Im Zeichen des Adlers - Simon Scarrow - E-Book
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Im Zeichen des Adlers E-Book

Simon Scarrow

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Beschreibung

Rom, A. D. 42: Kaiser Claudius gewährt seinem Leibsklaven Cato die lang ersehnte Freiheit. Doch im Gegenzug muss sich der hochgebildete, jedoch kämpferisch völlig unerfahrene junge Mann zu zwanzig Jahren Dienst in der römischen Armee verpflichten. Kurz darauf befiehlt der Imperator das gefährlichste aller militärischen Abenteuer, an dem einst sogar Cäsar scheiterte: die Eroberung Britanniens. Cato steht auf der Insel aber nicht nur den wildesten Barbarenhorden gegenüber - auf direkten kaiserlichen Befehl muss er sich in einem tödlichen Netz aus Intrigen und Verschwörungen bewähren...

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ZUM BUCH

Der siebzehnjährige Leibsklave Quintus Licinius Cato erlangt die lang ersehnte Freiheit und alle damit verbundenen römischen Bürgerrechte. Doch daran geknüpft ist eine Bedingung, die Catos Leben bestimmen wird: Er muss sich zu zwanzig Jahren Dienst in der römischen Armee verpflichten. Bald darauf findet sich Cato in einem befestigten Lager im barbarischen Germanien wieder, wo der harte Centurio Macro versucht, aus dem Jüngling einen Legionär zu machen. Da erreicht sie ein Marschbefehl: Kaiser Claudius befiehlt die Eroberung der britischen Inseln. Für Cato und Macro beginnt Seite an Seite der Kampf ums nackte Überleben …Ein ausführliches Werkverzeichnis von Simon Scarrow findet sich auf www.randomhouse.de/content/download/speziell/Simon_Scarrow.pdf

ZUM AUTOR

Simon Scarrow wurde in Nigeria geboren und wuchs in England auf. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre als Dozent für Geschichte an der Universität von Norfolk, eine Tätigkeit, die er aufgrund des großen Erfolgs seiner Romane nur widerwillig und aus Zeitgründen einstellen musste. Besuchen Sie Simon Scarrow im Internet unter www.scarrow.co.uk

Simon Scarrow

IM ZEICHEN DES ADLERS

Roman

Aus dem Englischen vonNorbert Stöbe

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
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Die Originalausgabe UNDER THE EAGLE erschien beiHeadline Publishing Group, London
Vollständige Ausgabe 08/2017Copyright © 2000 by Simon ScarrowCopyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenUmschlagillustration: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung eines Motivs von © Arcangel/CollaborationJS
ISBN: 978-3-641-21438-8V003
www.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

ZUM BUCHZUM AUTORWidmungDie römische Armee Miltärische Rangordnung im Jahr 43 n. Chr.Die Organisation der römischen LegionPrologDie Rheingrenze - Sechsundneunzig Jahre später, im zweiten Jahr der Herrschaft des Kaisers Claudius, gegen Ende des Jahres 42 n. Chr.
Kapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40
Copyright

Für Audrey und Tony, die besten Eltern und die besten Freunde.

Die römische Armee Miltärische Rangordnung im Jahr 43 n. Chr.

Die Organisation der römischen Legion

Wie allen Legionen gehörten auch der Zweiten Legion rund fünfeinhalbtausend Mann an. Die Basiseinheit war die achtzig Mann starke Zenturie, die von einem Zenturio befehligt wurde, als dessen Stellvertreter der Optio fungierte. Die Zenturie war in acht Mann starke Unterabteilungen gegliedert, die sich im Lager eine Baracke beziehungsweise im Feld ein Zelt teilten. Sechs Zenturien bildeten eine Kohorte, und zehn Kohorten bildeten eine Legion; die Erste Kohorte hatte jeweils doppelte Größe. Jede Legion wurde von einer hundertzwanzig Mann starken Kavallerieeinheit begleitet, unterteilt in vier Schwadronen, die als Kundschafter und Boten Verwendung fanden. Die Ränge in absteigender Folge lauteten folgendermaßen:

Der Legat war ein Mann aristokratischer Herkunft. Im Allgemeinen Mitte dreißig, befehligte der Legat die Legion bis zu fünf Jahre lang und hoffte darauf, sich einen Namen zu machen, um dergestalt seine darauf folgende Politikerkarriere voranzubringen.

Beim Lagerpräfekten handelte es sich zumeist um einen angegrauten Kriegsveteran, der zuvor eine Zenturie befehligt und die Spitze der einem Berufssoldaten offen stehenden Karriereleiter erklommen hatte. Er verfügte über große Erfahrung und Integrität und übernahm das Kommando über die Legion, wenn der Legat abwesend oder im Kampf gefallen war.

Sechs Tribunen dienten als Stabsoffiziere. Dies waren Männer Anfang zwanzig, die zum ersten Mal in der Ar mee dienten, um administrative Erfahrung zu erwerben, bevor sie untergeordnete Posten in der Verwaltung übernahmen. Anders verhielt es sich mit dem Obertribun. Er war für ein hohes politisches Amt vorgesehen und sollte irgendwann eine Legion befehligen.

Die sechzig Zenturionen sorgten in der Legion für Disziplin und kümmerten sich um die Ausbildung der Soldaten. Sie waren aufgrund ihrer Führungsqualitäten und ihres Todesmuts handverlesen, demzufolge war bei ihnen die Sterblichkeitsrate weit höher als bei den anderen Rängen. Der oberste Zenturio befehligte die Erste Zenturie der Ersten Kohorte, war hoch dekoriert und genoss großes Ansehen.

Die vier Dekurionen der Legion befehligten die Kavallerie-Schwadronen und hofften darauf, zum Befehlshaber der Kavallerie-Hilfseinheiten befördert zu werden.

Jedem Zenturio stand ein Optio zur Seite, der die Aufgabe eines Ordonnanzoffiziers wahrnahm und geringere Kompetenzen hatte. Ein Optio wartete für gewöhnlich auf einen freien Platz im Zenturionat.

Unter dem Optio standen die Legionäre, Männer, die sich für fünfundzwanzig Jahre verpflichtet hatten. Theoretisch durften nur römische Bürger in der Armee dienen, doch wurden zunehmend auch Männer der einheimischen Bevölkerung angeworben, denen beim Eintritt in die Legion die römische Staatsbürgerschaft verliehen wurde.

Nach den Legionären kamen die Männer der Hilfskohorten. Diese wurden in den Provinzen rekrutiert und stellten die Reiterei sowie die leichte Infanterie des römischen Reiches und nahmen andere Spezialaufgaben wahr. Nach fünfundzwanzigjährigem Armeedienst wurde ihnen die römische Staatsbürgerschaft verliehen.

SÜDOSTEN BRITANNIENS, 43 N. CHR.

Prolog

»Das nutzt nichts, der verdammte Karren steckt fest.«

Der Zenturio lehnte sich an den Wagen und schöpfte erst einmal Atem. Um ihn herum stand eine Gruppe todmüder Legionäre bis zur Hüfte im stinkenden Morast des Moors versunken. Der General beobachtete ihre Bemühungen vom Wegrand aus mit wachsender Gereiztheit. Er hatte gerade an Bord eines der Evakuierungsschiffe gehen wollen, als gemeldet wurde, der Wagen sei vom schmalen Weg abgekommen. Daraufhin war er – seinem Auftrag als Oberbefehlshaber gemäß – sogleich mit einem der noch an Land befindlichen Pferde durchs Moor zurückgaloppiert, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Infolge des immensen Gewichts der großen Truhe auf der Ladefläche, widerstand der Wagen allen Bemühungen, ihn wieder flottzumachen. Mit weiterer Unterstützung war nicht zu rechnen, da die Nachhut das Einschiffen abgeschlossen hatte und bereits in See stach. Jetzt standen nur noch der General, diese paar Männer und der schwache Geleitschutz der letzten berittenen Kundschafter zwischen dem Wagen und der Streitmacht der Caswoller, die den abziehenden römischen Eindringlingen auf den Fersen war.

Als der General fluchte, hob sein Pferd erschreckt den Kopf vom Unterholz, an dem es festgebunden war. Der Wagen musste also aufgegeben werden, so viel war klar, und die Truhe war zu schwer, um sie zum letzten noch vor Anker liegenden Schiff zu tragen. Der Schlüssel befand sich aus Sicherheitsgründen in der Obhut des Quartiermeisters, der mittlerweile in See gestochen war, und die Truhe war so massiv gebaut, dass sie ohne geeignetes Werkzeug nicht zu öffnen war.

»Was nun, Herr?«, fragte der Zenturio.

Der General musterte schweigend die Truhe. Er konnte nichts tun – überhaupt nichts. Wagen und Truhe samt Inhalt ließen sich nicht vom Fleck bewegen. Er wollte es zunächst nicht wahrhaben, denn der Verlust der Truhe würde seine politischen Pläne um mindestens ein Jahr zurückwerfen. In diesem Moment quälender Unentschlossenheit wurde ganz in der Nähe ein Horn geblasen. Die Legionäre machten erschreckt Anstalten, zu den auf dem Weg abgelegten Waffen zurückzuwaten.

»Bleibt, wo ihr seid, verdammt noch mal!«, brüllte der General. »Ich habe euch nicht befohlen, euch zu rühren!«

Obwohl der Feind nicht mehr fern war, hielten die Legionäre inne, so groß waren ihre Achtung und ihr Respekt vor dem Kommandanten. Mit einem letzten Blick auf die Truhe traf der General eine Entscheidung und nickte.

»Zenturio, lass den Wagen verschwinden.«

»Herr?«

»Er muss bis zu unserer Rückkehr im nächsten Sommer hier bleiben. Zieh ihn ein Stück weiter ins Moor, kennzeichne die Stelle und komm dann so schnell wie möglich zum Strand nach. Ich lasse ein Begleitschiff auf dich warten. «

»Jawohl, Herr.«

Der General klopfte sich gereizt auf den Schenkel, dann drehte er sich um, saß auf und ritt durch das Moor auf den Strand zu. Abermals erscholl hinter seinem Rücken das Kriegshorn, und man vernahm das Klirren von Schwertern, als die berittenen Kundschafter mit der Vorhut der Caswoller Armee aneinandergerieten. Vom Moment der Landung an bis zum heutigen Tag, da sie nach Gallien flüchteten, waren ihnen die Krieger der Caswoller auf Schritt und Tritt gefolgt, hatten Nachzüglern und Provianttrupps Tag und Nacht zugesetzt und den Eindringlingen gegenüber keine Gnade gezeigt.

»Also gut, Männer!«, rief der Zenturio. »Noch ein letztes Mal … Stemmt euch gegen den Wagen. Achtung … schiebt!«

Nach und nach sank der Wagen immer tiefer in den Morast ein; dunkelbraunes Moorwasser quoll durch die Fugen der Ladefläche und stieg neben der Truhe hoch.

»Na los! Schiebt!«

Mit vereinten Kräften schoben die Männer den Wagen noch weiter in das Moor hinein, bis er mit einem leisen Gurgeln im dunklen Wasser verschwand. Nur ein schwacher Wirbel kräuselte die ölige Wasseroberfläche, aus der nurmehr die lange Wagendeichsel herausragte.

»Das war’s, Leute. Zurück zum Schiff. Gut gemacht.«

Die Legionäre wateten auf festen Boden zurück und hoben Schilde und Waffen auf, während der Zenturio eilends eine Lageskizze in die Wachstafel ritzte, die er um die Schulter trug. Als er fertig war, klappte er die Tafel zu und schloss sich seinen Männern an. Doch ehe sich die Kolonne in Bewegung setzen konnte, veranlasste plötzliches Hufgetrappel die Soldaten, sich mit ängstlich geweiteten Augen umzudrehen. Im nächsten Moment tauchte auch schon eine Hand voll berittener Kundschafter aus dem Nebel auf und galoppierte auf die Fußsoldaten zu. Einer der Kundschafter hatte sich auf den blutüberströmten Hals seines Pferdes vorgebeugt; das Blut troff aus einer klaffenden Brustverletzung. Dann waren sie verschwunden.

Kurz darauf erscholl neuerliches, lauteres Hufgetrappel, diesmal begleitet von den schrillen Schreien der Eingeborenen, welche die Legionäre mittlerweile fürchten gelernt hatten. Ihr Kriegsgeschrei hatte einen triumphierenden Unterton, so dass den Römern ein kalter Schauer über den Rücken lief.

»Wurfspeere bereithalten!«, rief der Zenturio; seine Männer legten die Speere an und warteten auf den Einsatzbefehl. Die Geräusche der unsichtbaren Verfolger tönten bedrohlich aus dem Nebel hervor, dann tauchten dicht hinter ihnen verschwommene graue Gestalten auf. »Werft!«

Die Speere flogen in hohem Bogen in die Luft, verschwanden außer Sicht und krachten auf die tollkühnen Briten nieder, untermalt vom lauten Wehgeschrei von Mensch und Tier.

»Formieren!«, rief der Zenturio. »Auf mein Kommando … Im Laufschritt … los!«

Die kleine Kolonne setzte sich zur fernen Zuflucht des letzten Evakuierungsschiffs hin in Bewegung. Der Zenturio marschierte nebenher und behielt besorgt den Nebel im Auge, der hinter ihnen den Weg verschluckte. Die Speersalve vermochte die Briten nicht lange aufzuhalten, und bald darauf kam das Hufgetrappel wieder näher, bedächtiger und vorsichtiger diesmal.

Der Zenturio vernahm ein dumpfes Geräusch, dann stieß einer seiner Männer einen Schmerzensschrei aus. Er wandte sich um; aus dem Rücken des hintersten Legionärs ragte ein Pfeilschaft. Während seine Lunge sich mit Blut füllte, sank der Mann nach Atem ringend auf die Knie nieder und kippte vornüber.

»Schneller!«

Mit knarrenden Gürteln und klirrenden Rüstungen zogen die Legionäre das Tempo an und versuchten, den Abstand zu den unsichtbaren Verfolgern zu vergrößern. Weitere Pfeile kamen zischend aus dem Nebel hervorgeflogen, blindlings auf die Römer abgefeuert. Gleichwohl fanden einige ihr Ziel, so dass die Kolonne immer kleiner wurde, während einer nach dem anderen auf dem Weg zusammenbrach und mit gezogenem Schwert grimmig dem Ende entgegensah.

Auf einmal klärte sich vor ihnen die Sicht. Zweihundert Schritte entfernt wartete in der Brandung vor dem Kiesstrand ein kleines Boot etwas weiter weg lag in der sanften Dünung eine Trireme vor Anker, und am Horizont verblassten im Morgendunst die dunklen Flecken der Invasionsflotte.

»Lauft!«, brüllte der Zenturio und ließ Schild und Schwert fallen. »Lauft!«

Sie rannten über den knirschenden Kies auf das Boot zu. Als auch die Briten das Meer erblickten, erscholl sogleich das Kriegshorn – das Signal, die flüchtenden Männer zu überrennen, bevor sie sich in Sicherheit bringen konnten. Mit zusammengebissenen Zähnen, im Ohr den Lärm der rasch aufholenden Verfolger, rannte der Zenturio die sanfte Böschung hinunter, wagte sich jedoch nicht umzublicken, aus Angst, er könnte dabei langsamer werden. Am Bootsheck machte er eine hoch gewachsene Gestalt mit wehendem rotem Generalsmantel aus, die verzweifelt winkte. Noch fünfzig Schritte, da schrie unmittelbar hinter ihm jemand gellend auf: Der letzte Legionär in der Reihe war von den Briten mit einem Speer durchbohrt worden.

Mit jeder Faser seines Körpers um sein Leben kämpfend, stürmte der Zenturio über den nassen Sand, stapfte durch die Brandung und warf sich über den Bug. Hilfreiche Hände packten ihn unter den Achseln und zogen ihn ins Boot; im nächsten Moment fiel ein Legionär auf ihn drauf und presste ihm den Atem aus der Lunge. Zwei der kräftigen Leibwächter des Generals schleuderten ihre Speere den Angreifern entgegen, die jetzt, da die Kräfteverhältnisse ausgeglichen waren, ihre Pferde am Strand gezügelt hatten. Doch sie waren zu spät gekommen, und als die Ruderer sich an die Arbeit machten, gelangte das Boot rasch in tieferes Wasser und näherte sich der Trireme.

»Habt ihr es noch geschafft, den Wagen zu versenken? «, erkundigte sich der General besorgt.

»J-jawohl, Herr …«, keuchte der Zenturio und klopfte auf die Wachstafel an seiner Seite. »Ich habe eine Karte gezeichnet, Herr. So gut es in der kurzen Zeit ging.«

»Gut gemacht, Zenturio. Gut gemacht. Ich werde sie jetzt an mich nehmen.«

Als der Zenturio dem General die Tafel reichte, blickte er sich um und sah, dass außer ihm nur noch ein Legionär den Briten entkommen war. Ein einziger! Am zurückweichenden Strand drängten sich mehrere Berittene um einen weiteren Soldaten, der so töricht gewesen war, sich gefangen nehmen zu lassen. Beim Gedanken an die Qualen, die dem wehrlosen Legionär bevorstanden, schauderte der Zenturio.

Alle im Boot schwiegen, bis der General schließlich das Wort ergriff.

»Wir werden zurückkehren, Männer. Wir werden zurückkehren, und dann werden diese Schufte den Tag bedauern, an dem sie die Waffen gegen Rom erhoben haben. Dies gelobe ich, Gaius Julius Caesar, beim Grab meines Vaters …«

Die Rheingrenze

Sechsundneunzig Jahre später, im zweiten Jahr der Herrschaft des Kaisers Claudius, gegen Ende des Jahres 42 n. Chr.

1

Als der Wachposten die Latrinentür öffnete, fuhr ein eiskalter Windstoß hindurch.

»Ein Wagen nähert sich, Herr!«

»Mach die verdammte Tür zu! Sonst noch was?«

»Ein kleiner Trupp.«

»Soldaten?«

»Sieht nicht so aus.« Der Wachposten verzog das Gesicht. »Es sei denn, die Marschordnung hätte sich geändert. «

Der Dienst habende Zenturio hob jäh den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, dich nach deiner politischen Meinung gefragt zu haben, Soldat.«

»Jawohl, Herr!« Der Wachposten nahm unter dem funkelnden Blick seines Vorgesetzten Haltung an. Lucius Cornelius Macro war bis vor wenigen Monaten Optio gewesen und hatte seine Beförderung noch nicht ganz verkraftet. Seine ehemaligen Kameraden neigten dazu, ihn noch immer als Gleichgestellten zu behandeln, war es doch vergleichsweise schwer, jemandem Respekt zu zollen, dem man eben noch dabei zugesehen hatte, wie er sich nach dem Leeren eines Trinkschlauchs mit billigem Wein übergab. Allerdings hatte Macro schon einige Monate vor seiner Beförderung bemerkt gehabt, dass die höheren Offiziere ihn für den nächsten freien Posten vorgesehen hatten, und sich nach Kräften bemüht, die Vertraulichkeiten auf ein Minimum zu beschränken. Denn wog man alle seine Eigenschaften gegeneinander ab, war Macro – wenn es darauf ankam – ein guter, pflichtbewusster Soldat, der jeden Befehl gehorsam ausführte, einer, auf den man im Kampf zählen konnte und der anderen ein Ansporn war.

Auf einmal wurde Macro bewusst, dass er den Soldaten schon eine ganze Weile anstarrte und dass dieser unbehaglich von einem Bein aufs andere trat, wie man es häufig tut, wenn man die schweigende Musterung eines Vorgesetzten über sich ergehen lassen muss. Offiziere waren bisweilen unberechenbar, dachte der Wachposten nervös. Kaum hielten sie ein Zipfelchen Macht in Händen, wussten sie entweder nichts damit anzufangen oder schikanierten einen mit boshaften, sinnlosen Befehlen.

»Wie lauten deine Befehle, Herr?«

»Meine Befehle?« Macro runzelte die Stirn. »Also gut. Ich komme. Geh schon mal zurück zum Tor.«

»Jawohl, Herr.« Der Wachposten machte kehrt, entfernte sich eilends aus dem Latrinentrakt der Unteroffiziere und zog unter den missbilligenden Blicken eines halben Dutzends Zenturionen die Tür hinter sich zu. Es war ungeschriebenes Gesetz, die Offiziere bei ihren Verrichtungen in der Latrine auf gar keinen Fall zu stören. Macro reinigte sich mit dem Stockschwamm, zog die Bundhose hoch, entschuldigte sich bei den anderen Zenturionen und eilte nach draußen.

Es war eine scheußliche Nacht, und der kalte Nordwind wehte aus den germanischen Wäldern Regen heran. Er blies über den Rhein und die Festungsmauern und wurde zwischen den Barackenunterkünften zu eiskalten Böen verdichtet. Macro vermutete, dass seine neuen Kameraden ihn als Vorgesetzten ablehnten, und war entschlossen, sich ihre Anerkennung zu verdienen; allerdings war er dabei nicht sonderlich erfolgreich. Er befehligte achtzig Männer, und die damit einhergehenden Aufgaben erwiesen sich als wahrer Albtraum – er kümmerte sich um die Rationen, den Latrinendienst und die Dienstpläne für die Wachposten, er inspizierte Waffen und Unterkünfte, führte Strafbücher, kümmerte sich um den Nachschub, die Futterbeschaffung für die Maultiere der Abteilung, den Sold, die Rücklagen und die Bestattungen.

Dabei stand ihm allein der Schriftführer der Zenturie zur Seite, ein verhutzelter alter Bursche namens Piso, den Macro hin und wieder für unehrlich und manchmal auch für unfähig hielt. Gewissheit verschaffen konnte er sich nicht, da er fast ein Analphabet war. Zwar kannte er die meisten Buchstaben und Zahlen, doch das war auch schon alles. Und jetzt war er Zenturio, ein Offizier, von dem erwartet wurde, dass er lesen und schreiben konnte. Als der Legat der Beförderung zustimmte, hatte er natürlich angenommen, dass Macro des Lesens und Schreibens mächtig war. Wenn herauskam, dass er auf diesem Gebiet ebenso unkundig war wie ein Bauerssohn aus der Campania, würde man ihn auf der Stelle degradieren. Bislang hatte er das Problem umgangen, indem er den Schriftkram Piso überließ und behauptete, von anderen Pflichten in Anspruch genommen zu sein, war sich jedoch sicher, dass der Schriftführer die Wahrheit ahnte. Kopfschüttelnd stapfte er zum Festungstor und schlang den roten Umhang fester um die Schultern.

Es war eine finstere Nacht, die durch die tief hängenden Wolken noch dunkler wurde; ein sicheres Zeichen, dass Schnee zu erwarten war. Aus der Dunkelheit ringsum drangen die typischen Geräusche der Festung heran, die Macro nun schon seit vierzehn Jahren begleiteten. Maultiere schrien in den Stallungen an der anderen Seite der Unterkünfte, und durch den flackernden Kerzenschein, der aus den Fenstern fiel, wehten die teils gedämpften, teils ausgelassenen Stimmen der Soldaten zu ihm heran. Aus einer Baracke drang brüllendes Gelächter, gefolgt vom Kichern einer Frau. Macro blieb unvermittelt stehen und lauschte. Jemand hatte es geschafft, eine Frau ins Lager zu schmuggeln. Das Weib lachte erneut, sagte mit starkem Akzent etwas auf Lateinisch, dann ermahnte sie ihr Gefährte, leise zu sein. Das war ein eklatanter Verstoß gegen die Regeln! Macro wandte sich um und legte die Hand auf den Riegel, doch dann hielt er inne und überlegte. Eigentlich hätte er in die Baracke stürmen, im Kasernenton herumbrüllen, den Soldaten zum Arrestlokal schicken und die Frau aus der Festung hinauswerfen lassen sollen. Dies aber hätte einen neuen Eintrag ins Strafbuch bedeutet – eine weitere lästige Schreibarbeit.

Mit zusammengebissenen Zähnen ließ Macro die Hand sinken und trat leise wieder auf den Weg, während die Frau seinem schlechten Gewissen mit kreischendem Gelächter neue Nahrung verschaffte. Macro vergewisserte sich rasch, dass es keine Augenzeugen für seine Nachlässigkeit gab, dann eilte er aufs Südtor zu. Der verdammte Soldat hatte eine Abreibung verdient, und hätte er Macros Zenturie angehört, wäre dieser auch so verfahren; kein Schreibkram, bloß ein rascher Tritt in die Eier, damit die Strafe auch dem Vergehen entsprach. Der Stimme nach zu schließen, handelte es sich um eine der dreckigen Schlampen aus der an die Festung angrenzenden Germanensiedlung. Macro tröstete sich mit dem Gedanken, dass der Legionär sich gewiss einen ordentlichen Tripper holen würde.

 

Trotz der Dunkelheit bewegte sich Macro instinktiv in die richtige Richtung, da die Legionärsstützpunkte alle dem gleichen Muster entsprachen, das bei Militärlagern und Festungen Anwendung fand. In wenigen Minuten gelangte er zur breiteren Via Praetoria und marschierte auf das Tor an der Südseite des Stützpunkts zu. Der Wachposten, der Macro auf der Latrine gestört hatte, wartete am Fuß der Treppe; er betrat als Erster das Wachhäuschen und stieg die schmale Holztreppe zur Brustwehr hoch, wo ein Kohlenbecken warmes Licht verbreitete. Vier Legionäre hockten ums Feuer herum und würfelten. Als der Kopf des Zenturios auf der Treppe auftauchte, erhoben sie sich und nahmen Haltung an.

»Rührt euch«, sagte Macro. »Weitermachen.«

Als Macro den Riegel anhob, wurde die Holztür zur Brustwehr nach innen gedrückt, und die Kohlen im Becken loderten kurz auf. Macro trat nach draußen und schlug die Tür hinter sich zu. Der schneidende Wind auf dem Wehrgang peitschte seinen Umhang, zerrte an der Schließe an seiner linken Schulter. Fröstelnd packte er den Umhang und drückte ihn fester an sich.

»Wo sind sie?«

Der Wachposten spähte zwischen den Zinnen hindurch in die Dunkelheit und zeigte mit dem Wurfspeer auf eine flackernde Laterne, die an der Rückseite eines sich von Süden her nähernden Wagens hin und her schwankte. Mit zusammengekniffenen Augen machte Macro die Umrisse des Wagens und einen hinterdreinstapfenden Trupp Soldaten aus. Den Abschluss bildete die geordnetere Eskorte, deren Aufgabe es war, Nachzügler anzutreiben. Etwa zweihundert Mann insgesamt.

»Soll ich die Wache alarmieren?«

Macro drehte sich zu dem Wachposten um. »Was hast du gesagt?«

»Soll ich die Wache alarmieren?«

Macro musterte den Mann genervt. Syrus war einer der Jüngsten der Zenturie, und wenngleich Macro die Namen der meisten ihm unterstellten Soldaten mittlerweile kannte, so wusste er doch kaum etwas über ihren Charakter und ihre Vorgeschichte. »Schon lange in der Armee?«

»Nein, Herr. Im Dezember wird es ein Jahr.«

Dann war die Ausbildung also noch frisch, dachte Macro. Ein Pedant, der sich unter allen Umständen an die Regeln hielt. Er würde schon noch lernen, den Mittelweg zwischen der Einhaltung der Regeln und den praktischen Erfordernissen zu finden.

»Also, warum sollten wir die Wache alarmieren?«

»Weil es Vorschrift ist, Herr. Nähert sich dem Lager ein unbekannter Trupp bewaffneter Männer, soll die Zenturienwache das Tor und die angrenzenden Mauern bemannen. «

Macro hob verwundert die Brauen. Der Legionär hatte wortwörtlich zitiert. Syrus nahm seine Ausbildung anscheinend besonders ernst. »Und weiter?«

»Herr?«

»Wie geht es dann weiter?«

»Nachdem der Dienst habende Zenturio sich ein Bild von der Lage gemacht hat, entscheidet er, ob ein allgemeiner Alarm ausgelöst wird«, fuhr Syrus tonlos fort, dann fügte er eilig ein »Herr« an.

»Guter Mann.« Macro lächelte, und der Wachposten lächelte erleichtert zurück, dann wandte Macro sich der näherkommenden Kolonne zu. »Was meinst du, wie gefährlich ist der Trupp? Macht er dir Angst, Soldat? Glaubst du, diese zweihundert Männer werden uns angreifen, die Mauern erklimmen und alle Söhne der Zweiten Legion abschlachten? Nun, was meinst du?«

Der Wachposten sah erst Macro an, dann blickte er kurz zu den flackernden Lichtern hinüber, drehte sich wieder um und sagte verlegen: »Ich glaube nicht.«

»Ich glaube nicht, Herr«, knurrte Macro und knuffte den Burschen gegen die Schulter.

»Verzeihung, Herr.«

»Sag mal, Syrus, hast du vor Wachantritt an der Lagebesprechung teilgenommen?«

»Selbstverständlich, Herr.«

»Hast du dir alle Einzelheiten gemerkt?«

»Ich glaube schon, Herr.«

»Dann erinnerst du dich doch bestimmt, dass ich gesagt habe, ein Ersatzkonvoi sei unterwegs zum Stützpunkt, nicht wahr? Also hättest du mich nicht von der Latrine holen und mir einen besonders guten Schiss verderben sollen. «

Der Wachposten war geknickt und wich der Leidensmiene des Zenturios aus. »Tut mir Leid, Herr. Soll nicht wieder vorkommen.«

»Das will ich auch hoffen. Sonst schiebst du nämlich für den Rest des Jahres doppelt Dienst. Und jetzt sag den anderen Burschen, sie sollen am Tor Aufstellung nehmen. Ich übernehme den Erkennungsanruf.«

Der Wachposten salutierte beschämt und ging zurück zum Wachhäuschen. Macro vernahm die Geräusche der sich erhebenden Wachen, die gleich darauf die Holztreppe zum Haupttor hinunterstiegen. Er lächelte. Der Bursche war aufgeweckt und schuldbewusst, so schuldbewusst, dass er den Fehler nicht noch einmal machen würde. Das war gut. So formte man zuverlässige Soldaten – den geborenen Soldaten gab es nämlich nicht, fand Macro.

Ein jäher Windstoß veranlasste ihn, sich ins Wachhäuschen zurückzuziehen. Er stellte sich dicht an das rot glühende Kohlenbecken und seufzte wohlig, als die Wärme sich in seinem Körper ausbreitete. Nach einer Weile öffnete Macro die kleine Sichtluke und blickte in die Dunkelheit hinaus. Der Konvoi war schon recht nahe, und er konnte den Wagen und die einzelnen Männer der nachfolgenden Kolonne deutlich erkennen. Ein elender Rekrutenhaufen, dachte er, ohne jeden Schwung. Das sah man an ihrem apathischen Gang, den sie auch jetzt nicht änderten, da der Stützpunkt in Sicht war.

Ganz unvermittelt setzte Regen ein. Der Wind trieb die dicken Tropfen, die auf der Haut brannten, schräg vor sich her, doch nicht einmal jetzt wurde der Konvoi schneller. Macro schüttelte entnervt den Kopf und begann mit den Formalitäten. Er öffnete das große Fenstergitter, streckte den Kopf hinaus und atmete tief ein.

»Anhalten!«, rief er. »Gebt euch zu erkennen!«

Der Wagen hielt hundert Fuß vor der Mauer, und neben dem Kutscher richtete sich eine Gestalt auf. »Verstärkungskonvoi von Aventicum und Eskorte, angeführt von Lucius Batiacus Bestia.«

»Losung?«, fragte Macro, obwohl er Bestia, den obersten Zenturio der Zweiten Legion, der auch sein Vorgesetzter war, recht gut kannte.

»Igel. Dürfen wir näher kommen?«

»Erlaubnis erteilt, mein Freund.«

Mit einem Peitschenknall trieb der Kutscher die Ochsen die Böschung vor dem Tor hinauf, während Macro zur Sichtluke trat, die ins Innere der Festung hinausging. Die Wachposten drängten sich ums Nebentor und versuchten, sich aus dem Regen herauszuhalten.

»Öffnet das Tor!«, rief Macro hinunter. Einer der Soldaten zog rasch den Zapfen heraus, dann schoben die anderen den Querbalken beiseite. Mit einem durchdringenden Knarren öffnete sich das Tor gerade in dem Moment, als der Wagen die Böschung erklommen hatte, so dass er vom eigenen Schwung durchs Tor in den Stützpunkt getragen wurde. Vom Wachhäuschen aus beobachtete Macro, wie der Wagen an die Seite fuhr. Bestia sprang vom Kutschbock und schwenkte den Rebstock, den er als Gehstock benutzte, vor der durchnässten Prozession der neuen Rekruten.

»Beeilt euch, Burschen! Bewegt euch! Schneller jetzt! Je schneller ihr drin seid, desto eher kommt ihr ins Warme und Trockene.«

Die Rekruten, die dem Wagen mehr als zweihundert Meilen weit gefolgt waren, begannen augenblicklich umherzuwimmeln, als sie das Tor durchquert hatten. Die meisten waren mit Marschumhängen bekleidet und hatten ihre wenigen Habseligkeiten in Decken verschnürt, die sie auf der Schulter trugen. Die ärmsten Rekruten besaßen gar nichts, einige hatten nicht einmal Umhänge und zitterten infolgedessen erbärmlich im windgepeitschten Regen. Den Abschluss bildete eine kleine Gruppe aneinandergeketteter Verbrecher, die sich für den Militärdienst gemeldet hatten, um der Haft zu entgehen.

Bestia begab sich mitten ins Gedränge hinein und bahnte sich den Weg mit dem Stock.

»Steht nicht einfach hier herum wie eine Herde Schafe! Macht Platz für ein paar richtige Soldaten. Ab zum Straßenrand und stellt euch in diese Richtung auf. Und zwar SOFORT!«

Die letzten Rekruten stolperten durchs Tor, schlossen sich ihren Kameraden an und bildeten gegenüber dem Wagen eine unordentliche Reihe. Zum Schluss marschierte die Eskorte ein, zwanzig Männer im Gleichschritt, die auf ein Kommando Bestias hin gleichzeitig stehen blieben. Um den Gegensatz zu betonen, hielt dieser einen Moment inne, während Macro den Wachposten befahl, das Tor zu schließen und sich wieder ihren Pflichten zuzuwenden. Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt, ging Bestia zu den Rekruten zurück.

»Diese Männer«, sagte Bestia und nickte über die Schulter hinweg, »gehören der Zweiten Legion an – der Augusta -, der härtesten Legion in der ganzen römischen Armee, und das solltet ihr euch merken. Es gibt keinen Barbarenstamm, und lebte er noch so weit entfernt, der nicht von uns gehört und eine Sterbensangst vor uns hätte. Die Zweite hat mehr von diesem Abschaum getötet und mehr von ihrem Land erobert als jede andere Einheit. Das haben wir deshalb geschafft, weil wir die Männer zu den durchtriebensten, schmutzigsten, härtesten Kämpfern der zivilisierten Welt ausbilden … Ihr hingegen seid verweichlichte, nutzlose Scheißhaufen. Ihr seid nicht einmal Männer, sondern die niedrigste Scheißlebensform, die sich je römisch genannt hat. Ich verachte jeden einzelnen Scheißkerl in euren Reihen und werde allen wertlosen Abschaum ausmerzen, so dass nur die Besten in meiner geliebten Zweiten Legion im Zeichen des Adlers dienen werden. Ich habe euch auf dem Weg von Aventicum bis hierher beobachtet und ich muss sagen, ich bin absolut nicht beeindruckt. Ihr habt euch freiwillig gemeldet, und jetzt gehört ihr ganz allein mir. Ich werde euch ausbilden, ich werde euch quälen, ich werde Männer aus euch machen. Und dann – wenn und falls ich den Eindruck gewinne, dass ihr so weit seid – dürft ihr Legionäre werden. Sollte einer von euch nicht das Letzte aus sich herausholen und es an Eifer fehlen lassen, werde ich ihm den Hals brechen – und zwar damit.« Er hielt den Rebstock hoch, damit alle ihn sehen konnten. »Habt ihr Scheißkerle mich verstanden?«

Die Rekruten bejahten halblaut seine Frage; einige waren so müde, dass sie bloß nickten.

»Was sollte das sein?«, brüllte Bestia gereizt. »Ich kann euch nicht hören!«

Er trat zwischen die Männer und packte einen Rekruten grob am Kragen seines Umhangs. Erst jetzt bemerkte Macro, dass der Rekrut anders als die anderen gekleidet war. Der Schnitt seines Umhangs war eindeutig edler – ungeachtet des Drecks, der daran festgebacken war. Der Rekrut war größer als die anderen, jedoch schmal und zart gebaut – das ideale Opfer, um ein Exempel zu statuieren.

»Was ist denn das, verflucht noch mal? Was macht ein beschissener Rekrut mit einem Umhang, den nicht mal ich mir leisten könnte? Hast du ihn etwa gestohlen, Bursche?«

»Nein«, erwiderte der Rekrut gelassen. »Den hat mir ein Freund geschenkt.«

Bestia rammte dem Jungen seinen Rebstock in den Magen, so dass der Rekrut zusammenklappte, vornübersackte und mit den Händen im Pfützenwasser landete. Bestia stand über ihm, den Stock für den nächsten Schlag erhoben.

»Wenn du den Mund aufmachst, nennst du mich Herr! Verstanden?«

Macro beobachtete, wie der nach Luft schnappende junge Mann zu antworten versuchte, dann ließ Bestia den Stock auf seinen Rücken niederkrachen, so dass der Junge aufschrie.

»Ich habe gefragt, ob du mich verstanden hast.«

»Jawohl, H-Herr!«, rief der Rekrut.

»Lauter!«

»JAWOHL, HERR!«

»Schon besser. Und jetzt wollen wir mal sehen, was du da sonst noch hast.«

Der Zenturio packte das Bündel und riss es auf. Der Inhalt verteilte sich auf dem durchweichten Boden; etwas Wäsche zum Wechseln, ein kleiner Trinkbehälter, etwas Brot, zwei Schriftrollen und lederumwickeltes Schreibgerät.

»Was zum …?« Der Zenturio starrte auf das Schreibutensil. Dann hob er den Blick langsam und sah den Rekruten an. »Was ist das?«

»Mein Schreibgerät, Herr!«

»Schreibgerät? Was fängt ein Legionär denn mit Schreibgerät an?«

»Ich habe meinen Freunden in Rom zu schreiben versprochen, Herr.«

»Deinen Freunden?« Bestia grinste. »Dann hast du keine Mutter, der du schreiben könntest? Keinen Vater, wie?«

»Tot, Herr.«

»Kenne ich seinen Namen?«

»Bestimmt, Herr. Er war …«

»Schweig!«, fiel Bestia ihm ins Wort. »Es ist mir egal, wer er war. Was mich betrifft, so seid ihr Scheißkerle, alle miteinander. Also, wie heißt du, Scheißkerl?«

»Quintus Licinius Cato … Herr.«

»Also gut, Cato, ich kenne bloß zwei Sorten von Legionären, die schreiben können – Spione und solche, die sich für so verdammt toll halten, dass sie glauben, sie würden es bis zum Offizier bringen. Zu welcher Sorte gehörst du?«

Der Rekrut beäugte ihn misstrauisch. »Zu keiner von beiden, Herr.«

»Dann wirst du das auch nicht brauchen, oder?« Bestia kickte das Schreibgerät und die Schriftrollen in die Abflussrinne in der Straßenmitte.

»Obacht, Herr!«

»Was hast du gesagt?« Der Zenturio fuhr mit erhobenem Stock herum. »Was hast du da zu mir gesagt?«

»Ich sagte: Obacht, Herr. Eine der Schriftrollen enthält eine persönliche Nachricht an den Legaten.«

»Eine persönliche Nachricht an den Legaten! Also, ich …«

Macro registrierte grinsend, dass es dem grauhaarigen Zenturio vorübergehend die Sprache verschlagen hatte; er kannte das alles schon, jede Entschuldigung, jede Ausrede – diese aber war ihm neu. Was in aller Welt hatte ein Brief an den Legaten bei einem Rekruten zu suchen? Ein Rätsel erster Güte, das Bestia von seinem hohen Ross heruntergeholt hatte. Jedoch nur für kurze Zeit – der Zenturio stieß mit dem Stock nach den Schriftrollen.

»Heb das verdammte Zeug auf und bring es her. Kaum eingetroffen, und schon ist der ganze Stützpunkt verdreckt! Scheißrekruten«, grummelte er. »Wenn ich euch ansehe, muss ich kotzen. Also, du hast gehört, was ich gesagt habe. Heb das auf!«

Während der hoch gewachsene Rekrut sich bückte, um seine Habseligkeiten aufzusammeln, brüllte Bestia eine Reihe von Befehlen und teilte die Rekruten gruppenweise den Männern der Eskorte zu, die sie zu ihren Einheiten geleiten sollten.

»Und jetzt setzt euch in Bewegung! DU NICHT!«, schrie Bestia den hoch gewachsenen Rekruten an, der seine Habseligkeiten mittlerweile wieder in der Decke verstaut hatte und in die Sicherheit des im strömenden Regen wartenden Rekrutenhaufens zurückkehren wollte. »Dort drüben hin! Was gafft ihr so?«

Die Legionäre der Eskorte machten sich daran, ihre Befehle auszuführen. Während die Rekruten umhergescheucht und in Gruppen eingeteilt wurden, riss Bestia Cato die Schriftrolle aus der Hand, welche dieser ihm ohnehin zu reichen gedacht hatte. Darum bemüht, sie vor dem Regen zu schützen, las er den in Wachs geritzten Absender. Er überprüfte auch das Siegel, las noch einmal den Absender und hielt dann einen Moment inne, um sich sein weiteres Vorgehen zu überlegen. Zufällig blickte er zum Tor hinüber und bemerkte Macros Grinsen; damit war die Sache entschieden.

»Macro! Schaff deinen Arsch hierher.«

Kurz darauf nahm Macro vor Bestia Haltung an, heftig blinzelnd, da ihm der Regen vom Rand des Helms in die Augen troff.

»Das scheint mir echt zu sein.« Bestia wedelte mit der Schriftrolle vor der Nase des Zenturios herum. »Ich möchte, dass du das an dich nimmst und unseren Freund zum Hauptquartier begleitest.«

»Ich habe Wachdienst.«

»Dann stelle ich dich bis zu deiner Rückkehr davon frei. Geh schon.«

Scheißkerl!, fluchte Macro lautlos. Bestia hatte keine Ahnung, ob der Brief wichtig oder überhaupt echt war, doch er wollte kein Risiko eingehen. Die Mitteilungen an die Legaten nahmen heutzutage seltsame Wege, selbst wenn sie von höchster Stelle stammten. Da war es besser, für den Fall, dass der Brief sich als bedeutungslos erweisen sollte, jemand anderem die Verantwortung zuzuschieben.

»Jawohl, Herr«, antwortete Macro verbittert, als er die Schriftrolle entgegennahm.

»Bleib nicht zu lange weg, Macro. Auf mich wartet ein warmes Bett.«

Bestia stolzierte zum Wachhaus und stieg die Treppe zum Aufenthaltsraum hoch. Macro blickte ihm finster nach. Dann drehte er sich um und musterte erst einmal ausgiebig den neuen Rekruten, dem er es zu verdanken hatte, dass er nun im strömenden Regen den weiten Weg zum Hauptquartier zurücklegen musste. Er durfte dabei aufblicken, denn der Bursche war fast einen Fuß größer als er. Unter dem Rand des Reiseumhangs hatte der Regen den schwarzen Haarschopf in wirre, flache Strähnen zerlegt. Unter einer flachen Stirn funkelten beiderseits der langen, schmalen Nase durchdringende Augen in tiefen Höhlen. Der Junge hatte den Mund fest geschlossen, doch die Unterlippe zitterte leicht. Seine Kleidung war zwar durchnässt und aufgrund des langen Weges vom Stützpunkt in Aventicum bis hierher verdreckt, jedoch von erstaunlich guter Qualität. Was nun das Schreibgerät, die Bücher und den Brief an den Legaten anging … Nun, dieser Rekrut war von einem besonderen Schlag. Offenbar stammte er aus wohlhabenden Verhältnissen, aber warum in aller Welt trat er dann in die Armee ein?

»Cato, nicht wahr?«

»Ja.«

»Man nennt mich Herr.« Macro lächelte.

Als Cato so etwas wie Haltung annahm, lachte Macro. »Immer mit der Ruhe, Junge. Die Parade steht erst morgen an. Und jetzt wollen wir mal deinen Brief zustellen.«

Macro versetzte dem jungen Burschen einen sanften Schubs in Richtung des Mittelpunkts des Stützpunkts, wo in der Ferne das Gebäude des Hauptquartiers aufragte.

»Weißt du, was das für ein Siegel ist?«

»Ja, Herr. Das kaiserliche Siegel.«

»Und weshalb verwendet der kaiserliche Beamtenapparat einen Rekruten als Kurier?«

»Ich habe keine Ahnung, Herr«, antwortete Cato.

»Von wem ist der Brief?«

»Vom Kaiser.«

Macro unterdrückte einen Ausruf des Erstaunens. Der Bursche war sich seiner Aufmerksamkeit jetzt sicher. Warum in aller Welt ließ der Kaiser eine kaiserliche Botschaft durch einen verdammten Legionärsrekruten übermitteln? Aber vielleicht steckte ja mehr hinter dem Jungen, als man auf den ersten Blick meinen mochte. Macro kam zu dem Schluss, dass hier ein besonders taktvolles Vorgehen angebracht war, wenn er mehr in Erfahrung bringen wollte.

»Entschuldige die Frage, aber was machst du hier?«

»Was ich hier mache, Herr? Ich trete der Armee bei, Herr.«

»Aber warum?«, hakte Macro nach.

»Das hat mit meinem Vater zu tun. Er stand bis zu seinem Tod im Dienst des Kaisers.«

»Was hat er gemacht?«

Statt zu antworten, senkte der Junge den Kopf und schaute bekümmert drein.

»Nun?«

»Er war ein Sklave, Herr.« Selbst ein so rauer Bursche wie Macro spürte die Verlegenheit, mit der das Eingeständnis vorgebracht wurde. »Bis Tiberius ihn freiließ. Ich wurde kurz vorher geboren.«

»Das ist hart.« Macro hatte Mitgefühl mit ihm; der Status des freien Bürgers bezog die Nachkommen nicht ein. »Ich nehme an, du wurdest bald darauf freigelassen. Hat dein Vater dich freigekauft?«

»Das wurde ihm nicht gestattet, Herr. Aus irgendeinem Grund hat Tiberius ihm das untersagt. Mein Vater starb vor einigen Monaten. In seinem Testament bat er darum, mich unter der Bedingung freizulassen, dass ich weiterhin dem Reich diene. Kaiser Claudius willigte unter der Voraussetzung ein, dass ich in die Armee eintrete, und da bin ich nun.«

»Hmmm. Nicht sonderlich großzügig.«

»Da bin ich anderer Meinung, Herr. Jetzt bin ich frei. Das ist besser als ein Sklavenleben.«

»Glaubst du wirklich?« Macro lächelte. Ihm erschien der Tausch eher ungünstig: die Annehmlichkeiten des Palasts gegen das entbehrungsreiche Leben in der Armee – und hin und wieder die Gelegenheit, in der Schlacht Leib und Leben aufs Spiel zu setzen. Macro hatte gehört, dass einige der wohlhabendsten und mächtigsten Männer Roms Sklaven und Freigelassene im kaiserlichen Dienst waren.

»Wie dem auch sei, Herr«, fuhr Cato mit einem Anflug von Bitterkeit fort. »Ich hatte keine andere Wahl.«

2

Als die beiden Gestalten aus der Dunkelheit auftauchten – der eine mit dem Kammhelm des Zenturios, der andere ein durchnässter Halbwüchsiger –, kreuzten die Wachen am Tor des Hauptquartiers die Speere. Sie traten in den flackernden Schein der Fackeln, die in Halterungen am Portikus festgeklemmt waren.

»Losung?«, fragte einer der Wachposten.

»Igel.«

»Dein Anliegen, Herr?«

»Der Bursche hat eine Nachricht für den Legaten.«

»Einen Moment, Herr.« Der Soldat verschwand im Innenhof und ließ sie unter den wachsamen Blicken der übrigen drei Wachposten warten, allesamt große Männer – handverlesene Leibwächter des Legaten. Macro löste den Kinnriemen, nahm den Helm ab und klemmte ihn sich zur Vorbereitung auf die Begegnung mit einem ranghöheren Offizier unter den Arm. Cato streifte seine Kapuze zurück und strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht. Macro bemerkte, dass der Bursche sich neugierig umsah, obwohl er vor Kälte zitterte. Ein Funken Mitgefühl regte sich in Macro, als er sich an seine eigenen Gefühle beim Eintritt in die Armee erinnerte: an die mit Angst vermischte Erregung, welche diese vollkommen unbekannte Welt mit ihren strengen Regeln, ihren Gefahren und ihrem harten Leben, das sich so sehr von den Annehmlichkeiten in seinem Elternhaus unterschied, bei ihm ausgelöst hatte.

Cato wrang das Wasser aus dem Umhang, so dass sich zu seinen Füßen eine Pfütze bildete.

»Hör auf damit!«, fauchte Macro. »Mach hier keine Schweinerei. Du kannst dich später trocknen.«

Cato schaute hoch, die Hände um den fest zusammengepressten Saum gekrallt. Er setzte gerade zu einer Entgegnung an, als er bemerkte, dass die Soldaten ihn missbilligend musterten.

»Oh, tut mir Leid«, murmelte er und ließ den Saum los.

»Schau mal, mein Junge«, sagte Macro so freundlich wie möglich. »Niemanden stört es, wenn ein Soldat verdreckt ist, vorausgesetzt, es ließ sich nicht umgehen. Was anderes ist ein Soldat, der rumzappelt. Das bringt die Armee in Rage. Hab ich Recht, Leute?« Er wandte sich an die Wachposten, die heftig nickten. »Also von jetzt an kein Gezappel mehr. Gewöhn dir an, still zu stehen und zu warten. Damit verbringen wir die meiste Zeit, das wirst du schon noch merken.«

Die Wachposten seufzten mitfühlend.

Vom Innenhof her näherten sich Schritte; der Soldat kehrte zum Portikus zurück.

»Wird uns der Legat empfangen?«

»Keine Ahnung, Herr. Mir wurde befohlen, dich zum Obertribun zu bringen. Hier entlang, bitte.«

Er geleitete sie durch einen breiten Torbogen in einen von einem überdachten Gang umgebenen Hof. Unablässig strömte der Regen von den Dachziegeln in die Abflussrinnen und floss darin auf die Straße ab. Der Wachposten führte sie an der Hofseite entlang zu einer Tür gegenüber dem Portikus. Hinter der Tür lag ein großer, von Schreibstuben gesäumter Saal; lediglich an der gegenüberliegenden Wand verbarg ein purpurfarbener Vorhang den Schrein der Legion. Vor dem Vorhang standen zwei Standartenträger mit gezogenen Schwertern. Der Soldat wandte sich nach links, blieb vor einer Tür stehen und klopfte zweimal.

»Herein!«, rief jemand, worauf der Soldat rasch die Tür öffnete. Macro trat als Erster ein und bedeutete Cato, ihm zu folgen. Der Raum war schmal, jedoch so lang, dass er Platz für einen Schreibtisch an der Seite und ein Gestell mit Schriftrollen am anderen Ende bot. Gleich hinter der Tür stand ein Kohlenbecken, das einen warmen Mief verbreitete. Am Schreibtisch saß ein Tribun. Macro kannte ihn vom Sehen; er hieß Aulus Vitellius und war ein ehemaliger römischer Lebemann, der mittlerweile eine politische Karriere eingeschlagen hatte, die im Kommandostab einer Legion begann. Vitellius war ein fülliger Mann mit dunklem, olivfarbenem Teint, der seine italische Abstammung verriet. Beim Eintreten der Besucher strich er sich das Haar zurück und wandte sich ihnen zu.

»Wo ist der Brief?«, fragte er mit tiefer, ungeduldiger Stimme.

Macro reichte ihm das betreffende Schriftstück und trat dann einen Schritt zurück. Cato stand schweigend an seiner Seite, unmittelbar neben dem Kohlenbecken. Der Anflug eines zufriedenen Lächelns spielte um seine Lippen, als die Wärme in ihn einströmte und das Zittern aufhörte.

Vitellius warf einen Blick auf den Brief, dann strich er, von Neugier überwältigt, über das kaiserliche Siegel.

»Weißt du, was das ist?«

»Der Bursche meint, das …«

»Dich habe ich nicht gefragt, Zenturio … Also?«

»Ich glaube, das ist ein persönliches Schreiben von Kaiser Claudius, Herr«, antwortete Cato.

Dem Tribun, dem Catos Betonung des Wortes ›persönlich‹ nicht entgangen war, musterte ihn mit eisigem Blick. »Und was könnte deiner Meinung nach so persönlich sein, dass der Kaiser die Übermittlung ausgerechnet dir anvertraut? «

»Das weiß ich nicht, Herr.«

»So ist es. Daher glaube ich, du kannst mir den Brief bedenkenlos anvertrauen. Ich werde dafür sorgen, dass der Legat ihn in Kürze erhält. Wegtreten.«

Macro wandte sich sogleich zur Tür, der junge Rekrut aber zögerte. »Verzeihung, Herr. Die Schriftrolle?«

Vitellius starrte ihn verblüfft an, während Macro den Burschen eilig beim Arm packte.

»Verschwinden wir, Bursche. Der Tribun ist ein viel beschäftigter Mann.«

»Mir wurde aufgetragen, die Schriftrolle persönlich zu übergeben, Herr.«

»Wie kannst du es wagen?«, fragte Vitellius leise und zog die Brauen zusammen, während der Widerschein des Kohlenbeckens über seine dunklen Augen flackerte.

Einen Moment lang beobachtete Macro den stummen Dialog: der Tribun bemüht, seinen Ärger zu bezähmen, der Bursche ängstlich, aber standhaft. Dann blickte der Tribun den Zenturio an und lächelte gezwungen.

»Also gut, dann eben persönlich.« Vitellius erhob sich, die Schriftrolle in der Hand. »Kommt mit.«

Vitellius geleitete sie über einen kurzen Gang in ein Vorzimmer, wo der Privatsekretär des Legaten neben der mit Ziernägeln geschmückten Tür an einem Schreibtisch arbeitete. Bei ihrem Eintreten schaute er hoch und erhob sich schwerfällig, als er Vitellius erkannte.

»Kann ich den Legaten sprechen?« fragte Vitellius in barschem Ton.

»Ist es dringend, Herr?«

»Eine Nachricht vom Kaiser.« Vitellius hielt die Schriftrolle so, dass das Siegel zu erkennen war. Der Sekretär klopfte daraufhin an die Tür zum Arbeitszimmer des Legaten, trat ein, ohne die Antwort abzuwarten, und schloss die Tür hinter sich. Einen Moment lang herrschte Stille, dann ging die Tür wieder auf. Der Sekretär ließ Vitellius ein und verwehrte den beiden anderen mit erhobener Hand den Eintritt. Macro vernahm eine laute Stimme, durchbrochen von den einsilbigen Antworten Vitellius’. Die Standpauke währte zum Glück nur kurz, doch als der Tribun zum Verwaltungssaal zurückging, warf er dem Zenturio einen kalten, feindseligen Blick zu.

»Er ist jetzt bereit, dich zu empfangen.« Der Sekretär zeigte ins Büro.

Macro kochte vor Wut auf Bestia. Der verdammte Brief würde ihm den Rest geben. Erst hatte Bestia ihn angewiesen, den Jungen zum Hauptquartier zu begleiten, und nun hatte er den Zorn des Tribuns auf sich gezogen, weil er ihm seine kostbare Zeit gestohlen hatte. Wenn Vitellius, ein Tribun, abgekanzelt werden konnte, dann wussten allein die Götter, wie der Legat mit einem einfachen Zenturio verfahren würde. Und Schuld daran hatte allein der verdammte Bursche. Unwillkürlich gab Macro den Blick weiter, den er von Vitellius empfangen hatte, dann schluckte er trocken und marschierte schneidig durch die Tür, vorbei an dem blasierten Sekretär. In diesem Moment hätte er sich lieber einsam und allein zehn brüllenden gallischen Kriegern gestellt.

Das Arbeitszimmer des Legaten war geräumig, was nicht verwunderlich war. Die gegenüberliegende Seite wurde beherrscht von einem Tisch mit schwarzer Marmorplatte, hinter dem Titus Flavius Sabinus Vespasian saß – der soeben mit finsterem Blick von einem Brief aufsah.

»Also schön, Zenturio. Was hast du hier verloren?«

»Herr?«

»Du solltest eigentlich Dienst tun.«

»Befehle, Herr. Ich sollte den neuen Rekruten zur Kommandostelle bringen und dafür sorgen, dass du den Brief erhältst.«

»Wer hat dir das aufgetragen?«

»Lucius Batiacus Bestia. Er übernimmt bis zu meiner Rückkehr die Wache, Herr.«

»Ach, tatsächlich?« Vespasian legte die breite Stirn in Falten. Dann wanderte sein Blick zu dem jungen Rekruten, der einen Schritt hinter und neben Macro stand, in der verzweifelten Hoffnung, dass Reglosigkeit der sicherste Weg zur Unsichtbarkeit sein mochte. Der Legat musterte den Jungen rasch, schätzte ihn ein. »Du bist Quintus Licinius Cato?«

»Jawohl, Herr.«

»Aus dem Palast?«

»Ja, Herr.«

»Ziemlich ungewöhnlich, zurückhaltend ausgedrückt«, meinte Vespasian. »Der Palast bringt nicht viele Rekruten für die Legionen hervor, von meiner Frau einmal abgesehen – aber selbst ihr fällt es schwer, sich an meine heruntergekommene Behausung zu gewöhnen. Ich bezweifle, dass dir unser Leben hier zusagen wird, aber jetzt bist du Soldat, und damit basta.«

»Ja, Herr.«

»Das hier«, sagte Vespasian und schwenkte den Brief, »ist ein Empfehlungsschreiben. Für gewöhnlich befasst sich mein Sekretär mit derlei trivialen Dingen, weil ich Wichtigeres zu tun habe – wie zum Beispiel eine Legion zu befehligen. Daher kannst du dir wohl vorstellen, wie ärgerlich es mich macht, dass der Tribun seine und, noch wichtiger, meine Zeit mit einer solchen Angelegenheit vergeudet. «

Vespasian hielt inne, und die beiden Besucher wanden sich unter seinem vernichtenden Blick. Dann fuhr er in versöhnlicherem Ton fort: »Da der Brief jedoch von Claudius stammt, wie du wohl weißt, muss ich mich seinem Willen, einen seiner Legaten mit unbedeutenden Angelegenheiten zu behelligen, beugen. Der Kaiser teilt mir mit, dass er dich aus Dankbarkeit für die Dienste deines Vaters freilässt und von mir wünscht, dich zum Zenturio zu ernennen.«

»Ach«, sagte Cato. »Ist das gut, Herr?«

Macro bekam vor Wut einen Hustenanfall, dann fasste er sich wieder und ballte die Fäuste an den Schenkeln.

»Probleme, Zenturio?«, fragte Vespasian leichthin.

»Nein, Herr«, stieß Macro hervor.

»Nun denn, Cato«, fuhr der Legat milde gestimmt fort. »Ungeachtet des Wunsches des Kaisers ist es völlig ausgeschlossen, dass ich dich zum Zenturio ernenne. Wie alt bist du?«

»Sechzehn, Herr. Nächsten Monat werde ich siebzehn.«

»Sechzehn … Also kaum alt genug, um dich einen Mann zu nennen. Jedenfalls zu jung, um Männer zu führen. «

»Ich bitte um Verzeihung, Herr, aber Alexander war auch erst sechzehn, als er seine erste Armee in der Schlacht befehligte.«

Vespasians Brauen ruckten nach oben. »Du hältst dich für einen Alexander? Was weißt du über das Militärwesen? «

»Ich habe es studiert, Herr. Ich kenne die Arbeiten von Xenophon, Herodot, Livy und natürlich auch die von Caesar.«

»Und das macht dich zu einem Experten für die heutige römische Armee, nicht wahr?« Die Hybris des jungen Burschen machte Vespasian offenbar Spaß. »Also, ich muss sagen, ich wünschte, alle unsere Rekruten wären in der Kriegskunst so bewandert. Es wäre mal ganz etwas Neues, wenn ein Heer mit dem Kopf anstatt mit dem Magen marschieren würde. Das wäre doch was, nicht wahr, Zenturio? «

»Jawohl, Herr«, antwortete Macro. »Dann hätten wir alle Kopfschmerzen anstatt Bauchschmerzen, Herr.«

Vespasian blickte Macro überrascht an. »Sollte das ein Scherz sein, Zenturio? Ich scherze nicht mit den unteren Rängen. Wir sind hier in der Armee, nicht in einer Kömödie von Plautus.«

»Jawohl, Herr. Von wem, Herr?«

»Ein Stückeschreiber«, erklärte Cato geduldig. »Plautus hat Motive des griechischen Theaters adaptiert – «

»Das reicht, mein Sohn«, fiel Vespasian ihm ins Wort. »Heb dir das für die literarischen Salons auf, solltest du jemals nach Rom zurückkehren. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Du wirst nicht Zenturio werden.«

»Aber, Herr …«

Vespasian hieß ihn mit erhobener Hand schweigen, dann zeigte er auf Macro. »Siehst du diesen Mann? Er ist jetzt Zenturio. Der Mann, der dich von Aventicum hierher geführt hat, ist ebenfalls Zenturio. Was meinst du wohl, wie sie Zenturio geworden sind?«

Cato hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, Herr.«

»Keine Ahnung? Dann hör mir mal gut zu. Dieser Mann, Macro, war viele Jahre Legionär – wie viele waren es, Zenturio?«

»Vierzehn Jahre, Herr.«

»Vierzehn Jahre. Und in dieser Zeit ist er durch die halbe bekannte Welt und wieder zurück marschiert. Dieser Mann hat in weiß Jupiter wie vielen Schlachten und kleinen Scharmützeln gekämpft. Er wurde an sämtlichen Waffen ausgebildet, die in der Armee gebräuchlich sind. Er kann mit Gepäck und in voller Rüstung zwanzig Meilen am Tag marschieren. Man hat ihm beigebracht, zu schwimmen und Straßen, Brücken und Festungen zu bauen. Außerdem verfügt er noch über zahlreiche weitere Fertigkeiten. Dieser Mann hat seine Patrouille in Sicherheit gebracht, obwohl die Germanen auf der anderen Rheinseite ihnen den Rückweg abgeschnitten hatten. Erst danach, und keinen Moment früher, hielt man ihn der Beförderung zum Zenturio für würdig. Und welche dieser Fertigkeiten beherrschst du? Im Moment?«

Cato überlegte einen Moment. »Ich kann schwimmen, Herr – ein wenig.«

»Hast du schon mal an eine Karriere bei der Seestreitmacht gedacht?«, fragte Vespasian hoffnungsvoll.

»Nein. Ich werde leicht seekrank.«

»Du meine Güte. Also, ich fürchte, deine Schwimmfähigkeiten befähigen dich nicht zum Offizier, aber da wir nächstes Jahr jeden einzelnen Mann brauchen werden, erlaube ich dir, der Zweiten Legion beizutreten. Wegtreten … so sagt man bei der Armee, also sei brav und warte draußen.«

»Ja, Herr.«

Als sich die Tür hinter dem jungen Mann geschlossen hatte, schüttelte Vespasian den Kopf. »Wie konnte es nur so weit kommen? Glaubst du, wir können einen Soldaten aus ihm machen, Zenturio?«

»Nein, Herr«, antwortete Macro prompt. »Die Armee ist ein zu gefährlicher Ort für Theaterkritiker.«

»Typisch Rom«, seufzte Vespasian eingedenk jener unglücklichen Personen, die vorschnell ihre Meinung zu den literarischen Ergüssen des verstorbenen Caligula kundgetan hatten. Nicht, dass es unter seinem Nachfolger Claudius wesentlich besser geworden wäre. Der neue oberste Sekretär des Kaisers, der freigelassene Sklave Narcissus, hatte überall seine Spione und sammelte eifrig Berichte über alle Römer, von denen für das neue Regime auch nur die geringste Gefahr ausgehen mochte. Die Atmosphäre in der Hauptstadt war nach Scribonianus’ gescheitertem Putschversuch vergiftet, und vor kurzem hatte Vespasian erfahren, dass auch mehrere Freunde seiner Frau zu den bereits Verhafteten zählten. Flavia war erst kürzlich besorgt und verängstigt im Stützpunkt eingetroffen, und nicht zum ersten Mal wünschte Vespasian, sie ließe bei der Auswahl ihres Umgangs größere Umsicht walten. Aber das hat man nun davon, dachte Vespasian, wenn man eine Frau heiratet, die in der politisch aufgeladenen Atmosphäre des Kaiserhofs aufgewachsen ist. Genau wie der draußen wartende junge Mann. Vespasian blickte vom Schreibtisch auf.

»Nun gut, Zenturio, wir werden sehen, was wir für den jungen Cato tun können. Hat deine Zenturie volle Mannstärke? Hast du nicht kürzlich deinen Stellvertreter verloren? «

»Jawohl, Herr. Der Optio ist heute Morgen gestorben.«

»Gut, das vereinfacht die Sache. Teile den Jungen deiner Zenturie zu und mach ihn zum Optio.«

»Aber, Herr!«

»Kein Aber. So lautet mein Befehl. Wir können ihn nicht zum Zenturio ernennen, aber das kaiserliche Diktat kann ich auch nicht gänzlich ignorieren. Folglich müssen wir uns mit ihm abfinden. Wegtreten.«

»Jawohl, Herr.« Macro salutierte, machte schneidig kehrt und marschierte, lautlos fluchend, aus dem Arbeitszimmer. Die Ernennung zum Optio oblag üblicherweise dem Zenturio und war eine Menge Geld wert. Er würde halt auf die eine oder andere Weise dafür sorgen müssen, dass der Bursche das Amt nicht zu lange innehatte. Wenn man ein wenig nachhalf, würde es ein Leichtes sein, einen verweichlichten Stadtmenschen, der hier eigentlich nichts verloren hatte, dazu zu bringen, um seine Entlassung zu ersuchen.

Cato erwartete ihn draußen. Der Bursche lächelte schwach, und Macro hätte ihm beinahe eins verpasst.

»Was wird nun aus mir, Herr?«

»Halt einfach den Mund und komm mit.«

»Jawohl, Herr.«

»Männer, ich möchte euch den neuen Optio vorstellen.«

In der dunklen Messe wandten sich Gesichter dem Zenturio zu, erhellt vom schwachen orangefarbenen Schein der wenigen Lampen, die brennen zu lassen sie sich leisten konnten. Als ihr Blick vom Zenturio zu dem hoch gewachsenen jungen Burschen an seiner Seite schweifte, vermochten nur wenige ihr Erstaunen zu verhehlen.

»Hast du gesagt … der neue Optio?«, fragte jemand.

»So ist es, Pyrax.«

»Ist er nicht ein wenig, nun ja, jung?«

»Offenbar nicht«, erwiderte Macro verbittert. »Der Kaiser hat neue Auswahlkriterien für Nachwuchsoffiziere verkündet. Man muss groß und schlank sein, ein gewähltes Griechisch sprechen und vertraut sein mit der lateinischen Geschichte. Wer sich die Mühe gemacht hat, die Werke der Literaturgeschichte zu lesen, erhält den Vorzug. «

Die Männer sahen ihn verständnislos an, doch Macro war zu aufgebracht, um weitere Erklärungen abzugeben. »Jedenfalls, da ist er nun. Pyrax, ich möchte, dass du ihn zu meinem Sekretär machst. Trag ihn ein und gib ihm ein Siegel. Er kommt zu deiner Abteilung.«

»Herr, ich dachte, Rekruten könnten nur von Offizieren eingeschrieben werden.«

»Hör mal, ich bin im Moment zu beschäftigt«, brauste Macro auf. »Außerdem ist das ein Befehl. Du bist mir für ihn verantwortlich. Also an die Arbeit.«

Macro stürmte aus der Messe und eilte zurück zu seinem Quartier. Vor seinem kleinen Arbeitszimmer wartete Piso mit einigen Schriftstücken.

»Herr, wenn du gerade mal unterschreiben könntest …«

»Später.« Macro winkte ab und nahm auf dem Weg zum Ausgang einen trockenen Umhang an sich. »Habe noch Dienst.«

Als die Tür hinter ihm zufiel, kehrte Piso achselzuckend zum Schreibtisch zurück.

 

Einige Zeit später setzte Cato sich auf der obersten Pritsche eines Gruppenschlafraums kerzengerade auf. Er war so groß, dass er am Scheitel das Stroh unter den Dachziegeln spürte. Er zuckte zusammen, fragte sich auf einmal, ob im Dachstuhl – wohl Ratten waren, und zupfte nervös an dem kleinen Bleibarren, den er an einem Lederriemen um den Hals trug. Darin waren sein Name, seine Legion und das kaiserliche Siegel eingeritzt. Der Barren würde ihn begleiten, bis er die Armee entweder verließ oder in der Schlacht fiel. Dann würde man ihn mit seiner Hilfe identifizieren können. Das Kinn auf die Knie gestützt, sann Cato über einen Ausweg aus dieser grässlichen Lage nach. Der Gruppenraum mit den beengten Pritschen für acht Mann war nicht besser als die Ställe der Arbeitspferde im Palast.

Und erst die Männer!

Tiere waren das. Bei der Vorstellung in der Messe hatte Cato sich zusammennehmen müssen, um sich seinen Abscheu vor den stinkenden, betrunkenen, furzenden und rülpsenden Legionären nicht anmerken zu lassen. Die Männer wiederum hatten anscheinend nicht gewusst, wie sie ihn einschätzen sollten. Ein gewisses Ressentiment war deutlich spürbar gewesen. Offenbar war der Rang des Optios von vielen begehrt. Nominell war er ihr Vorgesetzter, doch hatte man ihm nicht zu verstehen gegeben, dass man ihn auch als solchen behandeln würde.

Die Unterhaltungen drehten sich allein darum, wer die meisten Frauen flachgelegt und die meisten Barbaren getötet hatte, wer am weitesten spucken und am lautesten furzen konnte – halt solche Sachen. Vielleicht ganz anregend für die Sinne, der Geist kam dabei allerdings zu kurz. Nach einer angemessenen Weile bat Cato Pyrax freundlich, ihm sein Zimmer zu zeigen. Alle Gesichter im Raum wandten sich ihm zu, einige mit staunend aufgerissenen Augen und offenen Mündern. Cato spürte, dass er ins Fettnäpfchen getreten war, und sagte sich, dass frühes Zubettgehen die dicke Luft ganz bestimmt beseitigen würde.

3

Gegen Abend des nächsten Tages, als sich die Dämmerung rund um die Festung sammelte und die kalte Winterluft schneidend wurde, schleppte sich ein erschöpfter Cato zu den Unterkünften. Im Gruppenraum war es still, doch als er die Tür schloss, bemerkte Cato, dass er nicht allein war. Er reagierte mit einem Anflug von Gereiztheit auf diese Störung des Moments der Abgeschiedenheit, auf den er sich gefreut hatte. Pyrax saß auf seiner Pritsche und flickte im verblassenden Licht, das durchs offene Fenster fiel, gerade seinen Ersatzumhang. Als Cato zu seiner Pritsche ging und voll bekleidet hinaufkletterte, schaute er hoch.

»Ein schwerer Tag, was, mein Junge?«

»Ja«, brummte Cato, der einem Gespräch aus dem Weg gehen wollte.

»Es wird bloß noch schlimmer.«

»Oh.«

»Glaubst du, du schaffst es?«

»Ja«, antwortete Cato fest. »Ich werde es schaffen.«

»Ach was!« Pyrax schüttelte den Kopf. »Du bist zu weich. Ich gebe dir einen Monat.«

»Einen Monat?«, erwiderte Cato erbost.

»Ja. Einen Monat, wenn du vernünftig bist … Wenn du dumm bist, länger.«

»Wovon redest du überhaupt?«

»Du hast hier nichts verloren. Du bist nicht aus dem rechten Holz geschnitzt – bist ja noch immer feucht hinter den Ohren.«

»Ich bin fast siebzehn. Ich kann Soldat werden.«

»Bist noch zu jung für einen Soldaten. Und du bist nicht in Form. Bestia wird dich in Kürze fertigmachen.«

»Bestimmt nicht! Das verspreche ich dir«, ließ Cato sich hinreißen. »Eher sterbe ich.«

»So weit könnte es durchaus kommen.« Pyrax hob die Schultern. »Könnte nicht behaupten, dass viele das bedauern würden.«

»Was soll das denn heißen?«

»Ach, nichts …« Unempfänglich für die Beschämung des Halbwüchsigen fuhr er mit Nähen fort, während Cato ihn weiter anfunkelte. Pyrax konzentrierte sich darauf, die Stiche am Saum ganz gerade zu setzen. Cato beobachtete ihn teilnahmslos; sein Leben lang hatte er den Palastsklavinnen beim Ausbessern der Kleidung zugeschaut. Spinnen, Weben und Nähen, das war alles Frauenarbeit, und es war ungewohnt für ihn, einen Mann eine Nadel so geschickt handhaben zu sehen.

Cato war sich darüber im Klaren, dass ihm seine Ernennung zum Optio eine Menge Feinde gemacht hatte. Mit Bestia, dem für die Ausbildung zuständigen Zenturio, war er bereits aneinander geraten. Schlimmer noch, auch einige Rekruten verhielten sich ihm gegenüber unverhohlen feindselig, besonders eine Gruppe von Männern, die unmittelbar aus einem Gefängnis in Perusia zur Legion gekommen waren, den ganzen Weg über in Ketten gelegt. Deren selbsternannter Anführer war ein untersetzter Mann, der so hässlich war, dass er ausgerechnet den Spitznamen Pulcher verliehen bekommen hatte – der Schöne. Eines Tages während des Marsches war Cato hinter Pulcher gegangen, als der einen Schluck aus Catos Feldflasche verlangt hatte. Eigentlich bloß eine Kleinigkeit, doch der Tonfall, mit dem die Bitte vorgebracht wurde, war dermaßen aufgeladen gewesen mit unterschwelliger Drohung, dass Cato ihm die Flasche auf der Stelle überließ. Pulcher trank in tiefen Zügen, doch als Cato die Flasche zurückverlangte, reichte er den Wein an seine Freunde weiter.

»Willst du sie zurück?« Pulcher bleckte höhnisch grinsend die Zähne. »Dann nimm sie dir.«

»Gib sie mir.«

»Zwing mich doch.«

Bei der Erinnerung zuckte Cato schuldbewusst zusammen und fragte sich wieder einmal, ob er sich damals wie ein richtiger Soldat verhalten hatte. Ein richtiger Soldat hätte den Mann auf der Stelle niedergestreckt und sich die Flasche genommen. Die Vernunft hingegen sagte ihm, dass man wie ein gemauertes Scheißhaus gebaut sein musste, um es mit dem kräftigen Pulcher aufzunehmen, der Hände wie Schaufeln hatte. Als hätte er seine Gedanken gelesen, hatte Pulcher geknurrt, worauf Cato unwillkürlich einen Schritt zurückgetreten war, was alle zum Lachen brachte. Er hatte geglüht vor Scham, sich aber gleichwohl gesagt, dass es im Grunde nur vernünftig und angemessen sei, überlegenen Kräften zu weichen. Ein freundlicher Soldat aus der Eskorte hatte die Flasche an sich genommen und sie Cato lachend zugeworfen. Pulcher spie in seine Richtung aus, dann trieb ihn der Soldat mit dem Speerschaft in die Reihe zurück.

»Wir sehen uns im Lager wieder, Kleiner!«, knurrte Pulcher und hob die Ketten. »Sobald ich die los bin.«

Seit ihrer Ankunft in der Festung waren die Rekruten beschäftigt gewesen, und Cato hoffte, dass Pulcher ihn vergessen hatte. Er hatte sich von dem Mann nach Möglichkeit ferngehalten, war sogar seinem Blick ausgewichen und hatte sich bemüht, unsichtbar zu werden. Jetzt war er