aulus Plautius täte gut daran, dem Feind mehr Achtung zu zollen, als das bisher der Fall war. Der Tod des Schwertkämpfers beleuchtete die erbarmungslose Natur dieses Feldzuges nur allzu deutlich.

Die Gedanken an die Zukunft für den Moment beiseite schiebend, machte Vespasian sich auf den Weg zum Lazarettzelt. Es gab da eine unglückselige Angelegenheit, die er nicht länger aufschieben konnte. Der Oberzenturio der Zweiten Legion war kürzlich in einem Hinterhalt tödlich verwundet worden und wollte ihn vor seinem Tod noch einmal sprechen. Bestia war ein vorbildlicher Soldat gewesen und hatte sich während seiner gesamten militärischen Laufbahn Lob und Bewunderung seiner Männer, aber auch Respekt und Furcht erworben. Er hatte in vielen Kriegen an allen Grenzen des Imperiums mitgekämpft, wovon unzählige Narben auf seinem Körper zeugten. Jetzt aber war er durch ein britisches Schwert gefallen, in einem kleinen Scharmützel, von dem kein Historiker jemals berichten würde. So war nun mal das Leben im Heer, dachte Vespasian bitter. Wie viele unbesungene Helden würden wohl noch ausgelöscht werden, während eitle Politiker und imperiale Lakaien sich auf ihre Kosten bereicherten?

Vespasian dachte an seinen Bruder Sabinus, der aus Rom herbeigeilt war, um im Stab von General Plautius zu dienen, solange sich noch etwas Ehre einheimsen ließ. Wie die meisten anderen politisch ambitionierten Aristokraten sah auch Sabinus das Heer nur als eine weitere Stufe auf der Karriereleiter. Der Zynismus der römischen Politik erfüllte Vespasian mit kalter Wut. Es war mehr als wahrscheinlich, dass Kaiser Claudius die Invasion nur dazu benutzte, seine Stellung auf dem Thron zu festigen. Falls den Legionen die Unterwerfung Britanniens gelang, gab es mehr als genug Beute und Pfründe, um die Räder des politischen Getriebes zu ölen. Manche Männer würden ein Vermögen machen, andere hohe Ämter erhalten, und in die unersättliche kaiserliche Kasse würde Geld fließen. Der Ruhm Roms wäre neu bestätigt, und die Bürger hätten erneut einen Beweis dafür erhalten, dass göttlicher Segen auf dem Reich ruhte. Doch es gab Männer, denen diese großen Leistungen wenig bedeuteten, da sie alle Ereignisse nur dahingehend abschätzten, ob sich damit neue Chancen für ihr persönliches Weiterkommen eröffneten.

Diese wilde Insel mit ihren in ewiger Fehde begriffenen Stämmen würde eines Tages vielleicht von der Ordnung und dem Wohlstand profitieren, die unter römischer Herrschaft entstanden. Für eine solche Ausdehnung der Zivilisation lohnte es sich zu kämpfen, und mit dieser Vision vor Augen diente Vespasian Rom und ordnete sich denen unter, die Rom ihm als Vorgesetzte gab – zumindest vorläufig. Nun aber musste erst einmal der Feldzug gewonnen werden. Zwei große Flüsse waren zu überqueren, wobei mit dem heftigen Widerstand der Eingeborenen gerechnet werden musste. Hinter den Flüssen lag die Hauptstadt der Catuvellauni – des mächtigsten der gegnerischen britischen Stämme. In den letzten Jahren hatten sich die Catuvellauni unter Caratacus im Zuge einer verwegenen Expansion die Trinovantes und ihre blühende Handelsstadt Camulodunum einverleibt. Jetzt betrachteten viele der anderen Stämme Caratacus mit nahezu ebenso viel Furcht, wie sie sie den Römern entgegenbrachten. Daher musste Camulodunum noch vor dem Herbst fallen, um den nach wie vor unentschlossenen Stämmen vor Augen zu führen, dass Widerstand gegen Rom zwecklos war. Selbst im günstigsten Fall waren jedoch weitere Feldzüge und Jahre der Eroberung nötig, bevor jeder Winkel dieser großen Insel ins römische Reich eingegliedert war. Sollte den Legionen dagegen die Einnahme Camulodunums misslingen, würde Caratacus vielleicht die bisher noch unabhängigen Stämme für sich gewinnen und genug Männer unter Waffen bekommen, um die römische Armee zu schlagen.

Mit einem müden Seufzer schlüpfte Vespasian durch die Zelttür und nickte dem obersten Wundarzt der Legion grüßend zu.

2

»Bestia ist tot.«

Cato blickte von seinem Papierkram auf, als Zenturio Macro das Zelt betrat. Der Sommerschauer, der auf das ziegenlederne Zelt niederprasselte, hatte Macros Erklärung übertönt.

»Entschuldigung?«

»Ich sagte, Bestia ist tot!«, rief Macro. »Heute Nachmittag gestorben.«

Cato nickte. Diese Nachricht kam nicht überraschend. Die Gesichtsverletzung des alten Oberzenturios war schwer gewesen, man hatte bis auf die Knochen schauen können. Die Wundärzte der Legion hatten ihr Bestes getan, um ihm die letzten Tage so erträglich wie möglich zu machen, doch der Blutverlust und der zerschmetterte Kiefer, der sich bald auch noch entzündete, hatten den Tod unausweichlich werden lassen. Ganz spontan konnte Cato diese Nachricht zunächst nur begrüßen. In den Monaten der Grundausbildung hatte Bestia ihn erbarmungslos geschliffen. Damals war es Cato so vorgekommen, als hätte der Oberzenturio mit ganz besonderem Vergnügen auf ihm herumgehackt, und so hatte er einen schwelenden Groll gegen ihn entwickelt.

Macro öffnete die Schließe seines nassen Umhangs und warf ihn über die Rücklehne eines Klappstuhls, den er vors Kohlenbecken zog. Von verschiedenen anderen Kleidungsstücken, die schon auf weiteren Stühlen trockneten, stiegen orangefarbene Dampfkräusel auf und machten die dumpfe Luft im Zelt noch stickiger. Wenn der britische Sommer wirklich kein besseres Wetter zu bieten hatte als Regen, fragte Macro sich, ob die Insel überhaupt den Kampf lohnte. Die britischen Exilanten, die die Legionen begleiteten, sprachen von riesigen Vorkommen wertvoller Metalle und von fruchtbarem Ackerboden. Macro zuckte mit den Schultern. Vielleicht sagten die Vertriebenen ja die Wahrheit, aber sie hatten nun einmal ihre Gründe für den Wunsch, Rom über ihr eigenes Volk siegen zu sehen. Den meisten waren Land und Herrschaftsrechte von den Catuvellauni genommen worden, und sie hofften, als Lohn für ihre Hilfe beides von Rom zurückzuerhalten.

»Wer wohl Bestias Nachfolger wird?«, grübelte Macro. »Ich bin gespannt, für wen Vespasian sich entscheidet.«

»Vielleicht hast du ja selbst eine Chance, Zenturio?«

»Wohl kaum, junger Mann!« Macro schnaubte. Sein junger Optio gehörte noch nicht lange zur Zweiten Legion und kannte sich mit den Beförderungsregeln des römischen Heeres nicht aus. »Ich komme für diesen Posten nicht in Frage. Vespasian muss unter den Zenturionen der Ersten Kohorte wählen. Das sind die besten Offiziere der Legion. Ein Zenturio muss mehrere Jahre lang hervorragende Dienste geleistet haben, bevor er für eine Beförderung in die Erste Kohorte überhaupt in Frage kommt. Nein, ich werde das Kommando der Sechsten Zenturie der Vierten Kohorte wohl noch eine Weile innehaben. Ich wette, im Offizierszelt der Ersten Kohorte werden heute Abend ein paar Leute ganz schön gespannt sein. Schließlich hat man nicht jeden Tag die Chance, Oberzenturio zu werden.«

»Werden sie denn nicht um ihn trauern, Zenturio? Ich meine, Bestia war schließlich einer der ihren.«

»Doch, sicher.« Macro zuckte mit den Schultern. »Aber so ist es nun einmal im Krieg. Dass einer über den Styx setzen muss, das hätte jeden von uns erwischen können. Diesmal war eben Bestia dran. Jedenfalls war er schon ziemlich alt. Noch zwei Jahre, und er hätte in so einer langweiligen Veteranenkolonie gehockt und allmählich den Koller gekriegt. Besser er als einer, der sich noch auf was freuen kann, wie die meisten anderen armen Schweine, die es bisher erwischt hat. Wie die Dinge jetzt stehen, sind im Zenturionat ja so einige Lücken zu füllen.« Bei dieser Aussicht lächelte Macro. Er war nur wenige Wochen vor Catos Legionseintritt zum Zenturio befördert worden und damit der rangniedrigste Zenturio der Legion. Doch nachdem nun zwei Zenturionen der Vierten Kohorte durch die Hand der Briten gefallen waren, war er zum vierten Rang in der Kohorte aufgerückt und hatte fortan zwei frisch beförderte Zenturionen unter sich. Er blickte auf und grinste seinen Optio an.

»Falls dieser Feldzug noch ein paar Jahre so weitergeht, könntest sogar du es zum Zenturio schaffen!«

Cato lächelte über das zweischneidige Kompliment. Wahrscheinlich war die Insel längst erobert, bevor man ihm genug Erfahrung und Reife für eine Beförderung ins Zenturionat zuschrieb. Angesichts seines zarten Alters von siebzehn Jahren konnte er noch jahrelang darauf warten. Seufzend streckte er Macro das Wachstäfelchen hin, an dem er gearbeitet hatte.

»Hier ist der Bericht über die effektive Mannstärke der Zenturie, Herr.«

Macro ignorierte das Täfelchen. Er war kaum des Lesens und Schreibens mächtig und daher der Meinung, dass man beides möglichst vermeiden sollte; für die ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über die Sechste Zenturie hing er daher im Wesentlichen von seinem Optio ab. »Und?«

»Sechs liegen im Feldlazarett – zwei von ihnen werden vermutlich nicht überleben. Der oberste Wundarzt sagte mir, drei der anderen müssten aus der Legion entlassen werden. Sie werden heute Nachmittag zur Küste transportiert. Ende des Jahres sollten sie wieder in Rom sein.«

»Und dann?« Macro schüttelte traurig den Kopf. »Eine einmalige Sonderzahlung als Pensionsvergütung, und den Rest ihres Lebens müssen sie betteln gehen. Wunderbare Aussichten.«

Cato nickte. Als Kind hatte er die verkrüppelten Veteranen in den dreckigen Nischen des Forums um Almosen betteln sehen. Nach dem Verlust eines Arms oder Beins oder einer anderen schwerwiegenden Verletzung blieb ihnen meist keine andere Wahl. Für so jemanden wäre der sofortige Tod vielleicht gnädiger gewesen. Plötzlich stellte er sich vor, wie er selbst als Krüppel dazu verurteilt wäre, in Armut zu leben, bemitleidenswert und der Lächerlichkeit preisgegeben. Cato erschauerte. Er hatte keine Familie, die ihn dann unterstützen würde. Der einzige Mensch außerhalb der Armee, dem etwas an ihm lag, war Lavinia. Sie war jetzt weit von ihm, befand sich mit den anderen Sklaven und Sklavinnen im Haushalt ihrer Herrin Flavia, der Ehefrau des Oberbefehlshabers der Zweiten Legion, auf dem Weg nach Rom. Cato konnte nicht hoffen, dass Lavinia im schlimmsten aller Fälle einen Krüppel würde lieben können. Er wusste, er würde weder ihr Mitleid ertragen können noch dass sie aus falschem Pflichtgefühl mit ihm zusammenbliebe.

Macro spürte eine Veränderung in der Körperhaltung des jungen Mannes. Sonderbar, wie eindringlich er die Stimmungen des Burschen inzwischen wahrnahm. Jeder Optio, den er bisher gekannt hatte, war einfach nur ein ehrgeiziger Legionär gewesen, doch Cato war anders. Ganz entschieden anders. Der intelligente, belesene Junge hatte sich als Soldat bewährt, war aber dennoch sonderbar selbstkritisch. Falls er lange genug am Leben blieb, würde Cato sich mit Sicherheit eines Tages einen Namen machen. Macro verstand nicht, warum der Optio sich dessen anscheinend nicht bewusst war, und betrachtete Cato meist mit einer Mischung aus vorsichtiger Belustigung und Bewunderung.

»Keine Sorge, Junge. Du kommst hier heil wieder raus. Wenn es dich hätte erwischen sollen, dann wäre das inzwischen schon passiert. Du hast schon das Schlimmste überlebt, womit das Leben einen Legionär heimsuchen kann. Da wirst du dich bestimmt noch eine Weile hier herumtreiben, also Kopf hoch.«

»Ja, Herr«, antwortete Cato ruhig. Macros Worte waren ein leerer Trost, wie der Tod der Besten unter den Soldaten – zum Beispiel Bestias – ja bewies.

»Also gut, wo waren wir stehen geblieben?«

Cato schaute auf sein Wachstäfelchen. »Der letzte der Verwundeten im Lazarett erholt sich gut. Eine Schwertwunde im Schenkel. In ein paar Tagen dürfte er wieder auf den Beinen sein. Dann haben wir noch vier marschierfähige Verwundete. Die sind bald wieder einsatzbereit. Bleiben im Moment achtundfünfzig kampffähige Männer, Herr.«

»Achtundfünfzig.« Macro runzelte die Stirn. Die Sechste Zenturie war von den Briten schlimm dezimiert worden. Mit achtzig Mann waren sie auf der Insel gelandet. Jetzt, nur wenige Tage später, hatten sie siebzehn endgültig verloren.

»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten über Ersatzkräfte, Herr?«

»Die kriegen wir erst, wenn unsere Führung die Verschiffung der Reserve in Gallien organisiert hat. Es wird mindestens eine Woche dauern, bevor die Legionäre von Gesoriacum aus über die gallische Meerenge geschickt werden. Das heißt, die stoßen erst nach der nächsten Schlacht zu uns.«

»Die nächste Schlacht?« Cato setzte sich eifrig auf. »Was denn für eine Schlacht, Herr?«

»Jetzt mal langsam, Junge.« Macro lächelte. »Bei der Einsatzbesprechung haben wir es vom Legaten erfahren. Vespasian seinerseits weiß es vom General. Anscheinend müssen die Legionen einen Fluss überqueren. Einen hübsch großen, breiten Fluss. Auf der anderen Seite erwartet uns dann Caratacus mit seiner Armee – Streitwagen und allem.«

»Wie weit von hier, Herr?«

»Ein Tagesmarsch. Die Zweite wird wohl morgen am Fluss eintreffen. Aulus Plautius hat offensichtlich nicht vor, dort längere Zeit nutzlos zu verweilen. Schon am Tag darauf wird der Angriff losgehen, frühmorgens, sobald wir in Position sind.«

»Wie kommen wir denn an sie heran?«, fragte Cato. »Ich meine, wie kommen wir über den Fluss? Gibt es eine Brücke?«

»Sag mal, glaubst du wirklich, die Briten würden extra für uns so ein Ding stehen lassen?« Macro schüttelte müde den Kopf. »Nein, darüber muss der General sich noch den Kopf zerbrechen.«

»Denkst du, er wird uns als Erste in die Schlacht schicken? «

»Wohl kaum. Die Briten haben uns schon ziemlich übel mitgespielt. Die Männer sind noch sehr erschüttert. Das hast du sicherlich auch gespürt.«

Cato nickte. Die schlechte Moral der Legion war in den letzten Tagen deutlich spürbar gewesen. Schlimmer noch, er hatte gehört, wie einige Männer Vespasian offen kritisierten, weil sie dem Legaten die Schuld an den schweren Verlusten gaben, die sie seit der Landung auf britischem Boden erlitten hatten. Dass Vespasian persönlich Seite an Seite mit seinen Männern in vorderster Front gekämpft hatte, bedeutete den meisten Legionären, die seinen Mut nicht mit eigenen Augen gesehen hatten, wenig. Es herrschte derzeit ein beträchtlicher, mit Misstrauen gemischter Groll gegen den Kommandostab der Legion, und das war kein gutes Vorzeichen für die nächste Auseinandersetzung mit den Briten.

»Diese Schlacht sollten wir besser gewinnen«, meinte Macro ruhig.

»Das ist richtig, Herr.«

Beide Männer blickten einen Moment lang schweigend in die flackernden Flammenzungen des Kohlenbeckens. Dann ließ ein lautes Magenknurren die Gedanken des Zenturios unvermittelt zu einem nahe liegenderen Problem wandern.

»Ich bin verdammt hungrig. Gibt’s irgendwas zu essen? «

»Dort auf dem Tisch, Herr.« Cato zeigte auf ein Essgeschirr mit einem Laib dunklem Brot und einem großen Stück gepökeltem Schweinefleisch. Ein kleiner Krug mit Wasser versetzten Weines stand neben einem zerbeulten Silberbecher, einer Erinnerung an einen von Macros früheren Feldzügen. Mit gerunzelter Stirn betrachtete der Zenturio das Pökelfleisch.

»Noch immer kein frisches Fleisch?«

»Nein, Herr. Caratacus verwandelt alles Land in unserer Marschrichtung praktisch in eine Wüste. Die Kundschafter berichten, dass er beinahe jeden Acker und jede Farm bis zum Ufer der Tamesis hat niederbrennen lassen, während seine Leute alles Vieh mit sich fortgetrieben haben. Da bleiben für uns nur noch die Rationen aus dem Proviantlager in Rutupiae.«

»Ich kann dieses verdammte gepökelte Schweinefleisch nicht mehr sehen. Kannst du denn nichts anderes besorgen? Piso hätte uns etwas Besseres organisiert.«

»Mag sein, Herr«, antwortete Cato verstimmt. Piso, der Sekretär der Zenturie, hatte als altgedienter Veteran jeden Trick und jeden Kniff gekannt, und das war den Männern der Zenturie bestens bekommen. Vor ein paar Tagen, nicht einmal ein Jahr vor seiner ehrenvollen Entlassung, war Piso gleich bei seiner ersten Begegnung mit einem Briten gefallen. Cato hatte viel von dem Schreiber gelernt, doch das Wissen um die verschlungeneren Schleichwege im Dickicht der Militärbürokratie war mit Piso verloren gegangen, und Cato war nun auf sich selbst gestellt.

»Ich werde sehen, was sich wegen der Rationen tun lässt, Herr.«

»Gut!« Macro nickte, biss, das Gesicht verziehend, in das Schweinefleisch und begann mit der langwierigen Prozedur, den zähen Brocken zu einer Konsistenz zu zerkauen, in der er sich schlucken ließ. Beim Kauen murrte er weiter: »Wenn das mit diesem Fraß hier so weitergeht, quittiere ich den Dienst und konvertiere zum jüdischen Glauben. Alles immer noch besser als das hier. Ich weiß nicht, was diese Kerle in der Lebensmittelvesorgung mit den Schweinen anstellen. Man sollte meinen, es müsste eigentlich unmöglich sein, etwas so Einfaches wie gepökeltes Schwein derart ungenießbar zu machen.«

Cato hatte das alles schon oft genug gehört und machte mit seinem Papierkram weiter. Die meisten der Gefallenen hatten ein Testament hinterlassen, in dem sie das, was sie im Zeltlager an Eigentum besaßen, ihren Freunden vermachten. Doch einige der eingesetzten Erben waren ebenfalls gefallen, und nun musste Cato mit Hilfe der Dokumente eine Erbfolge erstellen, damit die gesammelten Hinterlassenschaften schließlich den richtigen Empfänger erreichten. Die Familien der Männer, die ohne Testament gestorben waren, brauchten eine Benachrichtigung, damit sie ihren Anspruch auf die Ersparnisse des Gefallenen bei der Legionskasse geltend machen konnten. Für Cato war die Testamentsvollstreckung eine neue Erfahrung, und da die Verantwortung nun bei ihm lag, wollte er keinen Fehler riskieren, der schließlich noch zu einem Gerichtsverfahren gegen ihn führen mochte. Daher las er sich die Unterlagen aufmerksam durch und überprüfte alle Berichte mehrfach, bevor er seine Feder in ein irdenes Tintenfässchen tauchte und eine offizielle Aufstellung der Hinterlassenschaften und der jeweiligen Empfänger verfertigte.

Die Zeltklappe ging raschelnd auf, und ein Sekretär des Kommandostabs trat ein, wobei er mit seinem klatschnassen Umhang alles volltropfte.

»He, weg von meinen Unterlagen!«, rief Cato, während er die Schriftrollen auf seinem Schreibtisch zudeckte.

»Tut mir Leid.« Der Sekretär des Kommandostabs trat zur Zeltklappe zurück.

»Und was willst du, verflixt noch mal?«, fragte Macro, während er in ein Stück dunkles Brot biss.

»Botschaft vom Legaten, Zenturio. Er möchte dich und den Optio baldmöglichst in seinem Zelt sehen.«

Cato lächelte. Wenn ein Angehöriger des Kommandostabs ›baldmöglichst‹ sagte, bedeutete das sofort oder besser schon vorhin. Rasch schob er die Unterlagen auf einen Stapel und überprüfte, ob es auch von keiner der undichten Stellen im Zelt auf seinen Feldschreibtisch tropfte. Dann stand er auf und nahm seinen Umhang vom Stuhl vor dem Kohlenbecken. Er war noch schwer vor Nässe und fühlte sich klamm an, als er ihn sich um die Schultern legte und mit der Schließe befestigte. Dennoch war es dann unter den vom Wollfett isolierten Stofffalten erfreulich warm.

Macro zog noch immer kauend seinerseits den Umhang über und winkte den Stabssekretär ungeduldig davon. »Du kannst dich jetzt verpissen. Wir kennen den Weg, danke.«

Mit einem sehnsüchtigen Blick zum Kohlenbecken schlug der Sekretär seine Kapuze hoch und zog sich aus dem Zelt zurück. Macro stopfte sich ein letztes Stück Gepökeltes in den Mund, winkte Cato mit dem gekrümmten Finger und nuschelte: »Komm schon.«

Der Regen prasselte zischend auf die schimmernden Legionärszeltreihen nieder und bildete unruhige Pfützen auf dem unebenen Boden. Macro schaute zu den dunklen Wolken am Abendhimmel auf. Weiter südlich konnte man am gelegentlich aufflackernden Wetterleuchten ein vorbeiziehendes Sommergewitter erkennen. Der Regen strömte über sein Gesicht, und er ruckte mit dem Kopf, um eine verirrte nasse Haarsträhne aus der Stirn zu schleudern. »Was hat diese Insel nur für ein Scheißwetter.«

Cato lachte. »Ich bezweifle, dass es noch wesentlich besser wird, Herr. Falls man Strabo Glauben schenken darf.«

Angesichts dieser Bezugnahme auf die Literatur verzog Macro das Gesicht. »Du konntest mir nicht einfach nur zustimmen, oder? Nein, du musstest unbedingt noch deinen gelehrten Senf dazugeben.«

»Tut mir Leid, Herr.«

»Schon gut. Also, sehen wir mal, was Vespasian von uns will.«

3

»Rührt euch«, befahl Vespasian.

Macro und Cato, die einen Schritt vor seinem Schreibtisch stramm standen, nahmen eine natürlichere Körperhaltung ein. Sie waren erschrocken angesichts der eindeutigen Zeichen von Erschöpfung, die sie an ihrem Kommandanten wahrnahmen, als er sich von den Schriftrollen auf seinem Schreibtisch zurücklehnte und das Licht der Öllampen über seinem Kopf auf sein tief gefurchtes Gesicht fiel.

Vespasian betrachtete die beiden einen Moment lang und überlegte, wie er anfangen sollte.

Vor ein paar Tagen waren der Zenturio, der Optio und eine kleine Gruppe von Macro handverlesener Männer auf eine Geheimmission ausgesandt worden. Sie hatten die Aufgabe gehabt, eine Truhe mit Soldgeld zu bergen, die Julius Cäsar vor annähernd hundert Jahren in einem Sumpf nahe der Küste hatte zurücklassen müssen. Der Obertribun der Zweiten Legion, ein aalglatter Patrizier namens Vitellius, hatte den Entschluss gefasst, sich die Geldtruhe unter den Nagel zu reißen, und war mitten im nebligen Sumpf, unterstützt von einer Bande berittener Bogenschützen, die er bestochen hatte, über Macros Leute hergefallen. Die Kampfeskunst des Zenturios hatte Vitellius’ Plan scheitern lassen, und der Obertribun war vom Schauplatz geflohen. Doch das Schicksal war ihm anscheinend günstig gesonnen, denn er war auf eine Kolonne von Briten gestoßen, die versucht hatten, die vordringenden Römer seitlich zu umgehen; so hatte er die Legionen gerade noch rechtzeitig vor der Gefahr warnen können. Im Gefolge des dadurch errungenen Sieges war Vitellius nun ein Art Held. Wer die Wahrheit über seinen Verrat kannte, empfand Abscheu angesichts des Lobs, mit dem der Obertribun von allen Seiten überschüttet wurde.

»Leider kann ich nichts gegen Tribun Vitellius unternehmen. Ich habe nur euer Zeugnis, und das reicht nicht aus.«

Macro schnaubte vor kaum verhülltem Zorn.

»Zenturio, ich weiß, was für ein Mensch er ist. Du sagst, er hat versucht, dich und deine Leute umzubringen, als ihr die Truhe für mich geborgen habt. Diese Mission war geheim, streng geheim. Vermutlich wussten nur du, ich und der Junge neben dir, was sich in der Truhe befand. Und Vitellius natürlich. Die Truhe ist auch jetzt noch versiegelt und bereits unter schwerer Bewachung auf dem Weg nach Rom. Je weniger Menschen von dem Gold erfahren, desto besser. So wünscht es der Kaiser. Keiner würde es uns danken, wenn Vitellius vor Gericht gestellt und das alles öffentlich gemacht würde. Zudem wisst ihr vielleicht nicht, dass sein Vater ein enger Freund des Kaisers ist. Muss ich noch mehr sagen?«

Macro verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.

Vespasian ließ seine Worte eine Weile wirken, da er den Ausdruck der Resignation, der sich auf den Gesichtern des Zenturios und seines Optios abzeichnete, sehr wohl verstand. Es war aber auch wirklich Pech, dass ausgerechnet Vitellius als Held und Saubermann aus dieser Situation hervorging, doch schien es wieder einmal typisch für das Glück des Tribuns. Dieser Mann war für ein hohes Amt bestimmt, und die Schicksalsmächte sorgten anscheinend dafür, dass dem nichts in den Weg kam. Dabei steckte hinter seinem Verrat weit mehr, als Vespasian diese beiden Männer jemals wissen lassen konnte. Neben seinen Pflichten als Tribun diente Vitellius nämlich Narcissus, dem obersten kaiserlichen Sekretär, als Spitzel. Sollte Narcissus jemals dahinter kommen, dass Vitellius ihn hintergangen hatte, wäre das Leben des Tribuns verwirkt. Aber von Vespasian würde Narcissus das niemals erfahren. Dafür hatte Vitellius gesorgt. Beim Ausspionieren der Offiziere und der Mannschaft der Zweiten Legion hatte Vitellius die Identität eines Verschwörers aufgedeckt, der in eine Intrige zum Sturz des neuen Kaisers verwickelt gewesen war.

Vielmehr einer Verschwörerin. Flavia Domitilla, Vespasians Ehefrau.

Im Moment bestand also eine Pattsituation zwischen Vitellius und Vespasian; jeder wusste etwas vom anderen, was tödlich sein mochte, sollte es Narcissus jemals zu Ohren kommen.

Vespasian, der plötzlich merkte, dass er seine Untergebenen nun schon eine ganze Weile mit leerer Miene anstarrte, wandte seine Aufmerksamkeit eilig wieder Macro und Cato zu, die er aus einem anderen Grund hatte rufen lassen.

»Zenturio, ich habe hier aber etwas, was dich aufheitern dürfte.« Vespasian nahm ein kleines, in Seide eingeschlagenes Päckchen vom Rand des Schreibtischs. Er schlug das Tuch behutsam auf, und darunter kam ein goldener Halsreif zum Vorschein, den er einen Moment lang betrachtete, bevor er ihn ins matte Licht der Öllampen hielt. »Kennst du den, Zenturio?«

Macro betrachtete ihn einen Moment lang und schüttelte dann den Kopf. »Nein, leider nicht, Herr.«

»Das wundert mich nicht. Wahrscheinlich warst du mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als du den zum ersten Mal gesehen hast«, meinte Vespasian und lächelte gequält. »Es ist der Torques eines britischen Häuptlings. Früher gehörte er einem gewissen Togodumnus, der glücklicherweise nicht mehr unter uns weilt.«

Macro lachte, als ihm jetzt plötzlich die Erinnerung kam; er hatte den Torques um den Hals dieses riesigen Kriegers gesehen, den er vor einigen Tagen im Zweikampf getötet hatte.

»Hier!« Vespasian warf Macro den Reif zu, der völlig überrumpelt war und ihn ungeschickt auffing. »Ein kleines Zeichen der Dankbarkeit der Legion. Er stammt aus meinem persönlichen Beuteanteil. Du hast ihn verdient, Zenturio. Du hast ihn durch Sieg errungen, trage ihn also in Ehren.«

»Jawohl, Herr«, antwortete Macro, während er den Torques genau betrachtete. Verflochtene Goldbänder schimmerten im flackernden Licht, und jedes Bandende schloss sich spiralartig um einen großen Rubin, der funkelte wie ein blutdurchtränkter Stern. Sonderbare Wirbelmuster waren um die Rubine herum in das Gold eingearbeitet. Macro fühlte das Gewicht des Halsrings und überschlug im Kopf seinen Wert. Seine Augen weiteten sich.

»Herr, ich weiß nicht, wie ich dir dafür danken soll.«

Vespasian winkte ab. »Dann lass es einfach sein. Wie ich schon sagte, du hast es verdient. Was nun dich angeht, Optio, so kann ich dir nichts geben außer meinem Dank.«

Cato errötete, und seine Lippen wurden schmal vor Bitterkeit. Ohne es zu wollen, musste der Legat über den jungen Mann lachen.

»Tatsächlich habe ich dir nichts Wertvolles zu geben. Aber jemand anderer schon, oder vielmehr, er hatte.«

»Herr?«

»Du weißt, dass Oberzenturio Bestia seinen Wunden erlegen ist?«

»Ja, Herr.«

»Bevor er gestern Nacht das Bewusstsein verlor, hat er vor Zeugen eine mündliche Testamentserklärung abgegeben. Er hat mich gebeten, sein Testamentsvollstrecker zu sein.«

»Ein mündliches Testament?« Cato runzelte die Stirn.

»In Gegenwart von Zeugen kann jeder Soldat mündlich erklären, wie im Falle seines Todes mit seinem im Lager befindlichen Eigentum verfahren werden soll. Das ist eher ein Gewohnheitsrecht denn ein förmlich festgeschriebenes Gesetz. Anscheinend wollte Bestia, dass du einige seiner Sachen erhältst.«

»Ich!«, rief Cato aus. »Er wollte, dass ich etwas bekomme, Herr?«

»Offensichtlich.«

»Aber warum denn um alles in der Welt? Er konnte mich nicht ausstehen.«

»Bestia sagt, er habe dich wie einen Veteranen kämpfen sehen, ohne Rüstung, nur mit Helm und Schild. Du seist genau so an die Sache herangegangen, wie er es euch beigebracht hat. Er sagte, er habe sich in dir getäuscht. Er habe dich für einen Dummkopf und Feigling gehalten. Nun sei er eines Besseren belehrt worden und will dich wissen lassen, dass er stolz auf dich ist.«

»Das hat er wirklich gesagt, Herr?«

»Genau so, mein Sohn.«

Cato machte den Mund auf, doch es kamen keine Worte heraus. Er konnte es einfach nicht fassen; es kam ihm unmöglich vor. Dass er sich so vollständig in jemandem verschätzen konnte! Er hatte Bestia für unrettbar böse gehalten, jeden positiven Gefühls unfähig.

»Äh … Was wollte er mir denn zukommen lassen, Herr?«

»Das finde nur selbst heraus, mein Sohn«, antwortete Vespasian. »Bestias Leiche liegt noch im Lazarettzelt, zusammen mit seiner persönlichen Habe. Die Hilfskraft des Chirurgen weiß, was sie dir geben soll. Bestias Leiche wird gleich bei Sonnenaufgang verbrannt. Ihr seid entlassen.«

4

Draußen stieß Cato angesichts der Aussicht auf Bestias Vermächtnis einen erstaunten Pfiff aus. Doch der Zenturio schenkte seinem Optio wenig Aufmerksamkeit; er befühlte den Halsreif und freute sich an seinem beträchtlichen Gewicht. Schweigend gingen sie zum Lazarettzelt, bis Macro den Blick schließlich doch auf den hoch gewachsenen Optio richtete.

»Na, also ich bin ja gespannt, was Bestia dir hinterlassen hat.«

Cato räusperte sich, die Kehle wie zugeschnürt. »Keine Ahnung, Herr.«

»Ich hatte nicht den geringsten Schimmer, dass der alte Knabe zu solchen Gesten überhaupt fähig war. Während meiner ganzen Dienstzeit in der Legion habe ich noch nie irgendetwas dergleichen von ihm gehört. Da musst du also schließlich doch ganz schön Eindruck bei ihm geschunden haben.«

»Das muss wohl so sein, Herr. Aber ich kann es kaum glauben.«

Macro dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf. »Ich auch nicht. Ich will dich bestimmt nicht kränken, aber, na ja, du hast einfach nicht seiner Vorstellung von einem Soldaten entsprochen. Ich muss zugeben, auch ich habe eine Weile gebraucht, um dahinter zu kommen, dass du mehr bist als nur ein Bücherwurm in Bohnenstangenformat. Du wirkst einfach nicht wie ein Soldat.«

»Nein, Herr«, kam die verdrossene Antwort. »Ich werde mich bemühen, von nun an danach auszusehen.«

»Mach dir mal keine Sorgen, Junge. Ich weiß, dass du ein Killer bist, ohne jeden Zweifel, auch wenn du selbst es nicht weißt. Schließlich habe ich dich bei der Arbeit gesehen, oder?«

Beim Wort ›Killer‹ zuckte Cato zusammen. Als ein Killer wollte er nun wirklich nicht dastehen. Ein Soldat, ja, in diesem Wort lag ein gewisses Maß an zivilisierter Glaubwürdigkeit. Das Soldatsein schloss zwar offensichtlich die Möglichkeit ein, andere Menschen zu töten, doch das, sagte sich Cato, gehörte nicht zum eigentlichen Wesen des Berufs, sondern war nur ein Nebeneffekt. Killer dagegen waren einfach nur Wüstlinge, die kaum moralische Werte kannten, wenn überhaupt. Jene Barbaren, die in der Dunkelheit der großen germanischen Wälder hausten, das waren echte Killer. Die metzelten andere einfach aus purem Spaß nieder, wie ihre endlosen, jämmerlichen Stammesstreitigkeiten nur allzu deutlich zeigten. Gewiss hatte auch Rom in seiner Geschichte Zeiten des Bürgerkriegs durchgemacht, doch unter der von den Kaisern auferlegten Ordnung war die Drohung innerer Konflikte praktisch verschwunden. Die römische Armee kämpfte mit einem moralischen Anspruch: die Ausbreitung zivilisierter Werte unter den rückständigen Wilden, die an den Rändern des Imperiums lebten.

Wie stand es nun mit diesen Briten? Was waren die für Männer? Killer – oder doch auf ihre eigene Art Soldaten? Der Schwertkämpfer, der im Verlauf der vom Legaten veranstalteten Wettspiele gestorben war, ging ihm nicht aus dem Sinn. Der Mann war ein echter Krieger gewesen und hatte mit der Wildheit eines geborenen Killers angegriffen. Sein Selbstmord war ein Akt des reinen Fanatismus, und dieser Charakterzug in manchen Menschen verstörte Cato zutiefst und erfüllte ihn mit einem Gefühl moralischen Entsetzens und der Überzeugung, dass nur Rom einen besseren Weg bot. Denn trotz seiner zynischen, korrupten Politiker stand Rom letztendlich doch für Ordnung und Fortschritt; ein Leuchtturm für all jene von Schrecken erfüllten Menschenmassen, die sich in der Dunkelheit der barbarischen Länder verborgen hielten.

»Na, tut dir deine Wette immer noch Leid?«, riss Macro ihn mit einem Knuff aus seiner Versunkenheit.

»Nein, Herr. Ich dachte nur gerade über diesen Briten nach.«

»Ach, vergiss ihn. Was er getan hat, war einfach nur blöde, und mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich hätte vielleicht mehr Achtung, wenn er das Schwert gegen uns eingesetzt hätte, um sich durch unsere Reihen durchzuschlagen. Aber sich selbst zu töten? Was für eine Verschwendung.«

»Wenn du meinst, Herr.«

Sie hatten das Lazarettzelt erreicht und wedelten vor dem Hineinschlüpfen die Insekten weg, die die Öllampen vor den Zeltklappen umschwirrten. An der einen Zeltwand saß ein Sanitäter hinter einem Schreibtisch. Er führte sie nach hinten, wo die verwundeten Offiziere untergebracht waren. Jedem Zenturio war ein kleiner, abgetrennter Bereich zugeteilt worden, mit Feldbett, Nachttisch und Bettpfanne. Der Sanitäter zog einen Vorhang beiseite und winkte sie nach drinnen. Macro und Cato quetschten sich hinein, links und rechts des schmalen Bettes, auf dem der tote Oberzenturio lag, von einem Leichentuch aus Leinen bedeckt.

Einen Moment lang standen sie schweigend da, dann sagte der Sanitäter zu Cato: »Die Sachen, die er dir zukommen lassen wollte, liegen unter dem Bett. Ich lasse euch beide jetzt eine Weile mit ihm allein.«

»Danke«, antwortete Cato leise.

Der Vorhang schloss sich wieder, und der Sanitäter kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Es war still, nur von irgendwo im Zelt war ein leises Stöhnen zu hören, und von noch weiter weg die Geräusche des Lagers.

»Also, willst du jetzt schauen, oder soll ich?«, fragte Macro mit gedämpfter Stimme.

»Wie bitte?«

Macro zeigte mit dem Daumen auf den Oberzenturio. »Ein letzter Blick ins Gesicht des alten Mannes, bevor er in Rauch aufgeht. Das schulde ich ihm.«

Cato schluckte nervös. »Nur zu.«

Macro zog behutsam das Leichentuch beiseite und deckte Bestia bis zur nackten Brust auf, wo sich das graue Haar sträubte. Keiner der beiden hatte Bestia jemals ohne Uniform gesehen, und die dichte, gekräuselte Körperbehaarung war eine Überraschung. Irgendeine gute Seele hatte die Augen des Oberzenturios schon mit Münzen bedeckt, als Fährgeld für Charon, der jeden Toten über den Fluss Styx in die Unterwelt übersetzte. Die Verletzung, die schließlich zu seinem Tod geführt hatte, war gesäubert worden, aber dennoch war der Anblick des verstümmelten Kiefers, wo Zähne, Knochen und Muskelgewebe offen lagen, nicht gerade schön.

Macro stieß einen Pfiff aus. »Ein Wunder, dass er dem Legaten in dieser Verfassung überhaupt noch irgendetwas sagen konnte.«

Cato nickte.

»Jedenfalls hat der alte Schurke es bis ganz nach oben geschafft, und das ist mehr, als den meisten von uns gelingt. Lass sehen, was er dir hinterlassen hat. Soll ich schauen?«

»Wenn du möchtest, Herr.«

»Recht so.« Macro kniete sich hin und wühlte unter dem Bett. »Ah! Da ist es.«

Als er aufstand, hielt er ein Schwert samt Schwertscheide hoch, und außerdem eine kleine Amphore. Das Schwert reichte er Cato, dann zog er den Pfropfen aus der Amphore und schnupperte vorsichtig. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

»Caecuban!«, jauchzte Macro. »Mein Junge, womit auch immer du Bestia so beeindruckt hast, es muss ein richtiges Wunder gewesen sein. Hast du was dagegen, wenn ich …?«

»Nur zu, Herr«, antwortete Cato. Er nahm das Schwert in Augenschein. Die Scheide war schwarz und mit einem auffallenden Silbermuster eingelegt. Hier und dort wies sie Scharten und andere Zeichen massiven Gebrauchs auf. Es war die Waffe eines Soldaten und kein nur Zeremonien vorbehaltenes Schmuckgerät.

Zenturio Macro leckte sich die Lippen, hob die Amphore hoch und brachte einen Trinkspruch aus. »Auf den Oberzenturio Lucius Batiacus Bestia, ein harter Kerl, aber gerecht. Ein guter Soldat, der für seine Kameraden, seine Legion, seine Familie, sein Geschlecht und für Rom eine Ehre war.« Macro nahm einen tüchtigen Schluck des erlesenen Caecuban-Weins, und sein Adamsapfel geriet in wilde Bewegung, bevor er die Amphore wieder absetzte und mit den Lippen schnalzte. »Absolut großartiger Tropfen. Koste mal.«

Cato nahm die Amphore entgegen und hob sie über der Leiche des Oberzenturios hoch, wobei die Geste ihn leicht befangen machte: »Auf Bestia.«

Macro hatte Recht. Der Wein war ungewöhnlich schmackhaft, voll und fruchtig mit einem winzigen Hauch Moschus, im Abgang aber trocken. Köstlich. Und berauschend.

»Lass uns einen Blick auf dein Schwert werfen.«

»Ja, Herr.« Cato reichte ihm das Schwert. Nach einem flüchtigen Blick auf die Scheide packte Macro den Elfenbeingriff mit dem reich verzierten Goldknauf und zog die Klinge heraus. Sie war gut getempert, fein poliert und glänzte wie ein Spiegel. Macro hob in ehrlicher Bewunderung die Augenbrauen, während er vorsichtig mit dem Finger die Schneide entlangfuhr. Für ein Schwert, das im wesentlichen als Stichwaffe diente, war sie ungewöhnlich scharf geschliffen. Er spürte dem Gewicht nach und lobte murmelnd die feine Ausgewogenheit von Knauf und Schneide. Dieses Schwert war mühelos zu schwingen und belastete das Handgelenk viel weniger als das übliche Kurzschwert. Kein Römer stellte so etwas her. Seit Generationen machten die gallischen Schmiede die besten Schwerter. Wie war Bestia an dieses hier gekommen?

Dann fiel ihm die Inschrift auf, eine kurze Wortfolge nahe der Parierstange, in dem Alphabet verfasst, das er inzwischen als griechisch erkannte.

»Hier. Was steht da?«

Cato nahm das Schwert und übersetzte lautlos für sich: »Von Germanicus für L. Batiacus, seinen Patroclus.« Cato überlief ein Schauder des Erstaunens. Er blickte auf das abscheulich entstellte Gesicht des Oberzenturios. War dieser Mensch einmal ein anziehender junger Mann gewesen? So anziehend, dass er die Zuneigung des großen Generals Germanicus gewonnen hatte? Kaum zu glauben. Cato hatte Bestia nur als einen harten, grausamen Zuchtmeister erlebt. Doch wer kennt schon die Geheimnisse eines Sterbenden? Manche nimmt er mit sich in die Unterwelt, und andere werden enthüllt.

»Nun?«, fragte Macro ungeduldig. »Was steht da?«

Cato, der die Empfindlichkeiten des Zenturios kannte, dachte rasch nach. »Es ist ein Geschenk von Germanicus.«

»Germanicus? Der Germanicus?«

»Ich glaube schon, Herr. Mehr steht nicht da.«

»Ich hatte gar keine Ahnung, dass der alte Junge so gute Verbindungen hatte. Das ist noch einen Schluck wert.«

Cato reichte ihm widerstrebend die Amphore und zuckte schmerzlich zusammen, als Macro noch mehr von dem erlesenen Wein in sich hineinschüttete. Als Cato die Amphore zurückbekam, fühlte sie sich enttäuschend leicht an. Um nicht den Rest des ihm vermachten Weins an den Zenturio zu verlieren, brachte auch Cato nochmals einen Trinkspruch auf Bestia aus und schluckte so viel hinunter, wie er auf ein Mal schaffte.

Macro stieß auf. »N-na, Bestia muss eine ganz schöne Heldentat geleistet haben, um sich dieses kleine Schmuckstück da zu verdienen. Ein Schwert von Germanicus! Das ist schon was, wirklich.«

»Ja, Herr«, stimmte Cato ruhig zu. »Das ist gewiss richtig.«

»Gib gut auf diese Klinge Acht, Junge. Die ist mit Geld nicht zu bezahlen.«

»Das werde ich tun, Herr.« In dem heißen, engen Zelt spürte Cato nun allmählich die Wirkung des Weins, und plötzlich sehnte er sich nach frischer Luft. »Ich denke, wir sollten ihn jetzt allein lassen, Herr. Möge er in Frieden ruhen. «

»Er ist tot, Cato. Er schläft nicht.«

»Einfach eine Redewendung. Ich muss hier jedenfalls raus, Herr. Ich brauche frische Luft.«

»Ich auch.« Macro zog das Leichentuch wieder über Bestia und folgte dem Optio nach draußen. Der Regen hatte aufgehört, und nachdem die Wolken nun davonzogen, flackerten die Sterne trübe durch die feuchte Luft. Cato schöpfte die Luft in tiefen Atemzügen. Er spürte den Wein jetzt sogar noch stärker und fragte sich, ob er sich zu seiner Schande würde erbrechen müssen.

»Lass uns zum Zelt zurückgehen und die Amphore austrinken«, meinte Macro fröhlich. »Das sind wir dem alten Burschen schuldig.«

»Wirklich?«, fragte Cato trübe.

»Aber natürlich. Alte Armeetradition. So trauern wir um unsere Toten.«

»Eine Tradition?«

»Na ja, jetzt ist es eben eine.« Macro lächelte etwas benebelt. »Komm, gehen wir.«

Das neue Schwert in seiner Scheide fest umklammernd, überließ Cato die Amphore Macro, und gemeinsam steuerten sie schlingernd durch die kerzengeraden Zeltreihen zum Lagerbereich ihrer eigenen Zenturie zurück.

Als Bestias Scheiterhaufen am nächsten Tag bei Sonnenaufgang angezündet wurde, schauten der Zenturio und der Optio der Sechsten Zenturie der Vierten Kohorte mit trüben Augen zu. Die komplette Zweite Legion hatte sich zu diesem Ereignis aufgestellt und rahmte den Scheiterhaufen auf drei Seiten ein, während der Legat, der Lagerpräfekt, die Tribunen und weitere hochrangige Offiziere auf der vierten Seite stramm standen. Vespasian hatte seinen Standort gut gewählt, auf der windabgewandten Seite des Scheiterhaufens, wo ein leichtes Lüftchen über die britische Landschaft wehte. Direkt gegenüber trieben die ersten Fäden dicken, öligen, nach verbranntem Fett stinkenden Rauchs zwischen den strammstehenden Legionären hindurch. Rund um Macro und seinen Optio ertönte heftiges Husten; einen Moment später ballte sich Catos allzu empfindlicher Magen wie zu einer Faust zusammen, er beugte sich vor und kotzte das Gras zu seinen Füßen voll.

Macro seufzte. Selbst von jenseits der Todesschatten brachte Bestia es fertig, seine Männer leiden zu lassen.

5

»Das Problem, meine Herren, ist dieser kleine Hügel dort drüben.« Der General deutete mit seinem Stab über den Fluss, und die Versammlung seiner hochrangigsten Offiziere folgten der angegebenen Richtung mit den Augen. Zusätzlich zu den Kommandanten der vier Legionen befanden sich in der Traube aus scharlachroten Mänteln auch Plautius’ Stabsoffiziere. Vespasian fiel es schwer, sich nicht über die schimmernde Vergoldung zu amüsieren, die die glänzende Brustplatte seines Bruders Sabinus schmückte, der den ehrenhaften Rang eines Reiterpräfekten innehatte. Fast ebenso aufdringlich war das Gold in der Bekleidung des Briten, der Plautius begleitete. Adminius war von seinem Bruder Caratacus aus seinem Königreich vertrieben worden und hatte sich der römischen Armee als ortskundiger Führer und Unterhändler angeschlossen. Falls Rom siegte, würde er Titel und Ländereien zurückerhalten, allerdings nur noch als ein Vasall Roms, mit allen Verpflichtungen, die das mit sich brachte: ein kümmerlicher Lohn für den Verrat am eigenen Volk. Vespasian betrachtete den Briten voller Verachtung und ließ dann die Augen weiter zum Fluss wandern.