Karma - Sadhguru - E-Book

Karma E-Book

Sadhguru

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Beschreibung

Der weltbekannte Yoga-Meister Sadhguru gibt in seinem authentischen Lebensratgeber Aufschluss über eine der wichtigsten Fragen: Wie können wir unser Schicksal beeinflussen und ein glückliches Leben führen?  Die meisten Menschen verstehen unter Karma eine Bilanz von guten und schlechten Taten. Doch Karma ist keine unendliche Quelle von Verstrickungen, kein perfider Mechanismus von Belohnungen und Bestrafungen. Sadhguru führt unser Verständnis von Karma wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung von Freiheit und Ermächtigung zurück. Karma hat mit Verantwortung zu tun. Karma kommt nicht von außen auf uns zu, sondern wird von uns selbst, von innen erzeugt. Die Anhäufung von Karma – positiv wie negativ – wird nur durch die Art und Weise bestimmt, wie wir denken, fühlen und handeln bzw. wie wir in Situationen reagieren. Durch die Methoden des Yoga-Meisters lernen wir, auf intelligente Weise glücklich und vor allem auch souveräner und selbstbestimmter in einer herausfordernden Welt zu leben. "Karma" ist ein Informations- und Praxisbuch gleichermaßen. Durch die Methoden des Yoga-Meisters lernen wir, intelligent, glücklich und vor allem auch souveräner und selbstbestimmter in einer herausfordernden Welt zu leben. Sadhguru setzt uns wieder auf den Fahrersitz unseres Lebens und hilft uns, es mit konkreten Übungen selbst in die Hand zu nehmen.

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Seitenzahl: 376

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Sadhguru

Karma

Wie wir das eigene Schicksal beeinflussen können

Aus dem Englischen von Horst Kappen

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Der weltweit anerkannte und beliebte Yoga-Meister Sadhguru gibt einen spannenden und bereichernden Aufschluss über eine der wichtigsten Fragen: Wie können wir unser Schicksal beeinflussen und ein glückliches Leben führen? Was verbirgt sich in dem Zusammenhang eigentlich hinter dem Begriff Karma?

Die meisten Menschen verstehen unter Karma eine Bilanz von guten und schlechten Taten, Tugenden und Sünden. Doch Karma ist keine unendliche Quelle von Verstrickungen, kein perfider Mechanismus von Belohnungen und Bestrafungen! Sadhguru führt unser Verständnis von Karma, was wörtlich einfach Aktion oder Handlung meint, wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung von Freiheit und Ermächtigung zurück. Karma hat mit Verantwortung zu tun. Karma kommt nicht von außen auf uns zu, sonst wird von uns selbst, von innen erzeugt. Die Anhäufung von Karma – positiv wie negativ – wird nur durch die Art und Weise bestimmt, wie wir denken, fühlen und handeln bzw. wie wir auf das reagieren, was mit uns geschieht.

Sadhguru versucht, Sie wieder auf den Fahrersitz zu setzen und Sie von einem Terror-LKW-Passagier zu einem selbstbewussten Fahrer zu machen, der den Kurs seines eigenen Schicksals steuert. „Karma“ ist ein Informations- und Praxisbuch gleichermaßen, Durch die Methoden des Yoga-Meisters lernen man, intelligent, glücklich und vor allem auch souveräner und selbstbestimmter in einer herausfordernden Welt zu leben.

Inhaltsübersicht

Widmung

Die Enträtselung des Karma: Eine Einführung

TEIL EINS

An die Leser*innen

1. Kapitel

ERSTES SUTRA

Auf dem Fahrersitz

Die Entmystifizierung des Karma

Der karmische Kreislauf

Die Monotonie und Tyrannei des Karma

Der Geruch der Unfreiheit

2. Kapitel

ZWEITES SUTRA

Die Folgen der Berechnung

Die Saat des Wollens

Vermeidung beschleunigt die Anhäufung von Karma

Warum leiden manche Menschen mehr als andere?

Kula Vedana: Das Gewicht des kollektiven Karmas

Die Debatte über Schicksal und der Streit über Astrologie

3. Kapitel

DRITTES SUTRA

Der Mammut-Gedächtnisspeicher

Die Menschen als Karmataschen

Membranen der Erinnerung

Wenn die Toten durch dich leben

Runanubandha: Die Honigfalle des physischen Gedächtnisses

4. Kapitel

VIERTES SUTRA

Kategorien von Konsequenzen

Vom Sein zum Tun zum Haben

Die Ursachen von Unbehagen und Krankheit

5. Kapitel

FÜNFTES SUTRA

Die Intelligenz erfindet das Gedächtnis

Echte Intelligenz versus künstliche Intelligenz

Ist Karma ein Schimpfwort?

TEIL ZWEI

An die Leser*innen

6. Kapitel

SECHSTES SUTRA

Der verkrüppelte Fuchs und der großmütige Löwe

Den Weg alleine gehen

Der Ausweg aus dem Netz des Karma

Karma-Yoga

Zwei Ansätze des Karma-Yoga: Bewusstheit und Hingabe

Auf die Früchte des eigenen Tuns verzichten

Herrschen oder Dienen?

Die Bedeutung des Opferns

7. Kapitel

SIEBTES SUTRA

Die »Verkörperung« des Karma

Karma-Yoga und Asanas

Typische karmische Reibungen

Karma und die Elemente

Die Minimierung der körperlichen Erinnerung

Spiritualität und Karma im Schnellvorlauf

8. Kapitel

ACHTES SUTRA

In die Gegenwart eintauchen

Dieser Moment ist unausweichlich

Die Komplexität der Konditionierung

Distanz zur karmischen Struktur schaffen

Sich die Verantwortung zurückholen

9. Kapitel

NEUNTES SUTRA

Das Ziel festlegen

Der Yoga der Hitze und des Lichts

Karma und die Ausrichtung der Körper

Als meine Energie ihren Höhepunkt erreichte

Heilige Orte und der karmische Schnellvorlauf

Karma und der Energiekörper bei der Geburt

Altern und Tod

Karma und Gedächtnisverlust

Samadhi: Das Erreichen des Gipfels

Avadhutas: Wesen der Glückseligkeit

Den Körper bewahren, nachdem die karmische Blase geplatzt ist

Systeme energetischer Heilung

TEIL DREI

An die Leser*innen

Karma-Gespräche

ZEHNTES SUTRA

Epilog

SIEBZEHNTES SUTRA

Glossar

An alle Suchenden …

 

Die innere Reise durch eine unbekannte Landschaft kann voller Widersprüche im Denken, Fühlen, Erleben und Handeln sein. Dieses Buch versucht, den Schleier dieser Widersprüche in den Köpfen und Herzen aller Wahrheitssuchenden zu lüften.

Die Enträtselung des Karma: Eine Einführung

Es geschah einmal …

Eines schönen Tages schaffte sich Shankaran Pillai ein Boot an – eine Zwölf-Meter-Super-Luxus-Jacht für zehn Millionen Dollar. Er beschloss, mit seiner frischgebackenen Ehefrau aus Puerto Rico eine romantische Kreuzfahrt auf dem Meer zu unternehmen.

Unterwegs geschah das Unglück: Die Jacht lief auf eine Klippe auf und zerschellte.

Während das nagelneue Boot im Meer versank, gelang es Shankaran Pillai und seiner Frau, mit heiler Haut davonzukommen. Sie schwammen um ihr Leben und schafften es schließlich an das Ufer einer nahe gelegenen Insel – ein kleiner Flecken sandigen Eilandes, das am Ende der Welt aus dem Ozean ragte, ohne eine Spur von Vegetation.

Shankaran Pillai und seine Frau hatten ein paar Konserven dabei, wussten aber, dass diese nur für ein paar Tage reichen würden. Sie saßen in der Patsche.

Unbeirrt begab sich Shankaran Pillai in eine Yoga-Stellung und nahm dabei einen sehr gelassenen, spirituellen Gesichtsausdruck an. Seiner Frau hingegen war nicht so unerschütterlich zumute.

»Wir sind verloren!«, schluchzte sie. »Weit und breit keine Menschenseele und nicht das kleinste Anzeichen von Leben – keine Tiere, keine Pflanzen, nichts. Wovon sollen wir uns ernähren? Wie können wir je wieder von hier wegkommen? Was für ein entsetzliches Ende für unsere Träume vom Eheglück! Was für ein entsetzliches Ende unseres Lebens!«

Ungerührt verharrte Shankaran Pillai in seiner Yoga-Position.

Seine Frau war fassungslos. »Wie kannst du einfach so dasitzen? Ist dir nicht klar, dass wir dem Tod ins Auge sehen? Begreifst du nicht, dass wir sterben werden?«

Shankaran Pillai sah sie mit sanftem Mitgefühl an. »Meine Liebe, beunruhige dich nicht«, sagte er. »Was ich dir vor unserer Hochzeit nicht gesagt habe: Ich bin kein unbeschriebenes Blatt. Als ich noch in Tennessee Student war, habe ich einen Studienkredit aufgenommen. Nach meinem Studium ging ich nach New York, ohne den Kredit zurückzuzahlen. Drei Monate später haben mich meine Gläubiger dort aufgespürt.

Aber ich schaffte es, ihnen zu entkommen, und ging nach Kalifornien. Dort wollte ich mir einen Wagen anschaffen. Da ich mir einen Autokredit besorgt hatte, sagte ich mir: Warum mich mit einem kleinen Wagen zufriedengeben? Ich beschloss, mir einen Rolls-Royce mit Zierleisten aus purem Gold zuzulegen, und nahm dafür einen Kredit von zwei Millionen Dollar auf. Da ich aber das Gefühl hatte, es könnte für mich in der Gegend etwas brenzlig werden, setzte ich mich mit dem Wagen nach Oregon ab.

Aber auch dorthin sind sie mir gefolgt. Als Nächstes nahm ich einen Kredit für das Haus über fünf Millionen Dollar auf. Ich landete dann irgendwie in Mexiko, aber sechs Monate später haben sie mich auch dort wieder aufgespürt.

Danach habe ich dich, wie du weißt, geheiratet und in Texas diese Zehn-Millionen-Dollar-Jacht gekauft. Ich habe noch nicht einmal die erste Rate bezahlt. Mach dir also keine Sorgen. Bleib ruhig. Kein Grund zur Panik. Sie werden uns finden. Das tun sie immer.«

 

Shankaran Pillais fester Glaube daran, dass man ihn immer »finden« werde (oder besser gesagt, seine Gewissheit, seinen Gläubigern niemals entkommen zu können!), ist ein Phänomen, das man gemeinhin unter einem anderen Namen kennt.

Karma.

Die unentrinnbare Grundlage unseres Lebens. Der Mechanismus, der dafür sorgt, dass wir uns den Konsequenzen unseres Handelns nicht entziehen können. Der Lauf der Dinge, der uns unerbittlich und unausweichlich einzuholen scheint, wohin wir uns auch wenden.

Obwohl der Begriff aus dem Indischen stammt, hat er inzwischen in jedes Wörterbuch Einzug gehalten. Karma ist nicht nur Gegenstand metaphysischer Werke und akademischer Abhandlungen, sondern ein Begriff, der überall auf der Welt im Wortschatz Einzug gehalten hat, von der Esoterik bis zur Populärkultur.

Wie konnte dieser Sanskrit-Begriff in jede einzelne Sprache der Welt Eingang finden? Wie erklärt sich seine außergewöhnliche Popularität, seine Fähigkeit, die Jahrhunderte zu überdauern?

Dafür gibt es viele mögliche Erklärungen. Aber vielleicht ist der Hauptgrund einfach dieser: Karma ist weltweit das einzige Konzept, das sich mit der menschlichen Ratlosigkeit angesichts des Leidens befasst. Es ist die einzige logische Erklärung für die scheinbare Beliebigkeit der Welt, in der wir leben.

Wie sonst machen wir uns die Allgegenwärtigkeit menschlicher Not verständlich? Wie erklären wir uns die Schrecken des Krieges und der todbringenden Krankheiten, die stumme Qual auf den Gesichtern hungernder Kinder und traumatisierter Gefangener? Die endlose Liste von Grausamkeiten und Konflikten, die Teil der menschlichen Erfahrung sind, solange wir zurückdenken können?

Und wie finden wir Antworten auf uralte Fragen wie diese: Warum passieren guten Menschen schlimme Dinge? Warum begünstigt das Schicksal so oft diejenigen, die wir als grausam, herzlos oder moralisch verdorben wahrnehmen? Warum scheinen die Umstände unseres Lebens so ohne jeden Sinn und Zusammenhang zu sein? Warum kommt es uns manchmal so vor, als würde Gott – falls es ihn gibt – mit der Welt sein Spiel treiben? Warum erscheint uns das Universum so oft als ein feindseliger Ort, ohne Gesetz und ohne Kontrolle?

Vielleicht existiert kein anderer Begriff, der die bange Frage des Menschen nach dem Warum so gut beantwortet, wie der Begriff des Karma es tut.

Oder es zu tun vermag.

Viel zu lange wurde der Begriff entweder über die Maßen vereinfacht oder unnötig mystifiziert. Es ist daher an der Zeit, das hinter ihm stehende Konzept genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist an der Zeit, diesen meist überstrapazierten, missbräuchlich verwendeten und zugleich so unverzichtbaren Begriff im spirituellen Vokabular der Welt von seinen Verzerrungen zu befreien. Und es ist an der Zeit, zu ergründen, in welchem Bezug der Begriff des Karma zu den tiefsten Grundfragen des Menschseins steht: nach dem Sinn des Lebens und vor allem danach, wie wir ihn in unserem Leben verwirklichen können.

Dieses Buch will sowohl Auslotung als auch Anleitung sein. Es will Wege aufzeigen, wie wir in einer Welt, die uns viel abverlangt, auf kluge und freudvolle Weise leben können. Dabei versucht es, dem Begriff des Karma das Potenzial zu transformieren, das ihm ursprünglich innewohnt, zurückzugeben. Es will die Schicht aus Missverständnissen, die sich auf ihm abgesetzt hat, abtragen und das Karma in seiner ganzen unverfälschten Kraft und metaphysischen Urgewalt sichtbar machen.

Dabei werde ich meinen Erläuterungen eine Reihe von Sutras voranstellen, die helfen sollen, sich in der Welt des Karma zurechtzufinden. Sutra bedeutet wörtlich »Faden« oder »Kette«. Niemand trägt eine Perlenkette wegen des Fadens, aber ohne den Faden kann es keine Perlenkette geben! In der yogischen Kultur gab der Guru den Schülern traditionell einen zusätzlichen Leitfaden an die Hand, der ihnen den Weg durch das Leben wies. Dieses Buch will jedoch Anleitung und umfassende Darstellung des Themas Karma zugleich sein. Es bietet sowohl einzelne Fingerzeige als auch den Blick auf das Ganze – mit anderen Worten: Es will, so gut es geht, sowohl Faden als auch Perlenkette sein.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil erforscht das Karma als Quelle der Verstrickung; der zweite Teil geht den Möglichkeiten nach, sich aus dieser Verstrickung zu befreien; und der dritte Teil geht auf häufig gestellte Fragen zum Thema ein.

Teil Eins untersucht die verflochtenen Abläufe des karmischen Mechanismus – der weitaus komplexer ist, als den meisten Menschen bewusst ist. Teil Zwei führt in den Begriff des Karma-Yoga ein – als ein Weg, sich mit dem Karma auseinanderzusetzen, mit ihm umzugehen und sich von ihm zu befreien. Auch wenn dieser Abschnitt bis zu einem gewissen Grad praktischer Natur ist, kann die Wissenschaft des Yoga in ihrer ganzen Tiefe doch nicht durch ein Buch vermittelt werden. Es bedarf persönlichen Einsatz und Unterweisung durch einen spirituellen Meister, damit sie zu einer wahrhaft verwandelnden Kraft wird. Ein Buch kann jedoch einen gangbaren Weg aufzeigen und dazu motivieren, ihn zu gehen, und das ist es, was dieser Abschnitt zu leisten hofft.

Hier eine kleine Vorwarnung: Beim tieferen Eintauchen in das Buch wird dir eine Reihe von Fachbegriffen begegnen. Lass dich davon nicht entmutigen. Karma ist eben kein poetisches Thema, sondern ein komplexes Gebiet, zu dem präzise, ja wissenschaftlich exakte Begriffe und Unterscheidungen gehören. Dennoch ist Karma auch kein steriles Thema. Es ist die Grundlage der menschlichen Existenz – buchstäblich eine Frage von Leben und Tod. Eine solche Diskussion lässt sich nicht auf rein akademische Weise führen.

In mehreren Kapiteln des ersten und zweiten Teils sind mit Sadhana überschriebene Abschnitte eingefügt. Im Sanskrit bedeutet Sadhana so viel wie Hilfsmittel oder Werkzeug. Die Sadhanas bieten dir die Möglichkeit, einige der Einsichten, die dir in den einzelnen Kapiteln begegnen, in die Praxis umzusetzen und sie im Labor deiner Erfahrung zu erproben.

Teil Drei ist ganz der Beantwortung von Fragen gewidmet. Es sind drängende, von Herzen kommende Fragen. Fragen, die mir über dreieinhalb Jahrzehnte hinweg in Lehrprogrammen und Gesprächen gestellt worden sind. Fragen, die immer wieder auftauchen, einfach weil die menschliche Wissbegier in Bezug auf das Karma ungebrochen, unermüdlich und oft von großer Dringlichkeit ist. Die Verunsicherung in Bezug auf dieses Thema ist echt, die Sehnsucht nach Klarheit gleichermaßen authentisch.

Möglicherweise werden einige dieser Fragen bei dir auf Resonanz stoßen. Andere klingen vielleicht ganz so wie deine eigenen. Nur sehr wenige Fragen sind seit dem Anbeginn der Zeiten wirklich neu. Die konkreten Umstände mögen wechseln, aber das Verlangen, einer Welt voller Schmerz und Ungerechtigkeit einen Sinn zu verleihen, bleibt in uns lebendig – ebenso wie der menschliche Drang, die Geheimnisse des Lebens zu ergründen, bis ans Ende aller Tage fortbestehen wird.

Gehen wir also daran, das Karma zu enträtseln.

TEIL EINS

An die Leser*innen

Wie ich oft betone, bezeichnet das Wort Sadhguru einen »ungebildeten Guru«. Ein »ungebildeter Guru« schöpft nicht aus einem Fundus überlieferter Lehren, sondern aus unmittelbarem innerem Wissen. Ich komme deshalb von einem Ort der direkten Erfahrung aus, nicht von einem Wissen aus zweiter Hand.

Mein Zugang zum Karma ist daher nicht der eines Gelehrten – und ist es auch nie gewesen. Wenn ich von Karma spreche, berufe ich mich nicht auf ein Dogma. Ich beziehe mich auf die Wahrnehmung. Wissen aufgrund von Konzepten ist der Weg des Akademikers. Wissen aufgrund von Wahrnehmung ist der Weg des Yogi.

Teil Eins dieses Buches erklärt das Karma – in seiner ganzen Komplexität und Vielschichtigkeit. Es kann den Anschein haben, als ob es hier um bloße, mitunter schwer verständliche Begrifflichkeiten ginge. Aber ich möchte betonen, dass es sich nicht um abstruse Theorien handelt, sondern um unmittelbare Einblicke in das tatsächliche Wirken des Karma.

Dieser Teil ist für die Wissbegierigen. Er ist für diejenigen, die sich schon seit Jahren mit Fragen befassen wie: Was ist Karma? Wie häuft es sich an? Was hält das Räderwerk in Gang? Wann hat dieser ganze komplizierte und verrückte Kreislauf begonnen? Er ist für diejenigen, denen es nicht bloß um eine Gebrauchsanweisung geht, sondern um einen Einblick in den eigentlichen Wirkmechanismus des karmischen Rades.

Dieser Abschnitt befasst sich also mit der Frage, wie dieses Rad ins Dasein tritt und ins Rollen kommt. Er führt dich Schritt für Schritt in das Thema Karma ein – erklärt, um was es sich dabei handelt und wie es sich anhäuft; geht auf die vielen verschiedenen Einflüsse ein, unter denen sich die menschliche Persönlichkeit formt; auf das unglaublich große Gedächtnis-Reservoir, das jeder Einzelne in sich trägt; die Rolle des Willens und die komplexe Art, in der uns Karma anhaftet, auch wenn wir versuchen, uns von ihm zu befreien.

Wer sich auf einer spirituellen Suche befindet, will in der Regel sein Karma abschütteln. Aber es ist wichtig, zu bedenken, dass das Karma nicht unser Feind ist. Um ein gutes Leben zu führen, ist es nicht nötig, alles Karma zu beseitigen. Im Gegenteil, wir könnten ohne Karma nicht leben, denn das menschliche Leben beruht darauf. Zugleich kann das Karma zu großem Leid und in tiefe Verstrickung führen, wenn wir nicht lernen, mit ihm umzugehen.

Das yogische System macht keinerlei Vorschriften. Es lässt dir die freie Wahl, ob du positives Karma für die Zukunft schaffen, dich von der Last deines Karmas befreien oder es gänzlich auflösen möchtest. Dieses Buch geht diesen verschiedenen Möglichkeiten nach und zeigt sie auf – die Entscheidung aber liegt ganz allein bei dir.

Wenn du mit deinem Fuß immer wieder in die Speichen deines Rades gerätst, dann ist nicht das Rad daran schuld. Die Sache ist vielmehr die, dass du keine Ahnung vom Radfahren hast. Dieses Buch will nicht das Rad neu erfinden, sondern Wege aufzeigen, wie du es mit Freude ans Ziel deiner Wahl schaffst, in der Gewissheit, die Kontrolle über deine eigene Reise zu haben.

1

Karma: Das ewige Rätsel

ERSTES SUTRA

Beim Karma geht es darum, zur Quelle der eigenen Schöpfung zu werden. Indem man die Verantwortung vom Himmel auf sich selbst überträgt, wird man zum Schöpfer des eigenen Schicksals.

Auf dem Fahrersitz

Es geschah einmal …

Einst reiste der Papst in die Vereinigten Staaten. Er hatte einen vollen Terminkalender mit Auftritten in mehreren Städten. Eines Tages war er in Louisiana in einer Stretchlimousine mit Chauffeur unterwegs – jene typisch amerikanische Art von Gefährt, mit der das Land seine Fähigkeit unter Beweis stellt, die Dinge bis zum Äußersten in die Länge zu ziehen.

Der Papst war ganz aufgeregt, weil er noch nie ein Auto wie dieses gefahren hatte.

Er sagte zum Chauffeur: »Ich würde gerne mal fahren.«

Wie hätte der Chauffeur dem Papst die Bitte abschlagen können? Er sagte: »Selbstverständlich, Heiliger Vater.«

Also setzte sich der Papst ans Steuer, und der Chauffeur nahm seinen Platz auf dem Rücksitz ein. Der Papst begann, Gefallen an dem Wagen zu finden, und drückte aufs Gaspedal. Der Tacho zeigte neunzig, dann hundert Meilen pro Stunde. Ihm war gar nicht klar, wie schnell er fuhr.

Nun trat die Polizei von Louisiana in Aktion, die dafür bekannt ist, dass sie bei Geschwindigkeitsüberschreitungen hart durchgreift. Und als der Papst in der rasenden Limousine das Blaulicht hinter sich sah, fuhr er auf den Seitenstreifen.

Der Polizist stieg aus und näherte sich vorsichtig, mit der Hand an seiner Waffe, dem Wagen. Er schaute hinein. Er sah, dass es der Papst selbst war, der fuhr! Er spähte auf den Rücksitz und sah dort noch jemanden sitzen.

»Warten Sie hier«, sagte er.

Er ging zurück zu seinem Fahrzeug, holte das Funkgerät heraus und machte Meldung beim Chief. Er sagte: »Captain, ich hab hier einen richtig dicken Fisch an der Angel.«

»Ach, komm schon. Wer ist es? Bonnie und Clyde?«

»Nein, viel dicker.«

»Großer Gott, hast du Al Capone?«

»O nein, einen noch viel, viel dickeren Fisch.«

»Was, meinst du etwa, es ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika höchstpersönlich?«

»Nein, sogar noch jemand viel Wichtigeres!«

»Komm schon, wer zum Henker kann wichtiger sein als der Präsident der Vereinigten Staaten? Wen hast du da erwischt?«

Der Polizist antwortete: »Ich weiß es nicht, aber er hat den Papst als Chauffeur!«

 

Und das bringt uns zum springenden Punkt: Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wer in ihrem Wagen am Steuer sitzt!

Sieh dich um. Frage dich, wie viele von den Menschen, die du kennst, mit einem echten Verständnis für den verrückten Reisezug namens Leben, unterwegs sind. Die meisten sind nur willenlose Passagiere, ohne die geringste Ahnung davon, wie das Triebwerk funktioniert, woher der Treibstoff kommt, wie man die Lokomotive steuert oder das Tempo bestimmt und vor allem: wer der Zugführer ist. Sie sprechen von freiem Willen, Freiheit und Unabhängigkeit, aber sie haben wenig oder keine Kontrolle über ihr Leben. Ihr Schicksal ist etwas, das sie unbewusst erschaffen.

Willkommen also im Karma, einer Dimension, in der du wieder genau an den Platz versetzt wirst, auf den du gehörst und den du von Anfang an hättest einnehmen sollen: den Fahrersitz.

Die Entmystifizierung des Karma

Damit kommen wir zu der zentralen Frage dieses Buches: Was ist Karma?

Wörtlich bedeutet das Wort Handlung.

Leider haben die meisten Menschen Handlung im Sinne guter und schlechter Taten verstanden. Sie betrachten Karma als eine Aufrechnung von Verdiensten und Verfehlungen, von tugend- und sündhaftem Tun. Als eine Art von Lebensbilanz. Für andere ist es ein Register, das von einem göttlichen Buchhalter geführt wird, der einigen Menschen die himmlische Glückseligkeit zuweist und andere in die Unterwelt befördert oder in den Schlund einer Recycling-Maschine wirft, die sie zurück in diese Welt speit, damit sie noch eine Weile länger leiden.

Das ist nicht nur falsch und absurd. Es ist tragisch.

Diese Vorstellung hat ganze Generationen geprägt, die sich von ihr haben verunsichern und einschüchtern lassen – Menschen, die den Begriff kritiklos übernahmen, ohne eine Ahnung davon zu haben, was er bedeutet. Das hat zu einem Fatalismus geführt, der weite Teile der Menschheit in seinen Bann geschlagen hat und zur Rechtfertigung sozialer Ungerechtigkeiten und politischer Tyrannei herhalten musste. Als Folge gab es auch eine Menge substanzlosen Philosophierens, inhaltslose akademische Debatten und natürlich boomte die Wahrsagebranche!

Gehen wir also daran, den ersten Mythos zu widerlegen.

In Wirklichkeit hat Karma nichts mit Lohn und Strafe zu tun. Es hat nichts mit einem unbeugsamen himmlischen Bilanzprüfer zu tun, der sich primitiver Mittel wie Zuckerbrot und Peitsche bedient. Es hat nichts mit einem gütigen Herrgott dort oben im Himmel zu tun. Es hat nichts mit göttlicher Vergeltung zu tun. Es hat nichts zu tun mit Tugendhaftigkeit und Sünde, Gut und Böse, mit Gottvater und dem Leibhaftigen.

Karma bedeutet einfach, dass wir selbst den Bauplan für unsere Leben geschaffen haben und die Schöpfer unseres Schicksals sind. Wenn wir sagen: »Das ist mein Karma«, dann sagen wir eigentlich: »Ich bin für mein Leben verantwortlich.«

Beim Karma geht es darum, zur Quelle der eigenen Schöpfung zu werden. Indem man die Verantwortung vom Himmel auf sich selbst überträgt, wird man zum Schöpfer des eigenen Schicksals.

Karma ist die natürliche Grundlage aller Existenz. Es ist kein Gesetz, das uns von oben auferlegt wird. Es erlaubt uns nicht, unsere Verantwortung irgendwohin zu delegieren; es erlaubt uns nicht, unseren Eltern, unseren Lehrern, unserem Land, unseren Politikern, unserem Gott oder unserem Los die Schuld zu geben. Es macht jeden von uns direkt verantwortlich für sein eigenes Schicksal und vor allem für die Art seiner Lebenserfahrung.

Die hier einzig relevante Frage ist also: Bist du bereit für das Karma?

Bist du bereit, von einer Dimension zu erfahren, die dich in deine Kraft versetzt und dir sagt, dass du vollkommen in der Lage dazu bist, die Zügel deines Lebens in die Hand zu nehmen?

Wenn nicht, dann lies nicht weiter.

Wenn du aber bereit bist und neugierig darauf, mehr darüber zu erfahren, wie dieser Mechanismus funktioniert, dann könnte dieses Buch für dich der Schlüssel dazu sein. Anschließend musst du nur noch deinen Motor starten und dich auf deine neue Lebensreise begeben. Sobald du am Steuer sitzt, wirst du auf deiner Tour gänzlich andere Erfahrungen machen als je zuvor.

Über eines solltest du dir jedoch im Klaren sein: Karma ist keine Doktrin. Du bekommst keine Pluspunkte, wenn du dich ihr verschreibst. Du bekommst keine Minuspunkte, wenn du daran zweifelst. Karma ist keine Glaubenslehre, kein Evangelium, keine Ideologie, keine Philosophie oder Theorie. Es ist einfach die Art, wie die Dinge sind. Es ist ein existenzieller Mechanismus. Wie die Sonne geht es seinen Gang, ob du es akzeptierst oder nicht, ob du ihm huldigst oder es ignorierst. Es ist nicht auf der Suche nach einem Fanclub.

Es macht dich einfach von einem angespannten, verschreckten Passagier auf dem Rücksitz zu einem souveränen Fahrer, der das Steuer in die Hand nimmt und freudig den Kurs seines eigenen Schicksals bestimmt.

Der karmische Kreislauf

Um aber vom Passagier zum Fahrer zu werden, musst du zuvor ein paar grundlegende Regeln kennen, wie der karmische Mechanismus funktioniert.

Beginnen wir damit, ein fundamentales Missverständnis auszuräumen. Karma bedeutet zwar Handlung, aber es bezieht sich nicht unbedingt auf dein physisches Tun. Es bezieht sich nicht unbedingt darauf, wie du in der Außenwelt agierst – sei es in Form von Wohl- oder Schandtaten.

Vielmehr ist Karma Handeln auf drei Ebenen: Körper, Geist und Energie. Was immer du auf einer dieser drei Ebenen tust, hinterlässt einen bestimmten Rückstand oder Abdruck in dir.

Was bedeutet das nun?

Es ist ganz einfach. In jedem Moment deines Lebens nehmen deine fünf Sinne Eindrücke aus der Außenwelt auf. Du wirst buchstäblich in jedem Augenblick mit Reizen bombardiert. Mit der Zeit nimmt diese gewaltige Menge an Sinneseindrücken ein charakteristisches Muster in dir an. Dieses Muster formt sich allmählich zu Verhaltenstendenzen. Nach und nach verfestigt sich eine Anzahl von Tendenzen zu dem, was du deine Persönlichkeit nennst oder als dein wahres Wesen bezeichnest.

Umgekehrt funktioniert das genauso: Dein Geist formt die Art und Weise, wie du die Welt um dich herum erfährst. Dies wird zu deinem Karma – zu deiner Lebenseinstellung, die du dir mehr oder weniger unbewusst selbst zugelegt hast. Wie sich diese Tendenzen entwickeln, ist dir nicht bewusst. Aber das, was du für »dich« hältst, ist eben nur eine Ansammlung von Gewohnheiten, Präferenzen und Tendenzen, die du im Laufe der Zeit erworben hast, ohne dir dieses Vorgangs bewusst zu sein.

Nehmen wir ein simples Beispiel. Manche Menschen waren vielleicht fröhlich als Kinder, sind nun aber unglückliche Erwachsene. Möglicherweise ist in ihrem Leben etwas vorgefallen, das als Auslöser für dieses Unglücklichsein gedient hat. Aber meistens haben die Menschen keine Ahnung, wie und wann sie diese Identität angenommen haben. Hätten sie ihre Persönlichkeit bewusst geformt, dann hätten sie ihr eine ganz andere Gestalt gegeben. Aber indem sie dem Diktat ihrer ungeprüften Reaktionen und Neigungen folgten, wurde chronisches Unglücklichsein irgendwann zu ihrem charakteristischen Wesenszug.

Mit anderen Worten: Karma ist wie eine alte Software, die du unbewusst für dich geschrieben hast.

Und natürlich führst du ein tägliches Update aus!

Was für eine Software du schreibst, hängt von der Art deines physischen, mentalen und energetischen Tuns ab. Ist sie aber einmal geschrieben, funktioniert dein ganzes System danach. Auf der Grundlage der Informationen aus der Vergangenheit ergeben sich immer wieder bestimmte Verhaltensmuster. Damit wird dein Leben zur Gewohnheitssache, bei der sich alles regelmäßig wiederholt. Mit der Zeit zieht sich die Schlinge deiner Muster immer enger. Wie so viele Menschen weißt du wahrscheinlich nicht, warum bestimmte Situationen in deinem inneren und äußeren Leben immer wiederkehren. Das liegt daran, dass diese Muster unbewusst sind. Auf die Dauer wirst du zur Marionette dessen, was du als Vergangenheit angesammelt hast.

Das Leben vieler Menschen wird zum Beispiel von ihrem Ess- oder Suchtverhalten beherrscht. Die Abhängigkeit von chemischen Substanzen spielt dabei sicherlich eine Rolle, aber das Hauptproblem ist, dass sie ein wiederkehrendes Muster in ihrem Leben etabliert haben. Wie sehr sie sich auch anstrengen, es zu durchbrechen, sie tappen immer wieder in dieselbe Falle. Wenn man seine karmische Software nicht bewusst umschreibt, kann sich das Muster in seiner Regelmäßigkeit so anfühlen, als ob es von außen auferlegt wäre anstatt von innen in Gang gesetzt. Aber solche Programme sind nichts, das man wie ein Schicksal hinnehmen muss. Man kann sie umschreiben, löschen oder auf Distanz bringen, wie wir später noch sehen werden.

Der karmische Mechanismus kennt keine Lücken. Jede mentale Regung in dir erzeugt eine chemische Reaktion, die dann eine körperliche Empfindung hervorruft. Diese Empfindung verstärkt umgekehrt die chemische Reaktion, die wiederum die mentale Regung verstärkt. Im Laufe der Zeit wird deine ganze Chemie durch eine Reihe unbewusster Reaktionen auf physische und mentale Reize bestimmt.

Du brauchst bloß an etwas Aufregendes zu denken, um bestimmte Empfindungen in deinem Körper auszulösen. Das lässt sich empirisch nachweisen. Wir wissen jetzt, dass der Mensch ein psychosomatischer Organismus ist – was auch immer im Geist passiert, schlägt sich unmittelbar als chemischer Prozess im Körper nieder. Wenn du zum Beispiel an Berge denkst, reagiert deine Chemie auf die eine Weise; wenn du an Tiger denkst, auf eine andere. Jeder noch so winzigen mentalen Regung entspricht also eine bestimmte Art chemischer Reaktion und Empfindung. Du bist dir dessen vielleicht nicht einmal bewusst, bis die Empfindungen sehr intensiv werden. All diese Empfindungen schlagen zu Buche und werden mit der Zeit zum Bauplan deines unbewussten Geistes. Du bist daher ein wandelnder Speicher karmischer Erinnerungen auf Ebenen, die dir nicht bewusst sind.

Die heutige Forschung zeigt, dass psychische und emotionale Traumatisierungen das Risiko für seelische und körperliche Erkrankungen erhöhen können. Man sagt uns, dass psychische Belastungen zu Herzproblemen führen können. Das ist alles nicht neu. Die Menschen wussten schon immer, dass es dein Herz bricht, wenn du seelische Erschütterungen durchmachst! All das kommt daher, dass sich deine Körperchemie – als Ergebnis ständiger mentaler und emotionaler Erregungen – über einen gewissen Zeitraum verändert.

Das ist nun ein Teufelskreis. Selbst wenn du das Firmament deines Geistes nur einmal berührst, kann sich das daraus entstehende Wellenspiel über mehrere Leben hinweg fortsetzen. Das Geistige ist ein Prozess, der ohne dein Zutun angekurbelt wird. Vielleicht hast du bemerkt, dass es dir mit achtzehn Jahren im Allgemeinen leichtgefallen ist, Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Diese Fähigkeit wurde mit dreißig schon mehr auf die Probe gestellt. Mit fünfundvierzig haben dir bereits eine Menge Dinge zu schaffen gemacht. Und mit sechzig findest du es nahezu unmöglich, dich noch zu etwas Neuem aufzuraffen.

Diese mentale Verfassung ist allgegenwärtig – du findest sie praktisch überall. Mit achtzehn Jahren machen sich die Menschen oft Gedanken um ihre Zukunft. Und mit siebzig, wenn sie den größten Teil ihres Lebens hinter sich haben, machen sie sich immer noch Sorgen! Sie sind solche Veteranen darin geworden, dass sie sich nun völlig grundlos den Kopf zerbrechen. Das liegt daran, dass der Kreislauf aus mentaler Erregung, chemischer Reaktion und Empfindung (die dann ihrerseits eine chemische Reaktion hervorruft, die wiederum zu einer mentalen Erregung führt) sich beschleunigt hat. Mit der Zeit werden das zelluläre und genetische Gedächtnis sowie das Energiesystem davon immer mehr geprägt.

Der unbewusste Geist ist daher eine gewaltige Bibliothek des karmischen Gedächtnisses. Du würdest diese Information sehr nützlich finden, wenn du bewussten Zugang zu ihr hättest. Das Problem ist aber, dass sich das karmische Gedächtnis die ganze Zeit über manifestiert – und zwar ohne deine Erlaubnis! Du hast das Gefühl, ein einziger Schlamassel zu sein, weil du permanent wahllos auf die Tastatur deiner Psyche einhämmerst.

Denke an eine CD, auf der Musik aufgenommen ist. Die CD ist wie dein Körper – ob physisch, mental oder energetisch. Die Musik ist analog zu dem Eindruck, der in deinem Körper gespeichert ist. Nun ist die Musik nur ein kleines Anhängsel auf der CD. Aber wenn du die CD abspielst, erlebst du nicht die CD; du erlebst die Musik. Mit dem Karma ist es ähnlich. Du erlebst nicht aktiv deinen energetischen, mentalen oder physischen Körper. Du erfährst einfach nur die Musik! Und du kannst sie nicht stoppen. Was du die ganze Zeit über erlebst, sind deine karmischen Eindrücke und Prägungen. Und ihnen kannst du nicht Einhalt gebieten.

Die Monotonie und Tyrannei des Karma

Vielleicht wird es dich überraschen, bis zu welchem Grad die Zwangsläufigkeit des Karma sich auswirkt. Wenn du ein Auditorium oder einen Konferenzraum betrittst, mag dir die Wahl deines Sitzplatzes wie eine freie Entscheidung vorkommen. Häufig ist aber eine Ebene von karmischem Zwang mit im Spiel. Nimmst du die folgenden fünf Tage an derselben Konferenz oder Veranstaltung teil, wirst du feststellen, dass du wahrscheinlich jeden Tag auf demselben Platz sitzt.

Als ich vor vielen Jahren Lehrer ausbildete, um mein Inner-Engineering-Programm über sie an verschiedenen Orten anzubieten, fragten die angehenden Lehrer oft: »Sadhguru, welche Art von Fragen stellen die Schüler normalerweise? Worauf müssen wir uns einstellen und wie können wir damit umgehen?« Also erstellte ich für sie einen Plan mit der Raumaufteilung und sagte ihnen: »Seht ihr, wenn jemand kommt und sich hier niederlässt, dann ist das die Art von Fragen, die ihr zu erwarten habt. Wenn sich ein Teilnehmer dort niederlässt, ist es das, was er fragen wird.« Nun, natürlich gab es Ausnahmen: Ein Nachzügler konnte ja nur unter den noch verbleibenden Plätzen wählen. Aber in neunzig Prozent der Fälle kam es genau so, wie ich es vorausgesagt hatte! So vorhersehbar ist das Karma.

Karma ist also kein externes System auf der Grundlage von Schuld und Sühne. Es ist ein innerer Kreislauf, den du selbst in Gang gesetzt hast. Diese Muster setzen dir nicht von außen zu, sondern von innen. Von außen betrachtet, mag es ein völlig neuer Tag sein. Du hast vielleicht einen neuen Job, ein neues Zuhause, einen neuen Lebenspartner, ein neugeborenes Baby. Vielleicht bist du sogar in einem neuen Land. Aber innerlich durchlebst du dieselben Zyklen – dieselben inneren Schwankungen, dieselben Verhaltensweisen, dieselben mentalen Reaktionen, dieselben Stimmungslagen und Befindlichkeiten.

Alles ist anders – außer deiner inneren Erfahrungswelt. Wie sehr du auch deine äußeren Lebensumstände umkrempeln magst, nichts wird funktionieren, weil du nicht begriffen hast, wie du dein Karma verändern kannst. Offenbar drückt etwas anderes deine Knöpfe. Offenbar fährt jemand anders dein Auto.

Allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten haben im Wesentlichen mit ihrem leiblichen Wohlergehen zu tun. Solange sie ausreichend Nahrung haben, sind sie wohlauf. Nicht so der Mensch. Ist sein Magen leer, gibt es für ihn nur ein Problem; aber mit gefülltem Magen hat er hundert Probleme! Du magst von Freiheit reden, aber in Wahrheit beschichtest du laufend in absoluter Unbewusstheit deine Begrenzungen mit Gold. Und während du die Unabhängigkeit als höchstes Gut preist, ist alles an dir – nicht nur die Art, wie du aussiehst, fühlst oder denkst, sondern sogar die Art, wie du dasitzt, -stehst oder gehst – von den Mustern aus deiner Vergangenheit bestimmt.

Nicht zu vergessen ist dabei, dass dein Karma nicht nur in unbewusster und zwingender Weise wirkt, sondern auch zutiefst zyklischer Natur ist. Die karmischen Informationen innerhalb deines Systems sind in verschiedenen Arten von Zyklen niedergelegt. Der größte Zyklus ist der Sonnenzyklus, denn alles in diesem Sonnensystem – ob belebt und unbelebt – unterliegt dem tiefgreifenden Einfluss der Sonne. Unser Planet bildet da keine Ausnahme. Der Sonnenzyklus entspricht einer Periode von 4356 Tagen, also nahezu 12 Jahren. Wer sich nach dem Sonnenzyklus richtet, führt ein Leben von großer Gesundheit, des Wohlbefindens, der Harmonie und mit einem Minimum an Reibung.

Wenn sich ein karmischer Zyklus seinem Ende neigt, wird das Leben immer unausgewogener. Wenn dein Leben in Zyklen von drei oder sechs Monaten verläuft, befindest du dich in einem Zustand ernsten seelischen Ungleichgewichts – denn dieselben inneren Turbulenzen oder Lebenssituationen werden sich alle paar Monate wiederholen. Wenn dein Leben von einem achtundzwanzigtägigen Zyklus bestimmt wird – dem Mondzyklus, der zugleich der kürzeste ist –, dann könntest du mit Fug und Recht als gestört oder psychotisch gelten. Das englische Wort loony (»verrückt«) geht auf das lateinische Wort für den Mond Luna zurück, und das ist kein Zufall. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass der karmische Zyklus nichts mit den Reproduktionszyklen des weiblichen Körpers zu tun hat.

Solange wir nun diese inneren und äußeren Muster nicht durchbrechen, wird nie etwas Neues passieren. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass du, je erfolgreicher du wirst, auch umso frustrierter bist, weil du irgendwo unbewusst spürst, dass du dich einfach im Kreis drehst. Du hast vielleicht gelernt, den Zyklus zu durchlaufen, aber du bist nicht frei von ihm.

Yogapraktiken haben zum Ziel, sich dem Sonnenzyklus anzunähern, um innere Balance und Stabilität zu erreichen. Du magst nicht imstande sein, deine vergangenen Handlungen und das mentale und emotionale Karma, das du angesammelt hast, zu verwandeln, aber du schlitterst nicht mehr in kleinste Zyklen. Du trägst dein Karma nicht mehr wie ein hautenges Kleidungsstück; du lernst, es locker zu tragen. Du hältst es auf Distanz.

Das Problem liegt darin, dass die Menschen nicht begreifen, wie hartnäckig das Karma ist. Du könntest einen Unfall haben und sterben, aber dein Karma wird nicht zerstört. Du könntest dir den Schädel zertrümmern und dir das gesamte Hirn wegpusten, aber das Karma geht weiter! So unverwüstlich, so unerbittlich, so unentrinnbar ist der karmische Mechanismus. Und das ist der Grund, warum die Befreiung aus dem Kreislauf oft nur eine ferne Möglichkeit zu sein scheint.

Die yogische Tradition lehrt uns, dass jeder Mensch neben dem physischen Körper (Annamaya Kosha) auch einen Mentalkörper (Manomaya Kosha) und einen Energiekörper (Pranamaya Kosha) besitzt. Es gibt auch noch subtilere Körper, die man als Ätherkörper (Vijnanamaya Kosha) und als Glückseligkeitskörper (Anandamaya Kosha) bezeichnet. Aber die Anhäufung von Karma geschieht im Wesentlichen auf den Ebenen der ersten drei Körper: des physischen, mentalen und energetischen Körpers.

Selbst wenn du deinen Körper und deinen Geist zerstörst, trägt deine Lebensenergie daher weiterhin den karmischen Abdruck wie die Daten auf einer Computerfestplatte. Das Backup-System ist so effizient, dass auch dann, wenn du deinen Körper oder deinen Verstand verlierst, dein Karma dabei nicht verloren geht.

Es spielt jedoch keine Rolle, welche Mengen an Karma du angesammelt hast: Sobald du beginnst, in die subtileren Dimensionen des Äther- und Glückseligkeitskörpers zu treten, kann dein Karma dich nicht mehr erreichen. Das Gesetz von Ursache und Wirkung kann nur auf der physischen, mentalen und energetischen Ebene wirken. Jenseits davon hat es keinen Einfluss. Sobald du beginnst, sozusagen das Göttliche zu kosten, hat dein Karma keine Macht mehr über dich. (Im zweiten Teil werden wir dies noch eingehender untersuchen.)

Es gab eine Zeit, in der die Menschen auf Steintafeln schrieben. Aus Steintafeln wurden Schriftrollen und schließlich Bücher. Von Büchern kamen wir zu Kassetten und CDs. Jetzt sind wir im Zeitalter des Mikrochips angekommen. Was sich einstmals auf einer Million Steintafeln festhalten ließ, ist jetzt auf winzigstem Raum abgelegt. Über kurz oder lang wird die Technik einen Weg finden, um Informationen ohne materiellen Träger in Form reiner Energie zu speichern. Auch wenn sich dies innerhalb der modernen Technologie noch nicht manifestiert hat, so wird es doch irgendwann kommen. Ich sage das nicht aus irgendeinem technischen Verständnis heraus, sondern weil ich weiß, wie der innere Mechanismus funktioniert. Das Atomare und das Kosmische, das Individuelle und das Universelle spiegeln einander auf jeder Ebene wider.

Es ist jetzt dieselbe Elektrizität, die deine Glühbirne mit Strom versorgt und zu Licht wird; dieselbe Elektrizität, die deine Klimaanlage betreibt und die Luft abkühlt; dieselbe Elektrizität, die ein Mikrofon mit Strom versorgt und den Schall verstärkt. Das liegt nicht etwa daran, dass die Elektrizität intelligent wäre. Es ist einfach der Wirkungsmechanismus des jeweiligen Geräts. Aber der Tag wird kommen, an dem wir »intelligente Elektrizität« haben werden. Wir werden in der Lage sein, der elektrischen Energie direkt Informationen einzuspeisen, sodass der elektrische Strom von sich aus zielgerichtet wirkt. Diese Informationen werden ihm erlauben, sich auf bestimmte Weise zu verhalten und gewisse Entscheidungen zu treffen. Vielleicht ist dieser Tag noch weit entfernt, aber ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auf dem Weg dorthin sind.

Wenn ich eine Reihe von Menschen in einen spirituellen Prozess einweihe, verhalten sich die Energien aller Teilnehmer in der Gruppe unterschiedlich, je nach ihren karmischen Informationen. Obwohl der Prozess für alle derselbe ist, hängt die energetische Reaktion jeder Person von der Art des Karma ab, das sie in sich trägt. Der Energiekörper reagiert entsprechend der Art von Software, die auf ihm installiert ist. Deshalb reagieren zwei Menschen auf eine Initiation niemals auf die gleiche Weise.

Kurz: Karma wirkt auf vielen verschiedenen Ebenen. Weder durch körperliche Krankheit oder Unfall noch durch Demenz, Psychose oder Tod kannst du es abschütteln. Du wirst feststellen, dass selbst psychisch Kranke sich nicht auf die gleiche Weise verhalten. Ihre karmische Struktur mag außer Kontrolle geraten sein, aber sie bestimmt noch immer die Art, wie sie sich benehmen. Solange du dich nicht aus dem Klammergriff des Karma löst, gibt es keinen Ausweg.

Das ist die tödliche Monotonie und Tyrannei der karmischen Tretmühle.

Das ist auch der Grund, warum die Menschen von Anbeginn nach mehr gesucht haben – auch wenn sie nicht wissen, was dieses Mehr ist. Dieser Verfassung hat man viele Namen gegeben: von existenzieller Unzufriedenheit und Langeweile bis hin zu schlichter Angst und Beklemmung. Es ist das Gefühl, das Leben nicht aus vollen Zügen zu leben, seinen Sinn nicht zu verstehen, seinen Anfang und sein Ende, wohin es zielt und aus welcher Quelle es sich speist. Es ist die uralte Rebellion des Menschen gegen seine Ohnmacht und Begrenztheit.

Der Geruch der Unfreiheit

Wie wir gesehen haben, hinterlässt alles, was du mit deinem Körper, deinem Geist oder deiner Energie anfängst, einen bestimmten Abdruck. Diese Abdrücke formieren sich zu Tendenzen, die in Indien traditionell mit einem wunderbar treffenden Wort bezeichnet werden: Vasana. Wörtlich bedeutet Vasana Geruch. Dieser »Geruch« wird durch eine gewaltige Ansammlung von Eindrücken erzeugt, die durch deine physischen, mentalen, emotionalen und energetischen Handlungen hervorgerufen werden. Je nachdem, welche Art von Geruch du verströmst, ziehst du bestimmte Lebenssituationen an.

Denke an eine Blume. Auch eine Blume hat ihre eigene Art von Vasana. Es ist dieser Duft, mit dem sie bestimmte Arten von Leben anzieht. Sie kann sich nicht bewegen und hat keinen eigenen Willen, aber aufgrund ihres Duftes kann sie für den Gottesdienst in einem Tempelheiligtum ausgewählt werden. So findet sie dank ihres Vasana dort Einlass, wo er nur wenigen Menschen gewährt wird.

Beim Menschen ist das nicht viel anders. Hier ist mit dem Wort Geruch aber nicht etwa »Körpergeruch« gemeint. Mit ihm ist kein Werturteil verbunden. Es bedeutet einfach, dass du zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten landest, wenn du eine bestimmte Art von Vasana verströmst. Dafür sorgt das Leben. Genauso, wie es dafür sorgen wird, dass es dich an bestimmte andere Orte verschlägt, wenn du eine andere Art von Vasana verströmst. Was sich also auf dich zubewegt und auch das, was sich von dir wegbewegt, wird durch den Geruch bestimmt, der von dir ausgeht. Dein Vasana hängt natürlich ganz davon ab, welche Art von Restgedächtnis oder karmischem Inhalt du in dir trägst.

Die Abläufe dabei sind komplex. Du bist dir dessen vielleicht nicht bewusst: Aber ob du wach bist oder schläfst, du vollführst dein Karma. Ein einfaches Gedankenmuster kann dich dazu bringen, auf eine bestimmte Art und Weise zu funktionieren. Wenn du zum Beispiel ständig an Filme denkst oder an einen bestimmten Filmstar, ist es sehr wahrscheinlich, dass dir in einer Menschenmenge eine Person auffällt, die deine Leidenschaft teilt. Die anderen könntest du übersehen: diejenigen, die Bücher lieben oder Meditation oder irgendetwas anderes. Wenn du tausend Gesichter vor dir hast, wird dich dein Vasana wahrscheinlich zu jemandem hinziehen, der so ähnlich tickt wie du selbst.

Es geschah einmal …

Als Teenager habe ich mir einmal eine riesige Kobra zugelegt – ein prachtvolles, fast vier Meter langes Exemplar. Sie hatte sich ihren Weg in eine nahe gelegene Leuchtstoffröhrenfabrik gebahnt, und ich fing sie ein, sehr zur Erleichterung der Fabrikarbeiter. Ich versteckte sie unter meinem Bett in einem großen Glasbehälter. Irgendwie gelang es ihr eines Tages zu entwischen.

Als mein Vater ein lautes Zischen aus meinem Zimmer hörte, ging er auf die Knie, um herauszufinden, was da los war. Und als er dann die Kobra sah, flippte er völlig aus. Er rannte aus dem Zimmer und schrie nur: »Eine Kobra, eine Kobra!« Als ich dazu kam, stand praktisch jeder zu Hause auf Stühlen und Sofas. Ich hingegen rannte in den Raum, um meine Schlange zu beschützen, in Sorge, dass mein Zimmergenosse hinausbefördert wird! Das Vasana meiner Eltern erzeugte Abneigung; mein Vasana erzeugte Anziehung.

Es gelang mir, die Schlange zurück ins Haus zu schmuggeln, und später brachte ich sie in einem großen Käfig auf dem Dach unter. Bei einer anderen Gelegenheit konnte sie erneut entkommen. Ich war zu dieser Zeit gerade unterwegs. Als ich mit meinem Fahrrad zurückkam, sah ich meine Eltern vor dem Haus stehen, die Bestürzung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Es war vier Uhr nachmittags, und in der angrenzenden Schule war gerade der Unterricht zu Ende. Eine riesige Menschenmenge hatte sich um die Schlange versammelt. Alle waren entsetzt. Als ich näher kam, wurde mir die Sachlage klar. Ich wusste, dass ich nicht nach Hause gehen konnte. Es würde zu viel Drama geben. Ich machte einfach einen Schlenker, packte meine Kobra mit einer Hand in der Körpermitte und radelte mit ihr davon!

 

Diese Geschichte zeigt die Vasanas am Werk. Was meine Eltern und andere Menschen in Angst und Schrecken versetzte, löste in mir eine ganz andere Reaktion aus. Ich habe nie eine Abneigung gegen Schlangen empfunden. Mein Gefühl der Verwandtschaft mit ihnen ist ein uraltes Vasana, das ich in mir trage. In der Nähe dieser fremdartigen Geschöpfe habe ich mich immer wohlgefühlt. Seit meiner Kindheit war ich in der Lage, ihre Anwesenheit in der Wildnis intuitiv zu erspüren. Ich brauchte nur meinem inneren »Geruchssinn« zu folgen und wusste genau, unter welchem Stein die Schlange zu finden war. So erwarb ich mir in der Nachbarschaft einen passablen Ruf als Schlangenfänger.

Meine Vorliebe für Schlangen hat viele Gründe. Zunächst gibt es eine alte Verbindung zwischen Yogis und Schlangen. Von beiden geht ein Vasana aus, das sie zueinander hinzieht. Die Schlange ist ein äußerst feinsinniges Wesen, das instinktiv von höheren Energieniveaus angezogen wird. Aus diesem Grund wird Adiyogi (Shiva), der erste Yogi, in der traditionellen Ikonografie stets mit einer Schlange um den Hals dargestellt. In allen Kulturen, in denen sich Menschen mit außersinnlicher Wahrnehmung beschäftigt haben, spielt die Schlange eine zentrale Rolle. Die traditionelle Verehrung von Schlangen, Kühen und Krähen in Indien beruht auf dem Bewusstsein, dass diese Geschöpfe eine fortgeschrittene Stufe der existenziellen Entwicklung repräsentieren.

Da Yogis stets danach streben, ihre Wahrnehmung zu verfeinern, kommt der Schlange in der yogischen Tradition eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Kobra wird als das einzige Lebewesen verehrt, das dazu fähig ist, die feinstoffliche, ätherische Dimension wahrzunehmen, sogar am Tag. Es überrascht daher nicht, dass sie auch in verschiedenen Schöpfungsmythen eine gewichtige Rolle spielt, auch wenn sie manchmal von denen, die ihre Fähigkeiten fürchteten, verunglimpft wurde.

Ein weiterer Grund für dieses Vasana ist die symbolische Beziehung zwischen der Schlange und der Kundalini, der zusammengerollten Energie, die an der Basis der menschlichen Wirbelsäule liegt (und die man im Yoga bewusst zur spirituellen Entwicklung nutzt). Die Kundalini-Energie wird auch als »Schlangen-Energie« bezeichnet, weil sie der Schlange in Bezug auf ein gemeinsames Muster von Ruhe und Bewegung ähnelt.

In der Anfangszeit meiner Arbeit als Guru, als ich eine kraftvolle Energieform namens Dhyanalinga