Klippensturz - Edith Kneifl - E-Book

Klippensturz E-Book

Edith Kneifl

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Beschreibung

Laura Mars reist nach Istrien – und wird dort sehnsüchtiger erwartet, als ihr lieb ist Laura Mars wird aus ihrem Leben in Wien gerissen und mitten in eine Geschichte geworfen, die sich zunehmend wie ein böser Traum anfühlt: Ein Notar aus Kroatien teilt ihr mit, dass sie die Alleinerbin ihrer gerade verstorbenen Großmutter ist – obwohl Laura schon vor Jahren deren Sterbeanzeige bekommen hat. Und damit nicht genug: Als Laura im Notariat in Pula ankommt, findet sie dort den Notar ermordet vor. Vom Testament fehlt jede Spur. Dafür entdeckt sie das Tagebuch ihrer Großmutter und erfährt mit jeder Seite mehr über die vertrackte und düstere Vergangenheit ihrer Familie. Warum hat ihre Großmutter damals die Familie verlassen? Hat ihr Onkel in Rovinj etwas mit dem Mord an dem Notar zu tun? Und welches Motiv verfolgt dessen charmanter Neffe? Adria-Idylle oder Alptraum? Tiefblaues Meer, geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten, malerische Landschaften – Lauras Zeit in Istrien könnte ein wahrgewordener Kroatienurlaubstraum sein. Wären da nicht die ungeklärten Todesfälle und Lauras mehr als schwierige Verwandtschaft, die ihr ziemlich viel Kopfweh bereitet. Eines hat sich Laura aber fest vorgenommen: keine komplizierten Männergeschichten mehr. Doch der ermittelnde Kommissar macht es ihr immer schwerer, an ihrem Vorsatz festzuhalten … Und die Zeit drängt: Während Lauras Nachforschungen immer mehr Fragen aufwerfen, taucht ein weiteres Mordopfer auf. Meisterinnenhaft zeichnet Edith Kneifl die strahlenden und tiefdunklen Seiten eines Urlaubsparadieses Laura Mars erkundet die größte Halbinsel Kroatiens auf flotten Motorbooten, saust mit dem Roller durch atemberaubend schöne Orte, lernt Poreč, Buje, Motovun, Groznjan und Volosko kennen und probiert sich durch die köstlichsten kroatischen Spezialitäten. Aber Edith Kneifl schreckt nicht davor zurück, uns auch mit der bedrückenden Realität jenseits des Urlaubs-Idylls zu konfrontieren: Hotels in der wirtschaftlichen Krise, die Erinnerung an einen Krieg, der bis heute schmerzt und spaltet, zerrüttete Familien – sie zeigt uns Istrien in all seinen Facetten.

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Seitenzahl: 350

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Umschlag

Titel

1.

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Über die Autorin

Impressum

Edith Kneifl

Klippensturz

Ein Istrien-Krimi

„Wer sich in Familie begibt, kommt darin um“

Heimito von Doderer

1.

Laura Mars sah rot. Hässliches, bräunliches Rot. Nicht nur der kahle Hinterkopf des Mannes war blutverschmiert, auch der hochflorige hellgraue Teppich hatte ein paar Spritzer abbekommen.

Der Mann lag auf dem Bauch, die Beine leicht angewinkelt und seltsam verdreht. Eine Blutlache hatte sich wie ein tiefroter Brei um Kopf und Schultern ausgebreitet. Nur die linke Gesichtshälfte war sichtbar. Sein Auge stand einen Spalt offen.

Sie beugte sich über den leblosen Körper.

Neben dem zerschmetterten Haupt des Mannes lag ein zweiter Kopf. Titos kalte Augen starrten sie unverwandt an.

Sie ging in die Hocke, griff, ohne zu überlegen, nach der schweren Bronze, die ihr jedoch gleich wieder aus der Hand glitt. Entgeistert starrte sie auf ihre blutbeschmierten Finger.

Obwohl sich Laura nicht für zartbesaitet hielt, wurde ihr flau im Magen. Stöhnend ließ sie sich auf den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch sinken, nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte sich das Blut von den Händen.

Sie war sich sicher, dass es sich bei dem Toten um Notar Milan Vuković handelte.

Auch wenn es ziemlich offensichtlich war, vielleicht sollte sie sich lieber vergewissern, ob der Mann wirklich tot war?

Ihn noch einmal anzufassen, kostete sie große Überwindung. Als sie sein Handgelenk ergriff, war sie beinahe erleichtert, keinen Puls zu spüren. Doch sie bildete sich ein, dass der Tote ihren Bewegungen mit seinem halb geöffneten Auge folgte.

Sofort ließ sie seine Hand los.

Sie war nahe dran, sich zu übergeben, zwang sich aber, sich die Schädelverletzung genauer anzusehen. Das Blut war inzwischen gestockt, füllte zur Gänze die große Wunde.

Sie schauderte. Ihre Knie zitterten, als sie sich aufrichten wollte. Wankend hielt sie sich an der Schreibtischkante fest und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.

Sowas kann auch nur mir passieren, stöhnte sie leise.

In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Auf jeden Fall musste sie jemanden anrufen. Rettung oder Polizei?

Wo war nur ihr Handy? Hatte sie es im Auto vergessen?

Sie leerte den Inhalt ihrer Handtasche auf den Schreibtisch. Kein Mobiltelefon.

Ein lautes Geräusch ließ sie zusammenzucken.

Die schwere Pendeluhr schlug sieben Mal.

***

Punkt zwölf Uhr mittags war sie in Wien losgefahren. Sie hatte den Notar von unterwegs aus angerufen und ihren Besuch für den frühen Abend angekündigt. Der alte Herr war überaus höflich gewesen und hatte ihr mehrmals versichert, dass er auf jeden Fall auf sie warten würde.

Erleichtert registrierte sie seine ausgezeichneten Deutschkenntnisse, da sie die Sprache ihrer Mutter kaum beherrschte. Adriana hatte es verabsäumt, ihre Tochter zweisprachig zu erziehen, und als Erwachsene hatte Laura keine Lust mehr gehabt, die Sprache ihrer Vorfahren mütterlicherseits zu erlernen.

Auf der Strecke war nicht viel Verkehr gewesen. Auch an der slowenisch-kroatischen Grenze hatte sie nicht lange warten müssen.

Dank Navi hatte sie den großen Parkplatz in der Prolaz Sv. Nikole, nahe der Hafenpromenade von Pula, sofort gefunden. Bis zum Forum, dem Stadtplatz von Pula, waren es von dort nur ein paar Schritte durch die Fußgängerzone.

Die Kanzlei des Notars befand sich im zweiten Stock eines rosa gestrichenen Palastes, schräg gegenüber dem Augustustempel. Die Eingangstür war offen gestanden. Sie hatte dennoch unten angeläutet, bevor sie das Haus betrat. Niemand meldete sich.

Laura war zu Fuß in den zweiten Stock hinauf. Auch die Tür zur Kanzlei war nur angelehnt gewesen. Da keiner auf ihr Klopfen reagiert hatte, war sie eingetreten. Was sie nun heftig bereute.

***

Ein sanftes Vibrieren an ihrem Oberschenkel riss sie aus ihren Gedanken. Erleichtert nahm sie ihr Handy aus der Hosentasche, ignorierte die eingetroffene Nachricht und wählte die internationale Notrufnummer. Während sie auf das Eintreffen der Polizei wartete, sah sie sich in der Kanzlei näher um.

An den Wänden hingen alte Stiche, die Pula im 19. Jahrhundert zeigten. Die Einrichtung bestand hauptsächlich aus Antiquitäten. Eine alte Stehlampe, eine mit bordeauxrotem Samt überzogene Couch, ein dunkelbrauner Ledersessel, ein mächtiger Schreibtisch und ein riesiger Bücherschrank neben der Tür. Der Laptop auf dem Schreibtisch wirkte wie ein Fremdkörper in diesem altmodischen Ambiente.

Sie ließ die Ereignisse der letzten Tage vor ihrem inneren Auge Revue passieren.

Vorgestern läutete sie der Briefträger wegen eines eingeschriebenen Briefes um acht Uhr früh aus dem Bett. Am liebsten hätte sie ihm nicht aufgemacht. Der Brief stammte von einem Notar aus Pula. Er teilte ihr mit, dass ihre Großmutter Natalija Bogdanović, frühere Marković, vor kurzem verstorben war und sie in ihrem Testament als Alleinerbin eingesetzt hatte. Dem Brief war auch zu entnehmen, dass Großmutter Natalija ihr eine Villa in Opatija hinterlassen hatte. Der Notar schlug ihr einige Termine für die Testamentseröffnung vor.

„Das gibt’s nicht“, stöhnte sie und las den Brief ein zweites Mal.

Großmama Natalija war längst tot. Vor zehn Jahren hatte Laura ein offiziell aussehendes Schreiben erhalten, in dem sie vom Ableben ihrer Großmutter in der Psychiatrischen Anstalt auf der Insel Rab unterrichtet worden war.

Nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte, rief sie ihren Vater an. Mischa Mars war ebenso überrascht wie sie. Er hatte keinen Kontakt mehr mit der Familie seiner ersten Frau. Die kroatische Verwandtschaft war ihm von Anfang an suspekt gewesen. Vor allem mit seinem Schwiegervater, dem Patriarchen Josip, war er jahrelang auf Kriegsfuß gestanden.

Er riet Laura, sich mit ihrem Onkel Nikola in Verbindung zu setzen. Sein Schwager war als Einziger der Familie Marković zu Adrianas Begräbnis in Wien erschienen.

Laura hatte nach dem Tod ihrer Mutter starke Beruhigungsmittel genommen und mit ihrem Onkel nur ein paar Worte gewechselt. Danach war der Kontakt zu den kroatischen Verwandten ganz abgebrochen. Auch Mischa hatte weder eine Adresse noch eine Telefonnummer und erinnerte sich nur, dass Nikola ein Hotel und Restaurant in Rovinj besaß. So war es für Laura nicht schwer, die Telefonnummer ihres Onkels im Internet herauszufinden.

Ein Mann hob ab, meldete sich mit Marković. Es war nicht die Stimme ihres Onkels, dafür klang sie zu jung. Zum Glück sprach der Mann Deutsch. Wie sich bald herausstellte, handelte es sich um ihren Cousin Mateo. Er wusste, dass ihre gemeinsame Großmutter erst kürzlich verstorben war, wirkte aber nicht sonderlich interessiert.

„Seit sie die Familie verlassen hat, haben wir nichts mehr von ihr gehört“, sagte er.

Als Laura die Villa in Opatija erwähnte, stieg sein Interesse merklich. Er begann jede Menge Fragen zu stellen, die sie nicht beantworten konnte. Sie kündigte ihr Kommen an und legte auf, bevor er sie weiter mit Fragen löcherte.

***

Die Pendeluhr schlug viermal. 19 Uhr 15. Die kroatische Polizei schien nicht die schnellste zu sein.

Laura bemühte sich, den Toten nicht anzusehen.

Ihr Blick fiel auf einen Tresor, der von dem gewaltigen Bücherschrank halb verdeckt wurde. Die Tür stand einen Spalt offen. Einige Dokumentenmappen lugten hervor.

Rasch schaute sie die Schriftstücke durch. Großmamas Testament befand sich nicht darunter.

Plötzlich entdeckte sie zwischen Tresor und Bücherschrank ein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Buch. Es schien dazwischengerutscht zu sein. Das Büchlein wirkte ziemlich abgegriffen. Laura hob es auf, warf einen flüchtigen Blick hinein und ließ es beinahe wieder fallen.

Diese Schrift! Sie kannte diese Schrift. Wie kam das Tagebuch ihrer Mutter hierher?

Als ihr klar wurde, dass es sich um das Tagebuch ihrer Großmutter handelte, die eine ähnlich schöne und deutliche Schrift gehabt hatte wie ihre Tochter Adriana, vernahm sie laute Schritte im Stiegenhaus.

Hastig steckte Laura das schwarze Buch in ihre Handtasche.

2.

Zwei uniformierte Polizisten und ein großer, dunkelhaariger Mann in Zivil betraten die Kanzlei. Der Zivile stellte sich als Kommissar Viktor Novak vor.

Ungeniert musterte Laura den Polizeikommissar, der seinen Untergebenen in schroffem Ton knappe Befehle erteilte und sich dann den Toten genauer ansah, ohne ihn zu berühren.

Ihr gefiel sein hartes, kantiges Gesicht mit den ausdrucksvollen hellen blauen Augen. Diese Augen erinnerten sie an jemanden. Ihr wollte partout nicht einfallen, an wen, bis ihr Blick auf ein großes gerahmtes Foto hinter dem Schreibtisch fiel.

Marschall Tito in weißer Uniform blickte streng auf sie herab. Der Kommissar hatte tatsächlich Titos Augen. Er wirkte ebenfalls streng und energisch, aber gleichzeitig auch ruhig und gelassen. Als er ihr wieder seine Aufmerksamkeit schenkte, fiel ihr seine tiefe Stimme auf. Sie mochte tiefe Stimmen.

Viktor Novak bat sie ins Nebenzimmer und deutete ihr, auf dem Stuhl der Sekretärin Platz zu nehmen. Während er einem Uniformierten irgendwelche Anweisungen gab, fegte er mit einer raschen Handbewegung diverse Schreibutensilien beiseite und setzte sich auf den Schreibtisch. Beinahe berührten seine Beine ihre Schulter. Die körperliche Nähe zwischen ihnen irritierte Laura.

Vom Kroatischen ins Deutsche wechselnd fragte er Laura, was sie nach Pula geführt hatte. Sie beantwortete seine Frage wahrheitsgemäß, jedoch kurz und knapp. Dann gestand sie ihm, dass sich ihre Fingerabdrücke auf der Mordwaffe befinden würden, da sie die Büste blöderweise angefasst hatte.

„Sranje“, fluchte der Kommissar auf Kroatisch.

„Entschuldigen Sie“, sagte er rasch auf Deutsch.

„Nein, nein, Sie haben recht, das ist wirklich eine verdammte Scheiße. Ich verstehe nicht, was in mich gefahren ist. Jeder Idiot weiß, dass man an einem Tatort nichts anfassen darf.“

„Warum sind Sie sich so sicher, dass es sich bei der Tito-Büste um die Tatwaffe handelt?“

„Das ist doch offensichtlich. Sie ist voller Blut.“ Sie blickte auf ihre blutbefleckten Finger. „Ich würde mir gern die Hände waschen. Darf ich?“

Kommissar Novak schüttelte den Kopf, fischte ein Päckchen Desinfektionstücher aus seiner Sakkotasche und reichte es ihr.

Während sie sich notdürftig die Hände reinigte, trafen der Gerichtsmediziner und die Leute von der Spurensicherung ein.

„Sie gehen jetzt besser. Wir reden nachher weiter. Ich habe jede Menge Fragen an Sie. Halten Sie sich also bitte zu unserer Verfügung.“

„Ich muss heute noch nach Rovinj“, protestierte Laura.

Nach kurzem Überlegen befahl er einem Kriminaltechniker, an Ort und Stelle ihre Fingerabdrücke abzunehmen.

Kaum war die Prozedur beendet, sagte er in freundlicherem Ton: „Warten Sie unten am Platz im Café Cvajner auf mich. Ich komme, so schnell es geht, nach.“

Vor dem Café gab es keinen freien Tisch. Da sie keine Lust hatte, sich irgendwo dazuzusetzen, ging sie hinein, suchte zuerst die Toilette auf und wusch sich gründlich die Hände. Danach nahm sie in dem originell eingerichteten Künstlercafé an einem Tisch beim Fenster Platz.

Sie fühlte sich eine Spur besser. Die außergewöhnlichen Vintage-Möbel, die witzigen, farbenfrohen Tapeten und die moderne Malerei an den Wänden munterten sie auf. Für einen Augenblick gelang es ihr, das Bild des toten Mannes, vor allem seinen blutverschmierten Kopf, zu verdrängen.

Der Cappuccino schmeckte ausgezeichnet und der kleine rubinrote Teranino, den ihr der Kellner wärmstens empfohlen hatte, erwies sich als echter Stimmungsaufheller. Da sie noch fahren musste, verzichtete sie darauf, sich ein zweites Gläschen des köstlichen Rotweinlikörs zu bestellen.

Sie blickte hinaus auf den schönen Forumsplatz, der bereits in der Antike der Mittelpunkt von Pula gewesen war.

Ohne Vorwarnung tauchte wieder der tote Notar vor ihren Augen auf. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, gab sie den Namen des Platzes auf Google ein und las, dass von den drei Tempeln, die das Forum umrahmt hatten, nur mehr einer erhalten war, der Augustus-Tempel mit seinen sechs korinthischen Säulen. Laut Wikipedia war er um Christi Geburt errichtet und der Göttin Roma geweiht worden. Im Zweiten Weltkrieg war er von einer Fliegerbombe großteils zerstört, zum Glück aber nach dem Krieg detailgerecht rekonstruiert worden. Die Rückwand des zerstörten Dianatempels hingegen wurde beim Bau des Rathauses in dieses integriert.

Da der Kommissar auf sich warten ließ, rief Laura im Hotel Katarina auf einer kleinen Insel gegenüber der Stadt Rovinj an, um Bescheid zu geben, dass sie erst spätabends eintreffen würde. Dann nahm sie das schwarze Lederbüchlein aus ihrer Handtasche und begann sich in die Geheimnisse ihrer Großmama zu vertiefen.

Sie begriff rasch, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Tagebuch handelte, sondern um Briefe, die Natalija an ihre Tochter Adriana geschrieben hatte.

***

Meine geliebte Adriana, wenn du dies liest, werde ich längst tot sein. Ich möchte, dass du die Wahrheit über mich erfährst und dir selbst ein Urteil bildest. Bisher kennst du nur die Version, die Josip und die anderen dir erzählt haben.

Non, je ne regrette rien … um mit meiner Lieblingssängerin Edith Piaf zu sprechen. Nein, ich bedauere nichts. Als er meine Garderobe betrat, war es um meinen Verstand geschehen. Groß, schlank, dunkles, volles Haar und fast schwarze Augen. Ich gehöre nicht zu den Frauen, die Männer in Uniformen unwiderstehlich finden, doch er sah so überaus elegant aus in seiner weißen Galauniform mit den roten Epauletten auf den Schultern und den vielen Orden auf der Brust. Seine Schultern bedurften keiner Pölsterchen, sie waren breit genug. Er war ein stattlicher Mann. Und er hatte mir einen riesigen Strauß Kamelien und Konfekt mitgebracht …

Aber lass mich meine Geschichte, die zum Teil auch deine ist, von Anfang an erzählen. Verzeih, wenn ich Fehler mache, aber ich möchte dir unbedingt in meiner Muttersprache schreiben, befürchte jedoch, dass ich mich schriftlich auf Deutsch nicht mehr so gut ausdrücken kann wie früher. Dieses slowenisch-serbokroatische Kauderwelsch, das ich inzwischen spreche, verwirrt mich mehr, als mir lieb ist.

Wo soll ich beginnen? Am besten in Triest. Wie du weißt, lebten meine Eltern in dieser Stadt bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Meine Mutter stammte aus einer wohlhabenden österreichischen Ärztefamilie.

Als die ersten Bomben auf Triest fielen, flüchteten meine Eltern nach Piran, in die Heimatstadt meines Vaters. Mein slowenischer Vater war vor dem Krieg ein bekannter Cellist. Nach Kriegsende blieben sie in Piran, da mein Vater dort Arbeit als Musiklehrer gefunden hatte. Mich schickten sie auf eine Schule in Triest. Ich lebte bei Freunden meiner Mutter, die genug mit sich selbst zu tun hatten und sich nicht besonders um mich kümmerten. Ich war damals 15 und hatte einen großen Traum: Ich wollte Tänzerin werden. Und das wurde ich auch. Während meiner Schulzeit nahm ich heimlich Tanzunterricht bei einem pensionierten altösterreichischen Tanzmeister.Mit 17 hatte ich mein erstes Engagement und mit 18 wurde ich Mitglied des Opernballetts am Teatro Giuseppe Verdi in Triest. Mit 19 tanzte ich in Schwanensee den zweiten Schwan von links. Bis heute liebe ich Tschaikowskys Musik über alles. Für mich waren er und Giuseppe Verdi die größten Komponisten aller Zeiten.

Ich erinnere mich sehr gut an jenen Tag, als ich mein Debüt feierte. Das Opernhaus befand sich in einem völlig desolaten Zustand. Kein Wunder, die halbe Stadt lag in Schutt und Asche. Die Elektrik war völlig im Eimer, zeitweise ging das Licht aus und wir mussten im Finstern weitertanzen. Auch der Bühnenvorhang musste händisch geöffnet und geschlossen werden.

Aber zurück zu dem schönen Offizier der jugoslawischen Volksarmee, der damals noch kein General war. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und es kam, wie es kommen musste. Wir wurden ein Liebespaar. Leider war dieser wunderbare Mann bereits gebunden. Und so nahm die Tragödie ihren Lauf.

Ich bin meinem Herzen gefolgt, und ich hoffe, du bist in dieser Hinsicht nach mir geraten. Zumindest verdankst du mir deinen Freiheitsdrang und deine Neugierde auf das Leben.

3.

Als Laura den Kommissar aus dem Palast gegenüber kommen sah, steckte sie das schwarze Büchlein rasch in ihre Handtasche. Die Zeilen ihrer Großmutter hatten sie sehr berührt, doch sie konnte sich nicht länger damit beschäftigen, denn der Kommissar näherte sich schnellen Schrittes dem Café.

Viktor Novak schien etwa in ihrem Alter zu sein. Vielleicht auch ein, zwei Jahre jünger. Südländische Männer altern schneller, dachte sie nicht zum ersten Mal.

Er war groß, schlank, breitschultrig und bewegte sich leichtfüßig. Vermutlich trieb er viel Sport. Seine leichten O-Beine ließen sie auf Fußball tippen.

Der Kommissar wirkte angespannt, wenn nicht gar verärgert. Kein Wunder, schließlich hatte er es mit einem Mord zu tun.

Er schaute ihr nicht in die Augen, als er unaufgefordert ihr gegenüber Platz nahm.

Der Kellner kam sofort herbeigeeilt.

Auf Novaks Frage, ob sie einen zweiten Kaffee wolle, schüttelte sie den Kopf.

„Oder noch einen Teranino?“

Diesem Mann entgeht nichts, dachte sie und beschloss, sich vor ihm in Acht zu nehmen.

„Damit mich später die Verkehrspolizei festnimmt? Ich muss heute, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, nach Rovinj.“

Dem Kommissar entkam ein Lächeln.

Er bestellte Kaffee, eine Kremsnita und eine große Flasche Mineralwasser mit zwei Gläsern.

Als er ihr einschenkte, sagte er: „Was soll ich bloß mit Ihnen anfangen? Sie sind in eine üble Sache hineingeraten. Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen Ihre schwierige Lage wirklich bewusst ist. Warum haben Sie eigentlich als Erstes die Polizei und nicht die Rettung angerufen?“

Sie reagierte nicht, obwohl ihr eine heftige Bemerkung auf der Zunge lag.

Er betrachtete sie mit hochgezogenen Brauen.

Sie hielt seinem kühlen, durchdringenden Blick stand, schaute ihn ebenso ernst und eindringlich an.

„Es bestand für mich nicht der geringste Zweifel daran, dass der Mann tot war“, sagte sie.

„Der Tod scheint, laut Gerichtsmediziner, erst vor kurzem eingetreten zu sein“, verriet ihr der Kommissar. „Das heißt, sein Körper muss noch warm gewesen sein, als Sie ihn berührt haben.“

„Sie glauben doch nicht, dass ich den armen Mann erschlagen habe“, empörte sich Laura. „Warum hätte ich das tun sollen? Ich kannte diesen Notar nicht. Wie ich Ihnen vorhin schon gesagt habe, war er der Testamentsvollstrecker meiner kürzlich verstorbenen Großmutter. Durch seinen Tod wird für mich alles nur noch komplizierter. Haben Sie seine Papiere durchsucht? Ich habe kein Testament gesehen, als ich …“ Sie brach ab, als sie sein spöttisches Lächeln bemerkte.

„Sie verdächtigen mich also nicht ernsthaft?“

„Würde ich sonst mit Ihnen hier seelenruhig Kaffee trinken und Kuchen essen?“

Nun musste auch sie grinsen. Die Einvernahme in dem hübschen Künstlercafé war in ihren Augen ungewöhnlich.

Viktor runzelte die Stirn.

Ihr war bewusst, dass sie seit den vielen plastischen Operationen nach ihrem schweren Verkehrsunfall, bei dem ihr Mann ums Leben gekommen war, kein normales Lächeln mehr zustande brachte.

„Ich hatte einen schlimmen Unfall und musste zahlreiche Gesichts-OPs über mich ergehen lassen. Ein charmantes Lächeln ist leider nicht mehr drin“, klärte sie ihn auf.

„Das tut mir sehr leid … kein Problem.“ Er wirkte verlegen.

„Sie haben vorhin einen relativ gefassten Eindruck auf mich gemacht. Schließlich findet man nicht jeden Tag einen Toten.“

Es klang wie eine Frage.

„Leider hatte ich schon öfter mit ungewöhnlichen Todesfällen zu tun.“

„Beruflich? Sind Sie Ärztin oder etwa gar eine Kollegin?“

„Nein, nein, nichts dergleichen. Ich hatte nur Pech. Aber das ist eine lange Geschichte und hat absolut nichts mit diesem Fall zu tun.“

Sie wunderte sich, dass er nicht nachfragte, sondern sie nur lange ansah und ihr dann ein Stück von seiner köstlich aussehenden Cremeschnitte anbot. Nun war sie endgültig davon überzeugt, dass er sie nicht ernsthaft verdächtigte.

„Sie sind niemandem im Haus begegnet?“, fragte er, während sie die wunderbare Puddingcreme kostete.

„Nein.“

„Der Täter muss das Haus verlassen haben, kurz bevor Sie eingetroffen sind. Oder er war sogar noch im Haus …“

„Warten Sie. Das Eingangstor unten stand halb offen. Aber ich habe niemanden gesehen, habe, offen gesagt, auch nicht darauf geachtet.“

Bemüht, sich die Szene in Erinnerung zu rufen, begann sie diese halblaut zu rekonstruieren. „Der Forumsplatz lag völlig im Schatten. Ein paar Kinder brausten mit ihren Fahrrädern und Rollern herum. Auf den Stufen vor dem Augustus-Tempel saßen junge Leute. Als ich mich dem Palast genähert habe, sind mir zwei Frauen aufgefallen, die an der Hausmauer lehnten und rauchten, aber die haben wahrscheinlich zu den Kindern gehört. Ach ja, und als ich hier im Café gesessen bin und auf Sie gewartet habe, habe ich auch einen Mann beobachtet, der vor dem Gebäude auf und ab ging. Ich habe ihn für einen italienischen Touristen gehalten.“

„Wie sah der Mann aus?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Etwa um die 50, dunkles, grau meliertes Haar, kleiner als Sie und sehr schlank. Sein Gesicht habe ich nicht genau gesehen.“

„Was hatte er an?“

„Einen eleganten grauen Anzug und darunter ein schwarzes T-Shirt. Wegen seiner schicken Kleidung hielt ich ihn für einen Italiener. Tut mir leid, aber ich habe weder ihm noch den Frauen größere Beachtung geschenkt. Ich war viel zu aufgeregt, wegen des Toten …“

„Ihre Beobachtungsgabe ist nicht schlecht. Sollte Ihnen später noch etwas einfallen, was uns weiterhelfen könnte, rufen Sie mich an, okay?“

Der Kommissar reichte ihr seine Karte.

„Ich fürchte, das ist alles, woran ich mich erinnere.“

„Erzählen Sie mir mehr über diese Erbschaft“, forderte er sie auf.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen.“ Laura kramte in ihrer Handtasche und reichte ihm den Brief des Notars.

Er machte mit seinem Handy ein Foto davon und gab ihn ihr ungelesen zurück.

„Und wer ist sonst noch in diese Angelegenheit involviert? Haben Sie Verwandte hier?“

Laura klärte ihn mit knappen Worten über ihre Familienverhältnisse auf und erzählte ihm auch, dass sie die Haupterbin ihrer Großmutter war.

Der Kommissar schaute sie irritiert an.

„Das ist merkwürdig. Sie sagten vorhin, dass Sie Ihre Großmutter kaum gekannt haben.“

„Ich habe sie nur einmal gesehen.“

Laura hatte die alte Dame um die Jahrtausendwende herum gemeinsam mit ihrer Mutter in der Psychiatrischen Klinik auf der Insel Rab besucht.

Erst als Adriana erfahren hatte, dass Natalija nach dem Tod des Generals psychisch krank geworden und in der Psychiatrie gelandet war, hatte sie wieder Kontakt mit ihr aufgenommen.

Sie war entsetzt über den geistigen Verfall ihrer Mutter gewesen und hatte sogar daran gedacht, sie nach Wien zu holen.

Der behandelnde Arzt, der gleichzeitig Natalijas Stiefsohn war, hatte sie jedoch davon überzeugt, dass Natalija gut bei ihm aufgehoben wäre.

Laura hatte nur vage Erinnerungen an diesen Besuch bei ihrer Großmutter.

Mehrere nüchterne, kasernenartige Gebäude in einer großen, gepflegten, aber menschenleeren Parkanlage. Einsamkeit, Stille, Hoffnungslosigkeit. Sie spürte die bedrückende Stimmung von damals, als sie daran dachte.

Natalija musste Anfang 70 gewesen sein. Ihr Gesicht war fast faltenlos gewesen und hatte eigentümlich geglänzt. Das dichte, lange Haar hatte sie zu einem altmodischen Zopf geflochten, was sie beinahe wie ein junges Mädchen aussehen hatte lassen. Aber ihre Augen waren trüb und leer gewesen. Außerdem hatte sie verwirrt gewirkt.

„Ich habe meine Großmutter kaum gekannt und weiß nicht viel über ihr Leben. Meine Mutter hat nicht gern über ihre Familie gesprochen.“

Laura wusste nur, dass Natalija ihren Mann und ihre Kinder wegen eines anderen Mannes verlassen und ihre Familie dadurch ins Unglück gestürzt hatte. Doch das ging den Kommissar nichts an.

„Als ich den Brief des Notars erhielt, war ich sehr überrascht, da ich meine Großmutter ja längst für tot hielt“, fuhr sie fort, da er beharrlich schwieg.

„Warum?“

Laura erzählte ihm von dem Brief mit der Todesnachricht, den sie vor Jahren aus der Psychiatrischen Klinik auf Rab bekommen hatte.

„Diese Nachricht hat mich ein, zwei Jahre nach dem Tod meiner Mutter erreicht. Als Todesursache war Herzstillstand angegeben worden.“

„Und Sie wurden tatsächlich vom Krankenhaus über das Ableben Ihrer Großmutter verständigt?“

„Auf dem Briefkopf stand die Adresse der Psychiatrischen Klinik. Die Unterschrift war unleserlich, trug aber den Stempel der Direktion. Das Begräbnis hatte bereits stattgefunden, als der Brief bei mir eintraf. Ich habe damals keinen Kontakt mit meinen kroatischen Verwandten aufgenommen. Ich hatte genug eigene Probleme …“

„Existiert dieser Brief noch?“, unterbrach er sie.

„Ja, aber ich habe ihn nicht dabei. Er liegt zuhause in einer Schreibtischschublade. Ich könnte meinen Vater bitten, ihn einzuscannen und mir auf mein Handy zu schicken.“

„Das ist momentan nicht nötig. Wir wissen nicht, ob ein Zusammenhang zwischen dieser Erbschaft und der Ermordung von Vuković besteht. Er könnte auch aus einem anderen Grund umgebracht worden sein.“

„Das hoffe ich beinahe“, seufzte Laura.

Ihre Verwandten würden nicht begeistert von ihrer Involvierung in einen Mordfall sein.

Das Aufblitzen in seinen hellen blauen Augen war nicht zu übersehen.

„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch … Ich meine nur … Ach, hören Sie auf, mich so missbilligend anzusehen. Sie machen mich richtig nervös.“

Sein spöttisches Lächeln verschlimmerte ihre Nervosität.

„Hinter dem Ganzen könnte sich durchaus eine dramatische Familiengeschichte verbergen. Die Erbschaft könnte sehr wohl eine Rolle spielen.“

„Das mag sein. Aber dann hätte ich am wenigsten Grund gehabt, den alten Herrn zu ermorden. Das ist doch logisch, oder?“

„Gier ist eines der Hauptmotive bei Mordfällen“, setzte der Kommissar seinen Gedankengang halblaut fort. „Ich hoffe, der Computer des Notars wird uns weiterhelfen. Meine Leute werden seinen Mailverkehr genauer unter die Lupe nehmen.“

„Wenn Sie momentan keine Fragen mehr an mich haben, sollte ich besser aufbrechen. Ich fahre nicht gern im Dunkeln.“

Viktor Novak begleitete sie zum Parkplatz. Er hatte seinen Wagen ebenfalls dort abgestellt.

Während sie durch das kurze Stück der Fußgängerzone, vorbei an kleinen Geschäften und Lokalen, schlenderten, fragte er: „Sind Sie zum ersten Mal in Pula?“

„Ich war mal als Kind mit meiner Mutter hier, aber ich kann mich nur an das Amphitheater erinnern. Das hat mich anscheinend sehr beeindruckt.“

„Spuren der Römer sind über die ganze Stadt verteilt. In diesem Hinterhof hier wurden zum Beispiel Überreste einer römischen Villa gefunden.“

Er deutete auf einen dunklen Durchgang.

Als sie bei ihrem Wagen angelangt waren, reichte er ihr die Hand und sagte: „Ich werde mich in den nächsten Tagen bei Ihnen melden. Sie können mich ebenfalls jederzeit anrufen, nicht nur, wenn Ihnen noch irgendetwas einfallen sollte, sondern auch, wenn ich Ihnen sonst irgendwie helfen kann.“

Er schaute ihr tief in die Augen. Und dieses Mal war sein Blick überhaupt nicht kalt und distanziert.

4.

Das Gespräch mit dem Kommissar beschäftigte Laura während der Fahrt nach Rovinj mehr, als ihr lieb war. Seine Bemerkung über das mögliche Tatmotiv hatte sie verunsichert. Sie war unkonzentriert und fuhr zu schnell.

Als der hohe Kirchturm der Basilika von Vodnjan in Sicht kam, überlegte sie, in dem Städtchen kurz anzuhalten und einen Kaffee zu trinken. Sie war müde, ihre Augen brannten. Der linke Scheinwerfer hatte einen Wackelkontakt.

Die Rücklichter des Wagens vor ihr begannen zu tanzen. In der Dämmerung verschwamm die Umgebung zu einem Einheitsbrei.

Sie kramte in ihrer Handtasche, suchte ihre Augentropfen und übersah prompt die Verkehrspolizei am Ortsrand. Mit 70 Stundenkilometern raste sie an ihnen vorbei.

Fluchend stieg sie auf die Bremse. Zu spät.

Im Spiegel sah sie zwei uniformierte Polizisten im Laufschritt näher kommen. Sie öffnete das Fenster auf ihrer Seite und empfing sie mit schuldbewusster Miene. Im Geiste kramte sie all ihre Kroatisch-Kenntnisse zusammen, entschuldigte sich mehrmals und beteuerte dann auf Englisch, dass sie das Ortsschild übersehen hatte. Umständlich erklärte sie ihnen, dass sie nicht gerne im Dunkeln fahren würde, heute Abend aber unbedingt nach Rovinj müsste, weil sie dort ein Hotelzimmer reserviert hatte.

All ihre Erklärungen und Entschuldigungen halfen nichts. Die Polizisten forderten sie auf auszusteigen. Schuldbewusst und mit zittrigen Händen verließ sie ihren Wagen. Sie kam sich vor wie in einem amerikanischen Kriminalfilm. Es fehlte nur, dass sie sich mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen auf ihr Wagendach stützen musste und von hinten gefilzt wurde.

Die Polizisten wollten nicht nur ihre Papiere sehen, sondern verlangten auch, dass sie den Kofferraum öffnete. Ihr schlechtes Gewissen war im Schwinden begriffen. Wut kam hoch. Sie wollte eine zynische Bemerkung über Menschenschmuggel fallen lassen, hielt sich aber zurück. Als sie beanstandeten, dass sie keine Sicherheitsweste dabeihatte, und verlangten, dass sie in ein Röhrchen blies, war sie nahe am Durchdrehen und musste sich sehr beherrschen, nicht ausfällig zu werden.

Trotz Teranino blieb sie beim Alkoholtest unter 0,5 Promille. Gut, dass sie keinen zweiten getrunken hatte.

Danach überprüften die beiden Kerle peinlich genau ihren Wagen, beanstandeten den Wackelkontakt ihres linken Scheinwerfers und wollten sie nicht weiterfahren lassen.

Die Verständigung war eine Katastrophe. Die Beamten sprachen kein Deutsch und beherrschten die englische Sprache nur rudimentär. Lauras Kroatisch war mehr als lausig.

Sie biss die Zähne zusammen und fragte mit gepresster Stimme: „Darf ich mal kurz telefonieren? Ich würde gern Polizeikommissar Novak aus Pula anrufen. Vielleicht könnte er für uns dolmetschen.“

Außer „Polizeikommissar“ und „telefonieren“ hatten die beiden sicher kein Wort verstanden. Der Ältere nickte gnädig.

Obwohl es ihr peinlich war, den Kommissar wegen so einer lächerlichen Angelegenheit zu belästigen, war ihr niemand anderer eingefallen, der ihr helfen könnte. Und schließlich hatte er zum Abschied angeboten, dass sie sich jederzeit an ihn wenden dürfe.

Zum Glück hob Viktor Novak nach dreimaligem Klingeln ab.

„Ich werde gerade von Ihren Kollegen schikaniert“, beschwerte sie sich. „Zwei Verkehrspolizisten wollen mich wegen eines schadhaften Scheinwerfers und der fehlenden Sicherheitsweste nicht weiterfahren lassen. Können Sie mir irgendwie helfen?“

Bildete sie sich nur ein, dass er ein Lachen unterdrückte, als er fragte, was sie glaube, dass er für sie tun könne?

„Mit den beiden reden. Wir haben massive Kommunikationsprobleme.“

„Na gut, geben Sie mir einen der Kollegen. Ich kann Ihnen nichts versprechen, ich habe keinerlei Befehlsgewalt über unsere tüchtige, aber manchmal etwas übereifrige Verkehrspolizei.“

Laura reichte dem älteren Beamten ihr Handy.

Der Uniformierte schien dem Kommissar lang und breit die Lage zu schildern. Laura verdrehte die Augen zum Himmel, obwohl sie das Gefühl hatte, dass der Beamte gegenüber Kommissar Novak einen eher devoten Ton anschlug. Mit ihr hatte er jedenfalls viel herrischer gesprochen.

Als er Laura das Handy zurückgab, deutete er ihr, dass der Kommissar noch einmal mit ihr reden wolle.

„Sie können weiterfahren, aber den Scheinwerfer sollten Sie schleunigst reparieren lassen. Ich schicke Ihnen eine SMS mit der Adresse einer Werkstatt in Rovinj.“

Bevor sich Laura bedanken konnte, sagte er: „Das Strafmandat wegen Geschwindigkeitsüberschreitung müssen Sie zahlen, da kann ich leider nichts machen.“

„Ist okay, ich war zu schnell“, beteuerte Laura. „Wie haben Sie das geschafft? Was haben Sie denen gesagt?“

„Die Wahrheit. Dass Sie einen Termin mit einem Ermordeten hatten und sich deshalb in einer Art Ausnahmezustand befinden, also sehr erregt seien. Ich denke, Sie wären besser in Pula geblieben …“

„Bitte keine Vorwürfe! Ich bin wirklich mit den Nerven am Ende …“

„Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, so beruhigen Sie sich doch.“

„Ich bin ganz ruhig“, sagte sie mit zitternder Stimme.

„Wir werden uns bald wiedersehen. Das Testament Ihrer Großmutter ist bisher nicht aufgetaucht. Meine Leute haben die ganze Kanzlei auf den Kopf gestellt ...“

„Glauben Sie, dass der Täter es mitgenommen hat?“, unterbrach sie ihn.

„Das wollen wir nicht hoffen. Aber auf jeden Fall habe ich noch einige Fragen wegen dieses Testaments.“

„Okay. Rufen Sie mich an. Sie haben ja meine Nummer … Vielen Dank“, fügte sie leise hinzu.

Er hatte bereits aufgelegt.

„Scheiße, Scheiße, Scheiße“, schimpfte sie und trommelte mit der Handfläche auf ihr Lenkrad, als sie endlich weiterfahren durfte. Was für ein Tag! Die lange, anstrengende Autofahrt von Wien nach Istrien, der ermordete Notar, diese selbstgerechten Idioten, die angedroht hatten, ihr den Führerschein abzunehmen, und jetzt auch noch dieser peinliche Vorfall mit dem Kommissar. Es reichte!

Sie begann leicht hysterisch zu lachen. Ausgerechnet ein Strafmandat wegen zu schnellen Fahrens! Das klang wie ein schlechter Witz. Laura war eine übervorsichtige Autofahrerin. Seit dem verheerenden Unfall, bei dem ihr Mann zu Tode gekommen war, fuhr sie extrem langsam, unterschritt normalerweise alle Geschwindigkeitsbeschränkungen. Sie hatte Lust, ihren Vater anzurufen und ihm von dem Strafmandat zu erzählen. Er würde sich köstlich darüber amüsieren.

Fast im Schritttempo schlich sie dann durch den Ort. Am Ende des Städtchens stieg sie wieder leicht aufs Gas, griff nach ihrem Handy und rief Mischa an.

In diesem Moment kam ihr ein Polizeiwagen mit eingeschaltetem Blaulicht entgegen.

„Ich melde mich später!“ Hektisch ließ sie das Handy auf den Beifahrersitz fallen. Auf eine weitere Strafe wegen Telefonierens am Steuer hatte sie wirklich keinen Bock.

Laura wunderte sich, dass hier so viel Polizei auf den Landstraßen unterwegs war. Anscheinend war sie in eine Geldbeschaffungsaktion geraten.

Bei Bale, einem pittoresken, von Olivenhainen und Weingärten umgebenen Städtchen auf einem Hügel, verpasste sie die Abzweigung nach Rovinj. Sie drehte bei der nächsten Gelegenheit um und fuhr zurück, nahm sich jedoch vor, diese Stadt mit dem mittelalterlichen Kastell demnächst zu besuchen.

Von der schönen Landschaft bekam sie in der Finsternis nichts mehr mit. Als Entschädigung empfing sie Rovinj, die Perle der Adria, in vollem Lichterglanz. Einen Moment lang vergaß sie den Mord und Kommissar Novak, stellte ihren Wagen auf einem großen Parkplatz ab und fuhr mit einem Shuttlebus zum Hafen.

5.

Das Hotel Island Katarina befand sich auf einer kleinen Insel, die der Stadt vorgelagert war. Mischa hatte ihr dieses Hotel empfohlen. Während Laura auf die Fähre wartete, rief sie ihre kroatischen Verwandten an. Wieder hob ihr Cousin ab. Sie gab ihm Bescheid, dass sie am nächsten Tag bei ihnen vorbeischauen würde.

Die Fahrt mit der kleinen Fähre dauerte fünf Minuten. Außer Laura waren nur einige ältere Paare am Boot. Sie war die Einzige mit Gepäck.

Zu ihrer Linken schälte sich die Halbinsel Zlatni rt, das Goldene Kap, aus dem Dunkel. Laura hatte im Internet gelesen, dass es dort einen Naturpark mit schönen, einsamen Badebuchten gab. Davon sah man momentan noch nichts, ins Auge fielen vor allem die modernen Hotelbauten.

Früher war die Halbinsel im Besitz eines Barons Hütterott aus Triest gewesen, dem auch die Insel Sv. Andrej mit dem alten, mittlerweile zu einem Schloss umgebauten Kloster gehört hatte.

***

Ihr Zimmer im Hotel Island Katarina war riesengroß und hatte einen Balkon mit einem fantastischen Blick auf das Meer und die gegenüberliegende Stadt. Die angestrahlte Kirche von Rovinj, die mehrstöckigen Häuser, deren Lichter sich im Wasser spiegelten, der hell erleuchtete Hafen – was für ein romantischer Anblick!

Auf einmal wurde Laura von Sehnsucht erfasst. Sehnsucht nach niemand Bestimmtem. Sie wünschte sich nur, sie könnte all diese Pracht mit einem Mann, den sie liebte, teilen.

Sie schalt sich selbst albern, duschte, zog ein weißes, langärmeliges Kleid an und legte sich die Korallenkette ihrer Mutter um den Hals.

Weiß stand ihr gut. Trotz ihrer blonden Haare und hellen Augen hatte sie einen dunklen Teint. Und so kurz nach dem Sommer war sie sowieso tiefgebräunt.

Als sie durch den Garten in der Mitte der Hotelanlage schlenderte, begegnete sie anderen Gästen. Die Leute waren eher leger gekleidet und gafften sie ungeniert an.

Sie kam sich overdressed vor, störte sich aber nicht daran, ignorierte die aufdringlichen Blicke und sah eine Weile den fetten Möwen zu, die im Zierteich plantschten.

Im Restaurant wurde sie von den Kellnern mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt. Sie bekam einen Tisch am Fenster und bestellte à la carte, obwohl die Speisen am Buffet sehr appetitlich aussahen. Doch Laura mochte keine Buffets.

Da sie hungrig war, wählte sie als Vorspeise ein Carpaccio vom Boskarin-Rind, garniert mit Rucola und Balsamico-Creme, und als Hauptgericht Coda di Rospo mit Kartoffeln und Mangold. Der Seeteufel zählte zu ihren Lieblingsfischen, da er keine Gräten hatte. Dazu bestellte sie ein Glas Malvazia und eine große Flasche Wasser.

Da beide Portionen sehr reichlich ausgefallen waren, verzichtete sie auf einen Nachtisch, schnappte sich nach dem Essen die halbvolle Wasserflasche und begab sich auf ihr Zimmer.

An Schlaf war nicht zu denken. Das Gesicht des ermordeten Notars ging ihr nicht aus dem Sinn. Er starrte sie mit seinen blutverschmierten Augen vorwurfsvoll an, so als trage sie Schuld an seinem Tod. Um auf andere Gedanken zu kommen, setzte sie sich auf den Balkon und rief ihren Vater an. Das Gespräch verlief eher unerfreulich. Er riet ihr, schleunigst zurück nach Wien zu fahren.

„Die Probleme mit dem Testament lassen sich auch von zuhause aus regeln. Ich kenne einen Juristen, der sich auf solche Fälle spezialisiert hat …“

„Hör auf, Papa! Ich kann nicht weg. Ich gehöre zu den Verdächtigen, falls du das noch nicht begriffen haben solltest.“

Sie übertrieb absichtlich.

„Anrufen könntest du ihn wenigstens“, blieb Mischa hartnäckig.

Damit er endlich Ruhe gab, notierte sie sich die Telefonnummer des Anwalts.

„Soll ich nach Rovinj kommen?“, fragte Mischa.

„Nein, auf keinen Fall!“ Sie legte auf.

Weder das hellerleuchtete Rovinj noch der Mond, der sich im Wasser spiegelte, halfen ihr, sich zu entspannen. Die Erinnerung an den Mord ließ sich nicht so einfach vertreiben. Sie versuchte trotzdem, sich abzulenken, griff nach ihrem Handy und informierte sich im Internet über die alte Hotelanlage mit dem nostalgischen Charme.

Der polnische Graf und skandalumwitterte Lebemann Karol von Korwin-Milewski hatte diese knapp 13 Hektar große Insel Erzherzog Karl Stefan von Habsburg Anfang des 20. Jahrhunderts abgekauft und sich dort ein neoklassizistisches Schloss mit Jugendstilelementen und einige Dependancen für seine zukünftigen Gäste errichten lassen. Kreuz und quer über die Insel waren Wege mit Bänken und Trinkbrunnen angelegt worden sowie eine Mole für die Boote. Das verkarstete Eiland wurde zu einer blühenden Oase mit Palmen, Oleandern, Magnolien und Myrtensträuchern. Bald ging hier die sogenannte gute Gesellschaft aus und ein und feierte in den milden Sommernächten rauschende Feste.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Schluss mit dem glamourösen Trubel. Erst in den 1960er Jahren wurde die Insel wieder in ein Ferienparadies umgewandelt.

Laura fand, dass ein bisschen von dem alten Glanz bis heute spürbar war.

Obwohl sie müde war und zu viel gegessen hatte, raffte sie sich zu einem kleinen Spaziergang auf.

Sie schlenderte durch den gut beleuchteten Park. Wohltuende Düfte nach Lavendel, Rosmarin und Salbei umschmeichelten ihre Nase, Pinien, Zypressen, Kiefern und riesige Kastanienbäume säumten die Wege, verlassene Volieren und hübsche Brunnen erinnerten an glorreiche vergangene Zeiten.

Die Hotelbar hatte geöffnet. Auf der Terrasse saßen zwei ältere Damen. Laura nahm an einem der verlassenen Tische Platz.

„Sie müssen drinnen bestellen“, sagte eine der Damen und verwickelte sie in ein Gespräch.

Laura erfuhr, dass es sich um zwei pensionierte Lehrerinnen aus Wien handelte, die seit vielen Jahren hier Urlaub machten und im Hotel Stammgäste waren. Nachdem sie über die Familienverhältnisse der beiden aufgeklärt worden war, die eine war Witwe, die andere geschieden, begannen sie Fotos ihrer Enkelkinder auf ihren Handys zu suchen und fragten Laura, ob sie auch Kinder habe. Die Frage aller Fragen!

Ein Nein hätte wie das Amen im Gebet die nächste Frage zur Folge: Konnten Sie keine bekommen oder haben Sie nie den Richtigen kennengelernt? Mitleidiger oder sogar misstrauischer Blick. Eine Frau ohne Kinder war auch im 21. Jahrhundert ein Mensch zweiter Klasse. Dass eine Frau bewusst keine Kinder in die Welt setzte, schien für die meisten Leute unvorstellbar zu sein. Mit so einer Frau musste irgendetwas nicht stimmen.

Laura ersparte sich dieses tiefsinnige Gespräch, indem sie die Flucht ergriff und an der Bar ein Glas weißen Malvazia bestellte, das sie, die Terrasse vermeidend, mit auf ihr Zimmer nehmen wollte.

Vor dem Hoteleingang stand einer der Hotelangestellten und rauchte.

Plötzlich sehnte sie sich nach einer Zigarette.

Sie hatte vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört und genehmigte sich nur höchst selten eine Zigarette. Heute war wieder so ein Tag, an dem ihr Körper nach Nikotin verlangte. Sie bat den jungen Mann, ihr eine Zigarette zu verkaufen.

„Bedienen Sie sich, nehmen Sie gleich mehrere. Hier gibt es keine zu kaufen“, sagte er lächelnd, als er ihr sein Päckchen reichte.

Sie rauchte eine mit ihm und trank ihren Wein im Stehen. Als sie ausgedämpft hatte, bestand er darauf, dass sie eine Gute-Nacht-Zigarette auf ihr Zimmer mitnahm.

Sie hob sich die Zigarette für den nächsten Tag auf und legte sich sofort hin. Der Schlaf wollte sich nicht einstellen, obwohl die Matratze wunderbar war, also knipste sie das Licht an und begann im Tagebuch ihrer Großmutter weiterzulesen.

***

Meine große Liebe hieß Igor Bogdanović, aber das weißt du ja. Leider habt ihr euch nie kennengelernt. Ich habe ihm allerdings viel von dir erzählt. Du hast mir all die Jahre so schrecklich gefehlt. Igor hat mich oft ermutigt, dir zu schreiben. Einmal hat er sogar vorgeschlagen, dich in Wien mit unserem Besuch zu überraschen. Doch das habe ich nicht gewagt. Ich kenne dich, mein Kind. Du bist ein Sturkopf, womöglich hättest du uns gar nicht empfangen. Dabei bin ich mir sicher, dass du Igor sympathisch gefunden hättest. Wahrscheinlich hättet ihr euch blendend verstanden. Heute denke ich oft, dass es ein Riesenfehler war, euch nicht miteinander bekannt zu machen. Er wäre sicher begeistert von dir gewesen. Er hatte sich immer eine Tochter gewünscht … Verzeih, mein Liebes, ich höre schon auf zu lamentieren.

Lass mich dir weiter von den schwierigen Anfangsjahren in Triest erzählen. Eine Scheidung war nicht möglich. Igors Frau war psychisch krank. Außerdem war sie angeblich schwanger. Wie sich später herausstellte, hatte sie die Schwangerschaft nur vorgetäuscht, um ihn zu zwingen, bei ihr zu bleiben. Ich sah ein, dass er sie unmöglich verlassen konnte. Also verließ ich ihn.

Wochenlang war ich todunglücklich, weinte mich täglich in den Schlaf. Weder meine Eltern noch die Bekannten, bei denen ich wohnte, wussten von meiner aussichtslosen Affäre. Ich hatte auch keine Freundinnen, denen ich mich anvertrauen wollte. Es gab nur einen Menschen, mit dem ich über Igor reden konnte, und das war Josip.

Ich kannte ihn seit meiner Schulzeit. Er war vier Jahre älter als ich und wohnte im Haus nebenan, oben in Opicina, und nahm mich oft mit seinem Topolino mit hinunter in die Stadt.

Josip war Kroate, stammte aus Poreč, lebte aber in Triest, weil es in Istrien keine Arbeit gab. Im Hafen von Triest hatte er einen Job gefunden. Er wollte Schiffsingenieur werden, war ein ernster, strebsamer junger Mann. Und er war mir in dieser schweren Zeit ein guter Freund und eben der Einzige, der mich tröstete, nachdem ich die Beziehung mit Igor beendet hatte.

Als ich bemerkte, dass seine Gefühle für mich nicht rein freundschaftlicher Natur waren, wollte ich sofort auf Distanz gehen. Er bedrängte mich nicht, ließ mir Zeit und bald hatte ich mich so an seine Gesellschaft gewöhnt, dass ich mir nicht mehr vorstellen konnte, ohne ihn zu sein. Er tat alles für mich, verwöhnte mich auf seine Art, ja er betete mich richtiggehend an. Wenige Monate nachdem ich mich von Igor getrennt hatte, gab ich Josip das Jawort.

Ein großer Fehler. Wir passten nicht zusammen. Das bemerkte ich leider erst, als es zu spät war. Kaum waren wir verheiratet, durfte ich den Namen Igor nicht mehr erwähnen.Als ich aus der Zeitung erfuhr, dass Igor zum General ernannt worden war, drehte Josip zum ersten Mal komplett durch.