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Die Autorin schreibt Gedichte, die einem das Gehirn abfackeln. Diese Gedichte sind Rohdiamanten, die nicht geschliffen gehören, sonst würden sie in ihrem Inneren zerbersten. Jedes Gedicht ist von einem Bild der Künstlerin illustriert und individuell typographisch gestaltet.
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Seitenzahl: 37
Links zur Künstlerin:
https://www.instagram.com/pola_polanski/
http://amyhany.de/
http://ah-graphicdesign.de/
Über die Autorin:
Pola Polanski wurde 1966 in Ulm geboren. Von 1991-1997 studierte sie Grafikdesign an der Merz-Akademie für Gestaltung in Stuttgart und von 1997-1998 Malerei und Performance an der Staatlichen Akademie der Künste. In den Folgejahren arbeitete sie als Schriftstellerin und Grafikerin. Im Jahr 2011 nahm sie die Malerei wieder auf. Als Künstlerin beansprucht Pola Polanski außerdem die Künstleridentität Amy Hany. Seit 2011 hat sie ca. 1000 Bilder gemalt. Sie lebt und arbeitet in Stuttgart.
advent
ein einzelner Engel noch
hängt am kahlen Baum
und er grinst
wie kann er grinsen
wenn der Vogel unten liegt
–
–
–
–
–
nachts
um vier uhr morgens
wälze ich mich
in den laken
er berührt mich nicht
nur ein schnarchen
ich setze mich
nach draußen
in die kälte
mit einem süßen
warmen tee
rauche
und blicke dem
blinkenden stern
entgegen
nach einer
durchwachten nacht
sagt er mir
nichteinmal
guten morgen
verzweifelt
suche ich
den stern
nachts
volle wollüstige lippen
zehn zentimeter lange wimpern
grüne unergründliche augen
beine bis zum horizont...
der kragen eine attrappe
laufmaschen in der strumpfhose
schuhe vom flohmarkt
auf dem i-phone hörte sie
„tennessee“ von jonny halliday
so kam sie in meine wohnung
ich riss ihr zuerst
die attrappe vom hals
zog ihr die schuhe aus
dann die Strumpfhose
und liebte sie
seither kein anruf mehr
und ich, ich idiot?
seither laufe ich und laufe
wie ein zombie durch paris
und höre tennessee...................
ICH STREICHLE MIT DER RECHTEN
MEINE KNOCHIGE LINKE
PEOPLE AIN‘T NO GOOD
NICK CAVE HÜLLT MICH
IN EINEN SCHLEIER
WIE GERNE WÜRDE ICH
JETZT SINGEN
ABER DU HAST NUR WORTE
SPRICHT SARAH KANE ZU MIR
IN EINER KÜHLEN FRÜHLINGSNACH?
GEHE ICH HINAUS
UND LEGE MICH IN DEN FLUSS
LASSE MICH TREIBEN
BIS ZUR BRÜCKE
MIT DEN STRUDELN
ICH SEHE DEIN GESICHT
DURCH EINEN HELLEN KORRIDOR
SO DEUTLICH WIE NIE
ALS ICH AUF GRUND GEHE
MÖCHTE ICH DICH RUFEN
ABER DU HAST KEINE WORTE
SPRICHT SARAH KANE ZU MIR
ICH HALTE SPRACHLOS
DEIN GESICHT
NICK CAVE SINGT
WE FUCKED UP THE SUN
eine millionen wortstriche
explodieren in meinem hirn
in flimmerrotgrün
male ich die serifen an
solange bis mir schwindlig
und ich mit den buchstabenkörpern
ins dunkelnichts
falle
hinter Milchglasscheiben
gehe ich im Kreis
ein Mandala mäandert
im Labyrinth meines Hirns
Verknüpfungen finden
die falsche Stelle
der Knoten löst sich nicht
ich wünsche mir einen
Mantel
neuschnee
Zehn Zentimeter Neuschnee scheiteln meine Seele zu Watte. Körperteile fallen in jener Nacht von einem Hochhaus.
Ich sitze unten und lache. Mit zurück gebogenem Kopf liege ich da. Die Schlange sitzt mir direkt im Gesicht. Angenehm kriecht sie mir über die Nase zwischen die Augen. Mein Nacken wird nicht wie sonst steif. Er entspannt sich. Ein hilfloser Käfer. Wieder das Zucken um die Mundwinkel. Es trägt. Ganz leicht. Federn fallen mir von den Augen und ich streiche sie fort wie Schneeflocken. Die Federn riechen. Das bin ich. Und dann schwebe ich. Jedoch dieser Geruch ist verräterisch. Arglos sehe ich mir zwischen die Beine. Jetzt die Schlange dazwischen. Sie hat Stierhoden. Ich packe sie. Die Schlange kriecht weiter in meinen Schlund und alle Öffnungen. Unersättlich ist sie wie ein kleines Ungeheuer. Ich finde ein Loch und berge meine Finger darin und bin eifersüchtig. Ich bin nicht Schlange sondern Loch. Ein zehn Zentimeter Loch.
Draußen danach grabe ich mit meinen Stiefeln zwanzig Zentimeter-Löcher in den Neuschnee, während ein Engelshaar aus dem Hochhaus auf meine Schulter fällt.
ALP
die Tür weit offen
der Gesank unermesslich
ein Bein steht entgegen
das Fleisch vergart
im Zimmer warten
im Hochhaus sitzen
Körper fallen
am Fenster vorbei
der Wunsch sich
sezieren zu lassen
eine Schlaftablette
der Körper ist weg
die glocke über der Stadt drückt
hier und da zupfe ich basilikum
regenschwanger brütet der himmel
ich nippe an meinem weißwein
einige lichter brennen noch
manchmal ein wort auf der tastatur
die nachbarin gießt die kräuter
ich ziehe an der zigarette
die häuser versinken im zwielicht
der bildschirm versengt meine augen
der lichtstreif eines flugkörpers
meine balkontür - weit geöffnet
die nachbarin schließt die glaspforte
noch eine zigarette
schwarze schlieren am horizont
noch ein nippen am weißwein
die stadt im dunkelnichts
tropfen fallen auf den bildschirm
es geht los
sommerende
morgen werde ich ROTWEIN trinken
ich trinke
und es wird mir nicht warm
dieser fahle abschied
als ich über ihren arm strich
und das nein
wir haben beide tränen