Made in Franken (eBook) - Norbert Treuheit - E-Book

Made in Franken (eBook) E-Book

Norbert Treuheit

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Beschreibung

Zahlreich besuchte Festivals, lohnende Neuerscheinungen und nie dagewesene Pop-Phänomene: die lange totgesagte Mundart hat in den letzten Jahren – gerade auch in Franken – eine offensichtliche Renaissance erlebt. Auf dem Feld der Poesie zeigt sich dabei deutlicher denn je, wie groß das Bedürfnis nach Regionalität und Unverwechselbarkeit in unserer Zeit ist, wie wichtig außerdem der Mut zu literarischem Anspruch, sozialem Engagement und kritischem Humor. Der Dialekt ist gleichzeitig Herz und Kopf unserer Sprache, ist Bestand und Bewegung unseres Denkens, Fühlens und Erinnerns. Dieser Band versammelt erstmals die besten fränkischen Gedichte der letzten fünf Jahrzehnte: herzhaft, couragiert und witzig.

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Steffen Radlmaier · Norbert Treuheit (Hrsg.)

 

 

 

Gedichte · ars vivendi

 

Vollständige eBook-Ausgabe der im ars vivendi verlag erschienenen Originalausgabe (1. Auflage 2018)

 

© 2018 by ars vivendi verlag GmbH & Co. KG, Bauhof 1, 90556 Cadolzburg

Alle Rechte vorbehalten

www.arsvivendi.com

Ein Teil der Gedichte befand sich bereits in der gleichnamigen ersten Ausgabe aus dem Jahr 1998.

 

Umschlaggestaltung: ars vivendi verlag

 

Datenkonvertierung eBook: ars vivendi verlag

 

eISBN 978-3-86913-893-0

 

Inhalt

Vorwort

1 Engelbert Bach

2 Gerd Bräutigam

3 Gerhard Falkner

4 Klaus Gasseleder

5 Gottlob Haag

6 Helmut Haberkamm

7 Günther Hießleitner

8 Manfred Kern

9 Gerhard C. Krischker

10 Matthias Kröner

11 Fitzgerald Kusz

12 Anneliese Lussert

13 Klaus Schamberger

14 Wilhelm Staudacher

15 Eberhard Wagner

16 Harald Weigand

Autoren und Quellen

Die Herausgeber

 

 

Vorwort

nix gechä hochdaidsche gedichde!

obbä manchmall kummäs mä su vuä

wäi laudä schäine heisä

mid laudä schäine fensdälä

obbä wemmä neigäih will

fehld di diä!

Fitzgerald Kusz

 

Die Zukunft hat längst begonnen (und sich, so scheint es, mitunter selbst schon überlebt): Die Folgen der Globalisierung spürt jeder am eigenen Leib, der weltweite Datenaustausch läuft via Internet in Sekundenschnelle, Englisch funktioniert längst als Weltsprache in den abgelegensten Gegenden, die Zahl der sogenannten digitalen Nomaden steigt stetig, der Ferntourismus boomt, von Arbeitnehmern wird grenzenlose Mobilität gefordert, fast alle lieben Fast Food, das überall auf der Welt gleich schmeckt. Widerstand ist zwecklos, oder?

Das Schreiben im Dialekt, in der regional gefärbten und begrenzten Sprache, wirkt vor diesem Hintergrund fast wie ein Anachronismus. Oder aber wie ein Akt der Rebellion gegen die weltweite Gleichmacherei. Die Globalisierung bewirkt jedenfalls auch regionale Gegenbewegungen, den Rückzug in kleinere Einheiten, der die eigene Existenz im großen Brei der Mainstreamkultur unterscheidbar machen soll. Im schlimmsten Fall drohen dabei Kleingeisterei, Provinzialismus und ein Rückfall in nationalistisches Denken.

Man könnte Martin Walser zitieren. Für ihn ist der Dia­lekt »eine Art Goldreserve; die liegt dem hochdeutschen Papier zugrunde als eine verschwiegene Deckung; auf die kann man sich zwar nicht öffentlich berufen, aber man zieht sich auf sie zurück, wenn alle übrigen Sinne schon zerstört sind. Der Dialekt ist eben genauso wichtig wie die untergegangene Kindheit. Deren Untergegangenheit ist nicht zu bezweifeln. Unbezweifelbar aber ist auch ihre Nachwirkung. Und ihre mächtigste Wirkung tut sie, kommt mir vor, in ihrem treuesten Zeugen: im Dialekt.«

Das Schielen nach Gewinnchancen auf dem Weltmarkt hat dazu geführt, dass die unbezahlbaren Vorteile des heimischen Wochenmarktes aus dem Blick geraten sind. Aber es gibt immer mehr Zeitgenossen, die nach der Devise leben: global denken, lokal handeln. Das gilt für die Literatur eigentlich seit jeher.

So gesehen gibt es eine ganze Menge hinterlistiger Heimatdichter in Franken. Und dabei muss man sich nicht unbedingt an Asterix und Obelix erinnern, die längst auch auf Fränkisch ihre bretonische Eigenart gegen die Römer verteidigen.

Vor rund fünfzig Jahren entwickelte sich auch und gerade in Franken die sogenannte »Neue deutsche Mundartdichtung«, die mit betulicher Freizeitreimerei und engstirniger Heimattümelei Schluss machte. Soziales Engagement und literarischer Anspruch, aber auch herzhafter Humor wirkten wie Vitaminspritzen auf die dahinsiechende, kaum ernstgenommene Dialektpoesie, die fest in der Hand konservativer Heimatpfleger und Hobbyautoren war. Dass es auch anders geht, hatten die Österreicher H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Gerhart Rühm und Ernst Jandl, aber auch Helmut Qualtinger im Wien der Fünfzigerjahre vorgemacht.

Als einer der Ahnherren der modernen Dialektlyrik nicht nur in Franken gilt der Rothenburger Wilhelm Staudacher, der wie viele Autoren seiner Generation mit traditionellen Mundartgedichten begann. Die Trauer um die angeblich so gute alte Zeit arbeitete er mit großer lyrischer Gebärde immer wieder auf. Der Blick zurück – im Zorn oder voll Wehmut – wich mit der Zeit der Beschäftigung mit den Problemen der Gegenwart und der Sorge um die Zukunft. Einen ganz eigenen lyrischen Ton fanden auch Staudachers ­Kollegen Engelbert Bach aus Kitzingen, Anneliese Lussert aus Gemünden und Gottlob Haag, ein eigenwilliger Poet aus dem hohenlohischen Grenzgebiet.

Nicht zu unterschätzen bei der Entwicklung der Dialektlyrik in Franken ist die Rolle des Rundfunks. Vor allem Wolfgang Buhl vom BR-Studio Franken hat sehr bald erkannt, dass Mundart ihren Charme vor allem beim Hören entwickelt und daher bestens fürs Radio geeignet ist. Entsprechend hat er Autoren gefördert und Sendungen mit immer neuen Themen gefordert.

Anfang der Siebzigerjahre entstand in Franken (ausgelöst durch die Sprachbarrieren-Diskussion) eine neue, »dokumentarisch« genannte Dialektlyrik. Der Nürnberger Fitzgerald Kusz ist ihr bekanntester Vertreter. Er hat inzwischen – wie einst schon Konrad Grübel, der Klassiker der fränkischen Mundartdichtung des 19. Jahrhunderts – eine ganze Reihe von Nachahmern gefunden. Der neue Kniff war genial einfach: Authentische bzw. authentisch klingende Äußerungen werden vorgestellt und zum Beispiel durch eine konterkarierende Überschrift verfremdet. Die Poesie liegt da gewissermaßen auf der Straße, der Autor schaut den Leuten buchstäblich aufs Maul – redet ihnen allerdings nicht nach dem Mund.

Die Sprachkritik dient der Gesellschaftskritik; die Demonstration eines Weltbildes, wie es in Sprachfloskeln und Redewendungen zum Ausdruck kommt, soll zur Diskussion, zum Nachdenken anregen. Die gutgemeinte Rechnung ging jedoch nicht ganz auf, die dokumentarische Dialekt­lyrik geriet in den Ruch, letzten Endes nur ein Insiderscherz von Intellektuellen für Intellektuelle zu sein – auf Kosten des »kleinen Mannes«. Und gerade ihn, den sozial und kulturell Benachteiligten, wollten die engagierten Dialektdichter doch ansprechen.

Aus heutiger Sicht kaum nachzuvollziehen ist der Aufruhr, den diese moderne Mundartdichtung damals im traditionellen Lager auslöste. Nicht nur die neuen Inhalte, auch die formale Gestaltung mit konsequenter Kleinschreibung galten als Verrat an der volkstümlichen Sache.

Längst hat auch Kusz erkannt, dass sich die Möglichkeiten der dokumentarischen Dialektlyrik erschöpft haben. Als Alternativen hat er Großstadtgedichte und Naturlyrik geschrieben sowie eine Vorliebe für die japanische Form des Haikus entwickelt. Warum er immer noch im Dialekt schreibt? »Hochdeutsch habe ich inzwischen verlernt«, sagt Kusz, »es interessiert mich auch nicht mehr. Wenn man einmal eine Gitarre mit Verstärker gespielt hat, geht es auch nicht mehr ohne. Dialekt ist für mich ein direkter Verstärker.«

Wesentlich skeptischer sieht der Bamberger Gerhard C. Krischker, neben Kusz der wichtigste Dialekt-Neuerer in Franken, die Sache: »Mundartdichtung war bis vor gar nicht langer Zeit eine Dichtung zweiter Klasse. Jetzt aber ist sie akzeptiert, und damit ist eigentlich alles geleistet. Ich sehe da keine Perspektive mehr. Das sage ich ohne Resignation. Ich glaube, es ist da jetzt alles gemacht, Innovationen sind kaum mehr möglich.« Krischker, der in seinen witzigen Texten gerne als kritisch-respektloser Chronist seiner Heimatstadt Bamberg auftrat, hat sich inzwischen vom Dialekt weitgehend verabschiedet, nicht ohne eine Best-of-Sammlung zu hinterlassen.

Gerd Bräutigam aus Würzburg und Eberhard Wagner aus Bayreuth sind weitere wichtige Vertreter der modernen Mundartlyrik. Diese ist (auch bei ihnen) Teil einer kritischen Heimatbewegung, die sich vor Tümeleien hütet, aber regionales Selbstbewusstsein demonstriert.

Die Mundartwelle der Siebziger- und frühen Achtzigerjahre, die auch das Theater und die Rockmusik erfasste, ist nicht spurlos verebbt. Der erfolgreichste fränkische Bühnenautor heißt immer noch Fitzgerald Kusz, längst ein moderner Klassiker des Dialektdramas: Sein Konfirmationsstück Schweig, Bub! hat sich seit 1976 zum Bühnenrenner entwickelt, der in viele andere Dialekte übertragen worden ist. Neue Theateransätze versuchten auch Kerstin Specht (Das glühend Männla) und Helmut Haberkamm (No Woman, No Cry – Ka Weiber, Ka Gschrei und We Are the Champions – Mir sinn die Größdn).

Haberkamm machte Anfang der Neunzigerjahre mit seiner literarischen Spurensuche im Aischgrund auf sich aufmerksam. Während die moderne Dialektdichtung bis dahin hauptsächlich ein Stadtphänomen war, rückte er in seiner Trilogie Frankn lichd nedd am Meer, Wie di erschdn Menschn und Leem aufm Babbier die vom Untergang bedrohte dörfliche Welt in den Mittelpunkt. Daneben übertrug und überträgt der Anglist aber auch amerikanische Rock­lyrik kongenial auf fränkische Verhältnisse. Außerdem hat er 2016 in Burgbernheim mit »Edzerdla« das erste fränkische Mundartfestival ins Leben gerufen.

Klaus Schamberger, Günther Hießleitner, Manfred Kern und Matthias Kröner liefern weitere aktuelle Beispiele dafür, dass der Dialekt durchaus noch Möglichkeiten für ­Poeten bietet. Für Überraschung sorgte dazu der international renommierte Lyriker Gerhard Falkner im Jahr 2010 mit einem literarischen Seitensprung: In Kanne Blumma, seinem ersten (und bisher einzigen) Dialektlyrik-Band, verwendet er die Mundart in erster Linie als phonetisches und poetisches Spielmaterial mit ungeahnten Möglichkeiten. Vielleicht kann die Mundart, die überall auf dem Rückzug ist, tatsächlich nur als Kunstsprache überleben?

Erstaunliche (und überregionale) Erfolge kann seit einigen Jahren aber auch die fränkische Kabarettszene verzeichnen. Urban Priol ist hier zu nennen, aber (zum Teil) auch ­Matthias Tretter oder Mia Pitroff. Mit Erwin Pelzig, dargestellt von dem Würzburger Frank-Markus Barwasser, gibt es erstmals eine gesamtfränkische Kabarett-Kunstfigur, die große Erfolge im Radio und Fernsehen, ebenso wie auf Kleinkunstbühnen feiert. Pelzig ist ohne Cordhut und Herrenhandtasche ebenso undenkbar wie ohne seinen unterfränkischen Dialekt. Und dem Nürnberger Kabarettisten Bernd Regenauer sind mit seiner Radio-Seifenoper »Metzgerei Boggnsack« und seinem Soloprogramm »Mensch Nützel« neue, pfiffige Versionen der Dialekt-Unterhaltung gelungen. Nicht zu vergessen populäre Comedians wie Matthias Egersdörfer, Volker Heißmann und Martin Rassau sowie der Bembers.

Aber nicht nur auf dem Gebiet des Kabaretts und der Comedy ist fränkische Mundart derzeit angesagt, sondern auch in der populären Musik. Der inzwischen verstorbene Liedermacher Maximilian Kerner und der hauptamtliche Pfarrer Wolfgang Buck haben den Dialekt-Song neu belebt; selbst die legendären »Peterlesboum« erleben dank der »Revival Band« ein spätes Comeback. Die »Frankenbänd« setzt auf fränkische Folk- und Volksmusik, und Fitzgerald Kusz experimentiert neuerdings zusammen mit dem Komponisten Chris Beier mit elektronischer Popmusik.

Mit einiger Verspätung haben endlich auch fränkische Rockbands, die sich an Dialekttexte wagen, größeren Erfolg: Als Beispiele mögen »Wassd Scho? Bassd scho!« aus Nürnberg, das Bamberger »Kellerkommando« und neuerdings die Konzert-Kabarett-Kapelle »Gankino Circus« aus Dietenhofen genügen. Im weiteren Sinn gehören auch die Erlanger Spaßrocker »J.B.O.« dazu. Die Mundart erfreut sich also, wie man daraus ersehen kann, doch großer Beliebtheit.

 

Die Auswahl für diese Best-of-Sammlung aus den letzten fünf Jahrzehnten ist repräsentativ, aber durch und durch subjektiv. Ein wissenschaftlicher Anspruch auf Vollständigkeit wird keinesfalls angestrebt. »Made in Franken« bedeutet in Sachen Mund-Art durchaus literarische Wertarbeit und nicht nur Ironie. Die Texte liest man am besten laut, so kann man sich auch die unterschiedlichen unter-, mittel- und oberfränkischen Klangfarben und Ausdrücke auf der Zunge zergehen lassen. Bekanntlich ist der sogenannte ostfränkische Sprachraum stark zersplittert und kleinteilig. Fast jedes Dorf und so manches Stadtviertel hat auch heute noch eine eigene Sprache, eine eigene Klangfarbe, auch wenn diese Eigenheiten im Zeitalter der Massenmedien zunehmend verwischen. Es macht mitunter Mühe, meist aber viel Spaß, die Dialektgedichte zu entschlüsseln. Oder wie es Lothar Kleinlein im Nachwort zu Kalde Naunscherler und warme Druhdscherler bereits 1974 formulierte: »Wie ein Gericht sich nicht im Kochbuch realisiert, vielmehr erst beim Essen, so verwirklichen sich Texte nicht auf dem Papier, sondern beim Lesen – und Mundarttexte allemal beim lauten Lesen.«

Die Chance der Mundart liegt gerade in der Verteidigung der Eigenart. Im Spannungsfeld zwischen Bescheidenheit und Größenwahn, Wochen- und Weltmarkt, Provinznest und World Wide Web, Besonderem und Allgemeinem muss sie ihren Platz finden. Heimatverbunden und weltoffen, witzig und herzhaft. Nur so können sich die fränkischen Mund-Artisten gegen den Rest der Welt behaupten.

Man könnte auch mit Anlehnung an Frank Zappa behaupten: Dialekt ist nicht tot. Er riecht nur komisch.

 

Steffen Radlmaier, Januar 2018

 

1 Engelbert Bach

 

Eines Tags

Wennst aa bal

keen mähr findst,

wua nu fränkisch kann,

weil ar

reigheiert hat,