Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht - Ernst Anselm - E-Book

Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht E-Book

Ernst Anselm

3,7

Beschreibung

Das in einer aktualisierten Neuausgabe vorliegende Handbuch begründet erstmalig eine allgemeine Didaktik des Instrumentalunterrichts. Es beschreibt fächerübergreifend Ziele, Lerninhalte und Lehrmethoden und bietet eine Fülle von detaillierten Vorschlägen für die Praxis. Der Leser erfährt Wesentliches über die Gestaltung der Lehrer-Schüler-Beziehung, das körpersprachliche Verhalten im Unterricht und die Förderung von Lernprozessen. Der instrumentale Gruppenunterricht wird in einem ausführlichen Kapitel behandelt. Das Buch stellt somit umfassend die zentralen Aspekte pädagogischer Professionalität dar.

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Das in einer aktualisierten Neuausgabe vorliegende Handbuch begründet erstmalig eine allgemeine Didaktik des Instrumentalunterrichts. Es beschreibt fächerübergreifend Ziele, Lerninhalte und Lehrmethoden und bietet eine Fülle von detaillierten Vorschlägen für die Praxis. Der Leser erfährt Wesentliches über die Gestaltung der Lehrer-Schüler-Beziehung, das körpersprachliche Verhalten im Unterricht und die Förderung von Lernprozessen. Der instrumentale Gruppenunterricht wird in einem ausführlichen Kapitel behandelt. Das Buch stellt somit umfassend die zentralen Aspekte pädagogischer Professionalität dar.

Prof. Dr. Anselm Ernst lehrte Musikpädagogik im Studiengang der Instrumental- und Gesangslehrer an der Musikhochschule Freiburg. Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung sind Didaktik des Instrumental- und Gesangsunterrichts, Gruppenunterricht und Mentales Training.

Anselm Ernst

Lehren und Lernenim Instrumentalunterricht

Ein pädagogisches Handbuchfür die Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Bestellnummer SDP 57

ISBN 978-3-7957-8605-2

© 2016 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Alle Rechte vorbehalten

Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer ED 8718

© 1991, 2012 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

www.schott-music.com

www.schott-buch.de

Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung kopiert und in ein Netzwerk gestellt werden. Das gilt auch für Intranets von Schulen oder sonstigen Bildungseinrichtungen.

Coverabbildung: MonkeyBusiness / Fotolia.com

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Analyse und PlanungGrundzüge einer allgemeinen Didaktik des Instrumentalunterrichts

Das Didaktik-Modell der Berliner Schule

1.  Unterrichtsziele

Die Bedeutung von Unterrichtszielen

Die Hierarchie der Ziele

Zielbereiche

Lehrziele und Lernziele

Allgemeine und konkrete Zielsetzungen

Zusammenfassung

2.  Lernfelder und Unterrichtsinhalte

Beispiele

Erstes Beispiel: Cellostunde

Zweites Beispiel: Querflötenstunde

Drittes Beispiel: Klavierstunde

Lernfelder

Persönliches Gespräch

Übe-Methoden

Zusammenspiel

Interpretation

Improvisation

Elementares Komponieren

Blattspiel

Auswendigspiel

Spieltechnik

Körperschulung

Musiktheorie

Werkanalyse

Hörerziehung

Musikgeschichte

Methoden der inhaltlichen Gestaltung von Unterricht

3.  Unterrichtsmethodik

Aktionsformen

Methodische Prinzipien

Lenkung – Selbsttätigkeit/Selbstbestimmung

Sprache – Körpersprache

Arbeit – Spiel

Anschaulichkeit – Begrifflichkeit

Ganzheitlichkeit – Elementenhaftigkeit

Direktheit – Indirektheit

Abschließende Bemerkungen

Methoden

Erarbeitendes Verfahren (Klavierstunde)

Modell-Methode (Geigenstunde)

Darstellendes Verfahren (Querflötenstunde)

Aufgebendes Verfahren (Fagottstunde)

Entdeckenlassendes Verfahren (Klavierstunde)

Dialog-Methode (Schlagzeugstunde/Vibraphon)

Abschließende Gesamtbewertung

Unterrichtsaufbau

4.  Unterrichtsplanung

Der Sinn des Planens

Beispiele

Erstes Beispiel: Fagottstunde

Zweites Beispiel: Querflötenstunde

Drittes Beispiel: Klavierstunde

Viertes Beispiel

Durchführung von Unterricht

Vorbemerkung

1.  Die Lehrer-Schüler-Beziehung

Die Bedeutung des zwischenmenschlichen Verhältnisses

Das Selbstkonzept

Erwartungen

Die emotionale Einstellung

Offenheit

Ich-Botschaften

Aktives Zuhören und einfühlendes Verstehen

2.  Körpersprache

Forschung und pädagogische Ausbildung

Allgemeine Charakterisierung der Körpersprache

Allgemeine Vorschläge für die Praxis

Körperkontakt

Mimik

Gestik

Blick und Blickkontakt

„Die Musik der Stimme“

Körperhaltung

Räumliches Verhalten

Äußere Erscheinung des Schülers

3.  Unterrichtssprache

Sprache und Lehrstile

Das Ausmaß des Sprechens

Die Verständlichkeit der Sprache

Fragen

Schweigen

Sprachstil

Negatives positiv ausdrücken

Lehrerecho

„Ich“ oder „du“ statt „wir“

Jugendjargon

4.  Die Förderung von Lernprozessen

Lernhilfen

Lernverstärkung

5.  Der Gruppenunterricht

Vorbemerkung

Thesen zum Gruppenunterricht

Gruppenunterricht und Einzelunterricht im Vergleich

Die Gruppe

Gruppengröße

Gruppengröße als methodisches Problem

Pädagogische Inanspruchnahme

Gruppengröße und Gruppendynamik

Zusammensetzung der Gruppe

Gruppenfiguren und Verhaltenstypen

Rangordnungen

Konkurrenz

Nivellierungstendenz

Gruppenatmosphäre und Gruppenführung

Methodische Probleme des Gruppenunterrichts

Allgegenwärtigkeit

Überlappung

Sprunghaftigkeit und Reibungslosigkeit

Mobilisierung der Gruppe

Vorschläge für die Gruppenmobilisierung

Innere Differenzierung

Medien

Beobachten – Bewerten – Trainieren

Vorbemerkung

Beobachten und Bewerten als Ausbildungsschwerpunkt

Erläuterungen zum Unterrichtsmodell

Typische Fehler beim Beobachten und Bewerten von Unterricht

Fragen zur Unterrichtsplanung

Praktische Leitlinien für ein informatives Protokoll

Grundzüge eines Bewertungssystems

Orientierungsfragen für eine persönliche Stellungnahme

Lehrtraining oder die „Schule der Geläufigkeit“

Literaturverzeichnis

Vorwort

Kaum jemand würde leugnen, daß ein Instrumentallehrer auch „Pädagoge“ ist. Aber warum davon viel Aufhebens machen? Sind nicht eine fundierte musikalische und instrumentaldidaktische Ausbildung die eigentlichen Voraussetzungen für die Berufstätigkeit, während man das pädagogische Geschick erst in langen Jahren gründlicher Praxiserfahrung erwirbt?

Als ich vor einigen Jahren die musikpädagogischen Ausbildungsaufgaben im Studiengang „Instrumentallehrer“ an der Musikhochschule Freiburg übernahm, erschien mir diese gängige Meinung zunächst einleuchtend. Doch bald kamen Zweifel auf. Um mir Klarheit in dieser Frage zu verschaffen, begab ich mich nach Jahren rein wissenschaftlicher Lehrtätigkeit wieder in die Praxis. Ich erlebte aufs neue die Höhen und Tiefen des Unterrichtsalltags. Besonders deutlich aber empfand ich, wie wichtig es ist, das Lehren pädagogisch niveauvoll zu gestalten, zumal die Ansprüche an mein eigenes Unterrichten sprungartig gestiegen waren. Mir wurde bewußt, daß meine eigene Lehramtsausbildung nur in sehr geringem Maße zu meiner pädagogischen Professionalität beigetragen hatte. Der Rückblick auf Form und Verlauf der Ausbildung zeigte mir, daß gerade im Bereich der pädagogischen Qualifizierung ein eklatantes Defizit herrschte, während die fachliche und fachdidaktische Seite im Übermaß betont wurde. Und dieser Zustand ändert sich nur langsam.

Folgende Gründe lassen sich dafür anführen: Viele Lehrkräfte haben immer noch nicht zur Kenntnis genommen, daß für eine pädagogische Berufsqualifizierung ein umfangreiches Grundlagenwissen bereits zur Verfügung steht. Und dieses Grundlagenwissen kann durch ein regelrechtes Lehrtraining in handfestes Können umgesetzt werden. Noch schwerer aber wiegt der Umstand, daß die pädagogische Professionalisierung – im Gegensatz zur fachlichen und fachdidaktischen – nicht nur ein sachliches, sondern auch ein sozial-emotionales Lernen erfordert. Die Konfrontation mit der eigenen Person läßt sich nicht vermeiden; oftmals verläuft sie unangenehm und schmerzlich, wenn sich nämlich die persönlichen sozialen Einstellungen, seelischen Strukturen oder zwischenmenschlichen Verhaltensmuster als ungünstig und bedenklich erweisen. Zudem empfinden es viele als Zumutung, für eine pädagogisch qualifizierte Lehrtätigkeit die eigene Person verändern zu sollen. Unter Berufung auf die verhängnisvolle Formel: „Entweder man hat pädagogisches Geschick, oder man lernt es nie“, versucht man dem Anspruch zu entfliehen, der aus der Aufgabenstellung erwächst. Mehr noch als an den Ausbildungsinstitutionen für die allgemeinbildenden Schulen huldigt man an den Musikhochschulen und Konservatorien diesem törichten Vorurteil, ganz zu schweigen davon, daß hier die Notwendigkeit einer speziell pädagogischen Ausbildung kaum erkannt wird. Auch über Ausmaß und Inhalte herrscht zumeist Unkenntnis.

Das vorliegende Buch soll auf diese defizitäre Ausbildungssituation aufmerksam machen. Es vermittelt in komprimierter Form das grundlegende pädagogische „know how“ und zeigt Wege für eine sinnvolle Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit auf. Zu wünschen wäre, daß ergänzende Publikationen an seine Seite treten und dazu beitragen, eine angemessene pädagogische Instrumentallehrer-Ausbildung Wirklichkeit werden zu lassen.

Wahrend meiner Arbeit am Manuskript konnte ich mich der freundlichen Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen verschiedener Instrumentalfächer versichern. Im regen Austausch mit ihnen erhielt ich wichtige Beispiele, Erfahrungen und Überlegungen aus ihrer alltäglichen Unterrichtspraxis. Die im Buch versteuten „anonymen“ Zitate – in den Kapiteln Die Lehrer-Schüler-Beziehung und Der Gruppenunterricht treten diese Zitate gehäuft auf – entstammen den Gesprächen mit ihnen. Mein herzlicher Dank gilt Dr. Nanny Drechsler, Sven Kiebler, Gundula Leuschner, Frauke Roth, Dr. Wolfgang Rüdiger, Jutta Schwarting, Michael Stecher, Günter Theis, Sabine Waldstein und Gabriele Wöller.

Einleitung

Vor mehr als zehn Jahren stellten Popharn und Baker – zwei Forscher in den USA – ein Experiment an, dessen Ergebnisse geradezu entlarvend sind. Die beiden Wissenschaftler wollten herausfinden, ob zwischen Lehrern und Nicht-Lehrern ein Unterschied in den Lehrfertigkeiten besteht. Der Unterricht von Lehrern, so könnte man mit Recht erwarten, sollte eigentlich aufgrund von Ausbildung und Berufserfahrung qualifiziertere Ergebnisse aufweisen als der von Nicht-Lehrern. Ausgestattet mit einer Liste von Lernzielen und methodischen Hinweisen sollte nun eine jeweils gleich große Anzahl von Lehrern und Nicht-Lehrern eine vierstündige Unterrichtseinheit über einen festgelegten und ausgearbeiteten Lehrstoff erteilen. Die Lehr-Erfolge wurden anschließend verglichen. Das Ergebnis veranlaßte Popharn und Baker, ironisch festzustellen, daß Hausfrauen in dieser Situation ebenso effektiv unterrichten wie ausgebildete Lehrer. Die beiden Forscher wiederholten den Versuch mit einer weit größeren Gruppe von Versuchspersonen und kamen zu den gleichen Einsichten1.

Zwangsläufig stellt sich die Frage, ob das Experiment auch eine Aussagekraft für die Berufstätigkeit von Instrumentallehrern hat. Wie sieht es mit der Professionalisierung ihres Lehrens aus? Ist ihr Unterrichten ähnlich laienhaft und unentwickelt wie das der oben apostrophierten Nicht-Lehrer?

Wenn man nachfragt, worin die pädagogische Professionalität im einzelnen besteht, und wenn man offen Rechenschaft über das erreichte Niveau ablegt, muß man die Frage mit Ja beantworten. Im Gesamtspektrum der beruflichen Qualifikationen des Instrumentallehrers kommen die pädagogischen Fähigkeiten immer noch zu kurz.

Da erscheint der Unterricht eher wie eine Blattspielübung: Ohne spezielle Vorbereitung begibt man sich ans Unterrichten. Man weiß noch nicht so recht, was einem begegnet. Spontan versucht man die Situation zu erfassen und zu bewältigen. Man lebt sozusagen von der Hand in den Mund, weil ein fundiertes pädagogisches Wissen und Können nicht zur Verfügung steht. Gerade unter solchen Bedingungen wächst dann die Neigung, sich pädagogischen Alltagstheorien anzuschließen. Oft tritt im Laufe der Berufstätigkeit eine dogmatische Verhärtung in zentralen und grundlegenden Fragen ein. Unterrichtsgewohnheiten bilden sich aus, die kaum befragt, geschweige denn einer Revision unterzogen werden. Man kann sich nicht darauf verlassen, daß mit wachsender Berufser fahrung das Verhalten von Lehrern automatisch vielseitiger und flexibler wird. Wie jeder aus seiner eigenen Schulzeit weiß, kann das Lehrerverhalten manchmal so schematisch werden, daß die Schüler die Lehrerreaktionen teilweise wörtlich vorhersagen und geradezu experimentell auslösen können. Die Berufssituation begünstigt eher Rigidität des Verhaltens als Variabilität und Flexibilität.2

Gleichwohl regt sich Widerspruch: Unbestritten dürfte sein, daß es eine große Zahl wirklich erfolgreicher Instrumentallehrer gibt, die beweisen, daß der pädagogische Professionalitätsanspruch erfüllt wird. Und schließlich: Muß man nicht letztlich als Pädagoge „geboren“ sein?

Unter Musikern ist diese Meinung erstaunlich oft zu hören. Erstaunlich deshalb, weil gerade Musiker keine Anstrengung scheuen, durch unablässiges Üben ihre sogenannte Begabung auszuschöpfen. Und das widerspricht nun einmal dem Festgelegtsein durch angeborene Fähigkeiten.

Was hat es also mit dem „geborenen“ Pädagogen auf sich? Mit etwas Ironie könnte man zunächst fragen: Ist nicht jeder ein „geborener“ Pädagoge? Lehren ist ein derart alltägliches Phänomen, daß jeder Mensch oft genug in diese Situation gerät. Es ist frappierend zu beobachten, wie schon ein vierjähriges Kind spontan und geradezu förmlich seinen noch jüngeren Bruder oder seine Schwester belehrt. Dennoch soll nicht geleugnet werden, daß manche Menschen vielleicht aufgrund angeborener, sicherlich aber auch aufgrund zufällig und nebenbei erworbener Dispositionen ein auffälliges Geschick im Unterrichten besitzen. Forscher haben sich denn auch die Frage gestellt, was einen außergewöhnlichen Lehrer auszeichnet. Die Entschlüsselung seines Erfolgsgeheimnisses erbrachte nicht einmal sonderlich überraschende Ergebnisse. Die Aussagen konzentrieren sich auf einige wenige Punkte:

Als erstes wären die menschlichen Qualitäten zu nennen, die einen Lehrer zur Gestaltung einer ausgesprochen achtungsvollen Beziehung zum Schüler befähigen. Auf dieser tragfähigen Unterrichtsbasis bemüht sich der „gute“ Lehrer, den Schüler für sich selbst zu mobilisieren, so daß er sich zunehmend für sein Lernen verantwortlich fühlt. Deshalb kommt es dem Lehrer vorrangig auf die Lernfreude, Anstrengungsbereitschaft und Konzentrationsfähigkeit des Schülers an. Definierbare Lernerfolge und vorweisbare Leistungen gelten demgegenüber wenig. Durch die eigene Begeisterungsfähigkeit für die Sache und durch ein reges Interesse an der Person des Schülers trägt der Lehrer indirekt, aber wirkungsvoll dazu bei, daß der Schüler die gewünschte Lernhaltung ausprägt. Was außerdem hervorsticht, sind die Fähigkeiten, sich wendig den wechselnden Unterrichtssituationen anzupassen (Flexibilität) und zugleich ein reichhaltiges Verhaltensrepertoire kreativ einzusetzen (Variabilität).

Insgesamt betrachtet ist dies eine recht grobe Beschreibung. Konkrete Hinweise kann man den komplexen Lehrqualitäten kaum entnehmen. Vorerst bleiben die Feststellungen der Forscher für den Praktiker unbefriedigend. Sie bilden jedoch den Grundriß für ein Verhaltenskonzept, das in seinen Einzelheiten konkret und praxisnah entfaltet werden kann. Mit den zentralen Begriffen Flexibilität und Variabilität besitzen wir zugleich eine Leitlinie für die pädagogische Professionalisierung. Beweglichkeit und Vielseitigkeit im pädagogischen Verhalten sind wahrscheinlich das „Geheimnis“ des erfolgreichen Lehrers3.

Bei Lehrberufen verschiedenster Art ist oft zu beobachten, daß ihre Professionalisierung mit dem Fachlichen beginnt, zum Fachdidaktischen fortschreitet und erst zuletzt – in meist geringerem Umfange – das Pädagogische mit einbezieht. Das heißt, daß man dem Fachlichen die Priorität einräumt, bald auch die speziellen Vermittlungsprobleme erkennt und anerkennt (Fachdidaktik), die Vielzahl der pädagogischen Fragestellungen des Unterrichts jedoch gerne vernachlässigt. Beim Instrumentallehrerberuf ist etwas Ähnliches zu beobachten.

Es ist nun an der Zeit zu klären, was mit dem Wortungetüm „Professionalisierung“ gemeint ist und worin die Professionalisierung des Instrumentallehrer-Berufs besteht, insbesondere auf pädagogischem Gebiet.

Beginnen wir mit der musikalischen Ausbildung: Noch bevor sich der Instrumentallehrer auf seine berufliche Laufbahn begibt, lernt er ein Instrument, und zwar systematisch und kontrolliert. Er eignet sich ein handwerkliches Können an, das während der Hochschulausbildung erweitert und vertieft wird. Schon von Beginn an wird dieses Können auf eine Wissensbasis gestellt, die aus Musiktheorie, Musikgeschichte und ähnlichem besteht. Im Verlaufe der gesamten Entwicklung tritt eine weitere Komponente hinzu; sie umfaßt die kritische Reflexion des Erlernten und die Selbstkontrolle. In Eigenständigkeit und Kreativität erreicht der fachliche Entwicklungsprozeß seinen Höhepunkt. Nun haben wir die wesentlichen Bestimmungsmomente für das, was mit Professionalisierung gemeint ist, beisammen:

–  systematische und förmliche Ausbildung

–  Aneignung von klar benennbaren Fertigkeiten

–  Erwerb einer breiten Wissensbasis

–  Fähigkeit zur kritischen Reflexion und Kontrolle des selbstverständlich gewordenen Könnens und Wissens

–  eigenständige kreative Weiterentwicklung.

Daß der Prozeß der fachlichen Qualifizierung als erster genannt wurde, liegt in mehrfacher Hinsicht nahe: Ein Instrumentallehrer versteht sich in der Regel zuerst als Musiker, als Fachmann für sein Instrument. Dieses Selbstverständnis entspricht der persönlichen Entwicklung, denn die Motivationen für den Beruf sind ursprünglich musikalischer Natur: das große Interesse am Instrument und die Leidenschaft zur Musik. Die pädagogische Berufsperspektive kommt oft erst im Laufe des Studiums hinzu.

Den zweiten Teil der Professionalisierung bildet die instrumentale Fachdidaktik. Sie ist ein exakt umschreibbares Gebiet, das alle Fragen der Lehr- und Lernbarkeit eines Instruments umfaßt. Diese Fragen entstehen zwangsläufig, denn der. angehende Instrumentallehrer ist ja zunächst nur Musiker. Er könnte den Schüler nicht unvermittelt mit seiner entwickelten fachlichen Kompetenz konfrontieren. Er muß vielmehr sein Können und Wissen lehr- und lernbar machen. Als Didaktiker schlägt er die Brücke zwischen sich, dem Fachmann, und dem Schüler. Er versetzt sich gewissermaßen in die Situation des Schülers zurück, um aus dieser Perspektive das Können und Wissen zu betrachten, das er vermitteln soll. Dabei muß er jedoch keineswegs beim Punkt Null anfangen. Heute existiert für jedes Instrument eine voll entwickelte Fachdidaktik Sie umfaßt Unterrichtswerke aller Art, ein Arsenal von Etüden und technischen Übungen, pädagogische Spielstücke und Ensembleliteratur, Kompositionen aus Vergangenheit und Gegenwart nach Schwierigkeitsgraden gestaffelt und außerdem eine Vielzahl von Lehrbüchern. Die fachdidaktische Qualifizierung schließt zudem eine Reihe von Fähigkeiten und Fertigkeiten ein:

–  systematische, auf den individuellen Schüler oder die Lerngruppe zugeschnittene Vermittlung der instrumentalen und allgemeinen musikalischen Grundlagen

–  Erkennen und Bewerten der verschiedenen musikalischen Lernfähigkeiten eines Schülers

–  Diagnose des musikalischen und spieltechnischen Lernstandes eines Schülers

–  Planung langfristiger Entwicklungslinien für die verschiedenen Schüler

–  Auswahl geeigneter Spielstücke und Unterrichtswerke, Berücksichtigung der individuellen Schülerinteressen

–  Zusammenstellung günstiger Lerngruppen und Instrumentalensembles.

Der Instrumentallehrer ist als Fachdidaktiker darum bemüht, jedem Schüler eine eigene musikalische Entwicklung zu ermöglichen, nämlich das Instrument und die Musik für sich zu entdecken und persönliche Interessen auszuprägen. Wenn der Schüler das riesige Feld der Musik betritt, ahnt er nicht einmal, was ihm alles begegnen kann. Je nach Alter und Anregung durch die Umwelt hat der Schüler zwar schon seine Erfahrungen mit Musik gemacht. Für unsere hochentwickelte und weitverzweigte Musikkultur gibt es jedoch viele Zugangsweisen und Gewichtungsmöglichkeiten. Der Instrumentallehrer sollte dem Schüler helfen, Orientierungen zu gewinnen, sich zu beschränken und bewußt auszuwählen. Das Instrument wird dabei zum musikalischen Brennpunkt.

Musikalische und fachdidaktische Professionalisierung stehen in engem Zusammenhang. Der dritte Qualifikationsschwerpunkt, die pädagogische Professionalisierung, ist jedoch von allgemeiner Art. Er betrifft jede Lehrtätigkeit, unabhängig von der Sache und ihrer speziellen didaktischen Aufarbeitung. Für diesen Bereich gelten ebenfalls die obengenannten formellen Maßstäbe. Das Ausbildungsspektrum ist ähnlich umfassend und differenziert wie in den beiden anderen Qualifikationsbereichen.

Um den Blick für die Weite der pädagogischen Befähigung und damit für das Ausmaß an wünschenswerter Flexibilität und Variabilität des Lehrverhaltens zu bekommen, müssen wir das Phänomen Unterricht in seinen Grundzügen entschlüsseln. Wir alle haben Unterricht häufig genug aus der Sicht eines Schülers kennengelernt. Wenn wir jedoch selber als Lehrer die Verantwortung übernehmen, bemerken wir sofort einige Seiten am Unterricht, die uns zuvor entgangen sind. Was da vielleicht als erstes auffällt, ist die Tatsache, daß man Unterricht planen muß. In welcher Form nun läßt sich Unterricht vorbereiten? Und worauf bezieht sich die Planung? Gerade die zweite Frage kann bei genauer Betrachtung nicht mit ein paar kurzen Antworten abgetan werden. Es zeigt sich nämlich, daß die Kenntnis der Faktoren erforderlich ist, die einen jeden Unterricht bestimmen. Der Planung einer Stunde geht also die Analyse von Unterricht voraus, deren Ergebnisse in einem didaktischen Modell zusammengefaßt werden können.

Ein durchdachtes, praktikables Stundenkonzept führt dazu, daß vieles nicht mehr dem Zufall überlassen bleibt. Trotzdem bietet jede Unterrichtssituation typische Unwägbarkeiten, auf die man prompt reagieren muß. Sofortiges, gekonntes Reagieren ist eine Handlungskompetenz, die wichtiger ist als Analyse- und Planungsfähigkeit. Auf der Durchführung von Unterricht liegt deshalb der Hauptakzent pädagogischer Qualifizierung.

Nun fehlt noch ein letztes Glied, um den Kreis pädagogischer Qualifikationen zu schließen: die Beobachtung und Bewertung von Unterricht. Sie dienen dazu, das Verständnis von Unterricht zu vertiefen (Analyse- und Planungskompetenz) und das Handeln fortlaufend zu verbessern (Durchführung von Unterricht). Das Beobachten stützt sich auf ein Strukturmodell, in dem alle analytischen Einsichten und alle praktischen Grundfragen des Unterrichts zu einer Gesamtschau vereinigt sind. Leitlinien und Orientierungsfragen sollen die Unterrichtsbewertung fundieren helfen, um sachliche Urteile und persönliche Stellungnahmen diskutierbar zu machen.

Im Lehrberuf ist naturgemäß nicht so sehr das theoretische Wissen als vielmehr die praktische Bewältigung der Ausweis für Professionalität. Im Zentrum pädagogischer Ausbildung steht deshalb der Erwerb von Können. Allein die Form eines regelrechten Lehrtrainings ist hierzu geeignet. Es umfaßt die Bereiche Analyse und Planung (Teil I), Durchführung (Teil II) und Beobachtung und Bewertung von Unterricht (Teil III). In diesem Sinne bildet das Lehrtraining den Abschluß der pädagogischen Ausbildung.

_______________

1  siehe Jochen Grell, Techniken des Lehrerverhaltens, Weinheim und Basel 41975, S. 221

2  ebd., S.21

3  siehe Grell, S. 125f. und Wolfgang Einsiedler, Fak to ren des Unterrichts, Donauwörth 21982, S. 77f.

Analyse und PlanungGrundzüge einer allgemeinen Didaktikdes Instrumentalunterrichts

Das Didaktik-Modell der Berliner Schule

Das Wort Didaktik entstammt dem Altgriechischen. Didaskein heißt in seiner ersten Bedeutung: lehren, belehren, unterweisen, ein Lehrer sein; weitere Bedeutungen sind: mitteilen, dartun, zeigen, beweisen. Didaktik ist demnach eine Lehre vom Lehren, eine Unterrichtslehre.

In der Unterrichtswissenschaft nimmt die Didaktik als Spezialgebiet einen breiten Raum ein. Mehrere Richtungen und Modelle haben sich etabliert, die hier jedoch nicht zur Diskussion gestellt und miteinander verglichen werden sollen. Vorgestellt werden soll jedoch das Lerntheoretische Modell der sogenannten Berliner Schule, da es sich als Grundlage für den ersten Teil besonders eignet. Die Begründer dieser Schule sind die Erziehungswissenschaftler Paul Heimann, Gunter Otto und Wolfgang Schulz.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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