Mord(s)-Geschichten zwischen Nord- und Ostsee - Rainer Ballnus - E-Book

Mord(s)-Geschichten zwischen Nord- und Ostsee E-Book

Rainer Ballnus

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Bereits der Untertitel macht deutlich, was die LeserInnen erwartet: Eine Prise Heiterkeit, wenn beispielsweise ein Räuber aus purem Übermut dem Opfer seinen Allerwertesten präsentiert und dabei eine Kleinigkeit übersieht. Oder aber ein Anflug von Mitleid, wenn ein Nachbar einer Mutter, die aus purer Armut zur Banklady wird, Schützenhilfe leistet. Aber auch eine ausgeklügelte Raffinesse, wenn einer Generalswitwe alle Mittel(chen) recht sind, um ihren Liebeshunger zu stillen. Nicht zu vergessen die ausgeprägte Spürnase eines Mordermittlers, der nach jeder brutalen Gewalttat seiner Mannschaft klar macht, dass jede Tat Spuren des Mörders hinterlässt und er damit (fast) immer Ermittlerglück hat. In allen Kriminalgeschichten spiegelt sich die wahre Verbrechenswelt wider, mögen sie noch so kurios, noch so lebensfremd oder noch so grausam erscheinen. Nicht verschwiegen werden auch einige Schwächen der Ermittler, die jedoch durch manche Dummheit der Täter wieder wettgemacht werden. Über 20 Ermittler haben in ganz Schleswig-Holstein in über 20 Städten und Orten in ihrer Recherche das Beste gegeben, um den "Richter von der Wahrheit eines Sachverhaltes zu überzeugen".

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Seitenzahl: 193

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Rainer Ballnus

Mord(s)-Geschichten zwischen Nord- und Ostsee

Kurzkrimis, die das Leben schrieb: Vom A-llerwertesten bis Z-yankali

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kurzkrimis, die das Leben schrieb: Vom A-llerwertesten bis Z-yankali

Der Spürhund

Der unvergessliche Hochzeitstag

Ausweglos

Der Komplize

Das Ritual

Tödliche Luft

Die Giftschlange

Verbrecher wider Willen

Auf eigene Faust

Das Gewissen

Die raffinierte Eroberung

Die letzte Kugel

Am seidenen Fa­den

Das Geschäft mit dem Teufel

Die verräterischen zwei Worte

Der Köder

Die zweite Haut

Eine Mutter in Not

Das Verhängnis

Schwerer Verdacht

Sein letzter Fall

Die Trumpfkarte

Tödliche Eifersucht

Verrückte Idee

Der Albtraum

Ein (fast) perfekter Mord

Die Abrechnung

Im Kittchen ist kein Zimmer frei

Impressum neobooks

Kurzkrimis, die das Leben schrieb: Vom A-llerwertesten bis Z-yankali

Bereits der Untertitel macht deutlich, was die LeserInnen erwartet: Eine Prise Heiterkeit, wenn beispielsweise ein Räuber aus purem Übermut dem Opfer seinen Allerwertesten präsentiert und dabei eine Kleinigkeit übersieht. Oder aber ein Anflug von Mitleid, wenn ein Nachbar einer Mutter, die aus purer Armut zur Banklady wird, Schützenhilfe leistet. Aber auch eine ausgeklügelte Raffinesse, wenn einer Generalswitwe alle Mittel(chen) recht sind, um ihren Liebeshunger zu stillen. Nicht zu vergessen die ausgeprägte Spürnase eines Mordermittlers, der nach jeder brutalen Gewalttat seiner Mannschaft klar macht, dass jede Tat Spuren des Mörders hinterlässt und er damit (fast) immer Ermittlerglück hat.

In allen Kriminalgeschichten spiegelt sich die wahre Verbrechenswelt wider, mögen sie noch so kurios, noch so lebensfremd oder noch so grausam erscheinen. Nicht verschwiegen werden auch einige Schwächen der Ermittler, die jedoch durch manche Dummheit der Täter wieder wettgemacht werden.

Über 20 Ermittler haben in ganz Schleswig-Holstein in über 20 Städten und Orten in ihrer Recherche das Beste gegeben, um den „Richter von der Wahrheit eines Sachverhaltes zu überzeugen“.

Der Spürhund

Bernd Saxe sprang die letzten Stufen im schäbigen Flur eines vierstöckigen abgewirtschafteten Mietshauses in Lübeck hinunter und trat ins Freie. Er kam gerade von seiner neuen Flamme und war happy. Sie hatte nach wochenlangem Tauziehen endlich eingewilligt, dass er mit seinen Klamotten zu ihr ziehen konnte. Er rieb sich schon innerlich die Hände, wenn er auch nur daran dachte, dass er seiner schlampigen Wirtin, bei der er zur Untermiete hauste, den Türschlüssel vor die Füße werfen konnte. Ausgenutzt hatte sie ihn, diese alte Hexe. Der schlaksige Maurergeselle hörte die Kirchturmuhr schlagen. Es war kurz vor Mitternacht. Er war noch nicht müde. Ein Drink im ‘Riverboat’ könnte nichts schaden. Bernd schlug sich in der grauen Novembernacht den abgewetzten Kragen seiner Jeansjacke hoch und legte ‘einen Zahn’ zu. Aus den offenen Türen der Kneipen schlugen ihm dicke Rauchschwaden und lautes Gegröle entgegen. Es roch nach Schnaps und Bier. Er überholte einen Mann, der mit einer gefährlichen Schlagseite vor ihm hertorkelte und sprang fröhlich pfeifend in seinen ausgelatschten Turnschuhen von einer Pfütze zur anderen, und so sah er sie erst spät, die wilde Horde. Sie kamen ihm auf seiner Straßenseite entgegen, laut johlend und trinkend. Bernd war kein Feigling, aber clever genug, ihnen aus dem Wege zu gehen. Doch keine zehn Meter vor ihm nahmen sie ihn urplötzlich in die Zange. Sie tanzten und feixten um ihn herum, bespritzten ihn mit Bier und Rotwein und schubsten ihn von einem zu anderen.

Bernd biss die Zähne zusammen. Jetzt nur keine Angst zeigen, dachte er bei sich und versuchte, mit einem gleichmütigen Gesicht eine Lücke zu erwischen. Doch die Bande schien seine Absicht erkannt zu haben und machte sich einen Jux daraus, ihm ein Bein zu stellen.

„Rück die Kohle raus, Macker!“ „Soll er mal Pflasterbeißen spielen?“ „Macht ihn platt, Jungens!“

Bernd rappelte sich auf. Solche Sprüche kannte er natürlich. Ihm wurde heiß. Er hatte keine andere Wahl, rannte mit aller Macht gegen die Mauer, die der Haufen gebildet hatte und kämpfte wie ein Löwe, doch da trat ihm einer mit seinem Stiefel gegen sein rechtes Ohr. Der Schmerz betäubte ihn fast, und bevor er Luft holen konnte, traf ihn der nächste Fußtritt im Gesicht. Die Lippen platzen auf, und das warme Blut lief ihm über das Kinn. Beinahe ohnmächtig vor Schmerzen und vor Angst schlug er wie wild um sich, aber er hatte keine Chance. Unbarmherzig prügelten sie völlig wahllos auf ihn ein. Er brach in die Knie, hielt seine Arme noch schützend vor sein Gesicht, doch die Hiebe mit den Totschlägern und Fahrradketten trafen ihn, immer und immer wieder. Bernd konnte nichts mehr sehen, beide Augenbrauen waren längst aufgeplatzt. Ein Keulenschlag auf den Hinterkopf ließ ihn nach vorn aufs dreckige Pflaster fallen. Das letzte, was er hörte, war irgendwo in der Ferne ein Martinshorn.

„Los Männer, an die Arbeit. Ich will, dass ihr jeden Stein umdreht, jedes Blatt hochhebt, jede Pfütze absaugt! Kommt mir nur nicht an und sagt, dass ihr nichts gefunden habt!“

„Aber Chef, Sie wissen doch ganz genau, dass wir immer mit Biss arbeiten, gleichgültig, was gesch...“

„Junger Mann, Sie sind neu in meiner Truppe. Fragen Sie mal die Jungens, was ich gewöhnlich mit Mitarbeitern mache, die mir in den ersten 24 Stunden nach einer Bluttat widersprechen!“

Oberkommissar Rautenberg presste die Lippen hart aufeinander, und seine Kollegen, die ihren Boss genau kannten, nickten nur. Bei solch brutalen Verbrechen holte er aus seinen Leuten alles heraus, und jedes Aufmucken war für ihn ein persönlicher Angriff. Und das hier war glatter Mordversuch, wenn der junge Bernd Saxe überhaupt durchkam. Das feige Gesindel war natürlich längst über alle Berge, und Rautenberg, der seine ‘Kundschaft’ nur zu gut kannte, setzte bei seinen Ermittlungen ganz auf die Spuren. Zeugen gab es so gut wie keine. Alle hatten sie Angst, Angst vor dieser wilden Horde.

„Ich fahre in die Klinik. Sie stehen mir für alles gerade“, raunte der Chef-Ermittler seinem Vertreter zu. Doch er wusste, er konnte sich ganz und gar auf seine Truppe verlassen, nicht zuletzt waren er und seine Mannschaft als ‘Spürhunde’ geradezu verschrien.

Wenig später streifte Rautenberg den grauen Kittel über und betrat mit einem Mundschutz die Intensivstation. Der mit dem Tod ringende Bernd hatte gerade in diesem Moment die Augen aufgeschlagen. Der Arzt gewährte ihm ganze drei Minuten. Aus dem Kopfverband des Geschundenen lugten nur die Augen und ein schmaler Mund hervor. Der Oberkommissar nutzte seine Chance.

„Wenn dir was Besonderes einfällt, drück’ meine Hand.“

Rautenberg hatte Geduld, und plötzlich spürte er den leichten Händedruck. Er beugte sich ganz tief zu ihm hinunter, legte sein rechtes Ohr an die Mundöffnung und lauschte angestrengt.

„So, das langt.“

Der Oberarzt zog ihn an der Schulter nach oben. Rautenberg nickte und schaute sich kurz noch die Fingerkuppen der rechten Hand an. Was er gehört und gesehen hatte, reichte ihm.

„Chef, wir haben alles auf den Kopf gestellt, und Sie können mir glauben, ich habe alle mächtig unter Dampf gesetzt, aber es war wie verhext...“

„Soll das etwa heißen, ihr seid nicht fündig geworden?“

Rautenberg schaute seinen Vertreter Kroller mit zusammengekniffenen Augen an.

Doch der nickte nur. Er wusste, dass der Alte das nicht akzeptierte. Und er hatte recht.

„Menschenskind, muss man denn hier alles selber machen? Wie oft muss ich noch sagen, es gibt keinen Tatort, an dem keine Spuren zu finden sind...“

„Aber, Chef, wir...“

„Kein aber!“ Der Spürhund ließ ihn nicht ausreden, rannte raus, knallte laut schnaubend die Bürotür hinter sich zu, schnappte sich den Dienstwagen, und Minuten später schnüffelte er am Tatort und hielt seine Augen dicht über dem Pflaster. Er wusste auch, dass seine Chancen gleich null waren, aber er konnte es nun mal nicht lassen. Doch seine Truppe hatte wirklich saubere Arbeit geleistet. Er fluchte leise vor sich hin und wollte gerade aus seiner gebückten Haltung nach oben kommen, da griff er wie von selbst nach einem Stängel eines fast vermoderten Blattes, doch es war gar kein Stängel, den er in der Hand hielt.

Drei Wochen später. Der junge Bernd hatte den feigen und brutalen Überfall nicht überlebt. Rautenberg hatte mit seiner Truppe nochmals ordentlich Druck gemacht und sämtliche Kneipen ‘durchgekämmt’, aber alle reagierten nur mit einem eisigen Schweigen. Trotzdem, er gab nicht auf. Irgendwo musste es doch eine undichte Stelle geben. Gerade kam er mit seiner Mannschaft aus einer Pinte in der Fischergrube.

„Wir machen morgen weiter. Wir werden ja wohl noch jemanden finden, der auf die 5.000 Euro Belohnung scharf ist, verdammt noch mal.“

„Ich weiß nicht Chef, aber vielleicht sollten wir parallel auf die Schnelle in die Sendung Aktenzeichen xy, gehen“, meinte der junge Heißsporn, der am Anfang aufgemuckt, aber inzwischen längst erkannt hatte, dass der Leiter der Mordkommission ein mit allen Wassern gewaschener ‘Krimscher’ war. Rautenberg musste innerlich grienen.

„Keine schlechte Idee, junger Mann, nur ich war einen Schritt schneller.“

„Soll das heißen, dass Sie schon...“

„Genau, aber machen Sie sich nichts draus. Vielleicht klappt’s beim nächsten Mal. Also, ich schau noch mal auf’n Sprung bei der Wache vorbei, macht’s gut Jungens“, verabschiedete er sich. Ein paar Straßenecken weiter hörte er schon den Lärm vom Revier in der Mengstraße. Rautenbergs Schritte wurden schneller.

„Was is’n hier los?“, wollte er wenige Augenblicke später von dem erfahrenen Schichtleiter wissen.

„Nichts besonders, Herr Rautenberg, der junge Mann hier meinte, sich wieder einmal austoben zu müssen.“

Vor dem Oberkommissar stand ein frech grinsender junger Kerl mit kurz geschorenen und lila gefärbten Haaren, der von zwei Kollegen ‘gefilzt’ wurde. Der Chef-Ermittler machte einen Schritt nach vorn und spürte unter seinem rechten Schuh einen Gegenstand. Er bückte sich und kam mit einen Kamm nach oben.

„Den hat er gerade aus seiner Hosentasche verloren“, meinte ein Kollege beiläufig.

Rautenberg hielt den Kamm gegen das Licht. Es fehlten drei Zinken. Seine Augen bekamen einen triumphierenden Ausdruck.

„Festhalten den Mann!“ Er ging nach draußen vor die Tür und telefonierte. Wenige Minuten später hielt der „Neue“ in seiner Truppe mit quietschenden Reifen vor der Wache und wedelte mit einem Briefumschlag. Hastig öffnete der Mordermittler ihn und hielt einen Kammzinken hoch, den er nacheinander in die drei Lücken des Kammes hielt.

„Hier in die zweite Lücke passt er genau! Ich nehme dich vorläufig fest wegen Verdachts des Mordes! Diesen Zinken habe ich am Tatort des Erschlagenen gefunden. Kurz vor seinem Tod konnte das Opfer mir noch zuflüstern, dass er bei dem erbitterten Kampf mit seiner Hand in eine Hosentasche geraten war und mit seinem rechten Zeigefinger mehrere Zinken herausgebrochen hatte. Ich selbst habe den blutunterlaufenen Finger gesehen. Die Herren Kriminaltechniker werden ihre Freude daran haben.“

Dem jungen Mann war das Grinsen vergangen. Mit blassem Gesicht und offenem Mund ließ er sich widerstandslos abführen.

Die Kollegen der Revierwache staunten nicht schlecht. Der Spürhund, er hatte wieder einmal zugeschlagen. Sie wussten, der Rest war für ihn Routine.

Der unvergessliche Hochzeitstag

Frank Feldmann schaute verstohlen auf die Uhr. Schon kurz vor sechs. Ausgerechnet heute Nachmittag hatte der Direktor seine Abteilungsleiter zu einer Besprechung gebeten. Er saß wie auf Kohlen, denn er hatte seiner Frau hoch und heilig versprochen, pünktlich um 17.00 Uhr Feierabend zu machen. Schließlich hatten sie heute ihren ersten Hochzeitstag, und den wollten sie zünftig mit ihren besten Freunden feiern, aber nicht nur das, er hatte sich auch eine ganz tolle Überraschung ausgedacht. Monat für Monat hatte er eine stattliche Summe abgezweigt für eine Woche Urlaub auf den Malediven. Übermorgen sollte es losgehen. Heimlich hatte er mit ihrer Chefin den Urlaub für sie klargemacht. Er konnte es kaum erwarten, und er freute sich wie ein kleines Kind, in ihre staunenden, großen, dunkelbraunen Rehaugen zu schauen. Ja, er gab es gern zu, er liebte seine Frau noch genauso wie am ersten Tag.

Doch jetzt stöhnte Frank leise und malte Männchen. Er schaute aus dem Fenster auf den ZOB. Immer, wenn er den Omnibusbahnhof sah, musste er an seinen Großvater denken, der ihm immer wieder auf Bildern den alten ZOB in Flensburg gezeigt und gemeint hatte, dass der viel besser ausgesehen habe.

Keiner, auch er nicht, wagte es, den großen Boss an die Zeit zu erinnern. Wieder warf einen Blick auf die Uhr: halb sieben. Es war zum Auswachsen. Um sieben sollte die Party steigen.

„So, meine Herren, das wär’s wohl für heute. Wir sehen uns dann in der nächsten Woche. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

Na endlich! Hastig packte er seine Unterlagen zusammen, nahm den Fahrstuhl und steuerte direkt das Parkdeck an. Er war schon an seinem Auto, da tippte ihm jemand auf die Schulter. Frank fuhr zusammen und drehte sich um.

„Tut mir leid Frank, ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich brauche deinen Rat.“

„Muss das jetzt sein, Georg, ich habe heute meinen...“

„Es dauert nicht lange, Frank, ich muss mich heute Abend entscheiden, du weißt, die neue Abteilung, die mir der Alte angeboten hat.“

Frank sah in seine bittenden Augen und trotzdem, er wollte seine Frau nicht enttäuschen, aber der Kollege ahnte wohl schon etwas Ähnliches, denn er fuhr ein ganz großes Kaliber auf:

„Frank, weißt du noch, wie ich dir vor einem Jahr aus der Patsche geholfen habe, als du vom Alten abgemahnt werden solltest. Ich meine, du wolltest dich immer revanchieren. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu.“

Frank kaute nervös auf der Unterlippe. Georg hatte natürlich genau den Nerv getroffen. Schließlich wäre er heute nicht da, wo er jetzt stand.

„Okay, wenn’s wirklich nicht zu lange dauert. Wollen wir hier bei mir im Auto...“

Es war kurz vor acht, als Georg zufrieden nickte.

„Danke, Frank, du hast mir sehr geholfen. Grüß bitte deine Frau von mir, und sie soll nicht zu arg mit dir schimpfen.“

Doch der nickte nur und startete den Wagen. Ihm war schon ganz schlecht, wenn er an seine tobende Heike dachte. Sie war nicht nur sehr hübsch, sondern auch sehr temperamentvoll. Blumen! Ja, Blumen mussten her. Die liebte sie über alles, je bunter, umso schöner. Jetzt kam es auf ein paar Minuten nicht mehr an, und außerdem konnte er von dem Laden aus anrufen, dass er aufgehalten worden war. Er hatte Glück, denn es war langer Einkaufstag. Er erwischte einen Kurz-Parkplatz in der Rathausstraße und hastete die Große Straße entlang bis zu dem Blumenladen, den er stets für Blumen für seine Frau bevorzugte. Reichlich genervt schlängelte er sich durch die Menschenmassen und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Vor ihm ging Uschi, die Frau seines Freundes Heribert. Sie lagen in Scheidung. Wenn sie sich nur nicht umdrehte...Frank wollte gerade kehrt machen, doch da war es bereits zu spät. Sie hatte ihn entdeckt.

„Frank, hallo, Frank, mein Lieber, dich schickt der Himmel.“ Die junge Frau fiel ihm um den Hals und schluchzte heftig. Franks Haltung versteifte sich. Er wollte sich nicht wieder die schmutzige Wäsche der beiden anhören, jetzt nicht!

„Uschi, Uschi, so hör doch!“ Doch sie hing an seinem Hals und hörte überhaupt nicht auf. Die Leute schauten schon zu ihnen herüber, und Frank lächelte gequält.

„Uschi, ich muss nach Hause, du weißt, Heike und ich...“

„Franki, du musst mir helfen, Heribert, dieser, dieser...“ und er hatte keine Chance, sich ihrem Gejammer zu entziehen. Es war kurz nach halb neun, als er ihr die letzten Tränen aus dem Gesicht gewischt und sich von ihr verabschiedet hatte.

Der Laden hatte natürlich schon geschlossen, und eine Telefonzelle konnte er weit und breit nicht entdecken, denn der Akku seines Handys war leer. Er hetzte zu seinem Auto zurück und fegte wie ein Wilder durch die Stadt. Mit quietschenden Reifen hielt er vor seinem Haus. Doch merkwürdig, es war alles so ruhig. Wollten sie ihn etwa überraschen?

An der Tür fand er einen Zettel. ‘Wir haben viel Sinn für Humor, aber für solch einen kaum! Eure Freunde’. Frank schloss auf und raste ins Haus. Leer! Die Tafel war festlich gedeckt, es spielte leise Musik. Seine Knie wurden weich. Er stürzte von Zimmer zu Zimmer und schrie ihren Namen, doch Heike war weg. Seine Gedanken überschlugen sich. Die Polizei, er musste die Polizei alarmieren. Er stand auf, und in diesem Moment klingelte das Telefon.

Heike klopfte unaufhörlich mit ihren Händen und Füßen gegen das Autoblech. Sie lag gefesselt in dem Kofferraum ihres Autos. Schreien konnte sie nicht. Ein breites Heftpflaster war über ihren Mund geklebt. Niemand hatte sie bisher gehört. Vor Verzweiflung schluchzte sie, und die Tränen kullerten über ihr vor Anstrengung gerötetes Gesicht.

Dabei hatte sie nur noch ein paar Kleinigkeiten besorgen wollen. Doch kaum war sie im Parkhaus ganz oben aus ihrem kleinen Flitzer gestiegen, war sie überfallen worden. Alles war rasend schnell gegangen. Die Gangster hatten ihre Handtasche mit dem Bargeld und der EC-Karte abgenommen, sie auf die Schnelle mit Klebeband gefesselt und in ihren Kofferraum geworfen. Heike hatte die Ganoven nicht einmal gesehen. Sie wusste nicht, wie lange sie so schon lag. Sie dachte an ihren Mann. Sicherlich würde der sich große Sorgen machen um sie. Sie kannte ihn genau und wusste, dass er sich für sie ein Bein ausreißen würde. Ihr wurde übel, wenn sie daran dachte, was sie sich für ihn ausgedacht hatte, heute an ihrem ersten Hochzeitstag. Eine Woche wollte sie mit ihm ganz allein sein und ihn verwöhnen, irgendwo auf einer einsamen Insel. Lange hatte es gedauert, bis sie in den unzähligen Katalogen etwas Passendes gefunden und gebucht hatte. Heimlich hatte sie von ihrem gemeinsamen Sparkonto Monat für Monat kleine Beträge geplündert und nun? Sie mobilisierte ihre letzten Kraftreserven und trommelte wie verrückt mit kleinen, zarten Fäusten gegen das Autoblech. Doch schnell war sie mit ihren Kräften am Ende. Vor allem wurde ihr die Luft knapp und die Angst, überhaupt nicht gefunden zu werden, schnürte ihr noch mehr die Kehle zu. Heike fing wieder an zu weinen, es war mehr ein leises Wimmern. Da, sie hielt inne. Sie hörte Schritte. Nochmals entwickelte sie fast übermenschliche Kräfte und machte ordentlich Krach. Sie keuchte vor Anstrengung, doch dann bekam sie keine Luft mehr.

Frank hastete durch die Etagen des Parkhauses in der Holmpassage. Suchend schaute er in die Runde. Noch vor wenigen Sekunden meinte er ein schwaches Klopfen gehört zu haben, aber nun war alles still. Er rannte weiter, und dann sah er ihn, den Wagen seiner Frau. Die letzten Meter nahm er im Laufschritt und riss die Kofferraumklappe auf, und im Licht der Neonbeleuchtung sah er die Silhouette von Heikes Kopf. Sie schien ohnmächtig.

„Heike, mein Schatz! Jetzt ist alles wieder gut!“

Er riss ihr das Klebeband vom Gesicht, befreite sie von ihren Fesseln und hob sie vorsichtig hoch. Heike schluchzte hemmungslos und krallte sich an Frank fest. Er streichelte ihr immer wieder über ihr tränennasses Gesicht. Beide wussten nicht, wie lange sie so schon standen, da löste sie sich langsam von ihm und schaute ihn mit verweinten Augen an.

„Ich frier’ so, mein Schatz, bring’ mich irgendwohin, wo’s warm ist, ja?“

Er überlegte kurz und dann fiel ihm eine kleine gemütliche Kneipe mit einem verschwiegenen Wirt ein.

Wenig später stießen sie beide mit einem Glas Wein an.

„Auf unseren Hochzeitstag, Liebling.“

Sie schmiegte sich ganz eng an ihn.

„Auf unseren Hochzeitstag, mein Schatz.“

Sie küssten sich leidenschaftlich.

Plötzlich richtete sie sich auf.

„Unsere Gäste, Frank, die hab’ ich total vergessen. Und überhaupt, wie hast du mich gefunden? Warst du bei der Polizei?“

Ihre Fragen überschlugen sich. Er lächelte und schüttelte den Kopf.

„Es wartet niemand auf uns, Liebling...“

„Aber...“

„Das ist eine lange Geschichte, Schatz, die erzähl’ ich dir später. Aber nun zu dir. Ja, ich wollte gerade die Polizei alarmieren, da klingelte das Telefon. Deine Räuber hatten wohl Mitleid mit dir, jedenfalls haben die mir gesagt, wo ich dich finden kann und...“

„So was gibt es heute noch? Ich kann das einfach nicht glauben.“

Frank nickte.

„Ja, ja, seltsam ist das schon, aber egal, wir haben uns wieder, und ich habe eine faustdicke Überraschung für dich, mein Liebling.“

„Und ich erst, mein Schatz. Komm, lass uns gehen. Ich kann es kaum erwarten.“

Beide schauten sich tief in die Augen und vergaßen für einen Augenblick ihre Umgebung.

Ausweglos

Janette schaute zum wiederholten Male auf die Uhr. Vom schnellen Gehen war sie ganz außer Atem. Verdammt, es war gleich Mitternacht. Sie hatte sich in einer Diskothek in Bad Schwartau vergnügt und war spät dran. Der Landgastwirt, bei dem sie arbeitete und auch einquartiert war, führte ein strenges Regiment, und in Sachen Pünktlichkeit kannte er kein Pardon. Das hatte sie schon mehr als einmal zu spüren bekommen. Spätestens um elf hatte sie zu Hause sein sollen, aber sie hatte sich mit ihren Freundinnen regelrecht ‘verquatscht’. Die angehende Köchin zog sich ihren Pullover aus und fing an zu rennen. Sie hatte noch gute vier Kilometer zu laufen. In ihrer Phantasie sah sie ihren Chef vor sich, wie er tobte und schrie. Wahrscheinlich würde er ihr in punkto Freizeit für den Rest des Monats einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen. Wenn sie ihre Arbeit und die Gegend, insbesondere die Nähe zur Ostsee, nicht so lieben würde, dann wäre sie längst nicht mehr bei diesem Ekelpaket.

Janette blieb kurz stehen und lauschte. Motorengeräusch. Sie drehte sich um und richtig, in der Ferne kamen ein Paar Autoscheinwerfer schnell näher. Sollte sie es wagen? Urplötzlich hatte sie die warnende Stimme ihrer Mutter im Ohr. Kind, hatte sie immer gepredigt, fahre niemals per Anhalter. Bisher hatte sie sich auch immer daran gehalten, insbesondere auch deshalb, weil ihre beste Freundin erst vor kurzem nur knapp einer Vergewaltigung im Auto entgangen war. Aber die Zeit, sie saß ihre heute Nacht im Nacken. Nur zu gut wusste sie, dass sie ihre Stelle als Auszubildende riskierte. Mehr als einmal hatte der alte Fiesling mit der Kündigung gedroht. Der Wagen hatte sie fast erreicht. Sie musste sich entscheiden. Zaghaft hob sie ihre Hand und starrte in das grelle Scheinwerferlicht.

Mitternacht war vorbei. Kommissar Schmidtke gähnte laut und reckte sich. Er hatte sich am Wochenende die Zeit als ‘Kommissar vom Dienst’ vor dem Fernseher vertrieben, und eigentlich hatte er eine Vorliebe für alte Krimis, doch heute war er irgendwie abgeschlafft, und mehr als einmal waren ihm die Augenlider zugefallen. Seine Frau war längst ins Bett gegangen und sicherlich schon im Reich der Träume, und auch er hoffte jetzt auf eine ruhige Nacht.

Auf dem Weg ins Bad klingelte das Telefon. Innerlich fluchend nahm er ab, doch nach wenigen Sekunden war der alte Fuchs hellwach.

„Sorgen Sie dafür, dass das Mädchen sofort ins Krankenhaus kommt. Ich fahre auch dort hin, okay?“

„Sollen wir den Tatort absperren?“, fragte der Polizist am anderen der Leitung.

„Ja, natürlich, und achten Sie auf die Spuren. Bis später. Halt, noch etwas, die Fahndung. Wenn’s was Handfestes gibt, raus damit!“

Schmidtke knallte den Hörer auf die Gabel und schaute in den Spiegel der Flurgarderobe. Jetzt war er in seinem Element. Unwillkürlich dachte er an seine Tochter, und Zorn überkam ihn bei solch einem gemeinen Verbrechen.

Eine halbe Stunde später stand der Chef-Ermittler am Krankenbett von Janette. Sie sah ziemlich zerschunden aus. Mehrere tiefe Kratzer waren mit einer Tinktur desinfiziert worden. Er hatte vorher mit dem Arzt gesprochen. Von ihm wusste er, dass das Mädchen wohl noch glimpflich davongekommen war und keine ernsthaften Verletzungen erlitten hatte, auch nicht im Intimbereich.

„Von meinem Kollegen weiß ich, dass du aus der Diskothek kamst, als das passierte.“

Das Mädchen nickte.

„Wie war das mit dem Fahrer, Janette, hat der dich angesprochen?“

Diesmal schüttelte die Verletzte den Kopf.

„Du bist also per Anhalter mitgefahren?“