Kinder mit Fluchterfahrung in Kitas - Matilde Heredia - E-Book

Kinder mit Fluchterfahrung in Kitas E-Book

Matilde Heredia

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Beschreibung

Die Aufnahme von Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen erfordert ein Umdenken der pädagogischen Angebote und der Arbeit in Bildungseinrichtungen insgesamt. Zum einen, weil diese Kinder andere Erfahrungen gemacht haben als die übrigen Kinder, und zum anderen, weil die vorhandenen pädagogischen Strukturen überwiegend für homogene, einsprachige Gruppen konzipiert sind. Wie kann die Mehrsprachigkeit der Kinder in den Alltag von Kitas einbezogen werden? Mehrsprachigkeit im Kontext der sprachlichen Bildung ist hierfür der Schlüssel. Die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder mit Fluchterfahrung sind eine zentrale Ressource bei der Sprachbildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen. Hierbei andere Sprachen einzubeziehen, stärkt die vorhandenen Fähigkeiten der Kinder und ermöglicht der Kindertageseinrichtung, sich kulturell und sprachlich für Neues zu öffnen. Auch im Kontext der Inklusion von Kindern mit Fluchterfahrung spielt sprachliche Bildung eine zentrale Rolle, als Kommunikationsmittel zwischen Menschen und als Zugang zur neuen Kultur. Matilde Heredia zeigt, wie die Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit bei der sprachlichen Bildung gelingen kann und wie sie Wege für neue pädagogische Strukturen weisen kann, die den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen gerecht werden. Pädagogische Fachkräfte erhalten durch die Lektüre zahlreiche Impulse für ihren beruflichen Alltag in Kindertagesstätten.

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Geflüchtete Menschen psychosozialunterstützen und begleiten

Herausgegeben von

Maximiliane BrandmaierBarbara BräutigamSilke Birgitta GahleitnerDorothea Zimmermann

Matilde Heredia

Kinder mit Fluchterfahrung in Kitas

Mehrsprachigkeit und sprachliche Bildung

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

© 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Nadine Scherer

Satz und Layout: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISSN 2625-6436

ISBN 978-3-647-99930-2

Inhalt

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen

Vorbemerkung

1Der Spracherwerb

1.1Überblick: Der Spracherwerb in der frühen Kindheit

1.2Der Spracherwerb bei mehrsprachigen Kindern

1.3Bilingual – mehrsprachig

2Mehrsprachigkeit in der pädagogischen Praxis

3Sprache, Identität und kulturelle Vielfalt

3.1Sprache und Identität

3.2Sprache und kulturelle Vielfalt

4Kinder mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen

4.1Sprachliche Bildung bei Kindern mit Fluchterfahrung

4.2Spracheinschätzung und Sprachangebote für Kinder mit Fluchterfahrung

4.3Die Bildungssprache mehrsprachiger Kinder stärken

5Den pädagogischen Alltag neu denken und gestalten

5.1Beispiele gelungener Praxisarbeit

5.1.1Kinder- und Familienzentrum August-Bebel-Allee: Sprachangebot für Familien

5.1.2Kinder- und Familienzentrum Im Viertel: Spiele mit Sprache im Hort

5.1.3Gute Sprachpraxis

5.2Das Sprachprofil der eigenen Einrichtung (neu) definieren

Fazit

Literatur

Geleitwort der Reihenherausgeberinnen

Der Titel der Fluchtaspekte-Buchreihe trägt den Zusatz »Geflüchtete Menschen psychosozial unterstützen und begleiten«. Kindertagesstätten als zentrale Orte pädagogischer Praxis sind nicht die ersten Arbeitsfelder, die beim Stichwort »psychosozial« in den Sinn kommen. Und dennoch gibt es in ihnen vielfältige Schnittstellen zu psychosozialen Themen – wie zum Beispiel, wenn Kinder ihre Erstsprache wegen subtiler, alltäglicher Diskriminierungserfahrungen als schmutzig empfinden oder sich für sie schämen. Die Autorin Margarete Stokowski schrieb am 27.11.2018 in ihrer Kolumne auf Spiegel Online:

»Als Kind dachte ich lange Zeit, bilingual aufzuwachsen heißt, dass man außer Deutsch auch noch Französisch oder Englisch zu Hause spricht und nicht das, was die ›Polacken‹ und ›Kanaken‹ tun. ›Bilingual‹ klang wie etwas Wertvolles, während ich als Kind das Gefühl hatte, dass meine Muttersprache etwas ist, was ich besser loswerden sollte. Wie die alten Klamotten vom Flohmarkt, die man irgendwann durch fancy Adidassachen ersetzen konnte, wenn man lange genug gespart hatte. Polnisch war gleichbedeutend mit arm, gleichbedeutend mit: besser nicht da«.1

Statt zu problematisieren, falls Kinder zu Hause nicht Deutsch sprechen, sollte laut Stokowski eher problematisiert werden, wenn sich Bildungseinrichtungen nicht auf Menschen verschiedener Herkunft einstellen können. Als mein dreijähriger Sohn mir im Kindergarten ein gleichaltriges Kind seiner Gruppe mit den Worten zeigte: »Der kann noch nicht richtig reden«, brachte mich das zum Nachdenken. Das Kind konnte durchaus fließend sprechen – in seiner Muttersprache. Dieser Mehrsprachigkeit im pädagogischen Alltag Wertschätzung beizumessen und diese Haltung auch den anderen Kindern gegenüber authentisch vorzuleben, ist eine zentrale Botschaft des vorliegenden Buches. Dabei verschweigt es auch nicht die Hindernisse und Schwierigkeiten auf diesem Weg. Wie gehen Pädagog*innen z. B. damit um, wenn sie selbst nicht verstehen, was Kinder untereinander sprechen? Anstatt auf Sprachgebote wie »Wir sprechen hier deutsch!« zurückzugreifen, öffnet die promovierte Soziologin Matilde Heredia einen anderen, wertschätzenden und kreativen Weg, mit Mehrsprachigkeit in Kitas umzugehen und die sprachliche Bildung aller Kinder, mit und ohne Flucht- oder Migrationserfahrung, zu stärken. Ihr Ansatz speist sich aus jahrelanger Leitungs- und Beratungstätigkeit bei unterschiedlichen Trägern der Kindertagesbetreuung.

Matilde Heredia setzt sich in ihrem Buch zunächst sehr grundsätzlich mit Mehrsprachigkeit/Bilingualität auseinander. Zwei Kapitel (Kapitel 1 und 3) widmen sich den Fragen des (ein- und mehrsprachigen) Spracherwerbs sowie der Rolle von Sprache für die Identitätsentwicklung und kulturelle Vielfalt. Um ebenso zentrale Fragen im Umgang mit Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen geht es in Kapitel 2, das zu diesem Thema gewissermaßen den Rahmen entwirft. So bringt die Autorin ihre eigenen Erfahrungen in einem Satz sehr schön auf den Punkt: »Im Mittelpunkt gelungener Sprachangebote stand die Anerkennung der Sprache des Kindes und ihrer Familie, eine offene Haltung gegenüber sprachlicher und kultureller Vielfalt sowie Kreativität, um trotzdem miteinander zu kommunizieren« (S. 32 f.). Wie dies in der pädagogischen Praxis verwirklicht werden kann, ist Gegenstand der Kapitel 4 und 5, in denen gelungene Beispiele aus der Praxis Anregungen für die Gestaltung der eigenen pädagogischen Arbeit geben, die vor allem die Ressourcen der Fachkräfte und der Einrichtungen berücksichtigen. Wir wünschen den Leser*innen eine sie ermutigende Lektüre, die Lust auf Reflexion der eigenen Praxis und auf kreative Weiterentwicklung von Sprachbildungsangeboten in Kitas macht.

Maximiliane Brandmaier

Barbara Bräutigam

Dorothea Zimmermann

Silke Birgitta Gahleitner

1https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/deutsch-tuerkisch-polnisch-gute-sprachen-schlechte-sprachen-kolumne-a-1240626.html [Zugriff: 24.07.2019].

Vorbemerkung

Alle Kinder sprachlich stärken! Dies ist die Prämisse der Kitas deutschlandweit. Die praktische Umsetzung ist allerdings nicht immer einfach. Wie kann es gelingen, mehrsprachige Kinder mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen willkommen zu heißen und sprachlich optimal zu begleiten? Wie können Sie als pädagogische Fachkräfte, wie können Sie als Akteur*innen von Kindertageseinrichtungen die Kita-Kultur authentisch mehrsprachig gestalten, ohne dabei Ihre eigene Identität und die Kultur der Kita und deren Familien, die bereits gelebt wird, in den Hintergrund zu stellen? Solcherlei Fragen und Reflexionen um dieses Thema haben die Idee für dieses Buch gegeben.

Um diese aktuellen Themen aus der Praxisperspektive zu behandeln, werden im Folgenden diverse relevante Erfahrungen besprochen, die im Rahmen der Interaktion mit Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen von den pädagogischen Fachkräften gesammelt werden. Anhand von Beispielen gelungener Praxis aus Bremen werden mögliche Herangehensweisen an die sprachliche Bildung von Kindern mit Fluchterfahrung skizziert, die vielleicht neue Ideen auch für Ihre Arbeit geben können. Das Ziel hierbei ist, wichtige Aspekte rund um die Sprachbildungsarbeit und den Spracherwerb (vgl. Tracy, 2007; Szagun, 2013) in Kindertageseinrichtungen zu benennen, die pädagogische Fachkräfte aktuell beschäftigen, um für den Fall von Hindernissen in der pädagogischen Praxis Ideen, kreative Impulse und mögliche Lösungen zu bieten. Hierbei werden eigene Erfahrungen und Betrachtungen aus der Tätigkeit als Regionalleitung und Beraterin von Kindertageseinrichtungen in die Analyse einfließen. Dabei wird keine Vollständigkeit angestrebt, sondern vielmehr Einblicke in das alltägliche Geschehen gewährt.

Das Buch ist wie folgt aufgebaut: In einem ersten Schritt wird der Spracherwerb von Kindern im frühen Kindesalter (0 bis 6 Jahre) dargestellt. Dabei wird ein Überblick über den Spracherwerb sowohl von ein- als auch von mehrsprachigen Kindern gegeben. Darauffolgend werden in Kapitel 1.3 die Begriffe der Bilingualität und der Mehrsprachigkeit erläutert. Bei dieser Analyse werden aktuelle wissenschaftliche Themen wie das Verständnis von Bilingualität, die Unterscheidung zwischen Deutsch als Fremdsprache (DaF) oder als Zweitsprache (DaZ) sowie Ansätze der Sprachbildung und Mehrsprachigkeit (vgl. Triarchi-Herrmann, 2012; Roth, Terhart, u. Anastasopoulos, 2013) von Kindern mit Fluchterfahrung in Betracht gezogen.

Die Analyse der sprachlichen Entwicklung sowie der gelungenen Inklusion von Kindern mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen ist ein wichtiges Anliegen in der pädagogischen Praxis von Kitas und setzt voraus, dass wir die vorhandene Mehrsprachigkeit in der Praxis reflektieren und uns auch mit kulturellen und Identitätsaspekten befassen. Diese Themen werden in den Kapiteln 2 und 3 behandelt, wobei in Kapitel 3 die Beziehungen zwischen den Sprachen und den Identitäten der Kinder sowie die zwischen interkulturellen Aspekten des Alltags in Kitas und den Sprachen der Kinder im Fokus stehen. Im Anschluss daran und als Herzstück des Buches werden in Kapitel 4 die Situation von Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen, einige Formen der Herangehensweise an die Arbeit mit ihnen sowie mögliche Hindernisse, die aus meiner Sicht in diesem pädagogischen Tätigkeitsfeld zu erkennen sind, dargestellt.

Um das Thema abzurunden, wird in Kapitel 5 der pädagogische Alltag in Kindertageseinrichtungen mit Blick auf deren Sprachprofile und die sprachliche Bildung von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen beleuchtet. Anhand von Beispielen gut gelungener sprachlicher Arbeit mit Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertagesstätten werden in Kapitel 5.1 mögliche Lösungen für die Praxis aufgezeigt. Anschließend werden in Kapitel 5.2 die wichtigsten der zuvor dargestellten Aspekte gebündelt und Perspektiven für das Weiterdenken und praktische Handeln bezüglich der sprachlichen Bildung von Kindern mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen diskutiert.

Insgesamt werden hier Aspekte genannt und analysiert, die im Zusammenhang mit dem aktuellen Umgang mit Mehrsprachigkeit und sprachlicher Bildung in Kindertageseinrichtungen stehen. Dabei wird der Fokus insbesondere auf die Situation gerichtet, in der Kinder mit Fluchterfahrung in Kindertageseinrichtungen in Berührung mit der deutschen Sprache, d. h. einer (weiteren) Zweitsprache kommen. Die Praxisperspektiven, die hier wiedergegeben werden, beziehen sich überwiegend auf persönliche Beobachtungen sowie intensiven Austausch mit pädagogischen Fachkräften, die sich täglich mit der Inklusion von Kindern mit Deutsch als Fremdsprache beschäftigen. Das Buch möchte den Leser*innen vermitteln, welche Themen und möglichen Herausforderungen, aber ebenso Chancen die Aufnahme von mehrsprachigen Kindern für die pädagogische Praxis mitbringt.

Die Themen und die Fragen, die bezüglich der Sprachbildungsarbeit mit Kindern mit Fluchterfahrung in jeder Kindertageseinrichtung auftauchen, sind letztlich so heterogen wie die Kinder selbst. Bei der Analyse der hier vorgestellten Themen wird daher keine Vollständigkeit angestrebt; vielmehr sollen neue Perspektiven bei der Sprachbildungsarbeit mit Kindern mit Fluchterfahrung aufgezeigt werden.

1Der Spracherwerb

Der Erwerb von Sprache(n) setzt unmittelbar mit dem Beginn des Lebens, mit der Zeugung, ein, es handelt sich dabei um einen komplexen kognitiven und psychologischen Prozess. Beim Sprechenlernen werden verschiedene Entwicklungsprozesse, z. B. in Bezug auf Emotionen, Kognition und Motorik – im Grunde genommen der ganze Körper –, beansprucht, um die verschiedenen Sprachelemente wie Laute und Prosodie, Wortschatz, Grammatik, kognitives sprachliches Denken und Kommunikationsregeln (Jampert et al., 2011, S. 24) zu erwerben. Die Prosodie beschäftigt sich mit dem Klang, mit dem Rhythmus und mit der Melodie einer Sprache. »Die Prosodie einer Sprache ist ihr persönliches Markenzeichen. Über die unterschiedliche Betonung von Silben, Wörtern und Sätzen erhält jede Sprache ihre charakteristische Melodie, ihren charakteristischen Rhythmus und auf diese Weise ihren ganz individuellen Klang« (Jampert et al., 2011, S. 73).

Um eine Sprache zu erwerben, setzen sich komplexe kognitive und motorische Systeme miteinander in Verbindung, beispielsweise bezogen auf die sprachliche Fähigkeit eines Kindes, ein Objekt beim Namen zu nennen. Diese (vermeintlich) einfache sprachliche Handlung beinhaltet, dass das Kind den Begriff im Vorfeld, z. B. in einem bestimmten Kontext, gehört oder sogar wiederholt gehört hat und ihn diesem Kontext zuordnen kann. In dem Fall ist das Kind auf kognitiver Ebene dazu in der Lage, den Begriff als den Namen des jeweiligen Objektes einzuordnen. Das Kind muss zudem die Laute erworben haben, die zum Aussprechen des Begriffs notwendig sind, und ferner neben den motorischen Fähigkeiten auch über die emotionalen Fähigkeiten verfügen, um sprechen zu können. Bezogen auf den Spracherwerb wächst das Kind im Idealfall in einer Umgebung auf, die es zum Sprechen anregt, ihm zuhört und es sprachlich stärkt. Dies sind nur einige der Voraussetzungen, die notwendig sind, damit das Kind zu sprechen lernt und beispielsweise ein Objekt in Verbindung mit einem Begriff bringen kann, um schließlich das Objekt korrekt zu benennen.

Eine Sprache zu lernen, bedeutet, dass diese erst einmal erfahren, danach sich angeeignet, d. h. aufgenommen, und darauffolgend reproduziert, also gesprochen und (dadurch) weiterentwickelt wird. Dies ist ein Lernprozess, der den meisten Menschen als selbstverständlich erscheint, aber dennoch viele Fragen offenlässt. Das Sprechen und der Erwerb von Sprache(n) sind dem Menschen dahingehend gegebene Fähigkeiten, »über ein komplexes strukturiertes Symbolsystem, das wir Sprache nennen, mit anderen Menschen zu kommunizieren« (Ruberg u. Rothweiler, 2012, S. 11). Sprachwissenschaftler*innen befassen sich mit verschiedenen Spracherwerbstheorien und forschen aus unterschiedlichen Perspektiven über den Ursprung und die Grundlagen des Spracherwerbs (vgl. Klann-Delius, 2016; Albers, 2011a). Während z. B. die Vertreter*innen der nativistischen Theorie davon ausgehen, dass Sprachen und Sprachstrukturen angeboren sind, sind die Vertreter*innen der kognitivistischen Theorie der Ansicht, dass Sprachen durch Erfahrungen mit der Umwelt erworben werden, wohingegen wiederum die Vertreter*innen der interaktionistischen Theorie explizit die Interaktion mit anderen Menschen als Voraussetzung für den Spracherwerb verstehen (vgl. Klann-Delius, 2016). Fragen wie z. B. die, ob grammatikalische Kompetenzen angeboren sind oder im sozialen Umfeld des Kindes durch sozialen Kontakt mit Sprachvorbildern erworben und später in unterschiedlichen Situationen ausprobiert werden, werden im wissenschaftlichen Kontext und von Vertreter*innen der verschiedenen theoretischen Richtungen lebhaft diskutiert (vgl. Albers u. Jungmann, 2013, S. 30 ff.).