Ist das verboten oder darf ich das? - Adrienne Friedlaender - E-Book

Ist das verboten oder darf ich das? E-Book

Adrienne Friedlaender

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Beschreibung

Darüber spricht man doch nicht! Das gehört sich aber nicht! Das kannst du doch nicht machen!

Wer kennt sie nicht, diese kleine Stimme im Hinterkopf, die uns immer wieder davon abhält, das zu tun, was wir eigentlich wollen. Weil sich das eben nicht gehört. Warum eigentlich nicht?, fragt sich Adrienne Friedlaender und beginnt fröhlich, die ungeschriebenen Regeln zu brechen, die uns von klein auf eingetrichtert werden. Den Heiratsantrag muss ER machen? Pustekuchen. Die Kollegin nach dem Gehalt fragen? Warum eigentlich nicht? Offen über Probleme mit dem wild gewordenen Teenager oder der Sexunlust sprechen? Gewiss doch.
Auf humorvolle, ehrliche und persönliche Weise erzählt die Autorin von eigenen Regelbrüchen und regt an, selbst welche zu begehen. Denn: Wer die Regeln ab und zu bricht, geht gelassener und glücklicher durchs Leben.

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Buch

Darüber spricht man doch nicht! Das gehört sich aber nicht! Das kannst du doch nicht machen! Wer kennt sie nicht, diese kleine Stimme im Hinterkopf, die uns immer wieder davon abhält, das zu tun, was wir eigentlich wollen. Weil sich das eben nicht gehört. Warum eigentlich nicht?, fragt sich Adrienne Friedlaender und beginnt fröhlich, die ungeschriebenen Regeln zu brechen, die uns von klein auf eingetrichtert werden. Den Heiratsantrag muss ER machen? Pustekuchen. Die Kollegin nach dem Gehalt fragen? Warum eigentlich nicht? Offen über Probleme mit dem wild gewordenen Teenager oder der Sexunlust sprechen? Gewiss doch.

Auf humorvolle, ehrliche und persönliche Weise erzählt die Autorin von eigenen Regelbrüchen und regt an, selbst welche zu begehen. Denn: Wer die Regeln ab und zu bricht, geht gelassener und glücklicher durchs Leben.

Autorin

Adrienne Friedlaender ist freie Journalistin, Autorin und Mutter von vier Söhnen. Seit mehr als fünfzehn Jahren schreibt sie Reisereportagen aus aller Welt für Tageszeitungen, Magazine und Online-Medien. 2017 erschien ihr erstes Buch »Willkommen bei den Friedlaenders!«, mit dem sie die SPIEGEL-Bestsellerliste eroberte. Seitdem widmet sie sich in ihren fröhlichen und lebensklugen Büchern den Themen, die sie ganz persönlich bewegen. Ihrem Lebensmotto »Es ist nie zu spät, um ohne Plan glücklich zu werden« bleibt sie auch mit ihrem neusten Vorhaben treu und bietet ab 2021 Kurse für Schreibbegeisterte an. Adrienne Friedlaender lebt mit zwei ihrer vier Söhne in Hamburg.

Weitere Informationen unter: www.adrienne-friedlaender.de

Von Adrienne Friedlaender bereits erschienen

Willkommen bei den Friedlaenders! Meine Familie, ein Flüchtling und kein Plan

Ich habe jetzt genau das richtige Alter. Muss nur noch rauskriegen, wofür

Ist das verboten oder darf ich das? Eine fröhliche Anregung zum Regelnbrechen

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ADRIENNE FRIEDLAENDER

Ist das verboten oder DARF ICH DAS?

Eine fröhliche Anregung zum Regelnbrechen

Alles persönlich Erzählte beruht auf wahren Begebenheiten. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind deshalb durchaus beabsichtigt und unvermeidbar, fast alle Namen aber habe ich frei erfunden.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2021 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Angela Kuepper

Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de

WR · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-26979-1V001www.blanvalet.de

Alle sagten: »Das geht nicht.« Dann kam eine, die wusste das nicht und hat’s einfach getan.

Für alle, die sich nicht mehr durch verstaubte Regeln ausbremsen lassen wollen

Inhalt

Vorwort

1 Das tut man/frau doch nicht!

Freie Bahn im Schwimmbad, Hochzeitsglocken und andere Überraschungen: Wo steht eigentlich geschrieben, dass Frauen den Hardcore-Kraulern ausweichen müssen? Und was passiert, wenn man alle Hollywood-Klischees bricht und um die Hand des Liebsten anhält? Kampfansage an Mr. Rambo, Mutprobe unter Wasser und (m)ein Heiratsantrag 2.0.

2 Tabu, schlechtes Benehmen oder …?

»Ich muss mal!« gegen »Ich gehe kurz meine Nase pudern«: Warum bloß fällt es uns so schwer, manche Dinge beim Namen zu nennen? Wozu dienen die bequemen Notlügen? Und wann können sie gefährlich werden? Von Kronleuchtern und Kohlrouladen

3 Warum Frauen nicht Ski fahren können

Frauen im Beruf – ein Ex-Tabu mit Langzeitwirkung. Es ist kaum noch vorstellbar: Bis 1977 brauchten Frauen die Zustimmung ihres Ehegatten, wenn sie arbeiten wollten. Heute ist es fast umgekehrt: Frauen dürfen ohne Ende arbeiten – im Job und zu Hause …

4 Kinder müssen draußen bleiben! Ein Tabu?

Ob im Restaurant, Hotel oder in der Wellness-Auszeit – wenn Mütter, Väter, Paare sich bekennen, dass Kinder sie manchmal stören, geraten sie oft unter Beschuss, Hotelmanagern und Cafébesitzern, die auf Adult’s only umstellen, droht ein Shitstorm bis hin zum #Schnullergate. Warum eigentlich darf man nicht offen über das Potpourri von elterlichen Emotionen sprechen?

5 »Habt ihr noch Sex, oder spielt ihr schon Golf?«

Ob Sex mit einem Fremden in der Umkleidekabine oder ein wilder Dreier – sind erotische Fantasien pervers oder völlig normal? Ist es ein No-Go, keine Lust auf Sex zu haben? Warum ist die Liebeslust im Altersheim ein Tabu? Und wo bleibt das Bedürfnis behinderter Menschen, ihre Sexualität auszuleben? Fragen und Gedanken rund um DAS Thema.

6 Das No-Go Krankheit und andere Körperlichkeiten

Zu viel über Krankheiten zu reden, ist furchtbar, aber es gar nicht zu tun, ist noch schlimmer. Denn es gibt Erkrankungen, bei denen Schweigen zur extremen Belastung werden kann. Wie viel Leidens-Talk ist gesund?

7 »Was passiert eigentlich, wenn Oma ins Gras beißt?«

Schweigen wir die Trauer bis ans Lebensende tot? In Mexiko tanzen die Menschen auf den Straßen und feiern ihre Verstorbenen. Wir Deutschen hingegen verstummen und würgen auf Trauerfeiern trockenen Kuchen hinunter, an dem wir eher ersticken, als über den Tod selbst zu sprechen.

8 Germanys next Topmutti oder doch eher Erziehungsversagerin?

Kiffen, Klauen, Klausur verhauen: Während bei uns wieder mal die Bude brennt, scheinen andere Familien nur Sonntagskinder zu haben. Stehen wir Eltern im permanenten Erziehungswettbewerb? Und ist es tabu, über Probleme mit den Kids zu sprechen?

9 Mitten unter uns – Wie Gewalt uns sprachlos macht

Verstörend: Schläge hinter geschlossener Tür gehören zum Alltag in Deutschland. Viele Opfer schweigen aus Scham, fühlen sich aber gleichzeitig alleingelassen. Beobachter sind oft unsicher, zögern, sich einzumischen. Aber sind Gehirnerschütterungen und blaue Flecken wirklich Privatsache?

10 Alt sein verboten?

Lohnt es sich wirklich, in Sneakers den Falten davonzulaufen?Ob Sex, Reisen, Sport oder Mode: Alt sein ist total out. »Forever young« dagegen ist voll im Trend, und eine ganze Gesellschaft scheint im Jugendwahn. Aber warum eigentlich tun wir uns so schwer mit dem Älterwerden? Ist es schon ein Tabu, zu seinem Alter zu stehen? Wovor haben wir Angst?

11 »Dein Sojawürstchen killt doch auch den Regenwald!«

Kreuzfahrtschiffe, Klimawandel, Migration, Corona … Politik bietet immer Stoff für Konflikte. Es kann anstrengend sein, die Harmonie-Komfortzone zu verlassen, wenn es um Ansichten geht, die so unbequem sind, dass sie schon wieder an ein Tabu grenzen. Aber lohnt sich Schweigen wirklich, oder kann die Meinung des Gegenübers auch eine Bereicherung sein und eine Anregung, die eigenen Werte und Überzeugungen zu hinterfragen?

12 Wenn Männer stolpern: Von schweigenden Fischen und Fuckup-Nights

»Fehler sind die wunderbare Gelegenheit, neu anzufangen – nur intelligenter«, sagte Henry Ford. Im echten Leben aber fallen Männer in Depressionen oder flüchten vor der Familie, wenn sie auf der Karriereleiter abrutschen. Warum sind Schwäche, Scheitern und Erfolglosigkeit vor allem für Männer noch immer Tabuthemen? Und was kann man tun, um den Karrieresturz abzufedern?

13 Geheimakte Gehalt: Warum Gärtner die besseren Menschen sind

Wie viel verdient wohl meine Kollegin? Was hat der schicke Mantel der Nachbarin gekostet? Und wieso können sich die Meyers so ein teures Auto leisten? Wir Deutschen würden vermutlich eher eine Krakauer im Stück verschlucken, als unseren Kontostand preiszugeben. Warum ist das so? Reden nur Angeber über Geld?

14 Ist das verboten, oder darf ich das?

Es gibt Regeln und Tabus, die längst auf die Halde gehören, andere wünschenswerte Gesetze dagegen befinden sich noch immer in der Warteschleife. Deshalb: Regeln ab zum Regel-TÜV!

Dank

Literatur- und Quellenverzeichnis

Vorwort

»Du hast waaas getan? Das steht wirklich auf Platz eins aller Unmöglichkeiten im Leben!« Meine Mutter sah mich so entsetzt an, als hätte ich nackt Yoga praktiziert – mitten auf der Mönckebergstraße. Dabei hatte ich ihr nur erzählt, dass ich meine Nachbarin nach dem Preis für ihr Haus gefragt hatte.

Es war ein paar Monate vor unserem Umzug: Mit einem Karton aussortierter Klamotten für den Altkleider-Container eilte ich die Reihenhaus-Reihe hinunter zur Straße, als ich vor der Haustür unsere neue Nachbarin traf.

»Herzlich willkommen in unserer Siedlung«, begrüßte ich sie freundlich. »Ich hoffe, Sie haben sich schon etwas eingelebt?« Wir redeten ein wenig über die nette Nachbarschaft und das Leben in Hamburg im Allgemeinen. Dann fragte ich sie, in dem Wissen, dass sie exakt das gleiche Haus gekauft hatte wie das, in dem ich wohnte: »Ich möchte mein Haus verkaufen. Könnten Sie mir vielleicht Ihren Kaufpreis verraten, damit ich weiß, was ich auf dem Markt verlangen kann?« Sie blickte mich an, als hätte ich sie nach ihren bevorzugten Sexpraktiken gefragt.

»Darüber möchte ich nicht sprechen«, antwortete sie kurz und verschwand eilig im Hauseingang.

Hätte ich das voraussehen können? Vielleicht. Denn den Satz »Über Geld spricht man nicht« habe ich mit der Muttermilch in jede Zelle meines Körpers eingepflanzt bekommen. (Zum Glück aber auch eine gehörige Portion Neugier.)

Seit Generationen leben wir nach solchen (ungeschriebenen) Regeln, die wir derart verinnerlicht haben, dass wir ihnen oftmals blind folgen, ohne je über ihren Sinn nachzudenken. Als ich mir damals ein Baby wünschte, sah ich plötzlich um mich herum nur noch Schwangere. So geht es mir heute mit all den gesellschaftlichen Tabus. Je mehr ich mich mit ihnen beschäftigte, desto mehr Fragen tauchten auf: Welche Regeln und Tabus gibt es, und woher kommen sie? Welche schützen uns, unsere Familie und die Privatsphäre? Welche brauchen wir für ein angenehmes Miteinander in der Gesellschaft? Und welche Regeln stehen uns eher im Weg wie ein verrosteter Zaun? Fragen, mit denen sich das Buch auseinandersetzt.

Beim näheren Betrachten fällt auf: Viele Regeln sind von Männern gemacht – schließlich galten sie über Jahrhunderte hinweg als alleiniges Familienoberhaupt und sind auch heute noch in der Überzahl in der Politik vertreten. Und das hat Auswirkungen. Ob beim Joggen, im Schwimmbad oder auf der Karriereleiter: Manche Männer erlauben sich ganz selbstverständlich, wie Mähdrescher durch die Welt zu pflügen, während wir Frauen brav zur Seite springen. Warum tun wir das?

Theoretisch stehen Frauen der Arbeitsmarkt und Führungspositionen offen. Aber gucken wir doch mal in die Realität: Wie viele Männer arbeiten Teilzeit und wie viele Frauen? Wie oft sitzt die Frau am Steuer, wenn Mann und Frau gemeinsam Auto fahren? Und wer putzt häufiger? Das einfach mal im Freundeskreis durchzuzählen ist schon erhellend.

Und wer bezweifelt, dass beim Sex die gleichen Regeln gelten, stelle sich folgende Szene vor: Eine Frau, umringt von ihren Freundinnen, bleibt in einer Kneipe mit dem Blick einer Großwildjägerin an einem appetitlichen Exemplar Mann hängen und verkündet dann laut: »Na, den würde ich auch gern mal kurz flachlegen.«

Immer wieder bin ich erstaunt, wie schnell auch mich anerzogene Gedankenmuster torpedieren. Als ich neulich einen Artikel über Callboys las, dachte ich spontan: Warum mietet eine Frau denn einen Mann? Im nächsten Moment war mir klar: Ups, ich habe ja selbst Vorurteile rund um die Frauensexualität. Eine Frau tut so etwas nicht, eine Frau hat doch nur Spaß am Sex mit dem Prinzen ihrer Träume.

Ein völlig anderes Thema, das mich ebenfalls wundert: Warum landen wir binnen Sekunden von hundert auf null auf der allgemeinen Sympathieskala, wenn wir auf einer Party das Geburtstagskind über dreißig fragen, wie alt es denn wird? Ist das Alter zum Tabu geworden? Und zum Thema Kinder: Wieso verschweigen wir Frauen die Tatsache, dass das Leben unterm Mutter-Heiligenschein manchmal dunkler ist, als wir es uns vorgestellt haben? Dass Kinder bei aller Liebe auch mal richtig nerven können und wir uns nach Freiraum und Selbstbestimmtheit sehnen?

Einerseits halten wir uns für fortschrittlich, weltoffen, aufgeklärt und verkünden: Wir können doch über alles reden.

Aber bei Fragen wie »Hast du noch Lust auf Sex?« oder »Was passiert eigentlich, wenn Oma ins Gras beißt?« verstummen wir, als hätte der Blitz ins Sprachzentrum eingeschlagen.

Ob Alter, Kontostand, Gehaltsvorstellungen, Krankheit, Tod, Scheitern: Wäre es nicht eine Bereicherung für uns alle, wenn wir offen miteinander reden würden? Mehr Solidarität, mehr Miteinander, mehr Empathie zeigen würden?

All diesen Themen widmet sich das vorliegende Buch. Denn ich bin überzeugt: Regelbrechen kann ganz neue Möglichkeiten schaffen und uns helfen, gelassener und erfolgreicher zu sein. Und es macht uns nicht nur frei, sondern oft auch glücklich.

1 Das tut man/frau doch nicht!

Freie Bahn im Schwimmbad, Hochzeitsglocken und andere Überraschungen: Wo steht eigentlich geschrieben, dass Frauen den Hardcore-Kraulern ausweichen müssen? Und was passiert, wenn man alle Hollywood-Klischees bricht und um die Hand des Liebsten anhält? Kampfansage an Mr. Rambo, Mutprobe unter Wasser und (m)ein Heiratsantrag 2.0.

Meine Meisterin der Regelbrüche ist Pippi Langstrumpf, die Astrid Lindgren in den Vierzigerjahren zum Leben erweckte. Ob Piraten, Wachtmeister oder Diebe – die neunjährige Pippi kennt keine Angst. Sie ist stärker als jeder Mann, besiegt ihren Vater im Armdrücken und kann sogar ihr Pferd hochheben. Aber Pippi ist nicht nur stark, sondern auch unkonventionell. Sie wohnt allein in der Villa Kunterbunt, schläft mit den Füßen auf dem Kopfkissen. Sie lebt, wie es ihr gefällt, unabhängig davon, was andere denken, und bringt die Welt der Erwachsenen damit ganz schön durcheinander. Sie war und ist meine Heldin. Und vielleicht war sie es sogar, die mich in vielen Lebenssituationen ermutigt hat.

Mein erstes ganz persönliches Pippi-Erlebnis hatte ich kurz nach meinem dreißigsten Geburtstag im Bäderland Blankenese. Zwar gab es hier keine Polizisten, die mich verhaften wollten, dafür aber einen Schwimmbad-Rambo, gegen den es zu kämpfen galt.

Ich bin nicht unbedingt ein Sportgenie, doch beim Schwimmen fällt es mir leicht, richtig Strecke zu machen. Während ich also entspannt Bahn für Bahn die Bewegung im Wasser genoss, beobachtete ich die anderen Badegäste: Kinder tobten neben der abgegrenzten Schwimmerbahn im Wasser, spielten Ball und übten Arschbomben vom Ein-Meter-Turm, Frauen mit Rosenknospen-Badekappen standen im Kreis und schwatzten. Mein meditatives Schwimmen nahm ein jähes Ende, als Mr. Rambo erschien, am Beckenrand Schwimmbrille und Nasenkneifer aufsetzte und sich direkt vor mir ins Wasser warf.

Im letzten Moment gelang es mir, mich am Absperrseil aus der Bahn zu ziehen und vor seinen ausholenden Armbewegungen in Sicherheit zu bringen.

Kraulend durchpflügte er das Becken wie ein Mähdrescher das Maisfeld, ohne beim Auftauchen und Atmen auch nur einmal nach links und rechts zu gucken oder dem Gegenverkehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Dreimal wiederholte sich die Szene, dreimal wich ich dem rücksichtslosen Schwimmer aus, bevor die Pippi in mir zum Leben erwachte. Ich nahm all meinen Mut zusammen, spannte, um den Aufprall abzufangen, mit aller Kraft meine Muskeln an und stellte mich breitbeinig und mit verschränkten Armen mitten in die Bahn. Ein wenig fühlte ich mich wie die Dame auf der Luftmatratze, kurz bevor der weiße Hai zuschnappt. Ich kniff die Augen zusammen und fixierte meinen Gegner, der sich ungebremst näherte. Drei, zwei, eins, klatsch!

Der Triumpf war größer als der Schmerz des Zusammenstoßes. Verblüfft hob der Mann den Kopf aus dem Wasser, sortierte Arme, Beine und den verrutschten Nasenkneifer, strafte mich mit einem vernichtenden Blick und schwamm wortlos weiter. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass eine der Rosenknospen-Damen lachend auf mich zeigte und mir verschwörerisch zublinzelte, eine andere aus der Runde klatschte. Mr. Rambo ließ mich während der nächsten zehn Bahnen nun nicht mehr aus den Augen. Bei jeder Begegnung feuerte er tötende Blicke auf mich ab, die ich im Siegesrausch souverän von mir abprallen lassen konnte.

Ein paar Jahre später erwachte erneut die Pippi in mir, als ich an ganz anderer Stelle Regeln und Konventionen brach.

Vorsichtig, um verräterisches Klirren zu vermeiden, wickelte ich die beiden Sektgläser in eine Serviette, zog den Flaschenkühler über die Champagnerflasche und legte beides zusammen mit Keksen und Trinkflasche für unseren Kleinen in den Buggy. Wenig später brachen mein Partner und ich samt Sohn und Hunden zum ausgedehnten Elbspaziergang auf.

Vielleicht bin ich altmodisch oder romantisch verklärt, aber ich fand die Idee, den Vater meines Sohnes zu heiraten, ganz wundervoll. Ich hatte allerdings überhaupt keine Lust gehabt, hochschwanger und Hals über Kopf zum Standesamt zu rennen, wie es die Großmütter sich vermutlich gewünscht hätten. Denn zu einer Hochzeit, so finde ich, gehört nun mal ein rauschendes Fest und auch das eine oder andere Glas Sekt. Und keine Braut mit Walfischumfang im Sack-Outfit, die alle halbe Stunde über der Kloschüssel hängt, weil ihre Hormone verrücktspielen. Mittlerweile war unser Sohn ein Jahr alt. Warum also sollte ich warten, bis er den ersten Schritt tun würde?

Neulich stolperte ich über einen Artikel, der für die ungeduldig wartende und heiratswillige Dame die Frage klären sollte, ob er sie bald zur Braut machen würde, und mit Sätzen wie diesem lockte: Zehn untrügliche Zeichen, an denen SIE erkennt, dass ER bald die entscheidende Frage stellen wird.

Besagter Artikel zur Entlarvung ehewilliger Männer stammte keinesfalls aus dem letzten Jahrhundert, sondern dem Jahr 2012. Fassungslos las ich: »Auch Männer haben eine biologische Uhr. Tickt sie, dann macht er vielleicht Scherze über sein Alter … Von seinen Freunden sind viele schon verheiratet – Bingo! Dann will er es auch bald. Er bezieht sie in wichtige Entscheidungen mit ein, spricht mit ihr über Probleme in seinem Job, über Krankheiten – gut so. Er akzeptiert die Frau als echte Lebenspartnerin, die er auch heiraten könnte.«

Ich meine, ich versuche doch auch nicht aus Bemerkungen wie »Ich koche so gern Pasta« darauf zu schließen, dass der Geliebte plant, ein italienisches Restaurant zu eröffnen. Nein! Ich frage direkt nach und schmiede lieber gemeinsam Zukunftspläne. Warum sollte ich wie eine Detektivin in geheimer Mission nach Anzeichen suchen, ob und was für Lebens- und Liebesabsichten der Mann an meiner Seite hat? Klar ist es eine Tradition, dass der Mann seiner Angebeteten einen Heiratsantrag macht. Aber muss das so sein?

Auf den Heiratsantrag warten manche Frauen länger als auf die überfällige Gehaltserhöhung. Weil Mädchen und Jungs lernen: Es muss der Mann sein, der beim Sonnenuntergang am Meer, unter Wasser, beim Fallschirmsprung, unterm Weihnachtsbaum oder wo auch immer vor der Angebeteten auf die Knie fällt und um ihre Hand anhält. Ich kenne keinen Roman oder Film, in dem es umgekehrt wäre. Manche Traditionen haben ein langes Verfallsdatum – was mich an diesem Morgen an der Elbe aber keineswegs davon abhielt, die Regel zu brechen.

Während mein Noch-nicht-Ehemann Stöckchen für unsere Hunde warf und unser Sohn selig in der Karre schlief, öffnete ich, Simsalabim, die Schampusflasche.

»Ich dachte, ich meine, also jetzt, wo wir schon zwei Jahre zusammen sind und überhaupt, weil … Willst du mich heiraten?«

Nicht gerade filmreif, das Gestottere, aber immerhin war es raus. Dann überreichte ich ihm mit etwas zittrigen Händen mein Geschenk. Man muss ja nicht alle Traditionen über den Haufen schmeißen, und ich finde, für einen Heiratsantrag braucht es nicht nur eine große Portion Mut, sondern auch ein Geschenk. Allerdings hatte ich statt des obligatorischen Rings ein Fernglas gekauft. »Damit wir unsere Liebe im Auge behalten.«

Ich füllte den Schampus in die Gläser, stieß vor Aufregung etwas zu heftig an und leerte das Glas in einem Zug. Puh! Ich gebe zu, dass er schon etwas verblüfft geguckt hat. Aber dann sagte er, ohne zu zögern, Ja. Bis heute weiß ich nicht, ob aus Überraschung oder Überzeugung. Auf jeden Fall: Wir haben geheiratet.

Meiner Mutter habe ich vorsichtshalber verheimlicht, dass ich es war, die den Antrag gestellt hat. Vermutlich wäre sie vor Entsetzen sonst gar nicht zur Hochzeit erschienen. Und was meine Freundinnen betrifft: Als ich von unseren Heiratsabsichten erzählte, folgten ihre aufgeregten Fragen nach der Antrags-Inszenierung so automatisch, wie man den Blinker setzt, wenn man abbiegt. Bei ihnen kniff ich nicht. Die Reaktionen? Alle waren enttäuscht, keiner verstand, warum ich mir die Chance auf ein romantisches Großereignis genommen hatte. Allerdings bin ich mega-ungeduldig und hätte es niemals ausgehalten, jeden Morgen aufzuwachen mit dem Gedanken: Fragt er mich vielleicht heute? Ich träumte auch von einem Heiratsantrag mit allem Drum und Dran – aber bitte schön zu meinem gewünschten Zeitpunkt.

»Das tut man nicht, das sagt man nicht, das fragt man nicht …« Von all den Regeln und ungeschriebenen Gesetzen sind Frauen, wie schon angedeutet, am meisten betroffen. Ich spreche dabei keineswegs nur von so irrwitzigen Gesetzen wie etwa in den USA, wo Frauen in einigen Staaten der Besitz von mehr als zwei einsatzfähigen Dildos verboten ist und Single-Frauen nicht am Sonntag Fallschirm springen dürfen. Ebenfalls nicht gestattet ist es, im Badeanzug in der Öffentlichkeit zu singen, den Staubsauger dem Nachbarn zu borgen oder beim Friseur unter der Trockenhaube einzuschlafen. Aber nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa staunt man über skurrile Gesetze: In Griechenland sind High Heels verboten, in Paris das Küssen auf Bahnhöfen, und in Liverpool dürfen Frauen nicht barbusig in einem Geschäft stehen, es sei denn, es handelt sich um einen Laden für tropische Fische. Auch in Deutschland leben wir nach Regeln, deren Ursprünge wir häufig gar nicht mehr kennen und die teils auch keinen Sinn mehr ergeben. Zum Beispiel all die lustigen Knigge-Regeln, wie etwa, dass man Brot nur mit der linken Hand essen darf und Anstoßen nur mit alkoholischen Getränken erlaubt ist – oder eben, dass Männer immer für den Heiratsantrag zuständig sind. Was würde eigentlich passieren, wenn wir diese Regeln brächen? Ist es nicht höchste Zeit für eine Überprüfung der Regel-Software und ein zeitgemäßes Update von Tabus, Traditionen und Bräuchen?

Ich frage mich: Wieso schweigen wir so oft, wenn wir mit brenzligen Situationen konfrontiert werden oder in schwierigen Lebensphasen stecken? Dabei ist völlig klar, dass wir Menschen viele Erfahrungen ähnlich erleben: Sex, Probleme mit dem Partner, der Karriere oder der Gesundheit, Erziehungssorgen und die Auseinandersetzung mit dem Tod.

Wollen wir wirklich weiter Gedanken raten, spekulieren, stillhalten und schweigen? Oder uns künftig und im Klartext mit den elementaren Fragen des Lebens beschäftigen? Zum Beispiel: Bin ich die einzige Frau auf der Welt, die beim Sex mit dem Partner von einer erotischen Begegnung mit einem Fremden träumt? Stimmt etwas mit meiner Partnerschaft nicht, oder ist es ganz normal, sich gedanklich ein paar Fantasien als Amuse-Gueule zu gönnen? Warum klingt in anderen Familien alles so frustrierend easy mit den Kindern? Habe nur ich in der Erziehung versagt, weil ich schon wieder in der Notaufnahme sitze, nachdem meine wilden Jungs sich beim Prügeln gegen die Heizung geschubst haben? War es wirklich indiskret, die Nachbarin auf ihr blaues Auge anzusprechen, oder nicht doch eine fürsorgliche Geste, die ihr zeigt: Ich sehe dich, und ich bin da, falls du Hilfe brauchst? Und was passiert eigentlich genau, wenn Oma stirbt? Wo bleiben ihr Körper, ihre Seele und wir mit unserer Traurigkeit und Liebe?

Natürlich möchte nicht jeder mit den Intimkrankheiten des Nachbarn konfrontiert werden. Aber würden wir uns nicht ein Stück weit normaler fühlen, weniger fremd in dieser manchmal so verrückten Welt mit all ihren Höhen, Tiefen und Herausforderungen, wenn wir mehr von unseren Wünschen, Ängsten und Sorgen mit anderen Menschen teilen könnten? Wenn wir erfahren dürften, dass auch die beruflich so erfolgreiche Kollegin immer wieder an ihren Fähigkeiten zweifelt und vor jeder Präsentation nachts schweißgebadet wachliegt? Dass der pädagogisch erfahrene Nachbar zwar als coolster Lehrer der Stadtteilschule gehandelt wird, aber zu Hause mit seinem eigenen Sohn dermaßen streitet, dass die Wände wackeln? Wenn unsere Freundin uns daran teilhaben lässt, wie unfassbar sie es getroffen hat, dass ihr Mann nach der Fehlgeburt sagte: »Das war doch noch gar nichts Richtiges …«?

Was, wenn wir also erfahren würden, dass andere Menschen die gleichen Fehler begehen, sich auch ab und zu überfordert fühlen, verzweifelt auf den Verlust eines Menschen reagieren? Aus Rücksichtnahme und Feingefühl, Vermeidung oder Verleugnung, Scham und Angst verstummen wir bei heiklen Themen wie Krankheit, Tod oder Sexualität. Ob alltäglich oder schwerwiegend – Tabus haben häufig die Aufgabe, eine ernsthafte und intensive Auseinandersetzung mit Lebensthemen zu vermeiden oder sogar zu verbieten. Wer hat nicht schon in frühester Kindheit peinlich berührte Blicke geerntet, wenn sie oder er in natürlicher Neugier Fragen gestellt oder Dinge ausprobiert hat? Meist gefolgt von der flüsternden Ermahnung »Darüber spricht man nicht« oder »Das tut man nicht«. Ist es nicht traurig und frustrierend, wenn wir über persönliche und wichtige Themen nur hinter vorgehaltener Hand sprechen können?

Der Umgang mit Regeln und Tabus erfordert, dass wir hingucken und uns Fragen stellen. Welche Tabus sind sinnvoll? Wo schützen sie uns vor dem Überschreiten von Grenzen, wo helfen sie, die soziale Ordnung zu erhalten? Und an welchen Stellen lohnt es sich, unser Denken zu entrümpeln, Scham und Scheu über Bord zu werfen, das eine oder andere Tabu zu brechen und ganz offen und ehrlich unsere Erfahrungen über das Leben, Arbeiten und Lieben auszutauschen?

Werfen wir also einen Blick über den Tabu-Tellerrand und nehmen wir gemeinsam einige Regeln und No-Gos unter die Lupe. Betrachten wir, warum die Liste der Euphemismen länger ist als die für den Aldi-Großeinkauf am Anfang der Woche und warum es uns so schwerfällt, manche Dinge beim Namen zu nennen.

Und was den Heiratsantrag 2.0 betrifft:Ich jedenfalls war damals sehr glücklich, als mein Mann »Ja, ich will« sagte. Gut, dass ich mich getraut hatte, oder?

2 Tabu, schlechtes Benehmen oder …?

»Ich muss mal!« gegen »Ich gehe kurz meine Nase pudern«: Warum bloß fällt es uns so schwer, manche Dinge beim Namen zu nennen? Wozu dienen die bequemen Notlügen? Und wann können sie gefährlich werden? Von Kronleuchtern und Kohlrouladen

Hier kommt einer meiner YouTube-Lieblingsclips: Eine Frau steht mit einem Paket Klopapier im Supermarkt an der Kasse. Der Kassierer: »Was haben Sie denn damit vor? Kacken Sie etwa?«

Kundin 2 (in der Warteschlange): »Das ist ja ekelhaft!«

Kundin 1: »Aber das ist doch völlig normal!«

Kunde 3: »Sie finden das normal, sich stinkende Exkremente aus dem Anus zu drücken wie ein Tier?«

Kundin 2: »Mir wird schlecht!«

Kundin 1: »Aber Sie müssen doch bestimmt auch mal auf Toilette …«

Kassierer: »Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt!« […]

So geht es weiter, bis die junge Frau ihr Gesicht unter der Kapuze versteckt und aus dem Supermarkt läuft. Der Clip wurde inzwischen über 800.000 Mal aufgerufen. Warum wohl? Weil ganz öffentlich und offensichtlich ein Tabu gebrochen wird. Das überrascht, irritiert, und es macht Spaß. Natürlich weiß jeder, dass es biologisch unmöglich ist, aber ganz offiziell haben Frauen keinerlei Ausscheidungen, putzen sich lautlos die Nase, menstruieren in der Werbung nur blaue Flüssigkeit und gehen höchstens mal »Hände waschen« oder »Nase pudern«, aber niemals auf die Toilette. Warum?

Nun, die Bild zeigt in einem TV-Werbespot sehr anschaulich, wie man mit fünf Wörtern Klartext einen Mann verbal kastrieren kann. Wir sehen ihn und eine Frau in Abendgarderobe in einem Hotelzimmer. Sie tanzen vor dem Bett zu Barry Whites »Just the Way You Are« und beginnen, sich gegenseitig zu entkleiden. Erotik total. Dann flüstert die Frau, während sie den Mann rückwärts aufs Bett schubst: »Rühr dich nicht vom Fleck. Ich bin gleich wieder da.« Sie schenkt ihm noch einen lasziven Blick, bevor sie erklärt: »Ich geh nur kurz kacken.« Zurück bleibt ein fassungsloser und komplett abgetörnter Mann auf dem Hotelbett. Es folgt die Einblendung: »Nichts ist härter als die Wahrheit – BILD.« Über sieben Millionen Mal wurde dieses Video bei YouTube aufgerufen!

Ja, Sprache kann schockieren. Die Liste der Tabuwörter ist endlos. Und manchmal ist es – mal ganz abgesehen von der Frage »Tabu oder nicht Tabu?« – zumindest zielführender, die Tatsachen zu umschiffen, als Klartext zu reden. Denn Sprachtabus haben auch mit Höflichkeit und der Achtung von Bedürfnissen zu tun. Ganz bestimmt wäre die Szene im Hotel anders verlaufen, hätte die Frau sich mit »Ich gehe mir eben die Nase pudern« verabschiedet.

Und was wäre passiert, wenn der Mann sich augenzwinkernd mit »Ich muss nur kurz kacken« verabschiedet hätte?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Dame in freudiger Erwartung liegen geblieben wäre. Denn wir Frauen sind eher an eine rüde und direkte Sprache von Männern gewöhnt als umgekehrt. Zumindest ist das meine Erfahrung in meinem jahrzehntelangen Umgang mit Jungs und Männern.

Eine Sonntagmorgen-Szene aus unserem Reihenhaus, nicht auf YouTube zu finden: hübsch gedeckter Frühstückstisch mit vielen Leckereien. Während ich noch überlege, womit ich meine zweite Brötchenhälfte belege, haben die Jungs bereits drei Brötchen verdrückt und gucken mich ungeduldig an. Häufig endet die gemeinsame Mahlzeit damit, dass einer der Jungs gequält das Gesicht verzieht, begleitet von den Geräuschen und Gesten wie von einer Frau in den Presswehen: »Ahhrg, ohhh … Ich halt das nicht mehr aus. Ich muss jetzt unbedingt schnell auf Klo, ich glaube, das wird ein Big Mac.« Ohne irgendeine Scheu oder Rücksichtnahme. Schlecht für den Appetit – gut für die Figur. Wer kann mit so einem Bild vor Augen noch genussvoll in ein Nutella-Brötchen beißen?

Ich stelle mir die Situation mal wieder umgekehrt vor: Ich sitze mit meinen Freundinnen bei Pasta und Prosecco, fange an zu stöhnen und zu drücken und verkünde dann laut in die Runde: »Ich geh mal kurz einen abseilen.«

Auch wenn es für Männer kein Tabu zu sein scheint, in dramatischer Inszenierung über Ausscheidungen zu sprechen: Beim Thema Sex zeigen sie sich meist etwas sensibler und sind – der eine mehr, der andere weniger – behutsam in der Kommunikation mit der Angebeteten. Sicher spielt bei der Rücksichtnahme auf die weibliche Sensibilität auch die eigene Motivation eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zumindest wissen die meisten Verführer, dass zu direkte Ansagen Frauen in die Flucht schlagen können. Bis auf einige Ausnahmen vielleicht ist es noch immer schöner, nach einem gemeinsamen Abend an der Haustür gefragt zu werden: »Wollen wir noch Netflix gucken?« oder »Kommst du noch mit rauf, ich möchte dir meine Goldfische zeigen?«, als den Satz »Lass uns hochgehen, ich möchte gern mit dir vögeln« serviert zu bekommen. Die Magie des Augenblicks, die Ungewissheit nicht ganz eindeutiger Signale, die Frage »Will er jetzt oder nicht?«, das alles baut erotische Spannung auf. Wir möchten ja auch nicht am Geburtstag ein Buch, eine Yogamatte oder den Dampfkochtopf nackig überreicht bekommen mit dem Kommentar: »Hattest du dir doch gewünscht, deshalb habe ich es gar nicht erst verpackt.« Ein bisschen Chichi gehört einfach zur Romantik dazu. Außerdem hat die Frau dann eher das Gefühl, dass sie, sollte er unerwartet in Tigertanga und mit Handschellen vor ihr stehen, sich elegant aus der Nummer verabschieden könnte: »Mir ist gerade mehr nach Heimatfilm. Grüß die Goldfische von mir.« Hier hilft das Tabu allen Beteiligten dabei, das Gesicht zu wahren. Gut so.

Im Alltag aber erschwert uns der Gebrauch abgenutzter Phrasen die Möglichkeit, mit Menschen in echten Kontakt zu kommen. Die Frage »Wie geht es Ihnen?« kann man sich zum Beispiel eigentlich sparen, sie ist gesellschaftlich zur inhaltslosen Floskel mutiert. Die Antworten darauf lauten wahlweise »Danke, gut«, »Muss ja!« oder »Und selbst?«. Und schon endet der leblose Kommunikationsversuch.

Dann gibt es auch noch das »Alles gut«-Phänomen. Egal, ob mein Gesprächspartner gerade mit dem Fahrrad hingeknallt ist, vom Partner verlassen, in der Bahn angerempelt, vom LKW angefahren wurde oder 41 Grad Fieber hat, die Antwort lautet: »Alles gut!« Ein Reflex, der jegliche weitere Unterhaltung erdrosselt. Da kann ich nur noch den Krankenwagen rufen oder das Weite suchen. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass gerade wir Frauen häufig Meisterinnen darin sind, um die Wahrheit herumzureden und versteckte Botschaften in Worte zu legen, in der Erwartung, dass der Empfänger sie dekodiert. Wehe dem also, der nicht nachfragt, wenn seine Partnerin etwa sagt: »Nein, ich hab nichts, alles ist gut …« Denn eigentlich wäre jetzt Detektivarbeit gefragt: Ist wirklich alles in Ordnung? Oder hat sie ein Problem und möchte im Moment nur nicht darüber sprechen? Oder will sie eigentlich sagen: »Mir liegt etwas auf der Seele. Ich möchte, dass du dich kümmerst, nachfragst, auf mich eingehst«?

Manche von uns sind wahre Meisterinnen der Betonung, wie zum Beispiel beim vermeintlich als Zustimmung genutzten Wörtchen »Ja«. Kaum einem Mann gelingt es beim ersten Versuch, die versteckte Botschaft zu entschlüsseln. Jaahaa etwa kann »Nerv mich nicht« bedeuten. Ein fragendes Ja? heißt vielleicht: »Bist du dir sicher?« Jaja wiederum meint, wie allseits bekannt: »Leck mich am Allerwertesten!«

Joaaa bedeutet: »Ich habe eigentlich keine Lust, aber meinetwegen …« Leicht zu dechiffrieren ist dagegen das ekstatisch gestöhnte: Ja, ja, ja … Doch die Krönung der Verwirrung ist: Oft bedeutet »Ja« auch schlicht »Nein«. Wir bejahen etwas, weil wir nicht »Nein« sagen mögen oder dürfen, aber tun dann doch, was wir eigentlich wollen.

Einfach ist es jedenfalls nicht mit der Sprache und dem Klartext. Nicht immer ist es Taktik, wenn wir mit Floskeln antworten. Manchmal sind wir so verletzt, überrumpelt, geschockt, dass wir noch nicht wissen, wie wir unsere Gefühle ausdrücken sollen. Vielleicht wollen wir auch einfach nur aus einer Unterhaltung flüchten. Zum Beispiel, weil wir schon mit einem Bein aus der Tür und auf dem Weg ins Kino sind. Oder weil wir unter Stress stehen, in unserem Gedankenschloss feststecken oder auf Zeit spielen, um uns darüber klar zu werden, was wir gerade wünschen und was wir vermitteln wollen.

Natürlich gibt es auf freundlich gestellte Fragen nach dem Befinden auch Antworten, die uns überfordern: »Ich leide unter Verstopfung, habe deshalb heftige Schmerzen und einen dicken Blähbauch.« Oder: »Ich habe ein nässendes eitriges Ekzem am Fuß.« Auch schön: »Ich habe heute Morgen gesehen, wie einer Katze bei einem Unfall ein Bein abgerissen wurde.« Letztes Beispiel: »Nach sensationellem Sex mit meiner Frau habe ich nackt hundert Sit-ups gemacht, bevor wir im Bett gefrühstückt haben.«

Wer hat sein Kopfkino da noch unter Kontrolle? Ja, Erzählungen wecken Bilder – schöne und weniger schöne. Daher ist es wichtig, sich zu fragen: Wie viel möchte ich kommunizieren, und wie viel möchte ich wirklich vom anderen wissen? Und das ist nicht nur individuell verschieden, sondern auch von der Tagesform abhängig. Was aber nicht bedeutet, dass Schweigen oder banale Floskeln die korrekte Antwort wären. Ich meine, ich will nicht immer alles wissen, was der andere erlebt hat, aber ich würde meistens mit Vergnügen hören: »Ich hatte einen wunderbaren Morgen mit meiner Frau, ein herrliches Frühstück, jetzt freue ich mich auf den Tag.« Die positive Energie würde im Aufzug zum Büro überschwappen, und ich wäre sofort motiviert, mir meine eigenen positiven Erlebnisse ins Gedächtnis zu rufen.