Mein kompetentes Baby - Nora Imlau - E-Book
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Mein kompetentes Baby E-Book

Nora Imlau

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Babys gehören zu den meist unterschätzten Wesen auf diesem Planeten. Dabei ist es absolut erstaunlich, was Babys ab dem ersten Tag schon können: Sie erkennen die Eltern, reagieren auf Gesichter, nehmen Blickkontakt auf, können Stimmungen unterscheiden. Aus Sicht der modernen Entwicklungspsychologie tragen die Kleinen damit aktiv zum Aufbau der Eltern-Kind-Bindung bei.

Nora Imlaus fundierter und leicht lesbarer Ratgeber durch das erste Jahr zeigt anschaulich, dass Babys genau über die Kompetenzen verfügen, die sie in ihrem jeweiligen Lebensalter und in ihrer Erfahrungswelt brauchen. Sie entwickeln sich nicht vom Unfertigen zum Fertigen, sondern werden von kompetenten Neugeborenen zu kompetenten Babys zu kompetenten Kleinkindern. Dieser revolutionäre Blick auf Babys entlastet die Eltern, denn wer versteht, wie Babys „ticken“, erkennt schneller, was sie brauchen, um ausgeglichen und zufrieden zu sein.

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Seitenzahl: 252

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Nora Imlau

Mein kompetentes Baby

Wie Kinder zeigen, wassie brauchen

Kösel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.
Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright © 2016 Kösel-Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81 673 München Cover: Weiss Werkstatt, München Covermotiv: © plainpicture/fStop/Antenna Lektorat: Dr. Ulrike Kretschmer, München Fotograf: Luttenberger, Christoph: Bild 1, Bild 2, Bild 3, Bild 4, Bild 5, Bild 6, Bild 7, Bild 8 Fotos: Bild 9 (123RF/ivolodina), Bild 10 (Fotolia/hartphotography), Bild 11 (123RF/ivolodina), Bild 12 (123RF/ivolodina), Bild 13 (Shutterstock/Hannamariah), Bild 14 (123RF/ivolodina) ISBN 978-3-641-18235-9V004
www.koesel.de

»Kinder haben ihr Verhalten im Laufe der Evolution entwickelt, um so besser mit ihrer Umwelt zurechtzukommen, in der sie über hunderttausende von Jahren gelebt haben.«

(Dr. med. Herbert Renz-Polster)

Inhalt

Einleitung

Von wegen klein und hilflos!

Unvergleichlich kompetent

Beziehung ist der Schlüssel

ERSTES KAPITEL Kompetent von Anfang an

Mit allen Sinnen bereit für die Welt

Gedanken und Gefühle

Wie Neugeborene die Welt wahrnehmen

Nimm mich an!

Die feinen Signale

Alarmstufe Rot

Es geht ums Ganze

Geborgenheit schenken

Babys weisen uns den Weg

Der Alltag mit dem kompetenten Baby

ZWEITES KAPITEL Kompetente Stillkinder

Von alleine an die Brust

Was das Stillen schwierig macht

Passiver Säugling? Aktives Stillkind!

Zu faul, zu schnell, zu gierig: Welche Zuschreibungen das Stillen zusätzlich erschweren

Stillen ist Beziehung

Eine schöne Stillbeziehung aufnehmen und gestalten

Der Alltag mit dem kompetenten Stillkind

Meine Bedürfnisse – deine Bedürfnisse

Kompetent und kompromissbereit

Babys sind zum Stillen gemacht!

Brust oder Flasche: Kann ein Baby das entscheiden?

Zurück an die Brust

Eine Anstrengung, die sich lohnt

Kompetente Babys stillfreundlich zufüttern

Dem Fläschchen-Baby vertrauen

DRITTES KAPITELKompetente Essanfänger: Der babygeleitete Beikoststart

Stressthema Beikoststart

Das Baby kennt den richtigen Zeitpunkt

Unechte Beikostreife-Zeichen

Abschied von inneren Bildern

Beikoststart, ganz entspannt

Wie fühlt es sich an, gefüttert zu werden?

Den Beikoststart selbst in die Hand nehmen

Baby-led Weaning: Der selbstbestimmte Beikoststart

Babygeleiteter Beikoststart: Die Grundlagen

Jetzt geht’s los

Was gibt’s zu essen?

Babys spüren, was sie brauchen

Auf die Auswahl kommt es an

Geht der selbstbestimmte Weg nur bei Stillbabys?

Füttern und Fingerfood – geht auch beides?

Und was ist mit Allergien?

Was das Essen leichter macht

Was ein babyfreundlicher Beikoststart mit unserer Beziehung macht

VIERTES KAPITEL Kompetente kleine Schläfer

Alle Babys können schlafen

Müde Babys sind kuschelige Babys

Stillen: Die Einschlafhilfe der Natur

Hauptsache geborgen

Wenn Babys trotz allem beim Einschlafen schreien

Was kompetente Babys uns übers Einschlafen lehren

Ein Schlafproblem? Ein Erwartungsproblem!

Original und Kopie

Tagschläfchen, ganz nebenbei

Die Sache mit dem Rhythmus

Gute Nächte für alle

Schlafverhalten: Angeboren oder anerzogen?

Kann ein Baby selbst entscheiden, wo es schlafen will?

Schlechte Angewohnheiten?

Gewohnheiten verändern

Selbstbestimmtes Schlafen: So funktioniert es im Alltag

FÜNFTES KAPITEL Wie kompetente Babys mit uns kommunizieren

Allererste Dialoge

Babys lesen lernen

Die Welt der Laute entdecken

Die Sache mit dem Schnuller

Jedes Ding hat einen Namen

Wie kompetente Babys sprechen lernen

Entwicklungsmotor Babysprache

SECHSTES KAPITEL Wie kompetente Babys ihre Motorik entwickeln

Kleine Bewegungskünstler

Kompetente Babys zeigen uns, was sie brauchen

Keine Angst vor Entwicklungsabweichungen

Den natürlichen Ansporn erhalten

Kompetente Babys selber machen lassen – so geht’s konkret

SIEBTES KAPITEL Wie kompetente Babys soziales Verhalten und Empathie entwickeln

Wertvorstellungen sind grundverschieden

Ich fühle, was du fühlst

Sozial von Anfang an

Ein angeborener Sinn für Gerechtigkeit

Helfen, trösten und teilen

Stolz, Scham und Schuldgefühle

Was Babys können – und was nicht

Von wegen kleine Tyrannen!

Die eigenen Gefühle im Griff haben

Eine Frage des Temperaments

Ängste als Schutzmechanismen

Die Sache mit den Bezugspersonen

Wenn die Babyzeit endet

Zum Weiterlesen

Register

Einleitung

Von wegen klein und hilflos!

So unbekannt und gleichzeitig so vertraut: Wenn Eltern ihr Neugeborenes zum ersten Mal im Arm halten, begegnen sie einem Menschen, den sie schon sein ganzes Leben lang kennen – und dessen Persönlichkeit sie bislang trotzdem nur erahnen konnten. Was für ein Mensch ist unser Kind? Diese Frage werden sie sich in den nun folgenden Wochen, Monaten und Jahren immer wieder stellen und sie werden immer neue Antworten finden. Denn jedes Kind hat seinen ganz eigenen Charakter, seine ganz individuellen Eigenheiten und Fähigkeiten, die das Familienleben mit ihm so unverwechselbar und einzigartig machen.

All diesen Unterschieden zum Trotz haben neugeborene Babys jedoch auch eine große Gemeinsamkeit: Sie kommen nicht als »unbeschriebenes Blatt« zur Welt, nicht als leere Gefäße, die wir Mütter und Väter nach Gutdünken mit unseren eigenen Erwartungen und Erziehungsvorstellungen füllen können. Nein: Sie tragen zum Zeitpunkt ihrer Geburt bereits ein jahrtausendealtes Erbe in sich, das uns Menschen vom Entstehen unserer Art an beim Überleben geholfen hat. Dieses Erbe kann dafür sorgen, dass unsere Babys wunderbar schlafen, sich optimal ernähren, eine feste Bindung zu uns Eltern aufbauen und außerdem zu wissbegierigen, selbstständigen, fröhlichen kleinen Persönlichkeiten heranwachsen. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Das liegt daran, dass wir in unserer modernen westlichen Welt dieses kostbare evolutionäre Erbe schon lange aus dem Blick verloren haben. Anstatt uns auf die angeborenen Kompetenzen unserer Babys zu konzentrieren, sind wir daran gewöhnt, vor allem darauf zu achten, was sie alles noch nicht können – und deshalb von uns lernen müssen. So kommt es, dass wir von unseren Babys einerseits Fähigkeiten erwarten, die sie noch gar nicht haben können, und andererseits jene Kompetenzen aus dem Blick verlieren, die unsere Babys bereits haben – und die uns allen das Leben leichter machen könnten, würden wir sie denn erkennen.

Unvergleichlich kompetent

Was ein Mensch kann oder nicht kann, ist immer eine Frage des Maßstabs. So ist etwa in vielen Ratgebern für Baby-Eltern zu lesen, dass menschliche Neugeborene unreifer geboren werden als sämtliche anderen Säugetierjungen. Das klingt, als sei die »Unfertigkeit« kleiner Babys quasi wissenschaftlich belegt, dabei ist der Referenzrahmen durchaus fragwürdig: Wenn wir ein Menschenbaby in eine Reihe mit Fohlen, Kälbern und Walbabys stellen und es uns dann im Vergleich als unreif erscheint – was sagt uns das dann wirklich? Dass Menschenbabys »unreif« geboren werden? Oder eher, dass sie eine andere Form von Reife haben, weil sie auf ein völlig anderes Leben vorbereitet sind? Ähnlich problematisch ist es, wenn ältere Kinder oder gar Erwachsene als Vergleichsgruppe für die Fähigkeiten kleiner Kinder herhalten, wie es ebenfalls in vielen Ratgebern geschieht: Da ist der Magen des Babys dann eben leider noch »zu klein« für regelmäßige Mahlzeiten, das Gehirn noch »zu unreif« für längere Schlafperioden am Stück und so weiter. Der verständnisvoll-bedauernde Unterton solcher Erklärungen ist uns Eltern dabei mittlerweile so vertraut, dass wir gar nicht mehr auf die Idee kommen, den Referenzrahmen solcher Aussagen zu hinterfragen. Der Magen unseres Babys soll »zu klein« sein? Im Vergleich mit wem denn bitte? Klar, größere Kinder haben größere Mägen – aber hätte es für unsere Babys irgendeinen Vorteil, größere Mägen zu haben, oder ist für sie ihre Magengröße nicht einfach ganz genau richtig? Und die Sache mit dem »unreifen Gehirn« – stimmt das denn überhaupt? Natürlich haben ältere Kinder viel kompliziertere neuronale Netzwerke. Aber kann es nicht sein, dass die Gehirne unserer Babys für ihr Lebensalter und ihre Lebenswirklichkeit absolut passend ausgereift sind?

Uns solche Fragen zu stellen, ist der erste Schritt dahin, den in unserer Gesellschaft tief verwurzelten defizitorientierten Blick auf unsere Kinder abzulegen und sie stattdessen in all ihren wunderbaren Kompetenzen zu sehen, die ihnen und uns das Leben leichter machen können. Denn unsere Kinder sind weder unterentwickelte Säugetiere noch unfertige kleine Erwachsene. Sie sind perfekt aufs Leben vorbereitete Menschenbabys, die aus gutem Grund ganz anders ticken als wir Großen: weil gerade das ihr größter Überlebensvorteil ist.

Beziehung ist der Schlüssel

Kompetenzen sind Fähigkeiten, die tief in unserem Inneren schlummern, aber erst unter den richtigen Rahmenbedingungen sichtbar werden. In Bezug auf unsere Babys heißt das: Sie bringen viele geniale Eigenschaften mit – doch damit diese in ihrem und unserem Leben ihre ganze Wirkung entfalten können, müssen wir zunächst einmal dafür sorgen, dass die in unseren Kleinen angelegten »Samenkörner« eines entspannten Familienlebens auch auf fruchtbaren Boden fallen. Wie das gelingt? Indem wir auf den wichtigsten Nährboden überhaupt setzen: eine von bedingungsloser Liebe und Vertrauen geprägte Beziehung zu unserem Kind. Spürt unser Baby, dass es willkommen und angenommen ist, genau so, wie es ist, ist die wichtigste Voraussetzung dafür erfüllt, dass es uns zeigen kann, was alles in ihm steckt. Wir müssen es nur sehen.

ERSTES KAPITEL Kompetent von Anfang an

Gerade ein paar Stunden alt und gleichzeitig schon so viele Erfahrungen im Gepäck: Unsere Babys kommen perfekt aufs Leben vorbereitet auf die Welt, weil ihre Geburt für sie eben nicht die »Stunde null« ist, als die wir Eltern sie oft begreifen. Denn jedes Kind hat bei seiner Geburt bereits eine Vergangenheit – und das sogar im doppelten Sinne: eine individuelle und eine menschheitsgeschichtliche. Wie das? Nun: Zum einen wissen wir heute, dass unsere Kinder bereits als Ungeborene sehen, hören und fühlen können und dadurch vielfältige Sinneseindrücke erleben, mit denen sie sich bereits im Mutterleib ein erstes Bild von der Welt machen, in der sie einmal leben werden. Unmittelbar nach der Geburt sind Neugeborene deshalb bereits in der Lage, auf ihren individuellen Erfahrungsschatz aus der Zeit der Schwangerschaft zurückzugreifen, um sich in der Welt zurechtzufinden.

Über diese individuellen Eindrücke hinaus tragen alle Menschenbabys jedoch auch Erfahrungen in sich, die sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte tief in die Gene unserer Art eingeschrieben haben. Diese Erfahrungen zeugen davon, welche Verhaltensweisen unseren Kindern seit vielen tausend Jahren dabei geholfen haben, ihre ersten Lebensjahre gesund zu überstehen und zu gesunden, lebenstüchtigen Erwachsenen heranzureifen. Dass diese Verhaltensmuster noch heute in unseren Kindern nachwirken, liegt am Grundprinzip der Evolution: Was sich als Überlebensvorteil bewährt, wird von Generation zu Generation weitergegeben, was sich im Überlebenskampf als hinderlich erweist, setzt sich auf Dauer nicht durch. Und weil die Mühlen der Evolution sehr langsam mahlen – 10 000 Jahre Menschheitsgeschichte sind da nicht mehr als ein Wimpernschlag –, basieren die »Werkeinstellungen« unserer Neugeborenen heute noch zu einem großen Teil auf den Erfahrungen unserer Vorfahren in der Jungsteinzeit.

Die allerersten Kompetenzen unserer Babys beruhen deshalb auf einer Kombination dieser beiden sehr unterschiedlichen Erfahrungswerte. Sie starten ins Leben, gerüstet mit ihren ganz eigenen Erkenntnissen aus den vergangenen Monaten im Bauch und gleichzeitig geprägt von den Survival-Strategien unserer Urahnen.

Mit allen Sinnen bereit für die Welt

Um die Welt um uns herum zu entdecken und zu erfassen, brauchen wir unsere Sinne – und die entwickeln sich bereits im Mutterleib. Als Erstes entsteht der Tastsinn: Das Baby im Bauch nimmt Berührungen wahr und reagiert auf sie. Am empfindlichsten sind dabei anfangs seine Lippen. Berührt es sie zufällig mit der Hand, nimmt es mit seinen nigelnagelneuen Nervenzellen wahr, dass da etwas ist – und öffnet den Mund, um dieses Etwas bereits genauer zu erkunden. So kommt es, dass Ungeborene bereits in der 12. Schwangerschaftswoche im Ultraschall beim Daumenlutschen beobachtet werden können – eine erste wichtige Vorbereitung auf das Leben nach der Geburt, in dem Babys von der Fähigkeit, ausdauernd und kräftig zu saugen, beim Stillen profitieren.

Je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, desto weiter breitet sich die Berührungsempfindlichkeit Ungeborener dann vom Lippenbereich über den ganzen Körper aus, bis das Baby etwa in der Mitte der Schwangerschaft mit jeder Stelle seiner Haut spüren kann, was um es herum geschieht. Es beginnt, mit seinen Händen und Füßen zu spielen, die Nabelschnur und die Gebärmutterwände abzutasten, reagiert auf Temperaturunterschiede im Bauch und spürt, wenn Mama oder Papa die Hände auf die Bauchdecke legen. Je nach Tagesform und Temperament gibt es Ungeborene, die auf diese frühe Kontaktaufnahme von außen reagieren, indem sie sich ihrerseits von innen regelrecht in die auf dem Bauch liegende Handfläche hineinkuscheln, während andere Babys sich eher zurückziehen. In beiden Fällen nimmt das Baby den Reiz von außen jedoch wahr und reagiert bewusst darauf. Auch diese frühen Körperwahrnehmungen sind eine wichtige Vorbereitung auf das Leben außerhalb des Mutterleibs: Sie sorgen dafür, dass das Baby nicht zu Tode erschrickt, wenn es jemand nach der Geburt anfasst, und vermitteln bereits dem ungeborenen Kind ein erstes Gefühl für die Möglichkeiten und Grenzen seines eigenen Körpers. Dass sich das Baby auch nach der Geburt an sein Körpergefühl im Bauch zurückerinnert und sich teilweise sogar danach zurücksehnt, lässt sich dabei zwar nicht wissenschaftlich nachweisen, liegt aber nahe: Nicht umsonst entspannen sich viele Neugeborene besonders gut im Wasser sowie in der Enge eines Pucksacks oder Tragetuchs – also unter Bedingungen, die sehr an die vertraute Enge und Schwerelosigkeit aus der Schwangerschaft erinnern. Eng verknüpft mit der Fähigkeit, zu tasten und zu fühlen, ist die Fähigkeit zu schmecken, die Ungeborene ebenfalls bereits sehr früh entwickeln. Die ersten Geschmackszellen bilden sich in der 8. Schwangerschaftswoche, und mit der 15. Woche können Babys mit ihren Geschmacksknospen dann bereits auf unterschiedliche Aromen im Fruchtwasser reagieren, das sie in diesem Alter zu schlucken beginnen. Auch wenn das Kleine seine Nährstoffe noch durch die Nabelschnur erhält, wird es auf diese Weise schon früh in der Schwangerschaft darauf vorbereitet, wie sich Nahrungsaufnahme nach der Geburt anfühlt: nach verschiedenen Geschmacksrichtungen im Mund. Mütter geben also bereits während der Schwangerschaft ihre kulturellen, aber auch individuellen Essgewohnheiten an ihr Baby weiter und prägen so, was den Kleinen nachher schmeckt. Eine Vorliebe für Vanille oder Kümmel, für dies oder jenes lässt sich also tatsächlich bis zu einem gewissen Grad »heranziehen«. Gleichzeitig haben alle Ungeborenen rund um den Globus eine Vorliebe für Süßes: Nimmt eine Mutter werdende süße Lebensmittel zu sich und »zuckert« damit das Fruchtwasser, trinkt das Ungeborene mehr davon, als es normalerweise trinkt. Die evolutionsbiologische Erklärung dafür: In der natürlichen Umgebung, in der unsere Nomaden-Vorfahren nach Nahrung suchten, gehörten süße Früchte wie etwa Beeren zu den sichersten Lebensmitteln, die es überhaupt gab. Denn während etwa Säure oder Bitterstoffe darauf hinweisen können, dass ein Lebensmittel möglicherweise nicht genießbar ist, ist Süßes in der Natur niemals giftig. Sich bevorzugt an süße Lebensmittel zu halten, war unter diesen Umständen also ein ausgesprochen sinnvoller Trick, um das Überleben zu sichern. Die übervollen Süßigkeitenregale unserer heutigen Supermärkte, die ihre ganz eigenen Gefahren für die Gesundheit bergen, hatte die Evolution dabei verständlicherweise noch nicht im Blick. Dass Babys darauf gepolt sind, im Mutterleib besonders gerne süßes Fruchtwasser zu trinken, hat aber noch einen zweiten Grund. Auf diese Weise gewöhnen sie sich gleich schon mal an einen Geschmack, der in den ersten Lebensmonaten der Geschmack ihres Überlebens schlechthin sein wird: an den Geschmack von Muttermilch. Der ist nämlich ebenfalls wässrig-süßlich, und dass Babys ihn mögen, ist existenziell wichtig – schließlich sind sie in der Geschichte unserer Art stets darauf angewiesen gewesen, über mehrere Monate ihren gesamten Kalorienbedarf zum Wachsen und Gedeihen mit diesem einen Lebensmittel zu decken!

Ab der 23. Schwangerschaftswoche kommt für das Ungeborene zum Fühlen und Schmecken auch die Fähigkeit zu hören hinzu: Das Baby nimmt nun alle Geräusche um sich herum wahr und reagiert auf sie. Der Herzschlag seiner Mutter, das Rumoren ihres Magens sowie das Vorbeiströmen ihres Blutes werden zum vertrauten Hintergrundrauschen seines weiteren Heranwachsens, ihre Stimme zum stetigen Wegbegleiter. Je weiter die Schwangerschaft fortschreitet, desto differenzierter hört das Baby. Nach und nach lernt es, auch die Stimmen des Vaters oder älterer Geschwister aus dem Grundrauschen herauszufiltern und von fremden Stimmen zu unterscheiden. In den letzten Schwangerschaftswochen vor der Geburt entwickelt das Kleine dann sogar bereits die Fähigkeit, vertraute Musikstücke von unbekannten zu unterscheiden, verschiedene Tonhöhen auseinanderzuhalten und seine zukünftige Muttersprache anhand der Sprachmelodie wiederzuerkennen. Ein lauter Knall kann es nun ebenso erschrecken, wie es die vertraute Spieluhrmelodie beruhigen kann; es hat also bereits Erfahrung damit, dass unterschiedliche Geräusche unterschiedliche Gefühle auslösen können. All dieses »erhörte« Wissen bringt das Neugeborene schon mit, wenn es auf die Welt kommt. Und das ist enorm hilfreich. Dass das Kleine die vertraute Stimme seiner Mutter unter allen anderen Stimmen erkennt, zeigt ihm: Hier bin ich richtig, hier gehöre ich hin! Dieser Wiedererkennungseffekt erleichtert nicht nur den Aufbau der Mutter-Kind-Bindung, sondern stärkt auch die Mutter in ihrer eigenen Kompetenz, weil sie spürt: Es ist meinem Baby eben nicht egal, wer seine Bedürfnisse befriedigt – es macht bereits einen Unterschied zwischen mir und allen anderen Menschen auf der Welt. Auch das Erkennen anderer vertrauter Geräusche macht das gemeinsame Einfinden im Familienalltag leichter. Neugeborene, die Geschwisterlärm bereits aus dem Bauch kennen, lassen sich davon nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Babys, die bereits aus der Schwangerschaft wissen, dass ihr Papa eine tiefe, dunkle Stimme hat, lassen sich davon auch nach der Geburt nicht erschrecken. Darüber hinaus können vertraute Lieder und Melodien aus der Zeit im Bauch Babys ein Gefühl von Vertrautheit und Kontinuität geben – ein wertvolles Geschenk in einer Phase ihres Lebens, in der auf einmal so vieles radikal neu und anders ist, als sie es bisher kannten. Und das klappt nicht nur, wenn die werdenden Eltern ihr Ungeborenes schon ganz bewusst mit bestimmten Liedern vertraut gemacht haben – die meisten solcher frühen Prägungen entstehen eher aus Versehen und nebenbei. So konnten US-amerikanische Entwicklungspsychologen in einer Studie nachweisen, dass neugeborene Babys, deren Mütter sich in der Schwangerschaft regelmäßig bestimmte Fernsehserien angesehen hatten, nach der Geburt zu deren Titelmelodie besonders leicht einschliefen …

Dass Ungeborene so gut hören können, hat aber einen weiteren Vorteil: Es bereitet sie jetzt darauf vor, später einmal gut sprechen zu lernen. Indem die Kleinen schon im Mutterleib ein erstes Gefühl für ihre Muttersprache entwickeln, haben sie nämlich bereits in den ersten Lebenswochen ein Entscheidungskriterium zur Hand, wem sie im Zweifelsfall eher zuhören: Jemand, der ihre vertraute Sprache spricht, gehört im Zweifelsfall eher zur Familie als jemand, der eine fremde Sprache spricht. Dass ein Neugeborenes deutscher Eltern aufmerksamer einer auf Deutsch vorgelesenen Geschichte lauscht als derselben Geschichte in französischer Sprache, bedeutet aber nicht, dass das Kleine nicht nach wie vor eine große Neugierde und Offenheit gegenüber anderen Sprachen hätte. Neugeborene haben nämlich nicht nur die Fähigkeit, ihre eigene Muttersprache treffsicher wiederzuerkennen, sie können auch feinste Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen heraushören, die wir Erwachsenen gar nicht mehr wahrzunehmen in der Lage sind. Diese Fähigkeit sorgt dafür, dass ein Neugeborenes trotz pränataler Prägung auf eine bestimmte Sprache noch eine oder mehrere zusätzliche Sprachen als zu seinem Leben gehörend erkennen kann. Dabei speichert es die feinen Lautunterschiede zwischen den einzelnen Sprachen so präzise in seinem Gehirn ab, dass es später lernen kann, sie akzentfrei zu sprechen.

Von der 28. Schwangerschaftswoche an können Babys im Bauch zusätzlich auch riechen – und haben damit eine Fähigkeit, die uns Erwachsenen völlig abgeht: unter Wasser Gerüche wahrnehmen zu können! Es ist allerdings zu vermuten, dass Babys im Bauch dabei den Geruch des Fruchtwassers nicht wirklich von dessen Geschmack unterscheiden können, sondern beide Sinneswahrnehmungen sozusagen überblendend wahrnehmen. Hat die Mutter etwa Vanille zu sich genommen, nehmen sie das Aroma parallel über die Geschmacksknospen und über die Nase wahr und machen sich so mit Geschmack und Geruch zugleich vertraut. Dieses Training im »Geschmackriechen« kommt ihnen unmittelbar nach der Geburt zugute: Dann ist ihre Riechfähigkeit nämlich bereits so ausgeprägt, dass sie sich den Weg zur Brust erschnuppern können – über den Geruch der Milch!

Und können Babys im Bauch auch schon sehen? Ja – wenngleich ihre Aussicht im Mutterleib natürlich noch sehr begrenzt ist. Trotzdem öffnen Ungeborene bereits in der 26. Schwangerschaftswoche ihre Augen und reagieren fortan auf Lichtreize wie etwa eine Taschenlampe, die durch die Bauchdecke scheint. Diesen Effekt machen sich manche Frauen zunutze, die ihr ungeborenes Baby dazu bewegen wollen, sich in eine günstige Position für die Geburt zu begeben – die Lampe weist dem Kleinen dabei durch die Gebärmutterwand hindurch den Weg. Im letzten Schwangerschaftsdrittel betrachten Ungeborene dann bereits interessiert ihre eigenen Finger und Zehen und entwickeln einen Schlaf-Wach-Rhythmus mit Traumphasen und allem Drum und Dran. Das deutet darauf hin, dass sie bereits in diesem Stadium ihrer Entwicklung auch innere Bilder sehen können: Traumsequenzen, die aus Erinnerungen an Wahrnehmungen mit allen Sinnen aufgebaut sind. Unmittelbar nach der Geburt sehen Neugeborene die Welt um sich herum unscharf, wie durch einen dichten Nebel; nur menschliche Gesichter in etwa einer Armeslänge Abstand können sie von Anfang an auffallend gut erkennen. Diese eingeschränkte Sehfähigkeit neugeborener Babys interpretieren viele als Beleg dafür, dass Menschenkinder im Vergleich zu anderem Säugetiernachwuchs besonders unfertig zur Welt kommen – dabei könnte auch ein handfester Überlebensvorteil dahinterstecken. Gut möglich, dass Neugeborene nicht schlechter, sondern nur anders sehen als wir: auf eine Weise, die sicherstellt, dass sie die Riesenhaftigkeit der Welt nicht erschlägt, und die es ihnen ermöglicht, sich erst einmal auf das Wesentliche zu konzentrieren – eine stabile Bindung zu ihren engsten Bezugspersonen.

Neugeborene verfügen bei ihrer Geburt also bereits über alle fünf Sinne: Sie können hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen und sich auf diese Weise die Welt um sich herum erschließen. Ihre Sinneswahrnehmungen mögen sich dabei zwar noch stark von unseren eigenen unterscheiden, doch der Umkehrschluss, dass sie die Welt deshalb noch nicht richtig wahrnehmen können, greift zu kurz. Sie erleben die Welt von Anfang an genau so, wie es für sie in ihrem Alter und in ihrer Lebenssituation richtig und wichtig ist.

Gedanken und Gefühle

Wenn bereits winzige Babys die Welt mit allen Sinnen wahrnehmen können – was tun sie dann mit all diesen Eindrücken? Können sie sie wie wir Großen in Form von Erinnerungen in ihrem Gehirn abspeichern oder vergessen sie sie sofort wieder? Können sie darüber nachdenken, was sie gerade gehört, gesehen oder ertastet haben, und gehen diese Gedanken bei ihnen mit Gefühlen wie Angst oder Aufregung, Freude oder Trauer einher? Mit diesen spannenden Fragen beschäftigen sich Entwicklungspsychologen weltweit, wohl wissend, dass wir niemals ganz in der Lage sein werden, wirklich nachzuvollziehen, was Babys denken und fühlen – sie können es uns schließlich nicht erzählen. Trotzdem verfügen wir heute über eine ganze Reihe wissenschaftlicher Erkenntnisse, die zumindest eines nahelegen: dass die Gedanken- und Gefühlswelt unserer Babys von Beginn ihres Daseins an deutlich komplexer und facettenreicher ist, als bisher angenommen. So verweisen hochauflösende 3D- und 4D-Ultraschallaufnahmen der Mimik ungeborener Babys darauf, dass diese bereits Anspannung und Entspannung, Genuss und Ekel sowie Angst empfinden können. Das Spannende an diesen Gefühlen ist, dass sie bei allen Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft und Kultur – dieselben Gesichtsregungen auslösen: Entspannte Menschen haben überall auf der Welt gelöste Gesichtszüge, Anspannung lässt uns die Stirn in Falten legen und die Lippen aufeinanderpressen, Ekel unsere Mundwinkel angewidert nach unten wandern und so weiter. Und nun zeigt der Blick in den Mutterleib: Raucht eine schwangere Frau eine Zigarette, zieht das Ungeborene seine Mundwinkel nach unten und zeigt alle mimischen Anzeichen für Ekel und Unwohlsein. Dringt, etwa zum Zweck einer Fruchtwasseruntersuchung, eine spitze Nadel in die Gebärmutter ein, weicht das Baby im Bauch erschrocken zurück und reißt angespannt und ängstlich die Augen auf. Legt eine Mutter hingegen die Hand auf ihren Bauch und spricht freundlich und ruhig mit ihrem Baby, glätten sich seine Gesichtszüge und es zeigt alle Anzeichen tiefer Entspannung und Zufriedenheit. Beobachtungen wie diese legen nahe, dass Ungeborene sehr wohl zu einer ganzen Palette verschiedener Gefühlsregungen in der Lage sind – und dass es für die Entwicklung ihres Bildes von der Welt keineswegs egal ist, welche Emotionen sie während ihrer Zeit im Mutterleib durchleben. Pränatalpsychologen gehen davon aus, dass bereits während der Schwangerschaft ganz entscheidende Weichen dafür gestellt werden, wie Babys nach der Geburt mit Anspannung und Stress umgehen können: Das ganz normale Auf und Ab der Gefühle im Rahmen einer grundsätzlich entspannten, schönen Schwangerschaft zu erleben, könnte demzufolge als natürlicher lebenslanger Stressschutz fungieren, während viele negative Gefühle während einer belastenden Schwangerschaft es dem Baby schwerer machen könnten, später mit den Widerständen des Lebens klarzukommen. Wie viel an diesen Theorien dran ist, ist selbst unter Experten umstritten. Manche Psychologen und Therapeuten schwören darauf, dass sich etwa unter Schreibabys besonders viele bereits vorgeburtlich gestresste Babys befinden, andere streiten einen solchen Zusammenhang vehement ab. Fest steht jedoch, dass das Gefühlsleben von Mutter und Baby schon vor der Geburt untrennbar miteinander verknüpft ist: Ist die Mutter ängstlich oder gestresst, zeigt auch das Baby Stresssymptome wie etwa einen schnelleren Herzschlag; findet die Mutter in die Ruhe, zieht auch das Baby nach. Faszinierend: Fordern Wissenschaftler werdende Mütter auf, ihrem Baby »liebevolle Gedanken zu schicken« – ohne sie laut auszusprechen oder den Bauch zu berühren! –, zeigen Ultraschallaufnahmen, dass die Babys im Bauch auch darauf feinfühlig reagieren: zunächst mit einer gewissen Aufregung, die sich in einer erhöhten Herzschlagfrequenz zeigt, dann mit einem Ausdruck tiefer Entspannung. Wie das möglich ist? Das kann bisher kein Forscher erklären. Doch die enge emotionale Verbindung, die viele Frauen bereits während der Schwangerschaft zu ihren Babys spüren, scheint keine Einbahnstraße, sondern auch vonseiten des Babys deutlich zu spüren zu sein. Im Hinblick auf unsere Neugeborenen heißt das: Schon in dem Moment, in dem sie zur Welt kommen, kennen sie schöne und dunkle Gefühle, angenehme und unangenehme Sinneswahrnehmungen. Vor allem aber kennen sie das Gefühl, seelisch und körperlich mit einem anderen Menschen eng verbunden zu sein. Mit der Geburt, dem Loslösen der Plazenta und dem Durchtrennen der Nabelschnur endet diese unmittelbare körperliche Verbindung, das Baby ist nun – rein körperlich betrachtet – ein eigenständiger Mensch. Doch mit der tiefen seelischen Verbundenheit ist es deshalb noch lange nicht vorbei, im Gegenteil: Das Neugeborene braucht sie unbedingt, um seine angeborenen Potenziale voll entfalten zu können. Genau so, wie seine Sinne bereit sind, die Welt zu entdecken, ist seine Seele dafür bereit, sich noch für eine ganze Zeit vollkommen von einem anderen Menschen abhängig zu machen. Nicht, weil es schwach und unfertig wäre, sondern weil seine Fähigkeit, sich ganz der Fürsorge eines anderen Menschen anzuvertrauen, sein vielleicht größter Überlebensvorteil ist. Auf diese Weise geborgen und geschützt muss es nämlich nicht so schnell wie möglich irgendwie lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, sondern kann sich alle Zeit der Welt nehmen, seine in ihm angelegten Kompetenzen zu entdecken und zu entfalten und zum selbstwirksamsten Wesen auf diesem Planeten heranzuwachsen.

»There is no such thing as a baby. There’s only a baby and somebody.«

Donald Winnicott, englischer Kinderarzt und Psychoanalytiker

Wie Neugeborene die Welt wahrnehmen

Geboren zu werden, muss eine überwältigende Erfahrung sein. Schließlich ist außerhalb des Mutterleibs nahezu alles anders als drinnen! Gleißend helles Licht statt schummriger Höhlenatmosphäre, unendliche Weite statt unglaublicher Enge, trockene Luft statt nassen Fruchtwassers, Kühle und Wärme statt der immer gleichen Körpertemperatur, ungefilterter Lärm statt der leisen Geräusche, die durch das Grundrauschen der Gebärmutterumgebung dringen … und dann erst die ganzen neuen Körperwahrnehmungen. Hunger, Bauchweh, Einsamkeit: All das kannten Babys ja bisher nicht! Kein Wunder, dass Neugeborene oft eine ganze Zeit brauchen, bis sie wirklich auf der Erde angekommen zu sein scheinen.

Ihre ganz eigene Wahrnehmung der Welt hilft ihnen dabei ungemein: Erst mal nur im Nahbereich scharf sehen zu können, ist keine Schwäche, sondern eine große Stärke, wenn die eigene Welt bis dahin die Größe einer Wassermelone hatte. Wer könnte schon den Überblick behalten und sich vor allem auf Mama und Papa als sicheren Hafen konzentrieren angesichts einer grenzenlosen Riesenlandschaft, die um ein Vielfaches größer und unüberschaubarer ist als alles, was ein Baby je gesehen hat? Auch die angeborene Prägung auf Gesichter ist sinnvoll: Schließlich sind intakte Beziehungen für Babys der Schlüssel zu optimalen Entwicklungsbedingungen. Und wie baut man Beziehungen auf? Indem man anderen ins Gesicht sieht, freundlich und aufmerksam, wie Neugeborene es tun – selbst wenn man ihnen einen mit Augen und Mund bemalten Luftballon über die Wiege hält. Wie ausgeprägt diese Beziehungskompetenz bereits bei Neugeborenen ist, zeigen faszinierende verhaltensbiologische Studien. So sehen sich bereits wenige Tage alte Neugeborene nicht alle Gesichter gleich gerne an. Nein, sie zeigen eine klare Präferenz für freundliche Gesichter. Ein lächelnder Mund – ob von einem Menschen oder einem Smiley-Ballon – fesselt sie wie kein anderer Anblick. Von einem grimmigen Gesicht wenden sie sich hingegen schnell ab. Ein kluger Trick der Natur, um dafür zu sorgen, dass Babys sich nicht an irgendjemanden binden, sondern möglichst an freundliche, vertrauenswürdige Menschen – wie ihre eigenen Eltern.

Mindestens genauso beeindruckend ist, wie Neugeborene sich nicht nur nach zwischenmenschlichem Kontakt sehnen, sondern ganz aktiv am Aufbau ihrer allerersten Beziehungen mitarbeiten. Eine ihrer raffiniertesten Strategien dabei ist das sogenannte Spiegeln, bei dem sie die Mimik ihres Gegenübers imitieren – und das bereits in der ersten Lebenswoche, lange bevor sie bewusst lächeln oder Grimassen schneiden könnten. Eltern von Neugeborenen können das selbst ausprobieren: Reißen sie etwa beim Spielen am Wickeltisch Mund und Augen auf, kann es gut sein, dass ihr Baby es ihnen nachtut. Verantwortlich für diese Fähigkeit sind die Spiegelneuronen in unserem Gehirn, die uns von Geburt an befähigen, die Gefühle und Verhaltensweisen anderer Menschen in unserem eigenen Gehirn nachzuempfinden und – oft unbewusst – zu spiegeln. Hirnforscher vermuten, dass in diesen besonderen Zellen die Wurzeln unserer Empathie liegen, also der Fähigkeit, mit den Gefühlen anderer »mitzuschwingen« und uns in unser Gegenüber einzufühlen. Doch insbesondere zu Beginn des Lebens scheinen diese Zellen noch einen weiteren wichtigen Zweck zu erfüllen: Sie ermöglichen es unseren Neugeborenen, auch ohne Worte mit uns Erwachsenen in Verbindung zu treten und uns zu zeigen, dass sie vorhaben, sich von uns noch so einiges abzugucken. Auf diese Weise erweitern die Spiegelneuronen im Gehirn unserer Neugeborenen nicht nur ihr Potenzial, allein durch Beobachtung jede Menge zu lernen; sie ermöglichen es ihnen auch, uns Eltern in unseren Kompetenzen zu stärken. Denn wenn wir Mütter und Väter spüren, wie wichtig wir für unsere Neugeborenen sind, wie aufmerksam sie uns beobachten und wie intensiv sie sich darum bemühen, mit uns in Beziehung zu treten, verändert das auch unser Bild von uns selbst. Wir werden sicherer und selbstbewusster in unserer Rolle – und wild entschlossen, das Vertrauen, das unsere Babys von Geburt an in uns als Vorbilder und Wegbegleiter setzen, nicht zu enttäuschen.

Nimm mich an!

Ein Baby zu versorgen und großzuziehen, ist eine Menge Arbeit. So viel Arbeit, dass es in der Geschichte unserer Art immer wieder vorkam, dass Menschenmütter sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlten – und ihr Neugeborenes deshalb sterben ließen. So unvorstellbar das den meisten von uns heute erscheinen mag: Die eigene Mutter dazu zu bewegen, es auch anzunehmen, gehört seit jeher zu den ersten Hürden, die ein Neugeborenes nehmen muss, um groß werden zu können. Kein Wunder, dass sich unsere Babys deshalb von ihrem ersten Atemzug an so richtig ins Zeug legen, um uns Eltern für sich zu gewinnen!