Im Tod vereint - J.D. Robb - E-Book

Im Tod vereint E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Der 18. Fall für Lieutenant Eve Dallas

Als Reva Ewing ein Foto findet, auf dem ihr Mann mit ihrer besten Freundin in inniger Umarmung zu sehen ist, macht sie sich sofort zu dem Haus auf, in dem sie das Liebesnest der beiden vermutet. Doch zur Rede stellen kann sie ihren Mann nicht mehr, denn das Liebespaar liegt ermordet im Bett. Eve Dallas übernimmt den undurchsichtigen Fall. Alles spricht für ein simples Eifersuchtsdrama, und Reva wird festgenommen. Eve jedoch ermittelt weiter, um den wahren Schuldigen zu finden, denn sie ist von Revas Unschuld überzeugt. Doch Eve sticht mitten in ein giftiges Wespennest aus Verrat, Intrigen und tödlichen Geheimnissen ...

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Inhaltsverzeichnis
Buch
Autorin
Von J. D. Robb ist bereits erschienen:
Titel
Inschrift
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Copyright
Buch
Als sie in der Post ein Foto findet, auf dem ihr Ehemann mit ihrer besten Freundin in inniger Umarmung zu sehen ist, fährt Reva Ewing sofort zu dem Haus, in dem sie sein Liebesnest vermutet. Doch zur Rede stellen kann sie ihren Mann nicht mehr, denn das Paar liegt ermordet im Bett. Bevor Reva die Polizei rufen kann, wird sie von einem Unbekannten überwältigt und betäubt. Als sie wieder zu sich kommt, wendet sie sich in ihrer Verzweiflung an ihre Mutter, die eine Mitarbeiterin von Roarke ist. So kommt es, dass Eve Dallas den undurchsichtigen Fall übernimmt. Alle Indizien sprechen für ein Eifersuchtsdrama, und Reva wird als Tatverdächtige festgenommen. Eve ist jedoch von Revas Unschuld überzeugt und vermutet, dass die Drahtzieher des Verbrechens etwas mit Revas Geheimdienstarbeit zu tun haben. Eves riskante Nachforschungen führen sie mitten ins Herz des staatlichen Sicherheitsapparates und plötzlich drohen ihre Gegner nicht mehr mit dem Tod, sondern auch damit, ihre Ehe mit Roarke zu zerstören. Eve steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Sie muss wählen zwischen Privatleben und Beruf …
Autorin
J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt. Unter dem Namen J. D. Robb veröffentlicht sie seit Jahren ebenso erfolgreich Kriminalromane. Auch in Deutschland sind ihre Bücher von den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.blanvalet.de und www.jdrobb.com
Von J. D. Robb ist bereits erschienen:
Rendezvous mit einem Mörder (I; 35450) · Tödliche Küsse (2; 3545I) · Eine mörderische Hochzeit (3; 35452) · Bis in den Tod (4; 35632) · Der Kuss des Killers (5; 35633) · Mord ist ihre Leidenschaft (6; 35634) · Liebesnacht mit einem Mörder (7; 36026) · Der Tod ist mein (8; 36027) · Ein feuriger Verehrer (9; 36028) · Spiel mit dem Mörder (I0; 3632I) · Sündige Rache (II; 36332) · Symphonie des Todes (I2; 36333) · Das Lächeln des Killers (I3; 36334) · Einladung zum Mord (I4; 36595) · Tödliche Unschuld (I5; 36599) · Der Hauch des Bösen I6; 36693) · Das Herz des Mörders (I7; 367I5) · Im Tod vereint (I8; 36722)
Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas (36753)
Nora Roberts ist J. D. Robb Ein gefährliches Geschenk (36384)
Weitere Romane von Nora Roberts und J. D. Robb sind bei Blanvalet bereits in Vorbereitung.
Die Originalausgabe erschien 2004 unter dem Titel »Divided in Death« bei G. P. Putnam’s Sons, a member of Penguin Group (USA) Inc., New York.
Sigh no more, ladies, sigh no more,Men were deceivers ever. Seufzt nicht mehr, Frauen, seufzt nicht mehr, Männer haben immer schon betrogen.
William Shakespeare
Marriage is a desperate thing. Die Ehe ist eine hoffnungslose Sache.
John Selden
Prolog
Der Tod war noch zu gut für ihn.
Schließlich stellte der Tod ein Ende, ja sogar eine Art Befreiung dar. Er würde zur Hölle fahren, und dort würde er ewig Qualen leiden, das stand für sie fest. Und das wünschte sie ihm auch, nur eben nicht sofort. Erst sollte er dort leiden, wo sie es mit eigenen Augen sähe.
Dieser verlogene, heuchlerische Hurensohn! Er sollte winseln, betteln und auf dem Boden kriechen wie die Ratte, die er war. Er sollte wie ein Mädchen schreien. Sie wollte seinen betrügerischen Schwanz zusammenknoten, während er um die Gnade flehte, die von ihr nicht zu erwarten war.
Sie wollte sein schönes, verlogenes Gesicht mit ihren Fäusten bearbeiten, bis nur noch eine eitrige, weiche Masse aus Blut und Knochen davon übrig war.
Dann, erst dann, dürfte der schwanz- und gesichtslose Bastard sterben. Einen langsamen, schmerzlichen, qualvollen Tod.
Niemand, niemand betrog Reva Ewing.
Sie musste den Wagen auf die Standspur der Queensboro-Brücke lenken und dort halten, bis sie wieder ruhig genug zum Fahren war. Weil jemand sie betrogen hatte. Der Mann, den sie geliebt, geheiratet und dem ihr uneingeschränktes Vertrauen gegolten hatte, trieb es – genau in diesem Augenblick – mit einer anderen Frau.
Berührte eine andere, küsste eine andere, trieb eine andere dadurch in den Wahnsinn, dass er seine straffen, betrügerischen Lippen, seine cleveren, unehrlichen Hände über ihren Körper gleiten ließ.
Nicht irgendeine andere. Sondern eine Freundin. Einen anderen Menschen, den sie geliebt, dem sie vertraut, an den sie geglaubt, auf den sie sich verlassen hatte.
Es machte sie nicht nur wütend, und es war nicht nur schmerzlich, dass ihr Mann und ihre Freundin direkt vor ihrer Nase ein Verhältnis miteinander hatten. Es war vielmehr beschämend zu entdecken, dass sie dem uralten Klischee der betrogenen Ehefrau, des ahnungslosen Dummkopfes entsprach, der niemals argwöhnisch geworden war, wenn ihr Mann behauptet hatte, er müsste länger arbeiten, er hätte noch ein Geschäftsessen mit einem Kunden oder er müsste für ein paar Tage fort, um einen Auftrag unter Dach und Fach zu bringen oder eine Arbeit persönlich zu überbringen.
Unglaublich, dachte Reva, während der Verkehr an ihr vorüberzog, dass ausgerechnet sie so leicht zu täuschen gewesen war. Verdammt, schließlich war sie Sicherheitsexpertin. Schließlich hatte sie vor ihrem Wechsel in die Privatwirtschaft fünf Jahre beim Geheimdienst zugebracht und während dieser Zeit eine Präsidentin bewacht. Wo waren ihre Instinkte, ihre Augen, ihre Ohren nur gewesen, als es um ihren eigenen Mann gegangen war?
Wie hatte Blair nur jeden Abend von einer anderen Frau zu ihr nach Hause kommen können, ohne dass ihr etwas aufgefallen war?
Sie hatte ihn ganz einfach geliebt, gestand sich Reva widerwillig ein. Der Gedanke, dass ein Mann wie Blair – ein so gut aussehender, weltgewandter Mensch – sie liebte und begehrte, hatte sie anscheinend nicht nur überglücklich, sondern gleichzeitig blind und taub gemacht.
Er war so attraktiv, so talentiert, so klug. Ein eleganter Bohemien mit einem mörderischen Lächeln, seidig weichem, dunklem Haar und Augen wie Smaragden. Als er sie zum ersten Mal aus diesen leuchtend grünen Augen angesehen hatte, war es bereits um sie geschehen. Sechs Monate später waren sie verheiratet gewesen und hatten in dem großen, abgeschiedenen Haus in Queens gelebt.
Zwei Jahre, dachte sie, zwei Jahre lang hatte sie ihm alles gegeben, was sie hatte, hatte alles, was sie war, mit ihm geteilt, hatte ihn abgöttisch geliebt. Während sie von ihm zur Närrin gemacht worden war.
Nun, jetzt würde er dafür bezahlen. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und ersetzte das Gefühl der Scham durch glühend heißen Zorn. Jetzt würde sie Blair Bissel zeigen, dass sie eine echte Powerfrau und kein naives Dummchen war.
Sie lenkte ihren Wagen wieder auf die Straße und setzte ihren Weg in die Upper East Side von Manhattan fort.
Die ehebrecherische Schlampe, wie Reva ihre bisherige Freundin Felicity Kade inzwischen nannte, lebte in einem wunderbar umgebauten Sandsteinhaus am nördlichen Rand des Central Park. Statt sich daran zu erinnern, wie oft sie auf Partys, zu zwanglosen Abendessen oder zu Felicitys berühmten sonntäglichen Brunches hier gewesen war, konzentrierte Reva sich vollkommen auf das Sicherheitssystem.
Es war wirklich gut. Felicity sammelte Kunst, hütete ihre Sammlung wie ein Hund einen dicken Knochen, und hatte vor drei Jahren ein Alarmsystem in dem Gebäude installieren lassen, an dessen Entwicklung Reva maßgeblich beteiligt gewesen war.
Nur ein Experte käme hier herein, und selbst wenn es ihm gelänge, sich Zugang zu verschaffen, würde ihm im Inneren des Hauses das Leben durch diverse Backup- und zusätzliche Sicherheitssysteme schwer gemacht.
Eine Frau jedoch, die alles andere als schlecht damit verdiente, dass sie derartige Systeme auf Schwachstellen überprüfte, täte immer irgendeine, wenn auch noch so kleine Lücke auf. Sie hatte zwei Störsender, einen aufgemotzten Handcomputer, einen verbotenen Generalschlüssel und einen Stunner in der Tasche, den sie Blair in die Eier rammen würde.
Was sie dann weiter täte, wusste sie noch nicht genau. Das entschiede sie spontan.
Sie nahm die Tasche mit dem Werkzeug vom Rücksitz ihres Wagens, schob sich den Stunner in die Gesäßtasche von ihrer Jeans und marschierte durch die laue Septembernacht entschlossen auf die Haustür zu.
Im Gehen schaltete sie den ersten Störsender ein und wusste, sobald er an das externe Schaltbrett angeschlossen wäre, hätte sie dreißig Sekunden Zeit. Zahlen blitzten auf dem Display des Handgeräts und ihr Herz begann zu rasen. Drei Sekunden vor Ausbruch des Alarms hatte der Störsender den Zahlencode geknackt. Sie atmete erleichtert auf und blickte in Richtung der dunklen Fenster des Schlafzimmers im ersten Stock.
»Macht ihr beide nur schön weiter«, murmelte sie leise und nahm den zweiten Störsender in Betrieb. »Ich brauche hier unten nur noch ein paar Minuten. Dann geht die Party richtig los.«
Sie hörte, dass hinter ihr ein Wagen die Straße heruntergefahren kam, und fluchte, als er plötzlich hielt. Ein schneller Blick über die Schulter zeigte ihr ein Taxi, aus dem ein lachendes Paar in Abendgarderobe stieg. Reva drückte sich im Dunkeln an die Wand.
Mit einem Minibohrer schraubte sie den Handscanner neben der Haustür auf und merkte, dass der Hausdroide selbst die winzig kleinen Schrauben wöchentlich zu putzen schien.
Mit einem haarfeinen Draht schloss sie ihren Handcomputer an den Scanner an, wartete mit angehaltenem Atem, dass das grüne Lämpchen zu blinken begann, schraubte den Deckel wieder fest und schloss den zweiten Störsender an den Stimmdekoder an.
Es dauerte fast zwei Minuten, um das Ding zurückzuspulen, aber neben ihrem Zorn wogte Erregung in ihr auf, als endlich die Stimme ihrer Freundin an ihre Ohren drang.
August Rembrandt.
Angesichts des Passworts verzog Reva verächtlich das Gesicht.
Jetzt brauchte sie nur noch die geklonten Zahlen einzugeben und mit ihrem Werkzeug das letzte, manuelle Schloss zu öffnen, und schon wäre sie im Haus.
Sie glitt in den Flur, machte die Tür wieder hinter sich zu und schaltete gewohnheitsmäßig die Alarmanlage wieder ein.
Da sie davon ausging, dass jeden Augenblick der Hausdroide auf der Bildfläche erschiene, nahm sie ihren Stunner in die Hand. Natürlich würde er sie erkennen, und das gäbe ihr gerade genügend Zeit, um seine Sicherungen durchbrennen zu lassen, damit sie ungehindert weiterkam.
Aber es blieb alles still, kein Droide kam in das Foyer. Dann hatten sie ihn also für den Rest des Abends ausgeschaltet. Damit sie noch ungestörter wären, dachte sie erbost.
Sie roch den Duft der Rosen, die immer auf dem Tisch in der Eingangshalle standen – pinkfarbene Rosen, jede Woche frisch. Eine kleine Lampe stand direkt neben der Vase, Reva aber hätte gar kein Licht gebraucht. Sie wusste ganz genau, wohin sie wollte, und marschierte direkt auf die Treppe zu, über die man in die obere Etage kam.
Oben angekommen sah sie etwas, das ihren Zorn noch größer werden ließ. Achtlos über dem Geländer hing Blairs leichte Lederjacke. Die Jacke, die er im letzten Frühjahr von ihr zum Geburtstag bekommen hatte. Die Jacke, die er noch heute Morgen lässig mit zwei Fingern über seine Schulter gehängt hatte, als er ihr einen liebevollen Abschiedskuss gegeben und gesagt hatte, wie sehr er sie vermissen würde, und wie schrecklich er es fände, wegen der Geschäftsreise auch nur für kurze Zeit von ihr getrennt zu sein.
Reva nahm die Jacke vom Geländer und hob sie an ihr Gesicht. Sie konnte ihn in dieser Jacke riechen, und der vertraute Duft rief außer neuerlicher Wut ein Gefühl der Trauer in ihr wach.
Um die Trauer zu verdrängen, nahm sie eins der Werkzeuge aus ihrer Tasche, schnitt das teure Leder lautlos in dünne Fetzen, warf diese auf den Boden und trampelte noch kurz darauf herum.
Mit vor Zorn gerötetem Gesicht stellte sie ihre Tasche ab und nahm abermals den Stunner in die Hand.
Als sie sich dem Schlafzimmer näherte, sah sie durch die halb offene Tür warm flackerndes Licht. Kerzen, die sie bis hier draußen riechen konnte, und irgendein würziges, weibliches Parfüm. Sie hörte auch Musik – irgendetwas Klassisches, wie die pinkfarbenen Rosen und der süße Kerzenduft.
Typisch Felicity, dachte sie erbost. Alles so furchtbar weiblich, zerbrechlich und gleichzeitig perfekt. Sie hätte etwas Modernes vorgezogen, irgendetwas Lautes, mit jeder Menge Power. Das hätte besser zu dem bevorstehenden Streit gepasst.
Irgendwas von Mavis Freestone, bei der bereits akustisch die Fetzen nur so flogen, ging es ihr durch den Kopf.
Dann aber wurde die Musik von dem Rauschen in ihren Ohren übertönt. Mit dem Fuß stieß sie die Tür ein wenig weiter auf, schob sich über die Schwelle und konnte die beiden Gestalten aneinandergeschmiegt unter der spitzengesäumten Seidendecke liegen sehen.
Sie waren eingeschlafen, dachte sie verbittert. Gemütlich, warm und locker von dem genossenen Sex.
Die Kleider hatten sie achtlos über einen Stuhl geworfen, als hätten sie es einfach nicht erwarten können, endlich zu beginnen. Beim Anblick des wirren Kleiderhaufens brach ihr Herz in hundert Stücke.
Sie atmete tief durch, trat neben das Bett, nahm den Stunner fester in die Hand – »Aufwachen, ihr zwei Stück Scheiße« – und riss die dünne Decke fort.
Das Blut. Oh Gott, das Blut. Der Anblick all des Blutes auf dem nackten Fleisch, auf dem blütenweißen Laken rief ein Gefühl des Schwindels in ihr wach. Der plötzliche Geruch des Todes, der sich mit dem Duft der Blumen und der Kerzen mischte, schnürte ihr die Kehle zu.
Sie stolperte nach hinten.
»Blair? Blair?«
Sie schrie einmal laut auf, und da der eigene Schrei sie aus der Erstarrung riss, holte sie tief Luft, um ein zweites Mal zu schreien, und machte wieder einen Satz nach vorn.
Etwas, jemand, glitt aus dem Dunkel auf sie zu. Sie nahm die Bewegung wahr und roch etwas Scharfes, Ätzendes. Das ihr in den Hals und in die Lungen drang.
Sie wirbelte herum, um sich zu verteidigen oder um zu fliehen, und bemühte sich zu schwimmen, weil die Luft um sie herum zu Wasser geworden war. Doch ihre Kräfte hatten sie verlassen, sie rollte mit den Augen …
… und brach ohnmächtig neben dem Toten zusammen, von dem sie betrogen worden war.
1
Lieutenant Eve Dallas, einer der New Yorker Top-Cops, hörte das Rauschen des Bluts in ihren Ohren und spürte das wilde Pochen ihres Herzens, als sie vollkommen ermattet auf der Matratze lag. Es gelang ihr, einmal pfeifend einzuatmen, dann aber bemühte sie sich nicht weiter.
Wer brauchte schon Sauerstoff, wenn er derart spektakulären Sex geboten bekam?
Unter ihr lag warm, hart und völlig reglos der ihr angetraute Mann. Die einzige Bewegung, die sie von ihm spürte, war das Schlagen seines Herzens unter ihrer Brust. Bis er eine seiner erstaunlichen Hände hob und von ihrem Nacken über ihr gesamtes Rückgrat bis hinab zu ihrem Hintern wandern ließ.
»Falls du willst, dass ich mich bewege«, murmelte sie leise, »hast du leider Pech.«
»Ich finde, ich habe Riesenglück.«
Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. Sie liebte den Klang seiner Stimme, in der immer ein Hauch von Irland lag. »War ja wohl kein schlechter Empfang, vor allem, da du noch nicht mal achtundvierzig Stunden unterwegs gewesen bist.«
»Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass das die Krönung meines kurzen Trips nach Florenz gewesen ist.«
»Ich habe dich noch gar nicht gefragt, ob du auch in Irland warst, um deine -«, sie zögerte einen Moment. Daran, dass Roarke Verwandte hatte, hatte sie sich noch nicht ganz gewöhnt. »- deine Familie zu sehen.«
»Ja. Wir haben ein paar nette Stunden miteinander verbracht.« Er streichelte weiter ihren Rücken, bis ihr Herzschlag sich verlangsamte und sie die Augen nur noch mühsam offen hielt. »Es ist wirklich seltsam, findest du nicht auch?«
»Ich schätze, das wird es auch noch eine Weile bleiben.«
»Und was macht unser frischgebackener Detective?«
Eve schmiegte sich an ihn und dachte daran, wie ihre ehemalige Assistentin mit ihrer jüngst erfolgten Beförderung zurechtkam. »Peabody ist gut, auch wenn sie ihren Rhythmus noch nicht ganz gefunden hat. Wir hatten einen Familienstreit, bei dem sich zwei Brüder über irgendwelche geerbten Sachen in die Haare bekommen haben. Sie haben eine Prügelei begonnen, bei der einer der beiden kopfüber die Treppe runtergefallen ist und sich den Hals gebrochen hat. Daraufhin hat der andere versucht, es wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Hat all das Zeug, über das sie sich gestritten haben, in eine Decke eingewickelt, zu seinem Wagen geschleppt und in den Kofferraum gepackt. Als ob wir da nicht gucken würden.«
Er lachte, als er die Verachtung in ihrer Stimme hörte, sie rollte sich von ihm herunter und streckte sich genüsslich aus.
»Man brauchte nicht viel mehr zu tun als ein paar dicke, leuchtend rote Punkte miteinander zu verbinden, deshalb habe ich die Sache einfach ihr überlassen. Nachdem sie wieder atmen konnte, hat sie ihre Sache wirklich gut gemacht. Während die Spurensicherung sämtliche Beweise eingesammelt hat, hat sie diesen Kerl mit in die Küche genommen, sich mit ihm an den Tisch gesetzt und einen auf Mitgefühl gemacht. Sie weiß genau, wie es in Familien läuft. Keine zehn Minuten später hatte er alles ausgeplappert, sodass sie ihn wegen Totschlags festnehmen konnte.«
»Gut für sie.«
»Es hat ihr Selbstvertrauen gegeben.« Sie streckte sich erneut. »Nach all den komplizierten Fällen, die wir in diesem Sommer hatten, kam ein derartiger Spaziergang gerade recht.«
»Mach doch einfach ein paar Tage frei. Dann könnten wir ein paar richtige Spaziergänge machen.«
»Lass uns damit noch ein paar Wochen warten. Bevor ich sie alleine lasse, will ich sicher sein, dass sie auf eigenen Füßen stehen kann.«
»Abgemacht. Oh, deine … enthusiastische Begrüßung hat mir zwar ungemein gefallen, nur habe ich darüber das hier vollkommen vergessen …« Er stand auf und schaltete das Licht auf zehn Prozent.
Im weichen Schein der Lampe konnte sie verfolgen, wie er von der Plattform stieg und zu seiner Reisetasche ging. Wie geschmeidig und wie elegant er sich doch bewegte, ging es ihr dabei wieder einmal durch den Kopf.
War diese Art, sich zu bewegen, angeboren oder hatte er sie sich als Kind in den Straßen Dublins beim Taschendiebstahl antrainiert? Auf alle Fälle hatte die raubkatzenhafte Grazie sowohl damals dem gewieften Jungen als auch später dem gewieften Mann, der mit jeder Menge Mumm, Cleverness sowie genialer Listigkeit ein eigenes Imperium erschaffen hatte, durchaus etwas genützt.
Als er sie wieder ansah und sie sein Gesicht im gedämpften Licht erblickte, traf es sie wie ein Keulenschlag. Die überwältigende Liebe, das atemberaubende Verblüffen darüber, dass er wirklich ihr gehörte – dass sie in Besitz von etwas derart Wunderbarem war.
Er sah aus wie eine Statue, die von einem brillanten Zauberer gefertigt worden war. Das fein gemeißelte Gesicht mit dem vollen, festen Mund war reine sinnliche Magie. Die wilden, keltisch blauen Augen brauchten sie nur anzusehen, damit sich ihr Hals zusammenzog, und angesichts der seidig schwarzen, beinahe schulterlangen Haare, die dieses wunderbare Bild rahmten, juckte es ihr beständig in den Fingern, ihn zärtlich zu berühren und sich zu vergewissern, dass er kein Trugbild war.
Auch ein gutes Jahr nach ihrer Hochzeit gab es noch unerwartete Momente, in denen sie ihn anblickte und ihr Herzschlag aussetzte.
Er kam zum Bett zurück, setzte sich neben sie, legte seine Hand unter ihr Kinn und strich mit dem Daumen über das kleine Grübchen, das genau in der Mitte saß und von dem er so bezaubert war. »Meine geliebte Eve, du sitzt so still im Dunkeln.« Er küsste sie zärtlich auf eine Braue. »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
Blinzelnd wich sie ein Stück vor ihm zurück. Diese Geste und der argwöhnische Blick auf die lange, schmale Schachtel, die er ihr lächelnd hinhielt, waren typisch Eve.
»Keine Angst, sie beißt nicht«, meinte er.
»Du warst nicht mal zwei Tage weg. Es gibt doch sicher eine vorgeschriebene Mindestreisezeit, bevor man mit Geschenken wiederkommen darf.«
»Du hast mir schon nach zwei Minuten fürchterlich gefehlt.«
»Das sagst du doch jetzt nur, um mich weich zu klopfen.«
»Trotzdem ist es wahr. Mach das Kästchen auf, Eve, und dann sag: ›Danke, Roarke‹.«
Sie rollte mit den Augen, klappte dann aber die Schatulle auf.
Auf einem weißen Samtbett lag ein schwerer, goldener Armreif. Unzählige winzig kleine Diamanten ließen das Geschmeide funkeln, und in der Mitte saß ein daumennagelgroßer, glatter, dunkelroter Stein, wahrscheinlich ein Rubin.
Das Stück sah derart alt und kostbar aus, dass sich ihr Magen zusammenzog.
»Roarke -«
»Du hast den Danke-Teil vergessen.«
»Roarke«, setzte sie noch einmal an. »Jetzt wirst du mir bestimmt erzählen, das Stück stamme aus dem Besitz einer italienischen Gräfin oder -«
»Prinzessin«, korrigierte er, nahm den Armreif aus der Schachtel und legte ihn ihr an. »Im sechzehnten Jahrhundert. Und jetzt gehört es einer Königin.«
»Oh, bitte.«
»Okay, das war vielleicht etwas dick aufgetragen. Aber es steht dir wirklich gut.«
»Es würde sogar einem Baumstumpf stehen.« Sie hatte nicht viel für allzu teuren Glitzerkram übrig, auch wenn sie ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit von ihrem Mann geschenkt bekam. Dieses Stück hatte jedoch etwas, dachte sie, als sie den Arm hob und ein wenig drehte, sodass der Rubin das warme Licht der Deckenlampe einfing. »Was, wenn ich es verliere oder wenn es mir kaputtgeht?«
»Das wäre natürlich bedauerlich. Aber bis es so weit ist, genieße ich es einfach, es an dir zu sehen. Vielleicht fühlst du dich ja etwas besser, wenn ich dir erzählte, dass meine Tante Sinead ebenfalls nicht wusste, was sie sagen sollte, als sie von mir eine Kette geschenkt bekommen hat.«
»Ich hatte gleich den Eindruck, dass sie ziemlich vernünftig ist.«
Er zog an einer Strähne ihres Haars. »Die Frauen in meinem Leben sind auf jeden Fall vernünftig genug, sich von mir beschenken zu lassen, weil sie wissen, was für eine Freude mir das macht.«
»Geschickt argumentiert. Dieses Stück ist wirklich wunderschön.« Und es lag herrlich glatt und kühl auf ihrer Haut, gestand sie sich selber ein. »Aber bei der Arbeit kann ich es unmöglich tragen.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Aber es gefällt mir, es jetzt an dir zu sehen. Während du nichts anderes trägst.«
»Komm ja nicht auf irgendwelche komischen Ideen. In -« Sie blickte auf die Uhr. »- sechs Stunden bin ich nämlich schon wieder im Dienst.«
Da sie den Blick, mit dem er sie bedachte, kannte, kniff sie die Augen zusammen, das Läuten des Links auf ihrem Nachttisch kam ihrem symbolischen Protest jedoch zuvor. »Das ist dein Signal.« Sie rollte sich vom Bett. »Wenn du um zwei Uhr morgens einen Anruf kriegst, ist wenigstens niemand tot.«
Während Roarke den Telefonanruf entgegennahm, marschierte sie ins Bad, stellte sich unter die Dusche und wickelte sich für den Fall, dass er die Videokamera eingeschaltet hatte, nach dem Abtrocknen in ihren Bademantel.
Als sie ins Schlafzimmer zurückkam, stand er vor dem Schrank. »Wer war es denn?«
»Caro.«
»Du musst jetzt noch weg? Um zwei Uhr in der Früh?« Angesichts der Art, wie er den Namen seiner Assistentin ausgesprochen hatte, hatten sich ihr die Nackenhaare aufgestellt. »Was ist los?«
»Eve.« Passend zu der Hose, die er bereits eilig angezogen hatte, zog er sich ein Hemd über den Kopf. »Du musst mir einen Gefallen tun. Einen sehr großen Gefallen.«
Nicht als seine Frau, erkannte sie. Sondern als sein Cop. »Worum geht’s?«
»Um eine meiner Angestellten.« Während er sein Hemd zuknöpfte, blickte er sie weiter reglos an. »Sie steckt in großen Schwierigkeiten. Auch wenn der Anruf nicht für dich war, ist trotzdem jemand tot.«
»Eine deiner Angestellten hat jemanden getötet?«
»Nein.« Da sie einfach reglos stehen blieb, trat er vor ihren Schrank und zog auch für sie etwas zum Anziehen heraus. »Sie ist total panisch und Caro meint, dass sie vollkommen durcheinander ist. Das ist völlig untypisch für Reva. Sie arbeitet bei uns in der Sicherheitsabteilung. Hauptsächlich in den Bereichen Entwicklung und Installation. Sie ist grundsolide. Sie war ein paar Jahre beim Geheimdienst und ist niemand, der so leicht das Gleichgewicht verliert.«
»Du hast mir noch immer nicht erzählt, was passiert ist.«
»Sie hat ihren Mann und ihre Freundin zusammen im Bett gefunden. Im Haus der Freundin. Sie waren beide tot. Sie waren bereits tot, als sie sie gefunden hat.«
»Und nachdem sie die beiden Toten gefunden hatte, hat sie deine Assistentin angerufen statt der Polizei.«
»Nein.« Er drückte Eve die von ihm ausgesuchten Kleider in die Hand. »Sie hat schlicht und einfach ihre Mutter kontaktiert.«
Eve fing leise an zu fluchen und zog sich dann eilig an. »Ich muss diese Sache melden.«
»Ich bitte dich, damit zu warten, bis du dir selbst ein Bild gemacht und mit Reva gesprochen hast.« Er packte ihre Hände und hielt sie fest, bis sie ihm in die Augen sah. »Eve, ich bitte dich, so lange zu warten. Du brauchst schließlich nichts zu melden, was du nicht mit eigenen Augen gesehen hast. Ich kenne diese Frau. Ich kenne ihre Mutter seit über zwölf Jahren und vertraue ihr, wie ich nur wenigen vertraue. Sie brauchen deine Hilfe. Ich brauche deine Hilfe. Bitte, Eve.«
Entschlossen legte sie ihr Waffenhalfter an. »Dann lass uns fahren. Schnell.«
Es war eine klare Nacht. Langsam, aber sicher wurde die sommerliche Schwüle des Jahres 2059 durch die kühle Frische des anbrechenden Herbsts ersetzt. Es herrschte kaum Verkehr und für die kurze Fahrt brauchte Roarke weder besonderes Geschick noch besondere Konzentration. Eves Schweigen zeigte ihm, dass sie jetzt ganz die Polizistin war. Sie stellte keine Fragen, weil sie keine weiteren Informationen haben wollte, die vielleicht Einfluss darauf hätten, was sie sähe, hörte, fühlte, sobald sie an den Tatort kam.
Ihr schmales, kantiges Gesicht und ihre bernsteinbraunen Augen waren völlig ausdruckslos. Unergründlich selbst für ihn. Die vollen Lippen, die vor kurzem heiß und weich an seinem Mund gelegen hatten, waren fest aufeinandergepresst.
Er parkte verbotswidrig am Straßenrand und schaltete kurzerhand das Blaulicht ihres Wagens ein.
Wortlos stieg sie aus und baute sich groß und geschmeidig, mit vom Liebesspiel zerzaustem braunem Haar neben dem Fahrzeug auf.
Er trat vor sie und strich ihr Haar so gut es ging mit seinen Fingern glatt. »Danke.«
»Bedank dich lieber noch nicht. Schicke Bleibe«, meinte sie und nickte in Richtung des eleganten Sandsteinbaus, dessen Tür bereits geöffnet wurde, ehe sie auch nur an der Eingangstreppe war.
Eve erkannte Caro nur an ihrem dichten, weiß schimmernden Haar. Die kreidebleiche Frau in der eleganten roten Jacke über dem blauen Baumwollschlafanzug erinnerte in nichts an Roarkes würdevolle, effiziente Assistentin, von der sie immer ein wenig eingeschüchtert war.
»Gott sei Dank. Gott sei Dank. Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.« Sie reichte Roarke eine sichtlich zitternde Hand. »Ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte.«
»Sie haben genau das Richtige getan«, erklärte Roarke und führte sie ins Haus zurück.
Eve hörte, dass sie ein Schluchzen unterdrückte, ehe sie mit einem leisen Seufzer meinte: »Reva – es geht ihr nicht gut, es geht ihr gar nicht gut. Ich habe sie ins Wohnzimmer gebracht. Oben bin ich nicht gewesen.«
Caro löste sich von Roarke und atmete tief durch. »Ich dachte, von dort halte ich mich besser fern. Ich habe nichts angerührt, Lieutenant, außer einem Glas. Ich habe Reva ein Glas Wasser aus der Küche geholt, aber außer dem Glas, der Flasche, oh, und dem Griff des Kühlschranks habe ich nichts angefasst. Ich -«
»Schon gut. Warum setzen Sie sich nicht zu Ihrer Tochter? Roarke, du bleibst bei den beiden Frauen.«
»Sie und Reva kommen doch sicher ein paar Minuten allein zurecht, nicht wahr?«, wollte Roarke von Caro wissen. »Dann begleite ich den Lieutenant.« Ohne darauf zu achten, dass Eve verärgert das Gesicht verzog, rieb er Caro aufmunternd die Schulter. »Es wird nicht lange dauern.«
»Sie hat gesagt – Reva hat gesagt, dass es einfach entsetzlich war. Und jetzt sitzt sie da und sagt überhaupt nichts mehr.«
»Sorgen Sie dafür, dass sie ruhig bleibt«, riet ihr Eve. »Und sorgen Sie dafür, dass sie hier unten bleibt.« Als sie vor die Treppe trat, sah sie eine zerfetzte Lederjacke, die in einem Haufen auf dem Boden lag. »Hat sie Ihnen gesagt, in welchem Zimmer sie die beiden gefunden hat?«
»Nein. Nur, dass sie im Bett gelegen haben.«
Eve ging in die obere Etage und blickte auf die Zimmertüren links und rechts des Korridors, dann roch sie das Blut. Ging den Gang ein Stück weiter hinunter und trat durch eine halb offene Tür.
Die beiden Toten lagen einander gegenüber auf der Seite, als tauschten sie Geheimnisse miteinander aus. Das Laken, die Kissen, die neben dem Bett liegende Spitzendecke sowie die Klinge und der Griff des Messers, das in der Matratze steckte, waren blutgetränkt.
Neben der Tür lag eine schwarze Tasche, links neben dem Bett lag ein hochwertiger Stunner, auf einem Stuhl lag ein unordentlicher Haufen Kleider, auf den Tischen brannten Kerzen und verströmten ihren süßen Duft, und aus der Stereoanlage erklang eine leise, verführerische Melodie.
»Das hier ist ganz sicher kein Spaziergang«, murmelte sie leise. »Das hier ist ein Doppelmord. Ich muss den Vorfall melden.«
»Aber du wirst die Ermittlungen übernehmen?«
»Ja. Obwohl ich dir damit ganz bestimmt keinen Gefallen tue, wenn sie es gewesen ist.«
»Sie ist es nicht gewesen.«
Als Eve ihr Handy aus der Tasche zog, trat er einen Schritt zurück.
»Du musst Caro in ein anderes Zimmer bringen«, meinte sie, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. »Nicht in die Küche«, fügte sie nach einem neuerlichen Blick auf die Tatwaffe hinzu. »Da unten gibt es bestimmt ein Arbeitszimmer, eine Bibliothek oder etwas in der Art. Versuch nichts zu berühren. Ich muss – wie heißt sie noch mal?«
»Reva Ewing.«
»Reva Ewing. Ich muss sie vernehmen, und dabei will ich weder dich noch ihre Mutter in der Nähe haben. Du willst ihr helfen«, fügte sie eindringlich hinzu, bevor er etwas sagen konnte. »Also halten wir uns von jetzt an genauestens an die Vorschriften, okay? Du sagst, dass sie Sicherheitsexpertin ist.«
»Ja.«
»Da sie bei dir beschäftigt ist, brauche ich dich nicht zu fragen, ob sie gut ist.«
»Sie ist sogar sehr gut.«
»Der Tote war ihr Ehemann?«
Roarke blickte auf das Bett. »Ja. Blair Bissel, ein Künstler mit fragwürdigem Talent. Hat mit Metall gearbeitet. Ich glaube, das da ist von ihm.« Er wies auf einen Haufen auf den ersten Blick wild durcheinandergeworfener Röhren und Blöcke aus verschiedenen Metallen, der in der Zimmerecke lag.
»Und dafür bezahlen die Leute was?« Sie schüttelte den Kopf. »Was es nicht alles gibt. Ich werde dir später noch mehr Fragen über Reva stellen, aber erst mal spreche ich mit ihr und dann sehe ich mich hier etwas genauer um. Wie lange hatten die beiden schon Eheprobleme?«, fragte Eve, während sie das Schlafzimmer wieder verließ.
»Mir war nicht bewusst, dass sie Probleme hatten.«
»Tja, jetzt sind sie auf jeden Fall vorbei. Halt du Caro von hier fern«, sagte sie noch einmal, bevor sie das Wohnzimmer betrat und den ersten Blick auf Reva Ewing warf.
Caro hatte den Arm um eine Frau von vielleicht Anfang dreißig gelegt.
Sie hatte dunkle, kurz geschnittene, beinahe ebenso achtlos wie Eve frisierte Haare und einen zierlichen, zugleich aber durchtrainierten Körper, der in dem schwarzen T-Shirt und den eng sitzenden Jeans vorteilhaft zur Geltung kam.
Sie war kreidebleich, ihre Lippen waren farblos und vielleicht etwas zu schmal. Ihre für gewöhnlich wahrscheinlich dunkelgrauen Augen waren rot verquollen und aufgrund des Schocks beinahe schwarz. Reva starrte vor sich hin, ohne etwas wahrzunehmen, und in ihrem Blick lag nichts von der wachen Intelligenz, mit der sie, wie Eve vermutete, ausgestattet war.
»Ms Ewing, ich bin Lieutenant Dallas.«
Reva starrte weiter geradeaus, machte jedoch eine schwache Kopfbewegung, die eher ein leichter Schauder als ein echtes Nicken war.
»Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Während wir beide miteinander reden, nimmt Roarke Ihre Mutter mit hinaus.«
»Oh, kann ich nicht bei ihr bleiben?« Caro nahm ihre Tochter noch fester in den Arm. »Ich werde mich nicht einmischen, versprochen, aber -«
»Caro.« Roarke trat vor das Sofa, beugte sich zu ihr herunter und nahm ihre Hand. »Es ist besser so.« Sanft zog er Caro auf die Beine. »Besser für Reva. Sie können Eve vertrauen.«
»Ja, ich weiß. Es ist nur …« Als Roarke sie aus dem Zimmer führte, sah sie sich noch einmal um. »Ich bin ganz in der Nähe, Reva. Ich bin direkt nebenan.«
»Ms Ewing.« Eve nahm Reva gegenüber Platz, stellte den Rekorder vor sich auf den Tisch und bemerkte Revas verständnislosen Blick. »Ich werde unsere Unterhaltung aufnehmen. Ich werde Sie über Ihre Rechte aufklären und Ihnen dann ein paar Fragen stellen. Haben Sie verstanden?«
»Blair ist tot. Ich habe ihn gesehen. Sie sind tot. Blair und Felicity.«
»Ms Ewing, Sie haben das Recht zu schweigen«, begann Eve und Reva schloss die Augen.
»Oh Gott, oh Gott. Es ist wirklich passiert. Es ist kein fürchterlicher Traum. Es ist wirklich passiert.«
»Erzählen Sie mir, was heute Abend hier geschehen ist.«
»Ich habe keine Ahnung.« Eine Träne kullerte über ihre bleiche Wange. »Ich weiß nicht, was geschehen ist.«
»Hatte Ihr Mann ein Verhältnis mit Felicity?«
»Ich verstehe das alles nicht. Ich kann es nicht verstehen. Ich dachte, dass er mich liebt.« Sie sah Eve ins Gesicht. »Erst habe ich es nicht geglaubt. Wie hätte ich es denn auch glauben sollen? Blair und Felicity. Mein Mann und meine Freundin. Aber dann ist mir alles klar geworden, dann habe ich all die kleinen Hinweise gesehen, all die kleinen Fehler, die den beiden unterlaufen sind.«
»Wie lange haben Sie es schon gewusst?«
»Seit heute Abend. Erst seit heute Abend.« Mit der geballten Faust wischte sie sich die Tränen von den Wangen und atmete zitternd ein und aus. »Er hatte mir erzählt, er wäre bis morgen geschäftlich unterwegs. Bei irgendeinem neuen Kunden, wegen irgendeinem neuen Auftrag, hat er zu mir gesagt. Stattdessen war er hier bei ihr. Ich bin hierhergekommen und habe es gesehen …«
»Sie sind heute Nacht hierhergekommen, weil Sie die beiden zur Rede stellen wollten?«
»Ich war unglaublich wütend. Sie haben eine Närrin aus mir gemacht und deshalb war ich furchtbar wütend. Aber sie haben mir auch das Herz gebrochen, und deshalb war ich gleichzeitig unglaublich traurig. Dann habe ich sie gefunden. Sie waren tot. Das ganze Bett war voller Blut. Überall war Blut.«
»Haben Sie sie umgebracht, Reva?«
»Nein!« Sie zuckte zusammen, als hätte Eve ihr einen Peitschenhieb versetzt. »Nein, nein, nein! Ich wollte ihnen wehtun. Ich wollte, dass sie dafür bezahlen. Aber ich habe … das hätte ich nicht gekonnt. Ich habe keine Ahnung, was geschehen ist.«
»Erzählen Sie mir alles, was Sie wissen.«
»Ich bin hierher gefahren. Wir haben ein Haus in Queens. Blair wollte ein Haus und er wollte nicht in Manhattan leben, wo wir beide arbeiten. Er wollte etwas, wo wir beide ungestört sind, hat er zu mir gesagt. Einen Ort für uns allein.«
Ihre Stimme brach, und sie hob die Hände vors Gesicht. »Tut mir leid. Es kommt mir immer noch so vor, als könnte das alles ganz einfach nicht sein. Als würde ich jeden Moment wach und nichts von alle dem wäre passiert.«
Sie hatte Blut am T-Shirt, nicht aber an den Händen, an den Armen oder im Gesicht. Eve machte sich eine kurze Notiz und wartete, dass Reva sich zusammenriss und weitersprach.
»Ich war wütend und ich wusste ganz genau, was ich machen wollte. Ich habe die Alarmanlage dieses Hauses selbst entworfen, also wusste ich genau, wie sie ausgeschaltet werden kann. Ich bin eingebrochen.«
Wieder wischte sie sich eine Träne aus dem Gesicht. »Ich wollte die beiden überraschen, also bin ich eingebrochen, habe mich die Treppe rauf geschlichen und bin einfach in ihr Schlafzimmer marschiert.«
»Besitzen Sie eine Waffe?«
»Nein … tja, ich habe einen Stunner aus der Zeit, als ich noch beim Geheimdienst war. Er ist auf der niedrigsten Stufe festgestellt, sodass ich ihn mit einem ganz normalen Waffenschein mitführen darf. Ich wollte …« Sie atmete tief durch. »Ich wollte ihm damit eine verpassen. Direkt in die Eier.«
»Und, haben Sie das getan?«
»Nein.« Wieder hob sie die Hände vors Gesicht. »Ich kann mich nicht genau erinnern. Es ist, als hätte ich einen schwarzen Fleck im Hirn.«
»Haben Sie die Lederjacke draußen im Flur kaputt gemacht?«
»Ja.« Jetzt stieß sie einen Seufzer aus. »Ich habe sie über dem Geländer hängen sehen. Ich hatte ihm diese gottverdammte Jacke geschenkt, und es hat mich wahnsinnig gemacht, dass sie dort hing. Also habe ich meinen Minibohrer aus der Tasche gezogen und ein paar Löcher reingebohrt. Das war ziemlich kleinlich, aber ich war einfach außer mir vor Zorn.«
»Ich finde das nicht im Geringsten kleinlich«, meinte Eve in ruhigem, mitfühlendem Ton. »Wenn einen der Mann mit der Freundin betrügt, ist es normal, dass man sich dafür an ihm rächen will.«
»Das dachte ich auch. Dann habe ich sie zusammen in dem Bett liegen sehen. Sie waren tot. Überall war Blut. Nie zuvor in meinem Leben habe ich so viel Blut gesehen. Sie hat geschrien – nein, nein, ich habe geschrien. Ich muss diejenige gewesen sein, die geschrien hat.«
Sie fuhr sich mit der Hand über den Hals, als könnte sie noch spüren, wie das Geräusch aus ihrer Kehle drang. »Dann bin ich ohnmächtig geworden – glaube ich. Ich habe irgendwas gerochen. Blut, aber auch noch etwas anderes. Irgendetwas anderes, bevor ich ohnmächtig geworden bin. Wie lange ich nicht bei Bewusstsein war, kann ich nicht sagen.«
Sie griff nach ihrem Wasserglas und trank einen möglichst großen Schluck. »Als ich wieder zu mir kam, war mir schwindelig und übel, habe ich mich ganz seltsam gefühlt. Dann habe ich sie wieder auf dem Bett gesehen. Ich habe sie wieder dort liegen sehen und bin aus dem Raum gekrochen. Ich hatte nicht die Kraft aufzustehen, also bin ich ins Bad rüber gekrochen und habe mich dort übergeben. Dann habe ich meine Mutter angerufen. Warum genau, kann ich nicht sagen. Ich hätte die Polizei anrufen sollen, habe aber stattdessen einfach Moms Nummer gewählt. Ich konnte nicht mehr richtig denken.«
»Sind Sie heute Abend in der Absicht hergekommen, Ihren Mann und Ihre Freundin zu ermorden?«
»Nein. Ich wollte den beiden eine Riesenszene machen, weiter nichts. Lieutenant, mir wird wieder schlecht. Ich muss -« Sie hielt sich den Bauch, sprang auf und stürzte los. Eve war ihr dicht auf den Fersen, als sie die Tür des Badezimmers aufriss, sich dort auf die Knie sinken ließ und sich würgend übergab.
»Es brennt«, stieß sie schließlich mühsam aus und nahm dankbar das feuchte Tuch entgegen, mit dem Eve neben sie getreten war. »Es brennt fürchterlich im Hals.«
»Haben Sie heute Abend irgendwelche Drogen eingeworfen, Reva?«
»Ich nehme keine Drogen.« Sie fuhr sich mit dem Tuch durch das Gesicht. »Glauben Sie mir, als Tochter von Caro, ehemaliges Mitglied des Geheimdienstes und Angestellte von Roarke machen Sie einen Riesenbogen um das Zeug.« Sie lehnte sich erschöpft gegen die Wand. »Lieutenant, ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden getötet. Als Leibwächterin der Präsidentin hatte ich eine scharfe Waffe und habe sogar einmal eine Kugel, die für sie bestimmt war, eingesteckt. Ich bin ziemlich temperamentvoll, und wenn mich jemand reizt, kann ich aufbrausend sein. Wer auch immer das mit Blair und Felicity getan hat, war nicht aufbrausend, sondern verrückt. Schlicht und einfach wahnsinnig. Zu so etwas wäre ich niemals in der Lage. So etwas könnte ich niemals tun.«
Eve ging in die Hocke, sodass sie mit Reva auf Augenhöhe war. »Können Sie mir sagen, weshalb Sie so klingen, als würden Sie versuchen, nicht nur mich, sondern auch sich selbst davon zu überzeugen?«
Revas Lippen zitterten und in ihren Augen stiegen frische Tränen auf. »Weil ich mich nicht erinnern kann. Ich kann mich einfach nicht erinnern.« Sie bedeckte das Gesicht mit beiden Händen und brach in stummes Weinen aus.
Eve ließ sie kurz allein, ging in den Nebenraum und wandte sich an Caro. »Ich möchte, dass Sie zu ihr gehen und bei ihr bleiben. Außerdem stelle ich vorschriftsmäßig eine Wache vor die Tür.«
»Werden Sie sie verhaften?«
»Das kann ich noch nicht sagen. Sie ist kooperationsbereit, das ist schon mal gut. Am besten holen Sie sie hierher in dieses Zimmer und warten, bis ich wieder da bin.«
»In Ordnung. Vielen Dank.«
»Ich muss meinen Untersuchungsbeutel aus dem Wagen holen.«
»Lass mich das machen.« Roarke trat mit ihr zusammen in den Flur hinaus. »Was denkst du?«
»Ich werde erst denken, wenn ich das Schlafzimmer gesichert und mich dort gründlich umgesehen habe.«
»Du denkst immer, Lieutenant.«
»Lass mich meine Arbeit machen, ja? Wenn du mir dabei helfen willst, schick meine Partnerin und die Spurensicherung nach oben, wenn sie kommen. Bis dahin hältst du dich besser zurück, wenn du meine Ermittlungen nicht behindern willst.«
»Sag mir nur noch eins. Sollte ich Reva raten einen Anwalt einzuschalten?«
»Du bringst mich ganz schön in die Bredouille.« Sie schnappte sich den Untersuchungsbeutel, mit dem er zurückgekommen war. »Ich bin Polizistin, also lass mich bitte Polizistin sein. Überleg am besten einfach selber, was du machen sollst. Gottverdammt.«
Sie stürmte die Treppe hinauf in die obere Etage, riss den Beutel auf, zerrte die Dose Versiegelungsspray heraus und sprühte ihre Hände und Stiefel damit ein. Dann klemmte sie sich den Rekorder an den Aufschlag ihrer Jacke, betrat erneut das Schlafzimmer und machte sich ans Werk.
Sie hatte sich bereits zu den beiden Leichen vorgearbeitet, als sie ein leises Knirschen des Dielenbodens hörte und erbost herumfuhr, weil einfach irgendjemand unbefugt hereingekommen war. Statt wie geplant zu fluchen, biss sie sich jedoch auf die Lippe, als sie sah, dass Peabody den Raum betrat.
Sie musste sich erst noch daran gewöhnen, dass der frischgebackene Detective statt der Schuhe mit den harten Sohlen, die zur Polizistenuniform gehörten, inzwischen Turnschuhe mit butterweichen Sohlen trug. In ihnen lief sie beinahe lautlos, was Eve als etwas unheimlich empfand.
Anscheinend hatte Peabody Turnschuhe in allen Regenbogenfarben, doch selbst in leuchtend gelben Tretern, einer farblich ebensolchen Jacke, einer engen schwarzen Hose und mit tief ausgeschnittenem Top sah sie rundum proper und polizistenmäßig aus.
Ihr von einem glatten, dunklen Pagenschnitt gerahmtes, etwas eckiges Gesicht wirkte ernst und sorgenvoll.
»Irgendwie ist es noch schlimmer, wenn man nackt ermordet wird«, stellte sie mit dunkler Stimme fest.
»Noch peinlicher wird es, wenn man nackt ins Gras beißt und dabei mit dem Mann von einer anderen oder mit einer Frau, die nicht die eigene ist, in den Federn liegt.«
»Also ein Beziehungsdrama? Die Zentrale hat keine Einzelheiten genannt.«
»Weil sie keine Einzelheiten hatten. Der Tote ist der Schwiegersohn von Roarkes Assistentin, und die Tochter ist im Augenblick die Hauptverdächtige.«
Peabody blickte auf das Bett. »Was die Sache nicht gerade besser macht.«
»Gucken Sie sich erst mal um, dann kläre ich Sie weiter über die Beteiligten auf. Hier.« Sie hielt Peabody den versiegelten Stunner hin. »Die Verdächtige behauptet -«
»Aber hallo!«
»Was? Was?« Eilig nahm Eve ihren eigenen Stunner in die Hand.
»Das da.« Peabody streckte eine Hand aus und strich ehrfürchtig über den Armreif, den Eve noch immer trug. »Wahnsinn. Das Ding ist der totale Wahnsinn, Dallas. Wow.«
Verlegen schob Eve den Ärmel ihrer Jacke über ihr Handgelenk. An das blöde Schmuckstück hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht. »Vielleicht könnten wir uns weiter auf den Tatort konzentrieren statt auf meine Accessoires.«
»Sicher, aber das ist ein wirklich tolles Accessoire. Ist der fette Klunker etwa ein Rubin?«
»Peabody.«
»Schon gut, schon gut.« Sobald sie die Gelegenheit dazu bekäme, sähe sie sich das Armband etwas genauer an. »Was haben Sie gerade gemacht?«
»Ich habe mich ein bisschen mit der Spurensuche amüsiert.«
Peabody rollte mit den Augen. »Machen Sie mich ruhig fertig.«
»Mit Vergnügen«, meinte Eve. »Aber zurück zu unserem eigentlichen Thema. Die Verdächtige behauptet, sie hätte einen niedrig gestellten Stunner mitgebracht, für den ein normaler Waffenschein genügt. Dieser Stunner hier ist jedoch ganz eindeutig nicht auf der untersten Stufe festgestellt. Das hier ist ein Militärstunner, den man auch auf die höchste Stufe fahren kann.«
»Uh-huh.«
»Ich habe Sie schon immer für Ihre prägnante Sprechweise bewundert.«
»Das ist Detective-Sprache, die nur Eingeweihte verstehen.«
»Ich habe den besagten Stunner bereits auf Fingerabdrücke untersucht. Genau wie die Mordwaffe«, Eve wies auf eine andere Tüte, in der das Messer lag, »weist er nur Abdrücke der Verdächtigen auf. Auch auf den Störsendern und auf dem Einbruchswerkzeug, die in der schwarzen Tasche stecken, habe ich nur Reva Ewings Abdrücke entdeckt.«
»Könnte sie hier eingebrochen sein?«
»Sie arbeitet als Sicherheitsexpertin für Roarke Enterprises und war vorher beim Geheimdienst.«
»Dann ist sie also vielleicht wirklich hier eingebrochen, hat ihren Mann im Bett von einer anderen gefunden und blind drauflosgehackt.«
Trotzdem trat sie näher an das Bett und sah sich die beiden Toten genauer an. »Keins der beiden Opfer weist Abwehrverletzungen auf, es gibt keinen Hinweis darauf, dass es einen Kampf gegeben hat. Dabei haben die meisten Menschen ja wohl etwas dagegen, wenn jemand ein Messer schwingt.«
»Es ist ein bisschen schwierig sich zu wehren, wenn man nicht mehr bei Bewusstsein ist.«
Eve wies auf eine Stelle zwischen Bissels Schulterblättern und zwischen die Brüste von Felicity, wo jeweils ein kleiner roter Fleck zu sehen war.
»Dann wurde er also von hinten und sie von vorn betäubt«, stellte Peabody nachdenklich fest.
»Ja. Anscheinend waren sie beschäftigt, als der Killer kam. Er hat Blair betäubt, an die Seite geschoben und auf Felicity gezielt, bevor die auch nur den Mund aufmachen konnte, um zu schreien. Die beiden waren offenbar bewusstlos oder zumindest nicht mehr in der Lage sich zu rühren, als das Hacken begann.«
»Ein echter Overkill. Jede der beiden Leichen weist mindestens ein Dutzend Wunden auf.«
»Er wurde achtzehn und sie vierzehn Mal erwischt.«
»Aua.«
»Das können Sie laut sagen. Aber was wirklich interessant ist – keiner von den beiden hat eine Stichwunde im Herz. Es wird viel blutiger, wenn man das Herz auslässt.« Sie betrachtete das blutgetränkte Laken und die roten Spritzer auf dem Schirm der Lampe neben dem Bett. Ein widerliches Szenario. Widerlich und schmutzig, dachte sie.
»Außerdem ist interessant, dass keine der Stichwunden dort sitzt, wo der Stunner die Brandwunden zurückgelassen hat. Die Verdächtige hatte ein bisschen Blut an ihren Kleidern – lange nicht so viel, wie man erwarten würde, wenn sie die beiden abgestochen hätte, aber etwas war zu sehen. Ihre Hände und Arme waren allerdings völlig sauber.«
»Nach einem derartigen Gemetzel hätte sie sich doch bestimmt gewaschen.«
»Das sollte man zumindest meinen. Aber wenn man davon ausgeht, dass sie sich gewaschen hat, hätte sie doch sicher auch ihr T-Shirt entsorgt. Nur setzt bei den meisten Leuten, wenn sie zwei Menschen in Stücke gehackt haben, das Denkvermögen erst mal aus.«
»Ihre Mutter ist hier«, warf Peabody ein.
»Ja. Es wäre also möglich, dass ihre Mutter sie gesäubert hat, nur hätte Caro, gründlich wie sie ist, das Blut an Revas T-Shirt bestimmt nicht übersehen. Todeszeitpunkt war ein Uhr zwölf. Die Abteilung für elektronische Ermittlungen soll versuchen, über die Überwachungsdisketten rauszufinden, wann Reva das Haus betreten hat. Gucken Sie in der Küche nach, ob die Mordwaffe vielleicht hier aus dem Haus stammt oder ob sie mitgebracht worden ist.«
Sie machte eine kurze Pause. »Haben Sie unten die Reste der Lederjacke liegen sehen?«
»Ja. Scheint ein ziemlich teures Stück gewesen zu sein.«
»Sehen Sie es sich noch etwas genauer an. Ewing hat behauptet, sie hätte sich mit ihrem Minibohrer darüber hergemacht. Wollen wir doch mal sehen, ob das stimmt.«
»Huh. Weshalb hätte sie einen Bohrer nehmen sollen, wenn sie ein Messer in der Tasche hatte? Es wäre doch bestimmt deutlich effizienter und befriedigender für sie gewesen, das Ding mit einem Messer in Streifen zu schneiden statt einfach ein paar kleine Löcher reinzubohren, meinen Sie nicht auch?«
»Doch, das meine ich auch. Außerdem werden wir die beiden Opfer überprüfen, um zu gucken, ob vielleicht noch jemand anderes als die betrogene Ehefrau ein Interesse am Tod der beiden haben könnte.«
Peabody blickte noch einmal auf die beiden Leichen und atmete zischend aus. »Wie es aussieht, kommt sie sicher problemlos mit verminderter Schuldfähigkeit durch.«
»Statt danach zu gehen, wie es aussieht, sollten wir versuchen rauszufinden, was hier tatsächlich gelaufen ist.«
2
»Nein. Nein. Ich habe ihr weder die Hände noch das Gesicht gewaschen.«
Caros Blick war ruhig und ihre Miene gefasst. Ihre Hände jedoch lagen derart fest verschränkt in ihrem Schoß, als drücke sie ihren Körper mit aller Kraft auf ihren Stuhl, um nicht plötzlich panisch aufzuspringen.
»Ich habe versucht so wenig wie möglich zu berühren und sie ruhig zu halten, bis Sie gekommen sind.«
»Caro.« Eve konzentrierte sich ganz auf das Gesicht der Frau und versuchte ihren Widerwillen dagegen zu ignorieren, dass Roarke auf Caros Bitte hin im Raum geblieben war. »Oben direkt neben dem Schlafzimmer gibt es ein Bad. Obwohl das Waschbecken gründlich sauber gemacht wurde, gibt es Anzeichen dafür, dass jemand dort Blut abgewaschen hat.«
»Ich bin nicht oben gewesen. Das schwöre ich.«
Diese Antwort und die Tatsache, dass Eve sie glaubte, machten deutlich, dass Caro die Bedeutung ihrer Erklärung nicht verstand. Dass Roarke seine Position veränderte, dass er seine Wachsamkeit verstärkte, zeigte, dass er wusste, wie belastend diese Antwort war.
Da er jedoch nichts sagte, nahm Eves Unbehagen über seine Nähe etwas ab.
»Reva hatte Blut an ihren Kleidern.«
»Ja, ich weiß. Ich habe es gesehen …« Plötzlich schien Caro zu verstehen, und sie kämpfte mühsam gegen die aufsteigende Panik an. »Lieutenant, falls Reva – falls sie in dem Bad gewesen ist, dann ganz sicher, während sie noch unter Schock gestanden hat. Nicht, um irgendetwas zu vertuschen. Das müssen Sie mir glauben. Sie stand eindeutig unter Schock.«
Auf alle Fälle ist ihr schlecht geworden, dachte Eve. Die Toilettenschüssel war mit ihren Fingerabdrücken übersät. Als hätte sie sich daran festgeklammert und hätte sich heftig übergeben. Aber nicht in dem an das Schlafzimmer grenzenden Bad. Der Beweis dafür, dass sie sich übergeben hatte, fand sich in dem zweiten Bad, das es ein Stück vom Schlafzimmer entfernt in der oberen Etage gab.
Die Blutspuren hatten sie jedoch in dem ersten Bad entdeckt.
»Wie sind Sie ins Haus gekommen, Caro?«
»Wie ich … oh.« Geistesabwesend fuhr sie sich mit der Hand durch das Gesicht. »Die Tür, die Haustür war nicht abgeschlossen. Sie stand einen Spaltbreit offen.«
»Sie stand offen?«
»Ja. Ja. Das grüne Lämpchen hat geblinkt, und dann habe ich gesehen, dass die Tür nicht ganz geschlossen war. Also habe ich sie einfach aufgedrückt und bin hereingekommen.«
»Und wie ging es dann weiter?«
»Reva saß hier unten in der Eingangshalle auf dem Boden. Sie hatte die Beine angezogen, zitterte wie Espenlaub und brachte kaum einen Ton heraus.«
»Aber als sie Sie angerufen hat, war sie noch in der Lage, Ihnen zu erklären, dass Blair und Felicity tot sind und dass sie – dass Ihre Tochter – in Schwierigkeiten steckt.«
»Ja. Das heißt, ich habe verstanden, dass sie mich braucht, und dass Blair – Blair und Felicity – nicht mehr am Leben sind. Sie hat gesagt: ›Mom. Mom, sie sind tot. Jemand hat sie umgebracht.‹ Sie hat geweint und ihre Stimme klang vollkommen fremd und hohl. Sie hat gesagt, sie hätte keine Ahnung, was sie machen sollte. Ich habe sie gefragt: ›Wo bist du?‹, und sie hat geantwortet. Was wir genau gesprochen haben, kann ich nicht mehr sagen. Aber das Gespräch ist noch auf meinem Link. Sie können den genauen Wortlaut also abhören.« Ihre Stimme wurde etwas angespannt.
»Ja, das machen wir.«
»Mir ist klar, dass Reva oder ich sofort die Polizei hätten anrufen sollen.«
Caro strich sich mit der Hand über die Knie ihrer Pyjamahose und starrte auf den blauen Stoff, als würde ihr erst jetzt bewusst, dass sie im Schlafanzug gekommen war.
Sie errötete ein wenig und stieß einen leisen Seufzer aus. »Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass wir beide … dass wir beide nicht klar denken konnten und dass mir nichts anderes in den Sinn kam als den Menschen anzurufen, dem wir beide mehr vertrauen als jedem anderen.«
»Wussten Sie, dass Ihr Schwiegersohn Ihre Tochter betrogen hat?«
»Nein. Nein, das wusste ich nicht.« Jetzt drückte ihre Stimme kaum verhohlenen Ärger aus. »Und bevor Sie mich fragen, ich kannte auch Felicity recht gut, oder zumindest habe ich das bisher gedacht«, verbesserte sie sich. »Für mich war sie eine von Revas engsten Freundinnen, fast wie eine Schwester. Sie war oft bei mir zu Hause, und ich war genauso oft bei ihr zu Gast.«
»Hatte sie, hatte Felicity auch Beziehungen zu anderen Männern?«
»Sie hatte jede Menge Freunde und Bekannte und hatte eine Vorliebe für Künstler.« Sie presste die Lippen aufeinander, denn unweigerlich kam ihr Blair Bissel in den Sinn. »Sie hat oft Scherze darüber gemacht, dass sie noch nicht bereit wäre, sich endgültig für einen Stil oder eine Ära zu entscheiden – weder in Bezug auf Männer noch hinsichtlich ihrer Kunstsammlung. Ich hielt sie für eine intelligente Frau mit jeder Menge Stil und einem ausgeprägten Sinn für Humor. Reva ist oft so furchtbar ernst, sie konzentriert sich viel zu sehr auf ihre Arbeit. Ich dachte … ich fand, dass Felicity ihr guttat, denn sie hat ihre fröhlicheren Seiten zum Vorschein gebracht.«
»Mit wem war Felicity zuletzt zusammen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Vor ein paar Wochen gab es da einen Mann. Wir waren alle zu einem ihrer Sonntagsbrunches hier. Er war Maler, glaube ich.« Sie schloss die Augen, als könnte sie den Mann dann wieder vor sich sehen. »Ja, ein Maler. Er hieß Fredo. Sie hat ihn als Fredo vorgestellt, und er hat sehr dramatisch, sehr fremdartig und sehr leidenschaftlich auf mich gewirkt. Aber ein paar Wochen vorher war sie mit einem anderen zusammen. Dünn, bleich und grüblerisch. Und davor …«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sie hatte Spaß an Männern, aber wie es aussah, hat sie nie eine wirklich feste Beziehung mit irgendjemandem gehabt.«
»Hat vielleicht irgendwer den Zugangscode zu diesem Haus gehabt?«
»Nicht, dass ich wüsste. Felicity war sehr auf ihre Sicherheit bedacht. Sie hat nicht mal Angestellte gehabt, sondern die gesamte Hausarbeit von Droiden erledigen lassen. Sie hat immer gesagt, Menschen könnte man nicht trauen. Ich erinnere mich, dass ich einmal zu ihr gesagt habe, dass ich das sehr traurig fände, aber sie hat nur gelacht und gemeint, wenn es nicht so wäre, hätte meine Tochter keinen Job.«
Als Peabody in der Tür erschien, stand Eve entschlossen auf. »Danke. Ich werde mich noch einmal mit Ihnen unerhalten müssen, und ich brauche Ihre offizielle Genehmigung, um Ihr Link auf das Revier bringen zu lassen, damit die Abteilung für elektronische Ermittlungen es gründlich untersucht.«
»Die haben Sie, genau wie Sie die Erlaubnis haben, alles andere zu tun, was zur Klärung dieses Falles nötig ist. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihnen dankbar bin, weil Sie sich dieser Sache persönlich angenommen haben. Ich weiß, dass Sie die Wahrheit herausfinden werden. Kann ich jetzt wieder zu Reva gehen?«
»Es wäre besser, wenn Sie noch kurz hier warten.« Sie warf einen Blick auf Roarke, damit er merkte, dass für ihn dasselbe galt.
Draußen im Flur nickte sie Peabody zu.
»Die Spurensicherung hat Blut und einen Fingerabdruck von Ewing in dem Waschbecken gefunden, obwohl es gründlich ausgewischt worden ist. Die Mordwaffe scheint nicht hier aus der Küche zu stammen. Das exklusive Messerset, das ich hier gefunden habe, ist nämlich noch komplett.«
Sie warf einen Blick auf ihre Notizen. »Außerdem habe ich den Hausdroiden reaktiviert. Er wurde um einundzwanzig Uhr dreißig ausgestellt. Vorher hat er aufgenommen, dass Felicity einen Besucher hatte. Allerdings hatte sie den Droiden darauf programmiert, dass er weder Namen noch Einzelheiten nennt. Am besten nehmen wir das Ding also mit auf die Wache und gucken, ob sich ihm nicht doch noch was entlocken lässt.«
»Tun Sie das. Haben Sie auch in dem zweiten Bad oben irgendwelche Blutspuren gefunden?«
»Nein. Nur Ewings Fingerabdrücke auf der Toilettenschüssel.«
»Okay. Dann sollten wir uns jetzt noch mal mit Ewing unterhalten.«
Sie kehrten gemeinsam ins Wohnzimmer zurück, wo Reva zusammen mit einer uniformierten Beamtin saß. Sobald Eve durch die Tür des Raumes trat, sprang Reva auf.
»Lieutenant. Ich würde gern mit Ihnen reden. Allerdings unter vier Augen, wenn es möglich ist.«
Eve winkte die Beamtin aus dem Raum, meinte aber in Bezug auf ihre Begleiterin: »Das ist meine Partnerin, Detective Peabody. Worüber möchten Sie mit uns sprechen, Ms Ewing?«
Reva zögerte, stieß jedoch, als Eve ihr gegenüber Platz nahm, einen resignierten Seufzer aus. »Es ist nur so, dass ich allmählich wieder zur Besinnung komme und dass mir klar geworden ist, wie sehr ich in der Klemme stecke. Und dass auch meine Mutter meinetwegen in der Klemme steckt. Sie ist nur hierhergekommen, weil ich hysterisch war. Ich will nicht, dass sie in diese Sache hineingezogen wird.«
»Über Ihre Mutter brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Ihr will niemand etwas tun.«
»Okay.« Reva nickte knapp. »Okay.«
»Sie haben gesagt, als Sie die Decke zurückgezogen haben, hätten Sie die Leichen und das Blut gesehen.«
»Ja. Ich habe gesehen, dass sie tot waren. Ich wusste, dass sie tot waren. Es konnte einfach nicht anders sein.«
»Wo war das Messer?«
»Das Messer?«
»Die Mordwaffe. Wo war sie?«
»Ich weiß nicht. Ich habe kein Messer gesehen. Nur Blair und Felicity.«
»Peabody, würden Sie Ms Ewing die Waffe zeigen, die von uns sichergestellt worden ist?«
Peabody zog die Tüte mit dem Messer aus der Tasche und hielt sie Reva hin. »Erkennen Sie dieses Messer, Ms Ewing?«
Reva starrte auf die blutverschmierte Klinge, den blutverschmierten Griff und hob verwirrt den Kopf. »Das gehört Blair. Es gehört zu dem Set, das er letztes Jahr gekauft hat, als er auf die Idee kam, dass wir beide einen Kochkurs machen sollten. Ich habe ihm gesagt, er könnte gerne einen Kochkurs machen, aber ich hielte mich lieber weiter an den AutoChef oder an irgendwelches Essen, das ins Haus geliefert wird. Er hat den Kurs wirklich gemacht und hat danach ab und zu für uns gekocht. Das hier sieht wie eins von seinen Küchenmessern aus.«
»Haben Sie das Messer heute Abend mitgebracht, Reva? Waren Sie so wütend, dass Sie es in die Tasche gesteckt haben, vielleicht um den beiden zu drohen, ihnen Angst zu machen oder so?«
»Nein.« Sie trat einen Schritt zurück. »Nein, ich habe dieses Messer ganz bestimmt nicht mitgebracht.«
Jetzt hielt Eve ihr eine Plastiktüte hin. »Ist das hier Ihr Stunner?«
»Nein.« Reva ballte ohnmächtig die Fäuste. »Das ist ein Militärmodell. Mein Stunner ist bereits über sechs Jahre alt. Ich habe ihn noch aus der Zeit, als ich beim Geheimdienst war, aber nach meinem Ausscheiden wurde er auf der niedrigsten Stufe festgestellt. Der Stunner da gehört mir nicht. Den habe ich nie zuvor gesehen.«
»Die beiden Opfer wurden sowohl mit diesem Stunner als auch mit diesem Messer attackiert. Auf beiden Waffen sind Ihre Fingerabdrücke.«
»Das ist vollkommen verrückt.«
»Durch die Wucht, mit der die Messerstiche ausgeführt wurden, wurde jede Menge Blut verspritzt. Es müsste also auf Ihren Händen, Ihren Armen, in Ihrem Gesicht und auf Ihren Kleidern gelandet sein.«
Reva blickte verständnislos auf ihre Hände, rieb sie vorsichtig gegeneinander und erklärte stockend: »Ich weiß, dass ich Blut am T-Shirt habe. Ich weiß nicht … vielleicht habe ich dort oben irgendetwas angefasst. Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich habe die beiden nicht umgebracht. Ich habe dieses Messer und diesen Stunner nie berührt. Ich habe kein Blut an den Händen.«
»Im Waschbecken des Badezimmers oben haben wir Blut und einen Fingerabdruck von Ihnen gefunden.«
»Sie denken, dass ich mir die Hände gewaschen habe? Sie denken, ich hätte versucht mich sauberzumachen, die Sache zu vertuschen und dann erst meine Mutter angerufen?«
Es war deutlich zu erkennen, dass Reva wieder zur Besinnung kam und dass sie zeitgleich mit der Fähigkeit zu denken auch ihr Temperament wiedergewann. Ihre dunklen Augen sprühten Funken und sie biss die Zähne aufeinander, als sie wieder etwas Farbe ins Gesicht bekam. »Was zum Teufel halten Sie von mir? Meinen Sie, nur, weil mein Mann und meine Freundin mich zur Närrin gemacht haben, hätte ich sie in Stücke gehackt, in gottverdammte Stücke? Und ich wäre obendrein so blöd, die Mordwaffe einfach liegen zu lassen, damit man mich problemlos überführen kann? Um Himmels willen, die beiden waren bereits tot. Sie waren bereits tot, als ich auf der Bildfläche erschien.«
Während sie die Worte ausspuckte, sprang sie von ihrem Stuhl und wirbelte mit zornrotem Gesicht herum. »Was zum Teufel geht hier vor sich? Was zum Teufel hat das alles zu bedeuten?«
»Weshalb sind Sie heute Abend hierhergekommen, Reva?«
»Um die beiden zur Rede zu stellen, um sie anzubrüllen und vielleicht um Blair in die Eier zu treten. Um Felicity einen Schlag in ihre wunderschöne, verlogene Visage zu verpassen. Um irgendetwas zu zerbrechen und eine Szene zu machen, die keiner von den beiden so schnell wieder vergisst.«
»Warum gerade heute Abend?«
»Weil ich es erst heute Abend rausgefunden habe, gottverdammt.«
»Wie? Wie haben Sie es herausgefunden?«
Reva erstarrte und blickte Eve mit großen Augen an, als versuche sie, eine seltsame, halb vergessene Sprache zu verstehen. »Das Päckchen. Himmel, die Fotos und die Quittungen. Ich bekam heute Abend ein Päckchen.