Liebe to go - Cora Gofferjé - E-Book

Liebe to go E-Book

Cora Gofferjé

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Beschreibung

Seit Jahren jettet Hannah um die Welt. Vor Florida taucht sie mit Delfinen, in Kanada absolviert sie einen Workshop als Pferdeflüsterin und in Kalifornien einen als Nachwuchsregisseurin. Aber was sie wirklich mit ihrem Leben machen will, weiß sie nicht. Doch alles ändert sich, als sie auf Hawaii Jeffrey kennenlernt, ihre große Liebe. Er könnte ihre Rastlosigkeit stoppen, doch dann der Schock: Jeffrey ist längst vergeben. Hals über Kopf packt Hannah ihre Koffer. Ihr nächstes Ziel: eine Schauspielschule in New York. Aber leider macht der Vater ihr einen Strich durch die Rechnung. Er will, dass sie BWL studiert und ins elterliche Unternehmen einsteigt. Als Hannah sich weigert, dreht er ihr den Geldhahn zu. Dann handeln Vater und Tochter einen Deal aus: Wenn es ihr gelingt, sich ein halbes Jahr allein über Wasser zu halten, darf sie nach New York. Hannah jobbt als Möhre für einen Bio-Supermarkt, pult Krabben und landet schließlich als Küchenhilfe in einem Restaurant. Dass ihr Chef, Leo, ein netter Kerl ist, erleichtert die Sache nur bedingt, denn als ihr das Wasser bis zum Halse steht, meldet sich plötzlich Jeffrey wieder …

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Seitenzahl: 244

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Cora Gofferjé

Liebe to go

Roman

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

Für meine Eltern, ...NachtschattengewächseJeffreyTiefenentspanntGeheimnisvollHomebaseSelbstversuchDer DealAn der BasisBestandsaufnahmeVier Monate später …MahaloNew York – New YorkDanksagung
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Für meine Eltern, die Träume wahr gemacht haben. Mahalo!

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Nachtschattengewächse

«Gentleman, alte Schule, großes Kino und …» Mit glänzenden Augen schwärmt meine Freundin Svenja von ihrem neuen Date. Dabei rudert sie so wild mit ihren langen Krakenarmen, dass sie beinahe das Bier ihres Nebenmanns von der Theke fegt. Vorsichtshalber schiebe ich das Glas aus ihrer Schusslinie. «… ausgezeichnete Manieren», fährt sie mit der Beschreibung fort, «ich wette, der hat den Knigge internalisiert.»

«Dass du auf so einen Firlefanz stehst!» Wieder einmal wundere ich mich über ihren antiquierten Geschmack.

«Ich war sofort fasziniert von ihm ich kam aus dem Pool er reichte mir das Handtuch wer hätte gedacht dass ich meinen Traummann ausgerechnet auf einer hawaiianischen Insel finde …»

Normalerweise sind ihre Sätze grammatikalisch einwandfrei, wie es sich für eine angehende Juristin gehört. Doch wenn Svenja in einem emotionalen Ausnahmezustand ist, was wirklich nicht oft vorkommt, spricht sie ohne Punkt und Komma.

«… er studiert auch Jura allerdings nicht in L.A. sondern in Stanford seine Eltern sind aus Boston die sind sogar mit den Kennedys verwandt er hat so was Aristokratisches …»

Wie ein Scheibenwischer winke ich vor ihren Augen hin und her: «Erde an Svenja! Hallo!»

«… wir haben einfach unglaublich viele Schnittmengen …»

Okay, ich geb’s auf, sie hat sich vollends ausgeklinkt.

«… diese kantigen Gesichtskonturen der sinnliche Mund und diese intelligenten hellgrauen Augen ich konnte in ihnen lesen wie im …»

«Larenz!», entfährt es mir, denn mittlerweile kenne sogar ich den Klassiker unter den Lehrbüchern für juristische Methodenlehre, der ihr ständiger Begleiter ist.

«Quatsch, wie im Labyrinth meiner Seele.» Ungeduldig tritt sie von einem Fuß auf den anderen und räuspert sich nervös. «Vor lauter Aufregung ist meine Kehle ganz trocken!» Unvermittelt nimmt sie das Bierglas ihres Nebenmanns, das sie vorhin fast von der Theke gefegt hat, setzt an und trinkt es in einem Zug leer.

«Hey!», beschwert sich der Typ und plustert sich blitzartig auf wie ein Truthahn zu Thanksgiving.

«Sorry, sorry, sorry!» Bevor der gleich platzt, deute ich sicherheitshalber per Handzeichen an, dass Svenja nicht ganz richtig tickt.

«Was machst du da?», fragt die plötzlich erstaunlich anwesend, als sie sich unvermittelt zu mir umdreht.

«Äh, die Kellnerin heranwinken», stammele ich ausweichend und hoffe, dass Svenja mein Handzeichen nicht richtig decodiert, deshalb winke ich übertrieben weiter.

Die Kellnerin steht Gott sei Dank prompt auf der Matte. Während ich bei ihr zwei Strawberry Margaritas ordere, trommelt Svenja ohne Unterlass mit den Fingerspitzen auf der Theke herum.

«Du machst mich wahnsinnig!» Ich rolle genervt die Augen.

Ich bin nämlich selber total nervös, schließlich werde ich gleich Jeffrey treffen. Unauffällig stelle ich mich auf die Zehenspitzen, um die überfüllte Bar besser überblicken zu können. Doch leider ist er noch nirgends zu sehen, dafür ist aber eindeutig Svenjas Date im Anmarsch. Den Typ Mann würde ich unter Millionen von Kandidaten herausfiltern, schließlich kenne ich ihren Geschmack ganz genau. Das lebende Polohemd mit gebügeltem Kragen, gegeltem Seitenscheitel und Millionärstüchlein im locker über die Schulter geworfenen Jackett hat bei seinem Outfit nichts dem Zufall überlassen. Bevor ich Svenja auf ihn aufmerksam machen kann, schnalzt sie anerkennend mit der Zunge: «Roberts IQ liegt übrigens bei 130.»

«Einstein hatte einen von 160», wage ich einen Vergleich.

«Meine Schwestern kriegen einen Heulkrampf vor Neid, wenn ich eines Tages eine Kennedy bin», zwitschert sie triumphierend. «Die Kennedys sind ja soooo attraktiv!»

Also ich persönlich finde Albert Einstein zehnmal attraktiver als diesen aalglatten Robert, der seinen silbernen Autoschlüsselanhänger in Form eines Jaguars soeben prahlerisch um die Finger wirbelt. Bei solchen Typen kriege ich Plaque oder Herpes, aber auf jeden Fall einen fetten Ekelpickel.

«Geschmacksache», entfährt es mir despektierlich.

Geschmacklich sind Svenja und ich auf zwei völlig verschiedenen Umlaufbahnen. Ich mag eher die kernigen Jungs, deren Hände lässig in ihren Shorts stecken, die einen Schlendergang haben und so aussehen, als könne man mit ihnen jede Menge Abenteuer erleben. Vor meinem inneren Auge erstrahlt ein Bild von Jeffrey. Svenja reibt sich soeben die hektischen Flecken an ihrem Hals, ihr ganzer Kopf sieht mittlerweile aus wie eine sonnengereifte Romatomate. Auf einmal zischt sie mir panisch zu: «Duck dich! Und nimm bloß den Alk mit!» Sie deutet auf die Cocktails, die soeben vor uns auf die Theke gestellt werden. Dann geht sie so tief in die Knie, dass sie auf die Größe eines halbwüchsigen Orang-Utans schrumpft, und watschelt im Eiltempo nach draußen. Vor der Tür schnaubt sie die angehaltene Luft in hektischen Schüben wieder aus.

«Was war denn das für eine Aktion?», will ich irritiert wissen und reiche ihr schnell ein Glas, bevor sie noch hyperventiliert.

Kaum merklich reckt sie das Kinn Richtung Bar: «Siehst du den Typen da vorne?!»

«Da stehen jede Menge Typen», wende ich ein.

«Den mit den dicken Brillengläsern und dem Hawaiihemd», sagt sie ungehalten.

«Der so orientierungslos durch die Gegend schielt?», frage ich begriffsstutzig.

Anstatt mir zu antworten, starrt sie wie paralysiert hinein. «Kapierst du denn immer noch nicht?» Sie schlägt sich jäh mit der flachen Hand vor die Stirn.

Doch, jetzt kapier ich. Einen Moment lang wage ich kaum zu atmen, um einen hysterischen Schreikrampf zu unterdrücken. Das ist echte Körperbeherrschung.

«Der?» Meine Stimme klingt ungewollt schrill.

«O Mann, o Mann!» Sichtlich verstört beißt sich Svenja auf die Unterlippe. «In Badehose sah der richtig toll aus.» Sie hebt Daumen, Zeige- und Mittelfinger zum Schwur: «Ich schwör! Aristokratisch, intellektuell, attraktiv!»

«Mhm», nicke ich betont langsam und kann mir dann doch ein «Wie ein echter Kennedy eben» nicht verkneifen.

«Blöde Kuh», mault sie eingeschnappt, um dann im nächsten Moment unerwartet loszuprusten: «Di-hi-se Bri-hi-il-le! Dahas sind keine Glä-hä-ser, das sind Gla-has-bausteine!»

Ich liebe ihre Ausbrüche, besonders weil sie meist ganz unvermittelt kommen und man ihr diese fette Lache mit dem unnachahmlichen Grunzen, das eins zu eins einer weiblichen Wildsau entspricht, so gar nicht zutraut. Es ist phantastisch, wir haben sogar mal eine Hörprobe einer Bache in der Brunftzeit bei www.anblick.at heruntergeladen und mit ihren Geräuschen verglichen, Svenja war eindeutig besser als das Original.

«Der scheint genauso blind zu sein wie du!»

«Du bist gemein», sagt sie auf einmal pikiert, um sich im nächsten Moment über ein weiteres ästhetisches Defizit zu amüsieren: «Ich wu-hu-sste ga-har nicht, da-hass es geba-ha-tikte Hawaiihe-hem-den mit sur-ur-fendem Kro-ho-ko-ho-dil-a-haufdru-huck gibt.» Sie hält sich den Bauch und grunzt erneut. Als sie sich wieder beruhigt hat, fragt sie stirnrunzelnd: «Wie konnte ich mich nur so irren?»

«War das eine rhetorische Frage?», hake ich vorsichtig nach.

«Nein. Sag’s mir!»

«Du wirst zweifellos eine hervorragende Arbeitsrechtlerin, aber was Männer betrifft, liegst du mit deinen Urteilen häufig daneben», antworte ich ehrlich. Schon im nächsten Moment verschlucke ich mich, denn ein weiterer Hawaiihemdträger erscheint auf der Bildfläche. «Äh, ähäh, ähä!», hüstele ich, als ich Jeffrey erkenne.

Svenja schlägt mir mehrfach mit der flachen Hand zwischen die Schulterblätter, und ich versuche sie mit einem «Aua, nicht so feste» abzuwehren.

«Wer hätte gedacht, dass unsere Dates denselben Designer haben.» Diese Worte scheinen ihren Mund zu verlassen, ohne dass sie dabei die Lippen bewegt. «Ich weiß ja nicht, was schicker ist, surfende Krokodile oder …» Sie steckt sich den Finger in den Hals, um einen Brechreiz zu simulieren, dann spuckt sie jedes Wort einzeln aus: «Aloha-Bier-Flaschen!»

«Na und, wir sind schließlich auf Hawaii, da ist das so was wie …» ich suche nach dem passenden Wort, um Jeffreys Outfit zu verteidigen, «… eine Tracht.»

«Tracht?!», wiederholt Svenja naserümpfend und senkt die Augenlider: «Sorry, aber ich …» sie deutet in Jeffreys Richtung, «… habe dir ja von Anfang an gesagt, der Typ ist unter deinem Niveau!»

«Nur weil du wegen deines Dates Frust schiebst, musst du meines ja nicht gleich beleidigen», beschwere ich mich über ihre dünkelhafte Kritik.

«Du hast meines ja auch ausgelacht!» Sie stemmt die Hände in die Hüften und sieht mich provokativ an.

«Du hast doch selber gelacht», protestiere ich.

«Ja, aber du hast drei Sekunden länger gelacht», mokiert sie sich allen Ernstes.

«Klar, jetzt ist wieder mal alles meine Schuld, oder wie?»

«Komm, jetzt mal ehrlich», sagt sie, «stört dich das nicht, dass deine Klamotten das Zehnfache von dem kosten, was dieser Jeffrey am Leib trägt?»

«Du bist echt ein Snob, Svenja!»

Anstatt mir zu widersprechen, zerrt sie mich einfach mit sich. «Los, komm schon, wir gehen!» Sie winkt ein vorbeifahrendes Taxi heran. «Machen wir es uns noch an unserer Hotelbar gemütlich. Von Nachtschattengewächsen in Hawaiihemden habe ich für heute die Nase voll!»

Bevor sie mir noch den rechten Arm auskugelt, lasse ich mich widerwillig von ihr mitschleifen, bis plötzlich jemand deutlich sanfter an meiner linken Körperhälfte ruckelt.

«Ihr wollt doch nicht etwa schon gehen?», fragt Jeffrey sichtlich betrübt.

«Hi, Jeffrey, bye, Jeffrey», verkündet Svenja unfreundlich im Vorbeiflug und winkt zum Abschied mit einer kurzen, zackigen Handbewegung.

Mein Herz hüpft vor Freude, als ich in sein sonnengebräuntes Gesicht blicke, dessen unzählige, ineinanderlaufende Sommersprossen mich schon wieder ganz kirre machen.

«Nur einen Tanz, Hannah!», sagt er bettelnd.

Nichts und niemand auf der Welt könnte ihm jetzt widerstehen. Na ja, niemand – das muss ich auf der Stelle revidieren, denn wie durch eine Dunstglocke höre ich Svenja ihn soeben abwimmeln: «Sorry, geht leider nicht!»

Spinnt die? Völlig entgeistert, versuche ich ihre Hand abzuschütteln. Vergeblich, denn mittlerweile bohren sich ihre langen Finger wie ein Schraubstock um meinen Oberarm.

«O Mann, Svenja», jammere ich und verdrehe dabei die Augen in Jeffreys Richtung. «Ich bin so nah dran. So nah.» Mein Daumen und mein Zeigefinger berühren sich fast.

Auch wenn Jeffrey kein Wort Deutsch versteht, kann man an seinen zuckenden Mundwinkeln erkennen, dass er genau weiß, worum es gerade geht. Nämlich um ihn!

«Svenja, ich habe ihn gefunden: Das ist der Mann meines Lebens», verkünde ich pathetisch. «Alles steht auf Grün, und siehst du denn nicht, er passt doch einfach genial zu mir …» Engagiert starte ich mein Plädoyer. «Natürlich nicht nur äußerlich, auch sonst. Er ist ein Abenteurer, so wie ich, wir beide lieben Wassersport, reisen gerne, trinken Wasser ohne Kohlensäure.» Mir will irgendwie nichts Sinnvolles einfallen. Plötzlich habe ich einen Gedankenblitz. «Und sieh doch nur seine Sommersprossen, die heißen auf Englisch freckles, und so hieß auch der Hund, den ich als Kind besaß, also wenn jemand Schnittmengen hat, dann doch wohl Jeffrey und ich!»

Svenja seufzt genervt auf, bevor sie zum Gegenschlag ausholt. «Hannah, jetzt mal Hand aufs Herz, der Wievielte ist es, bei dem du das spürst?» Argumentativ ist sie einfach viel stärker als ich. Dann folgt eine Aufzählung meiner Ex: «Paolo, Benni, Florian, Jean-Luc, Sebastian, Conrad …» Resigniert lässt sie die Hände sinken. «Ich geb’s auf. So viele Finger hab ich gar nicht.»

«Manchmal hast du echt ein mieses Timing, musst du mich ausgerechnet jetzt mit den Probanden meines Versuchslabors konfrontieren?», wende ich pikiert ein, dann ändere ich die Tonlage und flüstere konspirativ: «Fällt dir denn gar nichts auf?»

«Worauf genau möchtest du jetzt wieder hinaus?», fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

«Jetzt sieh ihn dir doch mal genau an.»

Sie starrt Jeffrey unverwandt an und zuckt die Achseln: «Und?»

«Du weißt, dass ich auf dunkelhaarige Männer mit braunen Augen und olivenfarbenem Teint stehe.»

«Ja!»

«Jeffrey ist blond und hat blaue Augen …» Ungeniert himmele ich ihn an, und er strahlt begeistert zurück. «Optisch gesehen ist er also ü-ber-haupt nicht mein Typ. Verstehst du, worauf ich hinauswill?»

«Nö! Aber nur mal so zur Info, der ist nicht blond, der ist rothaarig.»

«Siehst du, das ist es doch, was ich meine, es bedeutet, dass ich verliebt sein muss!»

«Verliebt, pah, du bist eine Amazone, Hannah Helmholtz, die ein Ziel anvisiert hat und nun ihren Pfeil abschießen möchte.»

«Na und, du sagst doch immer, ich hätte keine Ziele! Und wie wichtig es ist, im Leben welche zu haben.» Svenja stöhnt genervt auf. «Du weißt genau, was ich damit sagen will. Mit Zielen meine ich … Ach, wie soll ich dir das nur klarmachen? Also, als du in L.A. ankamst, schwärmtest du von Paul, der mehr mit dir als mit seinen Delphinen vor der Küste Floridas schwamm, davor hast du mich aus Genua angerufen, wo du mit irgendeinem Traummann namens Marco einen Katamaran nach Elba überführtest, dann dieser Fotograf, wie hieß er noch, ach ja, Yves …»

«Du willst mich einfach nicht verstehen!»

«Doch, ehrlich, ich gebe mir wirklich die allergrößte Mühe», sagt sie gespielt verständnisvoll.

«Du bist doch nur sauer, weil du ununterbrochen für die Uni gepaukt hast, während ich hier zwei Wochen lang in vollen Zügen das hawaiianische Strandleben genossen habe.»

«Seien wir doch mal ehrlich, Hannah», sagt sie resümierend, «du hast alleine in einer angeranzten Strandbude abgehangen, einen Kaffee nach dem nächsten in dich hineingekippt, während dein sommersprossiger Surfheini im Wasser dümpelte. Stun-den-lang!»

Stimmt. Aber das machte nichts; solange ich ihm dabei nur zusehen konnte, war alles gut, und da ich mich auf einem Nonstop-Koffein-Trip befand, war ich mit der Situation rundum zufrieden. Noch bin ich nicht schachmatt, mein letzter Schachzug heißt: einschmeicheln: «Ich frage dich auch jeden Tag deine Karteikarten ab. Bis zur Prüfung.»

«Du hast doch sonst nie Lust dazu!», blockt sie ungläubig ab.

«Doch, ab jetzt ja! – Und ich … ich bringe dir jeden Morgen dein Frühstück ans Bett!»

«Ich frühstücke in der Mensa.»

«Ich schrubbe dein Bad», biete ich an.

«Ich habe eine Putzfrau!»

«Dann wasch ich dein Auto!»

«Ich habe kein Auto!»

«Hast du doch!»

«War ’n Witz!»

«Nun komm schon, Svenja, lass uns wieder reingehen, bitte, bitte, bitte.»

Doch Svenja lässt sich nicht erweichen: «Nur über meine Leiche!»

Wieso sträubt die sich so?

«Du weißt, dass du nicht allein bleiben kannst!», sagt sie mit einem elendig langen Augenaufschlag.

Mist. Ohne sie kann ich tatsächlich nicht hierbleiben, das ist der Deal zwischen uns: Wenn wir irgendwo zusammen hingehen, gehen wir auch immer wieder gemeinsam nach Hause. Es gibt nur eine einzige Ausnahme: Wir haben gleichzeitig ein ernsthaftes Date! Doch diesbezüglich ist die Situation heute Abend total verfahren, auf die Schnelle findet sich natürlich kein adäquater Ersatz für ein Mitglied des Kennedy-Clans. Nachdenklich zupfe ich an der Unterlippe. Jetzt hilft nur noch die Mitleidstour.

«So eine Chance bekommt man nur einmal, er ist die Liebe meines Lebens, ich spüre das, Svenja», winsele ich herzerweichend.

«Bitte, wie du willst!», sagt Svenja plötzlich schmallippig. Spontan lässt sie meinen Arm los, der jetzt wie bei einem Crash-Test-Dummy leblos herunterhängt. «Aber moppere mich bloß nicht wieder an, wenn du morgen früh nicht aus dem Bett kommst.» Sie streckt die Knie durch, sodass wir wieder auf Augenhöhe sind. «Spätestens um fünf musst du aufstehen, um sieben Uhr dreißig geht der Flie…»

Die letzte Silbe wird von der Musik verschluckt, denn Jeffrey hat mich bereits in die Bar gezogen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Svenja wütend zum Taxi stampft. Beschwörend starre ich auf die zufallende Autotür und hoffe, dass sie sich noch einmal zu mir umdreht, denn harmoniesüchtig, wie ich bin, kann ich sie so gar nicht gut fahren lassen.

Doch dann spüre ich Jeffreys warmen Atem an meinem Ohr. «Mmh, du schmeckst so süß wie Honig!»

Lachend drehe ich mich um. Wir sehen uns tief in die Augen, und meine Beine sind plötzlich ganz wattig. Als er für einen kurzen Moment meine Lippen berührt, ist es nur ein Hauch, fast wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, und ich bin verloren.

«Und du schmeckst so salzig wie der Ozean», stelle ich mit zittriger Stimme fest.

Mir ist auf einmal so, als seien wir zwei die einzigen Menschen in dieser Bar, in dieser Stadt, auf diesem Kontinent, auf dem ganzen Planeten, ach was, in diesem Universum. Seufzend schließe ich die Augen, und dumpf lassen die Bässe meinen Körper vibrieren. Doch plötzlich werde ich wieder zurückgebeamt, in dieses Universum, auf diesen Planeten, diesen Kontinent, diese Stadt, in diese Bar. Denn auf einmal kreischt jemand schrill in mein Ohr: «Und du willst wirklich nicht mitkommen?»

«Wo … wo kommst du denn auf einmal her?», stammele ich verdutzt.

Svenja deutet auf das wartende Taxi, das mit laufendem Motor und geöffneter Tür an der Straße steht. «Letzte Chance!», sagt sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Kopfschüttelnd ergreife ich Jeffreys Hand.

«Wenn du morgen früh nicht pünktlich bist, fliege ich alleine», droht sie mit erhobenem Zeigefinger. «Ist klar, ja?» Dabei reckt sie ihr Kinn ruckartig vor.

«Jaaaa!», antworte ich brav. Aber irgendwie prallt alles, was sie sagt, an mir ab.

Jeffreys Worte höre ich dagegen umso deutlicher. «Bitte bleib!»

«Solange du willst», wispere ich verliebt zurück.

Svenja reißt resigniert die Arme in die Luft. «Okay, ich kapituliere!» Sie dreht sich um und steigt in das wartende Taxi.

Hoah, jetzt ist Fräulein Rottenmeier wieder sauer auf mich. Gut, mit ihrer Umsichtigkeit hat sie mir schon früher im Internat oft den Kopf aus der Schlinge gezogen, aber dieses Mal muss ich einfach meinem Gefühl folgen. Schließlich fliege ich ja morgen wieder mit ihr zurück nach Los Angeles, wo sie Jura studiert und ich einen dreimonatigen Regiekurs an der UCLA besuche. Eigentlich wollte ich nur für vier Wochen bleiben, denn ich war auf der Durchreise, kurz vorher war ich noch bei Clemens in Vancouver, da ich aus Amerika ausreisen musste, weil mein Besuchervisum für die USA abgelaufen war, denn davor hab ich Paul in Florida besucht. Mein nächstes Ziel ist die Lee-Strasberg-Schauspielschule in New York. Aber jetzt bin ich erst einmal hier, bei Jeffrey. Verliebt schmiege ich mich an ihn.

«Was möchtest du trinken?», fragt er aufmerksam und nimmt mir das leere Cocktailglas aus der Hand.

«Einen Sex on the Beach», sagt ein Typ, der hinter ihm plötzlich auftaucht und ihm mit dem Ellenbogen neckend in die Rippen stößt.

«Ich nehme lieber noch eine Strawberry Margarita», sage ich.

Jeffrey gibt die Bestellung auf, und jetzt tauchen hinter dem Typen noch zwei weitere Jungs auf. Ich kenne sie, sie surfen mit Jeffrey, ich habe sie schon oft am Strand gesehen.

«Los, schwirrt ab!» Jeffrey schiebt die drei in die andere Ecke der Bar und diskutiert kurz mit ihnen.

Währenddessen beobachte ich die Kellnerin, die flink wie ein Wiesel die Gäste bedient, und den Cocktailmixer, der mit guter Laune eine Show aus jedem Shake macht. Die beiden haben richtig Spaß an ihrer Arbeit, stelle ich erstaunt fest. Plötzlich muss ich an meine Freunde aus dem Internat denken. Mit Clemens, Janina, Konstanze und Anna habe ich nach dem Abi unser sogenanntes Orientierungsjahr verbracht. Wir sind gereist und wollten uns erst einmal «finden», um danach mit dem Studium oder einem Job zu beginnen. Svenja war die Einzige aus unserer Clique, die direkt nach dem Schulabschluss mit ihrem Studium begann. Letztendlich bin ich von uns allen aber die ewig Suchende geblieben, die das Nomadenleben seit Jahren konsequent weiterzelebriert. Warum auch nicht, unmerklich zucke ich mit den Schultern, solange mich niemand stoppt, wäre ich ja verrückt, wenn ich mich jetzt schon beruflich festlegte und irgendwo niederließe. Plötzlich zucke ich zusammen, weil sein Ellenbogen versehentlich meinen Oberarm streift, die Berührung hat mehr Volt als ein Stromschlag.

«Woran denkst du?», fragt Jeffrey.

«Die Vorstellung, tagein, tagaus die gleiche Arbeit zu verrichten, womöglich noch in einem Büro, wo man jeden Tag dieselben Gesichter sieht und die gleiche Tätigkeit rund um die Uhr ausübt. Kaum denkbar. Dann diese Stagnation, diese Routine, die sich einschleicht, nichts ist mehr im Fluss, alles stockt. Davor habe ich Angst!»

Ich bin gerade selber etwas überrascht über meinen Seelenstriptease, denn normalerweise vertraue ich meine allerallerintimsten Gedanken nur meiner Sandkastenfreundin Antonella an, sie ist die Einzige, die mich auf emotionaler Ebene versteht, Svenja hingegen ist mehr so meine Vertraute bei rationalen Fragen, denn sie ist doch meist sehr analytisch.

«Hey, Jeffrey, der Orgasm ist auch nicht übel!» Einer von Jeffreys Freunden taucht wieder unvermittelt neben uns auf.

«Du nervst echt!» Jeffrey wendet sich mit besorgter Miene mir zu: «Sollen wir vielleicht besser woanders hingehen?»

Die Vorstellung, gleich mit ihm alleine zu sein, lässt mich verstummen, deshalb nicke ich nur. Im selben Augenblick serviert die Kellnerin unsere Getränke. Jeffrey bezahlt und reicht die Gläser an das überrascht blickende Pärchen hinter uns weiter. Dann rennen wir Händchen haltend nach draußen und fahren mit seinem Pick-up durch die sternenklare Nacht. «Gibt’s ’ne Bar in deinem Hotel?», will er wissen.

«Ja, schon, aber ich habe keine Lust, auf Svenja zu treffen, die steckt mich gleich ins Bett, wenn sie mich sieht.»

«Hast du Lust, mit zu mir zu kommen?»

«Klar, warum nicht!» Nervös zupfe ich an meinem Rocksaum, dann drehe ich die Musik lauter, während ich verstohlen sein Profil im Halbdunkel betrachte.

Der Typ ist ein Loser, hat Svenja abfällig gesagt. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Gespräch, das wir am ersten Tag führten, als ich ihn getroffen habe. Der hat keinen Job und hängt den ganzen Tag auf einem Karbon-Brett ab, hat sie gelästert. – Na und, deswegen muss er doch kein schlechter Kerl sein, habe ich damals entgegnet. – Nee, das nicht, aber faul wie Brot! Welcher normale Mensch dümpelt denn bitte schön den lieben langen Tag auf dem Wasser rum und wartet auf Wellen? Das ist doch psycho! – Wieso psycho?, habe ich verständnislos gefragt. Wenn das seine Bestimmung ist. – Du spinnst ja, hat sie geantwortet und hinzugefügt: Man muss doch was tun im Leben, Ziele haben, für etwas brennen. – Nicht jeder ist so zielstrebig wie du, Svenja, habe ich ein bisschen eingeschnappt erwidert. Schließlich war mir klar, dass sie damit auch auf mich anspielt. So ignorant bin ich nun auch wieder nicht.

Während ich jetzt mit Jeffrey durch die Nacht fahre, stelle ich mir die Frage: Wofür brenne ich eigentlich? Was sind meine Ziele und Ideale? Mein Blick fällt auf die dunklen Umrisse des berühmten Banyan-Baumes, an dem wir soeben vorbeifahren. Dieser außergewöhnliche Baum, der mindestens ein paar Dutzend Stämme hat, steht symbolisch für mich. Ich habe das Gefühl, auch so viele Stämme in mir zu haben, ich verwurzele an jedem Ort, an dem ich bin, bis es mich irgendwann wieder weiterzieht. Doch überall bleibt etwas von mir.

«Alles okay?», unterbricht Jeffrey meine Gedankengänge.

«Ich weiß nicht», murmele ich unsicher und registriere gar nicht, dass ich auf einmal deutsch mit ihm rede.

«Wie bitte?», hakt er deshalb verdutzt nach.

«Alles wunderbar», antworte ich auf Englisch, lege den Kopf in den Nacken und denke, ich will jetzt nichts verkomplizieren, ich möchte diesen Abend, auf den ich schon so lange gewartet habe, einfach nur genießen. Jeffrey dreht das Radio etwas lauter. «Das ist Israel Kamakawiwo’ole, ein Hawaiianer. Ich mag ihn sehr.»

«Das ist ‹Over the rainbow›», sage ich und möchte diesen Moment am liebsten für immer festhalten. Langsam drehe ich die Fensterscheibe runter und flüstere in die Nacht: «Das Leben ist ganz wunderbar!»

[zur Inhaltsübersicht]

Jeffrey

Nachdem Jeffrey den Wagen geparkt hat, steigt er aus, sprintet um das Auto herum und öffnet mir aufmerksam die Beifahrertür. Als ich herausklettere und sich unsere Gesichter ganz nah kommen, denke ich, dass er mich küssen will, und spitze automatisch die Lippen. Doch er gibt mir nur lachend einen Nasenstüber. Gut, dass es dunkel ist, dann sieht er wenigstens nicht, dass ich gerade rot anlaufe. Jeffrey umfasst sanft meine Schultern und dreht mich ganz langsam Richtung Meer. Er deutet auf das dunkle Wasser, das bei Vollmond etwas Surreales bekommt.

«Das ist mein Paradies!» Seine Stimme klingt richtig rau, so bewegt scheint er von dem Anblick des tosenden Meeres zu sein.

Ich hingegen bin mehr bewegt von seinem warmen Atem, der meine Nackenhärchen aufrecht stehen lässt.

«Willst du noch mehr sehen?», fragt er.

«Unbedingt», sage ich mit bebender Stimme.

Plötzlich hält er mir die Augen zu und führt mich mit den Worten «Achtung, Stufen» die Treppen zum Haus hinauf. Oben angekommen, nimmt er die Hand von meinen Augen. «Gefällt’s dir?»

Der leicht marode Zustand des Strandhauses verleiht ihm diesen gewissen Vintage-Charme, es liegt eingebettet zwischen zwei Palmen, und zum Meer sind es circa dreißig Schritte. Man hört, wie die Wellen sich an den Klippen brechen, die Lage ist einfach einzigartig.

«Ich liebe es!», sage ich beeindruckt.

Eine Weile bleiben wir wortlos auf der Veranda stehen, dann öffnet Jeffrey die Tür der Panoramascheibe hinter uns und zieht mich mit hinein. «Willst du ein Bier?»

«Mmh», überlege ich, denn Bier ist eigentlich so gar nicht mein Ding.

Noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich mal eine Ausnahme mache, schimpft Jeffrey bereits über seine Mitbewohner, die anscheinend den gesamten Bierbestand vernichtet haben.

«Ich habe nur noch diesen Rotwein!» Er zieht eine Flasche aus dem Regal, pustet die Staubschicht herunter und versucht mit zusammengekniffenen Augen die verblasste Aufschrift auf dem Etikett zu entziffern. «Ein Barolo!», liest er, und dann will er grinsend wissen: «Was hast du 1989 gemacht?»

«Da wurde ich geboren!»

«Ein Spitzenjahrgang also.» Er grinst und nickt anerkennend.

Dann gießt er den Wein in zwei Plastikbecher und holt eine Handvoll Eiswürfel aus dem Gefrierfach, die er großzügig auf unsere Becher verteilt.

«Du tust Eiswürfel in Rotwein?», frage ich verblüfft.

«Klar, du nicht?»

«Nein! Normalerweise sollten Weine mit wenig Tannin, also leichte Rotweine, wie zum Beispiel der Beaujolais, Kalterer See oder auch liebliche Rotweine, zwölf bis vierzehn Grad haben», erkläre ich. «Fruchtige Rotweine mit weichen Tanninen wie der Shiraz, Zweigelt oder Pinot Noir sollten dagegen vierzehn bis sechzehn Grad haben und kräftige Rotweine mit deutlichen Tanninen, Rotweine mit Lagerpotenzial, wie zum Beispiel Barolo, Bordeaux, hochwertige Rotweincuvées und alle kräftigen Rotweine, sogar sechzehn bis achtzehn Grad Celsius», doziere ich und wundere mich, was von dem mir damals sinnlos erschienenen Etikette-Seminar im Internat hängengeblieben ist.

Umständlich pule ich zwei Würfel mit den Fingern wieder heraus: «Wenn du so was nicht weißt, darfst du gar nicht nach Europa reisen!», necke ich ihn.

«Oh!» Überrascht zieht er die Augenbrauen hoch.

«War ’n Scherz!», grinse ich breit.

«So einen Scherz macht man aber nicht mit einem Menschen, in dessen Land man zwar ohne Weinkenntnisse, aber nicht ohne biometrischen Fingerabdruck einreisen darf …», sagt er gespielt ernst.

«Eins zu null für dich!», lobe ich anerkennend seine Schlagfertigkeit.

«Lust?» Jeffrey hält mir eine halbgefüllte Plastikschale mit blass aussehenden Nachos unter die Nase.

Das will er mir doch wohl nicht allen Ernstes anbieten. Der stellt mich auf die Probe, weil er nach meiner Wein-Lektion anscheinend annimmt, ich wäre ein wenig überkandidelt.

«Danke!», sage ich und greife zu.

Ich stecke mir gleich ein paar in den Mund und beiße hinein. Die Mühe hätte ich mir sparen können, die Dinger könnte man auch unbesehen lutschen. So pappig und weich, wie die sind, haben sie schätzungsweise vor circa sechs Tagen die Vakuumverpackung verlassen. Außerdem scheint es sich hierbei um eine Light-Variante zu handeln, denn so salzarmes und laffes Salzgebäck habe ich noch nie gegessen. Egal! Großzügig sehe ich darüber hinweg. Nachos, pah, die Dinger werden doch total überbewertet, wo genau steht, dass die kross und spicy schmecken sollen? Mit einem Happs esse ich die restlichen Nachos, die in der Tüte kleben, auf und spüle sie kurzerhand mit dem eisgekühlten Rotwein hinunter. Diesmal ist es Jeffrey, der verblüfft dreinschaut.

«Sagt man in Europa etwa keinen Trinkspruch?» Er runzelt die Stirn. «So was wie Cheers vielleicht?»

Wie unhöflich von mir. Zwei zu eins für ihn.

«Nein, man küsst sich direkt», behaupte ich kackfrech und gleiche meinen Punktespiegel wieder aus.

Der Wein macht sich wohlig in meinen Blutbahnen breit, und ich bin gewillt, den angekündigten europäischen Gepflogenheiten auf der Stelle nachzukommen. In Zeitlupentempo vergrabe ich meine Hände in seinen Haaren und ziehe ihn nah an mein Gesicht. Wir verharren eine Weile so, denn keiner von uns beiden scheint zu wissen, wer nun zuerst den nächsten Schritt machen soll. Doch dann kommen wir uns fast gleichzeitig näher und stoßen versehentlich mit der Stirn aneinander. Unser Lachen klingt dieses Mal nicht mehr ganz so ungezwungen, die Luft scheint vor lauter Spannung zu vibrieren, ich kann kaum atmen. Ehe ich meine Finger aus seinen Haaren löse, spüre ich auch schon seine Hände, die meine Taille umfassen, und ich versinke in dem Blau seiner näherkommenden Augen. Der Kuss ist intensiv, seine Lippen haben einen angenehmen Druck, bloß nicht aufhören … Ohne hinzusehen, nimmt er mir den geleerten Plastikbecher aus der Hand, stellt ihn auf die Fensterbank und zieht mich küssend mit sich in sein Zimmer. Sein Atem ist wie der Rhythmus der Wellen, und ich spüre ihn jetzt warm an meinem Ohr. Jeffrey zieht mich zu sich hinunter aufs Bett. Vorsichtig wandern seine Hände unter mein T-Shirt und ertasten den Verschluss meines Bikinis. In angespannter Erwartungshaltung verkrampfen sich sogar meine Zehennägel. Nach mehreren umständlichen Versuchen, den Verschluss zu öffnen, werde ich ungeduldig und nehme es selber in die Hand, dabei reiße ich versehentlich die beiden Plastikteile entzwei.

«Hannah», flüstert Jeffrey heiser vor Erregung. Genau in dem Moment überkommt mich ein Anflug von Panik. O nein, ich blöde Kuh habe meine sexy Dessous heute Morgen im Koffer verstaut. Ich trage jetzt zwar meinen Lieblingspanty, der mal richtig heiß war, inzwischen aber total ausgeblichen ist. Und der BH ist eigentlich nichts anderes als das Bikini-Oberteil, das ich heute am Strand anhatte. Blöderweise habe ich es aus Trotz zu groß gekauft, wer will schließlich freiwillig einen A-Cup haben. Dann habe ich eine geniale Eingebung. «Kannst du uns vielleicht noch etwas Rotwein holen?», bitte ich Jeffrey.

«On the Rocks?», fragt er lachend.

«Nein, diesmal bitte Zimmertemperatur.»