Mezze - Bettina Matthaei - E-Book

Mezze E-Book

Bettina Matthaei

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Beschreibung

Mezze sind der Inbegriff arabischer Genusskultur. Kleine Vorspeisenportionen in großer Zahl als Tafel serviert zeigen die Vielfalt der orientalischen Küche. Heute findet man die besten Mezze des mittleren Ostens im Libanon. Mohamad Salameh und Bettina Matthaei sind dorthin gereist und berichten über die Kultur und Küche des Landes. Im Rezeptteil ist dann die ganze Vielfalt der Mezze versammelt: klassische, feine neue, opulent-festliche und die Süßen zum Schluß. Die traditionellen Rezepte reichen von bekannten Hoummous und Fattoush über knusprige Halbmondtäschen bis zu den scharfen Bataa Harras. Das zweite Kapitel verführt mit feinen Rezepten wie Rotbarben mit Mandel-Couscous oder Gegrillten Feigen mit Ziegenfrischkäse. Das dritte Kapitel bietet Opulentes wie aus dem Sultanspalast und das vierte krönt den Genuss mit süßen Leckereien. Entdecken Sie die vielfältigen Aromen und die raffinierten Genüsse einer noch unverfälschten Küche.

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Seitenzahl: 170

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VORWORT

von Bettina Matthaei und Mohamad Salameh

Jeder hat sein eigenes Bild vom Morgenland, geprägt von den zauberhaften Märchen aus 1001 Nacht. Da sind Sultanpaläste und Minarette oder belebte Basare mit kostbaren Stoffen und poliertem Messing, mit Wasserpfeifen und duftenden Gewürzen.

Bei dem Wort »Orient« entstehen ganz von selbst Assoziationen wie geheimnisvoll, üppig und märchenhaft. Begriffe wie Vielfalt und Genuss, wie Gastfreundschaft und Großzügigkeit.

In den Mezze, den arabischen Vorspeisen, spiegeln sich all diese Assoziationen wider. Für Mezze soll man sich viel Zeit nehmen: Zeit, um die frischesten Zutaten auszuwählen. Zeit für die Vor- und Zubereitung. Zeit zum Genießen.

Eine orientalische Mezzetafel zeichnet sich durch eine Vielzahl kleiner Gerichte aus. Gerade diese große Auswahl macht ihren Reiz aus, und es wäre schade, wenn man nach nur einem Gericht bereits satt wäre. Um eine Mezzetafel richtig zu planen, haben wir deshalb eine kleine »Mezze-Mengenlehre« entwickelt. Anregungen und viele Tipps finden Sie auf >.

Wir haben für Sie vier verschiedene Mezzetafeln gedeckt:

Im ersten Kapitel finden Sie traditionelle Vorspeisen, so wie sie seit Jahrhunderten zubereitet werden, einfach und natürlich, bestechend durch ihre Frische. Das zweite Kapitel bietet feine Variationen aus orientalischen und mediterranen Zutaten, leicht im Genuss und raffiniert im Aroma. Im dritten Kapitel wird es richtig orientalisch-üppig und absolut edel. Gerichte, die auch einem Sultan schmecken würden! Verwöhnen Sie sich und Ihre Gäste mit ausgesuchten Köstlichkeiten. Im vierten Kapitel schließlich finden Sie zu jeder Mezze den richtigen Abschluss: feines Gebäck, honigsüße Desserts und erfrischende Getränke.

Selbstverständlich können Sie Gerichte aus einem Kapitel mit Gerichten aus einem anderen Kapitel kombinieren. Das erhöht die Vielfalt. Lassen Sie sich von unseren Vorschlägen inspirieren, gestalten Sie Ihre eigene Mezzetafel und präsentieren Sie sich damit als orientalisch-großzügiger Gastgeber.

Mehr Vielfalt erreicht man auch mit kleinen Knabbereien, die passend zu den Hauptgängen dazu gestellt werden können. So schmecken Gurkenscheiben, Kirschtomaten, Radieschen, Paprikastreifen, Salatblätter, Frühlingszwiebeln, Oliven oder Fetawürfel eher zu einer traditionellen Mezzetafel. Datteln, Feigen, Pistazien, Mandeln oder Aprikosen ergänzen sowohl eine schlichtere wie eine opulentere Auswahl an Gerichten und sind gleichzeitig stilvolle Tischdekoration.

Ob traditionell oder opulent – mit unseren Rezepten möchten wir die feinen Aromen und den wundervollen Geschmack des Orients zu Ihnen ins Abendland bringen.

Guten Appetit und Sahteen

wünschen Bettina Matthaei und Mohamad Salameh.

IM REICH DER FEINEN VORSPEISENREPORTAGE AUS DEM LIBANON

Morgens früh, sieben Uhr. Noch ist der Himmel über Beirut blassblau mit einzelnen rosa Streifen. In der Küche der 68-jährigen Nayfa breitet sich der klare, intensive Duft von Minze und Petersilie aus. Nayfa sitzt auf dem Boden, vor sich einen Korb, übervoll mit taufrischen Kräutern. Mit routinierten Handgriffen nimmt sie Stängel für Stängel, fasst sie wie einen Blumenstrauß zusammen. Ruhe geht von ihr aus. Ein Bild wie vor Hunderten von Jahren. Der amerikanische Kühlschrank und die Mikrowelle versetzen uns zurück in die Gegenwart.

Tradition und modernes Leben verbinden sich in dieser Küche ganz selbstverständlich. Eine Szene so reich an Kontrasten wie das ganze Land.

Nayfa will dem Besuch aus Deutschland zeigen, wie die echte Tabuleh, der libanesische Petersiliensalat, zubereitet wird. Lebhafte Erklärungen begleiten ihre Handgriffe. Ich verstehe kein Wort. Mein Wortschatz beschränkt sich auf »Salam« und »Marhaba« (Hallo, Guten Tag), »Schukran« (Danke) und »Almani« (Deutsch). Aber Nayfas Gesten verstehe ich: Dieses scheinbar frische Minzeblatt ist nicht frisch genug. Sieh her, so, genau so muss wirklich frische Minze aussehen! Und so muss man den Petersilienstrauß festhalten, die Stiele direkt unter den Blättchen wegschneiden. Das Blätterbündel immer wieder drehen, dabei fest umfassen und dann in engen Abständen »scheibchenweise« abschneiden. Kein Blättchen wird kreuz und quer geschnitten oder gar gehackt. Das ist das Geheimnis. So verliert die Petersilie kaum Saft, bleibt locker und luftig – und unglaublich frisch.

Wenig später wird der Petersiliensalat serviert. Zusammen mit Mutabbal, dem libanesischen Auberginenpüree, und Hummus, der klassischen Kichererbsenpaste. Mit Oliven, taufrischen Blättern von Römersalat und hauchdünnem Fladenbrot. Ich reiße ein Stück Brot ab, um die Tabuleh aufzunehmen, aber Nayfa schüttelt den Kopf und schiebt mir stattdessen den Salat hin. Mohamad erklärt mir später, dass Tabuleh hier traditionell mit Salatblättern gegessen wird, die praktischerweise die Form von Löffeln haben. Das Fladenbrot ist zum Aufnehmen der Pasten gedacht. Sie schmecken besser als alle, die ich bislang probiert habe:

cremig-milder Hummus mit dem leicht herben Geschmack von Sesam und Olivenöl und Mutabbal mit dem rauchigen Aroma von Holzkohle.

Nayfa käme nie auf die Idee, Auberginen im Elektro-Ofen oder in der Mikrowelle zu garen. Stattdessen entzündet sie Stunden vorher Holzkohlen in einem kleinen Grill auf dem Balkon, bis sie unter einer weißlichen Schicht sanft vor sich hinglimmen und den Auberginen das unvergleichliche Aroma geben.

Hier bei Nayfa lerne ich viel über libanesische Familien und ihre Gastfreundschaft. Gutes Essen gehört immer dazu. Die Küche im Libanon gilt als die beste im Vorderen Orient, und die Köche sind als besonders experimentierfreudig bekannt. Einflüsse aus anderen Ländern, z. B. aus Frankreich oder Italien, werden begeistert aufgenommen und in die eigene Tradition integriert.

Nayfa in Festtagskleidung: Auch wenn sie kein Deutsch spricht und ich kein Arabisch – bei Nayfa in Beirut lerne ich viel über libanesische Familien, ihre Gebräuche und ihre unglaubliche Gastfreundschaft.

Ob zu Hause oder im Restaurant, jede Mahlzeit beginnt mit »Jatt Choudr«, einem Teller mit frischen Tomaten, Paprika, Gurke, Radieschen, frischem Thymian und Minze.

Ein Blick von Nayfas Balkon – das Wohnhaus gegenüber signalisiert mit Erkern und Rundbögen neuen Wohlstand.

Gardinenartige Markisen schützen vor Hitze und Lärm und geben den Häusern ein abenteuerliches Aussehen.

Nayfa ist früh aufgestanden. Gleich nach dem Morgengebet hat sie sich auf den Weg gemacht, um die frischeste Petersilie, die aromareichste Minze und die zartesten Frühlingszwiebeln für Tabuleh zu besorgen.

Die ganze Familie arbeitet im Imbisslokal »Ayaam Samaan«, was »Alte Zeiten« heißt. Man ist spezialisiert auf traditionelle, teilweise auch aufwändige Gerichte wie gefüllte Innereien, die zu Hause kaum noch zubereitet werden.

Hier esse ich »Fatteh«, eine köstliche Mischung aus gebratenen Brotstückchen, Kichererbsen und Joghurt, die mit Olivenöl und gerösteten Pinienkernen übergossen und mit Oliven, Zwiebeln und frischer Minze serviert wird.

Der Inhaber des »Ayaam Samaan« ist ein berühmter libanesischer Poet namens Al Shahrour, dessen Dichtkunst so einträglich war, dass er gleich nebenan das nach ihm benannte Restaurant »Al Shahrour« erwerben konnte.

Die traditionellen Mezze werden auch weiterhin nach den überlieferten Rezepten zubereitet: unverfälscht und immer so frisch wie möglich.

Es gibt Restaurants mit üppigen Mezzetafeln mit 40 oder mehr dieser köstlichen kleinen Gerichte und bescheidene kleine Lokale mit höchstens einem Dutzend. Diese Klassiker fehlen jedoch nie: Tabuleh, Hummus und Mutabbal, Falafel, die frittierten Bällchen aus geschroteten Kichererbsen. Fattusch, ein frischer Salat mit geröstetem Brot. Teigtäschchen, gefüllt mit Spinat oder Lammhackfleisch, und Sfiha, die beliebten Minipizzen. Und immer werden sie mit dünnem arabischem Fladenbrot, mit Oliven, frischen Gurken, Tomaten und Zwiebeln serviert. Diese klassischen Mezze kann man überall im Land genießen: in den Touristenzentren, im Sterne-Restaurant an der Küste ebenso wie im kleinen Dorf im Libanongebirge. Da ist z. B. das »Ayaam Samaam«, ein kleines Imbisslokal an der Beiruter Uferstraße. Der erste Eindruck stimmt nicht gerade erwartungsvoll. Die frischen Zutaten jedoch lassen mich Vertrauen fassen. Ähnlich ergeht es mir im »Khalifeh«, einem bekannten und beliebten Lokal, wie Mohamad versichert.

Auf mich wirkt es zunächst sehr schlicht und wenig einladend. Das Ambiente aus Plastikmöbeln und die zu hoch eingestellte Klimaanlage lassen mich bestenfalls mittelmäßiges orientalisches Fast Food erwarten. Doch dann kommt der erste Teller mit frisch aufgeschnittenen Gurken und Tomaten, mit Paprikaringen und dicken Büscheln frischer Minze – wie gerade geerntet. Dafür hat sich das Warten gelohnt. Alles wurde frisch hergestellt: Hummus und Mutabbal, Kibbeh und Fattusch. Der Mixed Grill mit Köfte, Geflügel- und Lammspieß, über Holzkohlen zubereitet, hat ein uriges, rauchiges Aroma.

Es ist die absolute Frische, die mich begeistert. Kein raffinierter, aber durch und durch ehrlicher Geschmack.

Die großen Gläser mit köstlichem eingelegten Gemüse, sauren Gurken, Mixed Pickles und Chilischoten sind nicht nur dekorativ. Zusammen mit Minze und frischem Gemüse machen sie aus einem kleinen Imbiss ein köstliches und gesundes Essen.

Neben den traditionellen Mezze gibt es immer mehr Fast Food. Sehr beliebt sind Falafel, die mit Salat und Tahina in Fladenbrot gewickelt werden. Dazu wird neben den westlichen Softdrinks auch Dschalab, eine Rosinenlimonade, angeboten. Überall entlang der Haupt- und Schnellstraßen wird auf überdimensionalen Plakatwänden geworben. Über der Imbissbude preist ein Teppichhändler seine Produkte als die »Schätze der Kulturen für dein Haus« an.

Die 38-jährige Maria, Gründerin und Eigentümerin des »Soufra Daimeh Food Network« und erfolgreiche Produzentin von Kochshows und -zeitschriften, ist ständig unterwegs. Sie kennt die Küchen der Welt und die besten Restaurants. Doch nach wenigen Tagen in London oder New York fühlt sie sich krank.

»Mir fehlen die frischen Kräuter. Die sonnengereiften Tomaten und Zitronen.«

Sie vermisst das gewohnte gesunde Essen ohne künstliche Aromastoffe und Geschmacksverstärker. Maria nennt es »Mezze-Heimweh«. Ihre Kochshow gehört zu der beliebtesten im Land. Für jeden Chefkoch ist es eine Ehre, bei ihr aufzutreten. Der Beruf nimmt Maria ganz in Anspruch. So bleibt ihr keine Zeit, um all die Köstlichkeiten selber vorzubereiten. Dafür lädt sie Mohamad und mich in ihr Lieblingsrestaurant »Al-Halabi« ein. Die Atmosphäre und das Interieur sind eher westlich-anspruchsvoll. Es sind Details, die darauf hinweisen, dass wir im Orient sind: So tragen beispielsweise junge Männer in traditioneller Kleidung und mit rotem Fez die Wasserpfeifen zu den Gästen an die Tische.

In einer kleinen Nische sitzt eine junge Frau und bereitet hauchdünne Fladenbrote zu. Geschickt wirft sie kleine Teigklumpen zwischen den Händen hin und her, dabei zieht sie den Teig in Windeseile zu einem Kreis von etwa 50 Zentimetern Durchmesser auseinander. Dieser wird auf ein rundes, dick gestopftes Polster geworfen und auf eine gewölbte runde Heizplatte gestülpt. Im Nu sind die Fladen gebacken, zu Viertelkreisen zusammengelegt und in Servierkörben arrangiert. So frisch wird hier das Brot serviert!

Maria bestellt das, was man hier eine »mittlere« Mezzetafel nennt. Lebhaft und stolz erklärt sie jedes einzelne Gericht. Es beginnt mit kleinen Knabbereien: frisch gepalten, süßen grünen Erbsen und Bohnenkernen, dazu Pistazien und andere Nusskerne. Zur Erfrischung gibt es eiskaltes Wasser mit Limettenscheiben und frischer Minze. Auch hier werden die beliebten Klassiker serviert. Neu sind für mich eine kräftig gewürzte Paste, die aus rohem Lammfleisch zubereitet wird, krümeliger Schafkäse mit Zwiebeln und Kräutern, kleine frittierte Fischchen (ähnlich der Fritture in Frankreich) mit Sesamsauce und frischer Limette, winzige Wachteln in würziger Granatapfelsauce.

Dazu trinke ich einen wunderbar

weichen Rotwein aus der Beqaa-Ebene.

In dem schmalen Streifen zwischen Libanongebirge und Antilibanon herrschen ideale Klima- und Bodenbedingungen für Spitzenweine. Fruchtiger Geschmack und geringe Säure zeichnen sie aus. Die bekanntesten und häufig prämierten Weine stammen vom Chateau Ksara und Chateau Kefraya.

Während wir die Mezze genießen, werden am Nebentisch Desserts aufgebaut: frische Trauben, Scheiben von geeister Wasser- und Honigmelone. Eingelegter Kürbis, Datteln und köstliche Aprikosen in Zuckersirup. Dazu eine Art »Hüttenkäse« mit gehackten Pistazien. Und: ein weißes Gelee (Muhalabieh), aus Milch hergestellt und stark mit Rosenwasser parfümiert. Schließlich gibt es starken, süßen Kardamomkaffee aus winzigen Tassen. Ich bin überwältigt von der Vielfalt und kann mir nicht vorstellen, wie eine »große« Mezzetafel aussieht. Maria lässt kaum zu, dass ich mich bedanke. Es ist ihr eine Ehre.

Spät abends schlendern wir durch Al-Balad, die restaurierte Beiruter Altstadt mit ihren eleganten Geschäften. Neben den bekannten Labels findet man auch raffinierte Mode, die man als »Arabische Haute Couture« bezeichnen könnte: sehr teuer, aufwändig und üppig bestickt. Hier haben Designer Anleihen an arabischen Haremsgewändern genommen und mit moderner Eleganz kombiniert. Die Atmosphäre in der Altstadt ist eher mediterran als arabisch, manchmal habe ich das Gefühl, mich an der Côte d’Azur zu befinden. Es ist alles perfekt restauriert. Die Spuren des Krieges sind ausradiert. Was fehlt ist die Patina, die ganz normalen Alltagsspuren.

Moscheen stehen in direkter Nachbarschaft mit christlichen Kirchen. Das ist genauso selbstverständlich wie modisch und teilweise offenherzig gekleidete junge Frauen neben verschleierten muslimischen Frauen. Die einen tragen schwarze schlichte Schleier, tief in die Stirn gezogen, die anderen modische pastellfarbige Varianten um hübsche, geschminkte Gesichter.

In der Altstadt ist die Küche eher international, oft französisch. Ich vermisse das Arabische. Aber dann finden wir auch hier die berühmten Mezze.

Zum Abschluss des Tages fahren wir mit dem Auto zum Hafen und am Meer entlang. Entfernt erinnert die »Corniche« an die gleichnamige Uferpromenade in Cannes. Nicht so glitzernd und elegant, dafür riesige Leuchtreklamen. Die Fahrt geht stockend, halb Beirut ist unterwegs. Die warme Luft ist benzindurchtränkt. Vom nahen Meer dringt keine Brise durch.

Üppiger Überfluss in den eleganten Confiserien: feine Gebäckröllchen aus butter- und honiggetränkten Fadennudeln (Qateif) mit Pistazien oder Pinienkernen gefüllt. Davor Baklava, gefüllt mit süßer Mandelcreme und mit Pistazien bestreut.

Auch wenn man im Libanon, wie überall im Orient, das übersüße Gebäck schätzt – manchmal findet man in kleinen Bäckereien auch schlichtes Gebäck, wie dieses zwiebackähnliche, wenig süße »Ka’k« oder die leicht gesalzenen Brotstangen.

Im Basar werden diese mit Schwarzkümmel bestreuten Fladenbrote verkauft. Sie kommen gerade aus dem Ofen. Noch ganz warm sind sie rund wie kleine Kissen. Mit dem Abkühlen sacken sie zusammen und werden flach.

An den Stangenbroten sieht man den Einfluss Frankreichs auf die Küche im Libanon. Auch die runden Brotlaibe sind nicht landestypisch. Meistens werden die traditionellen flachen arabischen Fladenbrote verkauft.

An den Tischen vor den Restaurants ist kein Platz mehr frei. Es wird auffallend viel Wasserpfeife geraucht. Die Jugend bestellt »Hubble Bubble« und genießt die fruchtigen Varianten, aromatisiert mit Melone oder Ananas. Sehr dekorativ sieht es aus, wenn die Wasserpfeifen in ausgehöhlte frische Früchte gestellt werden – jeweils passend zum Aroma. Andere genießen »Galab«, ein süßliches Getränk aus Trauben und Rosinen, das mit Nüssen in großen Gläsern serviert wird.

Eine betörend duftende Tee-Mischung aus zitronigen Verbenenblättern und Rosenknospen mit Wurzelstückchen und Kräutern, die ich noch nie gesehen habe.

Vor dem kleinen, zur Straße offenen Laden stehen Säcke mit getrockneten Kräutern, Süßholz und Blüten: Hibiskus, Kamillen- und Rosenknospen. Davor schmale Holzkohlestangen, die für die Wasserpfeifen benutzt werden.

Mohamads Schwester, die 37-jährige Bousaina, geht nur im Abaya, dem typischen schwarzen Umhang, und Echarpe, dem tief ins Gesicht gezogenen Schleier, aus dem Haus. Selbst wenn sie innerhalb des Hauses die Wohnung verlässt, um die Schwiegermutter in der Etage darüber zu besuchen. Sie ist tiefgläubig und hält sich genau an die Regeln. Das hindert sie jedoch nicht daran, ihr Auto draufgängerisch wie ein Taxifahrer durch das Verkehrschaos zu bugsieren oder kleine Pannen selber zu beheben. Zu Hause trägt Bousaina Jeans und T-Shirts, die Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie ist eine fröhliche, aktive Frau, locker und liebevoll im Umgang mit ihren Kindern. Tradition und modernes Leben sind auch in ihrem Haushalt eng miteinander verbunden.

Bousaina lebt mit ihrem Mann und sechs Kindern zwischen 3 und 17 Jahren in einer großzügigen, typisch modern-arabisch eingerichteten 300-qm-Wohnung. Das 12-geschossige Haus lässt von außen einen solchen Luxus nicht vermuten: Marmor- und Granitböden in allen Räumen.

In den Salons sind pompöse Polsterbänke, die Platz für mehrere Großfamilien bieten, wie zu einem offiziellen Empfang entlang der Wände aneinander gereiht.

Auf dem Dach lockt ein Penthouse-Garten: kleine Teiche, ein buntes Glasdach, ein luftiger Pavillon. Üppige Pflanzen und berankte Bögen. Ein Hauch von 1001 Nacht ist dort spürbar. Doch das teure Dachgartenidyll kann den tosenden, nach oben dringenden Straßenlärm nicht vertreiben.

Das Essen wird am großen Tisch in einer riesigen Küche serviert. Es gibt Linsensuppe mit Hackfleisch und geschmorte Fleischstücke, die mit Fladenbrotstückchen aufgenommen und aus der Hand gegessen werden. Dazu wird Salat aus Gurken, Tomaten, Frühlingszwiebeln und viel frischer Minze gereicht. Im Salon gibt es süßen Minztee und noch süßeren Kuchen, in Fett ausgebacken und mit Zuckersirup durchtränkt, so wie man es hier besonders liebt.

Mohamad und Bousaina wollen mir ihr Land zeigen: die Spuren der Völker, die hier vor Tausenden von Jahren gelebt haben, die Spuren des Krieges, der kaum 15 Jahre zurückliegt. Und vor allem die Menschen, wie sie heute leben und essen.

Bousaina chauffiert uns mit bewundernswerter Gelassenheit und Geschicklichkeit durch den Beiruter Verkehr.

Es gibt kaum Ampeln. Und wenn, stehen sie dauerhaft auf Gelb. Die seltenen roten Ampeln werden grundsätzlich ignoriert. Dreispuriger Verkehr quält sich in beide Richtungen. An den Kreuzungen schiebt sich alles irgendwie durcheinander. Wer geschickt ist, nutzt den »Windschatten« eines anderen Wagens aus. Endloses Gehupe. Linksabbieger, Rechtsabbieger, Mopeds in Gegenrichtung, Wendemanöver – alles findet gleichzeitig statt. Ich gebe auf, mir Sorgen zu machen, und vertraue dem Geschick der Fahrerin. Alles ist im Fluss und funktioniert irgendwie. Auf unserer einwöchigen Erkundungsfahrt durch das Land werde ich keinen einzigen Unfall sehen.

Egal, wie klein und bescheiden ein Laden ist, die Früchte des Landes werden immer liebevoll und dekorativ arrangiert. Selbst auf einem winzigen Karren oder auf einer Plastikkiste wird orientalische Üppigkeit signalisiert.

»Coffee to go« der besonderen Art: An der Uferstraße hat ein Mokkaverkäufer seinen mobilen Coffee-Shop aufgebaut. Überall an der »Corniche« und auf den großen Plätzen wird arabischer Mokka angeboten: klein, stark, schwarz und süß.

Auch hier: Üppigkeit und scheinbarer Überfluss, auch wenn es keine Luxusprodukte sind. Dafür gibt es Knoblauch, Zwiebeln und Kartoffeln in allen Formen und Größen: Länglich, tropfenförmig oder kugelrund.

In den vielen kleinen Gemüseläden gibt es verschiedenfarbige frische und getrocknete Datteln, Guaven, Zwerg-Avocados und knubbelige grüne Früchte, die innen weißlich sind und süß schmecken.

In einer Bäckerei, die wir entdecken, gibt es verschiedene pikante und süße Kleinigkeiten. Ich wähle einige aus und bekomme sie vom Besitzer als Geschenk. Wieder ein Zeichen der libanesischen Gastfreundschaft. So wie wir es unterwegs bei einer Tante erleben, die uns spontan ein frisches Sorbet zubereitet:

eisgekühlte Honigmelone, püriert mit Zucker, Rosenwasser und fein gehackten Walnüssen.

Als ich mich dafür bedanke, kommt die schlichte und herzliche Antwort »You are my sister«. Viele Libanesen sprechen ein gutes Englisch, die Kinder lernen es von klein auf in der Schule. Bereits 3-Jährige fangen mit dem Unterricht an. Und öfter höre ich ein fröhliches »Tschüß!«. Viele Libanesen haben längere Zeit in Deutschland gelebt und schwärmen von Frankfurt, Heidelberg, Bremen oder Berlin.

Bei »Goodies«, dem luxuriösesten Feinschmeckertempel Beiruts, sind Berge von frischen Früchten kunstvoll aufgetürmt. Ein unglaubliches Angebot an Konfekt, kandierten Früchten und feinster Confiserie. Für Hiesige kaum erschwinglich. Nur eine Straßenecke weiter entdecken wir einen bescheideneren Obststand. Auf seine Weise hat der Besitzer seine Ware ähnlich kunstvoll aufgebaut: auf knallgrünen Plastikkisten und ausgebreiteten Zeitungen von gestern.

Zum Lunch geht es in ein kleines Imbisslokal mit Blick auf das Meer. Der erste Eindruck dämpft meine Erwartungen. Doch die frischen Zutaten ermuntern mich, Vertrauen zu fassen.

Das Essen ist köstlich: gebratene Brotstückchen werden mit Joghurt übergossen, darauf kommen Kichererbsen und Olivenöl mit gerösteten Pinienkernen.

Dazu: Radieschen, Gurken, Zwiebelringe und ein ganzes Bündel frische Minze.

Anschließend ein Spaziergang am Meer. Der Felsen unterhalb von Beirut bildet wunderschöne Formationen: Höhlen und vorgelagerte Felsen, vom Wasser abgeschliffen und mit vielen Gesteinsschichten. Wenn man hochblickt zur Stadt, überwiegen Neubauten oder restaurierte Gebäude. Im Krieg war hier fast alles zerstört.

Abends sind wir im »Sahat Ein Al-day’a«. Es liegt auf dem Weg zwischen Innenstadt und Flughafen. Direkt an der Straße eine große Tankstelle, dahinter eine Art Palast. Ich frage, wie man ausgerechnet vor einen Palast eine Tankstelle platzieren kann. Mohamad erklärt, dass die Betreiber mit den Gewinnen aus Tankstelle und Restaurant die Waisenkinder Beiruts unterstützen. Viele Menschen tanken absichtlich hier, um das Projekt zu fördern. Der Innenhof des Palasts ist als Freiluft-Restaurant ausgebaut. Die umlaufenden Gebäude sind Wirtschaftsräume und Boutiquen. Die ganze Anlage ist detailgenau nach alten Vorbildern errichtet, die Materialien sind echt, dennoch bleibt ein Gefühl von Disneyland.

Die mediterrane Sonne sorgt dafür, dass die getrockneten Aprikosen, Datteln und Feigen von Natur aus so süß sind, dass sie ohne Zucker auskommen. Füllungen aus blanchierten Mandeln, Walnüssen oder Pistazienkernen verwandeln sie in gesunde Leckerbissen.

Hier sind geröstete Haselnusskerne von einer geleeartigen Zuckermasse umgeben, zu Rollen geformt und in Puderzucker gewälzt. Diese Köstlichkeit wird scheibchenweise zu Kardamomkaffee serviert.

Alle lästigen Stacheln sind entfernt, und man kann sich unbesorgt dem süßen Fruchtgenuss widmen: kandierte Kaktusfeigen sind nur eine von unzähligen süßen Frucht-Spezialitäten.

Bei »Gooodies« wird nichts dem Zufall überlassen: Ein Mitarbeiter ist ständig damit beschäftigt, Fruchtpyramiden aufzurichten und die ganze fruchtige Vielfalt regelmäßig mit kühlem Wasser zu besprenkeln.

Im alten Phönizierhafen von Sidon steht eine Wasserburg der Kreuzritter, einst in aller Eile für die Ankunft von Kaiser Friedrich II. im Heiligen Land gebaut. Über einen schmalen Damm gelangt man dahin.

Von der Wasserburg blickt man auf den heutigen Hafen, mit einem emsigen Durcheinander von modernen Containern und Kränen, bunten Ausflugsbooten und altmodischen hölzernen Schiffen.

Wir fahren in den Süden des Landes, nach Sidon. Unzählige Wege führen durch buntes Basargetümmel der Altstadt. Die Händler preisen lautstark ihre Waren an: köstlich frisches Gemüse, ofenwarme Brote und Berge von Kräutern. Hühner, Tauben und Perlhühner sitzen in winzigen Käfigen. Mohamad erzählt, dass sich jeder Geflügelhändler einen Hahn hält, der nie geschlachtet wird. Als Glücksbringer für gute Geschäfte. Angesichts der engen Käfige frage ich mich, ob der ausgesuchte Hahn besonders glücklich ist über sein verlängertes Leben.