Macht direkte Demokratie -  - E-Book

Macht direkte Demokratie E-Book

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Beschreibung

Die Schweiz braucht eine neue Demokratie-Bewegung. Die Digitalisierung bietet die historische Chance, mehr Menschen die Teilhabe an politischen Entscheiden zu ermöglichen. Das vorliegende Buch wirft in 35 Beiträgen aus Politik, Wissenschaft und Kultur einen Blick in die Schweiz von morgen. Mit einem Vorwort von Schriftstellerin Sibylle Berg und einem Gespräch mit Daniel Graf, Mitbegründer der Plattform WeCollect und der Stiftung für direkte Demokratie. Mit Beiträgen von: Sibylle Berg, Kathrin Bertschy, Tatjana Binggeli, Elia Blülle, Alenka Bonnard, Stefan Bosshard, Cornelia Diethelm, Zaira Esposito, Rahel Freiburghaus, Andreas Freimüller, Sophie Fürst, Hannes Gassert, Francesca Giardina, Fabian Gisler, André Golliez, Daniel Graf, Franz Grüter, Daniel Häni, Michael Hermann, Cloé Jans, Marco Kistler, Lucy Koechlin, Philippe Kramer, Claudio Kuster, Claude Longchamp, Annika De Maeyer, Stefan Manser-Egli, Nadine Masshardt, Adrian Meyer, Katharina Morawek, Noémie Roten, Sandro Scalco, Stefan Schlegel, Erik Schönenberger, Franziska Schutzbach, Maximilian Stern, Linda Sulzer, Tatiana Andrade Vieira, Kaspar von Grünigen, Che Wagner, Philippe Wampfler

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Macht direkte Demokratie

Macht direkte Demokratie von der Stiftung für direkte Demokratie wird unter Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung 4.0 International lizenziert, sofern nichts anderes angegeben ist.

© 2020 – CC BY-NC-ND

Herausgeber: Stiftung für direkte Demokratie, Che Wagner, Daniel Graf und Philippe KramerVerlag: buch & netz, buchundnetz.com, KöllikenCover & Layout: Designstudio Neoactio, www.neoactio.com, KölnSatz: buch & netzISBN:978-3-03805-293-7 (Print – Softcover)978-3-03805-320-0 (PDF)978-3-03805-321-7 (ePub)978-3-03805-322-4 (mobi/Kindle)Version: 1.63-20200616

Dieses Werk ist als gedrucktes Buch sowie als E-Book in verschiedenen Formaten verfügbar. Weitere Informationen finden Sie unter der URL:https://buchundnetz.com/werke/machtdirektedemokratie.

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Inhalt

Für eine radikal gerechte DemokratieVorwort von Sibylle BergSibylle BergHauptteilMacht direkte Demokratie!Che Wagner und Philippe Kramer«Die Stiftungsgründung enthält ein grosses Versprechen: die Demokratisierung der direkten Demokratie.»Interview mit Daniel Graf von Adrian MeyerBuchteil I. AusbauenPark oder Parkplatz? Die Stadtdemokratie der ZukunftMaximilian SternCrowd LobbyingChe WagnerVernehmlassungen für alleRahel FreiburghausE-Collecting: Digitalisierung der VolksrechteSandro ScalcoPetitionen als Demokratie-BoosterAndreas FreimüllerE-Voting: Vertrauen verspieltFranz GrüterDigitale Identität ist StaatsaufgabeErik SchönenbergerDeliberation – ja, aber richtig!Linda SulzerFür eine globale, direkte DemokratieLucy KoechlinBuchteil II. TeilhabenDemokratie inklusiveTatjana Binggeli und Annika De MaeyerParlament ohne Schweizer PassTatiana Andrade Vieira und Zaira EspositoHelvetia ruft!Kathrin BertschyDie Schweiz hat ein ÜberalterungsproblemClaude LongchampTransparenz statt PR-LautsprecherMarco KistlerAufbruch statt FürsorgeKatharina MorawekVon ungeteilter Macht und unhinterfragter HochwohlgeborenheitStefan Manser-EgliOhne Jugend keine DemokratiePhilippe KramerBuchteil III. NeudenkenIhr wollt Wähler? Gebt ihnen Party!Elia BlülleFeminismus und direkte Demokratie: It's complicatedFranziska SchutzbachDie politische Macht der DatenAndré GolliezFünf Grundsätze für Demokratiebildung in der SchulePhilippe WampflerMehr Transparenz für eine stärkere direkte DemokratieNadine MasshardtMeinungsbildung jenseits von digitaler MilitanzMichael HermannPlädoyer für eine offene VerwaltungAlenka BonnardFür mehr Vielfalt in der MusikförderungFabian Gisler und Kaspar von GrünigenDie direkte Demokratie braucht keine InnovationHannes GassertDemokratie ist kein GewinnspielDaniel HäniAufruf für eine Mitmach-SchweizNoémie RotenUnbeständiger Weg zur MeinungCloé JansGegen den digitalen KontrollverlustCornelia DiethelmKonflikte zwischen Volksinitiativen und Völkerrecht: Direkte Demokratie bedingt direkte VerantwortungStefan SchlegelGenerationendialog gesucht!Stefanie BosshardKollektives Handeln für mehr KlimaschutzSophie FürstAuf in eine demokratische, digitale Utopie!Francesca GiardinaNichts wie raus aus der helvetischen Komfortzone!Claudio Kuster und Daniel GrafDie Stiftung für direkte DemokratieDanke!

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Für eine radikalgerechte Demokratie

Vorwort

Vorwort von Sibylle Berg

Sibylle Berg

In der Schweiz haben wir eine Form der direkten Demokratie, um die wir weltweit beneidet werden. Wir Bürger*innen können uns einbringen, per Abstimmung in vielen gesellschaftlichen Prozessen mitbestimmen und wir können Referenden gegen Beschlüsse unserer Volksvertreter*innen ergreifen.

Was in der Theorie beinahe perfekt klingt, hat in der Praxis einige schwerwiegende Mängel. Zum einen ist da die schnell voranschreitende Digitalisierung. Es wird immer offensichtlicher, dass die direkt-demokratischen Werkzeuge der Mitbestimmung aus einer Zeit stammen, in der eine digitale Zukunft und die damit einhergehenden Möglichkeiten noch nicht einmal angedacht waren.

Von der wirklich transparenten, digitalen Beteiligung der Bevölkerung am politischen Geschehen, wie beispielsweise im Pionierland Taiwan, sind wir in der Schweiz noch weit entfernt. Projekte, wie das E-Voting, sind aufgrund von Sicherheitsrisiken und mangelnder Transparenz gescheitert. Andere wurden auf Eis gelegt, weil selbst unsere demokratisch gewählte Regierung die Kompetenzen und den Mitgestaltungswillen der Bevölkerung unterschätzt hat.

Ein weiterer Mangel bleibt die Tatsache, dass auch in der Schweiz oft diejenigen, die über umfangreichere Mittel verfügen, die Stimmung der Bevölkerung zu ihren Gunsten beeinflussen können. Sei es mittels herkömmlicher Postwurfsendungen, Plakaten, TV- und Radiospots, oder durch Social Media-Kampagnen, die dank der Macht immer besser programmierter Algorithmen den Ausgang einer Abstimmung prägen können.

Die Weiterentwicklung der direkt-demokratischen Werkzeuge ist daher dringend notwendig. Denn nur eine Demokratie, in der unkompliziert und kostengünstig Unterschriften für Initiativen und Referenden gesammelt werden können, und in der – in einem nächsten Schritt – die Bevölkerung einfach Verbesserungsvorschläge einbringen und Anregungen äussern kann, ist eine Demokratie, in der die Fähigkeiten des Einzelnen zu einer Verbesserung der Lebensqualität für alle genutzt werden können. Denn es bedeutet: ehrliche Teilhabe und Gerechtigkeit.

Nur wenn wir als Bevölkerung der Schweiz die ersten Schritte in eine digitale direkte Demokratie wagen, wird es uns gelingen, auch die Generationen, die mit der Digitalisierung aufwachsen, miteinzubeziehen – das heisst, jene Bürger*innen der Schweiz, deren Zukunft oft von älteren Generationen verhandelt und entschieden wird. Und nur wenn wir zusammen bestimmen, wie wir uns die neue, umfassendere Demokratie vorstellen, wenn wir uns gemeinsam gegen zu einfache Antworten einsetzen und uns austauschen, denken, handeln, wird die Schweiz auch in Zukunft ein Land sein, das von der Welt beneidet wird. Denn in ihr bestimmt das Volk, wie es leben will.

Von einer neuen Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen, über bessere Gesamtarbeitsverträge für Pflegende oder die Altersvorsorge, bis hin zu lokalen Bauvorhaben und Umweltschutz: Lassen Sie uns gemeinsam einen weiteren Schritt in Richtung einer radikal gerechten Demokratie gehen, in der die Bevölkerung ihre Ideen einer besseren Zukunft einbringen kann. Gestalten wir konkret unser Leben. Jetzt.

Sibylle Berg

SchweizerinSchriftstellerinDramatikerinund Nerd

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Hauptteil

Macht direkte Demokratie!

Che Wagner und Philippe Kramer

«Macht entspringt der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschliessen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln.»

Hannah Arendt in «Macht und Gewalt», 1970

Wir leben in unruhigen Zeiten. Weltweit sind Länder damit beschäftigt, die Ausbreitung des COVID-19 Virus einzudämmen, die wirtschaftlichen Folgen zu bewältigen und den Menschen Schutz und Sicherheit zu bieten. Gleichzeitig tickt die Uhr, um rechtzeitig griffige Massnahmen für den Klimaschutz zu ergreifen. Auch die rasant fortschreitende Überalterung unserer Gesellschaft wirft dringende Fragen auf: für die Zukunft der Sozialwerke, in der Gesundheitspolitik und für das Kräfteverhältnis der Stimmberechtigten. Und nicht zuletzt hinkt die Schweiz bei der Gleichstellung in Familie und Beruf anderen Ländern weit hinterher.

In Krisenmomenten kommt der Politik eine entscheidende Rolle zu. Das vorliegende Buch untersucht, wie und unter welchen Voraussetzungen gemeinsame Lösungen gefunden werden können. Im Fokus steht die Ausgestaltung und Weiterentwicklung unseres politischen Systems.

Unvollständige Demokratie

Die direkte Demokratie verleiht der Schweizer Politik hohe Legitimität und Stabilität. Doch die bewährten demokratischen Prozesse stammen aus dem vorletzten Jahrhundert. Das Referendum wurde auf nationaler Ebene 1874 eingeführt, die Geburt der Volksinitiative datiert auf das Jahr 1891 zurück. Zwar wurden die politischen Rechte seither ausgebaut, wie beispielsweise mit der Einführung des nationalen Frauenstimmrechts 1971. Doch die Weiterentwicklung der Demokratie im Zuge der Digitalisierung wurde von der Politik bisher vernachlässigt.

Im Internet werden Menschen primär als Konsument*innen angesprochen und nicht als Bürger*innen. Das Machtgefälle zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft droht weiter zuzunehmen. Auch innerhalb der Politik verschärfen sich die Ungleichheiten: Fehlende finanzielle Transparenz, personalisierte Informationstechnologien und eine zunehmend globalisierte Welt tragen dazu bei, dass sich politische Macht zu konzentrieren droht.

Zugleich birgt die Digitalisierung grosse Chancen für die direkte Demokratie von morgen. Dezentralisierte Strukturen, niederschwellige Partizipationsprozesse und Verfügbarkeit von Fachwissen sind nur einige der vielversprechenden Möglichkeiten. Sie erlauben neue Formen des politischen Engagements, die Bürger*innen verstärkt ins Zentrum rücken.

Bewegte politische Landschaft

Politische Organisationen, Interessenverbände, Parteien und Gruppierungen messen sich zunehmend nicht mehr nur in Kategorien wie Mitgliederstärke oder finanzielle Ressourcen. Digitale Kommunikationsformen und die Verfügbarkeit von Wissen im Netz haben dazu geführt, dass klassische politische Akteur*innen sich eingehender mit ihren Anhänger*innen auseinandersetzen müssen – oder gar durch neue, besser vernetzte und agilere Strukturen ersetzt werden. Nur so ist es möglich, dass politische Bewegungen, wie der Klimastreik, sich in kürzester Zeit formieren können. Dank dem digitalen Wandel verringert sich auch die Abhängigkeit von etablierten Akteur*innen – Menschen können sich so, wenn sie sich mit anderen zusammenschliessen, selber politisches Gehör verschaffen.

Um Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden und Lösungen konkret umzusetzen, sind neue, schlagkräftige Allianzen nötig. Vor diesem Hintergrund wird im Juni 2020 die Stiftung für direkte Demokratie gegründet: Ihr Ziel ist es, jene Kräfte zu bündeln, die sich für eine starke Zivilgesellschaft engagieren, und neuen Bewegungsformen zum Durchbruch zu verhelfen. Mit der Gründung wollen wir das Bürger*innen-Engagement stärken und als Inkubator Initiativ- und Referendumsprojekte unterstützen – auf allen drei föderalen Ebenen.

Auf diese Weise will die Stiftung für direkte Demokratie dazu beitragen, dass politische Ideen und Projekte, die eine gesellschaftliche Debatte verdient haben, nicht ignoriert oder zwischen etablierten Akteuren aufgerieben werden. Wir hoffen, mit diesem neu geschaffenen Denk- und Handlungsraum Wege aufzeigen zu können, wie wir die direkte Demokratie verstärkt als Getriebe für den gesellschaftlichen Wandel nutzen können.

Deshalb braucht unsere direkte Demokratie ein Update. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfordern eine Auseinandersetzung mit der «Machtfrage» – darüber, wie und unter welchen Umständen Entscheidungen gefällt werden. Denn es lässt sich nicht leugnen, dass die gegenwärtigen Transformationsprozesse zu Verschiebungen der Kräfteverhältnisse führen.

Seismographen des Wandels

Wir haben 39 Autor*innen eingeladen, einen Buchbeitrag zu schreiben, um als «Seismographen» die laufenden und zu erwartenden Verschiebungen in der Demokratie nachzuzeichnen. Alle Beitragenden prägen die öffentliche Debatte in Wissenschaft, Politik und Kultur mit oder sind unmittelbar an Projekten beteiligt, welche neue direktdemokratische Möglichkeiten ausloten. Den Auftakt der Beitragsreihe macht ein ausführlicheres Interview mit Daniel Graf, der 2015 die digitale Unterschriftenplattform We­Collect gegründet und in den letzten Jahren mehr als zwei Dutzend Volksinitiativen und Referenden begleitet hat.

Die Autor*innen-Beiträge in diesem Buch sind in drei Themenfelder gegliedert. Im ersten Themenfeld Ausbauen werden neue Partizipationsformen der direkten Demokratie vorgestellt, die im Zeitalter des Internets an Bedeutung gewinnen. Eine Grundlage der digitalen Bürger*innen-Beteiligung ist die digitale Identität. Erik Schönenberger zeigt in seinem Beitrag «Digitale Identität ist Staatsaufgabe» auf, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind. Sandro Scalco erläutert unter dem Titel «E-Collecting: Digitalisierung der Volksrechte», wie wir die direktdemokratische Partizipation mit der Unterschriftensammlung im Netz voranbringen können. Franz Grüter mahnt in seinem Beitrag «E-Voting: Vertrauen verspielt», dass bei aller Reformfreude das Thema Sicherheit nicht vergessen werden darf.

Im zweiten Themenfeld Teilhabe befassen sich die Autor*innen mit der Frage, wie der Zugang zur Demokratie erweitert werden kann. So rufen Tatjana Binggeli und Annika De Maeyer mit ihrem Appell «Demokratie inklusive» zum Abbau der Partizipationshürden für Menschen mit Behinderungen auf. Stefan Manser-Egli macht sich in seinem Beitrag «Von ungeteilter Macht und unhinterfragter Hochwohlgeborenheit» für ein Einwohner*innen-Stimmrecht stark, sind doch in der Schweiz mehr als 25 Prozent der Bevölkerung gänzlich vom Mitbestimmungsprozess ausgeschlossen. Weiter zeigt Kathrin Bertschy in ihrem Text «Helvetia ruft!», wie es gelingt, bei Parlamentswahlen den Frauenanteil anzuheben.

Die Beiträge des dritten Themenfeldes lassen sich unter dem Schlagwort Neudenken zusammenfassen. Philippe Wampfler zeichnet in seinem Beitrag «Fünf Grundsätze für die Demokratiebildung in der Schule» nach, welche Rolle die Schule in der Demokratie übernehmen könnte. André Golliez beleuchtet in seinem Beitrag «Die politische Macht von Daten» die Grundsatzfrage, wem Daten gehören und welchen Einfluss Datenhoheit auf die Verschiebung politischer Macht hat. Weiter fordert Cornelia Diethelm in ihrem Beitrag «Gegen den digitalen Kontrollverlust» auf, näher hinzuschauen, wenn über die «Daten-Demokratie» gesprochen wird.

Die Beiträge in diesem Buch sind ein Appell, die Mitsprache aller im politischen Prozess zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, müssen wir bestehende Instrumente zur Entscheidungsfindung verbessern und neue Partizipationsformen etablieren. Schliessen wir uns zusammen, um die Teilhabe aller zu ermöglichen, Mitwirkungsmöglichkeiten auszubauen und die direkte Demokratie neu zu denken.

«Die Stiftungsgründung enthält ein grosses Versprechen:die Demokratisierungder direkten Demokratie.»

Interview mit Daniel Graf von Adrian Meyer