Lamas und Alpakas in der pädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen - Cosima Boyle - E-Book

Lamas und Alpakas in der pädagogischen Förderung von Kindern und Jugendlichen E-Book

Cosima Boyle

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Beschreibung

"Spucken die?" - "Kann man auf denen auch reiten?" - "Beißen die?" Es gibt viele Fragen, die beim ersten Kontakt mit Lamas und Alpakas auftauchen. Lamas faszinieren mit ihrer ruhigen und geheimnisvoll wirkenden Art viele Menschen. Die Autorin erläutert neben Grundlagenwissen zu Lamas und Alpakas die Möglichkeiten und Grenzen der tierbegleiteten Arbeit mit diesen Tieren. Ganz konkret beschreibt sie mögliche Angebote für verschiedene Zielgruppen, wie z.B. Kinder und Jugendliche mit ADHS, Depressionen oder Autismus. Die vielen anschaulichen Fallbeispiele lassen die Lamas und Alpakas für den Leser sehr lebendig werden und machen das Buch zu einer gelungenen Einführung für die pädagogische Arbeit mit diesen Tieren.

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Seitenzahl: 158

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Cosima Boyle, Dipl.-Pädagogin, ist in der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis Gifhorn tätig und bietet tierbegleitete Pädagogik mit Lamas und Alpakas auf ihrem Hof in der Altmark an.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03120-7 (Print)

ISBN 978-3-497-61598-8 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61599-5 (EPUB)

4. Auflage

© 2022 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Datamining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Coverbild unter Verwendung von Fotos von © iStock.com/A-Digit und Tom Boyle

Abb. 1–5, 7–9, 11–26 im Innenteil von Tom Boyle, Abb. 6 und 10 im Innenteil von Blandine Boyle

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Geleitwort von Ewald Isenbügel

Vorwort

1 Grundlagen der tiergestützten Arbeit mit Lamas und Alpakas

1.1 Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung

Biophilie • Kommunikation zwischen Mensch und Tier • Wirkungen von Tieren auf Menschen • Tiere als Entwicklungsbegleiter

1.2 Tiergestützte Angebote mit Lamas und Alpakas

Freizeitorientierte Angebote • Tiergestützte Angebote

2 Basiswissen über Lamas und Alpakas

2.1 Abstammung, Kultur und Zucht

Herkunft • Rassen im Überblick • Lamas und Alpakas in Mythen und Religion

2.2 Haltungsbedingungen

Stall und Weide • Futter und Ernährung • Pflege

2.3 Wesen, Verhalten und Kommunikation

Typische Verhaltensweisen • Eigenheiten der Kommunikation

2.4 Die Zusammensetzung einer Herde für die tierbegleitete Arbeit

2.5 Charakterliche Unterschiede von Kameliden

Der Kumpeltyp • Der scheue Typ • Der sture Typ

3 Pädagogische Räume und Lernorte

3.1 Im Stall

3.2 Im Tipi

3.3 Auf der Weide

3.4 Im Wald

4 Projekte, Aktionen und Settings

4.1 Die Tierbeobachtung

4.2 Die freie Begegnung

4.3 Das Treiben im Team

4.4 Das Halftern und Führen

4.5 Auf dem Hindernisparcours

4.6 Erlebnispädagogische Aktivitäten für Kinder ab 6 Jahren

4.7 Lamatrekking

5 Die Interventionsplanung

5.1 Interventionsbeispiele

6 Lamas und Alpakas in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Entwicklungs- und Verhaltensstörungen

6.1 Störungen des Sozialverhaltens und ADHS

6.2 Depressive Störungen

6.3 Autismus-Spektrum-Störungen

6.4 Lese-Rechtschreib-Schwäche

6.5 Essstörungen

6.6 Drogenmissbrauch

6.7 Posttraumatische Belastungsstörungen

7 Persönliche Voraussetzungen und Kompetenzen für die tierbegleitete pädagogische Arbeit mit Lamas und Alpakas

7.1 Grundlagen der Erlebnispädagogik

7.2 Expertinnen des Mediums Kleinkamel

7.3 Die pädagogische Kompetenz

Kommunikation und Gesprächsführung • Pädagogische Grundhaltungen

8 Hygienemaßnahmen, Haftpflicht, Tierschutz und gesetzliche Bestimmungen

8.1 Hygiene und Zoonosen

8.2 Tierhalterhaftpflichtversicherung

8.3 Tierschutz

Gesetzliche Bedingungen bei gewerblicher Nutzung • Sicherheit und Wohl der Tiere im Arbeitseinsatz

Literatur

Weiterführende Websites

Sachwortregister

Geleitwort

Der erzieherische Wert und die therapeutische Bedeutung von Tieren sind seit der Antike bekannt und genutzt – meist auf empirischer Erfahrung beruhend. Heute hat der Stellenwert von Tieren im Zusammenleben mit Menschen in der vielfältigsten Weise eine weltweit gesicherte wissenschaftliche und praktische Bestätigung erfahren. Das Aufwachsen von Kindern in Familien mit Haustieren wird für die Sozialisierung und Erlebniswelt des Kindes immer bedeutungsvoller. Tiere werden mittlerweile im therapeutischen Bereich, in der Medizin, Pädagogik und Heilpädagogik, Rehabilitation, Altersbetreuung, im Strafvollzug zur Wiedereingliederung sowie in der Führungs- und Kommunikationsschulung eingesetzt und diese Einsatzliste vergrößert sich ständig.

Alle diese Aktivitäten mit Tieren werden heute in bereichs- oder tierartenspezifischen Organisationen betreut, die zum Teil weltweit koordiniert und zertifiziert sind unter dem Begriff der tiergestützten Intervention und Begleitung. Das Artenspektrum der dabei eingesetzten Tiere erfährt eine ungeahnte Ausweitung bis hin zu wirbellosen Tieren. Den Anfang machten Pferde und Hunde, sehr schnell wurden seit den 1980er Jahren mit großem Erfolg aber auch Neuweltkameliden, d. h. Lamas und Alpakas, in vielen der oben genannten Bereichen eingesetzt. Lamas und Alpakas haben als Folge ihrer 7000 Jahre alten Domestikation und Nutzung in den Anden Perus und aufgrund ihres ausgeprägten Sozialverhaltens natürliche Voraussetzungen zum Einsatz im Trekking und tiergestützter Pädagogik und Therapie. Bei kenntnisreicher Haltung, Handling und Einsatz gibt es kaum eine Tierart, die so kommunikationsbereit ist und eine so vertrauensvolle taktile Annäherung erlaubt. In der internationalen Organisation ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy) spielt die AATLA (Animal Assisted Therapie with Llama and Alpaca) eine bedeutende Rolle. Im vorliegenden Buch wird der Einsatzbereich von Lamas und Alpakas für den Bereich der (Erlebnis-) Pädagogik eindrücklich dargestellt.

Das Buch ist fachlich ausgezeichnet, trotzdem gut lesbar und strukturiert angelegt. In Grundsatzkapiteln wird der Kommunikation zwischen Mensch und Tier Rechnung getragen. Das Verhalten der Kameliden, die Deutung ihres Ausdruckverhaltens als Grundlage einer artgerechten Haltung und der Einsatz in den pädagogischen Maßnahmen wird beschrieben – dabei wird den unterschiedlichen Verhaltenstypen Rechnung getragen. Die körperlichen und seelisch-sozialen Auswirkungen einer Kommunikation mit Lamas und Alpakas im heutigen mediengeprägten Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen beeindrucken. Die Autorin schildert die Wichtigkeit der persönlichen Voraussetzungen und pädagogischen Kompetenzen im Einsatz von Tieren und die Wirkungszusammenhänge innerhalb der Erlebnispädagogik mit Neuweltkameliden. Informationen zu rechtlichen Grundlagen, Tierschutz und Hygienemaßnahmen runden das instruktive Buch ab.

Greifensee / CH, im Januar 2014

Prof. Dr. Ewald Isenbügel

Vorwort

„Spucken die?“, „Kann man auf denen auch reiten?“, „Warum legt der die Ohren an, mag der mich nicht?“, „Beißen die?“ Das erste Kennenlernen der Lamas und Alpakas ist immer von vielen Fragen geprägt. Fragen, die mich an meine ersten direkten Begegnungen mit diesen Tieren erinnern, als ich 1992 die bolivianischen Anden durchquerte.

Bei meiner Trekkingtour begleitete mich damals ein Pony, das mein Gepäck trug. Obwohl Lamas an das karge Futterangebot des Altiplano (Andenhochebene) viel besser angepasst sind, bevorzugte ich das Pony als Lasttier, da mir seine Verhaltensweisen wesentlich vertrauter waren. Ich kannte die höckerlosen Kleinkamele Südamerikas nur aus Zoos und Tierparks und konnte mir nicht vorstellen, wie ich mit diesen für mich fremdartigen Wesen zurechtkommen sollte.

Auf meiner Wanderung konnte ich die beiden Haustierrassen Lama und Alpaka sowie die Wildformen Guanako und Vikunja in freier Wildbahn beobachten. Während sich die kleinen Vikunjas und die Guanakos scheu und unnahbar, wie unser heimisches Rehwild, verhielten, wirkten die Lamas stolz und geheimnisvoll. Sie beobachteten mich mit ruhigem Blick und beeindruckten mich mit ihren gelassenen und würdevollen Bewegungen. Die Lamas hatten mich in ihren Bann gezogen, oder wie man in „Lamakreisen“ sagt: der „Lamavirus“ hatte mich gepackt.

Diese Tiere einmal selbst zu halten, war von da an Teil meiner Zukunftsplanung. Dabei entdeckte ich, dass es in Deutschland Einrichtungen gibt, die Lamas als Begleittiere bei der tiergestützten Arbeit einsetzen. Von da an stand für mich fest, dass diese Tiere auch Bestandteil meiner pädagogischen Arbeit werden sollten. Zunächst wollte ich eigene Lamas besitzen, um mir ein Bild vom Wesen der Tiere und den damit verbundenen Ressourcen für den pädagogischen Einsatz machen zu können.

Im Sommer 2004 zogen die ersten beiden Lamas auf meinem Hof ein. Vom Frühjahr 2007 bis zum Ende des Jahres 2009 nahm ich an der fachspezifischen Ausbildung für tiergestützte Interventionen mit landwirtschaftlichen Nutztieren, Schwerpunkt Lamas und Alpakas, beim Ausbildungsinstitut AATLA (Animal Assisted Therapy with Llamas and Alpacas) teil.

Heute leben auf meinem Hof Lamas, Alpakas, Hunde und Katzen. Meine Kameliden setze ich seit 2007 als Begleittiere in der Pädagogik ein und habe eine Vielfalt von Lernchancen entdeckt, die durch das besondere Wesen dieser Tierart möglich werden.

Dieses Buch soll dazu beitragen, dass die tierbegleitete pädagogische und therapeutische Arbeit mit Lamas und Alpakas bekannter wird. Außerdem möchte ich die literarische Lücke in diesem Bereich schließen, damit jedem ein informativer und detaillierter Blick auf dieses Arbeitsfeld möglich ist. Auch wenn dieses Buch einen genauen Einblick in die praktische Arbeit mit diesen Tieren gewährt, ersetzt es nicht die Notwendigkeit der praktischen Ausbildung für diejenigen, die tiergestützt mit Menschen und Kameliden arbeiten wollen.

Anmerkung: Damit ein ungestörter Lesefluss gewährleistet ist, verzichte ich auf umständliche Schreibweisen wie Pädagogen und Pädagoginnen oder Züchter / innen, Klient / in. Da ich aus Sicht einer Pädagogin schreibe und es eine höhere Zahl weiblicher Personen in diesem Berufsstand gibt, habe ich für das pädagogische Berufsfeld die weibliche Form gewählt. Natürlich sind damit auch alle männlichen Vertreter pädagogisch oder therapeutisch ausgerichteter Berufe gemeint. Für andere Personengruppen verwende ich stellvertretend die männliche Form. Auch hier sind selbstverständlich alle weiblichen Personen ebenfalls angesprochen.

Klötze / Quarnebeck, im Februar 2019

Cosima Boyle

1 Grundlagen der tiergestützten Arbeit mit Lamas und Alpakas

Angebote mit Tieren in den Bereichen Freizeit, Pädagogik und Therapie erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Es gibt vielfältige Maßnahmen, bei denen Hunde und Pferde als Begleittiere eingesetzt werden. Immer häufiger sind es auch Lamas und Alpakas, die sowohl für freizeitorientierte Angebote als auch für pädagogische und therapeutische Ziele eingesetzt werden.

In diesem Kapitel soll der Blick auf die Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung beantworten, warum der Einsatz von Tieren grundsätzlich hilfreich und förderlich ist.

Im Anschluss werden die üblichen Angebotsformen der tiergestützten Arbeit mit Lamas und Alpakas vorgestellt.

1.1   Grundlagen der Mensch-Tier-Beziehung

Tiere befriedigen immaterielle Bedürfnisse, die in unserer zunehmend technisierten Lebenswelt und einer Gesellschaft, in der Bindungen unverbindlicher werden, oft unberücksichtigt bleiben. Menschliche Bedürfnisse, die innerhalb der Mensch-Tier-Beziehung ausgelebt werden, können sein:

●  Gebraucht-Werden / für jemanden da sein

●  Erfahren einer stabilen Bindung / verlässlicher Treue

●  Erleben von erwartungsloser Zuneigung / bedingungsloser Akzeptanz

●  Spüren von Schutz, Sicherheit und Geborgenheit

●  Besitzen eines Partners und Gefährten

●  Verstanden-Werden, ohne sich erklären zu müssen

●  Erhalten von Anerkennung (das Tier als Prestigeobjekt, Statussymbol und Aufwertung der eigenen Person)

●  Erleben von Natürlichkeit in einer technisierten Welt

●  Wahrnehmen von Ästhetik und Schönheit

Durch diese Aufzählung wird deutlich, dass Tiere unsere Gefühlswelt maßgeblich beeinflussen können. Zumindest höhere Säugetiere verfügen über eine, dem Menschen ähnliche, Affektskala. Sie zeigen ebenso Freude, Erregung, Zärtlichkeit, Anteilnahme, Übermut, Erwartung, Langeweile, Trauer, Angst usw. wie der Mensch. Diese Verhaltensweisen verleiten leicht zur Vermenschlichung von Tieren (Anthropomorphismus). Jedoch bleibt, so Greiffenhagen, die Beziehung zwischen Mensch und Tier immer ungleich, da der Mensch im Gegensatz zum Tier ein „Ich“ hat und sich dessen immer bewusst ist (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009).

Biophilie

Der Psychologe Erhard Olbrich (2003), der als einer der Gründerväter der Mensch-Tier-Forschung in Deutschland gilt, zieht die Biophilie als Erklärung für die positiven Wirkungen, die Tiere auf Menschen haben, heran. Kellert (Olbrich 2003) beschreibt die Biophilie als eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung zum Leben und zur Natur. Sie sei von fundamentaler Bedeutung für die Entwicklung der Person. Der Mensch hat sich über Jahrtausende hin für ein Leben in und mit der Natur entwickelt. Die menschlichen Sinne, Wahrnehmungsleistungen und Bedürfnisse sind auf dieses natürliche Leben abgestimmt. Eine Entwicklung, die ausschließlich innerhalb virtueller Welten und im hoch technisierten Umfeld stattfindet, kann folglich nicht zur vollen Entfaltung der Persönlichkeit führen (Olbrich 2003). Auch Greiffenhagen sieht die Biophilie als Motivation an, sich mit Tieren zu beschäftigen und sie verstehen zu wollen (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009).

Die Begegnung mit Lamas und Alpakas findet vorwiegend im Freien statt. So wirken die entwicklungsfördernden Aspekte des Aufenthaltes in der Natur von selbst während des Tierkontaktes. Das Erleben von Natürlichkeit sowie die ästhetische Erscheinung der Lamas und Alpakas tragen während und nach Interventionen mit diesen Tieren zum Aufbau einer positiven Grundhaltung der Klienten bei.

Kommunikation zwischen Mensch und Tier

Da Mensch und Tier sehr unterschiedlich in ihrer Art zu kommunizieren sind und sich dennoch verstehen können, muss ein gegenseitiges Voneinander-Lernen stattfinden und stattgefunden haben. Auch menschliche Sozialpartner müssen sich aufeinander abstimmen, damit ein harmonisches Zusammenleben möglich ist. Obwohl Menschen eine gemeinsame Sprache sprechen und sich folglich viel besser verstehen als Mensch und Tier, ist die Kommunikation über Gefühle oft unklar. Hier stößt die gesprochene menschliche Sprache häufig an Grenzen oder führt zu Missverständnissen und Verwirrungen. Höflichkeitsregeln, Schamgefühle, Angst vor Ablehnung oder davor, Gefühle zu verletzen usw. beeinflussen das, was wir sagen, in hohem Maße, sodass unsere wahre Meinung oft nicht mit dem Gesagten übereinstimmt. Durch nonverbale Anteile der Nachricht wird die wahre Meinung mittransportiert, die sich nie gänzlich verbergen lässt. Je größer die Diskrepanz innerhalb der Botschaft ist, desto unehrlicher wirkt sie und ruft beim Empfänger Gefühle der Verwirrtheit, Unsicherheit und Verärgerung hervor. Diese Unstimmigkeit (Inkongruenz) gibt es innerhalb von Mensch-Tier-Beziehungen nicht. Auch die kraftraubenden Anstrengungen der Selbstdarstellung und Selbstverbergung (Schulz v. Thun 2006) fallen bei der Interaktion mit Tieren weg. Beim Kommunikationspartner Tier braucht der Mensch nicht zu befürchten, dass er bewussten Manipulationen ausgesetzt ist, denn Tiere sind nicht berechnend und zeigen uns Menschen immer direkt und deutlich, was sie wollen.

Typisch für Lamas und Alpakas ist es z. B., durch Vergrößern und Verkleinern der Distanz, also durch direkt verständliche Verhaltensäußerungen, zu kommunizieren. Bei genauerer Beobachtung des Tieres erschließt sich auch meistens, aus welchem Motiv heraus (z. B. Misstrauen, Neugierde, Ablenkung durch andere Tiere, Hunger) es sich entfernt oder nähert. Durch freundliche Annäherung zeigen Lamas und Alpakas deutlich, dass sie an einem Menschen interessiert sind und ihn akzeptieren. Das Gefühl von Zuneigung wird auch dann sichtbar, wenn sich die Lamas mit ihren langen Hälsen zum Menschen hinneigen. Die großen Augen und Ohren der Tiere scheinen ständig auf Empfang zu sein, um alle Kommunikationssignale zu erfassen. Dieser Ausdruck von Aufmerksamkeit, gepaart mit dem friedlichen, kuscheligen Erscheinungsbild und der vorwiegend sanften Art der Annäherung, macht die Lamas und Alpakas zum idealen tierischen Kommunikationspartner im Hinblick auf pädagogische und therapeutische Ziele.

Abb. 1: Zuneigung im doppelten Sinn

Besonders Kindern, die noch über wenig Sprachgewandtheit verfügen, kommt die analoge Verständigung entgegen, außerdem entspricht sie dem entwicklungsbedingten Bedürfnis nach spontanem Gefühlsausdruck. Sie fühlen sich als Interaktionspartner weniger unterlegen, ebenso wie Erwachsene, die in ihren Sprach- und Sprechfähigkeiten eingeschränkt sind.

Die Mensch-Tier-Kommunikation kann aus akustischen (Rufen, Bellen, Wiehern), taktilen (Streicheln), visuellen (Körperhaltung, Gesten) oder olfaktorischen (den Geruch betreffend, Schnuppern) Anteilen bestehen.

Im professionellen Einsatz von Tieren lässt der Erfolg des Mensch-Tier-Dialoges Rückschlüsse auf die Qualität des Angebots zu. Eine Anbieterin tiergestützter Pädagogik, die die Stressreaktionen eines Lamas nicht berücksichtigt, erkennt sie entweder nicht oder ignoriert sie bewusst. Beide Verhaltensweisen stellen die Qualität des Angebots infrage.

Wirkungen von Tieren auf Menschen

Aus Sicht von Wissenschaft und Forschung gibt es verschiedene Untersuchungen bezüglich der Wirkung von Tieren auf Menschen. Die Wirksamkeit tiergestützter Interventionen nachzuweisen ist schwierig, da das Tier immer nur Teil eines therapeutischen Gesamtkonzeptes ist und systemische Wechselwirkungen physiologischer, psychischer und sozialer Art vorliegen, die einen Prozess bedingen. Einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, wie z. B. bei medikamentösen Therapien, liegen hier nicht vor.

Messbare Daten, wie Körpertemperatur, Blutdruck, Puls, Hormonspiegel oder Blutzuckerwerte sind jedoch geeignet, um wissenschaftlich anerkannte Studien zu liefern. So wurde bei Versuchspersonen festgestellt, dass sich das Streicheln eines Tieres blutdrucksenkend auswirkt (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009). Außerdem werden biochemische Veränderungen und neuroendokrine Wirkungen, wie Schmerzverringerung, Beruhigung und euphorisierende Effekte, durch Freisetzung von Beta-Endorphinen ausgelöst, was sich stabilisierend auf das Immunsystem auswirkt. Diese Effekte werden bei Interaktionen mit Tieren durch Spielen und Lachen hervorgerufen (Otterstedt 2003).

In diesem Zusammenhang eignen sich Lamas nicht als Spielpartner im klassischen Sinne, da sie keinen Spieltrieb haben, wie z. B. Hunde. Durch die Interaktion mit ihnen entstehen aber zahlreiche Situationen, die Fröhlichkeit und Lachen bedingen. So ist z. B. immer wieder zu beobachten, dass es für Kinder und Erwachsene ein großes Vergnügen ist, mit den Lamas ein Stück schnell zu laufen. Zwar ist es nicht leicht, Lamas und Alpakas unterwegs zum Laufen zu animieren – aber wenn es gelingt, ist es immer ein Highlight, das allen Spaß macht. Die Eigenheit, dass den Lamas oft ein langer Halm Gras oder Heu aus dem Maul hängt, sorgt ebenfalls häufig für Heiterkeit.

Im Allgemeinen tragen Tiere auch zu einer Verbesserung des Gesundheitsverhaltens bei, indem sie zur Einhaltung einer Tagesstruktur und Bewegung auffordern, was oft mit einer Reduzierung von Übergewicht, Alkohol- und Nikotinkonsum einhergeht. Die Versorgung und der Umgang mit Tieren bringen viele Lernchancen und kognitive Anregungen mit sich. Die Anwesenheit von Tieren wirkt Stress entgegen und vermittelt Ruhe und Entspannung (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009). Hier sind Lamas und Alpakas mit ihrer Gelassenheit und der ausgleichenden Wesensart besonders wirkungsvoll. Dieser Effekt unterstützt auch soziale Situationen, in denen Tiere als Katalysatoren Kontakte zu anderen Menschen ermöglichen.

Greiffenhagen führt eine Studie an, die belegt, dass Menschen, die sich in Begleitung eines Tieres befinden, sympathischer, interessanter und attraktiver auf andere Menschen wirken (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009).

Tiere als Entwicklungsbegleiter

Tiere stehen Kindern in vieler Hinsicht nahe. Bergler weist darauf hin, dass Tiere viel mehr für Kinder bedeuten, als Erwachsene sich vorstellen könnten (Bergler nach Prothmann 2008). Tiere sind in ganz anderem Umfang für Kinder da als Eltern oder andere Erwachsene es sein können:

●  Das Tier ist da, wenn das Kind Sorgen hat und Trost braucht.

●  Das Tier schickt das Kind nicht weg, weil es gerade keine Zeit hat.

●  Das Tier ist ein geduldiger, zuverlässiger und verschwiegener Zuhörer.

●  Das Tier widerspricht nicht, schimpft nicht, will nicht erziehen.

●  Das Tier stellt keine Fragen und Bedingungen.

Tiere helfen Kindern nicht nur, ihre eigenen Gefühle zu verarbeiten, sondern tragen auch zur Empathiefähigkeit und Empathiebereitschaft des Kindes bei. Studien belegen, dass bei Kindern, die mit Tieren aufgewachsen sind, das Einfühlungsvermögen, Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein besser entwickelt ist als bei Kindern, die ohne Tiere aufwachsen (Otterstedt 2001).

Mit der weiteren Ausdifferenzierung seines Denkens gelingt es dem Kind im Laufe des Vorschulalters immer mehr, Wissen über das Tier zu erlangen und das Wesen und die Eigenschaften des tierischen Gefährten realistischer einzuschätzen. Mit zunehmendem Alter wird das Kind auch immer kompetenter in seinen Fähigkeiten, zu erkennen und zu verstehen, welche Bedürfnisse das Tier hat und was nötig ist, um sie zu erfüllen. Das Kind lernt, sein Verhalten auf das Tier auszurichten und sich nicht ausschließlich auf die eigene Bedürfnisbefriedigung zu konzentrieren. Nun ist es auch möglich, dass durch das Tier dem kindlichen Bedürfnis, für etwas zu sorgen und verantwortlich zu sein, nachgekommen werden kann. Um das eigene Tier pflegen zu können, erwirbt das Kind selbstgesteuert Fachwissen und Fähigkeiten, damit es seine Aufgabe verantwortungsvoll erfüllen kann. Ein Tier weitgehend selbst versorgen zu können, vermittelt Kindern Sicherheit und Selbstvertrauen.

Abb. 2: Der kompetente Umgang mit Tieren vermittelt Selbstvertrauen

Den Anforderungen für die Versorgung von Alpakas oder Lamas sind Kinder ab dem Grundschulalter – mit entsprechender Anleitung und Unterstützung durch Erwachsene – gewachsen. Lamas und Alpakas, die im Kontext einer stationären Einrichtung für Kinder und Jugendliche (psychiatrische Klinik, Wohngruppe) oder einer Schule gehalten werden, können für die jungen Menschen einen nachhaltigen Beitrag zum Aufbau von Selbstbewusstsein, angemessenem Sozialverhalten und praktischen Kompetenzen leisten. Der Stall oder die Weide kann dann Schutzraum und Rückzugsort werden, wenn das Kind Erholung vom Schulalltag oder einem konfliktreichen Familienleben braucht. Besonders, wenn das Schulkind Leistungsdruck und Misserfolge zu verkraften hat, kann ein Tier das seelische Befinden stabilisieren, denn es erwartet keine guten Noten und zeigt bedingungslose Akzeptanz.

Tiere unterstützen aber nicht nur die seelische Gesundheit der Schulkinder, sondern auch die körperliche, wie eine Studie zum Zusammenhang zwischen Kindergesundheit und Tierhaltung zeigt. Außerdem versäumten Kinder mit Haustieren bis zu 18 Tage weniger den Schulunterricht, als Kinder, die kein Tier hatten (Greiffenhagen / Buck-Werner 2009).

Hat sich der kindliche Organismus mit Schule, Versagensängsten und Leistungsdruck mehr oder weniger arrangiert, steht die nächste große Anpassungs- und Entwicklungsaufgabe bevor: die Pubertät. Die Jugendlichen müssen gleichzeitig sich selbst und ihren Platz in der Gesellschaft finden. Auf