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Beschreibung

Ein Mutmacher für alle, denen es gerade nicht gut geht.  Psychische Gesundheit geht uns alle an. Trotzdem trauen sich die wenigsten, offen darüber zu sprechen. Die britische Aktivistin Scarlett Curtis hat es sich zu ihrer Mission gemacht, dieses gesellschaftliche Tabu zu brechen, und gefragt: Was bedeutet psychische Gesundheit für dich? Mehr als 30 inspirierende Menschen teilen in dieser Anthologie ihre ganz persönliche Geschichte. Die Texte sind aufrüttelnd, lustig, schonungslos, poetisch und tröstend. Sie sind wie ein Zuruf, ein lautes Signal, das alle da draußen wissen lässt: Du bist nicht allein! Egal, was du gerade durchmachst – es ist okay.  Es ist okay, nicht okay zu sein. Es ist okay, zu weinen. Es ist okay, wütend zu sein. Es ist okay, um Hilfe zu bitten. Es ist okay, im Bett zu bleiben, Es ist okay, wenn du nicht darüber reden willst. Es ist okay, eine Therapie zu machen. Es ist okay, Medikamente zu nehmen. Es ist okay, menschlich zu sein. Das hier ist kein Lehrbuch. Es wurde nicht ausschließlich von professionellen Psycholog*innen oder Psychiater*innen geschrieben. Es ist persönlich. Aber im Teilen von persönlichen Geschichten liegt eine gewaltige Kraft. »Das ist so ein großartiges Buch. Egal, wie du dich fühlst, es wird dir helfen.« Ed Sheeran Mit Beiträgen von Emma Thompson • Emilia Clarke • Hannah Witton • James Blake • Lena Dunham • Matt Haig • Naomi Campbell uvm. Außerdem exklusiv in der deutschen Ausgabe: Texte von Angelina Broeger • Benjamin Maack • Coldmirror (Kathrin Fricke) • Lucia Lucia • Marlon Schulte • Miriam Davoudvandi • Nicholas Müller • Pia Kabitzsch

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Scarlett Curtis

It's Okay Not to Be Okay

Inspirierende Persönlichkeiten sprechen über psychische Gesundheit

Psychische Gesundheit geht uns alle an. Trotzdem trauen sich die wenigsten, offen darüber zu sprechen. Die britische Aktivistin Scarlett Curtis hat es sich zu ihrer Mission gemacht, dieses gesellschaftliche Tabu zu brechen, und gefragt: Was bedeutet psychische Gesundheit für dich? Mehr als 30 inspirierende Menschen teilen in dieser Anthologie ihre ganz persönliche Geschichte. Die Texte sind aufrüttelnd, lustig, schonungslos, poetisch und tröstend. Sie sind wie ein Zuruf, ein lautes Signal, das alle da draußen wissen lässt: Du bist nicht allein! Egal, was du gerade durchmachst – es ist okay.

In diesem Buch wird auf genderneutrale und diskriminierungssensible Sprache geachtet.

Inhalt

Über dieses Buch

Vermerk

TRIGGERWARNUNG

ES IST OKAY, NICHT OKAY ZU SEIN

ES IST OKAY, NICHT OKAY ZU SEIN

DU HAST EIN RECHT AUF DEINE GEFÜHLE

EINE WOCHE IM LEBEN EINER VERRÜCKTEN

DAS SCHWEIGEN BRECHEN

DENKEN WIE EIN TIER

FABELHAFT UND ABGEFUCKT

EINE GESCHICHTE AUS ZWEI STÄDTEN

WIR MÜSSEN REDEN

KEIN GRUND, SICH ZU SCHÄMEN

DIE JAHRESZEITEN

ABSAGE

ES IST OKAY, ZU SCHREIEN

DIE GESCHICHTE, DIE ICH NICHT ERZÄHLE

DER ROTE FADEN DER TRAURIGKEIT

DAS ENDE VOM ANFANG DES ENDES

HAST DU GETANZT?

SPRECHEN WIR UNS AUS

ES IST OKAY, VERLETZLICH ZU SEIN

JEDE GESCHICHTE HAT ZWEI SEITEN

GESEHEN UND GEHÖRT (SIEHST DU DAS LOCH IN MEINEM KOPF UND ANDERE GEDANKLICHE IRRWEGE)

DARIA

TAG SECHZEHN

WARUM BESCHWER ICH MICH EIGENTLICH?

ES IST OKAY, SICH HELFEN ZU LASSEN

WIE KANN ICH HELFEN?

MELD DICH MAL!

HALLÖCHEN, MEINE LIEBEN!

SCHRECKLICH, SCHÖN

DEINE PSYCHE IST DEIN*E FREUND*IN

DAS RICHTIGE SAGEN

ES WIRD OKAY

FEMINISMUS ALS FORM DER SELBSTHILFE

YOLOOO, BIIIIITCH

HAPPY, NOT PERFECT

ICH SUCHE MICH AM LETZTEN ORT, AN DEM ICH MICH GESEHEN HABE

DIE LISTE

WENN ES MAL KEIN SO SCHÖNER TAG IST

VOR DEM BALL

ZU GUTER LETZT

DIE »ES IST OKAY«-LISTE

DANKSAGUNG

HILFSANGEBOTE FÜR JUGENDLICHE UND ERWACHSENE

DEINE EIGENE »ES IST OKAY«-LISTE

Impressum

TRIGGERWARNUNG

VONScarlett Curtis

JOURNALISTIN, AKTIVISTIN

Dieses Buch ist heftig.

Worte und Bilder haben Macht. Aus genau diesem Grund – weil wir glauben, dass Worte die Macht haben, zu trösten, und starke Gefühle zu wecken – ist dieses Buch entstanden. Worte und Bilder können Gutes bewirken, doch sie können ebenso, wenn auch unbeabsichtigt, extremen Schmerz hervorrufen. Eine der schlimmsten Panikattacken meines Lebens hatte ich während einer Aufführung von George Orwells 1984. Es war eine bombastische und bildgewaltige Inszenierung, aber zu sehen, wie jemand auf der Bühne gefoltert und systematisch in den Wahnsinn getrieben wird, war in diesem Augenblick zu viel für mein Gehirn. Ich hätte es wissen müssen (schließlich war es 1984!), doch ich hatte vorher einfach nicht richtig darüber nachgedacht. Seitdem achte ich darauf, welche Inhalte ich mir wann zumute.

Manche Leute finden ja, Triggerwarnungen wären ein neumodisches Phänomen, das Produkt einer überempfindlichen Generation, die ohne Kuscheldecke und Händchenhalten nicht zurechtkommt. Tatsächlich wurde der Begriff aber schon in den Sechzigern geprägt, als man bei Vietnamveteranen vermehrt Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) feststellte, damals noch als »Kriegsneurose« oder »Kriegszitterer« bekannt. Etwa zur gleichen Zeit entwickelten feministische Aktivist*innen Bezeichnungen wie »Triggerwarnung« oder »Safe Space«, damit Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren hatten, keine Flashbacks erlebten und ihren überwältigenden Erinnerungen nicht hilflos ausgeliefert waren.

Heutzutage werden Triggerwarnungen eingesetzt, um Menschen vor Inhalten zu schützen, die sie retraumatisieren könnten. Es gibt nicht viel auf dieser Welt, über das ich mich richtig aufrege (ich bin ein eher zurückhaltender Mensch), aber wenn jemand Triggerwarnungen kritisiert, sehe ich rot. Dann steigt mir Dampf aus den Ohren und ich werde zum feministischen Hulk. Falls du Triggerwarnungen als lästig empfindest und der Meinung bist, sie würden in irgendeiner Form die Reinheit der Kunst stören, denk bitte mal für eine Minute über Folgendes nach: Wie lästig ist es wohl erst, jedes Mal befürchten zu müssen, dass du die allerschlimmsten Erfahrungen deines Lebens noch einmal durchmachen musst, wenn du ein Buch liest, Nachrichten siehst oder ins Kino gehst? Getriggert zu werden heißt nicht, dass man »wehleidig« ist oder »sich anstellt«. Es bedeutet, mit einer Erinnerung bombardiert zu werden, die so schmerzhaft ist, dass der Körper nicht damit umgehen kann. Man wird in die Vergangenheit katapultiert und ist nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft daraus zu befreien.

An manchen Tagen kann es großartig sein, sich mit einem Kunstwerk zu beschäftigen, das an ein Trauma erinnert. Womöglich hilft es sogar, zu erkennen, dass man nicht allein ist. Wenn wir sehen, wie sich unsere Erlebnisse in etwas widerspiegeln, liegt darin manchmal eine besondere Schönheit. Aber an anderen Tagen kann es einen auch überfordern. Vielleicht bist du müde, traurig oder schlicht nicht in der Stimmung. Dann ist es okay, das Buch zuzuklappen, den Fernseher auszuschalten oder das Kino zu verlassen.

Solltest du dich je über eine Triggerwarnung geärgert haben, je gedacht haben »Gott, die Leute heutzutage sind echt so was von empfindlich«, solltest du je die Augen verdreht haben, wenn antidiskriminierende Sprache benutzt wird oder jemand mit Bedacht gewisse Pronomen verwendet, dann möchte ich dir eins sagen: Halt bitte einfach mal für einen Augenblick die Klappe. Triggerwarnungen sind kein Symptom einer verweichlichten Gesellschaft.

SIESINDEINNOTWENDIGES ZEICHENDAFÜR, DASSUNSEREKULTURSICHALLMÄHLICHANDIEDRINGENDEN BEDÜRFNISSE DERJENIGENANPASST, DIE TRAUMATA ERLITTEN HABEN ODER AN PTBS LEIDEN.

Wie gesagt, dieses Buch ist heftig. Einige Passagen bringen dich vielleicht zum Lachen, andere zum Weinen, wieder andere sind schlichtweg herzzerreißend. Sie alle haben auf die eine oder andere Art mit psychischer Gesundheit zu tun. Wir haben versucht, diese Seiten zu nutzen, um das Gute und Schlechte am Menschsein darzustellen. Das bedeutet aber auch, dass es Teile gibt, die möglicherweise schwer zu lesen sind. Wir hoffen, diese Triggerwarnung hilft dir dabei, dich in diesem Buch zurechtzufinden.

NIMM DIR ZEIT UND VERGISS NICHT ZU ATMEN.ICHHOFFEVONGANZEMHERZEN, DASSDUAUSDIESENAUSSERGEWÖHNLICHENGESCHICHTENFÜRDICHDASMITNEHMENKANNST, WASDUGERADEBRAUCHST.

ES IST OKAY, NICHT OKAY ZU SEIN

ES IST OKAY, NICHT OKAY ZU SEIN

VON

Scarlett Curtis

JOURNALISTIN, AKTIVISTIN

Als ich siebzehn war, hat man mir zum ersten Mal gesagt, ich sei »verrückt«. Das ist weder eine treffende noch die politisch korrekte Bezeichnung, trotzdem ist es der Begriff, den ich übernahm. Denn damals kannte ich keinen besseren. Ich war »verrückt«, und ich war »kaputt«.

Durch meine Erfahrungen mit psychischer Gesundheit habe ich eine Menge Punkte auf der Liste für »Verrückte« abgehakt. Zwei Jahre meines Lebens war ich kaum in der Lage, mein Zimmer zu verlassen, ohne eine Panikattacke zu erleiden. Ein Jahr lang ging ich in Kliniken ein und aus. Ich habe alle möglichen Medikamente ausprobiert, war bei einer ganzen Armada von Therapeut*innen, hatte zig Panik­attacken in Zugtoiletten, wobei ständig irgendwer die Tür aufgerissen hat (wie zur Hölle verschließt man diese halbrunden Türen?), und habe mehr Tränen geweint, als ich es für menschenmöglich gehalten hätte. (Deshalb trinke ich auch so viel – ich muss das irgendwie ausgleichen.)

Über vier Jahre klammerte ich mich verzweifelt an jeden noch so kleinen Strohhalm, um mich aus dem tiefen, tiefen Loch zu ziehen, in dem ich immer wieder versank. Mit einundzwanzig saß ich schließlich in einer Tränenpfütze auf meinem Bett und mir kam eine schmerzliche, aber unausweichliche Erkenntnis: Mein Leben würde nie so werden, wie ich es mir ausgemalt hatte. Vor mir lag kein Dasein voll ungetrübten Glücks, ich würde nie vergnügt Arbeit, Ehe und Familie unter einen Hut bringen. Stattdessen würde ich jeden Tag aufs Neue gegen die Dämonen in meinem Kopf ankämpfen, um es aus dem Bett zu schaffen.

Ich hatte einen Blick auf die Zukunft erhascht. Und auch wenn sie kein bisschen dem Bild glich, das ich als Siebenjährige von meinem späteren Ich gekritzelt hatte, akzeptierte ich allmählich, dass mein Gehirn mich betrogen hatte und das hier mein Leben war.

Als ich meine Diagnose bekam (Depression, Angststörung, PTBS – der ganze spaßige Kram!), kam ich mir wirklich vor wie die einzige Person auf der ganzen Welt, die je ein Problem mit ihrer psychischen Gesundheit gehabt hat. Ich durchforstete das Internet auf der Suche nach Geschichten von Leuten wie mir, und jeder Tweet oder Blogeintrag fühlte sich an wie eine Rettungsleine.

Ich war nicht allein – das weiß ich jetzt. Laut der britischen Organisation MQ, die zu diesem Thema forscht, treten 50 Prozent der psychischen Probleme von Erwachsenen noch vor dem fünfzehnten Lebensjahr auf. Mehr als die Hälfte der befragten jungen Leute verbindet psychische Erkrankungen mit Isolation und einer Außenseiterrolle. 56 Prozent glauben, dass man dadurch anders behandelt wird. Den Verlust von Freundschaften fürchten 55 Prozent. Und 51 Prozent der Jugendlichen schämen sich für psychische Erkrankungen. Weiteren Studien zufolge befürchtet ein Drittel der jungen Menschen, könnte Einfluss auf ihre Karriere haben, Probleme offen zu thematisieren. In England werden die gängigsten Krankheitsbilder öfter bei Frauen festgestellt. Sie erhalten im Vergleich zu Männern zum Beispiel doppelt so oft die Diagnose Angststörung. Suizid zählt generell zu den verbreitetsten Todesursachen von Menschen zwischen zwanzig und vierunddreißig. Für Männer unter fünfundvierzig ist das sogar die häufigste Todesursache überhaupt: 2015 waren 75 Prozent aller Suizidopfer in Großbritannien männlich.

Das Erleben von psychischen Problemen findet grob auf zwei Ebenen statt. Zunächst ist da die physiologisch-neurologische Ebene: Etwas in deinem Gehirn hält es davon ab, so zu funktionieren, wie es sollte. Die Behandlung ist kompliziert und facettenreich und bei jeder und jedem individuell verschieden. Was das betrifft, kann das Buch dir nur bedingt helfen: indem es dir vielleicht neue Möglichkeiten aufzeigt oder dir ein paar Leute vorstellt, die auf diesem Gebiet Erstaunliches leisten.

Dann ist da noch die zweite Ebene: die psychologische, emotionale. Und die Scham – weil unsere Gesellschaft Menschen mit einem »kaputten« Gehirn das Gefühl gibt, sich schämen zu müssen. Die Scham hat nichts mit Serotonin oder Genetik zu tun. Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das uns alle angeht. Wir sind dafür verantwortlich, und wir müssen es beheben.

Die Scham ist es, die dich davon abhält, dir Hilfe zu suchen. Sie bringt dich dazu, »Danke, gut« zu murmeln, wenn du gefragt wirst, wie es dir geht. Die Scham ist es, die in dir rumort, die sich windet und wächst, bis sie zu einer schmerzenden, fauligen Last geworden ist – zu schwer, um von einem Menschen allein getragen zu werden, und zu toxisch, um sie zu erklären.

SCHAMKANNTÖDLICHSEIN. DIESES BUCH MÖCHTE DIR DIE SCHAM NEHMEN.

Mit einundzwanzig habe ich also akzeptiert, dass mein Leben nicht so wird, wie ich es mir erträumt hatte. Drei Jahre, hundert Therapiesitzungen, fünf verschiedene Medikamente, fünfzig Zusammenbrüche, achtundneunzig Panikattacken und viel zu viele Tränen haben daran nichts geändert. Psychische Gesundheit wird immer ein Thema für mich bleiben. Mein Geist wird immer ein wildwuchernder, überbordender Garten sein, den ich jeden Tag so weit zu zähmen versuche, dass ich ihn bewohnen kann. Für den Rest meines Lebens werde ich mit meinem »kaputten« Hirn zu kämpfen haben, aber mit der Zeit habe ich etwas begriffen, und diese Erkenntnis ist ein echter Grund zum Feiern: ESISTOKAY.

Meine Psyche ist okay.

ES IST OKAY, NICHT OKAY ZU SEIN.ES IST OKAY, ZU WEINEN.ES IST OKAY, WÜTEND ZU SEIN.ES IST OKAY, UM HILFE ZU BITTEN.ES IST OKAY, IM BETT ZU BLEIBEN.ES IST OKAY, DAS KOMISCH ZU FINDEN.ES IST OKAY, WENN DU NICHT DARÜBER REDEN WILLST.ES IST OKAY, EINE THERAPIE ZU MACHEN.ES IST OKAY, MEDIKAMENTE ZU NEHMEN.ES IST OKAY, MENSCHLICH ZU SEIN.

Wir alle haben eine psychische Gesundheit – genau wie eine körperliche. Ich glaube, mir selbst war das gesamte Ausmaß dieser Feststellung gar nicht bewusst, bis ich die Beiträge zu diesem Buchprojekt gelesen habe. Dieses Buch ist vieles, vor allem aber ist es eine Liebeserklärung ans Menschsein.

Es ist so etwas wie ein Zuruf. Ein lautes Signal, das alle da draußen wissen lässt: Du bist nicht allein! Dieses Buch ist dein doppelter Boden. Es soll dir zeigen, dass du vor dem, was du durchmachst, keine Angst zu haben brauchst.

Ich hoffe, dieses Buch spricht all diejenigen an, die seit Jahren leiden – aber auch jene, denen es momentan einfach nicht so gut geht oder die gerade eine schwere Zeit durchmachen. Natürlich ist es auch für ihre Freund*innen und Familienmitglieder gedacht. Und es stellt einen unwiderlegbaren Beweis dafür dar, dass eine psychische Störung nicht das ganze Leben definieren muss. Vor allem jedoch ist dieses Buch ein Puzzleteil in der riesigen globalen Bewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dem Thema psychische Gesundheit die Scham zu nehmen. Wie schon gesagt: Du bist nicht allein!

Das hier ist kein Lehrbuch. Es wurde nicht ausschließlich von professionellen Psycholog*innen oder Psychiater*innen geschrieben. Es ist persönlich. Aber im Teilen von persön­lichen Geschichten liegt eine gewaltige Kraft.

Dieses Buch wurde in Kooperation mit der wundervollen Partnerorganisation Shout veröffentlicht. Das ist die erste Krisen-Hotline in Großbritannien, die rund um die Uhr erreichbar ist1. Ich selbst habe am schlimmsten Tag meines Lebens bei einer Hotline für Suizidgefährdete angerufen. Deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass deren Arbeit überlebenswichtig ist. Wir wollen mit diesem Buch aber nicht nur die unglaubliche Leistung von Shout würdigen, sondern ebenso einen kleinen Teil dazu beitragen, dass weniger Leute überhaupt an den Punkt gelangen, an dem ihnen nur noch eine solche Nummer hilft. Den Punkt, an dem sie aufgeben wollen, sich so allein fühlen, dass ein anonymer Anruf oder eine Textnachricht ihre letzte Hoffnung ist.

Und schlussendlich habe ich das Projekt auch für mich selbst auf die Beine gestellt. An dem Tag, an dem die Menschheit das Zeitreisen erfindet (man wird ja wohl noch träumen dürfen), werde ich Folgendes tun: Ich werde zurückreisen, um mein sechzehnjähriges Ich zu treffen. Ich werde mich verkleiden (das Mädchen macht schließlich schon genug durch) und diesem Scherbenhaufen von Mensch das Buch in die Hand drücken. Denn dieses Mädchen, das sich so einsam gefühlt hat, so verzweifelt, so wertlos, und das sich so geschämt hat, braucht es mehr als irgendjemand sonst. Und ich weiß, dass es ihr geholfen hätte. Ich hoffe, dir hilft es auch.

Anmerkung zum Kapitel

1 Eine Liste mit Hilfsangeboten in Deutschland, Österreich und der Schweiz findest du im Kapitel »HILFSANGEBOTE FÜR JUGENDLICHE UND ERWACHSENE«.

DU HAST EIN RECHT AUF DEINE GEFÜHLE

VON

Michelle Elman

AUTORIN

Früher war mir gar nicht bewusst, dass ich überhaupt eine psychische Gesundheit habe. Das erzählt einem ja auch niemand, wenn mit der körperlichen Gesundheit schon so viel verkehrt läuft. Zumindest war das vor fünfzehn Jahren so. Mittlerweile hat sich das immerhin ein klein wenig gebessert. Wenn man heute so lange im Krankenhaus liegt wie ich zu der Zeit, fragen die Leute wahrscheinlich öfter (und verständnisvoller), wie es einem emotional geht. Doch damals gab es nur mich und meinen malträtierten Körper.

Mit zwanzig hatte ich schon fünfzehn Operationen hinter mir. Grund dafür waren ein Hirntumor, ein perforierter Darm, ein Darmverschluss, eine Hirnzyste und ein Leiden, das man Hydrozephalus nennt. Trotzdem fragte mich nie jemand, was in mir vorging, bis kurz vor meiner zwölften OP. Wobei die Leute sich auch da weniger nach meinem Wohlbefinden erkundigten, sondern mich vielmehr immer wieder mit der gleichen Frage löcherten: »Hast du Angst zu sterben?« Unnötig zu erwähnen, dass ich nicht gerade gut darauf reagierte. Das führte am Ende dazu, dass ich die Gefühle in mir einsperrte. Als Teenager hätte ich nicht sagen können, was ich fühlte, weil ich rein gar nichts fühlte. Ich hätte nicht mal sagen können, was ich dachte, so groß war die Angst, den grausamsten meiner Gedanken auszusprechen: dass ich selbst schuld an den vielen Operationen war. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde ich durch die Narben auf meinem Bauch bei jedem Blick in den Spiegel an die traumatischen Ereignisse erinnert – an eine Vergangenheit, der ich niemals entkommen konnte.

Erst als ich zwanzig war, in meinem Abschlussjahr an der Uni, brach alles aus mir heraus. Nach zehn Jahren durchlebte ich plötzlich all die Emotionen, die eigentlich irgendwann während der fünfzehn Operationen hätten auftreten müssen. Man diagnostizierte mir eine posttraumatische Belastungsstörung. Ich schleppte mich zur ersten Therapiesitzung – es war der beschwerlichste Gang meines Lebens. Mir einzugestehen, dass ich Hilfe brauchte, fühlte sich an wie ein Tritt in den Magen. Außerdem habe ich mich geschämt – obwohl ich rein rational natürlich wusste, dass es keinen Sinn ergab. Schließlich wollte ich zu dem Zeitpunkt selbst Psychologin werden! Auch wenn es nie dazu kommen sollte …

ICH HABE AUS DIESEM LEID KRAFT GESCHÖPFTUNDDENANTRIEB, MITMEINERARBEITETWASBEWEGENZUWOLLEN.

Aus diesem Grund rief ich die Kampagne »Scarred Not ­Scared« ins Leben. Damit Menschen mit ähnlichen Erfahrungen über ihre körperlichen und seelischen Narben sprechen können.

Es ist fünf Jahre her, dass bei mir Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung aufgetreten sind. Ein altes Sprichwort sagt: »Eine ruhige See hat noch keinen guten Seemann hervorgebracht.« Nachdem ich selbst schon mehrere emotionale Shitstorms überstanden habe, hier meine Tipps für unruhige Zeiten:

1. Wir alle haben eine psychische Gesundheit.

Unsere psychische Gesundheit will gehegt und gepflegt werden. Wenn du positive Gewohnheiten und Routinen schleifen lässt, wirkt sich das negativ auf deine Psyche aus.

2. Es gibt keine schlechten Gefühle.

Schon in der Kindheit bringt man uns bei, dass es schlechte Gefühle (z. B. Wut, Traurigkeit, Schuldgefühle, Angst und Scham) und positive Gefühle (z. B. Freude) gibt, aber das stimmt nicht. Jedes Gefühl ist gut und will dir etwas Entscheidendes mitteilen: Wut könnte bedeuten, dass eine Grenze überschritten wurde. Das Gefühl an sich ist nicht falsch, höchstens vielleicht die Art, wie du es ausdrückst.

3. Deine Probleme sind echt, mit oder ohne Diagnose.

Auch ohne Diagnose sind deine Symptome echt und deine Gefühle wichtig und gerechtfertigt.

4. Du trägst nicht die Schuld, aber die Verantwortung.

Du bist nicht schuld an dem ganzen Mist, der dir im Leben passiert. Du hast das nicht verdient. Niemand verdient das. Und du hättest es auch nicht verhindern können. (Selbst wenn dein Verstand dich vom Gegenteil überzeugen will.) Aber du bist verantwortlich dafür, wie du reagierst. Du allein kannst etwas daran ändern und du allein musst damit klarkommen.

5. Befrei dich von toxischen Beziehungen.

Hast du einen Tiefpunkt erreicht, kann es sein, dass du Leute mit Helfersyndrom geradezu magisch anziehst. Eine solche Beziehung funktioniert nur, wenn du völlig am Boden bist. Ich glaube zwar nicht daran, dass Menschen von Natur aus toxisch sind, allerdings glaube ich an toxische Dynamiken, die unsere psychische Gesundheit beeinflussen. Sich von solch einer Person zu distanzieren erscheint dir vielleicht gemein, aber wenn andere dich für einen schlechten Menschen halten, nur weil du deine Psyche schützt, dann ist das eben so. Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du erst mal an dich denkst.

6. Stell dich deinen Gefühlen.

Den Leuten wird ständig gesagt, sie sollen ihre Gefühle verarbeiten, aber niemand bringt einem bei, wie das geht. Lokalisier das Gefühl in deinem Körper und erkunde es. Wie groß ist es? Ist es warm? Oder schwer? Ist es klar oder verschwommen? Wenn du es erspürst, merkst du, wie es sich verändert und verformt. Vielleicht wird es sogar schmerzhafter, aber wenn du es lange genug zulässt, verschwindet es irgendwann. Mit jedem Mal wirst du feststellen, dass deine Gefühle weniger beängstigend sind, als du dachtest. Hältst du sie jetzt aus, schaffst du es in Zukunft auch!

7. Ängste sind Sorgen vor dem, was kommt.

Das Unterbewusstsein kennt keinen Unterschied zwischen Realität und Fiktion. Schließ die Augen und stell dir vor, in eine Zitrone zu beißen. Dein Körper reagiert darauf, auch ohne Zitrone. Bei Leuten mit Reiseangst beispielsweise passiert genau das Gleiche. Ihr Unterbewusstsein löst eine körperliche Reaktion auf einen Autounfall aus, ohne dass er tatsächlich stattfindet. Die Geschichte, die Betroffene sich ausmalen, und die Bilder, die sich vor ihrem inneren Auge abspielen, jagen ihnen schreckliche Angst ein. Solltest du auch mal in so einer Situation sein, dann konzentrier dich auf das Hier und Jetzt und nimm bewusst wahr, wie sich die Angst verflüchtigt. Einem Gefühl geht immer ein Gedanke voraus und das Problem ist der Gedanke, nicht das Gefühl.

8. Setz Grenzen.

Mit Grenzen bestimmst du, wie die Leute mit dir umgehen dürfen und wie nicht. Sätze wie »Rede nicht in diesem Ton mit mir« oder »So lasse ich mich nicht behandeln« sind wichtig, damit wir psychisch gesund bleiben. Wir müssen uns von dem Gedanken lösen, dass andere uns weniger mögen könnten, und uns darauf besinnen, dass wir respektiert werden wollen. Wenn du dich bei einem bestimmten Menschen nicht traust, Grenzen aufzuzeigen, solltest du genau da anfangen. Akzeptiere seine Reaktion, aber vergiss nicht: Du bist nicht verantwortlich für seine Gefühle.

EINE WOCHE IM LEBEN EINER VERRÜCKTEN

VON

Ella Purnell

SCHAUSPIELERIN

Montag

Ich wache frühmorgens auf. Mit dem ersten Sonnenstrahl. (Mehr oder weniger.) Ich bin ausgeschlafen und richtig gut drauf. Die Vögel zwitschern! Der Himmel lacht! Für einen Moment vergesse ich sogar das Patriarchat! Mein Pony liegt perfekt. Ich trage die neuen weißen Schuhe, in denen ich viel stylischer aussehe, als ich eigentlich bin. Im Ernst, ich seh voll nice aus! Die Welt ist in Ordnung. Wie in einem verdammten Disneyfilm. Montage sind mein persönliches Wunschkonzert und das Leben ist einfach nur schön. Das wird MEINE Woche. Ich bin startklar. Ich könnte Bäume ausreißen. Alles ist super. Jep, du hast mich richtig verstanden. Alles ist gut. Alles. Absolut alles. Na ja, mehr oder weniger. Da ist sie wieder.

Dir auch einen guten Morgen, Karen.2

Meine Therapeutin hatte die Idee, meinen destruktiven Gedanken einen Namen zu geben. Dank ihr bin ich jetzt auch in der Lage, der frisch getauften Karen höflich, aber bestimmt mitzuteilen, dass sie sich verpissen soll. Wie meine Therapeutin ganz richtig erkannt hat, würde ich mir so ein Verhalten von niemandem gefallen lassen, warum also ausgerechnet von mir selbst? Irgendwie hilft es ja, die Tyrannin beim Namen zu nennen und sie zu beschimpfen. Trotzdem ist es scheißanstrengend, sich jeden Tag aufs Neue mit seinem eigenen Verstand zu streiten.

Heute zieht sich die Schlacht über sechs Stunden, eine Panik­attacke und dreißig ungelesene E-Mails. Ich gebs auf. (Ist nur fair, Karen hat extra eine Sonderschicht eingelegt.) Wie es aussieht, sind Montage wohl doch kein Wunschkonzert. Als ich zu Hause ankomme, klebt mir der Pony verschwitzt im Gesicht, die weißen Schuhe sind grau und ich habe zwei Jobs und einen Ohrring verloren. Mein Hirn läuft auf Hochtouren. Ich bin total platt. Trotzdem beende ich den Tag mit meiner üblichen Abendroutine: einem Kräutertee und einem guten Buch. Ich verschütte den beschissenen Tee. Das bringt das Fass zum Überlaufen. Sofort ist die Hölle los. Ich bin eine Dramaqueen. Ein Tollpatsch. Eine Niete. Ich hasse meinen Verstand und mein nach Kamille duftendes Ich.

Verpiss dich, Karen.

Dienstag

Nach der Therapie fühle ich mich leichter.

Vor allem, weil mein Portemonnaie leer ist. Yeah! Depri UND pleite! Ich könnte eine zweite Hypothek auf das Haus aufnehmen. Oder es mit Glücksspiel probieren. Dann fällt mir wieder ein, dass ich gar keine Hypothek habe, geschweige denn ein Haus. Mir fällt ein, dass ich zu den Millennials gehöre, faul bin – außerdem BrExIt – und dass ich NIEMALS Hauseigentümerin sein werde, weil ich nur an meinem Handy hänge. Mir fällt ein, dass ich keine Ahnung von Steuern habe, und fange mitten im Bus an zu heulen.

Fast den ganzen Tag mache ich mir Sorgen und schiebe Panik – wegen absolut nichts. Ich. Kann. Einfach. Nicht. Abschalten. Es frustriert mich, dass ich so bin. Es frustriert mich, dass ich nicht weiß, warum ich so bin. Und es frustriert mich, dass ich offensichtlich die Einzige bin, der es so geht.

Das ist alles so frustrierend. Aber ich muss dieses Denkmuster durchbrechen. Ich erinnere mich daran, nett zu mir zu sein. Ich blase Treffen mit Freundinnen und Freunden ab. Jetzt gerade brauche ich mich dringender als sie. Ich habe ein schlechtes Gewissen, aber ich muss mich um mich selbst kümmern. Das verstehen sie bestimmt. Sonst sterbe ich einsam. So oder so: Ich will Eis!

Ich werde nach den Narben auf meinen Armen gefragt. Da ich niemanden in Verlegenheit bringen will, sage ich brav und gut gelaunt, dass alles in Ordnung ist. Ich versichere, dass wirklich alles in Ordnung ist, aber sie sollten mal meinen Gegner sehen.

Mittwoch

Ich wache auf und denke als Erstes an die Worte meines Exfreundes: Er hätte sich nicht auf mich eingelassen, wenn er gewusst hätte, wie viel Ballast ich mit mir herumschleppe. Ich bedanke mich bei Karen für diesen wundervollen Start in den Tag. Im selben Moment erinnere ich mich daran, dass derselbe Ex allergisch auf Sellerie reagiert. Was irgendwie zum Totlachen ist. Ich liebe meinen Verstand. Dann wird mir klar, dass ich verschlafen habe. Ich hasse meinen Verstand. Das Heulen hebe ich mir für nachher auf. Ich komme zu spät zur Arbeit.

Ich versuche mir ein paar Komplimente zu machen, bevor ich das Haus verlasse. Sozusagen als kleine Aufmunterung für unterwegs. Mir fällt nur eine Sache ein: Ich hab einen echt geilen Arsch. Keine Ahnung, ob das zählt, aber es klappt. Auf einmal sehe ich eine ganz andere Frau in mir und zwinkere mir im Spiegel zu.

Als ich die Spülmaschine ausräume, überkommt mich eine plötzliche Verzweiflung. Ich zerbreche mir den Kopf über den Sinn des Lebens. Ich frage mich, ob meine Eltern nicht lieber einen Sohn gehabt hätten und ob Fidget Spinner immer noch im Trend liegen. Mir fällt ein, dass ich zur Post wollte. Ich erinnere mich an die schreckliche Schulparty in der achten Klasse, als ich meine Periode bekommen habe. Es graut mir vor dem Tag, an dem der schräge Pony wieder angesagt ist. Ich weiß nicht, wer zum Teufel ich überhaupt bin und ob mein Vater recht hatte und ich nicht besser in Erdkunde statt in Religion meine Abschlussprüfung hätte ablegen sollen. Fange ich das Richtige mit meinem Leben an? Haben Katzen Knie?! War diese eine E-Mail zu passiv-aggressiv??? Schlägt bald ein Asteroid auf der Erde ein?!?! Ich habe vergessen, in welchem Verwandtschaftsverhältnis ich zu meiner Cousine stehe, rufe panisch meine Mum an und schreie unter Tränen ins Telefon: »Was war noch mal der Unterschied zwischen Cousinen ersten und zweiten Grades?« Alle machen sich schreckliche Sorgen.

Donnerstag

Ich wache angespannt und gestresst auf. Ich bin ohne Grund gemein. Ich habe viel zu tun, aber keine Zeit dafür. Warum kann ich so schwer Nein sagen?! Mein Hirn ist ein verknoteter Klumpen. Ich schreibe auf, was mir Kopfzerbrechen bereitet. Die Liste ist sieben Seiten lang. Ich könnte kotzen.