Im Auftrag des Herrn - Steffen Mohr - E-Book

Im Auftrag des Herrn E-Book

Steffen Mohr

4,9

Beschreibung

Wer hat die wertvolle historische Bibel gestohlen? Wer steckt hinter dem Einbruch im Pfarrhaus? Und wie kann die Explosion auf dem Weihnachtsmarkt in letzter Minute verhindert werden? 45 knifflige Kirchenkrimis gilt es aufzuklären. Der sympathische Kriminalkommissar Gustav Merks findet dank seiner guten Spürnase jeden Täter. Doch die Lösung wird nicht sofort verraten. Rätseln und kombinieren Sie mit! Der entscheidende Hinweis zur Lösung ist in jedem Fall versteckt. Bei genauem Lesen und mit etwas Logik finden Sie die Antwort. Falls es doch einmal zu schwierig wird, schauen Sie einfach im Lösungsteil nach. Dort wird jeder Täter enttarnt und der Lösungsweg kurz beschrieben. Ein herrlicher Rätselspaß für kleine und große Detektive. INHALT: KLEINER VORSPRUCH PASSIONS- UND OSTERMYSTERIEN 1. LEICHE IM ABRISSHAUS 2. KARNEVAL AUS - BIBEL FORT 3. BALD NUN IST'S OSTERZEIT 4. DAS OSTERWUNDER DES DOKTOR TEUFLI 5. BRECHEISEN UND SALAMI 6. OSTEREI IM HAUPTBAHNHOF 7. MATHEMATISCHES OSTERMÄRCHEN 8. DIE UNERREICHBAREN OSTEREIER 9. EIN RUSSISCHES OSTEREI 10. DIE UNAUFFINDBAREN OSTEREIER 11. OSTER-ORGELPFEIFEN PFINGSTLICHES SPRACHENGEWIRR UND HEISSE SOMMERFÄLLE 12. QUEREINSTEIGER MIT DUNKLER BRILLE 13. SILBERHOCHZEIT? NEIN, DANKE! 14. DER KOMMISSAR IST RATLOS 15. EIN FROMMER LANGFINGER 16. DER SCHRECKHAFTE EINBRECHER 17. MORD AM ALTAR 18. BEIM GEBET ERSTOCHEN? 19. MORD IN DER BURGKAPELLE 20. DER AUSGEGRABENE ROSENBUSCH 21. NOCH EIN OPFERSTOCKMARDER 22. DROHUNG BEIM MITTAGSLÄUTEN NEBULÖSES VOR UND NACH ALLERSEELEN 23. EIN VERRÜCKTER PROPHET 24. SCHULRUSSISCH? - ALLES VERGESSEN! 25. ERNTEDANK MIT FRAGEZEICHEN 26. SCHERBENPUPPE 27. DER VERGESSLICHE STALKER 28. KLEINES MISSVERSTÄNDNIS MIT GROSSEN FOLGEN 29. EINE ANZEIGE NACH NEUN JAHREN 30. JUNGE WITWE, VERDÄCHTIG 31. ALLERSEELENJUWELEN IM FAMILIENGRAB 32. HUSARENSTÜCK AM HORIZONT 33. ANRUF AUS DER GRUFT 34. GUT, DASS TOTENSONNTAG WAR GEHEIMNISVOLLER ADVENT UND WEIHNACHTSRÄTSELNÜSSE 35. LICHT FÜR DEN PRINZEN 36. DREI NIKOLAUSSTIEFEL 37. NUSSKNACKER NACH FRANKFURT A. M. 38. DER FLIEGENDE ADVENTSKRANZ 39. LOGIK UND LOSTOPF 40. EINE EXPLOSIVE CHRISTBAUMKUGEL 41. DER BESTOHLENE WEIHNACHTSMANN 42. FAST ERMORDETER WEIHNACHTSMANN 43. DAS GESTOHLENE CHRISTKINDL 44. SCHÖNE BESCHERUNG 45.WEIHNACHTEN IM MILIEU Die Krimilösungen

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Impressum

Steffen Mohr

Im Auftrag des Herrn

Spannende Rätselkrimis für aufgeweckte Christenmenschen

ISBN 978-3-86394-672-2 (E-Book)

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

KLEINER VORSPRUCH

Nein, um Himmels willen nein! Kriminalkommissar Gustav Merks ist kein Father Brown. Wenn er (was keiner genau weiß) einer Kirche angehört, dann eher im Sinne des heiligen Augustinus. Der nämlich sagte einmal, es gäbe viele, die außerhalb der Kirche sind, aber doch in ihr.

Der Rätselkrimi (oder das Krimirätsel) ist ein uraltes Genre der Unterhaltung. Die alten Chinesen kannten es und die arabischen Beduinen in vorchristlicher Zeit. Solche Denkaufgaben, in hübsche Geschichten verpackt, animieren nämlich nicht nur unsere grauen Zellen. Sie bewegen, wenn sie gut erzählt sind, auch Zwerchfell und Herz. Das ist dann besonders der Fall, wenn der Held - Richter, Detektiv oder eben Kommissar - über die Ermittlungsmechanik hinaus ein bisschen Philosoph ist. Um so einen handelt es sich bei Gustav Merks.

In diesem Band finden sich Kurzkrimis, die etwas mit dem Lauf des christlichen Kirchenjahrs zu tun haben. Mögen die rätselhaften Fälle sowohl die Familie am Frühstückstisch, als auch alle erzähllaunigen Väter, Großväter, Mütter, Großmütter und Kinder zu fröhlichem Denkwettstreit verführen!

Halt mal! Wer sieht denn da gleich nach den Lösungen? Bitte erst gemeinsam (oder auch einsam) nachdenken. So macht’s mehr Spaß, liebe Löser.

PASSIONS- UND OSTERMYSTERIEN

Gefährlich ist der Frühling, denn im Garten schießt der Salat und die Bäume schlagen aus.

Volksmund

1. LEICHE IM ABRISSHAUS

Das Zimmer, in dem der Ermordete zur Miete und später schwarz gewohnt hatte, befand sich in einem dem Abriss preisgegebenen Haus. Die Straße entlang und rundum in der Gegend waren die Häuser bereits renoviert. Nur diese Ruine stand noch da wie ein Mahnmal für die vergangene Zeit, in der die Leute anspruchsloser lebten. Übrigens war Edmund Holz, ein Penner, der letzte Bewohner des Hauses gewesen. Mit Edmunds Tod schien auch das Schicksal des Hauses endgültig beschlossen.

Februar war es, die Luft schneidend kalt. Trotzdem geriet der rundliche Kommissar mit der Knollennase beim Aufstieg zu Edmunds Dachbude ins Schwitzen. Sport müsste ich treiben, um abzunehmen, dachte er. Aber bitteschön - wann?

Der Mann war erstochen im Bett am Fenster aufgefunden worden, eben schafften die Träger die Leiche hinaus. Als die geläufigen Rituale der Spurensicherung absolviert waren, schickte Kommissar Merks die Techniker und den Fotografen weg. Der Leichenschauarzt war schon früher zum Mittagessen gegangen. Nun stand Merks allein in dem nach abgestandenem Zigarrenrauch und Bier riechenden Raum. Nachdenklich zupfte er sich an seiner prächtigen Knollennase.

Schwaches Sonnenlicht fiel durch die eine Ewigkeit lang ungeputzten Scheiben. Die Tatwaffe - der Stichwunde nach zu urteilen offenbar ein langes Küchenmesser - war nicht gefunden worden. Wahrscheinlich hatte der Täter sie mitgenommen und danach verschwinden lassen. Auch das Motiv der Tat musste zunächst im Dunkel bleiben, da beim Opfer weder Geld zu vermuten war, noch irgendwelche Details über seine Freunde oder Feinde bekannt waren.

Eine Affekthandlung im Suff vielleicht?, fragte sich Merks. Oder ein Verwandtschaftskonflikt, bei dem ein Erbe beseitigt wurde? Doch über Edmunds Verwandte wusste er bis jetzt so wenig wie über alle anderen Dinge.

Sicher war der Täter einer der Stadtstreicher gewesen, mit denen der Tote zu Lebzeiten ständig am Kiosk zu sehen war. Die waren es auch, die sein Verschwinden der Polizei gemeldet hatten. Merks hatte sie alle vernommen. Ohne Ergebnis. Der Kommissar sah sich im Zimmer um. Es handelte sich um eine Art Wohn- und Schlafküche. Außer dem ramponierten Küchenbuffet, Marke Eschenbach, der Spüle, dem dann und wann wild ratternden Kühlschrank, einem wackligen Tisch, zwei Stühlen und der Matratzengruft bot die Einrichtung keine Auffälligkeiten.

Doch! Im rosa Plastikrahmen stand ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto auf dem Büffet. Unpassend klein wirkte das auf dem rosa Karton. Es zeigte einen kniestrümpfigen Knaben mit der Erstkommunionkerze in der Hand. Auf eine Kartonecke hatte jemand - offenbar Edmund selbst - gekrakelt: „O seelik, o seelik, ein Kind noch zu sein ..."

Lieber Gott, dachte Merks, jetzt hast du dein Kommunionkind ja wieder. Aber gleich schüttelte er den dicken Schädel mit der Halbglatze. Nicht zum Nachdenken über die Ewigkeit war er hier. Auf der Fensterbank standen zwei Töpfe mit Alpenveilchen aus Plastik.

Merks fuhr herum. Hinter ihm war plötzlich eine Person in die offen stehende Wohnung getreten. Ältere, robuste Frau, Trinkerin, wie man roch. Mit dumpfem Gesichtsausdruck blieb sie im Türrahmen stehen.

„Wer sind Sie und was suchen Sie hier?"

„Genau dasselbe könnte ich Sie fragen", krächzte die Matrone.

„Wo ist Eddie?"

„Sie wollten Edmund Holz besuchen?"

„Wen sonst? Ich bin seine einzige Schwester und komme jeden Monat hier vorbei, die Bude sauber zu machen." Sie brannte sich eine Zigarette an, verschluckte sich gleich und hustete eine ungewöhnlich lange Zeit so kräftig, dass das Kommunionkind vom Büffet zu fallen drohte.

Vier Minuten später. Merks sagte: „Ihr Bruder ist tot. Ermordet."

Sie war nicht sonderlich beeindruckt. „Das habe ich Eddie immer prophezeit. Einer deiner sauberen Kumpels bringt dich mal um."

Auf einmal gab sich die Frau einen Ruck. Sie zog unter der Spüle Eimer und Lappen hervor. „Und jetzt will ich mal hier wieder Ordnung schaffen!", entschied sie. „Sie verschwinden aus der Bude!", befahl sie Merks, den sie offenbar für eine besser gekleidete Ausgabe der Kioskkumpels hielt.

Bevor sie jedoch zum Scheuerhader griff, entnahm sie dem Küchenbuffet eine kleine Gießkanne, füllte diese an der Spüle mit Leitungswasser und schritt auf die Blumen am Fenster zu.

„Halt!", rief Merks mit fester Stimme. „Ich verhafte Sie wegen Mordverdachts!" Warum verdächtigte der Kommissar die Frau?

2. KARNEVAL AUS - BIBEL FORT

„Beim Karneval ist eine kostbare alte Bibel gestohlen worden." Gustav Merks sprach diesen Satz betont langsam, damit die ganze Kuriosität seines Inhalts für sein Gegenüber deutlich wurde. Dieses Gegenüber war kein Geringerer als der Superintendent in Ruhe, Johannes Rich, ein Kenner der Heiligen Schrift, wie die Stadt keinen Zweiten aufzuweisen hatte. Rich verzog die Lippen zu einem mokanten Grinsen: „Können Sie das bitte noch einmal wiederholen, Herr Kommissar?"

„Ich brauche Ihre Hilfe", sagte der beleibte Kriminalist mit der roten Knollennase zu dem kleineren alten Mann, dessen Bewegungen beim Hereinlassen in die weiträumige Superintendentur ebenso munter und lebendig gewesen waren wie die des immer noch im Training stehenden Polizisten. Nun saßen sie sich auf zwei altmodischen Armsesseln gegenüber und hörten nebenbei auf das Mittagsgeläut der Kirche draußen.

„Eine Bibelgesellschaft, eingetragener Verein, hat Anzeige erstattet. Genauer gesagt die Vorsitzende dieses Vereins, eine gewisse Herta Seibt. Geschäftsfrau, dynamisch, um die Fünfundvierzig. Könnte genau so gut einer Modelagentur vorstehen. Der Verein pflege die Werte der Bibel, erklärte sie mir, und sie selbst habe mehrere uralte, teure Bibeln in ihrem Privatbesitz. Ich habe mich natürlich nach der Hausratversicherung der Dame erkundigt. Die Versicherung müsste ihr für die gestohlene Bibel einige Zehntausender zahlen."

„Kommen Sie zur Sache."

Der Kommissar lachte: „Hej, Sie! Das ist eigentlich immer mein Spruch. Aber wissen Sie, ich eiere deshalb so um den heißen Brei, weil ich mich in Ihrem Bereich immer ein wenig unbehaglich fühle. Also gut, die Sache ist die, dass Frau Seibt zu einem einwöchigen Bibelkurs eingeladen hatte, in ihre Villa im Westen der Stadt. Tatsächlich waren neun Teilnehmer gekommen. Hätte ich niemals gedacht, dass ..."

„Die Menschen suchen nach Werten. Fahren Sie fort."

„Keiner der aus ganz Deutschland Angereisten kannte den anderen. Über die Woche hörten sie Expertenvorträge und diskutierten miteinander. Weil der Kurs in die Faschingszeit fiel, hatte Herta Seibt die Idee, das Ganze mit einem Bibelfasching ausklingen zu lassen. Jeder der - übrigens allesamt männlichen - Kursanten sollte einen der Apostel Jesu darstellen."

„Wie originell", bemerkte Rich spöttisch.

„Kostümfummel hielt die Tagungsleiterin parat. Am Morgen nach dem - sicherlich recht braven - Vergnügen war Abreise. Und gleich darauf stellte Frau Seibt das Verschwinden der mittelalterlichen Bibel fest. Sie hat mir eine Liste der Tagungsteilnehmer gegeben."

Merks reichte dem Superintendenten ein von Herta Seibt selbst beschriebenes Papier. Darauf standen die Namen mit den dazugehörigen Adressen und der Rolle, die der Betreffende beim Bibelfasching gespielt hatte.

Ohne die bürgerlichen Namen zu beachten, las der Kirchenmann laut vor: „Petrus - mit Schlüsselbund. Andreas - mit Schrägkreuz auf dem Gewand. Jakobus - mit der Pilgermuschel. Johannes der Täufer - mit einem abgeschlagenen Haupt. - Pfui Teufel! - Johannes der Evangelist - mit ausgestopftem Adler. Judas Iskariot - mit Strick um den Hals. Paulus - mit seinem Märtyrersymbol, dem Schwert. Thomas - mit Lanzenbündel im Rücken. Simon der Eiferer - mit Säge ..."

„Nun, was denken Sie? Wer war der Bibeldieb?"

Wie anfangs lächelte der Superintendent süffisant. „Die beiden Fehler, die bei diesem Kostümfest sofort ins Auge fallen, sind einfach zu plump. Wenn Frau Seibt diese Kostüme selbst ausgab, versteht sie so viel von der Heiligen Schrift, wie es sich für die Vorsitzende eines Bibelvereins nicht gehören dürfte. Wie Sie, Herr Kommissar, glaube auch ich an einen versuchten Versicherungsbetrug."

Nach dieser Erklärung nannte Johannes Rich dem Kriminalbeamten die beiden groben Fehler. - Welche?

3. BALD NUN IST'S OSTERZEIT

„Du musst mir helfen!" Klein-Richard, der halbwüchsige Neffe, stürmte in die gute Stube von Kommissar Merks. Der sah dem Gesicht des Jungen an, dass ihn Sorgen plagten. Der gemütliche Kommissar nahm Kindersorgen immer genauso ernst wie die Sorgen von Erwachsenen. „Was gibt's? Brauchst du Geld für ein Ostergeschenk? In ein paar Wochen ist es schließlich soweit ..."

„Als ob Geld glücklich macht!" Klein-Richard (wie leider noch alle Verwandten den großen Blondschopf nannten) legte die Stirn in altkluge Falten. „Ich brauche irgendwas krass Abgedrehtes, was meine Klassenfreunde auf der Osterparty total spitz macht. Onkel Gustav, du weißt doch so viele Tricks und Kniffe. Bitte, hilf mir!"

Der Kommissar nahm einen Schluck aus dem kleinen Schwarzbier, lehnte sich behaglich im Sessel zurück und schloss die Augen. „Du wirst deinen Kumpels eine Kriminalgeschichte erzählen, in der ein Rätsel steckt - einverstanden?" Er brauchte nicht die Augen zu öffnen, um zu sehen, dass Klein-Richard heftig nickte. Wenn Onkel Gustav mit seinen halb wahren, halb erfundenen Geschichten loslegte, wurde er mucksmäuschenstill.

„Im alten England", begann der Kommissar, „war es üblich, wie in anderen europäischen Ländern auch, zu Ostern bunte Eier und Geschenke zu verstecken. In den Schlössern wurde damit oft der Butler beauftragt. In der Frühe des Ostersonntags suchte er also möglichst schwierige Verstecke im ganzen Schloss. Während die Grafenfamilie beim morgendlichen Gottesdienst weilte, sprang der Butler durch alle Säle und Kemenaten und spielte sozusagen den Osterhasen.

Die Butler aber waren, im Gegensatz zu den Grafen, meist arme Lumpen. So auch der Butler James auf Essex-Castle. Deshalb hatte er die Idee, ein besonders wertvolles Geschenk - die neue Perlenkette für die Frau Gräfin - verschwinden zu lassen, um es später in klingende Münze zu verwandeln. James wollte sich damit herausreden, dass die Gräfin das Osterei bloß nicht gefunden und er vergessen habe, wo es versteckt war. Der Plan des Butlers ging auf. Längst hatte er die Kette in einem Abflussrohr verborgen, aus dem er sie zu gegebener Zeit wieder herausfischen wollte. Zwar gab es ein Mordsgeschrei und Bezichtigungen. Doch damit hatte James auch gerechnet. Wer reich sein will, muss schließlich einigen Kummer ertragen. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Grausamkeit seines Chefs, des Grafen von Essex. Als James nämlich schon zum wiederholten Male seine Entschuldigung hervorgestammelt hatte, er habe, was das Versteck betrifft, einen völligen Blackout, meinte der Earl sehr ruhig: ,Gut, Freundchen. Ich glaube zwar kein Wort von dem, was du mir berichtest. Und du weißt auch, dass ich die Macht habe, dich den Gerichten zu übergeben. Dann wirst du so lange bei Wasser, trockenem Brot und Rattengesindel im Tower schmoren, bis du den Diebstahl eingestehst oder zugrunde gehst. Aber ich gebe dir eine Chance, dem allen aus dem Weg zu gehen und dabei noch die gestohlene Kette zu behalten.’“

Klein-Richard horchte bei dem Wort .Chance' auf und spitzte die Ohren. Jetzt, wusste er, kam das eigentlich Wichtige in Onkel Gustavs Geschichte, das Krimirätsel.

„Der Graf", fuhr Merks mit geschlossenen Augen fort, „schob James in eine seit Jahrhunderten nicht benutzte Bodenkammer, in die kein Lichtstrahl fiel. Er schloss die Eisentür hinter dem Butler fest zu. ‚Hier habe ich auf den Regalen vier Eier versteckt', brüllte der Graf von außen. ,Deine Aufgabe ist es, im Dunkeln zwischen dem echten, bunt gefärbten Osterei, einem rohen und einem faulen Ei und einem Schokoladenei zu unterscheiden. In fünf Minuten kehre ich zurück und schließe auf. Sehe ich dich dann mit dem echten Osterei in der Hand, bist du frei. Ansonsten ...’

„Was denkst du, Klein-Richard, was geschah? Na? Der Schlingel fand in der Finsternis der Kammer nach kurzer Zeit das bunte Osterei und war gerettet. Wie hat er das wohl geschafft?"

4. DAS OSTERWUNDER DES DOKTOR TEUFLI

Nicht die Mörder, Einbrecher und Scheckbetrüger, sondern eine ganz andere Sorte von Verbrechern versetzte den Kommissar immer wieder in großes Erstaunen. Das waren die Hochstapler. Wie konnte jemand nur aus reiner Gefallsucht, oftmals ohne einen erheblichen materiellen Gewinn, eine Person vorgaukeln, die er gar nicht war? Ein solcher Typ schien ein gewisser, zugereister Doktor Teufli zu sein.

Ob Teufli tatsächlich eine Approbation besaß, ob er als Wunderdoktor arbeiten durfte, konnte so richtig niemand feststellen. Aber sein Handwerk, das bis in das chirurgische Gewerbe hineinging, hatte ihm bisher nur einer - fast - gelegt. Müller-Beerenkoff war es, seines Zeichens Rechtsanwalt und Parlamentarier. Teufli war dürr und dünnstimmig, mit einem für sein Alter viel zu spitzen Modebart gestraft. Müller-Beerenkoff hingegen war ein stattlicher, allzeit in Armaniwäsche und Einhornhemden posierender Mann.

Kurz nach Weihnachten verlor der gut betuchte Anwalt den Betrugsprozess gegen Teufli, und der Wunderheiler klagte nun gegen ihn auf Beleidigung. Kriminalkommissar Gustav Merks verfolgte das alles mit amüsiertem Abstand. Er wunderte sich allerdings sehr, als er erfuhr, dass Müller-Beerenkoff seinen von Geburt an blinden Sohn auf einmal in Teuflis Behandlung gab. „Wenn er meinen medizinischen Fähigkeiten in so persönlichem Maße vertraut, ziehe ich natürlich die Klage gegen diesen Mann zurück", hatte der anzweifelbare Doktor erklärt. Merks vernahm interessiert, dass Beerenkoffs Sohn in einer privaten Augenklinik operiert und danach wochenlang von Herrn Teufli persönlich behandelt worden war. Wie es der Art des öffentlichkeitssüchtigen Behandlers entsprach, lud er für den Donnerstag vor Ostern eine kleine Gruppe Experten und einige wenige Presseleute in seine Praxis. Dort sollten Beerenkoffs zehnjährigem Sohn die Binden von den Augen genommen werden, die er seit der Operation trug.

Unter der Vorgabe, einer der Reporter zu sein, machte sich Kommissar Merks am Gründonnerstag auf den Weg in die Klinik des Wunderdoktors. Das Szenario war perfekt rührselig: Der Parlamentarier saß auf einem Stuhl neben Sohnemanns Bett. Er hielt dem Jungen die Hände, als Teufli die Binden von dessen Kopf abwickelte. Danach griff der weiß bekittelte Medienstar neben sich auf eine gläserne Etagere.

Auf dem Glasregal standen - passend zur Jahreszeit - mehrere bunt gefärbte Ostereier. Teufli hielt dem Kind ein rotes, danach ein blaues, dann ein gelbes Ei vor Augen. Immer benannte der Junge mit ganz klarer Stimme die Farben. Ein wahres Wunder! Ein Osterwunder!

Gustav Merks trat, als die Presse endlich gegangen war, dicht an Teufli heran. Er sagte leise zu Müller-Beerenkoff: „Wie viel Angst hatten Sie vor einer Beleidigungsklage, Sie Schmierenanwalt? Nicht einmal Ihr eigenes Kind war Ihnen zu schade, um sich die offenbar peinliche Affäre vom Hals zu halten. Denn wenn ich Ihren Sohn jetzt fragen würde, welche Farbe mein Jackett hat, würde er höchstens zufällig antworten, dass es weinrot ist. Wie sich die Hochstapler doch immer wieder finden ..." Warum war sich der Kommissar so sicher, dass der Vater und der angebliche Doktor die Heilung bloß vorgetäuscht hatten?

5. BRECHEISEN UND SALAMI

Auch als Kriminalist kann man nicht auf allen Gebieten beschlagen sein. Weil das nun mal so ist, hätte Kommissar Gustav Merks kurz vor Ostern beinahe einen Einbrecher laufen lassen. Noch dazu einen, den er vorher ausgiebig verhört hatte. Wäre da nicht Wolf Arnold, sein treuer Hauptmeister, gewesen und hätte der brave Arnold nicht den Telefonjoker gezogen, um seine Frau zu befragen, wäre der Kripo ein ausgebuffter Trickdieb durch die Maschen geschlüpft.

Doch eins nach dem anderen.

Am Nachmittag des Karfreitag hatte der Rentner Bollmann, ein gegenüber der katholischen St. Bonifatiuskirche wohnender pensionierter Schuldirektor, verdächtige Bewegungen hinter den Gardinen des Pfarrhauses beobachtet. „Die Glocken der Kirche haben geläutet", teilte er dem Kommissar am Telefon mit, „und mit Sicherheit ist der Pfarrer dort drin, denn die Leute sind schon zum Nachmittagsgottesdienst eingeströmt. Aber im ersten Stock des Pfarrhauses läuft einer rum. Ein Einbrecher?"

Gustav Merks erhob sich ächzend hinter seinem Schreibtisch, wobei er das schwere Möbel mit seinem Bauch mindestens einen halben Meter ins Zimmer schob. „Hast du Lust auf einen Feiertagsspaziergang?", fragte er Arnold. „Immerhin besser, als stundenlang in Spuren zu stochern, die keine sind", antwortete der graulockige Techniker. Er versetzte seinem Mikroskop einen Stoß, dass es fast vom Tisch gerutscht wäre, und beide machten sich auf den Weg.

Das zwei Stockwerke hohe Gebäude war in den Endzwanzigern im Stil amerikanischer Landhäuser erbaut, jetzt frisch renoviert. Es lag am Anfang eines kleinen Parks, an dessen anderem Ende der Kirchturm in den Nachmittagshimmel ragte. „Schau dir diesen Leichtsinn an", sagte Merks, als sie die Tür unten bloß aufzudrücken brauchten, um in das Haus hineinzugelangen.

„Leichtsinn?", fragte Arnold mit spöttisch verzogenem Mund. Denn auch als sie über eine schmale Stiege im ersten Stock angelangt waren, stand die Tür zum Wohnbereich weit offen. Auf der Schwelle lag ein grobes Brecheisen und auf dem Boden verstreut Splitter, die offenbar aus der hölzernen Umrandung des ausgehebelten Türschlosses stammten. Merks entsicherte die Dienstwaffe.

Sie mussten ein Vorzimmer und zwei weitere große Räume durchqueren. Nicht das kleinste Geräusch war zu hören. Neben der Küchentür lag ein offener Rucksack, in den - sichtlich in Eile - einige silberne Leuchter hineingestopft waren. Mit einem Ruck riss Merks die Tür auf.

„Grüß Gott!", rief ihnen der zierlich gebaute, ältere Mann, der hinter dem Küchentisch hockte, entgegen. Er trug einen Rollkragenpullover und schnitt mit seinen feingliedrigen Händen gerade eine Salami in Scheiben. Heißhungrig schob er sich drei davon gleich in den Mund. „Mein Name ist Greewe. Aber Sie dürfen ruhig Herr Pfarrer zu mir sagen. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie von der Polizei sind?"