Kinder brauchen keine Schule - Bernice Zięba - E-Book

Kinder brauchen keine Schule E-Book

Bernice Zięba

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Beschreibung

Das Handbuch für Homeschooling zeigt Lernen ohne Schule, wie es in Homeschooler-Familie tatsächlich stattfindet: bunt, vielfältig und lebensnah. Es gibt konkrete Anleitungen und praktische Tipps für Homeschooling in deutschsprachigen Ländern und liefert somit Homeschoolern Inspiration und Interessenten Informationen. Aus dem Leben gegriffen, aktuell und umfassend Mit vielen Erfahrungsberichten, Interviews und Erfolgsgeschichten!

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Bernice Zięba

Kinder brauchen keine Schule

Das Handbuch für Homeschooling

Dieses Buch widme ich allen Eltern, die sich über die Bildung ihrer Kinder Gedanken machen, sowie auch allen Kindern. Ich wünsche, dass das Lernen für sie eine glückliche und schöne Erfahrung wird. Dieses Buch ist ebenfalls meinen eigenen sieben Kindern gewidmet sowie meinem besten Freund, mit dem ich seit 19 Jahren verheiratet bin.

Einleitung

Wenn wir gründlich über das Lernen nachdenken, werden wir feststellen, dass vieles, das wir uns an Wissen angeeignet haben, nicht aus der Schule stammt. Selbst Grundlegendes wie Lesen, Schreiben und Rechnen können Kinder ohne Unterricht an einer Schule erlernen. Gehen wir noch weiter zurück und überlegen wir uns: Wo haben wir unsere erste Sprache erlernt? Nicht in der Schule, sondern in der Familie. Der Mensch ist fähig, alles zu lernen, wobei das Lernen nicht von der Schule abhängt. Meine elfjährige Tochter liest fließend Deutsch und Englisch. Mein siebenjähriger Sohn zählt weit über 100 und löst einfache Rechenaufgaben. Sie haben beides ohne Schule gelernt.

Das Lernen ohne Schule, also Homeschooling, ist weltweit verbreitet. Von einem Ende bis zum anderen Ende der Welt befolgen Homeschool-Eltern dasselbe Prinzip: Sie vertrauen darauf, dass ihre Kinder – auf welche Art auch immer – alles lernen können, was sie im Leben brauchen. Und das ohne Schule.

In den USA gibt es mittlerweile über zwei Millionen Kinder, die zuhause beschult werden. In den deutschsprachigen Ländern ist Homeschooling bisweilen wenig bekannt. Im Gegensatz zur Schweiz und zu Österreich ist Deutschland praktisch das einzige Land Europas, das eine Schulanwesenheitspflicht rigoros durchsetzt.

Das Recht auf die freie Wahl der Bildung für die eigenen Kinder basiert auf einem Menschenrecht (Vgl. Das Recht auf Bildung, Artikel 13). Es ist wichtig, solange auf dieses Recht zu pochen, bis Homeschooling überall anerkannt und erlaubt ist.

Da wo Homeschooling legal ist, ist es vielen Leuten oft gar nicht bewusst. Doch selbst wenn sie darüber Bescheid wissen, wagen viele nicht, diesen Schritt zu tun.

In alten Zeiten, lange bevor Bücher industriell produziert wurden, brauchte es Gelehrte, um an Wissen zu gelangen. Die ersten Lehrer des Abendlandes waren Geistliche, die dieses Wissen an Klosterschulen vermittelten. Wenn wir einen grossen Bogen in die Gegenwart spannen, so erkennen wir, dass sich die ursprüngliche Schule geändert hat. Die ersten Schulen waren sowohl für die Kinder des Adels als auch für Kinder des einfachen Volkes offen, aber nicht verpflichtend. Heute wird das gesamte Schulwesen vom Staat verwaltet, der die Schule für obligatorisch erklärt.

Wenn wir genauer hinschauen, erkennen wir aber auch, dass Wissensvermittlung nicht mehr von einer Schule abhängt. Jeder kann sich Bücher leisten oder ausleihen, und Bücher werden massenweise produziert. Zusammen mit diesen Büchern ist neuerdings das Internet ein weiterer Zugang zu den Wissensquellen dieser Welt.

Der heutige Zustand der Schule ist bedenklich. Viele Kinder und Jugendliche haben Mühe mit der Schule und erleiden Schaden. Lernunlust, Stress, Frustration, angestaute Aggressionen und Mobbing sowie überforderte Lehrer sind an der Tagesordnung.

Ein einzelnes System kann nie allen Kindern gerecht werden. In diesem Schulsystem werden immer wieder Talente und Begabungen der Kinder übersehen. Diese Talente und Begabungen kommen dann nicht zur Entfaltung. Gleichzeitig nähren sich Frust und Konzentrationsschwierigkeiten.

In der Schule investieren Lehrer und der Staat viel zu viel Zeit und Geld in nutzlose Wissensvermittlung. Schüler verpuffen einen grossen Teil ihrer Energie und Zeit für unfreiwilliges Büffeln, statt die eigenen Stärken und Interessen zu entwickeln. Abgesehen davon, entschwindet vieles nach kurzer Zeit aus dem Gedächtnis, was Kinder und Jugendliche in der Schule lernen.

Ich bin überzeugt davon, dass viele psychische Probleme, die vielleicht auch erst beim Erwachsenen zum Vorschein kommen, auf das Schulsystem und die Schulzeit zurückzuführen sind.

Seit Generationen sind wir der festen Überzeugung, dass es keine andere Option außer Schule gibt. Wir haben verlernt, dass das Lernen nicht nur im Klassenzimmer stattfindet. Wir glauben, dass unsere Kinder zur Schule müssen. Wir vertrauen den Noten, die unsere Kinder bewerten, überlassen unsere Kinder der Selektion und haben uns überzeugen lassen, dass sie jahrein, jahraus den ganzen Tag mit Gleichaltrigen verbringen müssen.

Schule ist ein System, und wir sind Systemgläubige geworden.

Doch gibt es in dieser Gesellschaft Menschen, die sich damit nicht zufrieden geben. Es sind freiheitsliebende Menschen auf der Suche nach dem Ideal. Es sind Eltern, die hinterfragen, kritisch beobachten und eigenständig handeln. Es sind Eltern, die ihre Kinder optimal fördern und natürlich heranwachsen lassen.

Einige Eltern waren Pioniere in der Homeschool-Bewegung. Es wäre heute viel schwieriger, Homeschooling zu praktizieren, wenn sie nicht um das bisschen Anerkennung gekämpft und mit ihrem Beispiel andere ermutigt hätten.

In mehreren Kapiteln dieses Buches werden zahlreiche Familien vorgestellt. Jede Familie ist anders, und es besteht eine große Vielfalt von Möglichkeiten und Kombinationen, wie Homeschooling umgesetzt wird. Einige dieser unterschiedlichen Ansätze, die ich im Kapitel »Was ist Homeschooling« aufführe, sind klassisches Homeschooling (Schule zuhause), Unschooling (orientiert an den Interessen des Kindes), einer bestimmten Pädagogik folgend (Charlotte Mason, Maria Montessori, Rudolf Steiner) oder nach einem bestimmten Thema orientiert (das gleiche Thema wird in verschiedenen Fächern behandelt).

In einigen Studien wird belegt, dass zuhause beschulte Kinder grundsätzlich besser abschneiden als Schulkinder.1 Unter den Homeschoolern gibt es zahlreiche Erfolgsgeschichten, die ohne Homeschooling nicht möglich gewesen wären. Lesen Sie im Kapitel »Erfolgsgeschichten berühmter Homeschooler« darüber. Sie werden staunen, wer alles dazugehört.

Dieses Buch ist nicht nur für Homeschooler oder solche, die beabsichtigen Homeschooler zu werden, geeignet, sondern für alle, die sich an der Erziehung der Kinder beteiligen. Viele Aspekte in diesem Buch betreffen Bildung im Allgemeinen und können daher auch für Familien aufschlussreich sein, deren Kinder regulär die Schule besuchen.

Da im Allgemeinen einfach wenig Kenntnisse und einige Vorurteile über Homeschooling bestehen, soll dieses Buch ebenfalls dazu dienen, Homeschooling vertrauter zu machen. Ich vertraue darauf, dass die Lektüre dieses Buches den Leser überzeugt, dass Homeschooling ein zukunftsweisender, gesellschafts- und familienfreundlicher Weg ist.

Am Schluss dieses Buches finden Sie zu manchen Textstellen die Quellenangaben oder Angaben zu weiterführenden Informationen.

1 Vgl. Verein Bildung zu Hause Schweiz: Privatunterricht und Sozialisation, 2010, S. 5; vgl. Brian D. Ray: Homeschool Progress Report 2009: Academic Achievement and Demographics, siehe Kapitel »Quellenverzeichnis und Empfehlenswertes«.

Was ist Homeschooling?

Wenn ich Leuten begegne und ihnen erzähle, dass ich mit einigen meiner Kinder Homeschooling mache, sind die Reaktionen nicht besonders sensationell. Manchmal wird genickt, man hat keine Meinung dazu oder äußert diese zumindest nicht. Dass Kinder nicht zur Schule gehen, scheint außerhalb der Vorstellungskraft des durchschnittlichen Menschen zu sein.

Wenn sich dann doch eine Person findet, die ein wenig Interesse zeigt, kann es vorkommen, dass sie dazu Fragen stellt. Ich mag es, wenn Leute Fragen stellen. Ich habe dann die Möglichkeit, ein wenig von dem weiterzugeben, was wir leben. Es bleibt für den Gesprächspartner dabei nicht mehr beim Unvorstellbaren und Unbekannten.

Interessierte Leute sind auch fähig, Vorurteile abzubauen und den eigenen Horizont zu erweitern.

Warum stellen die Menschen nicht mehr Fragen? Haben wir das Fragen, wie es kleine Kinder tun, verlernt?

Wer keine Fragen stellt, lernt nicht und kommt nicht weiter. Vielleicht wurde vielen Menschen das Fragestellen und damit die Neugier, welche für das Lernen notwendig ist, durch den jahrelangen Schulzwang ausgetrieben.

Seit wann existiert Homeschooling?

Homeschooling im eigentlichen Sinne gibt es seit Menschengedenken, denn das Lernen zu Hause gehört zum Natürlichsten, das es gibt. Seit Urzeiten haben Kinder in der Familie gelebt und den Eltern abgeschaut, was zum Leben und Überleben notwendig war. Eltern haben ihren Kindern beigebracht wie man jagt, sammelt, Kleider herstellt, Tiere hält, Häuser baut, Nahrung haltbar macht usw. Bis ins vorletzte Jahrhundert war es üblich, dass junge Männer den Beruf ihres Vaters übernahmen. Aber auch während der Zeit, in der öffentliche Schulen existierten, gab es weiterhin Familien, die ihre Kinder sich zuhause bilden ließen. Wir hören immer wieder von Kindern des Adels oder wohl situierter Familien, für welche Hauslehrer hinzugezogen wurden oder die von Vater oder Mutter unterrichtet wurden, damit sie einen vorzüglichen privaten Fachunterricht erhielten. (Beispiel: Wolfgang Amadeus Mozart und seine Schwester erhielten vom Vater Musikunterrichtet.) Der Unterricht zu Hause ist also keine Neuerfindung unserer Zeit. Erst nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht, resp. Bildungspflicht (in der Schweiz setzt dies keinen Schulbesuch voraus), die es seit Anfang des 20. Jahrhunderts gibt, entstand der Begriff Homeschooling. Homeschooling bildet quasi einen Gegenpol zum Schulbesuch. Anfangs waren es einige wenige Familien, die Homeschooling praktizierten. In den letzten 20 Jahren hat Homeschooling aber rapide zugenommen. Und heute findet sich in den USA sogar ein Staat, nämlich North Carolina, in dem es mehr Homeschooler als Privatschüler gibt.1

Verschiedene Formen und Ansätze

Der Verein für Homeschooling in der Schweiz nennt sich »Verein Bildung zu Hause«. Das Positive daran ist die Verwendung des Wortes »Bildung«, denn Bildung hört sich nicht nur gut an, Bildung ist grundsätzlich gut.

Viele Eltern wünschen ihren Kindern eine gute Bildung. Bildung zuhause impliziert, dass man sich auch zuhause bilden kann. Die im Prinzip unnötige Anlehnung an die Schule mit dem Wort »schooling« entfällt dabei. Trotzdem verwende ich im Buch hauptsächlich das Wort »Homeschooling«, weil es sowohl auf Englisch wie auf Deutsch der gebräuchlichste Ausdruck ist.

Homeschooling kann man aber nicht so einfach in eine einzige Schublade stecken. Es gibt nämlich diverse Methoden und Herangehensweisen. Dazu gehören Freilernen/Unschooling, Homeschooling nach bestimmten pädagogischen Konzepten, Schulunterricht zuhause, thematisches Lernen und dann noch alles Mögliche dazwischen oder Kombinationen davon.

Einige Eltern sind durch ihren christlichen, jüdischen oder anderen Glauben motiviert, einige legen Wert auf liberales Lernen, und einige suchen einfach etwas Besseres als die aktuelle Schule. Die Familien vernetzen sich in Organisationen und Gruppierungen, die zu ihrem pädagogischen, philosophischen oder religiösen Ansatz passen. Eines haben aber alle gemeinsam: Sie wünschen sich Freiheit in der Wahl der Bildung und schätzen die wertvolle Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen.

Zu dieser Vielfalt kommt hinzu, dass jede Familie ihren eigenen Stil hat. Keine Homeschool-Familie ist identisch mit einer anderen. Die Begegnungen und Interviews mit den verschieden Homeschool-Familien haben mir dies bestätigt. Zudem wandelt sich innerhalb derselben Familie, oftmals auch die Ansatzweise. Homeschooling ist vergleichbar mit einer spannenden Reise, auf der immer wieder Veränderungen und Überraschungen auf dem Weg lauern.

Kinder, die schon eine Schule besucht haben und dann erst auf Homeschooling umsteigen, brauchen in der Regel eine Umgewöhnungszeit. Diese Umgewöhnungsphase kann Monate oder gar Jahre dauern. Während dieser Phase lösen sich das Kind sowie die Eltern allmählich von Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die vom Schulsystem stammen und zuhause entbehrlich sind.

Der Begriff »Homeschooling«

Homeschooling oder Home Education versteht sich als Oberbegriff für private Bildung aller Art, die nicht in der Schule stattfindet, wohl aber von ihr in einzelnen Fächern ergänzt werden kann (z. B. im Sprach- oder Musikunterricht). Weitere Begriffe für Homeschooling, die häufig oder gelegentlich angewendet werden, sind: Privatschulung, Hausunterricht, Homelearning, Home Education, Lernen ohne Schule, Unschooling, Freilernen, Bildung zu Hause, Hausschulung, Privatunterricht, häuslicher Unterricht, Heimunterricht und Domizilunterricht. Deschooling, auf Deutsch Entschulung, bezeichnet eine Umgewöhnungsphase, welche Kinder und Eltern durchlaufen, die vom Schulbesuch auf eine Bildung zu Hause umsteigen.

Homeschooling geschieht im Kreise der Familie und wird in der Regel von den Eltern geleitet bzw. begleitet. Gelegentlich ergänzen Lehrer, Fachexperten oder andere Menschen diese Form von Unterricht.

Klassisches Homeschooling

Unter dem Begriff »klassisches Homeschooling« versteht man, dass der Unterricht statt in einem Schulgebäude zuhause stattfindet. Gemeint ist damit eben eine Art »Schule zuhause«, die ähnlich wie Schule im herkömmlichen Sinn abläuft: Stundenpläne, strukturierter Unterricht, geregelte Lektionen, Schulbücher, Tests usw. Es werden Lehrpläne verwendet, in denen der Unterrichtsstoff für ein Semester oder das ganze Jahr vorgeplant ist. Diese Ansatzweise kann auch privater Unterricht genannt werden.

Unschooling oder Freilernen

Als ich das erste Mal im Internet auf den Ausdruck »Unschooling« stieß, wusste ich gar nicht, dass sich Unschooling vom klassischen Homeschooling unterscheidet. Unschooling klang für mich jedoch ein wenig rebellisch, sich gegen die Schule auflehnend.

Beim näheren Hinsehen erfuhr ich, dass Unschooling ein ganz spezifischer Homeschool-Stil ist. Der deutsche Ausdruck »Freilernen«, ist dasselbe, wobei hier die Negation »Un-« entfällt. Unschooler lassen ihre Kinder selbst bestimmen, wo es beim Lernen lang geht. Diese Kinder werden aber nicht einfach völlig sich selbst überlassen. Eltern, die Unschooling praktizieren, begleiten ihre Kinder aufmerksam – womöglich sogar aufmerksamer als klassische Homeschool-Eltern. Nur gehen sie nicht methodisch vor, sondern unterstützen die Interessen und Stärken des Kindes, wo sich diese zeigen. Das können spontane Interessen sein oder Fähigkeiten, die ein Kind über längere Zeit entwickelt.

Freilerner sind eher Leute aus der alternativen Szene, aber nicht nur. Man trifft z. B. auch auf gläubige Christen, die diesen Ansatz wählen.

Ein bekannter Freilerner im deutschsprachigen Raum ist André Stern. Der Franzose, der fließend Deutsch spricht, ist Autor des Buches »… Und ich war nie in der Schule« und Protagonist in »alphabet«, einem schulkritischen Kinofilm von Erwin Wagenhofer.

Weitere bekannte Freilerner sind Thomas und Moritz Neubronner. Ihre Eltern veröffentlichten das Buch »Die Freilerner« – in dem es um den Weg ohne Schule der Söhne geht – in ihrem eigenen Verlag. Die deutsche Familie hat immer wieder Zuflucht im Ausland gesucht, um das deutsche Verbot von Homeschooling zu umgehen. Erst kürzlich hat Moritz Neubronner einen erfolgreichen Schulabschluss erlangt, nachdem er die meiste Zeit seines Lebens keine Schule besucht hatte.

Charlotte-Mason-Pädagogik

Charlotte Mason kam Mitte des 19. Jahrhunderts in England zur Welt und wurde hauptsächlich von ihren Eltern unterrichtet. Später absolvierte sie eine Ausbildung als Pädagogin und investierte ihr Leben, um die Qualität der Bildung in der Zeit um die Jahrhundertwende zu verbessern. Ihre Methoden und Ansichten haben bis heute nicht an Aktualität verloren. Einer ihrer pädagogischen Ansätze besteht darin, lebendige Bücher anzuwenden. Kinder sollten im Fach Geschichte statt historische Daten auswendig zu lernen, lebendige Erzählungen und Abenteuergeschichten lesen. Ebenso war sie der Meinung, dass bei Kindern der größte Teil der Zeit dem freien Spiel gewidmet werden sollte. Sie betonte, wie wichtig es sei, viele Stunden in der Natur zu verbringen und direkt von ihr zu lernen.

Waldorfpädagogik des Rudolf Steiners

Rudolf Steiner kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im heutigen Kroatien zur Welt. Er ist Gründer der Anthroposophie, einer esoterischen Weltanschauung, die sich u. a. an die Theosophie und idealistische Philosophie anlehnt. Es gibt weltweit viele Schulen (Rudolf-Steiner-Schulen oder Waldorf-Schulen genannt), die sich nach seiner Pädagogik richten. Der anthroposophische Ansatz kommt auch unter Homeschoolern zur Anwendung. Ein Beispiel ist eine amerikanisch-deutsche Familie, welche in New York lebt und sich neben anderem auch von der Waldorfpädagogik inspirieren lässt. Diese Familie ist im Kapitel »Homeschooling im englischsprachigen Raum« porträtiert.

Maria-Montessori-Pädagogik

Maria Montessori war eine italienische Ärztin, Philosophin und Reformpädagogin, die im ausgehenden 19. Jahrhundert zur Welt kam. Ein bedeutender Teil ihres Wirkens entstand durch die pädagogische Erfahrung mit Kindern aus sozialschwachen Familien. Aus diesen Erfahrungen entwickelte sie eine nach ihr benannte Methode, die in der Welt populär wurde. Anstelle von reiner Wissensvermittlung wird mehr Wert auf allgemeine Lebens-Fertigkeiten gelegt. Der Grundgedanke der Montessori-Pädagogik lautet »Hilf mir, es selbst zu tun.«

Themenorientiertes Lernen

Eine weitere Methode, die bei Homeschoolern angewendet wird, ist die Orientierung an einem fächerübergreifenden Thema. In der Praxis könnte das so aussehen:

Angenommen das Kind hat ein besonderes Interesse für Unterseeboote. Nun wird das Thema in der Mathematik, in der Physik, im Deutsch- und Englischunterricht sowie beim kreativen Gestalten eingesetzt.

Mathematik/Physik: wie tief kann das U-Boot tauchen, wie viele Kilometer in der Stunde fährt es und wie viele Kilometer beträgt die zurückgelegte Strecke?

Deutsch: eine spannende Geschichte, in der ein U-Boot vorkommt lesen oder schreiben.

Englisch: einen Doku-Film zum Thema auf Englisch schauen, oder ein Rollenspiel, in dem Englisch gesprochen wird einüben.

Gestalten: ein U-Boot aus Karton basteln und bemalen.

Autodidaktisches Lernen

Ein Autodidakt ist jemand, der sich seine Bildung in Eigenregie aneignet. Autodidaktisches Lernen wird vom Interesse her geleitet und geschieht nicht aus Pflicht oder Belehrung. Zu den bekannten Autodidakten gehören der russische Autor Maxim Gorki, der Mitgründer und ehemalige CEO (Chief Executive Officer) von Apple, Steve Jobs, und der US-Präsident Abraham Lincoln.

Der Begriff »Autodidaktisch« kommt in der Literatur über Homeschooling selten vor, obwohl er eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Homeschooler praktizieren nämlich oft nicht viel Anderes als autodidaktisches Lernen. Sie erreichen ihre Lernziele meist ohne Ausbildungsstätte und vielfach ohne Belehrung.

Carschooling

Für alle, die mit Kindern unterwegs sind, gibt es unendlich viele Möglichkeiten, wie Kinder unmittelbar auf der Reise im Auto (oder auch in öffentlichen Verkehrsmitteln) lernen können. Lesen Sie dazu einige Anregungen in den Kapiteln »Mathe mal anders« und »Zwölf Ideen für kreatives und lebendiges Lernen«. Diane Flynn Keith hat sich eingehend mit diesem Thema befasst und ein gleichnamiges Buch geschrieben. Darin enthalten sind über 350 unterhaltsame Spiele und Aktivitäten für Kinder und Jugendliche.

Worldschooling

Alle Familien, die Homeschooling als Bildungsweg wählen, wissen, dass das Lernen nicht nur in den eigenen vier Wänden stattfindet, sondern auch in der Welt draußen. Es gibt Familien, die das ganz ausgeprägt leben und ständig auf der Reise sind, oder sich in verschiedenen Ländern rund um den Globus aufhalten. Im Kapitel »Homeschooling auf der Reise« lesen sie von zwei außerordentlichen Familien, die alles hinter sich gelassen haben und lernend unterwegs sind.

1 Vgl. http://dailysignal.com/2014/09/08/one-state-children-homeschool-attend-private-schools-shouldnt-shock/, 14.09.2014.

Lernen ohne Schule

Der Homeschool-Stil einer Familie verändert sich in der Regel über die Monate und Jahre hinweg. Es kann sein, dass eine Familie Homeschooling damit beginnt, die Schule nachzuahmen, und dann nach einer Weile feststellt, dass ein anderer Ansatz oder eine andere Methode besser zu ihren Kindern und zur Familie passt. Es kann vorkommen, dass die Eltern eine bestimmte Pädagogik wählen und diese dann nach einiger Zeit durch eine andere ersetzen. Dann gibt es wiederum Familien, die aus diversen Methoden und pädagogischen Richtungen das Beste heraussuchen und mit diesem »Mix« ihr eigenes Homeschooling praktizieren.

Homeschooling ist also eine bewegliche Sache. Jede Familie macht ihre Erfahrungen und Veränderungen durch, entfaltet und entwickelt sich auf die eine oder andere Weise.

Vertrauen und Geduld

Es gab Wochen, in denen ich versucht habe, einen strengen Stundenplan einzuhalten. Mit der Zeit wurde es mir bewusst, dass der Stundenplan zwar sicherlich eine Hilfe und Stütze sein kann, dass es aber nicht nötig ist, diesen wie in der Schule streng zu befolgen. Schliesslich hat man es zuhause nur mit einem Kind oder einigen wenigen Kindern zu tun. Es ist nicht dasselbe, wie wenn eine große Gruppe von 20 bis 25 Schülern dauernd diszipliniert werden muss.

Bei einer Schulklasse, der man ständig Lernaufträge erteilt, macht es natürlich Sinn, dass ein strikter Zeitplan herrscht. Ansonsten hätten die Lehrkräfte nichts im Griff und alles würde im Chaos enden.

Zuhause darf man sich aber ruhig entspannen und sich individuell nach dem Kind ausrichten. Was wir als Eltern sicher immer wieder brauchen, ist eine große Portion Vertrauen und Geduld.

Wir können uns manche Frustrationen ersparen, wenn wir mit geistiger Präsenz die Situationen so wahrnehmen, wie sie sind. Wenn Sie Ihrem Kind bewusst zuschauen und einfühlsam mitverfolgen, was es gerade lernt, kann kaum etwas schief gehen. Es ist nicht so einfach, sich am Anfang vom Homeschooling von der Schule, wie wir sie alle kennen, zu »befreien«. Irgendwie haften diese schulischen Strukturen in uns, wir sind so aufgewachsen und geprägt worden. Deshalb lebt das »Gespenst Schule« in den Anfängen weiter und wir müssen immer wieder versuchen, es abzuschütteln.

Vertrauen und Geduld sind Eigenschaften, die Eltern allgemein brauchen, umso mehr aber Eltern von heimgeschulten Kindern. Wer zuhause lernt, der braucht sich nicht nach dem Tempo des Lehrers oder der Klasse zu richten. Das ist ein Privileg aber auch etwas, das man vielleicht als Homeschool-Eltern, zumindest in der Anfangsphase, leicht vergisst. Das Homeschool-Kind hat einen eigenen Rhythmus, ein eigenes Lerntempo und eigene Interessen und Stärken. Und da es zuhause lernt, hat das Homeschool-Kind in der Regel die Möglichkeit, sich freier zu entfalten. Diese Möglichkeit können wir voll nutzen! Das Kind muss nicht alles so erfüllen, als würde es im Klassenzimmer sitzen. Zuhause können wir Eltern uns mehr auf das Kind einlassen, uns mehr nach ihm richten. Das braucht manchmal Geduld und Vertrauen.

Wenn das Homeschool-Kind viel und gerne liest, lass es zu! Schreibt es momentan nicht gerne oder hat es einfach eine Blockade? Gib ihm Zeit! Früher oder später, wird sich die Blockade von alleine lösen. Hat es Schwierigkeiten mit Mathe? Dann versuch es mit einem neuen Ansatz. Wechsle das Buch, spiele Schach oder finde ein nützliches Mathematik-Computerprogramm. Das lernende Kind muss nicht mit Lernmethoden geplagt werden, die nichts ausser Frust und Ärger bringen. Das Homeschool-Kind sollte aber gefördert werden. Und dazu gibt es unzählige Wege! Nun können Kreativität und Fantasie der Eltern, die ihre Kinder ja gut kennen, genutzt werden.

Jedes Kind ist einmalig, jede Familie ist einmalig. Es gibt kein Rezept, das für alle genau passt. Es gibt so viele verschiedene »Homeschool-Wege« wie es verschiedene Familien gibt! Und wie man so schön sagt, »alle Wege führen nach Rom«.

(Bernice Zięba, Homeschool Blog, 26. August 2013)

Mathe mal anders

Wer sich für den Bildungsweg ohne Schule entschieden hat, besitzt auch die Freiheit, Lernmethoden selbst zu wählen.

Nehmen wir das Beispiel Mathematik. Es gibt nicht nur eine einzige Art, Mathematik zu betreiben. Das Wort »Mathematik« assoziieren wir meistens mit der Vorstellung, dass der Schüler mit dem Schreibzeug ausgerüstet am Pult sitzt und in einem Heft seitenweise trockene Mathematikübungen löst.

Kein Wunder, dass das Fach Mathematik in der Schule – vor allem bei Mädchen – eines der unbeliebtesten Fächer ist. Mathematik kann aber eine ganz tolle Sache sein! Mathematik ist mehr als nur Lösen der schriftlichen Aufgaben. Mathematik ist Bestandteil unseres Lebens. Wenn wir mit offenen Augen in die Welt hinein schauen, merken wir, wie Mathematik unseren Alltag prägt. Daher ist Mathematik eigentlich ganz faszinierend. Beim Kochen, Zählen, Spielen, Musizieren, Zeichnen … überall steckt Mathematik drin!

Mit etwas Kreativität und Fantasie kann also eine Mathematik-Lektion ganz anders aussehen.

Hier einige Möglichkeiten:

Auf einem losen Blatt Papier spontan einige Matheaufgaben aufschreiben, die Ihrem Kind entsprechen. Das Kind schreibt die Resultate auf dasselbe Blatt.Während des Kochens und Backens: Gewichte abschätzen, Rezepte lesen, Lebensmittel wiegen und dabei die Masseinheiten g, kg, ml und l in der Praxis kennenlernen.Eine Schachpartie mit einem Familienmitglied oder Bekannten spielen. Schach ist ein cleveres Spiel, das mathematische Fähigkeiten fördert.Beim Nähen: Mit dem Zentimeter-Band Stoffe, Bänder, Fäden messen.Das Einmaleins üben: »Usborne«-Karten1 mit den Reihen eins bis zehn verwenden. Das Resultat einer Multiplikation kann man mit einem wegwischbaren Stift direkt auf die jeweilige Karte schreiben und das richtige Resultat auf der Rückseite überprüfen.Beim Autofahren: Wie viele Kilometer sind es noch bis zum Zielort? Wie viele Minuten fahren wir, bis wir so viele Kilometer hinter uns gebracht haben?Online gibt es einige Webseiten mit mathematischen Spielen und Übungen. Besonders empfehlenswert sind mangahigh.com und khanacademy.org.

Kreatives und lebendiges Lernen

Wenn das Schulbuch zu langweilig ist

Es kann vorkommen, dass Ihr Kind an einem Tag vor dem Schulbuch sitzt und keine Lust hat, damit zu arbeiten. Der Versuch, das Kind zu überreden, sich mit dem schulischen Stoff auseinander zu setzen, scheitert. Das Schulbuch ist zu trocken und zu langweilig.

Dann lohnt es sich zu fragen, braucht mein Kind jetzt diese schulische Übung überhaupt? Wäre es nicht sinnvoller, in diesem Moment etwas anderes zu tun? In manchen Fällen ist der Lerneffekt viel besser, wenn man vom schulischen Denkansatz loslässt.

Einige Homeschool-Eltern sind verpflichtet, ihre Kinder nach dem Lehrplan der Volksschule zu unterrichten und haben dazu die entsprechenden Schulbücher erhalten. Es gibt aber zahlreiche gute Alternativen zum Schulbuch, um dieselben Lernziele zu erreichen. Oft ergibt es sich, dass das Kind selbst auf etwas stößt, ohne dass sich die Eltern speziell darum kümmern müssen. Wichtig ist, dass Eltern stets aufmerksam sind und die Impulse aufgreifen, die vom Kind ausgehen.

Zwölf Ideen für kreatives und lebendiges Lernen

Jede Familie hat ihre eigenen Vorlieben und könnte mit weiteren Ideen aufwarten, die optimal zur eigenen Situation passen. Die angegebenen Ideen sollen nur als Anregung dienen.

Rollenspiel und Musik: Zusammen oder einzeln einen reimenden Text singend und theatralisch vortragen.Sachkunde: Kochen wie im Mittelalter oder wie in einem exotischen Land (Rezepte gibt es online zuhauf). Die Kinder verkleiden sich dazu passend. Die ganze Familie wird bei der speziellen Mahlzeit in das kulinarische Erlebnis einbezogen.Mathematik: Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche usw. ausmessen. Distanzen bis zum nächsten Dorf, zum Bahnhof, zur Kirche oder zum Einkaufszentrum abschätzen.Tierkunde: Raubvögel, Gartenvögel, Wiesel, Rehe, Hasen usw. mit blossem Auge oder durch das Fernglas beobachten.Sprache und Grammatik: Briefe an Bekannte, Verwandte oder Brieffreunde (auch in anderen Sprachen) schreiben.Sprache und Kultur: Spannende Geschichten vorlesen. Zum Vorlesen eignen sich z. B. die Narnia-Chroniken oder Volksmärchen.Geographie: Besuchern zuhören, die von ihren Reisen in ferne Länder erzählen und auf dem Globus oder einer Karte diese Länder finden.Sachkunde: Bilderreiche Bücher über Planeten und Weltraumfahrt, Kelten, Wikinger, Römer oder Ägypter betrachten.Gestalten: Kleiderbügel aus unbehandeltem Holz mit dem eigenen Namen beschriften und dekorieren.Pflanzenkunde: Tropische Gärten, Kakteen-Sammlungen, Trockenbiotope besuchen.Naturkunde: Wissenschaftliche Filme über die Erde, Zugvögel, Meerestiere oder Insekten anschauen.Musik: Eine klassische CD (z. B. »Peter und der Wolf« oder »Der Karneval der Tiere«) mit den Kindern anhören. Die einzelnen Charaktere können pantomimisch nachgeahmt werden.

Homelearning

Zwei meiner sieben Kinder sind keine Homeschooler. Das heißt aber nicht, dass sie zuhause nichts lernen.

Diese beiden Töchter sind sehr schöpferisch, wenn sie dazu Gelegenheit finden, in ihrem anspruchsvollen Alltag mit Gymnasium und Berufsausbildung, ihre Kreativität auszuüben.

Eines Tages, als ich mit meiner Tochter über etwas in dieser Art redete, erwähnte sie zum ersten Mal das Wort »Homelearning«. Ich war begeistert und sagte ihr, sie habe jetzt einen genialen und treffenden Begriff gefunden.

Homelearning impliziert jegliches Lernen zuhause (oder sonst wo) unabhängig davon, ob man eine Schule besucht oder nicht. Unsere beiden ältesten Töchter sind also keine Homeschooler aber dafür Homelearner. So gesehen sind wir alle Homelearner.

Jeder Mensch lernt, ob er es sich bewusst ist oder nicht. Und das kann zuhause stattfinden oder irgendwo in der Welt.

1 Usborne Times Tables Flashcards: Mit Lernkarten das Einmaleins-Lernen auf abwischbaren Karten.

Homeschooling im deutschsprachigen Raum

Zwischen Zwang und Freiheit

Deutschland

In Deutschland ist die Schulpflicht mit einer Schulanwesenheitspflicht verbunden. Das hat zur Folge, dass Homeschooling grundsätzlich in der gesamten Bundesrepublik nicht erlaubt ist und nicht geduldet wird.

Trotzdem gibt es Familien, die ihren Überzeugungen treu bleiben und Homeschooling resp. Freilernen in Deutschland praktizieren. Sie leben es inoffiziell aus, nehmen Bußen und Verfolgung in Kauf oder verlegen den Wohnsitz ins Ausland. Laut dem Evangelischen Zentrum für Weltanschauungsfragen sind es zwischen 500 und 3000 Kinder. Dr. Thomas Spiegler von Forschung zu Home Education