Maos Großer Hunger - Frank Dikötter - E-Book
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Maos Großer Hunger E-Book

Frank Dikötter

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Beschreibung

Maos »Großer Sprung nach vorn« verwandelte China in eine Hölle auf Erden. Als einer der ersten westlichen Historiker erhielt Frank Dikötter Zugang zu bisher geheimen Parteiarchiven und Dokumenten. Auf erschütternde Weise zeigen sie das ganze Ausmaß der Zerstörung, der Millionen von Menschen zum Opfer fielen. »Es ist in der Fülle seiner Fakten und in der Klarheit der Analyse ein zutiefst verstörendes Buch - eines, das zur Pflichtlektüre gehören sollte über die großen politischen Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts. Und über die gewaltigen Aufgaben des einundzwanzigsten.« Martin Tschechne, Deutschlandradio Kultur, 28.7.2014 Mao Zedong trieb die Modernisierung Chinas mit dem »Großen Sprung« voran – die übrigen Nationen sollten in einer ungeheuren Kraftanstrengung überholt werden. Rücksichtslos und skrupellos verantworteten der »Große Steuermann« und die Parteiführung die furchtbarsten Katastrophen der chinesischen Geschichte. Bis heute sind die immensen Opfer in China ein Tabuthema und die Zahl der ermordeten oder in den Suizid getriebenen Menschen waren weithin unbekannt – zumindest bisher. Frank Dikötters Akteneinsichten lassen es zur Gewissheit werden: Mindestens 45 Millionen Menschen verloren infolge eines der größenwahnsinnigsten Menschenexperimente ihr Leben – verhungerten oder fielen der Willkür lokaler Parteikader zum Opfer.

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FRANK DIKÖTTER

MAOSGROSSERHUNGER

Massenmord und

Menschenexperiment in China

(1958 – 1962)

Aus dem Englischen vonStephan Gebauer

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Mao’s Great Famine: The History of China’s Most Devastating Catastrophe, 1958–1962« im Verlag Walker & Company, Bloomsbury Publishing, London

© 2010 by Frank Dikötter

Für die deutsche Ausgabe

© 2014 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Bildnachweis für den gesamten Bildteil: © New China News Agency

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg

Unter Verwendung eines Fotos von © AFP/Getty Images

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-94844-8

E-Book: ISBN 978-3-608-10689-3

Dieses E-Book beruht auf der 1. Auflage 2014 der Printausgabe

»Die Revolution ist keine Dinnergesellschaft.«

Mao Zedong

Inhalt

Vorwort

Chronologie

Karte

TEIL I: AUF DEM WEG NACH UTOPIA

1 Die Rivalen

2 Es darf geboten werden

3 Die Partei wird gesäubert

4 Blast zum Angriff

5 Eine andere Art von Sputniks

6 Das Bombardement kann beginnen

7 Die Volkskommunen

8 Stahlfieber

TEIL II: DURCH DAS TAL DES TODES

9 Warnsignale

10 Im Kaufrausch

11 Vom Erfolg berauscht

12 Schluss mit der Wahrheit

13 Repression

14 Das Zerwürfnis mit der Sowjetunion

15 Kapitalistisches Getreide

16 Der Ausweg

TEIL III: ZERSTÖRUNG

17 Landwirtschaft

18 Industrie

19 Handel

20 Bauten

21 Natur

TEIL IV: ÜBERLEBENSSTRATEGIEN

22 In Saus und Braus durch die Hungersnot

23 Mauschelei und Beschaffungskriminalität

24 Lange Finger und »Untergrundgetreide«

25 »Lieber Vorsitzender Mao«

26 Räuber und Rebellen

27 Exodus

TEIL V: DIE SCHWÄCHSTEN GLIEDER

28 Kinder

29 Frauen

30 Alte Menschen

TEIL VI: VERSCHIEDENE ARTEN ZU STERBEN

31 Unfälle

32 Krankheiten

33 Der Gulag

34 Gewalt

35 Orte des Grauens

36 Kannibalismus

37 Die Endabrechnung

Nachsatz

Tafelteil

ANHANG

Dank

Ein Essay über die Quellen

Ausgewählte Literatur

Anmerkungen

Personenregister

Orts- und Sachregister

Vorwort

Zwischen 1958 und 1962 verwandelte sich China in eine Hölle auf Erden. Mao Zedong, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), trieb das Land in den Wahnsinn des »Großen Sprungs nach vorn«, mit dem er in weniger als 15 Jahren die Industrienation Großbritannien einholen wollte. Mao glaubte, die übrigen Nationen mit einem Sprung überholen zu können, indem er Chinas wichtigste Ressource in die Waagschale warf: ein Arbeiterheer von mehreren hundert Millionen Menschen. Anstatt das auf der Schwerindustrie beruhende sowjetische Entwicklungsmodell zu übernehmen, sollte China »auf zwei Beinen gehen«: Die Partei mobilisierte die Masse der Bauern, um Landwirtschaft und Industrie gleichzeitig umzukrempeln und eine rückständige Volkswirtschaft durch eine moderne kommunistische Wirtschaft zu ersetzen, in der alle im Überfluss leben würden. Um dieses utopische Paradies zu errichten, wurde die gesamte Volkswirtschaft kollektiviert: Die Landbevölkerung wurde in riesigen Volkskommunen zusammengepfercht, die als Vorstufe der kommunistischen Gesellschaft betrachtet wurden. Die kommunistische Führung raubte den Bauern ihre Arbeit, ihre Häuser, ihr Land, ihren persönlichen Besitz und ihren Lebensunterhalt. Die Nahrung, die in den kollektiven Volksküchen entsprechend der Arbeitsleistung verteilt wurde, war eine Waffe, mit der das Volk gezwungen werden konnte, jeden Befehl der Partei zu befolgen. Bis zur Hälfte der Dorfbewohner wurde gezwungen, monatelang ohne ausreichende Nahrung und Ruhepausen an gewaltigen Bewässerungsanlagen zu arbeiten, die oft weit von ihren Heimatorten entfernt waren. Das Experiment endete mit der größten Katastrophe in der Geschichte Chinas und zerstörte Dutzende Millionen Menschenleben.

Anders als bei vergleichbaren Katastrophen – etwa jenen, die Pol Pot, Adolf Hitler oder Josef Stalin auslösten – ist das wahre Ausmaß des Schreckens, den die Chinesen während des »Großen Sprungs nach vorn« durchlebten, bis heute nicht bekannt. Der Grund dafür ist, dass lange Zeit nur Historiker, denen die Partei vollkommen vertraute, Zugang zu den Parteiarchiven hatten. Aber dank eines neuen Gesetzes können seit einiger Zeit große Mengen an Archivmaterial eingesehen werden. Seit ein Teil der Archive offen steht, haben professionelle Historiker vollkommen neue Möglichkeiten zum Studium der Mao-Zeit. Das vorliegende Buch beruht auf der Auswertung von mehr als tausend Dokumenten aus Dutzenden Parteiarchiven. Unter diesen Archiven sind jene des Außenministeriums in Peking und große Aktensammlungen der Provinzparteiorganisationen von Hebei, Shandong, Gansu, Hubei, Hunan, Zhejiang, Sichuan, Guizhou, Yunnan und Guangdong sowie kleinere, aber gleichermaßen wertvolle Sammlungen in Stadt- und Kreisverwaltungen in ganz China. Ausgewertet wurden Geheimberichte der Behörde für Öffentliche Sicherheit, detaillierte Protokolle von Sitzungen der Parteiführung, unzensierte Versionen wichtiger Reden von Parteiführern, Studien zu den Arbeitsbedingungen auf dem Land, Untersuchungen von Massenmorden, Geständnisse von Parteifunktionären, die für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich waren, Berichte von Inspektionsteams, die in der Endphase des »Großen Sprungs« das wahre Ausmaß der Katastrophe untersuchten, Berichte über den Widerstand von Bauern gegen die Kollektivierung, geheime Meinungsumfragen, Beschwerdebriefe von gewöhnlichen Bürgern und verschiedenste andere Dokumente.

Die Erkenntnisse, die wir aus diesem gewaltigen und detaillierten Dossier ziehen können, verändern unser Bild vom »Großen Sprung« vollkommen. Beispielsweise mussten sich die Forscher zur Berechnung der Opferzahlen bisher auf die offiziellen Bevölkerungsstatistiken stützen, etwa auf die Volkszählungen der Jahre 1953, 1964 und 1982. Die aus diesen Daten abgeleiteten Schätzungen liegen zwischen 15 und 32 Millionen Toten über die normale Sterblichkeit hinaus. Aber die seinerzeitigen Analysen des Sicherheitsdienstes sowie die umfangreichen Geheimberichte, die in den letzten Monaten des »Großen Sprungs« von verschiedenen Parteikomitees verfasst wurden, zeigen deutlich, dass diese Zahlen viel zu niedrig angesetzt sind und dass sich in Wahrheit eine Katastrophe von sehr viel größeren Ausmaßen ereignete: In diesem Buch werde ich zeigen, dass zwischen 1958 und 1962 in China mindestens 45 Millionen Menschen einen unnötigen Tod fanden.

Zur Beschreibung dieser vier bis fünf Jahre der Mao-Zeit wird oft der Begriff »Hungersnot« oder »Große Hungersnot« verwendet. Doch dieser Begriff wird der Tatsache nicht gerecht, dass die Menschen im Verlauf der radikalen Kollektivierung auf ganz unterschiedliche Art starben. Die leichtfertige Verwendung des Worts »Hungersnot« leistet auch der verbreiteten Meinung Vorschub, der Tod dieser Menschenmassen sei die unbeabsichtigte Folge unausgegorener und schlecht umgesetzter Wirtschaftsprogramme gewesen. Im Allgemeinen werden Maos Name und sein »Großer Sprung« nicht mit der massenhaften Tötung von Menschen in Verbindung gebracht, und das kommunistische China steht in den Augen der Welt immer noch gut da, wenn die dortigen Geschehnisse mit dem Schrecken in Kambodscha oder der Sowjetunion verglichen werden. Aber wie das in diesem Buch vorgelegte Beweismaterial zeigt, waren Zwang, Terror und systematische Gewalt die Säulen des »Großen Sprungs«. Aus den von den Parteiorganen selbst zusammengestellten Berichten können wir schließen, dass zwischen 6 und 8 Prozent der Menschen, die zwischen 1958 und 1962 starben, zu Tode gefoltert oder ohne viel Federlesen erschlagen wurden. Das waren mindestens 2,5 Millionen Menschen. Anderen Opfern verweigerte man gezielt jegliche Nahrung, damit sie verhungerten. Viele andere verschwanden, weil sie zu alt, zu schwach oder zu krank zum Arbeiten waren – sie waren nicht imstande, sich ihre Essensrationen zu verdienen. Menschen wurden zur Tötung ausgewählt, weil sie wohlhabend waren, weil sie trödelten, weil sie ihre Meinung sagten oder weil die Person, die in der Volksküche das Essen ausgab, aus irgendeinem Grund eine Abneigung gegen sie hatte. Ungezählte Menschen wurden indirekt durch Vernachlässigung getötet, da sich die örtlichen Parteifunktionäre auf die Planziele konzentrieren mussten: Sie konnten sich nicht um die Menschen kümmern, sondern mussten die strengen Vorgaben unerbittlicher Planer erfüllen.

Der Traum vom kommunistischen Schlaraffenland löste nicht nur eines der grauenhaftesten Massensterben in der Geschichte der Menschheit aus, sondern fügte auch der Landwirtschaft, dem Handel, der Industrie und dem Transportwesen immensen Schaden zu. Töpfe, Pfannen und Werkzeuge wurden in Hinterhöfen in primitiven Hochöfen eingeschmolzen, um die Stahlproduktion des Landes zu erhöhen, denn diese galt als magischer Maßstab für den Fortschritt. Die Viehbestände schmolzen zusammen, was nicht nur daran lag, dass die Tiere massenweise geschlachtet wurden, um den Exportverpflichtungen Chinas nachzukommen: Sie starben auch an Krankheiten oder verhungerten, während im ganzen Land gigantische Schweinezuchtbetriebe errichtet wurden, die Fleisch auf jeden Tisch bringen sollten. Die Verschwendung geriet außer Kontrolle, weil Rohstoffe und Material ohne Sachverstand verteilt wurden und weil die Fabrikleiter gezielt gegen die Regeln verstießen, um die Produktion zu erhöhen. Da an allen Ecken und Enden gepfuscht wurde, um die Produktionsvorgaben zu erfüllen, spuckten die Fabriken massenhaft minderwertige Erzeugnisse aus, die dann an den Güterbahnhöfen liegen blieben. Die Korruption fraß sich ins Alltagsleben und verseuchte alles von Sojasauce bis zu Wasserkraftwerken. Das Transportsystem brach unter dem Druck der Befehlswirtschaft zusammen. Güter im Wert von Hunderten Millionen Yuan türmten sich in Volksküchen, Schlafsälen, ja sogar auf den Straßen, Lebensmittel verrotteten, Ausrüstung verrostete. Man hätte kaum ein verschwenderischeres System entwerfen können. Es war ein System, in dem Getreide in staubigen Straßengräben liegen blieb, während anderswo Menschen im Wald nach Wurzeln wühlten oder Erde aßen.

Der Versuch, die Gesellschaft mit einem einzigen entschlossenen Sprung in die kommunistische Zukunft zu befördern, führte zur größten Zerstörung von Eigentum in der Menschheitsgeschichte – die Verwüstungen stellten sämtliche Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg in den Schatten. Bis zu 40 Prozent des Wohnraums wurden in Schutt und Asche gelegt, als man Häuser abriss, um Dünger zu gewinnen, Volksküchen zu errichten, Dorfbewohner umzusiedeln, Straßen zu begradigen, Platz für eine bessere Zukunft zu schaffen oder die Bewohner zu bestrafen. Auch die Umwelt kam nicht ungestraft davon: Es wird wohl nie geklärt werden, wie groß die Waldfläche war, die im Lauf des »Großen Sprungs« abgeholzt wurde, aber in einigen Provinzen fiel dem Krieg gegen die Natur bis zur Hälfte aller Bäume zum Opfer. Auch Flüsse und andere Gewässer litten: Im ganzen Land bauten Hunderte Millionen Bauern unter großen menschlichen und wirtschaftlichen Opfern Dämme und Kanäle, die zum Großteil nutzlos oder sogar gefährlich waren und Erdrutsche auslösten, zur Verschlammung von Flüssen und zur Versalzung der Böden führten und verheerende Überschwemmungen verursachten.

Es geht in diesem Buch also keineswegs nur um die Hungersnot. Vielmehr wird hier anhand oft grauenhafter Fallbeispiele der Beinahe-Zusammenbruch eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems beschrieben, das Maos historisches Vermächtnis sein sollte. Als offenkundig wurde, dass Maos Projekt in die Katastrophe führte, wälzte der Vorsitzende die Verantwortung auf seine Kritiker ab, um seine Position als unersetzlicher Führer der Partei zu verteidigen. Doch nach dem Ende der Hungersnot bildeten sich neue Fraktionen, die dem Vorsitzenden die Stirn boten: Um sich an der Macht zu halten, leitete er die Kulturrevolution ein und stellte das Land erneut auf den Kopf. Das prägende Ereignis in der Geschichte der Volksrepublik China war der »Große Sprung nach vorn«. Um die Entwicklung des kommunistischen China verstehen zu können, muss man sich vor Augen halten, dass der »Große Sprung« die gesamte maoistische Phase prägte. Und aus der Katastrophe, die das kommunistische Regime in China auslöste, kann die Menschheit, die nach einem Gleichgewicht zwischen Freiheit und Regulierung sucht, eine grundlegende Lehre ziehen: Die Vorstellung, mit staatlicher Planung könne das Chaos überwunden werden, ist ein Irrtum.

Das Buch liefert bisher unbekannte Erkenntnisse über die Dynamik der Macht im Einparteienstaat. Die Politikwissenschaftler haben die politischen Vorgänge rund um den »Großen Sprung nach vorn« ausgehend von offiziellen Erklärungen, halbamtlichen Dokumenten und Material der Roten Garden studiert, das im Verlauf der Kulturrevolution veröffentlicht wurde. Aber keine dieser zensierten Quellen verrät uns etwas über die Vorgänge hinter verschlossen Türen. Was genau in den Korridoren der Macht gesagt und getan wurde, werden wir erst erfahren, wenn das Zentrale Parteiarchiv in Peking für die Forschung geöffnet wird, und das dürfte in der nahen Zukunft nicht geschehen. Aber in den Provinzarchiven findet man die Protokolle wichtiger Sitzungen, da die örtlichen Parteichefs an vielen entscheidenden Versammlungen teilnahmen und über die Entwicklungen in Peking auf dem Laufenden gehalten werden mussten. Dieses Archivmaterial wirft ein ganz anderes Licht auf die Vorgänge in der Parteiführung: Die Protokolle einiger streng geheimer Treffen zeigen mit brutaler Deutlichkeit, wie die Mitglieder der Führung einander in den Rücken fielen und sich gegenseitig schonungslos unter Druck setzten. Von Mao selbst zeichnen diese Dokumente ein wenig schmeichelhaftes Bild, das kaum etwas mit seiner öffentlichen Selbstdarstellung zu tun hat: Wir sehen einen Mann, der weitschweifige Sermone hielt, von seiner historischen Bedeutung besessen war und Kritiker, von denen er sich beleidigt fühlte, mit seiner Rachsucht verfolgte. Wir sehen einen Mann, der seine Emotionen meisterhaft einzusetzen verstand, um einen Widersacher in die Enge zu treiben. Vor allem aber erleben wir einen Menschen, dem Menschenleben vollkommen gleichgültig war.

Wir wissen, dass Mao der Architekt des »Großen Sprungs« war, was ihn zum Hauptverantwortlichen für die folgende Katastrophe macht.1 Er musste kämpfen, um seine Vision durchzusetzen. Er musste verhandeln, umschmeicheln, antreiben und seine Kollegen in der Parteiführung gelegentlich schikanieren oder verfolgen. Anders als Stalin ließ er seine Widersacher nicht in einer Kerkerzelle exekutieren, aber er hatte die Macht, sie aus dem Amt zu entfernen, ihre politische Laufbahn zu zerstören und ihnen all die Privilegien zu entziehen, die mit einem Spitzenposten in der Parteiorganisation verbunden waren. Es war der Vorsitzende Mao, der das Ziel ausgab, Großbritannien zu überholen, und diese Kampagne endete erst, als er seinen Kollegen wenige Jahre später widerstrebend erlaubte, bei der Wirtschaftsplanung umsichtiger zu handeln. Aber er hätte sich nie durchgesetzt, wenn ihm Liu Shaoqi und Zhou Enlai, die nach ihm mächtigsten Parteiführer, die Stirn geboten hätten. Doch diese beiden Männer warben bei anderen Mitgliedern der Parteiführung um Unterstützung für Maos Kurs. Die Kette der Interessen und Bündnisse erstreckte sich durch die ganze Hierarchie bis hinab ins Dorf – was in diesem Buch erstmals dokumentiert wird. In brutalen Säuberungen wurden wenig einsatzfreudige Kader durch rücksichtslose, skrupellose Männer ersetzt, die zu allem bereit waren, um die radikalen Forderungen der Parteiführung zu erfüllen.

Aber vor allem wird in diesem Buch der Zusammenhang zwischen zwei Dimensionen der Katastrophe untersucht, die bisher nur getrennt voneinander behandelt worden sind. Wir müssen die Vorgänge im Zhongnanhai, dem Palastkomplex in Peking, der die Parteizentrale beherbergte, mit dem Alltag des Volks verknüpfen. Sieht man von einigen auf Interviews beruhenden Studien über das Dorfleben ab, so existiert bisher keine Sozialgeschichte der Mao-Zeit, geschweige denn der Hungerzeit.2 Und so wie die seit kurzem zugänglichen Dokumente in den Archiven belegen, endete die Verantwortung für die Katastrophe keineswegs bei Mao. Die umfangreiche Dokumentation, die die Parteiorganisationen über alle Bereiche des Alltagslebens sammelte, widerlegt die verbreitete Vorstellung, das Volk sei nur Opfer des Regimes gewesen. Das Regime versuchte daheim und im Ausland den Eindruck einer geordneten Gesellschaft zu vermitteln, aber in Wahrheit gelang es der kommunistischen Partei nie, dem Volk ihren großen Entwurf aufzuzwingen. Vielmehr stieß sie auf ein Ausmaß an verdeckter Opposition und Subversion, das in einem Land mit gewählter Regierung undenkbar wäre. Im Widerspruch zu der Vorstellung von einer disziplinierten kommunistischen Gesellschaft, in der Fehler an der Spitze zum Zusammenbruch der ganzen Maschine führen, ergibt sich aus den archivierten Dokumenten und Gesprächen mit Betroffenen das Porträt einer Gesellschaft in Auflösung, in der die Menschen jedes Mittel nutzten, das ihnen im Überlebenskampf einen Vorteil sichern konnte. Die radikale Kollektivierung entfaltete eine derartige Zerstörungskraft, dass die Bevölkerung versuchte, den Gesamtplan auf jeder Ebene zu umgehen, zu untergraben oder für sich zu nutzen: Unter der Oberfläche eskalierte eben jenes Gewinnstreben, das die Kommunisten beseitigen wollten. Als sich die Hungersnot ausbreitete, hing das nackte Überleben des gewöhnlichen Chinesen von seiner Fähigkeit ab, zu lügen, zu umgarnen, zu verstecken, zu stehlen, zu betrügen, zu plündern, zu schmuggeln, zu manipulieren oder den Staat auf andere Art auszutricksen. Robert Service hat gezeigt, dass diese Verhaltensweisen in der Sowjetunion weniger der Sand im Getriebe der Planwirtschaft, sondern vielmehr das Motoröl waren, das den völligen Zusammenbruch der sozialistischen Maschine verhinderte.3 Ein »perfekter« kommunistischer Staat konnte den Menschen einfach nicht genug Anreize zu Mitarbeit geben, und hätte er nicht einen gewissen Spielraum für das Gewinnstreben gelassen, so hätte er sich selbst zerstört. Kein kommunistisches Regime hätte sich längere Zeit halten können, hätte es nicht unablässige Verstöße gegen die Parteilinie geduldet.

Das Überleben hing vom Ungehorsam ab. Auf der anderen Seite verlängerten die vielfältigen Überlebensstrategien von Menschen auf allen Ebenen – von Bauern, die ihr Getreide versteckten, bis zu örtlichen Parteifunktionären, die die Bücher fälschten – auch das Leben des Regimes. Diese Verhaltensweisen wurden zu einem Teil des Systems. Die Verschleierung war die kommunistische Lebensart. Die Menschen logen, um zu überleben, was zur Folge hatte, dass sämtliche Informationen verfälscht wurden, und zwar bis hinauf in die Parteispitze. Damit die Planwirtschaft funktionieren konnte, brauchten die Planer gewaltige Mengen korrekter Daten, aber in der Realität wurden auf allen Ebenen Planziele verzerrt, Produktionsergebnisse aufgeblasen und Vorgaben ignoriert, weil sie den örtlichen Interessen widersprachen. So wie das Gewinnstreben mussten die individuelle Initiative und das kritische Denken unterdrückt werden, so dass die Menschen in einem ständigen Belagerungszustand lebten.

Einige Historiker deuten dieses Verhalten, das dem Überleben diente, möglicherweise als »Widerstand« oder »Waffen der Unterdrückten« und sehen einen Kampf zwischen »den Bauern« und »dem Staat«. Aber die Überlebenstechniken waren auf allen Gesellschaftsebenen verbreitet. In der Hungersnot wurden fast alle Chinesen von der Spitze bis zur Basis der Hierarchie zu Dieben: Die Partei wäre sehr rasch zusammengebrochen, hätte es sich hier um Akte des »Widerstands« gehandelt. Die Verlockung ist groß, ein Verhalten zu verherrlichen, das wie moralisch gerechtfertigter Widerstand des einfachen Volks wirkt. Aber als die Nahrung begrenzt war, war die Rettung eines Menschen allzu oft der Untergang eines anderen. Wenn Bauern Getreide versteckten, verhungerten anderswo Arbeiter. Wenn ein Fabrikarbeiter Sand unter das Mehl mischte, bekam irgendwo jemand Sand zu essen. Wer den oft verzweifelten Überlebenskampf romantisch verklärt, betrachtet die Welt in Schwarz und Weiß. In der wirklichen Welt zwang die Kollektivierung jeden Menschen irgendwann zu schrecklichen moralischen Kompromissen. So ging die übliche moralische Zersetzung Hand in Hand mit der Massenvernichtung. Primo Levi hat in seinen Erinnerungen an Auschwitz gezeigt, dass die Überlebenden nur selten Helden sind: In dem Moment, da sich ein Mensch in einer vom Überlebenskampf geprägten Welt über andere stellt, verändern sich seine moralischen Kriterien. In Die Untergegangenen und die Geretteten spricht Levi von der Grauzone und beschreibt, wie KZ-Häftlinge, die entschlossen waren zu überleben, ihre moralischen Werte aufgeben mussten, um an eine zusätzliche Essensration zu kommen. Levi wollte nicht urteilen, sondern erklären, und legte die Funktionsweise des Konzentrationslagers Schicht für Schicht frei. Auch im vorliegenden Buch geht es um die Komplexität des menschlichen Verhaltens in Katastrophenzeiten, und in den Archiven der KPCh können wir uns erstmals näher ansehen, mit welch schwierigen Entscheidungen die Menschen vor einem halben Jahrhundert konfrontiert waren – sei es in den Korridoren der Macht in der Hauptstadt oder in der Hütte einer verhungernden Familie auf dem Land.

Die beiden ersten Teile des Buchs erläutern, warum Mao den Startschuss zum »Großen Sprung nach vorn« gab und wie sich die Kampagne entwickelte. In diesem Abschnitt geht es um die Wendepunkte in der Entwicklung und um die Auswirkungen der Entscheidungen der Parteispitze auf das Leben von Millionen Menschen. Teil 3 beschreibt das Ausmaß der Zerstörungen in Landwirtschaft, Industrie, Handel, Wohnraum und Umwelt. In Teil 4 geht es um die Frage, wie der große Plan der Führung durch die alltäglichen Überlebensstrategien der Bevölkerung verwandelt wurde, so dass etwas entstand, das niemand im Sinn gehabt hatte und kaum jemand verstand. Die Arbeiter in den Städten stahlen, drückten sich um die Arbeit oder sabotierten die Befehlswirtschaft, während die Landbevölkerung eine Vielzahl von Überlebensstrategien entwickelte, sei es, dass die Bauern das Getreide noch auf dem Feld aßen oder auf Wanderschaft gingen, um anderswo ein besseres Leben zu finden, sei es, dass sie Getreidelager plünderten, Parteibüros in Brand setzten, Güterzüge überfielen und gelegentlich sogar zu den Waffen griffen, um sich gegen das Regime zu erheben. Aber die Überlebenschancen hingen vor allem von der Position in einer komplexen gesellschaftlichen Hierarchie ab, in der die Partei dem Volk gegenüberstand. Und manche Menschen waren verwundbarer als andere: In Teil 5 sehen wir uns an, wie Kinder, Frauen und alte Menschen ums Überleben kämpften. In Teil 6 wird beschrieben, wie die Menschen starben: durch Unfälle, Krankheit, Folter, Mord, Selbstmord oder Hunger. Abschließend wird in einem Essay über die Quellen genauer beschrieben, welcher Art die in den Archiven gefundenen Dokumente sind.

Chronologie

1949

Die Kommunistische Partei siegt im Bürgerkrieg und ruft am 1. Oktober die Volksrepublik China aus. General Chiang Kai-Shek, der Führer der geschlagenen Kuomintang, flüchtet sich nach Taiwan. Im Dezember reist Mao nach Moskau, um eine strategische Allianz mit der Sowjetunion zu schließen und sich Stalins Unterstützung zu sichern.

Oktober 1950

China tritt in den Koreakrieg ein.

März 1953

Stalin stirbt.

Herbst 1955 – Frühjahr 1956

Unzufrieden mit der schleppenden wirtschaftlichen Entwicklung, drängt Mao auf eine beschleunigte Kollektivierung der Landwirtschaft und fordert eine beispiellose Erhöhung der Produktion von Getreide, Baumwolle, Kohle und Stahl. Die »Sozialistische Flutwelle« (von manchen Historikern auch als »Kleiner Sprung nach vorn« bezeichnet) führt zu Engpässen in der Industrie und Nahrungsmittelknappheit in einigen ländlichen Gebieten. Im Frühjahr 1956 verlangen Zhou Enlai und führende Wirtschaftsplaner, das Tempo der Kollektivierung zu drosseln.

Februar 1956

Chruschtschow enthüllt in einer Geheimrede auf dem Parteitag der KPdSU in Moskau die Verbrechen Stalins und prangert dessen Persönlichkeitskult an. Seine Kritik an Stalins verheerender Kollektivierungskampagne stärkt die Position der Gegner der »Sozialistischen Flutwelle« in China. Mao sieht in der Entstalinisierung eine Bedrohung seiner eigenen Macht.

Herbst 1956

Die Parteiführung streicht einen Hinweis auf die »Gedanken Mao Zedongs« aus den Parteistatuten, bekräftigt das Prinzip der kollektiven Führung und weist den Persönlichkeitskult zurück. Die »Sozialistische Flutwelle« verebbt.

Oktober 1956

Ermutigt durch die Entstalinisierung, erheben sich die Ungarn gegen das kommunistische Regime. Sowjetische Truppen marschieren in Ungarn ein, zerschlagen den Widerstand und setzen eine neue Marionettenregierung ein.

Winter 1956 – Frühjahr 1957

Gegen den Willen der meisten Mitglieder der Parteiführung setzt sich Mao mit der Forderung nach einem offeneren politischen Klima durch und leitet die »Hundert-Blumen-Kampagne« ein, um sich die Unterstützung von Wissenschaftlern und Intellektuellen für die Modernisierung der Wirtschaft zu sichern und eine gesellschaftliche Mobilisierung gegen die kommunistische Herrschaft wie in Ungarn zu vermeiden.

Sommer 1957

Die Kampagne erweist sich als kontraproduktiv: Die Kritik wächst, schließlich wird sogar der Herrschaftsanspruch der Partei in Frage gestellt. Mao vollzieht eine Kehrtwende und bezeichnet die Kritiker als »schlechte Elemente«, die die Partei zerstören wollen. Er betraut Deng Xiaoping mit einer Kampagne gegen die »Rechtsabweichler«, die eine halbe Million Menschen trifft, darunter viele Studenten und Intellektuelle, die zur Zwangsarbeit in abgelegene Landesteile deportiert werden. Die Partei sammelt sich hinter dem Vorsitzenden.

November 1957

Mao besucht Moskau. Vom Erfolg der sowjetischen Sputnik-Mission ins All beeindruckt, erklärt er: »Der Ostwind ist stärker als der Westwind.« Aufgestachelt von Chruschtschows Ankündigung, die sowjetische Wirtschaft werde die amerikanische innerhalb von 15 Jahren überflügeln, verkündet er, im selben Zeitraum werde China Großbritannien überholen.

Winter 1957– Frühjahr 1958

In einer Reihe von Parteikonferenzen greift der Vorsitzende Zhou Enlai und andere Mitglieder der Parteiführung an, die sich seiner Wirtschaftspolitik widersetzt haben. Er wirbt für seine Vision der Massenmobilisierung und der beschleunigten Kollektivierung der Landwirtschaft und fordert, die Planziele für Industrie und Landwirtschaft zu erhöhen. Er gibt eine neue Losung aus: »Losgehen, hohe Ziele anstreben, mehr wirtschaftliche Ergebnisse besser und schneller erreichen.«

Winter 1957 – Sommer 1958

Tausende Parteimitglieder, die Maos Wirtschaftspolitik kritisch gegenüberstehen, fallen einer Repressionskampagne zum Opfer. Mehrere Provinz-Parteichefs werden aus dem Amt entfernt und durch bedingungslose Anhänger Maos ersetzt. Die innerparteiliche Opposition verstummt.

Winter 1957– Frühjahr 1958

Die Führung leitet eine große Bewässerungskampagne ein. Dies ist der Beginn des »Großen Sprungs nach vorn« für Hunderte Millionen Dorfbewohner, die monatelang fern der Heimat an Bewässerungsanlagen arbeiten müssen und oft weder ausreichende Ruhepausen noch genug Nahrung erhalten.

Sommer 1958

Chruschtschow besucht Peking, doch es kommt zu Spannungen, als sich Mao entschließt, ohne Rücksprache mit der Sowjetunion mehrere Inseln in der Formosastraße zu bombardieren, womit er eine Krise mit den Vereinigten Staaten heraufbeschwört. Moskau sieht sich gezwungen, sich auf die Seite Chinas zu schlagen und zu erklären, dass es einen Angriff auf die Volksrepublik als Angriff auf die Sowjetunion betrachten würde.

Sommer 1958

Die Massenmobilisierung der Bauern für gewaltige Bewässerungsprojekte macht die Schaffung großer Verwaltungseinheiten auf dem Land erforderlich: Die landwirtschaftlichen Kollektive werden zu riesigen Volkskommunen verschmolzen, die bis zu 20000 Haushalte umfassen. Das Leben in den Kommunen wird militärisch organisiert. Fast alles einschließlich des Bodens und der Arbeitskraft wird kollektiviert. Das gemeinsame Essen in Volksküchen tritt an die Stelle des Essens in der Familie, die Kinder werden in Kindergärten untergebracht, in denen sie auch schlafen. In manchen Kommunen wird sogar das Geld abgeschafft; die Leistungen werden mit Arbeitspunkten vergolten. In primitiven Hochöfen in den Kommunen werden alle möglichen Metallgegenstände eingeschmolzen, um die unablässig steigenden Planziele für die Stahlproduktion zu erreichen. In vielen Landesteilen werden die Nahrungsmittel knapp.

November 1958 – Februar 1959

Mao wendet sich gegen die örtlichen Parteifunktionäre, die falsche Produktionszahlen melden und den baldigen Übergang zum Kommunismus versprechen. Er versucht, einige der schlimmsten Auswüchse des »Großen Sprungs« einzudämmen, treibt die Kollektivierung jedoch weiter voran. Er erklärt, die Fehler der Partei seien »nur einer von zehn Fingern«. Um die Verpflichtungen gegenüber den ausländischen Handelspartnern erfüllen und die Städte ernähren zu können, werden auf dem Land deutlich mehr Nahrungsmittel beschlagnahmt. Die Hungersnot breitet sich aus.

März 1959

Bei einer Konferenz in Shanghai greift Mao hochrangige Parteimitglieder scharf an und verlangt, trotz der Ausbreitung der Hungersnot noch mehr Nahrungsmittel (bis zu einem Drittel der gesamten Ernte) aus dem ländlichen Raum herauszupressen.

Juli 1959

Bei einer Parteikonferenz in Lushan beschuldigt Mao mehrere Kritiker des »Großen Sprungs«, darunter Peng Dehuai, eine »parteifeindliche Gruppe« gebildet zu haben.

Sommer 1959 – Sommer 1960

Jene Parteimitglieder, die sich wie Peng Dehuai und seine Verbündeten kritisch über die Kollektivierung geäußert haben, werden zum Ziel einer Repressionskampagne. Gleichzeitig sterben Dutzende Millionen Dorfbewohner an Hunger, Krankheiten und Misshandlung.

Juli 1960

Chruschtschow zieht die sowjetischen Berater aus China ab. Zhou Enlai und Li Fuchun richten die Handelsbeziehungen neu aus und wenden sich dem Westen zu.

Oktober 1960

Li Fuchun übergibt Mao einen Bericht über das Massensterben in Xinyang in der Provinz Henan.

November 1960

Angesichts der Notlage gibt die Partei eine Richtlinie aus, mit der sie den Bauern erlaubt, eigene Felder zu bestellen, Nebenbeschäftigungen nachzugehen, täglich acht Stunden auszuruhen und die örtlichen Märkte wieder in Betrieb zu nehmen. Dazu kommen weitere Maßnahmen, um die Macht der Kommunen über die Dorfbewohner zu beschränken.

Winter 1960/1961

Untersuchungsteams schwärmen im Land aus und fördern das ganze Ausmaß der Katastrophe zutage. Große Mengen Nahrungsmittel werden aus dem Westen importiert.

Frühjahr 1961

Mitglieder der Parteiführung brechen zu Inspektionsreisen auf. Der »Große Sprung« wird rückgängig gemacht. Liu Shaoqi gibt der Partei die Schuld an der Hungersnot, spricht Mao jedoch von jeder Verantwortung frei.

Sommer 1961

In einer Reihe von Versammlungen setzt sich die Partei mit den Folgen des »Großen Sprungs« auseinander.

Januar 1962

Bei einer Versammlung Tausender Parteifunktionäre in Peking bezeichnet Liu Shaoqi die Hungersnot als vom Menschen verursachte Katastrophe. Die Unterstützung für Mao schwindet. Die Hungersnot ebbt ab, aber in einigen ländlichen Gebieten verhungern noch bis Ende 1962 Menschen.

1966

Mao gibt den Startschuss zur Kulturrevolution.

Teil IAUF DEM WEG NACH UTOPIA

1DIE RIVALEN

Am 5. März 1953 starb Josef Stalin. Sein Tod war eine Befreiung für Mao. Mehr als 30 Jahre lang hatte er dem Führer der kommunistischen Welt als Bittsteller gegenübertreten müssen. Seit er im Alter von 27 Jahren von einem sowjetischen Agenten 200 Yuan entgegengenommen hatte, mit denen er seine Reise zur Gründungsversammlung der Kommunistischen Partei Chinas in Shanghai bezahlte, hatte russisches Geld sein Leben geprägt. Bedenken, das Geld aus Moskau anzunehmen, hatte er nicht; seine Beziehung zur Sowjetunion nutzte er, um einen zerlumpten Haufen von Guerillakämpfern zur Macht zu führen. Aber um diese Unterstützung zu erhalten, musste er immer wieder Tadel seiner Verbündeten und Amtsenthebungen über sich ergehen lassen und geriet ständig mit sowjetischen Beratern wegen der Linie der chinesischen KP aneinander. Stalin zwang Mao ein ums andere Mal in die Arme seinen Erzfeindes Chiang Kai-Shek, dessen nationalistische Kuomintang-Bewegung weite Teile Chinas beherrschte. Von Mao und seinen Bauernsoldaten hielt der sowjetische Diktator wenig; er setzte sogar noch auf General Chiang Kai-Shek, nachdem die Kuomintang 1927 in Shanghai ein Blutbad unter den Kommunisten angerichtet hatte. Fast ein Jahrzehnt lang trieben Chiangs Truppen Mao unablässig vor sich her und zwangen die Kommunisten, Zuflucht in den Bergen zu suchen und anschließend rund 12500 Kilometer nach Norden zu ziehen. Dieser Rückzug ging als der »Lange Marsch« in die Geschichte ein. Als Chiang 1936 in Xi’an in die Hände der Kommunisten fiel, schickte Stalin sofort ein Telegramm an Mao und befahl ihm, die Geisel freizulassen. Ein Jahr später verlangte Stalin von Mao, mit seinem Erzfeind Chiang eine Einheitsfront gegen die japanischen Besatzer in der Mandschurei zu bilden, und schickte dem Kuomintang-Regime Flugzeuge, Waffen und Militärberater. Für Maos Kommunisten hatte die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg nur eine Flugzeugladung Propagandaflugblätter übrig.

Anstatt in den Kampf gegen die Japaner zu ziehen, blieb Mao in Nordchina und sammelte Kräfte. Als im Jahr 1945 der Weltkrieg endete, unterzeichnete der eingefleischte Pragmatiker Stalin einen Bündnisvertrag mit der Kuomintang, womit die Hoffnung der chinesischen Kommunisten, im Fall eines Bürgerkriegs Hilfe aus Moskau zu erhalten, deutlich sank. Nach der japanischen Kapitulation dauerte es nicht lange, bis der Krieg zwischen Kommunisten und Nationalisten in China wieder ausbrach. Stalin bezog auch diesmal nicht Stellung und warnte Mao sogar vor einer Konfrontation mit den Vereinigten Staaten, die mit Chiang Kai-Shek verbündet waren. Seit dem Sieg über Japan wurde Chiang weltweit als Führer Chinas anerkannt. Mao ignorierte den Rat. Die Kommunisten behielten schließlich die Oberhand. Als sie in die Hauptstadt Nanking einzogen, gehörte die sowjetische Regierung zu den wenigen, die ihren Botschaftern erlaubten, gemeinsam mit der Kuomintang zu fliehen.

Stalin blieb noch auf Distanz zu Mao, als kaum noch Zweifel am Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg bestanden. Alles an dem Chinesen schien dem sowjetischen Führer verdächtig. Was sollte man von einem Kommunisten halten, der sich vor den Arbeitern fürchtet?, fragte Stalin wiederholt, als Mao seine Armee wochenlang vor Shanghai stehen ließ und sich sträubte, die Stadt mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Nachdem Stalin die Schriften des chinesischen Kommunistenführers gelesen hatte – er lehnte sie als »feudal« ab –, gelangte er zu dem Schluss, Mao sei ein Bauer, ein Höhlenmarxist. Mao war offensichtlich rebellisch und unbeugsam – anders war sein Sieg über Chiang Kai-Shek, der sich nach Taiwan absetzen musste, kaum zu erklären. Aber genau dieses stolze und unabhängige Auftreten beunruhigte Stalin, der zudem überall Feinde zu sehen meinte: War der Chinese vielleicht ein weiterer Tito? Der jugoslawische KP-Chef war aus der kommunistischen Familie verstoßen worden, weil er Moskau widersprochen hatte. Tito war schlimm genug, und es war dem sowjetischen Diktator äußerst unangenehm, dass eine kommunistische Partei, die ohne seine Hilfe an die Macht gekommen war, ein riesiges Reich in unmittelbarer Nachbarschaft der Sowjetunion beherrschen würde. Stalin traute niemandem, aber am allerwenigsten traute er einem potenziellen Rivalen, der vermutlich tiefen Groll gegen ihn hegte.

Kränkungen vergaß Mao nie. Und von Stalin hatte er sich stets schäbig behandelt gefühlt. Aber er konnte sich an keinen anderen um Unterstützung wenden. Die chinesischen Kommunisten brauchten unbedingt internationale Anerkennung und Wirtschaftshilfe, um ihr vom Krieg geschundenes Land wieder aufzubauen. Also bezähmte Mao seinen Stolz, gab die Maxime »Nach einer Seite lehnen« aus und bemühte sich um Annäherung an die Sowjetunion.

Mehrere Bitten um ein Gespräch mit Stalin wurden abgelehnt. Im Dezember 1949 erhielt Mao endlich eine Einladung nach Moskau. Aber dort wurde er nicht als Führer einer großen Revolution begrüßt, die ein Viertel der Menschheit in den kommunistischen Herrschaftsbereich gebracht hatte. Seine Gastgeber zeigten ihm die kalte Schulter und behandelten ihn genauso wie die übrigen Abgesandten aus aller Welt, die nach Moskau gereist waren, um Stalin zum 70. Geburtstag zu gratulieren. Nach einer kurzen Unterredung mit dem sowjetischen Diktator wurde Mao in eine Datscha auf dem Land abgeschoben, wo er mehrere Wochen völlig isoliert auf eine Audienz warten musste. Jeder Tag, der verstrich, führte ihm deutlicher vor Augen, dass er ein vollkommen unbedeutendes Mitglied der kommunistischen Bruderschaft war, in der sich alles um Stalin drehte. Als sich der sowjetische Diktator endlich zu einem Gespräch herabließ, speiste er Mao mit 300 Millionen Dollar Militärhilfe ab, die über fünf Jahre gestreckt werden sollte. Als Gegenleistung für diese magere Unterstützung musste Mao der Sowjetunion beträchtliche Gebietszugeständnisse machen, die Erinnerungen an jene ungleichen Verträge weckte, die China im 19. Jahrhundert unterzeichnet hatte: Die Russen erhielten bis Mitte der fünfziger Jahre die Kontrolle über Lüshun (Port Arthur) und die Transmandschurische Eisenbahn, und sie durften die Bodenschätze in der westlichsten chinesischen Provinz Xinjiang ausbeuten. Aber Mao erhielt ein Beistandsabkommen, das seinem Land Schutz vor einem Angriff Japans oder dessen Verbündeten – insbesondere der Vereinigten Staaten – garantierte.

Noch bevor Mao und Stalin das Bündnis- und Freundschaftsabkommen unterzeichneten, hatte Kim Il-sung, dessen kommunistische Guerilla nach der Teilung Koreas im Jahr 1948 die Kontrolle über den Norden des Landes übernommen hatte, Pläne für eine gewaltsame Wiedervereinigung der Halbinsel geschmiedet. Mao unterstützte Nordkorea, denn er betrachtete Kim als einen Verbündeten gegen die Vereinigten Staaten. Im Juni 1950 brach der Koreakrieg aus. Die Vereinigten Staaten griffen aufseiten Südkoreas in den Konflikt ein. Die Truppen des kommunistischen Regimes hatten der überwältigenden Schlagkraft der amerikanischen Luftwaffe und der Panzerbataillone wenig entgegenzusetzen und wurden bis zur chinesisch-koreanischen Grenze zurückgeworfen. Aus Angst, die Amerikaner könnten den Jalu überqueren und China angreifen, schickte Mao eine Freiwilligenarmee nach Korea, nachdem Stalin Luftunterstützung zugesagt hatte. Der nachfolgende Krieg wurde erbittert geführt. Da die Flugzeuge, die Stalin versprochen hatte, nur in geringer Zahl eintrafen, erlitten die Chinesen besonders hohe Verluste. Es trat eine verlustreiche Pattsituation ein, aber Stalin torpedierte wiederholt die Friedensverhandlungen, weil ein Ende des Konflikts seinen strategischen Interessen nicht entsprach. Und wie zum Hohn verlangte der sowjetische Diktator darüber hinaus, China solle die Waffen bezahlen, die von der Sowjetunion nach Korea geschickt worden waren. Erst Stalins Tod im März 1953 ebnete den Weg zu einem Waffenstillstand.

30 Jahre lang hatte Mao sich von Stalin demütigen lassen. Aus strategischem Kalkül hatte er sich Moskau vollkommen untergeordnet. Der Koreakrieg verstärkte noch seine Abneigung gegen die sowjetische Schirmherrschaft, und dieses Gefühl teilten viele andere chinesische Kommunisten, die sich genauso wie er wünschten, von Moskau wie ebenbürtige Partner behandelt zu werden.

Der Koreakrieg hatte Maos Macht über seine Mitstreiter in der chinesischen KP-Führung gefestigt. Als Vorsitzender führte er die Kommunisten 1949 zum Sieg im Bürgerkrieg. Auch der Krieg in Korea endete mit einem persönlichen Triumph für Mao, denn er hatte auf eine Intervention gedrängt, während andere Mitglieder der Parteiführung zur Zurückhaltung gemahnt hatten. Mao war der Mann, den die Vereinigten Staaten nicht besiegt hatten, obwohl er dafür Zehntausende chinesische Soldaten geopfert hatte. Jetzt überragte er alle anderen in der Parteiführung. Wie Stalin war Mao unfähig, einen anderen Menschen als ebenbürtig zu betrachten. Wie Stalin war er von seiner historischen Bedeutung überzeugt. Und er war sich seines Genies und seiner Unfehlbarkeit vollkommen sicher.

Nach Stalins Tod sah Mao endlich eine Chance, sich aus der Umklammerung des Kremls zu lösen und selbst zum Führer des sozialistischen Lagers aufzusteigen. Der Vorsitzende der chinesischen KP hielt sich für den Leitstern der kommunistischen Bewegung, die kurz davor stand, den Kapitalismus zu besiegen. Er würde zum historischen Dreh- und Angelpunkt werden, um den sich das Universum drehte. Hatte er nicht seine Anhänger zum Sieg geführt und in einer zweiten Oktoberrevolution einem Viertel der Menschheit den Kommunismus gebracht? Stalin konnte dagegen nicht einmal von sich behaupten, die bolschewistische Revolution angeführt zu haben. Und noch unbedeutender war Nikita Chruschtschow, der neue starke Mann der Sowjetunion.

***

Viele hielten den ungehobelten, unberechenbaren, impulsiven Chruschtschow für einen Tölpel, dem es an Fähigkeiten und Ehrgeiz mangele. Eben dieser Fehleinschätzung verdankte er sein Überleben unter Stalin. Der Diktator empfand eine herablassende Zuneigung für Chruschtschow und ersparte ihm das Schicksal sehr viel bedeutenderer Genossen, die sein Missfallen erregt hatten. »Mein kleiner Marx!«, nannte Stalin ihn einmal spöttisch, um dann mit der Pfeife auf Chruschtschows Stirn zu klopfen und scherzhaft auszurufen: »Der ist ja hohl!«1 Chruschtschow war Stalins Schoßhündchen, das aber genauso paranoid wie sein Herrchen war und unter der äußeren Tölpelhaftigkeit eine durchtriebene und außergewöhnlich ehrgeizige Persönlichkeit verbarg.

Chruschtschow war nicht einverstanden damit, wie Stalin den chinesischen Führer behandelt hatte, und beschloss, seinen verstorbenen Herrn zu überflügeln, indem er die Beziehungen zu Peking auf eine neue Basis stellte. Er wollte Maos wohlwollender Berater sein und den rebellischen Bauernführer zu einem aufgeklärten Marxismus hinlenken. So schwang er sich zum Gönner Chinas auf und ordnete einen massiven Technologietransfer an. Mit sowjetischer Hilfe wurden in China Hunderte Fabriken und Industrieanlagen errichtet. In den Jahren nach Stalins Tod entsandte die Sowjetunion Experten für Atomenergie, Maschinenbau und verschiedenste andere Bereiche nach China und holte rund 10000 chinesische Studenten ins Land. Doch die Führung in Peking zeigte keine Dankbarkeit. Die Chinesen glaubten, einen Anspruch auf die großzügige Hilfe zu haben, und versuchten, immer mehr Wirtschafts- und Militärhilfe aus den Russen herauszuholen. Chruschtschow gab nach. Er hatte seine Karten überreizt. Nun musste er seine Genossen im Politbüro nötigen, ein Hilfspaket zu akzeptieren, das die Möglichkeiten der Sowjetunion deutlich überstieg.

Chruschtschow lehnte sich weit aus dem Fenster, um Peking zufriedenzustellen, und erwartete natürlich entsprechende Gegenleistungen von den Chinesen. Doch Mao behandelte ihn geringschätzig, denn er sah in Chruschtschow den bäurischen, unreifen Emporkömmling, der er nie hatte sein wollen. Im Jahr 1956 änderte sich die Beziehung zwischen den beiden Männern: Ohne sich mit Mao abgestimmt zu haben, prangerte Chruschtschow in einer Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU die Verbrechen Stalins an. Der chinesische KP-Vorsitzende spendete Beifall, weil er annahm, die Rede werde die Autorität des Kremls in der kommunistischen Welt untergraben, verzieh aber Chruschtschow diesen Schritt nie, denn er betrachtete sich selbst als Mittelpunkt der Welt und hielt die Entstalinisierung für eine Bedrohung seiner Macht. Wer Kritik an Stalin übte, untergrub auch Maos Position, denn obwohl er dem sowjetischen Diktator vieles übel nahm, verglich er sich doch unentwegt mit ihm. Außerdem glaubte Mao, nur er allein dürfe sich aufgrund seiner erhabenen moralischen Position ein Urteil über Stalins Fehler und Leistungen erlauben. Abgesehen davon spielte Kritik an Stalin in seinen Augen nur den Amerikanern in die Hände.

Aber vor allem bedeutete die Entlarvung Stalins, dass auch Kritik an Mao zulässig war. Chruschtschows Geheimrede stärkte in Peking die Position derjenigen, die Maos wachsende Machtfülle fürchteten und zur kollektiven Führung zurückkehren wollten. Auf dem VIII. Parteitag der chinesischen KP im September 1956 wurde ein Hinweis auf die »Gedanken Mao Zedongs« aus den Parteistatuten gestrichen. Das Prinzip der kollektiven Führung wurde hervorgehoben, der Persönlichkeitskult verurteilt. Von Chruschtschow mit der Geheimrede in die Defensive gedrängt, hatte Mao keine andere Wahl, als diese Korrekturen zu akzeptieren. Er beteiligte sich in den Monaten vor dem Parteitag sogar daran.2 Aber er fühlte sich zurückgesetzt und machte im privaten Kreis keinen Hehl aus seiner Wut.3

Einen weiteren Rückschlag erlitt er Ende 1956, als der Parteitag seine als »Sozialistische Flutwelle« bezeichnete Wirtschaftspolitik beendete. Ein Jahr zuvor hatte Mao, ungeduldig und verärgert über die langsame wirtschaftliche Entwicklung, die Befürworter eines behutsameren Vorgehens wiederholt als »Frauen mit gefesselten Füßen« verspottet. Er prognostizierte, eine beschleunigte Kollektivierung der Landwirtschaft werde zu einem sprunghaften Anstieg der Produktion führen, und im Januar 1956 forderte er eine unrealistische Erhöhung der Produktion von Getreide, Baumwolle, Kohle und Stahl. Die »Sozialistische Flutwelle«, später von einigen Historikern als der »Kleine Sprung nach vorn« bezeichnet, verebbte rasch.4 Die Industrie litt unter Produktions- und Kapazitätsengpässen, weil die Kapital- und Rohstoffversorgung nicht funktionierte. Auf dem Land stieß die Kollektivierung auf erheblichen Widerstand; die Bauern zogen es vor, ihr Vieh zu schlachten und das Getreide zu verstecken. Im Frühjahr 1956 brach in mehreren Provinzen eine Hungersnot aus. Um den Schaden zu beheben, den der Parteivorsitzende mit seiner Schocktherapie angerichtet hatte, riefen Ministerpräsident Zhou Enlai und der leitende Wirtschaftsplaner Chen Yun zu einem Ende des »voreiligen Vorstoßes« (maojin) auf. Sie wollten die landwirtschaftlichen Kollektive verkleinern, zu einer begrenzten Marktwirtschaft zurückkehren und den Bauern mehr Spielraum für die private Produktion geben. Mao war frustriert. Er betrachtete diese Eingriffe als persönlichen Affront. Zu allem Überdruss wurde ihm im Juni 1956 ein Leitartikel in Renmin Ribao (»Volkszeitung«) vorgelegt, in dem die »Sozialistische Flutwelle« kritisiert wurde, weil sie versuche, »alles über Nacht zu schaffen«. Mao stieß wütend hervor: »Das werde ich nicht lesen.« Später fragte er: »Warum sollte ich etwas lesen, mit dem man mich beleidigen will?«5 Zur Schwächung seiner Position trug auch bei, dass Chruschtschow in seiner Geheimrede den Fehlschlag der stalinistischen Agrarpolitik angeprangert hatte, deren Eckpfeiler die Kollektivierung gewesen war. Diese Kritik an Stalin wirkte wie ein nicht beabsichtigtes Urteil über die von Mao vorangetriebene Kollektivierung. Auf dem VIII. Parteitag beendete die KPCh die »Sozialistische Flutwelle«.

Die nächste Demütigung erlitt Mao, nachdem er trotz erheblicher Vorbehalte anderer Mitglieder der Parteiführung im April 1957 im Rahmen der »Hundert-Blumen-Kampagne« zu offener Kritik an der Partei aufgerufen hatte. Indem er die Bevölkerung ermutigte, ihre Meinung zu äußern, hoffte er eine kleine Gruppe von »Revisionisten« und »Konterrevolutionären« zu enttarnen. Eine Störung wie in Ungarn sollte vermieden werden: Dort hatte die Entstalinisierung im Oktober 1956 zu einem Volksaufstand gegen das kommunistische Regime geführt und die Sowjetunion zu einer Invasion gezwungen, in deren Verlauf die gesamte Opposition zerschlagen und eine neue, moskautreue Regierung eingesetzt worden war. In China, erklärte Mao seinen widerwilligen Genossen, werde die Partei die Opposition auf eine Vielzahl kleiner »ungarischer Zwischenfälle« reduzieren, die man einzeln kontrollieren könne.6 Größere Offenheit, behauptete er, werde der Partei auch die Unterstützung von Wissenschaftlern und Intellektuellen sichern, die man für den Aufbau der Wirtschaft benötigte. Aber Mao hatte sich verschätzt: Die Kampagne löste eine Welle der Kritik aus, die sich gegen den Herrschaftsanspruch der kommunistischen Partei und gegen seinen persönlichen Führungsanspruch richtete. Mao bezeichnete die Kritiker als »schlechte Elemente«, warf ihnen vor, die Partei zerstören zu wollen, und betraute Deng Xiaoping mit der Leitung einer Kampagne gegen die »Rechten«. Dieser äußerst erbitterten Kampagne fielen eine halbe Million Menschen zum Opfer, darunter zahlreiche Studenten und Intellektuelle, die zur Zwangsarbeit in abgelegene Gebiete deportiert wurden. Mao hatte Mühe, die Kontrolle zurückzugewinnen, und die Angelegenheit beschämte das Regime sehr, aber die Strategie war teilweise erfolgreich, weil sie ihm eine herausragende Stellung sicherte. Als die von allen Seiten belagerte Partei feststellte, dass ihr Herrschaftsanspruch in Frage gestellt wurde, scharte sie sich um ihren Vorsitzenden Mao Zedong.

Als die Hundert-Blumen-Kampagne im Juni 1957 scheiterte, fühlte sich Mao in seinem Verdacht bestätigt, die »konservativen Rechtsabweichler« seien der größte ideologische Feind und die Unbeweglichkeit der »Rechten« sei der eigentliche Grund für den wirtschaftlichen Stillstand. Er wollte eine weitere »Sozialistische Flutwelle« auslösen, obwohl in der ersten Kampagne gerade die von ihm hofierten Experten diskreditiert worden waren. Mao folgerte daraus: Wenn so viele Intellektuelle, die über berufliche Fähigkeiten und die wissenschaftlichen Kenntnisse verfügten, um die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, eine derart ablehnende Haltung einnahmen, dann wäre es politisch unklug, die Zukunft des Landes von ihrer Sachkenntnis abhängig zu machen. So dachte auch Liu Shaoqi, der den zweiten Rang in der Parteihierarchie einnahm. Er stellte sich hinter den Vorsitzenden und forderte höhere Planziele in der landwirtschaftlichen Produktion.7 Im Oktober 1957 gab Mao mit Lius Unterstützung den Slogan aus, mit dem er seine Vision wieder aufgriff: »Größer, schneller, besser und wirtschaftlicher.« Es gelang ihm auch, den »voreiligen Vorstoß« (maojin), der an Rücksichtslosigkeit und Hast denken ließ, durch den »Sprung nach vorn« (yuejin) zu ersetzen. Die meisten Mitglieder der Parteiführung leisteten keinen Widerstand, um nicht in den Strudel der brutalen Kampagne gegen die »Rechtsabweichler« zu geraten. Mao hatte sich durchgesetzt. Jetzt konnte er Chruschtschow herausfordern.

2ES DARF GEBOTEN WERDEN

Am 4. Oktober 1957 raste eine schimmernde Stahlkugel von der Größe eines Strandballs in den Himmel, erreichte eine Umlaufbahn, begann, die Erde mit einer Geschwindigkeit von rund 29000 Stundenkilometern zu umkreisen, und sendete Signale, die Funkstationen in aller Welt empfingen. Die Vereinigten Staaten waren völlig fassungslos: Es war der Sowjetunion gelungen, den ersten Erdsatelliten in den Weltraum zu schicken und ein neues Kapitel in der Geschichte des Wettlaufs ins All aufzuschlagen, eine Leistung, die ebenso viel Bewunderung wie Angst weckte. Um einen 84 Kilogramm schweren Satelliten in die Erdumlaufbahn zu befördern, erklärten die Experten, brauchte man ein Raketentriebwerk, das so stark war wie das einer ballistischen Interkontinentalrakete. Das bedeutete, dass die Russen von nun an die Vereinigten Staaten mit Atombomben angreifen konnten. Einen Monat später schickte die Sowjetunion in einem sehr viel schwereren Satelliten das erste Lebewesen ins All: Eine kleine Hündin namens Laika, die in einem maßgeschneiderten Raumanzug steckte, machte als Passagier des Sputnik II Geschichte.

Mit diesem kühnen Vorstoß leitete Nikita Chruschtschow die Ära der Raketendiplomatie ein. Die Errungenschaften der sowjetischen Raumfahrt wurden von unablässiger Propaganda über erfolgreiche Experimente mit Interkontinentalraketen begleitet. Der Start des zweiten Satelliten fiel mit dem 40. Jahrestag der Oktoberrevolution zusammen, der im Beisein Tausender kommunistischer Parteifunktionäre aus aller Welt auf dem Roten Platz gefeiert wurde.

Doch trotz des Triumphs mit den Satelliten war Chruschtschow verwundbar. Es war erst ein halbes Jahr her, dass er nur mit Müh und Not einen Putschversuch der stalinistischen Hardliner Molotow, Malenkow und Kaganowitsch überstanden hatte. Vereitelt hatte den Umsturzversuch sein Gefolgsmann Marschall Schukow, der Verbündete des Parteichefs mit Armeeflugzeugen nach Moskau hatte bringen lassen. Aber Schukow befehligte eine Armee und konnte die Panzer auch auffahren lassen, um Chruschtschow zu stürzen. Ende Oktober 1957 ließ der Parteichef, der in ständiger Angst vor einem Militärputsch lebte, Schukow absetzen. Die Beseitigung Molotows, Malenkows und Kaganowitschs, die nun als »parteifeindliche Gruppe« bezeichnet wurden, war eine Sache. Aber wie sollte er seinen ausländischen Gästen, die bereits durch seine Geheimrede und den ungarischen Volksaufstand traumatisiert waren, den Sturz des höchstdekorierten sowjetischen Generals erklären, jenes Weltkriegshelden, der den entscheidenden Angriff auf Hitler-Deutschland geleitet und Berlin eingenommen hatte? Für zusätzliche Misstöne beim Jahrestag konnte der unbeugsame jugoslawische KP-Chef Josip Tito sorgen, der auf seine Unabhängigkeit bestand und sich weigerte, Befehle aus Moskau entgegenzunehmen. Mitte Oktober 1957 erhob er Einwände gegen den sowjetischen Entwurf für eine Erklärung, die beim Treffen der Parteichefs in Moskau veröffentlicht werden sollte, und sagte seine Teilnahme ab.

In dieser Situation fand Chruschtschow einen Verbündeten in Mao, obwohl die beiden Männer in der internationalen Politik Konkurrenten waren und ideologische Meinungsverschiedenheiten hatten. Mao hatte gute Gründe, seinem Rivalen unter die Arme zu greifen. Er hatte die sowjetische Führung wiederholt gedrängt, China beim Erwerb der Atombombe zu helfen. Seit die Vereinigten Staaten begonnen hatten, Taiwan militärisch zu unterstützen, und im März 1955 taktische Atomraketen auf der Insel stationiert hatten, war Mao fest entschlossen, sich die Bombe ebenfalls zu beschaffen. Um sich die Unterstützung der Chinesen beim kommunistischen Gipfeltreffen zu sichern, schloss Chruschtschow am 15. Oktober eine geheime Vereinbarung mit Mao, in der sich die Sowjetunion verpflichtete, China bis 1959 eine Atombombe zu liefern.1

Mao war begeistert. Er wusste, dass sein Augenblick gekommen war. Chruschtschow war auf seine Unterstützung angewiesen und überhäufte den Vorsitzenden und seine Gefolgschaft mit Aufmerksamkeiten. Er schickte zwei Tupulev-104 nach Peking, um die chinesische Delegation nach Moskau zu bringen. Begleitet von mehreren Mitgliedern der Parteispitze bereitete der sowjetische Parteichef dem Chinesen am Flughafen Wnukowo einen herzlichen Empfang und begleitete Mao persönlich zu seinem Quartier. Als einzige der 64 ausländischen Delegationen wurde die chinesische im Kreml untergebracht.

Mao erhielt die Privaträume von Katharina der Großen. Die Wände der Räume waren mit Damast bespannt, die Decken mit Blumenornamenten verziert. Der gesamte Westflügel war exquisit möbliert, die Säulen von Bronzekapitellen gekrönt, die Wände mit Seidenmoiré bespannt oder mit Walnussholz getäfelt. Die Gewölbe waren mit vergoldetem Stuck verziert, die Böden mit dicken Teppichen bedeckt. Mao schien für all diesen Prunk keine Augen zu haben und verwendete seinen eigenen Nachttopf.2

Am 7. November 1957 erreichten die Jubiläumsfeiern ihren Höhepunkt: Mao stand neben Chruschtschow vor dem Lenin-Mausoleum, um die vierstündige Parade auf dem Roten Platz abzunehmen, bei der die sowjetischen Streitkräfte ihre neuen Waffen zur Schau stellten. Die Zuschauer schwenkten chinesische Flaggen und riefen: »Lang lebe Mao, lang lebe China!«

Doch die Vorzugsbehandlung hinderte Mao nicht daran, seine Gastgeber zu bekritteln: Er äußerte sich abfällig über das Essen und die russische Kultur, behandelte die Delegierten anderer Parteien herablassend und zeigte sich Chruschtschow gegenüber unnahbar. »Seht, wie sie uns jetzt behandeln«, sagte er mit einem geringschätzigen Lächeln zu seinem Arzt. »Selbst in diesem kommunistischen Land unterscheidet man genau, wer mächtig und wer schwach ist. Diese Snobs!«3

Aber er gab Chruschtschow die erhoffte Unterstützung. Am 14. November 1957 erklärte Mao vor den versammelten Delegierten der kommunistischen Parteien: »Wir sind so viele Leute hier; bei so vielen Parteien brauchen wir einen Führer … Wenn nicht die Sowjetunion, wer ist dann der Führer? Sollen wir ihn nach alphabetischer Ordnung aussuchen? Albanien? Oder Vietnam mit dem Genossen Ho Tschi Minh? Ein anderes Land? China eignet sich nicht als Führer, wir haben nicht genug Erfahrung. Wir verstehen etwas von der Revolution, aber nicht vom Aufbau des Sozialismus. Demographisch sind wir ein riesiges Land, aber wirtschaftlich sind wir klein.«4

Doch während Mao die Bereitschaft zur Schau trug, Moskau Gefolgschaft zu leisten, ließ er keinen Zweifel daran, dass er nicht Chruschtschow, sondern sich selbst für die eigentliche Eminenz des kommunistischen Lagers hielt. Er versäumte kaum eine Gelegenheit, um den sowjetischen Führer herabzusetzen, und sagte Chruschtschow sogar ins Gesicht, mit seiner üblen Laune beleidige er seine Mitmenschen.5 Zwei Tage später, am 18. November 1957, war der Augenblick gekommen, auf den er sich gefreut hatte: Er setzte sich über das Protokoll der Konferenz hinweg und hielt im Sitzen eine improvisierte Ansprache. Die Weigerung, sich von seinem Sitz zu erheben, begründete er mit seinem schlechten Gesundheitszustand. (Chruschtschow schrieb später in seinen Memoiren, Mao habe geglaubt, er stehe über allen anderen Menschen.6) In einem langen und verschlungenen Monolog wandte sich der Vorsitzende an Chruschtschow und gab ihm Ratschläge, so als spräche er mit einem Schüler: »Wir alle brauchen Unterstützung, wer auch immer wir sind. […] Es gibt ein chinesisches Sprichwort: Eine Lotusblüte ist schön, aber sie braucht die Unterstützung ihrer grünen Blätter. Du, Genosse Chruschtschow, bist eine Lotusblüte, aber du brauchst die Unterstützung der Blätter.« Als wäre dies noch nicht kryptisch genug, erklärte Mao, das entscheidende Kräftemessen zwischen Chruschtschow und den stalinistischen Hardlinern im Juni 1957 sei eine »Auseinandersetzung zwischen zwei Linien« gewesen: »Die eine war falsch, die andere relativ richtig.« War das ein undeutliches Lob oder eine verhüllte Spitze? Der Dolmetscher verstand offensichtlich nicht, was Mao meinte, denn er sprach unbestimmt von »zwei verschiedenen Gruppen« und davon, dass »die von Chruschtschow vertretene Tendenz die Oberhand behielt«. Der jugoslawische Botschafter erinnerte sich später, »niemand außer den Chinesen« habe gewusst, was genau Mao gesagt hatte. Jedenfalls trat Totenstille ein.7 Um seinen Gastgeber weiter in Bedrängnis zu bringen, bezeichnete Mao Molotow, einen der Drahtzieher des Juniputsches, als »alten Kameraden mit einer langen Geschichte des Kampfes«.8

Bedrohlicher für seine russischen Gastgeber war jedoch die Kernaussage von Maos Rede. »In der Welt wehen zwei Winde, ein Ostwind und ein Westwind. Die Chinesen sagen: Wenn der Ostwind nicht stärker ist als der Westwind, dann ist der Westwind stärker als der Ostwind. Ich denke, in der gegenwärtigen Weltlage ist entscheidend, dass der Ostwind stärker ist als der Westwind. Das bedeutet, dass die Kräfte des Sozialismus sehr viel stärker geworden sind als die Kräfte des Kapitalismus.«

Mao setzte seine Analyse des veränderten Kräfteverhältnisses zwischen den beiden Lagern fort – und dann schockierte er die Delegierten mit seinen Überlegungen zu einem bevorstehenden Weltkrieg.9 »Denken wir darüber nach, wie viele Menschen im Kriegsfall sterben würden. Es gibt 2,7 Milliarden Menschen auf der Erde, ein Drittel davon könnten wir verlieren. Auch ein Verlust von einer Hälfte der Weltbevölkerung ist möglich. […] Ich sage, dass im schlimmsten Fall 1,5 Milliarden sterben könnten, womit 1,5 Milliarden übrig wären, aber der Imperialismus wäre ausgerottet, und die ganze Welt würde sozialistisch werden. Nach wenigen Jahren gäbe es wieder 2,7 Milliarden Menschen.«10 Die Vereinigten Staaten seien lediglich ein »Papiertiger«, erklärte Mao. Der mögliche Tod von Milliarden Menschen war ihm offenbar gleichgültig. Wie bei anderen Gelegenheiten bluffte er. Das Säbelrasseln sollte zeigen, dass er die Revolution entschlossener vorantrieb als Chruschtschow.

Mao unterhielt sein Publikum nicht nur mit seinen Rechenspielen mit Bevölkerungszahlen. Er beobachtete seit einiger Zeit Chruschtschows Bemühungen um eine wirtschaftliche Dezentralisierung und seine Versuche, die Moskauer Bürokratie zu untergraben und Befugnisse auf neu eingerichtete regionale Wirtschaftsräte zu übertragen, die von Handlangern des Kremlchefs geleitet wurden. Chruschtschow war kreuz und quer durchs Land gereist, um den Bauern Ratschläge zu erteilen, wie sie die landwirtschaftlichen Erträge erhöhen könnten: »Ihr müsst die Kartoffeln in Quadraten anpflanzen. Ihr müsst den Kohl anbauen, wie es meine Großmutter tat.«11 Der Parteichef spottete über die Ökonomen mit ihren beeindruckenden Hochschultiteln, die »arithmetisch« Recht hätten, aber nicht verstünden, wozu das sowjetische Volk imstande sei: »Lasst die Ideologen der kapitalistischen Welt ruhig plappern. Lasst die Genossen Ökonomen erröten. Manchmal muss der Mensch mit einem plötzlichen Spurt über sich hinauswachsen.«12 Ein solcher plötzlicher Spurt, den Chruschtschow auslösen wollte, indem er die Bauern von den Fesseln des stalinistischen Staats befreite, würde einen solchen Überfluss schaffen, dass die Sowjetunion selbst die Vereinigten Staaten wirtschaftlich überholen würde: »Wenn sich die Menschen ihrer Kraft bewusst werden«, erklärte Chruschtschow, »vollbringen sie Wunder«. Im Mai 1957 hatte Chruschtschow vollmundig erklärt, innerhalb weniger Jahre werde die sowjetische Pro-Kopf-Produktion von Fleisch, Milch und Butter genauso hoch sein wie die der Vereinigten Staaten.13 Und jetzt verkündete er vor den Vertretern der kommunistischen Parteien aus aller Welt in seiner Rede zum Jahrestag der Oktoberrevolution den Erfolg seines wirtschaftlichen Vorstoßes: »Genossen, die Berechnungen unserer Planer zeigen, dass es der Sowjetunion in den kommenden 15 Jahren gelingen wird, nicht nur mit der gegenwärtigen Produktion wichtiger Erzeugnisse in den Vereinigten Staaten gleichzuziehen, sondern sie zu übertreffen.«14

Mao vergeudete keine Zeit. Er nahm die Herausforderung an und kündigte postwendend an, China werde innerhalb von 15 Jahren Großbritannien – damals noch eine industrielle Großmacht – überholen: »In diesem Jahr erzeugt unser Land 5,2 Millionen Tonnen Stahl, und in fünf Jahren können wir zwischen 10 und 15 Millionen Tonnen erreichen. Nach weiteren fünf Jahren werden es 20 bis 25 Millionen Tonnen sein, und fünf Jahre später werden wir 30 bis 40 Millionen Tonnen erreichen. Vielleicht prahle ich, und vielleicht werdet ihr bei einem zukünftigen internationalen Treffen meine Subjektivität kritisieren, aber ich stütze mich auf solide Tatsachen. […] Der Genosse Chruschtschow sagt uns, dass die Sowjetunion in 15 Jahren die Vereinigten Staaten überholen wird. Ich kann euch sagen, dass wir in 15 Jahren Großbritannien einholen oder hinter uns lassen können.«15 Mao hatte den Startschuss zum »Großen Sprung nach vorn« gegeben.

3DIE PARTEI WIRD GESÄUBERT

Chruschtschow hatte die Argumente geliefert, die Mao brauchte, um sein Vorhaben voranzutreiben. Der Sputnik bewies, dass die relativ rückständige Sowjetunion imstande war, ein wirtschaftlich hoch entwickeltes Land wie die USA im Wettlauf ins All zu überholen. Und jetzt bereiteten die sowjetischen Planer eine wirtschaftliche Großoffensive ähnlich der »Sozialistischen Flutwelle« vor, die Mao hatte aufgeben müssen.

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