Kooperation in sozialen Organisationen - Hans-Jürgen Balz - E-Book

Kooperation in sozialen Organisationen E-Book

Hans-Jürgen Balz

4,8

Beschreibung

Arbeitsteilige Gesellschaften setzen auf gelingende Kooperation und Teamarbeit. Dem Anspruch steht jedoch auch in sozialen Diensten allzu oft ein ernüchternder Arbeitsalltag gegenüber. Dieses Lehrbuch stellt im ersten Teil arbeits-, organisations- und sozialpsychologische Grundlagen von Kooperation und Teamarbeit vor. Der Spezifik sozialer Dienstleistungen als Emotions- und Interaktionsarbeit wird dabei ein besonderer Stellenwert gegeben. Der zweite Teil behandelt Methoden zur Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit und geht auf Praxisfragen gelingender Kooperation ein. Das Buch bietet Praxisbeispiele, Fragen zur Selbstüberprüfung und weiterführende Literaturhinweise.

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Arbeitsteilige Gesellschaften setzen auf gelingende Kooperation und Teamarbeit. Dem Anspruch steht jedoch auch in sozialen Diensten allzu oft ein ernüchternder Arbeitsalltag gegenüber. Dieses Lehrbuch stellt im ersten Teil arbeits-, organisations- und sozialpsychologische Grundlagen von Kooperation und Teamarbeit vor. Der Spezifik sozialer Dienstleistungen als Emotions- und Interaktionsarbeit wird dabei ein besonderer Stellenwert gegeben. Der zweite Teil behandelt Methoden zur Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit und geht auf Praxisfragen gelingender Kooperation ein. Das Buch bietet Praxisbeispiele, Fragen zur Selbstüberprüfung und weiterführende Literaturhinweise.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Balz ist Dozent für Psychologie an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum. Prof. Dr. Erika Spieß ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Organisations- und Wirtschaftspsychologie der LMU München.

Module angewandter Psychologie

Herausgegeben von

Johanna Hartung Klaus Fröhlich-Gildhoff

Hans-Jürgen BalzErika Spieß

Kooperation in sozialen Organisationen

Grundlagen und Instrumente der Teamarbeit

Ein Lehrbuch

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © 2009 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

Print: 978-3-17-019406-9

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-022769-9

epub:

978-3-17-028058-8

mobi:

978-3-17-028059-5

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort

1 Einführung

1.1 Praxisbeispiel einer Teamentwicklung

1.2 Das Team – zwischen Idealisierung und Pragmatismus

Theoretische Grundlagen

2 Grundlagen der Kooperation

2.1 Ebenen von Kooperation

2.2 Kommunikation und Entscheidung

2.2.1 Kommunikation

2.2.2 Entscheidungen

2.3 Ziele und Formen von Kooperation

2.4 Bedingungen von Kooperation

2.4.1 Die Rolle der Führung

2.4.2 Die Rolle von Gesellschaft und Kultur

2.5 Kooperation in Netzwerken

3 Konflikte und Konfliktlösung

3.1 Erklärungsansätze für Konflikte

3.2 Formen der Konfliktbewältigung

4 Soziale Dienstleistungen als Gegenstand der Kooperation

4.1 Begriffsbestimmung und Systematik

4.1.1 Merkmale von Dienstleistungen

4.1.2 Die Dienstleistungsbeziehung

4.2 Strukturelle Probleme bei der Erzeugung sozialer Dienstleistungen

4.2.1 Die Auftragssituation

4.2.2 Das Technologieproblem

4.2.3 Das Selbstverständnis sozialer Organisationen

4.3 Emotionsregulation und personenbezogene Dienstleistungen

4.3.1 Emotions- und Gefühlsarbeit

4.3.2 Interaktionsarbeit

4.4 Regulationsanforderungen und Belastungsfaktoren

4.4.1 Allgemeine Regulationsanforderungen bei sozialen Dienstleistungen

4.4.2 Stress und Ressourcen

4.4.3 Burnout

5 Arbeitsgruppen als eine Form der Kooperation

5.1 Vorformen von Gruppenkooperation – die Anwesenheit anderer

5.2 Soziale Gruppe, Arbeitsgruppe und Team

5.2.1 Merkmale sozialer Gruppen

5.2.2 Unterscheidung zwischen Arbeitsgruppe und Team

5.2.3 Systematisierung von Gruppen

5.2.4 Spezielle Formen von Arbeitsgruppen

5.3 Prozessgewinne und -verluste in Arbeitsgruppen

5.3.1 Koordination der Einzel- und Gruppenaktivitäten

5.3.2 Motivationale Faktoren der Gruppenaktivitäten

5.3.3 Einfluss von Gruppenaktivitäten auf Entscheidungs- und Gedächtnisprozesse

5.4 Gruppenbildung und Gruppenrollen

5.4.1 Prozesse in der Gruppenbildung

5.4.2 Gruppenrollen

Exkurs: Modelle zur Beschreibung von Teamarbeit

5.5 Teamdiagnostik

5.5.1 Ziel der Teamdiagnostik

5.5.2 Gegenstand der Teamdiagnostik

5.5.3 Methodisches Vorgehen

5.5.4 Instrumente der Teamdiagnostik

5.5.5 Fazit und offene Fragen

Interventionsformen und Methoden

6 Strategien zur Weiterentwicklung von Kooperation und Gruppenarbeit

6.1 Grundlagen der Organisationsentwicklung

6.2 Ziel und Inhalt von Teamentwicklung

6.3 Beitrag der Weiterbildung zur Teamkooperation

6.4 Supervision in der Klienten- und Teamarbeit

6.5 Intervision als Raum kollegialer Reflexion

7 Instrumente zur Gestaltung von Kooperation

7.1 Besprechungs- und Konferenzgestaltung

7.1.1 Funktion von Besprechungen

7.1.2 Strukturaspekte von Besprechungen

7.2 Konfliktmanagement

7.3 Selbstmanagement und Selbstführung

Anhang

Glossar

Literatur

Stichwortverzeichnis

Anhang A Selbstreflexion zum Praxisbeispiel

Anhang B Instruktion zu den Übungen

Teamogramm

Methodisches Vorgehen

Teamaufstellung

Anhang C Zielformulierung in der Teamarbeit

Kriterien für eine effektive Zielformulierung

Das Auftragskarussell

Der Bestärkerkreis

Mein Handwerkswappen

Anhang D Weitere Übungen

Mindmap – Visualisieren gelingender Teamarbeit

Phasen der Projektentwicklung – die Disney-Strategie

Geleitwort

Niemand lebt als Robinson. Wir alle befinden uns in Kontakt mit anderen Menschen, kooperieren mit vielen, um bestimmte Ziele zu erreichen oder stehen im Konflikt mit ihnen, weil wir unvereinbare Handlungspläne verfolgen. Meist gehören wir auch verschiedenen Gruppen an – sowohl in der privaten Lebenswelt als auch auf dem Feld der Erwerbsarbeit. Da ist die Familie, der Freundeskreis, die Projektgruppe, die Abteilung oder das Netzwerk von Ratsuchenden und -gebenden, Kunden oder Klienten.

Die einschlägige Forschung zeigt deutlich, dass zumindest im Feld des beruflichen Handelns Kooperationen – und damit auch Konflikte und Teamarbeit beständig zunehmen. Die Gründe sind vielfältig, z. B. sind Aufgaben so komplex, dass ein Einzelner sie auch bei bester Qualifikation nicht mehr bewältigen kann oder weil bei einer Unternehmenskooperation die verschiedenen Partner repräsentiert sein müssen. All dies gilt für den Bereich der Wirtschaft, für öffentliche Verwaltungen, aber auch für soziale Einrichtungen. Herkömmliche Grenzen werden dabei gesprengt, z. B. dadurch, dass Kunden aus der passiven Rolle heraustreten und aktiv mit dem Hersteller bei der Produktentwicklung kooperieren oder in der personenbezogenen Dienstleistung, wenn Dienstleister und Dienstleistungsnehmer gemeinsam Problemlösungen erarbeiten.

Bedenkt man dies, so kommt das Buch von Hans-Jürgen Balz und Erika Spieß: „Kooperation in sozialen Organisationen. Grundlagen und Instrumente der Teamarbeit“ zu einem guten Zeitpunkt. Der Autor und die Autorin – einerseits im Feld der psycho-sozialen Arbeit, andererseits in jenem der Organisations- und Wirtschaftspsychologie beheimatet –, haben selbst durch die Erstellung dieses Lehrbuchs Kooperation praktiziert und dadurch eine breite Perspektive der Betrachtung gewonnen. Dies schlägt sich sowohl innerhalb der Themenvielfalt als auch in der didaktischen Konzeption nieder. So geht es einerseits um theoretische Grundlagen; man erfährt Fundiertes über Theorien der Kooperation, des Konflikts, der Gruppen- und Teamarbeit und auf der anderen Seite höchst Anschauliches über die Praxis der Kooperation innerhalb von Arbeitsgruppen, in personenbezogenen sozialen Dienstleistungen, in der interkulturellen Zusammenarbeit. Dabei werden sowohl breites Basiswissen als auch konkrete Instrumente für das praktische Handeln vorgestellt, wobei gleichermaßen das Erfassen des Ist-Zustandes, z. B. die Teamdiagnostik, als auch die Intervention, z. B. die Teamentwicklung, anschaulich vermittelt werden.

Noch weiter konkretisiert wird dies im Anhang, wo man Instruktionen zu Übungen findet, um allein oder in Gruppen die eigene Situation zu reflektieren und um sich selbst oder das Team zielorientiert zu entwickeln.

Das Buch ist hilfreich für Studierende, die sich in die Grundlagen der Kooperation und Teamarbeit einlesen wollen. Es stellt Lehrenden aufschlussreiche Beispiele zur Verfügung und hilft dem Praktiker durch die Vorstellung bewährter Methoden bei der Lösung von Problemen.

Ich wünsche allen Lesern dieses Buches und damit auch dem Autor und der Autorin viel Erfolg!

München 2008

Lutz von Rosenstiel

1 Einführung

1.1 Praxisbeispiel einer Teamentwicklung

An den Anfang möchten wir einen Erfahrungsbericht aus der Teamentwicklung stellen. Das Beispiel zeigt, wie ein konkreter Konflikt bearbeitet wird und wie soziale Kooperation durch professionelle Intervention gesteuert werden kann.

Teamentwicklung in einer Jugendhilfeeinrichtung

Seit einem Jahr arbeitete ich in einem Wohngruppenteam einer größeren Jugendhilfeeinrichtung als Supervisor. Der Leiter der Gesamteinrichtung bat mich um ein Gespräch und schilderte mir das Problem in einem ambulanten Team der sozialpädagogischen Familienhilfe seiner Einrichtung. Hier sei das Arbeitsklima sehr schlecht und der Krankenstand vergleichsweise hoch. Auch komme es in letzter Zeit gehäuft zu Klagen über mangelnde Kooperationsbereitschaft und fehlende Absprachen.

Mit diesen Informationen und einem Auftrag der Einrichtungsleitung zur Unterstützung der Teamarbeit ausgestattet, verabredete ich mit dem Leiter des Familienhilfeteams den Besuch einer Teamsitzung. Nach einer persönlichen Vorstellung unterbreitete ich das Angebot, an Fragen der Teamkooperation und -kommunikation zu arbeiten. Die anwesenden 7 Teammitglieder (2 Mitarbeiter waren erkrankt) begrüßten die Idee. Man habe im letzten Jahr in zwei Supervisionssitzungen, der sonst auf die Beratungsfälle konzentrierten Supervision, Teamprobleme besprochen. Hierdurch sei es aber nur kurzzeitig zu Verbesserungen des Arbeitsklimas gekommen. Ich sah mich so auch mit einem Auftrag durch das Team ausgestattet, an dessen Präzisierung jedoch noch zu arbeiten war.

Nach der Vorstellung der Arbeitsweise bei Teamentwicklungsmaßnahmen (s. Kapitel 6.2) wurden Einzelinterviews zur Problemanalyse (Ist-Zustand), eine Besprechung der Ergebnisse (Feedback und Handlungsplanung) und ein erster eintägiger Workshop (Trainingsphase) vereinbart. Die Problemanalyse in den Einzelinterviews ergab als Problemschwerpunkte: die Unklarheit über die Aufgaben und Kompetenzen der Teamleitung, die Unsicherheit zweier neuer Kollegen über ihren Platz in dem sonst aus „alten Hasen“ bestehenden Team und den Konflikt zwischen zwei „Streithähnen“ im Team. Die Mitarbeiter1 zeigten sich unzufrieden mit der Struktur der Teamsitzungen, dem Übermaß an organisatorischen Inhalten und dem Mangel von fachlichen Themen. Im ersten Feedbackgespräch mit dem Team, an dem auch die während der ersten Teamsitzung erkrankten Kollegen teilnahmen, mischte sich Betroffenheit über die offen gewordenen Konflikte mit einer optimistischen Stimmung, sich nun an die (Veränderungs-)Arbeit machen zu wollen. Das Motto des ersten Workshops wurde mit „Unsere Teamrollen“ überschrieben. Parallel – um erste Erfolge der gemeinsamen Veränderungsbemühungen zu organisieren und erlebbar zu machen – wurde eine Maßnahmenliste erstellt, die kleinere Probleme im Teamalltag benannte (vom Nachkaufen von Materialien bis zum Sammeln der Ideen für Besprechungspunkte zur Teamsitzung) und Verantwortlichkeiten für dessen Beseitigung bzw. Umsetzung festlegte.

Der erste ganztägige Workshop „Unsere Teamrollen“ fand dann in einem separaten Weiterbildungshaus statt. Nach einer Begrüßungs- und Einstimmungsphase (Warming-Up) wurde in unterschiedlichen Konstellationen von Gesamtgruppe, Kleingruppen und Paarübungen gearbeitet. Eine Übung, die sich der Geschichte des Teams zuwendete, war das Teamogramm – eine Zeitlinie zum Thema: Wer kam wann, mit welcher Idee zur Arbeit in der Familienhilfe in das Team? Ausgangspunkt für die Teamarbeit bildete der Bestand gemeinsamer Teamziele. Deshalb beschäftigte sich eine Gesprächsrunde zur Teamreflexion mit den Leitfragen: Wo arbeiten wir gemeinsam? Wo brauchen wir einander? Eine weitere Übung griff die wechselseitige Wahrnehmung der Rollen im Team auf. Sie bestand aus der Rückmeldung zu den von anderen Teammitgliedern wahrgenommenen Stärken eines Mitarbeiters. Leitfrage war: Was schätze ich an ...? Abschließend führten wir eine Teamaufstellung durch. Hier ging es um eine räumliche Darstellung der Teamkonstellation (Frage: Wer steht wie nah/fern zu wem? s. Anhang B; dazu auch Faulstich, 2007).

Das vier Wochen danach durchgeführte zweite Feedbackgespräch, ein Gruppengespräch auf Grundlage schriftlicher Befragung, ergab für alle Teammitglieder ein deutlich verbessertes Teamklima und für die „neuen“ Kollegen eine größere Sicherheit in der eigenen Rolle. Als nächstes Workshop-Thema wurden die Teamkommunikation und die Regeln für die Teamarbeit vereinbart. Auf meiner Nachhausefahrt dachte ich bereits über hilfreiche Übungen zur Gruppenkommunikation nach ...

Der Praxisbericht spricht einige in der Kooperation und Teamarbeit häufig zu findende Problemstellungen an und beschreibt die Interventionen einer Teamentwicklungsmaßnahme (Reflexion und eingesetzte Methoden s. Anhang). Der Bericht soll uns als Problemanriss für das Lehrbuch dienen, in dem theoretische Grundlagen und Methoden zur Förderung gelingender Kooperation in sozialen Organisationen zusammengetragen sind. Die Kapitel 2 und 3 stellen die allgemeinen und theoretischen Grundlagen von sozialer Kooperation und sozialen Konflikten auf der Basis empirischer Forschung dar. Es wird auf die verschiedenen Ebenen von Kooperation, Theorien und Prinzipien von Kommunikation und Entscheidungen sowie die Ziele und Formen von Kooperation eingegangen. Als zentrale Bedingungen von Kooperation werden die Rolle der Führung und die Bedeutung von Kultur und Gesellschaft vorgestellt.

Das Schlagwort von der „Dienstleistungsgesellschaft“ verweist auf die zunehmende Bedeutung, die diesem Sektor der Erwerbsarbeit in der Gesellschaft zukommt. Wir behandeln in Kapitel 4 personenbezogene Dienstleistungen als Gegenstand der Kooperation und spezifische strukturelle Probleme bei der Erzeugung sozialer Dienstleistungen wie beispielsweise die Auftragssituation oder den Einfluss des Selbstverständnisses sozialer Organisationen. In der Dienstleistungsproduktion spielen Emotionen und Gefühle eine herausragende Rolle. Insofern werden die Besonderheiten der Emotionsregulation bei personenbezogenen Dienstleistungen und die dabei auftretenden spezifischen Belastungsfaktoren vertieft.

Arbeitsgruppen als die typische Struktur der Kooperation sind Gegenstand von Kapitel 5. Zur Begriffsklärung werden Gruppen, Arbeitsgruppen und Teams kontrastiert und ein Systematisierungsversuch der Gruppen unter entwicklungsgeschichtlichen, zeitlichen und strukturellen Aspekten, sowie als Arbeits-, Innovations- und Entscheidungsteams vorgenommen. Die Bildung von Teams ist mit der Erwartung einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung von Seiten der Organisationsleitung verbunden. Mit den Quellen von Prozessgewinnen und -verlusten in Gruppen beschäftigt sich Kapitel 5.3. Koordination der Gruppenaktivitäten, motivationale Faktoren, kognitive Aspekte, wie Gruppen sich bilden und welche Gruppenrollen es gibt, wird in Kapitel 5.4 ausgeführt, gefolgt von einem Exkurs über Modelle der Teamarbeit. Die Teamdiagnostik, ihre Zielsetzung, das methodische Vorgehen und Instrumente beschließen das Kapitel.

Strategien zur Weiterentwicklung von Kooperation und Gruppenarbeit werden in Kapitel 6 vorgestellt. Dazu gehören die Grundlagen der Organisationsentwicklung, Ziele und Inhalte von Teamentwicklung, der Beitrag der Weiterbildung, die Supervision in der Klienten- und Teamarbeit und die Intervision als Raum kollegialer Reflexion. Als exponierte Themen zur Verbesserung von Kommunikation und Kooperation werden in Kapitel 7 die Besprechungs- und Konferenzgestaltung, das Konfliktmanagement, das Selbstmanagement und die Selbstführung behandelt.

Warum noch ein Buch zur Teamarbeit?

Bei der Analyse von Chancen und Risiken für gelingende Kooperation in sozialen Organisationen integriert das Lehrbuch drei Zugänge: das Wissen über Voraussetzungen von Kooperation und Konflikt, die Analyse des Arbeitsgegenstandes personenbezogener Dienstleistungen und die Beschreibung von Arbeitsgruppen mit ihren Strukturen und ihrer Eigendynamik. Kooperation wird auf der interpersonellen Ebene betrachtet, wobei drei verschiedene Interaktionen im Fokus stehen: Kooperation zwischen Klienten und Mitarbeitern, zwischen Mitgliedern eines Teams und zwischen Mitgliedern von Organisationseinheiten einer oder verschiedener Organisationen. Der Methodenteil bündelt Grundlagen zentraler Interventionsstrategien zur Weiterentwicklung der Teamarbeit und vertieft wichtige Gestaltungsfragen der Kooperation. Als Lehrbuch weist es sich auch dadurch aus, dass jedes Kapitel Fragen zur Selbstüberprüfung und vertiefende Literatur zum Selbststudium enthält. Im Anhang erfolgt eine Reflexion des Praxisbeispiels und die in der Teamentwicklung verwendeten Übungen werden dargestellt. Mit einem Glossar und Stichwortverzeichnis möchten wir Ihnen als Leser und Leserinnen die Orientierung erleichtern.

1.2 Das Team – zwischen Idealisierung und Pragmatismus

Mit dem Teambegriff werden sehr unterschiedliche Vorstellungen verbunden. Jeder erinnert sich an das siegreiche Lachen und die Freude der deutschen Fußball- und Handballnationalmannschaft, denkt an eine gemeinsam geschaffte Gruppenleistung und das „An-einem-Strang-Ziehen“ bei Aktivitäten im Freundes- oder Familienkreis. Als Emotionen finden sich der Spannungsbogen von gemeinschaftlicher Anstrengung und dem Glücksgefühl nach vollbrachter Arbeit, die Freude in der Gemeinschaft (von Siegern) und der Stolz dazu zu gehören.

Die Faszination und Attraktivität des Teambegriffs im beruflichen Kontext basiert auf zweierlei: Teamarbeit verspricht dem gestiegenen Komplexitätsgrad von Arbeitsprozessen, den Anforderungen an Flexibilität und abgestimmter Koordination der zunehmend spezialisierteren Aufgaben in den psychosozialen Berufen besser gerecht zu werden als traditionelle hierarchische Organisationsstrukturen. Auch verspricht die Arbeitsorganisation in Teams eine Antwort auf den durch Sparmaßnahmen und einen offenen Markt sozialer Dienstleistungen erhöhten Effektivitäts- und Effizienzdruck, sowie gestiegene Qualitätsanforderungen (auch) in sozialen Organisationen. Die Gemeinschaft der Mitarbeiter bekommt dabei ein großes koordinatorisches Potential, eine emotional bindende und den Einzelnen anspornende Wirkung zugeschrieben.

Das Zutrauen gegenüber der Selbstorganisation des Teams scheint jedoch oft eher einem Glauben als dem Wissen um strukturelle und gruppendynamische Einflussfaktoren zu entspringen – ähnlich dem Placebo-Effekt, der auf die selbstheilende Wirkung einer positiven Erwartung (des Klienten) setzt, ohne diese im Einzelnen zu kennen und den eigenen Beitrag dazu differenziert zu bestimmen. In dieser Situation die Potentiale und Grenzen der Gruppenkoordination kritisch zu hinterfragen, würde den Placebo-Effekt löschen und beantwortet geglaubte Gestaltungsfragen neu stellen. Hierin liegt ein Teammythos, der einer simplifizierten Vorstellung der Selbstorganisation von Systemen entspringt (zur Selbstorganisation s. Krieger, 1996; Willke, 1996), frei nach dem Motto: Teams müssen nur gelassen werden, sie regeln das Wichtige dann schon selbst. Die Zunahme an Handlungsfreiheit würde in den meisten Teams sicher gern angenommen, die Kehrseite dieses Selbstorganisationsmythos bildet jedoch die Null-Investitions-Annahme, d. h. da Teamarbeit sich in diesem Denken spontan von allein regelt, braucht es dementsprechend auch wenig Investition in seine Weiterentwicklung. In diesem Sinne argumentiert auch Nellessen (1999, S. 70f.). „Der Synergieeffekt von Gruppen und Teams wird wohl als so robust und leicht abrufbar eingeschätzt, daß manche glauben, den Teammitgliedern dann schon einen Gefallen zu erweisen, wenn sie sie als Gruppe agieren lassen. Mit allen vorhandenen Handicaps hat das Team im Handumdrehen fertig zu werden.“

Der in den folgenden Kapiteln vorgestellte Stand der Forschung belegt das Gegenteil. Teamarbeit ist auf die kontinuierliche Pflege der Kooperationsstrukturen, regelmäßige Überprüfung und Selbstvergewisserung hinsichtlich der gemeinsamen Arbeitsziele, -methoden und Standards angewiesen, will sie dauerhaft wirkungsvoll sein und ihre Vorteile gegenüber Einzelarbeit realisieren. Dies gilt insbesondere für die psychosoziale Arbeit, die den Mitarbeiter als wesentliches „Arbeitsmittel“, Medium und Katalysator für Veränderungs- und Entwicklungsprozesse bei den Klienten braucht.

Gelingende Kooperation ist ein voraussetzungsvoller Prozess, der viel persönliche Investition von Vertrauen, Engagement und Frustrationstoleranz (so viel wie bei den Klienten auch) benötigt. Es gilt, die Gestaltungsfragen aktiv anzugehen und sich der dafür entwickelten Methoden zur Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit zu bedienen (s. Kap. 6 und 7).

Neben der Perspektive der Organisationsleitung auf die Teamarbeit gibt es eine zweite: die Sichtweise der Mitarbeiter. Im Team zu arbeiten entspricht dem Wunsch nach einer menschlichen Form sinnstiftender Berufsarbeit, weg von der anonymen und routinemäßigen Verrichtung isolierter Teilfunktionen, hin zu einer ganzheitlichen und selbstorganisierten Arbeitsausführung in einer vertrauten Gemeinschaft. Für die veränderten Bedürfnisse an einer persönlich erfüllenden Arbeit bietet die Teamidee eine breite Projektionsfläche. Auf dieser lassen sich auch institutionskritische Ideen einer egalitären, basisdemokratischen und solidarischen Organisation von Arbeit bündeln. Diese Idee von Teamarbeit – die sich bereits in der Zeit der Studentenbewegung abzeichnete – beschreibt Perle (1969, S. 18 f.) in seinen Thesen zur Arbeit in pädagogischen Einrichtungen:

„Die Verhältnisse in vielen Einrichtungen der Erziehungspraxis sind aber – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Organisationen auch – weitgehend autoritär und herrschaftlich angelegt. [...] Teamarbeit könnte repressive Tendenzen und Situationen am erfolgreichsten verändern und abbauen. Dazu müssen angstfreie soziale Kontakte zwischen den Mitarbeitern her gestellt, das offene und kritische Gespräch gewollt, persönliche wie kollektive Nöte und Bedrückungen öffentlich gemacht werden. Personale Emanzipation ist nur über Gruppensolidarisation zu gewinnen!“

Ein ähnlich optimistisches Bild zeichnen Scherpner, Fink und Kowollik (1976, S. 45 f.) von der Teamarbeit in der Sozialpädagogik, die sie gebunden sehen an ein „Gefühl der Gemeinsamkeit, der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens“, die spontane Kooperationsbereitschaft, regelmäßige Kommunikation, partnerschaftliche Koordination, eine klare Aufgabenverteilung, die Bereitschaft eigene Interessen den gemeinsamen Aufgaben unterzuordnen, der Identifikation mit den gefassten Beschlüssen.

Auch wenn von dem Enthusiasmus der damaligen Aufbruchszeit heute wenig geblieben ist, so zeigt dies doch eine auch heute vielfach bestehende Erwartung an das Team als Instrument der Selbstverwirklichung, der persönlichen Emanzipation und der Selbstbehauptung bzw. Rebellion gegen „die da Oben“ (zur historischen Entwicklung der Vorstellungen in der Gruppen- und Teamarbeit s. Buchinger, 2004). Dies führt auch von Mitarbeiterseite zu dem Mythos – jetzt jedoch verbunden mit einer anderen Intention – einer sich selbst organisierenden Teamgemeinschaft (verwandt mit der Null-Investitions-Annahme aus der Perspektive der Organisationsleitung). Nach außen ist in manchen Teams daraus ein überstarkes Abgrenzungsbedürfnis gegen die anderen „da draußen“ geworden, nach dem Motto „Wenn wir uns nur gut verstehen, dann läuft die Arbeit auch gut“ (Null-Interventions-Annahme). Nach innen findet sich dies in dem Generalverdacht gegenüber Funktionsdifferenzierung, die die Gleichheit aller gefährden würde, gegenüber „geregelten“ Entscheidungswegen und Hierarchien im Team (Null-Differenzierungs-Annahme). Hier findet sich eine Analogie zu der von betriebswirtschaftlicher Seite vorgebrachten Skepsis gegenüber starken Hierarchien, methodisch umgesetzt in Restrukturierungsmaßnahmen unter dem Stichwort der „flachen Hierarchien“ beginnend in den 80er Jahren.

Dass diese Ideen auch heute noch in der Teampraxis wirksam sind, illustriert eine Aufzählung häufiger Fehler bei der Teamarbeit durch Fengler (1997, S. 121), die er aus seiner Erfahrung mit psychosozialen Teams u. a. in der Supervision ableitet. Häufige Fehler sind danach:

„Verweigerung von Führung,

Ablehnung einer klaren Struktur der Weisung und Zuständigkeit,

unklare Ermessensspielräume,

Entscheidungslosigkeit,

Schweigen über Qualität und Kontrolle.“

Worin liegt die besondere Notwendigkeit von Teamarbeit für soziale Dienstleistungsberufe?

Eine pragmatische Beschreibung der Notwendigkeit von Kooperation und Teamarbeit leitet sich aus fachlichen Erfordernissen und formalen Vorgaben ab. In verschiedenen Verordnungen und Gesetzen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Teambildung festgelegt. So finden sich in der Psychiatrie-Personalverordnung und dem „Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung“ in Psychiatrischen Kliniken (Aktion Psychisch Kranke e. V., 1996) multiprofessionelle Teams als wichtige Struktur des therapeutischen Prozesses und zur Erreichung der Behandlungsziele verankert (Brünger, 2004). Auch für die Zusammensetzung einer Erziehungsberatungsstelle liegen beispielsweise Empfehlungen für multidisziplinäre Mitarbeiterteams vor (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1999, S. 38 f.).

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz sieht in den Regelungen zum Hilfeplanverfahren vor, dass neben der Kooperation der beteiligten professionellen Helfer die Klienten (Kinder, Jugendliche und ihre Familien) in die Planung des Hilfeprozesses einbezogen werden (s. dazu Kap. 2.1). Der Erfolgsgeschichte des Hilfeplanverfahrens, das in zahlreichen anderen Arbeitsfeldern übernommen bzw. adaptiert wurde (z. B. in der Behindertenhilfe, der Frühförderung, der Kinder- und Jugendpsychiatrie) stehen jedoch in einigen Bereichen der Kooperation und Zusammenarbeit „Dauerbaustellen“ gegenüber. Der Einfluss unterschiedlicher institutioneller Zielsetzungen, fachlicher Methoden und Grundsätze, sowie die handlungsleitenden ethischen Prinzipien in den verschiedenen Sozialberufen bieten dafür ein permanentes Konfliktpotential. Die sich hier stellenden Fragen der Kooperation werden exemplarisch am Beispiel der Zusammenarbeit von Schule und Jugendsozialarbeit erörtert (s. Kap. 2.1).

Die 1976 vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge herausgegebenen Empfehlungen für die Gestaltung der Teamarbeit weisen auf ein bei Trägern psychosozialer Einrichtungen bereits langjährig bestehendes Bewusstsein für die Erfordernis von Teamarbeit und die Notwendigkeit seiner aktiven Gestaltung hin (Feldmann, 1976). In der Überarbeitung dieser Empfehlungen heißt es: „Bei komplexen Sachverhalten erhöht die Integration von Fachwissen mehrerer Personen die Fähigkeit zur Bewältigung von Komplexität. Beratung im Team führt zu kontinuierlicher Qualitätsentwicklung, zu Lernprozessen der Mitarbeiter und zum Ausgleich von Leistungsunterschieden“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, 2002, S. 8).

Hinsichtlich der Arbeitsinhalte leiten sich die Kooperationserfordernisse aus der Differenzierung und Spezialisierung psychosozialer Berufe ab. Hier ist die Vielfalt der Kompetenzen, Fertigkeiten und Beobachtungsperspektiven in der Fallarbeit zu integrieren. Da sich einige Arbeitsanforderungen – in der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Klienten – nicht beeinflussen lassen (z. B. Umgang mit armutsbedingten Familienproblemen) und die Komplexität des Zusammenspiels von sozialen, psychologischen und medizinischen Faktoren psychosozialer Probleme eher noch zunimmt (z. B. bei Erziehungsaufgaben, in der Gerontopsychiatrie), ist es von besonderer Bedeutung, den Rahmen der Arbeit und die Kooperation zwischen den Mitarbeitern als einen unterstützenden Kontext zu gestalten. Darauf verweisen zahlreiche Studien, die die Funktion der sozialen Unterstützung als Stresspuffer belegen (Semmer & Zapf, 2004).

Aus dem Bedürfnis nach Unterstützung, Selbstvergewisserung und Entlastung heraus kann es jedoch zu einem Fehler im Verständnis der Teamorganisation kommen. Dies ist der Fall, wenn aufgrund der Struktur der Aufgabenerledigung eine enge Zusammenarbeit nicht notwendig ist, die Gruppe der Mitarbeiter aber dennoch nach enger Abstimmung und konsensorientierter Kooperation sucht. In vielen Besprechungen wird Zeit und Energie investiert, lang dauernde Sitzungen bleiben dennoch folgenlos. Für die berechtigten Bedürfnissen nach psychischer Entlastung (Psychohygiene) empfiehlt sich dann ein anderer Rahmen, insbesondere sind dies Supervisions- und Intervisionsgruppen (s. dazu Kap. 6.4 und 6.5).

Antoni (2004, S. 55) sieht auf der Basis eigener empirischer Untersuchungen einen „Trend zu mehr Teamarbeit“. Unter diesem Etikett finden sich jedoch sehr unterschiedliche Organisationsformen, von formalisiert zusammengefassten Mitarbeitergruppen, die weiter Einzelarbeit ausführen, bis hin zu eng verzahnter Kooperation beispielsweise in stationären Wohnheimteams der Jugend- und Behindertenhilfe. Diese Unterschiede verweisen auf die Notwendigkeit einer differenzierten Analyse des Koordinations- und Abstimmungsbedarfs, um Arbeitsziele, den Arbeitsprozess und seine Organisation angemessen aufeinander abzustimmen (s. dazu Kap. 5.2).

Auch die Arbeit an diesem Lehrbuch wäre ohne Kooperation und Unterstützung nicht möglich. Insofern bedanken wir uns bei Jürgen Schultz-Gambard, der unsere Zusammenarbeit vermittelte und Marianne Goede, Gisela Gundlach, Manfred Froböse, Michael Raisch, Stefan Balke und Eckard Sundermann als Freunde und Kollegen, die immer wieder die Verbindung mit den sich in der Praxis stellenden Fragen ermöglichten. Wir bedanken uns bei Willfried Ferchhoff und Erich Oldenburg, die Teile des Manuskripts gegenlasen, bei Daniela Leppler, Björn Lohe, Stefan Külpmann, Andrea Chmitorz, Ulf Lehnig, Christina Janus und Andreas Kaufert, die in der praktischen Umsetzung wichtige Unterstützung leisteten. Wir danken auch Ulrike Merkel, die die Entstehung des Buches von Seiten des Verlages W. Kohlhammer begleitete und den Herausgebern der Publikationsreihe Johanna Hartung und Klaus Fröhlich-Gildhoff, die mit ihren fachlichen Ratschlägen die Entstehung des Buches unterstützten.

Bielefeld/München 2008

Hans-Jürgen Balz und Erika Spieß

1 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird im Folgenden jeweils die männliche Form verwendet. Es sind dabei Männer und Frauen in gleicher Weise gemeint.

Theoretische Grundlagen

2 Grundlagen der Kooperation

Kooperation ist ein Thema, das von vielen wissenschaftlichen Disziplinen bearbeitet wird, z. B. den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, Anthropologie, Psychologie und Politikwissenschaft. In den Sozialwissenschaften wird Kooperation eng mit dem Gruppenbegriff verbunden, in den Wirtschaftswissenschaften hingegen eher mit dem Koordinationsbegriff, in beiden Disziplinen auch mit Kommunikation (Spieß, 2004).

Eine weite Definition von Kooperation umfasst Formen gesellschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Personen, Gruppen oder Institutionen bzw. soziale Interaktion. Kooperation lässt sich mindestens nach drei unterschiedlichen Ansätzen konzipieren: Kultur, Situation und Verhalten (Chen, Chen & Meindl, 1998).

Der Kulturansatz: Die Anthropologin Margaret Mead (1976) hat in ihren anthropologischen Studien über Konkurrenz und Kooperation sog. „primitive“ Kulturen im Rahmen des Forschungsprogramms Persönlichkeit und Kultur untersucht und dabei kooperative, wettbewerbsorientierte und individualistische Kulturen unterschieden.

Der situative Ansatz: Der Psychologe Deutsch (1949) betrachtet Kooperation als soziale Beziehung, die Akteure in einer bestimmten sozialen Situation eingehen. Dabei wird zwischen kooperativen und wettbewerbsorientierten Situationen unterschieden. In der kooperativen Situation sind die Ziele der Akteure positiv aufeinander bezogen, in der wettbewerbsorientierten Situation stehen sie in einem negativen Zusammenhang zueinander.

Der Verhaltensansatz: Dieser Ansatz geht vom Verhalten aus und definiert Kooperation als ein funktionales System von Handlungen zwischen zwei und mehr Personen. Dabei spielt der Gedanke eines Gleichgewichtes eine große Rolle (z.B. die jeweilig erwiesenen Handlungen entsprechen sich in ihrer Wertigkeit: Person A unterstützt Person B mit nützlichen Informationen aus ihrem Spezialgebiet und Person B revanchiert sich bei passender Gelegenheit) sowie die Bedeutung von Anreizen für das Verhalten.

Kooperation zeichnet sich durch bewusstes und planvolles Herangehen bei der Zusammenarbeit sowie durch Prozesse der gegenseitigen Abstimmung aus. Von den Partnern der Kooperation sollten die öffentlich anerkannten Regeln und Verfahren akzeptiert werden. Kooperation besteht aus dem Grundgedanken von Gegenseitigkeit bzw. der Reziprozität (Gouldner, 1984). Kooperation gilt somit auch als eine sozialethische Norm, als Strukturprinzip von Gruppen und Organisationen sowie als Verhalten bzw. Interaktionsform.

Definition Reziprozität

Reziprozität besteht aus der Annahme der Gegenseitigkeit der Handlungen. Es wird innerhalb der Soziologie vom Prinzip der Wechselseitigkeit gesprochen.

Eine einfach Regel ist die des „Tit for tat“, d.h. „Wie du mir, so ich dir“. Bei dieser direkten Reziprozität steht ein Ausgleich für eine Gabe oder eine Handlung im Vordergrund. Nun kann aber nicht jede Handlung oder Leistung sofort erwidert werden. Als Beispiel wird die Eltern-Kind-Beziehung gesehen: Eltern erziehen und unterstützen ihre Kinder. Von den Kindern wird im Falle einer späteren Pflegebedürftigkeit der Eltern erwartet, dass sie sich um diese kümmern und somit diese Leistungen möglicherweise erst dann erwidern.

Für das Gelingen von Kooperation bedarf es Möglichkeiten der Zielabstimmung und des Informationsaustauschs, wechselseitiger Kommunikationen und gegenseitiger Unterstützung, konstruktiver Problemdiskussionen und einer längeren Zeitperspektive, in der die Form der Kooperation erprobt wird und sich das Vertrauen in den jeweiligen Kooperationspartner entwickeln kann. Eine kooperative Situation setzt zudem Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der beteiligten Partner voraus (Spieß, 2004).

Dies lässt sich an folgenden Beispielen verdeutlichen: Ist eine Gruppe übereingekommen, zusammenzuarbeiten und sind die Ziele klar definiert, dann muss doch immer wieder über den Stand der Arbeiten bzw. den Stand der aktuellen Zielerreichung gesprochen werden. Dazu ist es nötig, in ständigem Kontakt zu bleiben und Informationen auszutauschen. Nur so stellt sich dann auch das Vertrauen her, das für eine effektive Zusammenarbeit nötig ist.

Der Philosoph John Rawls (1993) kennzeichnet soziale Kooperation durch öffentlich anerkannte Regeln und Verfahren, die von den Partnern der Kooperation anerkannt werden. So unterscheidet sich Kooperation von einem koordinierten Handeln, das z. B. durch Befehle gelenkt werden kann. Kooperation setzt zudem faire Bedingungen der Zusammenarbeit voraus, die den Grundgedanken von Gegenseitigkeit beinhaltet.

2.1 Ebenen von Kooperation

Kooperation lässt sich auf drei Ebenen untersuchen: auf der individuellen, der interpersonellen und auf der strukturellen Ebene.

Individuelle Ebene

Auf der individuellen Ebene spielen für die Kooperation Persönlichkeitsmerkmale, Werthaltungen, Einstellungen und Vertrauen eine wichtige Rolle. Als Persönlichkeitsmerkmal ist die Dimension der „Verträglichkeit“ aus den „Big Five“ von Costa und McCrae (1992) bedeutsam, wonach Personen mit hohen Werten auf dieser Skala zu zwischenmenschlichem Vertrauen und Kooperation neigen.

Fünf zentrale nicht kognitive Persönlichkeitsmerkmale – die sog. „Big Five“– haben in der Forschung Beachtung gefunden (Costa & McCrae 1992; Pervin, 2000): emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Freundlichkeit/Verträglichkeit und Beharrlichkeit/Gewissenhaftigkeit (s. Tab. 2.1).

Empathie, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist ein weiteres wichtiges Persönlichkeitsmerkmal, das Kooperation erleichtert (Spieß, 2004).

Auf individueller Ebene werden Werte als Werthaltung bezeichnet und dienen der Identitätswahrung. Besonders von sozialen Werten wird nun angenommen, dass sie kooperatives Verhalten mit beeinflussen (Korsgaard, Meglino & Lester, 1997).

Tab. 2.1: Die fünf Faktoгen (Big five) nach Weineгt (2004)

Dimensionen

Schlüsselbegriffe

Items (Beispiele)

I. Extгaveгsion

Gesellig, gespгächig, dominant, duгchsetzungsfähig, bestimmt, aktiv, initiativ

Ich mag viel Aufгegendes in meinem Leben.

Füг gewöhnlich bin ich fгöhlich und veгgnügt.

II. Veгtгäglichkeit

Fгeundlich, höflich, koopeгativ, gutheгzig, veгtгauensvoll, veгsöhnlich

Im Allgemeinen bin ich gegenübeг andeгen sehг zuvoгkommend.

Andeгe haben von miг nie den Eindгuck, ich sei kalt und geгissen.

III. Gewissenhaf- tigkeit

Veгantwoгtungsbewusst, zuveгlässig, soгgfältig, planvoll, ausdaueгnd

Ich halte mein Zimmeг immeг oгdentlich und saubeг.

Im Allgemeinen halten mich die Leute füг sehг zuveгlässig.

IV. Emotionale Stabilität

(definieгt duгch den Gegenpol „Neuгotizismus“); positiv: гuhig, enthusiastisch, sicheг; negativ: angespannt, neгvös, depгimieгt, unsicheг, leicht veгäгgeгt, emotional

Oft mache ich miг Soгgen übeг Dinge, übeг die ich keine Kontгolle habe.

Im Allgemeinen fühle ich mich tгauгig und niedeгgeschlagen.

V. Offenheit füг (neue) Eгfahгun- gen

(auch „Intellektualität“ odeг „Kultivieгtheit“ genannt) einfallsгeich, intellektuell, sensibel füг Ästhetik, aufgeschlossen, kultivieгt, oгiginell

Ich bin sehг neugieгig.

Ich mag die Heгausfoгdeгung, die mit Wechsel veгbunden ist.

Diese Werte enthalten das Betonen kollektiver Moral, soziales Interesse und soziale Verantwortung, prosoziale Orientierung sowie die Sorge um andere.

Einstellungen sind definiert als die Bereitschaft, auf einen Gegenstand wertend zu reagieren (Bohner, 2002). In den zahlreichen sozialpsychologischen Studien zu kooperativem und kompetitivem Verhalten werden fünf zentrale Einstellungen untersucht (Bierhoff & Müller, 1993):

die individualistische Einstellung, die z. B. bei Gewinnaufteilungsaufgaben vor allem den eigenen Vorteil maximiert,

die Wettbewerbsorientierung, die den anderen übertreffen möchte,

die kooperative Einstellung, die an den eigenen und an den Gewinnen des Partners orientiert ist,

die altruistische Einstellung, die das eigene Handeln vor allem am Wohlergehen des Partners ausrichtet,

das Streben nach Gleichheit der Belohnungen.

Es gibt Mischtypen, wobei häufig eine individualistische und eine wettbewerbsorientierte Einstellung koexistieren. Das kooperative Handeln wird in vielen sozialpsychologischen Studien mit dem wettbewerbsorientierten Verhalten kontrastiert. Psychologen haben in Experimenten zu Verhandlungen herausgefunden, dass kooperativ orientierte Personen ein flexibleres Verhaltensmuster als wettbewerbsorientierte Personen zeigen (Bierhoff & Müller, 1993). Letztere gehen stets davon aus, dass alle anderen auch wettbewerbsorientiert sind und handeln somit immer nach dem gleichen Handlungsmuster. Kooperativ eingestellte Personen hingegen geben der anderen Partei zunächst einen Vertrauensvorschuss. Erst wenn sie merken, dass diese sich wettbewerbsorientiert verhält, schwenken sie auf deren Verhaltenstaktik ein, um sich so vor Verlusten zu schützen (Bierhoff, 1998).

Vertrauen ist ein Persönlichkeitsmerkmal – es gibt Personen, denen schenkt man mehr Vertrauen als anderen. Ohne Vertrauen kann sich keine stabile und gesunde Persönlichkeit entwickeln. Vertrauen und eine sichere Bindung entwickeln sich in der Kindheit durch eine verlässliche, liebende und sorgende Zuwendung fester Bezugspersonen (Eltern, Pflegepersonen). Ergebnisse der Bindungsforschung (Zimmermann, Suess, Scheurer-Englisch & Grossmann, 1999) zeigen, dass der Aufbau von Bindung eine Entwicklungsaufgabe darstellt und ein Teil der generellen Kompetenzentwicklung ist. Unterschiedliche Eltern-Kind-Bindungsqualitäten bedingen individuelle Unterschiede im Vertrauen gegenüber anderen (Grossmann & Grossmann, 2007).

Vertrauensvolle Menschen räumen ihren Mitmenschen einen hohen Kredit ein, den sie erst dann kündigen, wenn klare Beweise vorliegen, dass das Verhalten ausgenutzt wird. Misstrauische Menschen geben diesen Vorschuss nicht, deshalb haben sie auch meist weniger Freunde und Partner. Vertrauensvolle Menschen können natürlich auch leichter betrogen werden als misstrauische Personen. Dadurch, dass diese sich auf nichts einlassen, machen sie zwar keine negativen Erfahrungen, können aber häufig auch keine positiven Erlebnisse verbuchen.

Interpersonelle Ebene

Auf der interpersonellen Ebene von Kooperation erfolgen Abstimmungsprozesse, die zudem Prozessen der Gruppendynamik unterliegen (vgl. Kapitel 5.2 zur Gruppe). Vertrauen ist nun – neben dem Tatbestand, dass es ein Persönlichkeitsmerkmal ist – vor allem ein Phänomen der zwischenmenschlichen Interaktion. Vertrauen ist für eine Kooperationsbeziehung sehr wichtig, denn man muss sich auf den Kooperationspartner verlassen können und ist zeitweilig auf die Arbeitsleistung anderer angewiesen (Bierhoff & Müller, 1993). Vertrauen ist die Erwartung, dass man sich auf das Wort oder Versprechen eines anderen verlassen kann. Vertrauen ist aber nicht nur eine Erwartung in vorhersagbares Verhalten der anderen, sondern auch Zuversicht angesichts von möglichem Risiko (Luhmann, 2000). Vertrauensvolles Verhalten enthält stets auch Risikobereitschaft, denn es besteht die Gefahr, dass dieses Vertrauen nicht erwidert, sondern ausgenutzt wird. Deshalb beinhaltet das Gewähren von Vertrauen auch die Gefahr, enttäuscht bzw. verletzt zu werden.

Es gibt verschiedene Formen des Vertrauens (Lewicki & Bunker, 1995): Vertrauen, das einem Kalkül entspringt und damit eventuell berechnend ist, Vertrauen, das auf Wissen beruht bzw. auf der Erfahrung, dass jemand verlässlich ist, und Vertrauen, das in der Identifikation mit den Absichten des Anderen besteht.

Das kalkulative Vertrauen ist ein marktorientiertes, ökonomisches Kalkül. Ich vertraue zum Beispiel meinem Mitarbeiter mit dem Hintergedanken, dass er dadurch selbstständiger arbeitet.

Vertrauen aufgrund von Wissen bzw. Erfahrung besteht bei Personen, die man gut kennt und deren Verhalten von daher voraussagbar erscheint. Dieses Vertrauen entwickelt sich über einen längeren Zeitraum. So setzen viele Führungskräfte ihr Vertrauen eher in langjährige Mitarbeiter, die sie schon über Jahre kennen.

Vertrauen auf der Basis von Identifikation bedeutet, dass sich die Partner so gut verstehen, dass sie in der Lage sind, effektiv für- und miteinander zu handeln. Dieses Vertrauen bringe ich zum Beispiel meiner Stellvertreterin entgegen, von der ich annehme, dass sie in meinem Sinne handelt.

Das Vertrauen in eine Person kann man auch wieder verlieren. Dies kann manchmal durch eine einzige schwerwiegende Regelverletzung verloren gehen, zum Beispiel wenn Gelder veruntreut werden. In anderen Fällen verliert sich das Vertrauen eher allmählich durch eine Reihe negativer Vorkommnisse, zum Beispiel ständige Unpünktlichkeiten.

Bezogen auf die drei Formen des Vertrauens wird eine Verletzung von Vertrauen, das berechnend bzw. kalkulierend ist, am wenigsten gravierend empfunden. Zu Beginn von neuen Beziehungen ist Vertrauen eher schwach ausgeprägt. Man rechnet eher mit Vertrauensverlusten. Wenn es hier einen Vertrauensbruch gibt, kann die Partnerschaft sehr schnell beendet werden.

Bei Verletzungen von Vertrauen, das auf der Basis von langjährigen Erfahrungen beruht, wird Fehlverhalten häufiger nachsichtiger behandelt. Man kann einfach nicht glauben, dass ein langjähriger Mitarbeiter, mit dem man jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet hat, zu einem solchen Verhalten fähig ist. Man neigt also eher aufgrund der gemeinsamen guten Erfahrungen dazu, der Beziehung eine weitere Chance zu geben bzw. gewisse Vorkommnisse erst einmal zu entschuldigen.

Beispiel: Ein langjährig verdienter Mitarbeiter im Pflegedienst weist plötzlich Unzuverlässigkeiten auf. Er kommt häufig unpünktlich in den Dienst. Der Pflegedienstleiter, der ihn lange Zeit als sehr zuverlässig kannte, wird erst einmal die problematischen Familienverhältnisse für dieses Verhalten verantwortlich machen oder nach weiteren Ursachen suchen, bevor er an eine Abmahnung denkt.

Verletzungen des Vertrauens auf der Ebene der Identifikation sind kaum zu verzeihen, weil sie als Handlungen gegen das gemeinsame Interesse oder gemeinsame Vereinbarungen aufgefasst werden. Sie berühren die Werte, die die Basis der Beziehung ausmachen und sind am schwersten wiedergutzumachen.

Beispiel: Wenn der Stellvertreter des Heimleiters plötzlich eine Leitidee für das nächste Jahr ausgibt, die nicht abgesprochen wurde und mit der sich der Heimleiter nicht anfreunden kann, wird plötzlich klar, dass der Partner ganz andere Ziele verfolgt hat, Ziele, die gegen die eigenen Absichten laufen.

Strukturelle Ebene

Die strukturelle Ebene umfasst Organisationen, Lernkulturen in Unternehmen, Kooperation in und zwischen Abteilungen, Führung und Formen der Arbeitsgestaltung.

Kooperation in Organisationen besteht in der gemeinsamen Zielerreichung, wobei hier Kooperation durch vertragliche Verpflichtungen und formale Kontrollstrukturen, Hierarchien und Regeln strukturiert ist (Ring & Van de Ven, 1994). Kooperation ist auch in eine bestimmte Unternehmens- und Lernkultur eingebettet, in der sich gemeinsame Handlungs- und Erfahrungszusammenhänge herausbilden sowie formelle und informelle Regeln entwickeln, die einer ständigen sozialen Kontrolle unterliegen (Sonntag, 1996).

Beispiel: Ein stark ausgebauter Kontrollapparat in einer Organisation signalisiert Misstrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und die Furcht, dass diese die Ressourcen im Unternehmen zu ihren Gunsten nutzen. Zugleich ist dies auch ein Ausdruck der in der Organisation gelebten Unternehmenskultur.

Dabei sind Führungskräfte wichtige Moderatoren bei der Umsetzung einer entsprechenden Lernkultur im Unternehmen, denn sie haben Vorbildwirkung. So ist der Umgang, den Vorgesetzte mit Fehlern zeigen, wichtig für das Betriebsklima und die Arbeitsmotivation der Mitarbeiter (Maier & von Rosenstiel, 1997): Werden Schuldige gesucht, wird Angst verbreitet oder bemüht man sich um einen problemorientierten Umgang mit Fehlern?

Die Arbeitsgestaltung ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Kooperation (Landau, 2003). So kann eine Arbeitsgestaltung, die Kommunikation zwischen den Kollegen nicht vorsieht, z. B. in Form eines Einzelarbeitsplatzes, Kooperation behindern.

Gesellschaft und Kultur beeinflussen sowohl die individuellen als auch die strukturellen Bedingungen von Kooperation (siehe Kapitel 2.4.2).

Der besondere Kooperationsbedarf für soziale Organisationen ergibt sich aus:

den komplexen Problemlagen der Klienten (z. B. Klienten, die psychische und somatische Probleme haben, die Wissensdefizite mitbringen und aus schwierigen familiären Verhältnissen stammen);

der Zergliederung der Institutionen, die an der Finanzierung der Förderung beteiligt sind und der sich daraus ergebenden Zuständigkeits- und Finanzierungsfragen (z. B. zwischen örtlichen Jugendhilfe- und überörtlichen Sozialhilfeträgern);

der Spezialisierung sozialer Berufe und der damit einhergehenden Unterschiede in der Ausbildung, den Konzepten und Theorien über Veränderungsprozesse, sowie im Professionsverständnis der Fachkräfte (z. B. steht in der Jugendhilfe die Förderung an erster Stelle, während die Struktur des dreigliedrigen Schulsystems der Selektion dient);

der Vielfalt der Hilfsangebote und der Institutionen, die dieses bereitstellen und deren Beziehung untereinander (kooperierend, koexistierend, konkurrierend).

Kooperation beschreibt von Kardorff (1998) als eine gleichberechtigte und arbeitsteilig organisierte Zusammenarbeit, die problemorientiert strukturiert sowie sachlich und zeitlich begrenzt ist. Kooperation weist – verglichen mit Vernetzung – einen höheren institutionellen Organisations- und Formalisierungsgrad auf. Wo Vernetzung von der Eigeninitiative der Beteiligten ausgeht, leitet sich Kooperation auch aus institutionellen Vorgaben, fachlichen und im Bereich öffentlicher Sozialleistungen aus gesetzlichen Grundlagen ab (zum Hilfeplanverfahren s. weiter unten).

Interdisziplinarität stellt dabei den speziellen Fall einer Kooperation über die Professionsgrenzen dar. Gemischt professionelle Teams finden sich in zahlreichen Institutionen (Erziehungsberatung, Frühförderung, Psychiatrie, Altenpflege), eine besondere Herausforderung ergibt sich für die Zusammenarbeit über die Institutionsgrenzen hinaus. „Zentrales Moment von Interdisziplinarität ist demnach die Zusammenlegung von Ressourcen und Kompetenzen, die als notwendig erachtet wird, um die Ganzheitlichkeit der Hilfen zu gewährleisten und der Komplexität der Problemlagen Rechnung tragen zu können“ (Behringer & Höfer, 2005, S. 17). Sie entspringt in sozialen Berufen nicht nur einer aktuellen Zeitgeistströmung, sondern ist tief im Professionsverständnis verwurzelt und stützt sich auf das ethisch-moralische Prinzip des uneigennützigen Helfers (Martin, 2001; Wilken, 2000). Das Gegenteil (also Egoismus, Konkurrenz und Abschottung) auf der individuellen Handlungsebene verbietet sich also a priori. In diesem „impliziten Denkverbot“ mag mitbegründet liegen, was Behringer und Höfer (2005, S. 10) auf der Basis eigener empirischer Studien für den Bereich der Frühförderung kritisch anmerken: „Der allgemeine Konsens auf der fachlichen Ebene (über die Bedeutung der Interdisziplinarität, Anm. H. J. Balz) findet bislang keine ausreichende Entsprechung in einer konzeptionellen Verankerung zur Umsetzung von Interdisziplinarität in der Praxis.“ Diese Aussage lässt sich auf zahlreiche Felder der helfenden Berufe übertragen.

Auch wenn auf der individuellen Ebene der Helfer prosoziale und altruistische Einstellungen und soziale Motive vorherrschen (Basis für die Wahl eines helfenden Berufs), so ist die Frage der methodischen Gestaltung und institutionellen Umsetzung von Kooperation zumeist noch ungenügend mit institutions- und alltagstauglichen professionellen Konzepten ausgestattet. In einem zunehmend durch Wettbewerb und Anbieterkonkurrenz geprägten Umfeld sozialer Organisationen müssen hierfür Antworten gefunden werden.

In der Kooperation zwischen Professionen begegnen sich diese mit ihrem je spezifischen Verständnis ihrer Berufsaufgabe (Professionsverständnis), einem Konzept, wie Veränderung erreichbar ist (Veränderungswissen) und welche Prinzipien bei der Gestaltung der Unterstützungsbeziehung anzuwenden sind (berufsethische Grundsätze). Diese Bedingungen der Kooperation sind in eine institutionelle Struktur, in Kommunikations- und Entscheidungsprozesse und in die Verfügung über institutionelle Ressourcen eingebettet. In der folgenden Box sind Probleme der innerbetrieblichen Kooperation am Beispiel von Lehrern und Sozialarbeitern im schulischen Kontext skizziert.

Praxisbeispiel Kooperation Lehrer – Schulsozialarbeit

Will Schule den aktuellen Herausforderungen (z. B. Gewalt und Disziplinprobleme) und gesellschaftlichen Ansprüchen (ganzheitliches Lernen von Kompetenzerwerb und Persönlichkeitsbildung) Rechnung tragen, so setzt dies die Zusammenarbeit von Lehrern mit anderen Professionen innerhalb und außerhalb der Schule voraus. Die Ursprünge des Kooperationsgedankens von Schule und Sozialarbeit gehen auf die Bildungsreform der späten 60er Jahre zurück. Verschiedene Autoren sind sich jedoch darin einig, dass eine konstruktive Zusammenarbeit auch nach beinahe 30 Jahren durch grundlegende Differenzen beider Berufe behindert wird (Olk & Speck, 2001; Maykus, 2003).

Drilling weist auf folgende kooperationshemmende Aspekte seitens der Schulsozialarbeit (2004, S. 65) hin:

fehlende personelle Kontinuität und Beschäftigungsperspektive,unklare Funktionen und Ziele,schlechte sächliche und räumliche Bedingungen,unterschiedliche Erwartungen,unklare Kompetenzen.

In der Auflistung findet sich eine Mischung aus organisationalen Aspekten (z. B. schlechte Ausstattung, unklare Kompetenzen) und Fragen, die das professionelle Selbstverständnis beider Berufsgruppen betreffen (z. B. unklare Ziele, unterschiedliche Erwartungen).

Die professionelle Sicht vieler Sozialarbeiter in der Schule ist die eines freiwilligen Angebots an die Schüler als Gruppenangebot (z. B. Freizeitgruppen) und Einzelberatung (z. B. bei familiären, persönlichen Problemen oder Fragen der Berufswahl; s. Specht, 2005). Die Lehrer befinden sich mit dem Pflichtangebot Schulbesuch, dem Lehrplan und der Schulverwaltung in einem vorgegebenen Kontext von Lernzielen. Fragen der Freiwilligkeit und der Schulpflicht begegnen sich im professionellen Dialog häufig unversöhnlich (Maykus, 2003). Als diametral entgegengesetzt stellt sich auch der für die Sozialarbeit fundamentale Gedanke der besonderen Unterstützung bei Benachteiligung (Kompensationsgedanke) und das Integrationsziel (z. B. sozialer Randgruppen) dar. Demgegenüber besteht im dreigliedrigen Schulsystem für die Lehrer ein Selektionsauftrag hinsichtlich der Vergabe von Bildungs- und Berufschancen.

Eine Lösung dieser Professionsunterschiede wird in zwei Richtungen gelebt: Einer „Nischen-Existenz“ der Schulsozialarbeit gegenüber dem eigentlichen Schulbetrieb. Sie gelten als zuständig für den Freizeitspaß und für ergänzende Angeboten. Die Alternative einer konstruktiven Kooperation bedarf zentral einer Annäherung der Ziele. Von einem (idealtypischen) Gegeneinander von Selektion durch den Lehrer und Integration durch den Sozialarbeiter muss eine Verständigung hin zu einem übergeordneten Gesamtziel erreicht werden (z. B. der Förderung und Persönlichkeitsentwicklung). Darüber hinaus braucht es eine Auseinandersetzung im professionellen Verständnis (mögliche gemeinsame Idee einer Sozialpädagogisierung der Schule), eine präzise Abstimmung der Aufgabenverteilung auf „gleicher Augenhöhe“ und hinreichende institutionelle Unterstützung der Kooperation (Hartnuß & Maykus, 2004; Braun & Wetzel, 2006).

Kooperationsanforderungen leiten sich neben den inhaltlichen Erfordernissen auch aus den gesetzlichen Grundlagen beispielsweise im Kinder- und Jugendhilfegesetz (§ 36, 80 und 81 KJHG) und im Sozialgesetzbuch (insbesondere SGB IX) ab. Auf dieser Grundlage sind u. a. das Prinzip der Kooperation in der Jugendhilfe und das Konzept der Interdisziplinarität in der Frühförderung festgeschrieben. Das Hilfeplanverfahren sei hier exemplarisch als positives Beispiel eines institutionell verankerten und aufgrund seiner Bewährung auch von anderen Bereichen übernommenes Verfahren vorgestellt (zum Hilfeplanverfahren s. Merchel, 2004b; Pies & Schrapper, 2004).

Die Kooperation im Hilfeplanverfahren geht über die Grenzen der Zusammenarbeit der Fachkräfte hinaus und bezieht die Klienten und ihre Angehörigen in die Kooperation ein. Inhaltlich bildet es den Rahmen einer Gruppenberatung, -aushandlung, -planung und -entscheidung. In der Jugendhilfe ist dies ein Prozess, „...in dem Eltern oder an ihrer Stelle für das Kind verantwortliche Personen (Personensorgeberechtigte) in umfassender Weise beraten werden und mit ihnen und dem Kind/Jugendlichen eine Verständigung darüber gesucht wird, ob und ggf. welche Hilfeleistung geeignet und notwendig sind, die Entwicklung des Kindes zu fördern“ (Pies & Schrapper, 2004, S. 101).

Teilnehmende sind neben den Kindern/Jugendlichen und den Personensorgeberechtigten die fallverantwortliche Fachkraft des Jugendamts und weitere beteiligte Fachkräfte (z. B. Familienberater, Therapeuten, pädagogische Fachkräfte der betreuenden Einrichtung). In diesem Sinne wird hier der Gedanke der Klientenbeteiligung in eine Struktur eingebracht, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ziele und Methoden des Hilfeprozesses umsetzen helfen. Das schriftliche Niederlegen der Hilfeplaninhalte hält die für den Prozess der Unterstützung notwendige Annäherung in der Problembeschreibung und die vereinbarten Schritte der Hilfe (Art, Ziel und Dauer) fest. Inhaltliche Fragebereiche im Hilfeplanprozess sind:

Warum wird die Hilfe zur Erziehung beantragt?

Was im Einzelnen wird fachlich für erforderlich und geeignet gehalten, um die Entwicklung zu fördern? (Welche Maßnahme? Wie oft/Wie intensiv? Wie lange?)

Durch wen wird die Leistung erbracht, welche Kooperationen sind dafür notwendig?

Wie ist die Kooperation auszugestalten?

Wie und wann und von wem wird die Hilfeplanvereinbarung überprüft? (Pies & Schrapper, 2004, S. 107)

Die Unterschrift der Eltern (u. U. auch aller Beteiligten) sichert die Kenntnisnahme, das Einverständnis und unterstreicht die Bedeutung der Übereinkunft. Durch die Verhandlung der auf das Kindeswohl gerichteten Aktivitäten werden die Chancen einer Kooperation Jugendamt – Eltern – Fachkräfte verbessert. Eine Teamstruktur ergibt sich jedoch erst dann, wenn die im Hilfeplangespräch Beteiligten auch in den anschließenden Erziehungsaktivitäten beteiligt sind und bei wechselseitiger Abhängigkeit kooperieren. Ob und wie dies konkret möglich bzw. notwendig ist, hängt von der jeweiligen Fallkonstellation, von den institutionellen Gegebenheiten und z. T. auch vom professionellen Selbstverständnis der Fachkräfte ab. Das Hilfeplanverfahren als ein tragfähiges Verfahren, um Interessen und Wünsche der Beteiligten zu harmonisieren, ist auch in anderen Bereichen aufgegriffen worden (z. B. in der Behindertenhilfe). Innovativ ist auch das sich darin ausdrückende veränderte Verständnis der Helfer-Klient-Beziehung (s. dazu auch Kap. 4.1.2 und 4.2).

2.2 Kommunikation und Entscheidung

2.2.1 Kommunikation

Kommunikation wird häufig mit Begriffen umschrieben wie Verständigung, Mitteilung oder Austausch von Information (Merten, 1977). Von Lasswell (1948, S. 48) stammt die berühmte Formel: „Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welcher Wirkung?“ Damit werden fünf grundlegende Elemente kommunikativer Vorgänge gekennzeichnet (vgl. Tab. 2.2):

Tab. 2.2: Gгundlegende Elemente deг Kommunikation (nach Lasswell, 1948, S. 48)

wer

sagt was

in welchen Kanal

zu wem

mit welcher Wirkung

Sendeг Kommunika- toг Quelle

Botschaft Mitteilung

Medium

Empfängeг Rezipient Adгessat

Funktion Ziele Auswiгkung

Die berühmt gewordene Aussage von Watzlawick, Beavin und Jackson, (1969, S. 53): „Man kann nicht nicht kommunizieren“ fasst nahezu alles Verhalten als Kommunikation auf. Betrachtet man Sender und Empfänger als Rollen, die eine Person in rascher Folge bzw. zeitgleich einnehmen kann, so wird aus einer eher einseitigen Betrachtung des Kommunikationsprozesses eine symmetrische. So ist z. B. in einem Gespräch jeder Teilnehmer Sender und Empfänger, der reziproke, interaktive Austauschprozess hat immer einen dynamischen und rückgekoppelten Charakter. Nur eine zweiseitige Kommunikation mit dialogischem Charakter wird als wirklich zufriedenstellend empfunden, einseitige Kommunikation erscheint auf Dauer frustrierend (Harris, 1993).

Bei einer mehrstufigen Kommunikation durchläuft eine Mitteilung mehrere Stufen, bis sie zum eigentlichen Adressaten gelangt. Dabei kommt es zu einem „Stille-Post“-Effekt. Zwischengeschaltete „Vermittler“ interpretieren die Mitteilung bei der Aufnahme und geben sie mehr oder weniger verändert weiter, Informationen werden herausgefiltert, Details fallengelassen, subjektive Urteile über Relevanz oder Irrelevanz von Informationen fließen ein. Solche Verfälschungen sind sowohl durch „unbewusste“ Informationsverarbeitungsmechanismen als auch durch strategisches Informationsverhalten derjenigen, die Informationen weitergeben, bedingt. Die Folge mehrstufiger Kommunikationswege ist fast immer eine Reduzierung und zumeist eine Verfälschung des ursprünglichen Informationsgehalts.

Formelle wie informelle Kommunikationsbeziehungen lassen sich als Netzwerk-Strukturen abbilden. Als Bestandteil von größeren Kommunikationsnetzwerken tauchen immer wieder typische, anhand von Häufigkeiten und Richtungen definierbare Kommunikationsmuster auf (Shaw, 1964). Elementare Typen solcher Muster kleinerer Interaktionseinheiten werden als Stern (Rad), Kreis, Ypsilon-Formation, Kette oder Alpha bezeichnet (siehe Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Kommunikationsmusteг (nach Shaw, 1964)

Im seltenen Extremfall, wenn alle Mitglieder miteinander kommunizieren, spricht man von einer Vollstruktur. Kommunikationsmuster wurden häufig in kleineren Gruppen experimentell untersucht. Dabei wurde vor allem das Problemlösungspotential und die Zufriedenheit der Mitarbeiter in Abhängigkeit von der jeweiligen Struktur ermittelt. Je nach Aufgabentypus erwies sich die eine oder andere Form als effizienter: die Vollstruktur oder ähnliche „freiere“ Formen bei sehr komplexen, innovativen Aufgaben, eine zentralisiertere, „autoritärere“ Form wie der Stern (Rad) dagegen bei schnell zu lösenden, einfacheren Aufgaben. Allerdings wurden die zugrundeliegenden Untersuchungen mit isolierten, künstlich zusammengestellten Gruppen durchgeführt. Daher sind die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf reale Kontexte übertragbar.

Interaktionsstrukturen in psychosozialen Organisationen

Der Stern (Rad)

In Teambesprechungen werden (neue) Informationen, Meinungen und Urteile des Leiters der Gruppe an alle Anwesenden weitergegeben. Die gleichzeitige Informationsweitergabe ist (für den Leiter) zeitökonomisch und schafft eine Offenheit für die Meinungsbildung in der Gruppe. Durch die Form der Präsentation, einen autoritären Führungsstil bzw. bei starkem Gruppenzusammenhalt kann es zu einer (vorschnellen) Begrenzung des Diskussions- und des Problemlösungsraums in der Gruppe kommen.

Der Kreis

Der Kreis – verwandt mit der Kette – findet sich als (Post-)Umlauf beispielsweise in öffentlichen Verwaltungen (Jugendamt, Arbeitsagentur). Materialien werden so zur Information weitergegeben, jeder Mitarbeiter zeichnet die Postrundsendung ab und gibt sie an die nächste, auf der Rundlaufmappe vermerkte Adresse weiter. Hierdurch kann Information ohne face-to-face Kommunikation weitergegeben und von den Mitarbeitern je nach individueller Arbeitssituation aufgenommen/verarbeitet werden. Dies erfolgt vergleichsweise anonym und verzichtet durch den rituellen Ablauf auf eine (gezielte) persönliche Ansprache. Die Informationsaufnahme, besonders bei notwendigen Anschlussaktivitäten relevant, hängt stark von der persönlichen Motivation ab und lässt sich institutionell nicht absichern.

Die Ypsilon-Formation

Im Prozess der Diagnostik werden die Informationen zweier (oder mehrerer) Fachleute zusammengeführt (z. B. medizinische und psychologische Gutachten) und von einer dritten Person in einer fachlichen Stellungnahme (z. B. Maßnahmeempfehlung) integriert, die dann von einer weiteren Person umgesetzt wird (z. B. in der Arbeitsförderung). Hier arbeiten stark spezialisierte Professionen zusammen, sodass eine fallangemessene Umsetzung das Wissen um die Maßnahmen und den konkreteren Umsetzungskontext voraussetzt. Aufgrund der zahlreichen Umsetzungsschwierigkeiten wird häufig eine Ganzstruktur in Form einer Helferkonferenz oder eines Hilfeplangesprächs favorisiert.

Die Kette oder Alpha

Die Informationsweitergabe in Form einer Kette findet sich beispielsweise im Schichtdienst von Wohngruppen. Informationen aus der Arbeit mit Klienten werden im Schichtverlauf an den jeweils nächsten Mitarbeiter weitergegeben. Zur Vermeidung von Informationsverlusten werden Übergaben gemacht bzw. Übergabebücher eingesetzt.

In der Regel ist der Inhaltsaspekt der Kommunikation verbal, der Beziehungsaspekt dagegen weitgehend nonverbal kodiert (Watzlawick et al., 1969, S. 64). Viele wichtige Informationen zur Gesprächssteuerung werden nonverbal vermittelt, so die Bestätigung gegenseitiger Aufmerksamkeit und Antwortbereitschaft, die Regelung des Gesprächsablaufes (wer sprechen soll und wie lange). Überwiegend nonverbal werden z. B. Gefühle oder die Einstellung zum Gesprächspartner ausgedrückt.

Die nonverbale Kommunikation bestimmt sich durch folgende Merkmale:

Tonfall, Betonung, Rhythmus, Phonation (Stimmbildung), Timbre (Klangfarbe) (paralinguistisch),

Gestik, Mimik, Augenkontakt, Haltung, Nähe, Chronemik (Einstellung zur Zeit) (außerlinguistisch).

Die einzelnen nonverbalen Signale dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der nonverbalen Kommunikation gleich zeitig zu einem Zusammenspiel mehrerer Ausdruckselemente kommt. Über die nonverbalen Verhaltenskanäle kann eine Vielzahl unterschiedlicher Signale gleichzeitig übermittelt werden. Den Nachrichtenempfänger erreichen in einem komplizierten Zusammenspiel verschiedene Signale, z. B. der Augenkontakt, die Mimik, die Körperhaltung, die Gestik. Durch die Simultanität und Vielfältigkeit der nonverbalen Zeichen kann jeder Sender seine Nachrichten differenziert und nuancenreich übermitteln (Hall, 2006).

Wissenschaftliche Studien fanden im nonverbalen Verhalten etliche Geschlechtsunterschiede: So lächeln Frauen statistisch häufiger als Männer, nutzen stärker den Augenkontakt und können nonverbale Hinweise auch besser als Männer deuten (Weisfeld & Stack, 2002).