Hohlbein Classics - In den Ruinen von Yor-Marataar - Wolfgang Hohlbein - E-Book

Hohlbein Classics - In den Ruinen von Yor-Marataar E-Book

Wolfgang Hohlbein

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Beschreibung

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe "Hohlbein Classics" versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Die Story: Ein Vulkan, seit langem erloschen, erwacht zu neuem Leben. Doch keine Rauchwolke steigt aus dem Krater, sondern dämonische Mächte kriechen hangabwärts und schleichen auf die ahnungslosen Menschen in den umliegenden Dörfern zu. So stark ist die dämonische Energie, die der Berg ausströmt, dass Damona King wie aus dem Nichts davon getroffen wird und die Befehle der unheimlichen Macht befolgen muss. Eine ihrer ersten Aufgaben lautet: Töte Mike Hunter, deinen Freund und Geliebten!

"In den Ruinen von Yor-Marataar" erschien erstmals am 03.10.1983 unter dem Pseudonym Henry Wolf als Teil der "Damona-King"-Serie in der Reihe "Gespenster-Krimi".

Der Autor: Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

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Inhalt

CoverHohlbein ClassicsÜber diese FolgeÜber den AutorTitelImpressumIn den Ruinen von Yor-MarataarVorschau

Hohlbein Classics

Jetzt zum ersten Mal als E-Book verfügbar: Die Reihe »Hohlbein Classics« versammelt die frühen Werke von Wolfgang Hohlbein, die seinerzeit im Romanheft erschienen sind.

Über diese Folge

In den Ruinen von Yor-Marataa

Ein Gespenster-Krimi

Ein Vulkan, seit langem erloschen, erwacht zu neuem Leben. Doch keine Rauchwolke steigt aus dem Krater, sondern dämonische Mächte kriechen hangabwärts und schleichen auf die ahnungslosen Menschen in den umliegenden Dörfern zu. So stark ist die dämonische Energie, die der Berg ausströmt, dass Damona King wie aus dem Nichts davon getroffen wird und die Befehle der unheimlichen Macht befolgen muss. Eine ihrer ersten Aufgaben lautet: Töte Mike Hunter, deinen Freund und Geliebten!

»In den Ruinen von Yor-Marataar« erschien erstmals am 03.10.1983 unter dem Pseudonym Henry Wolf als Teil der »Damona-King«-Serie in der Reihe »Gespenster-Krimi«.

Über den Autor

Wolfgang Hohlbein ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor mit einer Gesamtauflage von über 40 Millionen Büchern weltweit.

WOLFGANG

HOHLBEIN

In den Ruinen von Yor-Marataa

Ein Gespenster-Krimi Roman

BASTEI ENTERTAINMENT

Aktualisierte Neuausgabe der im Bastei Lübbe Verlag erschienenen Romanhefte aus der Reihe Gespenster-Krimi

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von © shutterstock/Natykach Nataliia; shutterstock/Dmitry Natashin

E-Book-Erstellung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-7325-1422-9

In den Ruinen von Yor-Marataar

Ein Gespenster-Krimi von Henry Wolf

Der Schein der Taschenlampe verlor sich irgendwo weit vor ihm im Ungewissen. Die geborstenen Wände schienen Feuchtigkeit und Kälte auszuatmen, obwohl es hier, tief im Inneren des Berges, stickig und warm war. Selbst jetzt, nach fast zwei Jahren, atmete der Vulkan noch von Zeit zu Zeit Hitze aus, und wenn das dunkelrote Lohen der Glut hinter den niedergestürzten Mauern auch schon lange erloschen war, so knisterte der mächtige Felszacken doch noch immer unter einer inneren Wärme, die direkt aus den tiefsten Schlünden der Hölle emporzusteigen schien.

Trotzdem fror Adrenaikus. Er hatte sich gut auf diese Expedition vorbereitet und nicht nur das übliche Bergsteigerwerkzeug, Pickel, Seile und ein Funkgerät mitgenommen, sondern zusätzlich noch eine wärmende Steppjacke eingepackt, obwohl draußen Hochsommer herrschte und es auf seinem Weg ins Innere des Vulkans eher noch heißer werden würde. Aber was er spürte, war eine Kälte, der man mit wärmender Kleidung nicht beikommen konnte. Etwas wie ein unseliger, kalter Hauch, der aus Wänden, Decke und Boden des Stollens zu strömen schien und seine Seele frösteln ließ ...

Adrenaikus vertrieb den Gedanken mit einem ärgerlichen Schulterzucken. Er lächelte, aber das geschah eher, um sich selbst Mut zu machen, nicht aus wirklicher Überzeugung.

Irgendetwas war hier, das nicht hierher gehörte.

Er spürte es.

Er blieb stehen, knipste die Lampe aus und lauschte einen Herzschlag lang mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit hinein. Der Berg knisterte leise; ein Geräusch, als würde irgendwo weit vor ihm ein gewaltiges Stück Zellophanpapier ganz langsam zusammengedrückt, und hier und da waren die leisen Geräusche zu hören, mit denen sich der Wind an Felsgraten und Kanten brach. Wenige Meter vor ihm tropfte Wasser von der Decke.

Aber das waren die normalen Geräusche, die man in jeder Höhle antraf. Viele Menschen, die noch nie selbst in einer Höhle oder einem tief gelegenen Stollen gewesen sind, neigen zu der Annahme, dass dort ewige Stille herrschen müsse. Automatisch assoziierten sie die Vorstellung ewiger Nacht mit ewigem Schweigen. Aber das stimmte nicht. Adrenaikus hatte in unzähligen Expeditionen gelernt, dass die Erde nicht still war, sondern eine eigene Sprache sprach, eine Sprache dazu, die Geschichten erzählte, wenn man nur in der Lage war, sie zu verstehen.

Dieser Berg zum Beispiel – der Fels bebte immer noch unter den mörderischen Hieben, die er erhalten hatte, wie ein Tier, das sich in den Nachwehen eines gewaltigen, quälenden Schmerzes herumwarf. Der Stein knisterte unter dem letzten Hauch der Lohe, die ihn bis zur Rotglut erhitzt hatte, und von Zeit zu Zeit lief ein Geräusch durch die Wände, das an ein tiefes, qualvolles Stöhnen erinnerte.

Adrenaikus tat diesen Gedanken nicht mit einem Achselzucken ab, wie es ein anderer an seiner Stelle vielleicht getan hätte. Er hatte sein halbes Leben unter der Erde und im Inneren von Bergen verbracht, und er glaubte fest daran, dass auch ein Berg eine Seele haben konnte.

Aber das, was er jetzt spürte, war etwas anderes.

Er schaltete die Lampe wieder ein, richtete den Strahl auf den Boden zu seinen Füßen und fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über den Stein.

Er fühlte sich gleichzeitig warm und kalt an.

Wärme, die er an den Fingerspitzen und der Handfläche spürte, und Kälte, die den Umweg über seine Nerven zu umgehen schien und auf direktem Wege in seine Seele kroch.

Der junge Grieche richtete sich auf, hob die Lampe und ließ den Strahl langsam weiterwandern. Der Gang fiel sanft vor ihm ab und war hier und da von Teilen der niedergebrochenen Wände blockiert, nirgends jedoch so dicht, dass es kein Durchkommen mehr gegeben hatte. Zweimal hatte er auf dem Weg hierher umkehren müssen, wenn er plötzlich vor Hindernissen stand, die er mit seinen bescheidenen Werkzeugen nicht hatte beseitigen können, aber jetzt schien er dicht vor dem Ziel zu sein. Er wusste, dass der Teil des Tempels, der sichtbar gewesen war, der Teil, der dem Vulkanausbruch, der das kleine Dorf am Fuße des Yor-Marataar vernichtet und die Landschaft in weitem Umkreis in eine Mondlandschaft aus grauem Staub und erstarrter Lava verwandelt hatte, zum Opfer gefallen war, nur der kleinere war.

Er hatte mit Überlebenden der Katastrophe gesprochen und in der Staatsbibliothek in Athen monatelang in alten Folianten gestöbert, bis er schließlich auf eine Beschreibung des Klosters gestoßen war. Es musste hier drinnen noch zahllose Gänge und Räume geben, die unzerstört geblieben waren, Zeugen einer Kultur, die vielleicht schon vor Jahrtausenden untergegangen war. Yor-Marataar war ihr letztes Zeugnis gewesen, aber bis der Vulkan ausgebrochen und den Bergtempel zerstört hatte, war der Zugang verwehrt gewesen.

Adrenaikus wusste nicht viel über die Sehenden Wächter, die den Berg bewohnt hatten. Als er zum ersten Mal von Yor-Marataar hörte, war er bereits zerstört und die Priester gestorben. Aber er hatte einiges gehört und sich den Rest zusammenreimen können. Sie mussten ein Haufen verrückter alter Männer gewesen sein, die den Tempel wie ihren Augapfel hüteten und keinen Fremden auch nur auf fünf Kilometer an ihn herankommen ließen. So war Yor-Marataar, ganz ohne Aufhebens, zu einem der bestgehüteten Geheimnisse in diesem Teil Griechenlands, vielleicht sogar Europas geworden.

Und er würde es lüften.

Der Vulkanausbruch hatte mehr zerstört, als er geglaubt hatte, aber das, was übrig geblieben war, würde ausreichen, sich ein Bild vom Leben und Denken seiner Bewohner zu machen.

Er ging weiter und erreichte nach wenigen Schritten eine Gangkreuzung. Neugierig ließ er den Strahl seiner Lampe in den nach rechts führenden Stollen fallen. Der Boden verlief ein Stückweit geradeaus und brach dann urplötzlich ab, um in einen bodenlosen Schacht zu münden.

Adrenaikus schauderte. Manchmal vergaß er, dass ein einziger unüberlegter Schritt hier den Tod bringen konnte. Er hatte so viel Zeit unter der Erde verbracht, dass ihm diese Umgebung vertraut wie eine zweite Heimat geworden war.

Er trat zurück und sah in den Gang zur Linken. Er endete nach ein paar Metern vor einer kompakten Mauer aus Trümmern und zusammengebackenem Staub.

Adrenaikus zuckte mit den Achseln, wandte sich wieder nach vorne und ging weiter. Der Stollen verlief ungefähr hundert Meter geradeaus, bog dann nach rechts ab und ging in eine steile, ausgetretene Treppe über, die weiter in die Tiefe führte. Adrenaikus blieb an der obersten Stufe stehen und versuchte, zu erkennen, was unter ihm war. Aber der Strahl seiner Taschenlampe verlor sich in wesenlosem Schwarz, lange bevor er den Fuß der Treppe erreichte.

Er zögerte. Wenn ihn sein Orientierungssinn nicht völlig im Stich ließ, dann hatte er sich während der letzten halben Stunde – mit wenigen Abweichungen – direkt zum Zentrum des Berges hin bewegt. Und damit auf den Vulkankrater zu. Er verstand bis jetzt nicht, was die Erbauer Yor-Marataars dazu bewogen haben mochte, einen Teil des Klosters wie einen gewaltigen steinernen Deckel direkt über einen Vulkankrater zu bauen. Dass Vulkane auch nach jahrhundertelangem Schweigen urplötzlich wieder ausbrechen konnten, musste auch vor tausend Jahren schon bekannt gewesen sein.

Aber auch das war wohl ein Geheimnis, das sich nie würde lüften lassen. Jedenfalls war das Kloster schon beim ersten feurigen Aufstoßen des Berges wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen, und seitdem gähnte unter der gekappten Spitze der Felsnadel wieder ein brodelnder Feuersee, der von Zeit zu Zeit noch immer Asche und Glut in den Himmel schleuderte.

Und er bewegte sich auf diesen Feuersee zu. Selbst wenn er die Umwege berechnete, die er gemacht hatte, konnte er nicht mehr weit von der Innenwand des Kraters entfernt sein. Was, wenn diese Treppe direkt über der brodelnden Oberfläche des Lavasumpfes endete? Ein unvorsichtiger Schritt, eine brüchige Stufe, die sich unter seinem Gewicht lockerte ...

Adrenaikus dachte den Gedanken nicht zu Ende. Das Innere eines Berges zu erkunden, war nichts für jemanden, der Angst hatte.

Er wechselte die Taschenlampe von der Rechten in die Linke, tastete mit spitzen Fingern nach der Wand und begann, angespannt und vor jedem Schritt unmerklich zögernd, Stufe für Stufe die Treppe hinunter zu steigen. Die Wand fühlte sich seltsam an – so warm wie der ganze Berg, und trotzdem auf die Gleiche, beinahe unheimliche Art kühl.

Der junge Höhlenforscher war etwa hundert Stufen weit hinabgestiegen, als er den Luftzug spürte. Es war ein sanfter, warmer Hauch, der aus der Tiefe zu ihm emporwehte, sein Gesicht streifte und dann wieder verschwand. Zwei, drei Sekunden lang geschah nichts, dann kam der Luftzug wieder, aber nur, um erneut abzubrechen.

Fast, dachte Adrenaikus mit plötzlichem Schrecken, wie ein langsames, unendlich machtvolles Atmen!

Er zwang sich, den Gedanken zu verdrängen und weiterzugehen, aber seine Knie zitterten jetzt, und seine Handflächen wurden feucht vor Schweiß. Schließlich, als er schon halbwegs angefangen hatte, daran zu glauben, dass die Treppe niemals wieder aufhören würde, fiel der Strahl der Taschenlampe auf einen Treppenabsatz. Er legte die letzten Stufen rascher zurück, blieb stehen und sah sich gleichermaßen neugierig wie angespannt um. Die Treppe endete in einem kleinen, kuppelförmigen Raum, von dem zahlreiche, niedrige Gänge abgingen. Einer von ihnen war niedergebrochen und von verkeilten Steintrümmern blockiert, und aus einem anderen wehte ihm stickige, nach Schwefel riechende Luft und blassroter Feuerschein entgegen. Er musste direkt zur Kraterwand führen.

Adrenaikus wandte sich um, sah unschlüssig zwischen den drei verbliebenen Stollen hin und her und wählte schließlich den rechten. Gebückt drang er in den niedrigen Tunnel ein.

Der Stollen unterschied sich von denen, durch die er bisher gekommen war. Obwohl er dem glutflüssigen Inneren des Berges so nahe wie noch nie war, waren hier kaum Spuren der Zerstörung zu erkennen. In der Decke gähnte ein langer, gezackter Riss wie ein erstarrter Blitz, und im Laufe der letzten Jahre hatten sich Staub und Schmutz in den Winkeln zwischen Fußboden und Wänden angesammelt, aber ansonsten wirkte der Stollen unberührt. Wäre nicht das dumpfe Grollen des Berges unter seinen Füßen und der Schwefelgestank gewesen, dann hätte er sich durchaus vorstellen können, im nächsten Moment einen der Sehenden Wächter im Licht seiner Lampe auftauchen zu sehen.

Adrenaikus lächelte. Was war nur mit ihm los? Er hatte das Wort Angst bis vor wenigen Stunden nicht einmal gekannt, und jetzt bildete er sich ein, Stimmen aus dem Nichts zu hören, das Atmen irgendeines chtonischen Ungeheuers zu verspüren ...

Vielleicht hätte er doch nicht allein hierher kommen sollen. Es war eine der Grundregeln der Höhlenforschung, niemals allein zu gehen, aber er hatte sich zu rasch entschieden, um noch einen Partner suchen zu können.

Und es kam wohl auch dazu, dass er hier die Gelegenheit hatte, eines der letzten verbliebenen echten Geheimnisse seiner Zeit zu lösen. Und er wollte diesen Ruhm nicht mit irgendjemandem teilen.

Vor ihm zweigte eine Tür ab.

Er blieb stehen, ließ den Strahl der Lampe in den dahinterliegenden Raum fallen und schloss geblendet die Augen, als sich das Licht auf glitzerndem Metall und Edelsteinen brach!

Für einen Moment war Adrenaikus unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Es dauerte lange, bis er wirklich begriff, was er hier gefunden hatte!

Der niedrige, rechteckige Raum tief im Leib des Yor-Marataar war nichts Anderes als eine Schatzkammer!

Er hatte davon gehört, dass viele dieser sonderbaren alten Sekten im Geheimen Kostbarkeiten horteten – aber er hatte diese Geschichten ins Reich der Sagen verwiesen und niemals ernsthaft damit gerechnet, auf einen wirklichen Schatz zu stoßen – aber jetzt hatte er einen gefunden!

Zögernd und mit angehaltenem Atem betrat er die Kammer, schwenkte seine Lampe und sah sich mit wachsender Verblüffung um.

Der Raum war niedrig und nicht ganz rechteckig, wie er zuerst geglaubt hatte, sondern von leicht trapezförmigem Grundriss. Kisten und Truhen waren in steinernen Regalen an den Wänden aufgestapelt. Einige von ihnen waren durch die Erschütterungen, die den Untergang des Klosters begleitet hatten, zu Boden gestürzt und zerbrochen; goldene und silberne Münzen und Schmuckstücke waren herausgequollen und wie eine glitzernde Lawine erstarrt.

Aber es gab nicht nur Kisten und tönerne Töpfe mit Edelsteinen, sondern auch Waffen – ein ganzes Regal voller Waffen. Die Kammer war nicht nur Hort des Schatzes, sondern auch so etwas wie die Rüstkammer des Klosters gewesen.

Adrenaikus schüttelte verwundert den Kopf. Nach allem, was er über die Sehenden Wächter gehört hatte, waren sie eine Gruppe zwar leicht verrückter, aber harmloser alter Männer gewesen. Diese Ansammlung der verschiedenartigsten Mordinstrumente passte überhaupt nicht zu dem Bild, das er sich von ihnen gemacht hatte.

Er trat neugierig an das Regal und ließ den Strahl seiner Lampe über die lange Reihe von Schwertern gleiten, die vor ihm aufgebaut war. Es gab auch andere Waffen – Speere, Schilde und Keulen, aber auch Dinge aus Ketten und reißenden Spitzen, bei denen er beim besten Willen nicht sagen konnte, wozu sie dienen und wie sie zu handhaben sein mochten.

Ein kleiner, zweischneidiger Dolch erregte seine besondere Aufmerksamkeit.

Die Waffe lag ein wenig abseits auf einem schwarzen, mit silbernen Linien besticktem Kissen. Der Stein war ringsum von verschlungenen kabbalistischen Zeichen bedeckt, und als er näher trat, sah er, dass die Linien auf dem Kissen einen fünfzackigen Stern bildeten. Ein Pentagramm. Adrenaikus spürte eine stärker werdende Erregung. Der Dolch war schmucklos und einfach, aber die Art, in der er aufbewahrt worden war, sagte ihm deutlich, dass es sich dabei um etwas Besonderes handeln musste. Irgendeine kultische Waffe, vermutlich. Die Priester hatten ihn auf dieses Kissen gelegt, um mit seiner besonderen Stellung auf etwas aufmerksam zu machen.

Es konnte aber auch eine Warnung sein ...

Adrenaikus blinzelte verwirrt. War das wirklich sein Gedanke gewesen? Für einen Moment hatte er das Gefühl, eine fremde Stimme gehört zu haben, etwa wie die Stimme eines uralten, gütigen weißhaarigen Mannes. Er wusste nicht, wieso er ausgerechnet auf diesen Vergleich kam, aber er drängte sich ihm so machtvoll auf, dass er unwillkürlich im Schritt stehen blieb. Die Hand, die bereits nach dem Dolch ausgestreckt war, erstarrte mitten in der Bewegung.

»Unsinn«, murmelte er. Aber seine Stimme zitterte, und die leisen Echos, die sie an den Wänden hervorrief, erschienen ihm für einen Moment wie höhnisches Gelächter.

Er schüttelte den Gedanken mit Macht ab, führte die Bewegung zu Ende und nahm den Dolch auf.

Er war seltsam schwer. Die Klinge war kaum breiter als ein Finger und nicht einmal zehn Zentimeter lang, und auch der Griff war klein, beinahe zierlich, aber die Waffe hatte ein Gewicht, als wäre sie aus Blei oder Gold. Behutsam hob er sie hoch und drehte sie im Licht seiner Lampe. Die Klinge glitzerte unter dem kalten Kunstlicht, und ein eisiger Hauch schien von dem glatten Metall auszugehen.

Adrenaikus zuckte mit den Achseln, legte den Dolch auf das Kissen zurück und nahm ihn dann noch einmal auf. Etwas war seltsam an dieser Waffe. Sie schien ihn gleichzeitig abzustoßen wie anzuziehen, verlockend wie drohend zu sein. Er legte die Lampe aus der Hand, ergriff den Dolch mit beiden Händen und betrachtete ihn noch einmal und genauer. Er sah jetzt, dass auf der schmalen Klinge ein feines, nur Bruchteile von Millimetern tiefes Muster eingraviert war, aber er konnte nicht feststellen, was es darstellte.

Der Dolch ruckte in seinen Fingern und grub einen zentimeterlangen Schnitt in seine Haut. Adrenaikus sprang erschrocken auf, ließ die Waffe fallen und presste die Hand auf die Wunde. Er war sicher, keine unbedachte Bewegung gemacht zu haben. Der Dolch schien sich von selbst bewegt zu haben!

Aber natürlich war das Unsinn. Es war eine Waffe, ein Stück totes Metall, nicht mehr. Adrenaikus schüttelte den Kopf, hob den Dolch nach kurzem Zögern wieder auf und ließ ihn in seinem Rucksack verschwinden.

Schnell und beinahe hastig verließ er den Raum. Allein konnte er hier nichts mehr ausrichten. Er würde wiederkommen, später und mit ein paar Männern, denen er vertrauen konnte, und die Schätze, die hier seit Jahrtausenden lagen, bergen.

Er merkte nicht, dass sein Finger immer noch blutete. Eine dünne, unterbrochene Spur von roten Tropfen markierte den Weg, den er zurückging.

Er merkte auch nicht, wie in der Schatzkammer ein geheimnisvolles, grünes Licht aufglomm, ein Glanz, der aus dem Nichts zu kommen schien und wie ein lebendes Wesen pulsierte.

Und er merkte auch nicht, wie die winzige Blutlache, die dort entstanden war, wo er sich geschnitten hatte, verschwand. Verschwand, als wäre sie aufgeleckt worden ...

***

Die Luft über dem Athener Flughafen flimmerte vor Hitze. Der Himmel war grau wie Blei und schien wie eine lastende, schwere Kuppel niedrig zu hängen, und selbst das Pfeifen der Flugzeugmotoren war gedämpft, als sauge die Hitze jegliches Geräusch auf.