Kollegen sind die Pest - Jochen Leffers - E-Book

Kollegen sind die Pest E-Book

Jochen Leffers

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Beschreibung

Volle Deckung – der Kollege explodiert gleich Es ist ja nicht der fiese Chef. Oder das fade Kantinenessen. Auch nicht der ewige Papierstau im Kopierer: Was die meisten Menschen wirklich fertig macht, sind – Kollegen. Jeden Tag, acht Stunden oder mehr, verbringen wir mit Leuten, die wir uns nicht ausgesucht haben. Nirgendwo anders lassen sich so viele Marotten auf engstem Raum besichtigen. Und was ist schöner, als über die lieben Kollegen herzuziehen? Lästern ist ein erstklassiger Zeitvertreib, baut Stress ab, führt zu kreativen Höchstleistungen und macht richtig gute Laune.Hunderte SPIEGEL-ONLINE-Leser haben ihre elegantesten Beleidigungen, bösesten Witze und feinsten Gags zusammengetragen. Dieses Lexikon hilft, sich täglich in Fahrt zu frotzeln und die närrischen Momente des Berufslebens so richtig zu genießen. Für Läster-Anfänger und Fortgeschrittene, zum Wiedererkennen und Lachen. Sooo macht Arbeit Spaß.

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Seitenzahl: 178

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Jochen Leffers

Kollegen sind die Pest

Das Lästerlexikon

Mit Cartoons von Leo Leowald

Kurzübersicht

> Buch lesen

> Titelseite

> Inhaltsverzeichnis

> Über Jochen Leffers

> Über dieses Buch

> Impressum

> Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

EinleitungJobfrust sucht und findet immer ein VentilZu viel Harmonie macht schläfrigKapitel AKapitel BKapitel CKapitel DKapitel EKapitel FKapitel GKapitel HKapitel IKapitel JKapitel KKapitel LKapitel MKapitel NKapitel OKapitel PKapitel QKapitel RKapitel SKapitel TKapitel UKapitel VKapitel WKapitel XKapitel YKapitel Z
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Einleitung

Das moderne Arbeitsleben ist arm an echten Gefahren, dafür reich an Zumutungen. Täglich zieht es Furchen in die Seelen empfindsamer Angestellter. Es ist nicht immer ein despotischer Vorgesetzter, der die Nachgesetzten mit ihrem Job hadern lässt. Es sind auch weder enttäuschte Hoffnungen auf einen rasanten Aufstieg noch der Meeting-Marathon, schon gar nicht der fade Kantinenfraß oder der ewige Papierstau im Drucker. Viel schlimmer ist das Menetekel auf zwei Beinen:

Kollegen. Denn Kollegen sind die Pest. Mindestens.

Praktisch keine Stellenanzeige kommt heute ohne die Floskel aus, dass vom Bewerber Teamfähigkeit erwartet wird – die Schlüsselqualifikation schlechthin. Kreativ und kommunikativ sollen Mitarbeiter sein, sich mühelos in jede Gruppe einfügen und mit den verschiedensten Kollegen klarkommen. Andere Leute aber sind in erster Linie … anders. Und da wird es haarig.

Die lieben Kollegen: Lieferbar sind sie in allen Formen und Farben, in jedem Alter und mit den verschiedensten Temperamenten. Bei der Arbeit sind sie überkorrekt oder dauerschlampig, extrovertiert oder verschlossen, beständig oder quartalsirre. In der Freizeit springen sie Fallschirm oder sammeln Spucktüten, hören Speed Metal oder Wolle Petry, ergründen das Gesamtwerk von Monty Python oder die katalanische Lyrik des 19. Jahrhunderts.

Jobfrust sucht und findet immer ein Ventil

Ihren Schrullen lässt sich schwer ausweichen – man kann sich’s ja nicht direkt aussuchen, mit wem man den Arbeitstag verbringt, acht Stunden oder länger noch. Gegenüber sitzt dieser Klugschnacker, der es hinterher immer schon vorher gewusst haben will. Rechts kauert die Schweigerin mit den periodischen Wutanfällen, links lauert der bereits frühmorgens fröhliche Ganzjahreskarnevalist. Da hinten, im Ficus-Wäldchen, zickt die Vertriebsdiva abermals eine schüchterne Praktikantin an. Der Chef, dieser Büroflüchtling, sonnt sich derweil auf internationaler Geschäftsreise im Glanz der Erfolge seiner Lakaien. Und sind es nicht immer die Blender, die mit dem Expressaufzug direkt in die Beletage der Firma brausen?

Ob in einer Werbeagentur oder im Wasserwirtschaftsamt, in einer Anwaltskanzlei oder Elektronikfirma: Wo Menschen auf engstem Raum gemeinsam arbeiten, entsteht ein Reizklima. Unabhängig von der Branche blühen im Kern überall die gleichen Alltagskonflikte. Jede Bürogemeinschaft ist eine Zwangsgemeinschaft. Über die Jahre wachsen Zweckbündnisse und echte Freundschaften. Aber auch Rivalitäten und ausgewachsene Feindschaften. In einem solchen Menschenzoo kann man jederzeit die schönsten Spleens besichtigen. Und alle Arten von angestautem Unmut, der ein Druckventil sucht.

Häufig entlädt sich Büroärger in satten Flüchen, Verwünschungen, Schimpfwörtern. Sie gehören zum Arbeitsleben und werden fester Bestandteil der Alltagssprache. Denn was könnte schöner sein, als über die Kollegen herzuziehen? Als SPIEGEL ONLINE vor einigen Jahren scharfzüngige Sticheleien zu sammeln begann, machten Hunderte von Lesern mit. Nach und nach entstand ein Grund- und Aufbauwortschatz boshafter Bürobeleidigungen. Sie wurden als »Bürogezeter« veröffentlicht, das wiederum das Fundament für dieses Buch ist. Herzlichen Dank für alle Beiträge!

Zu viel Harmonie macht schläfrig

Das Lexikon hilft, sich täglich in Fahrt zu lästern und die närrischen Momente des Berufslebens so richtig zu genießen. Subtiler Spott ist darunter, auch fiese Frotzeleien und viele kluge Beobachtungen mitten aus dem Leben.

Und was sind das für Menschen, die so was schicken? Die E-Mails deuten an: fast immer recht gelassene und gut gelaunte – eher keine Misanthropen, keine Mobber. Die meisten Einsender legen es nämlich nicht darauf an, ihre Kollegen wirklich in die Pfanne zu hauen. Sie wissen: Würden alle Mitarbeiter gleich ticken, wäre das Büroleben viel trister. Und am Ende womöglich der Job in Gefahr. Denn pure Harmonie macht schläfrig; oft führen erst widerstreitende Perspektiven zu einem produktiven Wettbewerb der Ideen. Darum setzen erfolgreiche Unternehmen zunehmend auf »Diversity Management«: Vielfalt statt Monokultur, grundverschiedene statt lauter ähnliche Charaktere.

Die Hölle, das sind die anderen, nach Sartre? Aber ja. Und nein. Das Anderssein der Kollegen auszuhalten ist eine tägliche Herausforderung für Insbürogeher. Im Heidi-Klum-Deutsch: die »ultimative Challenge« des Berufslebens. Dabei sollte man die reinigende Kraft des Lästerns am Arbeitsplatz nicht unterschätzen. Das kann Wunder wirken gegen Jobfrust.

Lassen Sie es also einfach raus – aber vergessen Sie nie: Wer austeilt, muss auch einstecken können. Denn völlig frei von Marotten ist niemand. Nicht mal Sie.

 

Jochen Leffers

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Abfangjäger

Sekretärin, die jedes Spontangespräch durchkreuzt und keinen Besuch ohne Termin zum Chef vorlässt, selbst wenn seine Tür demonstrativ den ganzen Tag offen steht (siehe auch: → VoZiDra, → Zerberus, → Human Firewall).

Abrissbirne

Der Letzte macht das Licht aus, wenn eine Firma in die Pleite steuert. Bevor es so weit ist, rückt der Insolvenzverwalter an. Es ist eher kein Job für Dünnhäuter: Der Verwalter hat streng zu prüfen, ob das Unternehmen oder Teile davon noch lebensfähig sind; er kann es also verkaufen oder zerlegen, Verträge schließen und Mitarbeiter entlassen. Auch die gesamte Belegschaft auf einen Schlag. Darum sind Insolvenzverwalter gefürchtet. Ihnen eilt der Ruf des Pleitegeiers voraus – oder der einer Abrissbirne. Manche nennen so auch einfach den Behördenkollegen aus dem Baureferat.

Abteilungsleiter der Herzen

Eigentlich eine Sympathiebekundung: Prinzessin Diana erhielt nach ihrem Tod den Beinamen »Königin der Herzen«, und zum »Meister der Herzen« wurde 2001 der FCSchalke04, dem Bayern München den Titel durch ein Last-Minute-Tor im letzten Saisonspiel gerade noch wegschnappte. In Unternehmen kann der Zusatz aber doppelbödig sein: entweder tatsächlich ein leicht verschleimtes Lob (»Herr Müller, Sie sind der Abteilungsleiter der Herzen!«) oder eine ironische Verunglimpfung besonders unbeliebter Abteilungsleiter.

Abteilungssirene

Sekretärin mit sehr durchdringender Stimme (siehe auch: → Flüstertüte, → Goldkehlchen, → Vuvuzela).

Airbag

An diesem Mitarbeiter prallt alles, vor allem Kritik, einfach wirkungslos ab.

ALD – Kürzel für: Abteilungsleiterdarsteller

Manche Chefs geben sich phasenweise so tatkräftig und leutselig, wie das in ihrer Position erwartet wird. Sie sind auch jederzeit in der Lage, persönliches Mitgefühl glaubwürdig vorzutäuschen. Dabei wirken sie aber wenig authentisch. Denn eigentlich brüten sie am liebsten in ihrem Einzelbüro bei verschlossener Tür über BWL-Tabellchen. Wer zu lange den Eindruck verbreitet, dass Gemitmenschel nur eine Last ist, wird hinter vorgehaltener Hand ALD geschimpft.

Aktenfräse

Nimmermüder Kollege, der nach der Arbeit einen Nachschlag braucht: Jeden Tag, jedes Wochenende, selbst im Urlaub schleppt er Unterlagen mit nach Hause und arbeitet in null Komma nix alle Vorgänge ab.

Aktenschänder

Kollege mit äußerst miserabler Handschrift.

Aleinikow

Fußball-Fakten: Der weißrussische Fußballer Sergej Aleinikow spielte von 1984 bis 1992 in der sowjetischen Nationalmannschaft. Des schönen Namens wegen nennen auch Freizeitkicker mitunter Mitspieler so, die durch zu viele Alleingänge glänzen wollen. 2011 verpassten Bayern-Spieler dem holländischen Solodribbler Arjen Robben diesen Spitznamen (siehe auch: → One-Trick Pony). Im Büroleben ist »Aleinikow« ein Mitarbeiter, der auf Teams pfeift, Kollegen konsequent ignoriert und die Lorbeeren gemeinsamer Arbeit exklusiv ernten möchte.

Allesgeber

Sicher kennen Sie Michael Steinbrecher. Diesen etwas öligen ZDF-Moderator aus dem »Aktuellen Sportstudio«, der so theatralisch gestikuliert wie einst Wim Thoelke selig und die fanbeschalten Zuschauer unermüdlich zu Applaus ermuntert (»Ja, Sie können jetzt klatschen«). Mit einiger Hingabe macht das Lockenwunder aus dem Ruhrgebiet den Torwandwart (»Ja, Sie können unseren Gast jetzt ruhig anfeuern«; bei Beinahe-Treffern: »Schade, der hat schon reingeguckt«). Und fast immer beendet er das traditionelle Torwandschießen mit den gleichen Worten: »Alles gegeben …!«

Allesgeber: In ganz normalen Unternehmen sind das Menschen, die ihren Arbeitseinsatz und Dauerstress jedem auch unaufgefordert unter die Nase reiben, um ihre Unverzichtbarkeit zu unterstreichen.

Allroundlaie

Verfügt über wenig bis gar kein fundiertes Wissen.

Ameisentätowierer

Pedanten sind selten beliebt. Ein Ameisentätowierer ist ein Kollege, der Kleinigkeiten – seien sie noch so unwichtig und beinahe unsichtbar – akribisch aufarbeitet. Ihm kann es nicht detailliert genug sein, stets hat er das letzte Wort (siehe auch: → Kirschkernschnitzer, → Moskito-Sezierer, → Penibilator, → Schnürsenkelbügler).

Analog-Sachbearbeiter

Verhält sich zum produktiven Sachbearbeiter wie Analog-Käse zu richtigem Käse.

Anästhesist

Kollege mit einschläfernder Sprechweise, dem bei Vorträgen kein Umweg zu lang ist.

Angstbeißer

Hundebesitzer wissen gleich Bescheid: Erscheint scheuen Tieren eine Situation bedrohlich, versuchen sie zu entkommen oder schnappen zu. Meist ist das Verhaltensmuster Folge negativer Erfahrungen. Angstbeißerei kommt auch in der Arbeitswelt vor – wenn Kollegen oder Vorgesetzte hinter aggressivem Auftreten ihre Unsicherheit und Inkompetenz zu verbergen versuchen.

Aussitzer

Angestellter mit viel Sitzfleisch und Geduld (siehe auch: → Lethargiestratege).

Autonom agierende Einheit (AAE)

Kollege, der sich grundsätzlich nicht mit Kollegen abspricht und allein vor sich hinwurstelt, Sonderform des Büroautisten. Nicht zu verwechseln mit:

Autonom theoretisierende Einheit (ATE)

Kollege, der den ganzen Tag Luftschlösser baut oder Konzepte entwickelt, die eigentlich niemand braucht.

Autopilot

Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch – das befürchten Chefs und fahren nur sorgenvoll in Urlaub. Es sei denn, sie schalten vorher auf Autopilot. So lautet der Spitzname des Betriebsroutiniers, der schon seit so vielen Jahren dabei ist, dass sich keiner mehr die Arbeit ohne ihn vorstellen kann (siehe auch: → Methusalix). Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Der Autopilot vereint Stoizismus mit kraftsparender Effizienz, maximale Erfahrung mit minimalem Gestaltungswillen.

Größter Vorteil: Macht alles so wie immer.

Größter Nachteil: Macht einfach immer alles so wie immer.

A wie Arbeitsrecht

 

Wenn ein Mitarbeiter völlig die Contenance verliert, wird es heikel. Ein Wort ergibt das andere – und das letzte haben dann oft Richter. Über verbale Attacken, Schmähungen oder Beleidigungen urteilen Deutschlands Arbeitsgerichte beinahe täglich. Und je nachdem, wie tief die Schimpfwörter fliegen, gerät schnell der Job in Gefahr. Abgemahnt, gefeuert, geklagt: ein Überblick über kuriose Urteile.

Heftig mit seinem Chef geriet ein Supermarktangestellter aneinander. Zuvor hatte der 57-Jährige behauptet, eine Kollegin sei an einem Diebstahl beteiligt gewesen; Zeugen konnte oder wollte er dafür aber nicht nennen. Der Boss forderte ihn auf, die Vorwürfe fallen zu lassen. Darauf antwortete der Mitarbeiter: »Herr B., Sie haben gar nichts mehr zu sagen, Ihre Zeit ist abgelaufen.« Für den Arbeitgeber war das Betriebsklima damit vergiftet, eine vernünftige Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Ohne vorherige Abmahnung bekam der Mitarbeiter erst eine außerordentliche, dann eine fristgerechte Kündigung.

Zu Recht, urteilte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: »Im groben Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position von Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen.« Obwohl der Angestellte nicht provoziert worden sei, habe er den Chef beleidigt – und sich dabei bewusst sein müssen, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze.

Häufig entdecken Gerichte mildernde Umstände

In einem besonders krassen Fall ließ dasselbe Gericht einen Angestellten am Ende mit einer Abmahnung davonkommen – obwohl er seinen Boss als »Wichser« und die Firmenleitung als »Arschlöcher« beschimpft hatte. Nach einer Krankmeldung war der Streit zwischen einem Lageristen und dem Marktleiter eskaliert. »Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an«, schrie der 35-Jährige ihn am Telefon an. Andere Mitarbeiterinnen waren dabei, als er danach auch noch brüllte: »Der Wichser, der hat sie doch nicht mehr alle«, und: »Dann sollen die Arschlöcher mich doch rauswerfen«. Der Arbeitgeber reagierte mit einer außerordentlichen Kündigung, auch der Betriebsrat stimmte zu.

Dennoch klagte der Lagerist erfolgreich gegen den Rauswurf. Er fühlte sich durch den Chef provoziert – und so sahen es auch die Mainzer Richter: Was der Mitarbeiter falsch gemacht haben soll, als er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sofort nach einem Arztbesuch einreichte, fanden die Richter ebenfalls »absolut nicht nachvollziehbar«. Es handle sich zwar um üble Beleidigungen, die aber wegen der »emotionalen Ausnahmesituation« in einem »weniger strengen Licht zu sehen« seien. Zudem arbeite der Mann schon seit 18 Jahren im Betrieb, und auch der »branchenübliche Umgangston« im Einzelhandelsgewerbe müsse berücksichtigt werden. Kurzum: Hier hätte eine Abmahnung gereicht.

Mitunter urteilen Arbeitsgerichte verblüffend milde – erst recht nach den öffentlichen Debatten um »Bagatellkündigungen« wie im Fall der Berlinerin Kassiererin Emmely, die gefeuert wurde, weil sie zwei Getränkebons im Wert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll. 2010 erklärte das Bundesarbeitsgericht ihre fristlose Kündigung nach drei Jahrzehnten Betriebszugehörigkeit für ungültig.

Für aufgebrachte Angestellte zeigen Richter seitdem noch mehr Verständnis. Stets urteilen sie über den Einzelfall und berücksichtigen dabei Faktoren wie die besondere Konfliktsituation, die Vorgeschichte, das bisherige Verhalten eines Mitarbeiters, vor allem auch die Wiederholungsgefahr. In aller Regel muss ein Arbeitgeber den Angestellten erst einmal abmahnen und kann ihn nicht direkt vor die Tür setzen. So soll der Mitarbeiter die Gelegenheit bekommen, sein Verhalten zu überdenken und es zu ändern. Eine Abmahnung ist also ein Schuss vor den Bug, eine Gelbe Karte – und die Rote Karte einer sofortigen Kündigung nur ausnahmsweise gerechtfertigt.

Manche Richter können sogar Plattdeutsch

Weil sie eine spätere Rote Karte befürchten, klagen Arbeitnehmer bisweilen auch gegen Abmahnungen. Gleich mehrere davon erhielt ein Betriebsratsvorsitzender und verlangte, dass sie aus seiner Personalakte entfernt werden. Eine hatte er sich eingehandelt, weil er zwei Vorgesetzten ein »beschissenes Wochenende« gewünscht hatte. Keine gute Idee – und eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, so die Mainzer Richter. Denn zu den Pflichten eines Mitarbeiters gehöre es, respektvoll mit Kollegen und Vorgesetzten umzugehen. Das habe der Angestellte nicht getan, darum sei die Abmahnung gerechtfertigt. Ob die Beleidigung auch strafrechtlich relevant ist, werteten die Mainzer Richter als ebenso unerheblich wie die »angespannte Situation« zwischen den Beteiligten.

Bei Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten sollten Arbeitnehmer in Rage also besser die Luft anhalten, bis zehn zählen … und einen Gang herunterschalten. Ein Barangestellter am Frankfurter Flughafen hatte seinen Teamleiter zweimal als »faulen Sack« bezeichnet, als er nach dem Spätdienst nicht verkaufte Waren abliefern sollte. Die Arbeitszeit war schon vorbei, er fühlte sich vom Chef schikaniert. Das Gastro-Unternehmen kündigte ihm, dagegen klagte der Mitarbeiter. Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt: Die fristlose Kündigung war nicht angemessen – aber eine fristgerechte Kündigung schon. Denn solche Beleidigungen müsse kein Arbeitgeber hinnehmen.

Glimpflich dagegen ging der Rechtsstreit für einen Sachbearbeiter aus, der mit seiner Vorgesetzten über einen Urlaubswunsch stritt. Der Ton wurde schärfer, am Ende sagte der Sachbearbeiter zu ihr: »Klei mi ann Mors«. Wie das zu übersetzen ist? Mit »Leck mich am Arsch«, sagte die Firma und griff zur sofortigen Kündigung. Mit »Kratz mich am Hintern«, sagte das Hamburger Arbeitsgericht, das sich mit Plattdeutsch auskannte und die Formulierung nur »unhöflich« fand. Seinen eigenen Hintern konnte der Mitarbeiter retten, weil er sich bei der Vorgesetzten wie auch der Personalleiterin entschuldigte und sich in den acht Jahren zuvor keine Entgleisungen geleistet hatte. Auch hier hätte, so die Richter, eine Abmahnung gereicht.

Nazi-Vergleiche sind eine ganz dämliche Idee

Immer wieder müssen sich Gerichte auch mit Nazi-Vergleichen beschäftigen. So hatte ein Arbeitnehmer im Streit um eine Abmahnung einen Personaler gefragt: »Ist das hier Konzentrationslager oder was?« Die Firma entließ ihn fristlos – zu Recht, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, denn eine derart grobe Beleidigung müsse ein Arbeitgeber sich nicht gefallen lassen. Ähnlich urteilte das Hessische Landesarbeitsgericht im Fall eines Kraftfahrers, der dem Arbeitgeber vorwarf zu »lügen wie gedruckt« – bei diesem Umgang mit Menschen »komme ich mir vor wie im Dritten Reich«. Der Fahrer, schon seit 30 Jahren im Betrieb, wollte sich dafür auch nicht entschuldigen. Und der Wutanfall packte ihn ausgerechnet vor Gericht, nämlich in einem Kündigungsschutzverfahren. Damit hatte er dem Unternehmen endgültig einen Grund für die fristlose Entlassung geliefert, die dann vom Gericht bestätigt wurde.

Als beleidigend und nicht hinnehmbar werteten Mainzer Richter auch den sarkastischen Spruch »Jawohl, mein Führer«. Das hatte der Bereichsleiter eines Lebensmittel-Discounters zur Sekretärin des Verkaufsleiters gesagt, als sie ihn an ausstehende Umsatzmeldungen erinnerte und erklärte, der Chef erwarte umgehenden Vollzug. Trotz einer Entschuldigung erhielt der Bereichsleiter eine fristlose und später eine ordentliche Kündigung. Das aber hielt das Gericht dann doch für überzogen und lediglich eine Abmahnung für angemessen.

Und wenn ein Mitarbeiter nicht seinen Boss, sondern Kollegen oder Kunden verbal attackiert? »Du bist heute mein Neger« – so begrüßte ein Ausbilder in einem Stahlbetrieb seinen (farbigen) Azubi. Das Gericht sah den Spruch zwar als geschmacklos, aber nicht als Beleidigung, zumal der Ausbilder in 37 Jahren noch nie durch rassistische Äußerungen aufgefallen war. Die fristlose Kündigung musste das Unternehmen zurücknehmen und einigte sich mit dem Mitarbeiter auf eine Abfindung. Ebenfalls nicht als Beleidigung werteten Arbeitsrichter »Ölauge«. So hatte ein Baufacharbeiter einen türkischstämmigen Kollegen genannt. Der Ausdruck sei nicht allzu bekannt und reiche für eine Kündigung nicht aus, entschied das Arbeitsgericht Hannover.

Die Freundin des Chefs zu alt geschätzt

Manchmal ist es nur verletzte Eitelkeit, die Chefs auf die Palme treibt. Als der Boss einer Anwaltskanzlei ein Foto seiner Freundin zeigte, sollte die 19-jährige Auszubildende das Alter schätzen und antwortete: 40 Jahre. Die Lebensgefährtin war aber erst 31, der Rechtsanwalt kündigte der Auszubildenden fristlos wegen »Beleidigung«. Vor dem Mannheimer Arbeitsgericht kam es zu einem Vergleich: Der Anwalt nahm die Kündigung zurück, die 19-Jährige erhielt eine Abfindung und wechselte in eine andere Kanzlei.

Dass die Kunstfreiheit über den Bürofrieden geht, entschied das Landesarbeitsgericht Hamm. Ein Angestellter einer Möbelfirma hatte in seiner Freizeit einen Roman geschrieben, Titel: »Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht«. In einigen Figuren glaubte der Arbeitgeber echte Mitarbeiter wiederzuerkennen, unter anderem einen kiffenden Kollegen und einen feigen Juniorchef, und entließ den Sachbearbeiter fristlos. Die Richter allerdings fanden den Roman und die Charaktere fiktiv, der Autor stehe unter dem Schutz der grundgesetzlichen Kunstfreiheit. Darum kassierten sie die Kündigung wieder ein.

 

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Ballonsportler

Allein mit heißer Luft schafft er es bis ganz nach oben.

Banalyst

Analysten werten Unternehmens- und Finanzmarktdaten aus, um Prognosen über die künftige Entwicklung treffen zu können. Wer banale Erkenntnisse mit zu viel rhetorischem Blendwerk aufporscht, hat bald den Ruf eines Banalysten weg.

Bankster

Augen auf bei der Berufswahl: Einst galt der Job des Bankers als solide, ehrbar und ein bisschen öde. In Scharen suchten Schulabgänger, die mit ihrer neuen Freiheit nicht recht etwas anzufangen wussten, den Einstieg bei einer Bank, um auf die Verlegenheitsausbildung später das Verlegenheitsstudium BWL draufzusatteln. Und die Börse – ein großes Mirakel. Was Investmentbanker den ganzen Tag treiben, wusste niemand so genau; vielleicht wollte man es auch lieber nicht wissen.

Fröhlich konnten sie sich gegenseitig mit obszönen Boni bewerfen, ohne dass die Öffentlichkeit Anstoß daran nahm. Kritik an den Mondgehältern von Bankern wurde als »Sozialneid« verhöhnt. Derweil verhökerten die ganz normalen Berater der Bankfiliale um die Ecke Finanzprodukte, die sie selbst nicht verstanden, an ihre arglose Kundschaft: »Leistung aus Leidenschaft« (Deutsche Bank) oder »Gemeinsam mehr erreichen« (Commerzbank) – die einen leisteten sich mehr Provisionen, die anderen erreichten mehr Risiken und mehr Verluste.

Mittlerweile werden »systemrelevante« und »Not leidende Banken« (Unwort des Jahres 2008, wegen der grotesken Verdrehung von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise) mit Steuerzahlermilliarden gepampert, teilverstaatlicht, mit Rettungsschirmen ausgestattet, damit sie nicht ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund reißen. Die Börsen dieser Welt gelten nunmehr als Zockerparadies, die Gierlappen von der Hochfinanz als Personifizierung des Bösen.

Banker, Gangster, verschmolzen zu Bankster – siehe da, der kapitalistische Haifisch, der hat ja Zähne. »Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«, ließ der Dichter Bertolt Brecht seinen Mackie Messer im dritten Akt der »Dreigroschenoper« fragen. Nie ernteten diese Zeilen so viel Zwischenapplaus wie in Aufführungen seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Und die Oberbanker, die den Schlamassel verantworten? Kassieren längst wieder Millionengehälter.

Bartleby

Keine wüste Beschimpfung, eher eine feinsinnige literarische Anspielung: Bartleby ist die Titelfigur einer Erzählung des US-amerikanischen Schriftstellers Herman Melville, bekannt durch »Moby Dick«. Hier geht es nicht um ein- und raubeinige Walfänger, sondern um den Schreiber einer Kanzlei in Manhattan. Bartleby kopiert Akten fleißig und mechanisch per Hand, bis er die eintönige Arbeit verweigert. Dazu sagt er nicht viel, fast immer nur den einen Satz, mal mürrisch, mal gleichmütig oder flötensanft: »I would prefer not to« – »Ich würde vorziehen, es nicht zu tun«. Oder kürzer: »Ich möchte lieber nicht.«

Zunächst sind es bestimmte Arbeitsaufträge, die Bartleby ablehnt, später alle Zumutungen seines Berufes. Weil er bald auch in der Kanzlei wohnt, sucht der Notar – »Fachmann für ungeklärte Besitzverhältnisse und Abfasser tiefgründiger Urkunden aller Art« – sich in seiner Verzweiflung ein neues Büro.

Melvilles Story zeigt, wie ein Möchtenicht seinen Chef das Fürchten lehrt. Übel heimleuchten könnte der störrische Angestellte heute auch Experten für Change Management (»Nein, ich möchte mich lieber nicht verändern«). Wer einen Kollegen »Bartleby« schimpft, zeiht ihn der Drückebergerei. Und gibt ihm eine diskrete Warnung mit. Denn mit dem Schreiber nimmt es kein gutes Ende: Er verhungert im Gefängnis, weil er »lieber nicht« essen möchte – Bartleby geht an seiner Welt- und Lebensverweigerung zugrunde (siehe auch: → Opossum, → Zwecktölpel).

Beamtenmikadosieger

Wer sich zuerst bewegt, verliert beim Beamtenmikado – manche gewinnen stets.

Beamtenschreck

Bewegungsmelder in Büros.

Beckenbauer

Spottwort für einen Kollegen oder Chef, dem es keine Mühe bereitet, sich in drei Sätzen viermal zu widersprechen. Das verlangt neben Flexibilität und Eloquenz auch eine große Portion Chuzpe, ganz wie beim echten Franz Beckenbauer: der vielleicht beste deutsche Fußballer aller Zeiten, Weltmeister 1974 als Spieler und 1990 als Trainer, Ehrenpräsident des FC Bayern – und im Zuge seiner Erfolge vom »Kaiser« promoviert zur »Lichtgestalt«. Als Organisationskomitee-Chef der WM 2006 in Deutschland wurde er dank Helikopterdauereinsatz gefühlt in mehreren Stadien zugleich gesichtet. Bei Fußball-Großereignissen scheint er immer auf mehreren Kanälen zu kommentieren: multifunktionell, multimedial, mehrzüngig.