Neurofeedback -  - E-Book

Neurofeedback E-Book

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Beschreibung

There is increasing demand for neurofeedback as part of treatment for disorders with known neurobiological correlates, and thus for some psychiatric and neurological clinical pictures as well (including ADHD, autism, migraine, epilepsy). This volume provides sound theoretical and technical foundations on neurofeedback and fields of application for it. It describes both the scientific evidence and practical procedures related to individual clinical pictures. This second edition has been completely revised and expanded with chapters on psychopathy and post-traumatic stress disorder.

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Herausgeberin

Dr. Ute Strehl ist Diplom-Psychologin, approbierte Psychologische Psychotherapeutin und hat sich im Fach Medizinische Psychologie habilitiert. Sie arbeitete zuletzt am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie (Medizinische Fakultät) der Universität Tübingen. Sie lehrte Psychologie für Studierende der Medizin. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung von psychophysiologischen Therapieprogrammen mit dem Schwerpunkt Neurofeedback für neurologische Erkrankungen und psychische Störungen. Seit 2013 ist sie im Ruhestand, aber weiter aktiv in Forschung und Weiterbildung.

Ute Strehl (Hrsg.)

Neurofeedback

Theoretische Grundlagen – Praktisches Vorgehen – Wissenschaftliche Evidenz

2., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten verändern sich ständig. Verlag und Autoren tragen dafür Sorge, dass alle gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung hierfür kann jedoch nicht übernommen werden. Es empfiehlt sich, die Angaben anhand des Beipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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2., erweiterte und überarbeitete Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035601-6

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-035602-3

epub:   ISBN 978-3-17-035603-0

mobi:   ISBN 978-3-17-035604-7

Autorinnen und Autoren

 

 

Univ.-Prof. Dr. Herbert Bauer

Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden

Social, Cognitive and Affective Neuroscience (SCAN) Unit

Fakultät für Psychologie, Universität Wien

Liebiggasse 5

A-1010 Wien

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Sven Bölte

Director of the Center of Neurodevelopmental Disorders (KIND)

Center of Psychiatry Research, Department of Women's & Children's Health

Karolinska Institutet & Region Stockholm

Child and Adolescent Psychiatry Research Center

Gävlegatan 22

S-11330 Stockholm

E-Mail: [email protected]

Stefanie Eiden, Dipl.-Psych.

Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (VT)

Therapiezentrum Rotkreuzplatz (TZR)

Nymphenburger Str. 154

80634 München

E-Mail: [email protected]

Dr. Holger Gevensleben, Dipl.-Psych.

Kinder- und Jugendpsychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen

v. Siebold-Str. 5

37075 Göttingen

E-Mail: [email protected]

Dr. Gerd Heinen, Dipl.-Psych.

Gleimstr. 53

10437 Berlin

E-Mail: [email protected]

Dr. Hartmut Heinrich

kbo-Heckscher-Klinikum

Deisenhofener Str. 28

81539 München

E-Mail: [email protected]

Klaus Werner Heuschen

Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie

Artilleriestraße 13

80636 München

E-Mail: [email protected]

Assoc.Prof. Dr. Kerstin Hödlmoser

University of Salzburg, Centre for Cognitive Neuroscience,

Department of Psychology

Laboratory for »Sleep, Cognition and Consciousness Research«

Hellbrunnerstr. 34

A-5020 Salzburg

E-Mail: [email protected]

Ernst Hohn, Dipl.-Psych.

Psychologische Praxis

Bahnhofstr. 89

52499 Baesweiler

E-Mail: [email protected]

Univ.-Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann

Ärztlicher Direktor, LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

Heithofer Allee 64

59071 Hamm

E-Mail: [email protected]

Dr. Lilian Konicar

Medizinische Universität Wien

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie

ABC BRAIN LAB

Währinger Gürtel 18–20

A-1090 Wien

E-Mail: [email protected]

Prof. Boris Kotchoubey

Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Silcherstr.5

72076 Tübingen

E-Mail: [email protected]

Dr. Axel Kowalski, Dipl.-Psych.

Neurofit GmbH, Therapie-und Trainings-Akademie

Hochstr. 84

47798 Krefeld

E-Mail: [email protected]

Lothar Niepoth, Dipl.-Psych.

Psychologischer Psychotherapeut

Steinsdorfstr. 5

80538 München

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Aribert Rothenberger

Universitätsmedizin Göttingen

Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie

von-Siebold-Str. 5

37075 Göttingen

E-Mail: [email protected]

Dr. Christiane Schmid-Schönbein, Dipl.-Psych.

Mühlenstr. 33

14167 Berlin

E-Mail: [email protected]

Dr. Edith Schneider

Bahnhofstr. 15

70372 Stuttgart

E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Michael Siniatchkin

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Remterweg 13a

33617 Bielefeld

E-Mail: [email protected]

Dr. Ute Strehl, Dipl.-Psych.

Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Silcherstr.5

72076 Tübingen

E-Mail: [email protected]

Gunnar Ströhle, Dipl.-Psych.

Psychologischer Psychotherapeut

Marie-Curie-Str. 44

79100 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Inhalt

Autorinnen und Autoren

 

Einführung

Ute Strehl

Teil I – Grundlagen

1     Lerntheoretische Grundlagen und Überlegungen zum Neurofeedback

Ute Strehl

2     Elektroenzephalographie

Herbert Bauer

3     Verschiedene Neurofeedback-Konzepte

Herbert Bauer

4     Wie funktioniert ein Neurofeedback-Gerät? – Technische Anforderungen und Prinzipien der Verarbeitung von EEG-Signalen

Axel Kowalski

Teil II – Störungen

5     Neurofeedback bei Kindern mit ADHS – Stand der Forschung und Anregungen für die Praxis

Hartmut Heinrich, Aribert Rothenberger und Holger Gevensleben

6     Neurofeedback bei einer Autismus-Spektrum-Störung

Martin Holtmann und Sven Bölte

7     Selbstregulation von Tics – Optimierung durch Neurofeedback

Aribert Rothenberger, Hartmut Heinrich und Holger Gevensleben

8     Neurofeedback bei Migräne

Michael Siniatchkin und Edith Schneider

9     Neurofeedback – Eine neue Komponente in der Epilepsie-Therapie

Christiane Schmid-Schönbein und Gerd Heinen

10   Neurofeedback bei Insomnie

Kerstin Hödlmoser

11   Neurofeedback bei schweren Hirnschädigungen

Boris Kotchoubey

12   Neurofeedback bei Psychopathy

Lilian Konicar

13   Neurofeedback bei Posttraumatischer Belastungsstörung

Gunnar Ströhle

Teil III – Praxis und Ausbildung

14   Neurofeedback in der Praxis des Psychologischen Psychotherapeuten – Wie eine Methode die Behandlung verändert

Ernst Hohn unter Mitarbeit von Christian Friedrich und Denise Büttgen

15   Wie etabliert man Neurofeedback in der Behandlung? Ein Beispiel aus der kinder- und jugendpsychiatrischen und verhaltenstherapeutischen Praxis

Stefanie Eiden und Klaus Werner Heuschen

16   Leitlinien und Ausbildung

Lothar Niepoth

Stichwortverzeichnis

Einführung

Ute Strehl

»Die Behandlung und Rehabilitation neurologischer Erkrankungen mit verhaltensmedizinischen Methoden ist ein besonders erfolgreicher Abschnitt der Lernpsychologie. Allerdings mehr in wissenschaftlicher Hinsicht als in der Verbreitung der Anwendung, die häufig trotz nachgewiesener Effizienz an mangelnden Kenntnissen und Fertigkeiten der in Neurologie und Psychologie Tätigen scheitert« (Birbaumer et al. 2001, S. 45).

Mit diesem Zitat beziehen sich Birbaumer und Mitarbeiter in erster Linie auf das Biofeedback im Allgemeinen und das Neurofeedback im Besonderen. Biofeedback ist eine Methode, mit deren Hilfe eine Selbstkontrolle physiologischer Vorgänge erworben werden kann. Der Therapeut1 begleitet einen Lernprozess, der es ermöglicht, die gestörte Regulation einer anfangs willentlichen, später vermutlich automatischen Kontrolle zu unterwerfen. In der Folge kann die Störung/Erkrankung behoben oder in ihrer Symptomatik verringert werden. Auch wenn die Mehrzahl dieser physiologischen Prozesse prinzipiell wahrnehmbar ist, wird die gezielte Kontrolle insbesondere im Fall der gestörten Regulation erst durch eine technisch vermittelte Rückmeldung möglich.

Seit diesem Zitat sind bald 20 Jahre vergangen und das Neurofeedback setzt sich als »neue« Methode der Therapie bei Störungen mit bekannten neurobiologischen Korrelaten zunehmend durch. Ursachen sind zum einen die begrenzten Möglichkeiten und Nebenwirkungen herkömmlicher Therapien (z. B. Stimulantien bei ADHS), die daraus resultierende Nachfrage nach anderen Behandlungsmöglichkeiten, die sich kontinuierlich verbessernde Basis wissenschaftlicher Evidenz und auch das bessere Angebot an benötigter Technik. Entsprechend wächst auch die Nachfrage seitens interessierter Therapeuten, die Neurofeedback in ihrer Praxis einsetzen möchten. Bislang gibt es nur ein Weiterbildungsangebot verschiedener Fachgesellschaften und verschiedener privater Einrichtungen oder durch Anbieter von Geräten, auch systematische deutschsprachige Publikationen sind eher rar. Zielsetzung des Buches ist es daher, dem Therapeuten ein Werk zur Hand zu geben, in dem er die theoretischen Grundlagen, das praktische Vorgehen und die wissenschaftliche Evidenz nachlesen kann. Gleichzeitig soll er in die Lage versetzt werden, über neue Anwendungen und Techniken zu urteilen bzw. deren Entwicklungen kritisch zu verfolgen.

In Teil I werden die Grundlagen der Anwendung von Neurofeedback vorgestellt. Lerntheoretische Grundlagen und Befunde werden auf ihren Beitrag zur Erklärung der Vorgänge beim Erwerb von Selbstkontrolle von Hirnaktivität hin untersucht, um daraus Hinweise für die Gestaltung dieses Prozesses abzuleiten. Dabei wird gezeigt, dass einerseits gesicherte Erkenntnisse zu wenig oder gar nicht berücksichtigt werden, andererseits für viele Entscheidungen in Ermangelung einer theoretischen Fundierung oder empirischen Überprüfung nur das Kriterium »Best Practice« gilt. Weiteres Grundlagenwissen ist die neurophysiologische Basis des Neurofeedbacks, sensu EEG-Feedback. Je nach Vorbildung des Therapeuten können hier Wissens- (oder Erinnerungs-)Lücken gefüllt werden. Kenntnisse des spontanen EEG, seiner Genese, Funktion und Analyse sind unabdingbare Voraussetzung für ein Feedback von EEG-Frequenzen. Ein Verständnis der ereignisbezogenen Potentiale – häufig dem ärztlichen Therapeuten weniger bekannt als dem (kognitiven) Neuropsychologen – ist erforderlich, wenn man ein Feedback der langsamen Potentiale durchführen möchte. Diese Anwendung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das zweite auf das EEG bezogene Kapitel 3 stellt verschiedene Neurofeedbackkonzepte vor. Es setzt sich mit der Frage auseinander, inwieweit eine quantitative Betrachtung des EEG unter Hinzuziehung von Normen im Sinne einer individualisierten Medizin für den Einzelnen maßgeschneiderte Neurofeedback-Behandlungen ermöglicht. Im Grundsatz wird dieses Vorhaben als sinnvoll angesehen, allerdings unter den derzeitigen Anwendungen und Techniken als nicht gegeben bewertet. In Ergänzung zur Erstauflage werden hier auch kurz neuere Möglichkeiten des Feedbacks von Hirnaktivität vorgestellt. Damit wird deutlich, dass der Begriff »Neurofeedback« unterschiedliche Konzepte und Vorgehensweisen beinhaltet. Der erste Teil des Buches schließt mit einer Beschreibung der Techniken und Prinzipien der Verarbeitung von EEG-Signalen. Nicht nur, um mit Anbietern kommunizieren zu können, sondern vor allem auch um zu wissen, welche Daten man wie gewinnt und dem Patienten rückmeldet, ist dieses Kapitel eine weitere, unabdingbare Voraussetzung für die therapeutische Arbeit.

Teil II beinhaltet die Anwendungen. Bei der Auswahl wurden nur solche Störungen berücksichtigt, für die es für die Methode des Neurofeedbacks eine wissenschaftliche Evidenz gibt bzw. man sich erkennbar um wissenschaftliche Evidenz bemüht. Dabei ist es unbenommen, dass der Praktiker bei entsprechender Einarbeitung und Erfahrung sich auch auf Neuland begeben kann oder weniger gut untersuchte Störungen (z. B. Tinnitus, Sucht, Depression, Ängste …) mit NF behandeln möchte. Ebenso wird nicht auf sogenannte Lifestyle-Anwendungen eingegangen (z. B. Peak-Performance, Neuroenhancement, Hochleistungssport).

In den Kapiteln von Teil II sind die theoretischen und empirischen Grundlagen, das praktische Vorgehen und die Literatur zur empirischen Evidenz komplett aktualisiert, so sich neue Erkenntnisse ergeben haben. Dies ist bei allen Störungsbildern der Fall mit Ausnahme der Migräne. Hier sind keine weiteren Studien zum Neurofeedback publiziert. Offene Fragen und Schwierigkeiten werden ebenso angesprochen wie die konkrete Gestaltung von Sitzungen und der Ablauf der Therapie samt etwaigen Variationen. Auch der Stellenwert des Neurofeedbacks im Rahmen anderer Interventionen wird gegebenenfalls erörtert.

Die einzelnen Beiträge sind bewusst nicht nach einem identischen Schema aufgebaut, weil die Etablierung des Neurofeedbacks (noch) sehr unterschiedlich entwickelt oder aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen verschieden ist. Entsprechend unterscheiden sich die Beiträge in dem Ausmaß der Ausführungen zum praktischen Vorgehen. Dort, wo diesem Thema viel Raum gegeben wird, können sich die Aussagen und Empfehlungen der Autoren durchaus auch einmal widersprechen, da unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden. Nicht nur aus diesem Grund handelt es sich bei diesem Buch um Work in Progress. Nicht nur der Schatz an Erfahrungen wächst, sondern auch die wissenschaftliche Begleitforschung. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, ist dieses Wachstum exponentiell ( Abb. 1). Im letzten Jahrzehnt ist sogar der Anteil klinischer Studien größer als die Zahl aller Studien in jedem vorangegangenen Jahrzehnt, aber gleichzeitig machen die klinischen Studien nur 17 % aus. Auffällig ist, dass im letzten Jahrzehnt die 97 Reviews fast der Zahl der Publikationen zu klinischen Studien (116) entspricht. Wäre es für das Feld nicht besser, wenn manch Verfasser von Reviews mit eigenen Studien zur Entwicklung der Methode beigetragen hätte?

Abb. 1: Anzahl der jährlichen Publikationen zum Neurofeedback seit 1980. Eigene Erhebung zu den Schlüsselworten »Neurofeedback«, »EEG Biofeedback« und »Neurotherapy« unter Ausschluss von fMRI-Feedbackstudien sowie Studien mit rTMS (repretitive transkranielle Magnetstiumulation) und tDCS (transkranielle Gleichstromstiumuilation) anhand der Datenbank PubMed.

Dass sich Neurofeedback als therapeutisches Angebot noch entwickelt, wird auch in Teil III deutlich. Hier wird nämlich Neurofeedback aus der Perspektive des praktisch arbeitenden Therapeuten vorgestellt. Die Beiträge in diesem Abschnitt sollen dazu dienen, die ganz praktischen Schritte bei der Einführung von NF in die Praxis zu reflektieren. Was wird an Know-how, Ausstattung und wo-man-power benötigt? Ändern sich die Abläufe durch höherfrequentes Training im Vergleich zur üblichen Therapie einmal pro Woche? Wie wird abgerechnet? Wie ist der Vorlauf, was sollte in dieser Zeit passieren? Ein Kapitel schildert besonders eindrücklich, zu welch grundsätzlichen Veränderungen die Einführung von Neurofeedback im therapeutischen Vorgehen führt. Mit dem Neurofeedback wird erstmals auch ein sehr direkter »Zugriff« auf die sogenannte »O«-(Organismus-)Variable im verhaltenstherapeutischen Analyseschema möglich. Daher kann die dysfunktionale physiologische Aktivität als »R«- (Problem»verhalten«) in den Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit gestellt werden. »Verhaltenstherapie ohne Neurobiologie ist wie Psychoanalyse ohne Unbewusstes!« wird sehr treffend in dem Beitrag von Hohn ( Kap. 14) formuliert. Nicht nur in diesem Beitrag wird auch deutlich, dass EEG-Neurofeedback nur ein Ansatz des Biofeedbacks ist. Andere Methoden der Rückmeldung neuronaler Aktivität befinden sich in der Entwicklung ( Kap. 2) und für andere (periphere) Biofeedback-Verfahren wurde die Wirksamkeit für verschiedene Störungen bereits nachgewiesen (vgl. Rief und Birbaumer 2011). EEG-Feedback ergänzt das Spektrum, seine Anwendung sollte stets in sorgfältiger Abwägung der Indikation, wissenschaftlichen Evidenz und Kenntnis der »Best Practice« erfolgen. Entsprechend schließt das Buch mit Informationen zur Ausbildung und Überlegungen zu Leitlinien, um die Qualität der therapeutischen Arbeit auch (und gerade) in diesem jungen Feld zu gewährleisten.

Literatur

Birbaumer N, Strehl U, Kübler K, Kotchoubey B, Flor H (2001) Verhaltensmedizin neurologischer Erkrankungen. In: Flor H, Hahlweg K, Birbaumer N (Hrsg.) Enzyklopädie der Psychologie. Anwendungen der Verhaltensmedizin. Göttingen: Hogrefe. S. 45–96.

Rief W, Birbaumer N (Hrsg.) (2011) Biofeedback. 3. Auflage. Stuttgart: Schattauer.

1     Zur besseren Lesbarkeit wird der Begriff »Therapeut« mit dem Begriff »Therapeutin« gleichgesetzt. Ebenso verhält es sich, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, mit allen weiteren Bezeichnungen: Es wird im Buch wo nötig auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet, wobei die verwendeten Formulierungen sich ausdrücklich auf beide Geschlechter beziehen.

Teil I   – Grundlagen

1          Lerntheoretische Grundlagen und Überlegungen zum Neurofeedback2

Ute Strehl

1.1       Einleitung

»Monkeys meditate for marshmallows« – so der Titel eines Berichts im NewScientist im September 2011 (http://www.newscientist.com/article/dn20989-monkeys-meditate-for-marshmallows.html). Der Bericht bezieht sich auf ein Experiment von zwei holländischen Kollegen, die Affen trainierten, in einer bestimmten Frequenz ihres Elektroenzephalogramms (EEG) mehr Aktivität zu zeigen (Philippens und Vanwersch 2010). Damit wurde erstmals seit Wyrwicka und Sterman (1968) wieder gezeigt, dass (auch) Tiere lernen können, ihre Gehirnaktivität gezielt zu verändern. (Auf weitere Tierversuche zum Neurofeedback [Schafer et al. 2012; Koralek et al. 2012] wird weiter unten noch eingegangen.) Der Mechanismus, der diesem Lernen zugrunde liegt, ist die operante Konditionierung.

Die Möglichkeit, Hirnaktivität beim Menschen durch operante Konditionierung zu verändern, wurde erstmals von Kamiya im Jahr 1962 (vgl. Kamiya 2011) untersucht. Kamiya interessierte sich für die Frage, inwieweit internale Vorgänge wahrgenommen werden können. Seine Probanden konnten nach kurzer Zeit mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit angeben, ob sie gerade einen Alpha-Burst hatten oder nicht. Jede richtige Antwort war während des Trainings vom Versuchsleiter entsprechend bestätigt worden. In einer weiteren Studie konnte er zeigen, dass es möglich ist, die Alpha-Frequenz (heute würde man vermutlich von der individuellen Alpha-Peak-Frequenz sprechen) nach oben und nach unten zu regulieren (Kamiya 1966 nach Kamiya 2011).

Neben den Prinzipien des operanten Konditionierens gibt es weitere Lernmechanismen bzw. Lernmodelle, wie das klassische Konditionieren, das Modell zum Erwerb von Fertigkeiten (Lang 1975; Lang und Twentyman 1974, 1976; zitiert nach Neumann 2001) und die Zwei-Prozess-Theorie nach Lacroix (Lacroix 1981, 1986; Lacroix und Gowen 1981; zitiert nach Neumann 2001), die beim Erlernen der Selbstkontrolle physiologischer Parameter eine Rolle spielen ( Tab. 1.1).

Zunächst werden nachfolgend die verschiedenen Ansätze und die daraus ableitbaren Hinweise für die Gestaltung einer Behandlung mit Neurofeedback vorgestellt. Im zweiten Teil dieses Kapitels soll dann die Frage erörtert werden, welche Kenntnisse über Verlauf und Ergebnisse von Lernprozessen, wie sie in einer Behandlung mit Neurofeedback stattfinden, zur Optimierung der Verfahren herangezogen werden können.

Tab. 1.1: Theorien des Lernens von physiologischer Selbststeuerung, die Mechanismen und Faktoren, die Einfluss auf das Lernen haben (in Anlehnung an Neumann 2001 mit Ergänzungen).

PerspektiveMechanismusFaktoren

1.2       Lerntheoretische Grundlagen und ihre Berücksichtigung beim Neurofeedback

In diesem Abschnitt orientiere ich mich an der Übersicht in Tabelle 1.1 ( Tab. 1.1). Diese verweist auf Überlegungen und Befunde aus verschiedenen lerntheoretischen Perspektiven, die Hinweise auf die Gestaltung von Lernprozessen zur Selbstkontrolle physiologischer Signale geben. Die verschiedenen Ansätze schließen einander nicht aus. Es können mehrere Mechanismen beteiligt sein, gleichzeitig können gleiche Faktoren bei den unterschiedlichen Mechanismen eine Rolle spielen.

1.2.1     Feedback, Verstärkung und Ergebniswissen

Das grundlegende Prinzip des Biofeedbacks ist, dass der Proband in Echtzeit eine Rückmeldung über die Veränderung des infrage stehenden physiologischen Signals erhält. Eine Veränderung in die gewünschte Richtung (= Erfolg) ist in sich belohnend, gelingt diese nicht (= Misserfolg), ist dies in sich bestrafend. Dieser grundlegende Wirkmechanismus des operanten Konditionierens beim Biofeedback wird im Fall des Neurofeedbacks dadurch »behindert«, dass wir keine Rezeptoren für die Wahrnehmung der neurophysiologischen Aktivität unseres Gehirns haben. Während wir den Tonus von Muskeln und Gefäßen, die Temperatur und die Schweißdrüsenaktivität wahrnehmen können, weil uns entsprechende Rezeptoren zur Verfügung stehen, können wir unsere Hirnaktivität allenfalls vermittelt über kognitive oder emotionale Zustände erfassen bzw. »nachvollziehen«. Deshalb ist der Erwerb von Selbstkontrolle der Hirnaktivität unbedingt an die apparativ vermittelte visuelle und/oder akustische Rückmeldung gebunden. Es stellt sich stärker als beim peripheren Feedback die Frage, ob und inwiefern eine Selbstkontrolle jemals ohne dieses apparativ vermittelte Feedback funktionieren kann, oder ob vielleicht das Lernen auch ohne entsprechende Rezeptoren möglich ist.

Hier hilft der Blick auf die eingangs genannten Tierstudien. Die Tiere erhielten keine Rückmeldung über die Veränderung ihrer Hirnaktivität, die operante Komponente bestand ausschließlich aus Belohnungen. In vier 30-minütigen Sitzungen wurden die Affen in der Studie von Philippens und Vanwersch (2010) immer dann, wenn sie eine Aktivität zwischen 10 und 14 Hz zeigten, mit einem »Marshmallow« belohnt. Der Affe, der am schnellsten gelernt und die stärkste Veränderung im betreffenden Frequenzband erreicht hatte, erhielt in der letzten Sitzung keine Belohnung. Ein Video zeigt deutlich, wie dieses Tier die Belohnung erwartet, also eine Kontingenz zwischen dem gewünschten Zustand und der Belohnung herausgebildet hat. Koralek et al. (2012) trainierten Nagetiere (Ratten), zwei verschiedene Zellgruppen im primär-motorischen Kortex (M1) zu aktivieren, je nachdem, welches von zwei Zielen sie mithilfe eines Cursors erreichen sollten. Um das eine Ziel (Zuckerwasser) zu erreichen, musste die Aktivität in der einen Zellgruppe verstärkt, die in der anderen Zellgruppe gehemmt werden. Ein hoher Ton informierte über die Annäherung an dieses Ziel. Umgekehrt führte ein tiefer Ton zu dem Ziel »Futterpille«, wenn die jeweils andere Zellgruppe gehemmt bzw. verstärkt wurde. In diesem Experiment erhielten die Tiere also ein kontinuierliches Feedback ihrer Hirnaktivität. War die Belohnung zwei Tage lang nicht mehr kontingent zur Veränderung der Hirnaktivität, so verringerte sich die Antwortrate und Zahl der richtigen Durchgänge signifikant. Hatten die Tiere zuvor einen unbeschränkten Zugang zu Futter oder Zuckerwasser, war also eine Sättigung bezüglich einer der beiden Belohnungen herbeigeführt worden, verringerte sich die Antwortrate hinsichtlich des entsprechenden Ziels ebenfalls. Dies wird als Zeichen dafür gesehen, dass die Verhaltensänderung absichtsvoll und zielgerichtet ist. Die Tiere änderten ihr Verhalten nur, wenn die Konsequenz tatsächlich belohnend war. Einen Schritt weiter gingen Siniatchkin und Kollegen (2000;  Kap. 8). Sie gaben Kindern online ein falsches Feedback über ihre Gehirnaktivität, aber ein verbales Lob für die richtige Veränderung. Beide Studien weisen darauf hin, dass eine positive Verstärkung wichtiger sein kann als das Feedback selbst und die in ihm enthaltene operante Komponente. Im Widerspruch dazu stehen die Untersuchungen zum »Knowledge of Results« (Ergebniswissen) von Towbrigde und Cason (1932). Bei der Einschätzung von Längen führte ein quantitatives Feedback (Ausmaß der Abweichung) am schnellsten zum Lernerfolg, gefolgt von einem qualitativen Feedback (gut/schlecht …). Erhielten die Probanden kein Feedback oder sinnlose Silben als Rückmeldung, so verbesserten sie sich nicht. Eine positive Verstärkung für richtige Schätzungen erfolgte in keiner der Bedingungen. Vermutlich ist die Kombination von quantitativem Feedback plus positiver Verstärkung der Königsweg, allerdings sind dazu keine Studien bekannt. Für die Gestaltung eines Neurofeedback-Protokolls wäre die Konsequenz, dass eine kontinuierliche Information über die Steuerung der Hirnaktivität und eine positive Verstärkung (verbales oder visuell vermitteltes Lob, Token) gegeben werden sollten. Programme, die mit Videos arbeiten, die nur bei korrekter Veränderung der Hirnaktivität fortlaufen oder gut sichtbar sind, kommen dieser Kombination aus Rückmeldung und Verstärkung sehr nah. Dies gilt allerdings nur, wenn das Betrachten des Videos für den Patienten angenehm oder interessant, d. h. auch tatsächlich ein Verstärker ist.

Wenn das Betrachten von Videos aus dem genannten Grund sinnvoll sein kann, muss es im Hinblick auf das Phänomen der »Post-Reinforcement Synchronisation« (PRS) allerdings infrage gestellt werden. PRS bezieht sich auf eine Synchronisierung des EEG nach der Gabe eines Verstärkers und steht in einem positiven Zusammenhang mit dem Lernerfolg. Entsprechende Beobachtungen im Tierversuch (vgl. Sherlin et al. 2011) wurden durch Hallschmid et al. (2002) auch beim Menschen bestätigt. Dies bedeutet, dass das Training eher diskontinuierlich ablaufen sollte. Viele kurze, durch kleine Pausen getrennte Durchgänge ermöglichen viele Male eine PRS und sollten den Lernerfolg verbessern. Von komplexen Spielen oder anderen kontinuierlichen Formen der Rückmeldung wird daher abgeraten, weil es möglicherweise die PRS unterbindet. Auch hierzu gibt es allerdings keine vergleichenden Studien.

Bezüglich des Feedbacks wurde auch untersucht, ob die Rückmeldung proportional oder binär erfolgen und in welcher Modalität (akustisch, visuell) und mit welcher zeitlichen Verzögerung es angeboten werden sollte. Hier ist die Befundlage recht eindeutig: Die proportionale Rückmeldung ist der binären überlegen, visuelles Feedback führt zu besseren Erfolgen als das akustische und mit Zunahme der Verzögerung wird die Leistung schlechter (vgl. Übersicht in Neumann 2001).

Schließlich soll noch an die Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem erwünschten Verhalten und seiner positiven Verstärkung erinnert werden. Um die Kontingenz sicher auszubilden, sollte die Verstärkung möglichst zeitnah erfolgen. Dies ist in der Regel bei allen Programmen gewährleistet.

Alle hier genannten Aspekte der Gestaltung eines optimalen Biofeedback-Protokolls gelten nicht nur für das erwünschte Verhalten, sondern auch für unerwünschtes Verhalten. Wenn also das zurückgemeldete Signal und der nachfolgende Verstärker sich statt auf die Hirnaktivität auf z. B. Augenbewegungen, Atmung oder Schwitzen bezieht, lernt der Patient dieses Verhalten häufiger zu zeigen. Bei nicht physiologischen Artefakten (z. B. durch eine gelockerte oder defekte Elektrode) lernt der Patient überhaupt nichts, da er diese ja nicht beeinflussen kann. Möglicherweise führt dies sogar zu einem Gefühl des Kontrollverlusts oder gar gelernter Hilflosigkeit. Ohne eine gute Online-Artefaktkontrolle sollte daher kein Training durchgeführt werden.

1.2.2     Shaping und die Frage der Schwellenregulation

Beim Erwerb neuen Verhaltens, insbesondere bei Fertigkeiten, beschreibt »Shaping«, deutsch »Verhaltensformung«, den Prozess der sukzessiven Annäherung an die endgültige Form eines Zielverhaltens ( Tab. 1.1). Wenn ein Kind schwimmen lernt, wird man es anfangs für jede Bewegungsausführung loben, die es über Wasser hält. Im Verlauf des Trainings werden die Ansprüche höher. Ein Schwimmabzeichen gibt es nur für einen bestimmten Schwimmstil, verbunden mit einer gewissen Ausdauer. Erst wenn es diese Fertigkeiten hat, werden die Eltern davon ausgehen, dass ihr Kind schwimmen kann und es unbeaufsichtigt in ein Schwimmbecken lassen. Jahrelang sollte die sogenannte automatische Schwellenregulation in vielen Protokollen die Verhaltensformung dadurch sicherstellen, dass der Patient immer in mindestens 70 Prozent der Fälle belohnt wurde (z. B. Lansbergen et al. 2011). Dieses Vorgehen ist jedoch kein Shaping, weil die Belohnung unabhängig vom Verhalten erfolgt. Im »schlimmsten« Fall muss ein Patient nichts tun, wird er doch sowieso in 70 Prozent der Durchgänge belohnt! Einen Ausweg suchten Dhindsa et al. (2018), indem sie einen Algorithmus für eine progressive Schwellenbestimmung entwickelten. Für jeden Teilnehmer wird die Schwelle dynamisch anhand der bisherigen Leistung und mit zunehmender Schwierigkeit definiert. Nach einem Training zur Verringerung der frontalen Alphaasymmetrie führte die progressive Schwellenbestimmung im Vergleich zu einer automatisch gesetzten Belohnungsschwelle zu signifikant besseren Lernerfolgen. Hier sind die Software-Entwickler gefordert! Allerdings ist noch eine Reihe von Fragen offen. So setzt der Prozess der Verhaltensformung voraus, dass a) abgestufte Ziele formuliert werden können, b) eine klare Vorstellung über das Endziel besteht, und dass c) eine bestimmte Prognose einigermaßen sicherzustellen ist (das Kind wird nicht ertrinken, wenn es den Schwimmstil beherrscht und diesen über einen gewissen Zeitraum ausüben kann). Leider lassen sich diese Ziele samt Prognose beim Neurofeedback nicht in dieser Klarheit formulieren. Im günstigsten Fall wird man eine Norm kennen, wie groß/klein die Amplitude eines bestimmten Frequenzbands sein muss (vgl. z. B. die Angaben zum Theta-/Beta-Quotienten in Montgomery et al. [1998, zitiert nach Demos], die in letzter Zeit aber mehrfach infrage gestellt werden – z. B. Lansbergen et al. 2010, Arns et al. 2012). Sollte es tatsächlich gültige Normen geben ( Kap. 3), so gelten diese allenfalls für das Ruhe-EEG. Eine Übertragung auf die Aktivität fordernde Trainingssitzung erscheint fraglich. Damit entfällt die Möglichkeit, notwendige Veränderungen zu quantifizieren. Dies gilt zumindest solange, bis der empirische Nachweis über einen Zusammenhang mit einer bestimmten Amplitude im Training und einer Änderung der Symptomatik geführt wird. Lediglich für Studien mit gesunden Probanden gibt es Hinweise auf eine positive Korrelation zwischen den Veränderungen von Amplituden und kognitiver Leistung (Übersicht bei Gruzelier et al. 2014). Aber auch hier stellt sich die Frage, wann was als »besser« gilt. Grundsätzlich wird man jede gewünschte Veränderung gegenüber der Baseline positiv verstärken. Wenn diese Veränderung immer häufiger gelingt, mehren sich die Verstärkungen. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein einmal erreichter Erfolg – zum Beispiel 80 erfolgreiche Durchgänge (von 100) – in der nächsten Sitzung wiederholen lässt. Hier ist dann unter Umständen vom Patienten mehr Anstrengung gefordert als in der vorhergehenden Sitzung. In diesem Fall sollte es möglich sein, das verstärkte Bemühen und das Überwinden von Frustrationen zu belohnen und nicht allein den Erfolg in der Selbstregulation.

Fast jeder Patient hat zu Beginn des Trainings größere Probleme als im weiteren Verlauf. Aber selbst, wenn er anfangs sehr gut regulieren kann, muss dies nicht anhalten. Das bedeutet, dass er anfangs jede nur erdenkliche Unterstützung benötigt. So kann er beispielsweise bereits für die Bemühung belohnt werden, ganz unabhängig vom Erfolg. Man kann auch versuchen, die Bestrafung, die im Misserfolg liegt, abzumildern, etwa mit den Worten »In dieser Situation fällt es allen schwer, erfolgreich zu sein. Aber Sie werden sehen, dass Sie mit der Zeit immer besser werden.« Bei der Behandlung von Kindern hat es sich bewährt, sie auch dafür zu belohnen, dass sie (noch) zur Sitzung kommen. Sie erhalten umso mehr Belohnungspunkte, je mehr Sitzungen sie schon absolviert haben. (Keine Angst, sie beenden trotzdem gern die Therapie!) Insgesamt haben wir für Kinder folgendes Verstärkungsschema entwickelt:

•  Belohnungspunkte für das Kommen: Für die ersten zehn Sitzungen gibt es einen Punkt für jedes Kommen, für die Sitzungen elf bis 20 zwei Punkte etc.

•  Belohnungspunkte für gute Mitarbeit: Pro Sitzung kann das Kind vier Punkte erhalten, die an die gute Mitarbeit geknüpft sind. »Gute Mitarbeit« ist im Therapievertrag definiert. Bevor Punkte »aberkannt« werden, gibt es Hinweise (Analogie »Gelbe Karte«).

Die Belohnungspunkte werden unmittelbar nach dem Kommen und nach jedem Trainingsblock, in dem gut mitgearbeitet wurde, auf eine Karte geklebt. Ist die Karte voll, kann diese gegen einen Gutschein oder ein kleines Geschenk aus der »Schatzkiste« eingetauscht werden. Am Ende eines jeden Durchgangs wird eine »Sonne« gezeigt, wenn das Signal sich für eine festgelegte Dauer von der Baseline abhebt. Da sich nach unserer Erfahrung erwachsene Patienten ebenfalls sehr für dieses Symbol ihres Lernerfolgs interessieren, ist auch hier ein zusätzliches Verstärkungssystem vorstellbar.

1.2.3     Transfer

Allgemein geht es beim Transfer um die Generalisierung einer unter bestimmten Bedingungen erworbenen Fähigkeit auf andere Situationen. Bereits während des Trainings werden daher die Durchgänge mit und ohne Feedback durchgeführt. Zwar führen Trainings zum motorischen Lernen ausschließlich mit Feedback-Durchgängen (ohne sogenannte »Transferdurchgänge«) anfangs zu einem größeren Erfolg, später erweist sich jedoch die Bedingung mit Transfer als günstiger (Winstein und Schmidt 1990, zitiert nach Mazur 2006).

Für die Übertragung der Fertigkeit in den Alltag spielt die klassische Konditionierungeine Rolle: Lernen im Sinne klassischer Konditionierung bedeutet die Assoziation von zwei Reizereignissen. Im Ergebnis ruft ein vormals neutraler Reiz eine Reaktion hervor, die bislang nur von einem (unbedingten) Reiz ausgelöst wurde.

Übertragen auf psychische Störungen und dem daraus resultierenden Fehlverhalten kann man formulieren, dass diese Verhaltensweisen an bestimmte Reizbedingungen gekoppelt sind: So wird ein Kind mit einer ADHS möglicherweise immer dann, wenn die Hausaufgaben am Schreibtisch begonnen werden sollen, sein »Gehirn abschalten«, während es am Computer durchaus in der Lage ist, aufmerksam und ausdauernd zu spielen. Um diese Assoziation (Hausaufgabe – abschalten, d. h. das Gehirn deaktivieren) zu unterbrechen, muss das günstige Verhalten (das es im Feedback-Training erworben hat) mit diesen Reizbedingungen assoziiert werden (Hausaufgaben – Gehirn aktivieren/anschalten). Diesem Zweck dient der Einsatz von kleinen Karten, welche die Aufgabe zur Selbstkontrolle der Gehirnaktivität so wie zuvor am Computer abbilden. Im Fall der Beispiele für die Ansichten auf dem Monitor ( Abb. 1.1) wäre dies eine Karte, auf der das Bild oben links wiedergegeben wird.

Abb. 1.1: Ansicht des Bildschirms bei Feedback-Durchgängen (obere Reihe: links die Aufforderung, das Gehirn zu »aktivieren«; rechts die Aufforderung, das Gehirn zu »deaktivieren«) und bei Transferdurchgängen (untere Reihe links). Das Bild in der unteren Reihe rechts zeigt einen Bildschirm am Ende eines erfolgreichen Durchgangs: Es erscheint eine Sonne (mit freundlicher Genehmigung der neuroConn GmbH).

Das Verwenden dieses Hinweisreizes wird im Rahmen der Therapie eingeführt und geübt. Dann werden mit dem Patienten die Situationen (Reizbedingungen) bestimmt, in denen die Karte benutzt werden soll. (Die Kinder nennen diese Karte den »erlaubten Spickzettel«.) Mit diesem Vorgehen wird einem (unerwünschten) Aspekt des klassischen Konditionierens entgegengewirkt: Das erwünschte Verhalten wird ausschließlich dort gezeigt, wo es erworben wurde, nämlich im Setting des Labors oder der Praxis. Solange die Selbstregulation aufgrund technischer Hürden nicht außerhalb dieses Settings trainiert werden kann, ist die Kopplung an einen Hinweisreiz, der überall zugegen sein kann, eine gute Möglichkeit, das erwünschte Verhalten in den Alltag zu übertragen.

Grundsätzlich ist beim Transfer zu beachten, dass die Situationen, in denen die Selbstkontrolle ausgeübt werden soll, bekannt sein bzw. erkannt werden müssen. So wurde für Patienten mit einer Epilepsie im Rahmen einer detaillierten Verhaltensanalyse mithilfe von Anfallsfragebögen eine Übersicht über alle Situationen erstellt, in denen Anfälle auftraten (Strehl 1998;  Kap. 9). Die Patienten lernen hierdurch nicht nur die äußeren Merkmale einer anfallsfördernden Situation, sondern auch die kognitiven, emotionalen, physiologischen und behavioralen Antezedenzien ihrer Anfälle kennen. Im Rollenspiel oder in der Exposition kann der Einsatz jenseits des Labors geübt werden. Ferner muss die Selbstkontrolle an die Erfordernisse der Situation (die anders sein kann als in der Therapie besprochen und antizipiert) angepasst werden. Je nach Störung und/oder ihrer Ausprägung kann dies unterschiedlich gut gelingen und muss evtl. in der Therapie explizit berücksichtigt werden. Bei Kindern mit einer ADHS kann nach Abikoff et al. (2009) ein Transfer des Gelernten in den Alltag beeinträchtigt sein, weil diese Kinder prinzipiell Schwierigkeiten haben, soziale Prozesse zu verarbeiten und intern zu repräsentieren. Ferner könne die mangelnde Fähigkeit zum Belohnungsaufschub und zur Antizipation die Wahrnehmung von Hinweisreizen beeinträchtigen. Schließlich befürchten die Autoren, dass die allgemein eingeschränkte Fähigkeit zur Generalisierung ebenfalls den Transfer gefährden kann. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wäre es hilfreich, wenn die Selbstkontrolle mit der Zeit automatisiert ausgelöst wird oder besser noch das Training zu einer dauerhaften Veränderung der physiologischen Parameter führt.

1.2.4     Automatisierung: Übung macht den Meister

Betrachtet man den Lernprozess wie einen Erwerb von (motorischen) Fertigkeiten, ist eine Automatisierung als dessen Endstufe zu erwarten bzw. anzustreben. Die Fertigkeit wird im impliziten Gedächtnis gespeichert und steht auch ohne bewussten Abruf zur Verfügung. Nach dem Drei-Phasen-Modell zum Erwerb von Fertigkeiten nach Fitts (1964, zitiert nach Fitts und Posner 1967) steht die kognitive Phase am Anfang. Diese Phase erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, es werden grundlegende Abläufe gelernt. In dieser Phase spielen Versuch und Irrtum mit der entsprechenden Verstärkung richtiger Reaktionen eine große Rolle. Es folgt die assoziative Phase, in der die neuen Reaktionen geübt und Fehler unterdrückt werden. Schließlich mündet der Prozess in die autonome, automatische Phase, in der zur Ausführung nur noch wenig Aufmerksamkeit gefordert ist, die Leistung aber konstant und schnell ausgeführt wird.

Dieses Modell lässt sich anhand der Zwei-Prozess-Theorie ( Tab. 1.1) zum Erwerb der Selbstregulation physiologischer Prozesse konkretisieren. In der kognitiven Phase bemüht sich der Lernende um die Identifikation von Strategien (s. u.), die zum Erfolg führen. Die assoziative Phase entspricht dem zweiten Lernprozess. Hier führt die wiederholte Paarung des Feedback-Signals, das für den Erfolg steht, mit interozeptiven Reizen zu einem Reaktionsbild.

Wie im Rahmen einer Studie zur Selbstregulation langsamer kortikaler Potentiale bei Patienten mit einer Epilepsie gezeigt werden konnte, entwickeln Patienten zuerst die Fähigkeit zur Selbstregulation und dann die Fähigkeit zur korrekten Einschätzung, ob die Selbstregulation im gegebenen Versuch auch gelungen ist. Probanden, die keine Selbstkontrolle erworben hatten, entwickelten auch keine Selbstwahrnehmung (Kotchoubey et al. 2002). Nun kann, anders als beim Erwerb motorischer Fertigkeiten, nicht davon ausgegangen werden, dass die zu beeinflussende Hirnaktivität wahrgenommen werden kann. Was also können die interozeptiven Reize sein, die mit der Rückmeldung assoziiert werden? Als eine Möglichkeit diskutieren die Autoren (ebd.) die Wahrnehmung des zerebralen Blutflusses bzw. der Ausdehnung von Rezeptoren in den Arterien jener Regionen, die während der kortikalen Veränderung aktiviert werden. Ergebnisse einer funktionell bildgebenden Studie zeigen, dass im Fall der Regulation langsamer kortikaler Potentiale je nach Aufgabe (Negativierung versus Positivierung) tatsächlich unterschiedliche Areale aktiviert werden (Hinterberger et al. 2003). Eine andere Erklärung diskutieren Kotchoubey et al. (2002) auf der Basis der Kontrolltheorie. Danach werden die Operationen wahrgenommen, die mit der Kontrolle des Cursors auf dem Bildschirm einhergehen. Möglicherweise bilden sich auf diese Weise feste »Perzepte« erfolgreicher Kontrolle.

Wenn auch nicht entschieden werden kann, was genau in dieser Phase des Erwerbs der Selbstkontrolle assoziiert wird, so unterstützen Befunde zum langfristigen Erhalt dieser Fertigkeit die Anwendbarkeit des Modells zum Lernen von Fertigkeiten. Vor allem für die langsamen kortikalen Potentiale wurde gezeigt, dass die einmal erworbene Fertigkeit erhalten bleibt. Ein halbes Jahr nach Ende des Trainings (Leins et al. 2006) und zwei Jahre später (Gani et al. 2008) sind Kinder mit ADHS immer noch in der Lage, die Selbstkontrolle auszuüben. Das Gleiche gilt für Patienten mit einer Epilepsie ein Jahr (Kotchoubey et al. 2001) und zehn Jahre (Strehl et al. 2014) nach Ende der Therapie. Auch die Tatsache, dass sich im Verlauf des Trainings die Aktivität zunehmend im kortikalen Areal unterhalb der Ableitelektrode konzentriert, wird als Hinweis auf eine Automatisierung im Sinne des Modells zum Erwerb von Fertigkeiten angesehen (Neumann 2001). Der anekdotische Bericht eines Patienten, wonach ihm in einem Gespräch plötzlich auffällt, dass er in bestimmten Situationen noch immer die während der Therapie erarbeiteten Hinweisreize zur Auslösung der Selbstregulation anwendet, ohne sich dessen bewusst zu sein, bedeutet zwar keine statistisch abgesicherte Evidenz, gibt aber einen wichtigen Hinweis auf einen Prozess der Automatisierung.

1.2.5     Instruktion und Strategien

Stärker als beim Feedback peripherer physiologischer Signale (z. B. Kontrolle von Anspannung bestimmter Muskeln) beschäftigt den Probanden beim Neurofeedback vom ersten Moment an die Frage, wie die Kontrolle des Objekts auf dem Bildschirm erfolgen soll. Die Instruktion des Therapeuten wird in der Regel eher allgemein gehalten sein. Im Falle eines Frequenzband-Trainings orientiert man sich meistens am Kontinuum von Aktiviertheit und Arousal des spontanen EEG ( Kap. 2). Die Instruktion zur Kontrolle der langsamen Potentiale ist schwieriger. Hier geht es um die Beeinflussung kortikaler Erregbarkeitsschwellen, für die es keine Hinweise auf einfache, interindividuell gleiche Strategien gibt (Roberts et al. 1989). Die Patienten werden zunächst instruiert, zwei gegensätzliche Zustände herbeizuführen. Die Negativierung entspricht der experimentell herstellbaren CNV (Contingent Negative Variation;  Kap. 2). Die CNV bildet sich aus, wenn ein bestimmter Warnreiz ankündigt, dass demnächst ein imperativer Reiz folgen kann, auf den hin eine möglichst schnelle Reaktion erfolgen soll. Deshalb wurde angenommen, dass die Vorstellung einer schnell auszulösenden Bewegung eine gute Strategie sei, was aber von Roberts (ebd.) nicht bestätigt wurde. Möglicherweise liegt es daran, dass das Feedback-Paradigma dem CNV-Experiment nur insofern ähnelt, als es einen Warnreiz gibt, der imperative Reiz aber ausbleibt. Es sind auch keine weiteren Studien bekannt, die probate Strategien nachgewiesen haben. Neumann (2001) kommt zu dem Schluss, dass die Vorgabe bestimmter Strategien eher hinderlich ist. Patienten verwenden ihre je individuellen Strategien, wobei diese sich auch verändern können und mitunter dieselbe kognitive Strategie für gegensätzliche Ziele zum Einsatz kommen kann (Siniatchkin et al. 2000). Neumann (ebd.) führt dies als Beleg dafür an, dass die Regulation zunächst unbewusst geleistet wird und die Strategien erst in der anschließenden bewussten Phase verwendet werden. Demnach sind es auch nicht die kognitiven Strategien, die eine erfolgreiche Selbstregulation verursachen. Sie bilden vielmehr für das bereits erfolgreiche, unbewusste Vorgehen das oben beschriebene Perzept der assoziativen Phase des Erwerbs von Fertigkeiten. Da die Strategien nicht Ursache der Selbstregulation sind, wird auch erklärlich, dass eine Strategie verblassen, gar nicht mehr wirken oder genau zum Gegenteil führen kann. In der Arbeit mit den Patienten sollte hierauf frühzeitig hingewiesen werden, um unnötige Frustrationen zu vermeiden. Im Hinblick auf die letzte, automatische Phase des Erwerbs von Fertigkeiten kann in Aussicht gestellt werden, dass die Strategien dann nicht mehr benötigt werden.

Für gesunde Probanden wurde gezeigt, dass diejenigen Teilnehmer ihren sensomotorischen Rhythmus am besten regulieren konnten, die keine Strategie verwendeten (Kober et al. 2013). Auch die lateralisierte Regulation von Langsamen Potentialen gelang innerhalb der Sitzung den Probanden besser, die keine Hinweise zu Strategien erhielten, als denjenigen, denen lebhafte emotionale Strategien nahegelegt worden waren (Hardman et al. 1997).

Davelaar et al. (2018) befragten gesunde Probanden nach einer einmaligen Sitzung zur Steigerung der Alpha-Amplitude nach ihrer Strategie. Die vier Teilnehmer, die als »Lerner« klassifiziert wurden, erklärten, dass sie sich von der Außenwelt abgekoppelt und mehr bei sich gefühlt hätten. Die 13 nicht erfolgreichen Teilnehmer hatten versucht, sich zu entspannen und ihren Kopf frei zu bekommen. Dieser Befund ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen zeigt er, dass genau die Instruktion, die häufig beim Neurofeedback-Training (und insbesondere beim Alpha-Feedback-Training) gegeben wird, gerade nicht zum Erfolg führen kann und zum anderen, dass man Probanden wohl besser selbst das Vorgehen herausfinden lassen sollte. Kober et al. (2017) verglichen den Lernerfolg im SMR-Feedback von Menschen, die viel beten, mit solchen, die wenig beten. Die Autoren gingen davon aus, dass Menschen, die viel beten, einen besseren Zugang zu inneren Zuständen und selbst-referentiellen Prozessen haben. Die Annahme, dass erstere ein besseres Ergebnis erzielen, wurde bestätigt. Auch hier waren die Strategien der erfolgreichen Teilnehmer eher »nichts Spezielles tun« und Konzentration, während in der anderen Gruppe verschiedene spezifische Strategien der Aktivierung (emotional, kognitiv, motorisch) berichtet wurden. Allerdings muss einschränkend gesagt werden, dass die Ergebnisse dieser Studien mit einer einmaligen Sitzung und gesunden Probanden nicht ohne weiteres auf die aus viel mehr Sitzungen bestehenden Behandlung von Patienten übertragen werden kann.

1.2.6     Wie viele Sitzungen und wie oft?

Hinter der Frage nach der Zahl der Sitzungen verbergen sich mindestens zwei Aspekte: Wie viele Sitzungen sind nötig, bis die zu trainierende Hirnaktivität kontrolliert werden kann und wie viele Sitzungen bis zur klinischen Verbesserung? Doch zunächst zur Frage nach Häufigkeit der Sitzungen in welchen Zeiträumen.

Nach der Theorie zur reaktiven Hemmung von Hull (1943) führt verteiltes Lernen zu besserem Behalten als geballtes. Dies ist in einer Vielzahl von Experimenten überprüft worden und gilt nach wie vor als Grundsatz in der Pädagogik. Leider beziehen sich diese Experimente auf eher einfache Inhalte wie das Lernen von sinnlosen Silben – ein Klassiker der Frühzeit der experimentellen Psychologie – und weniger auf komplexere Sachverhalte wie sie beim motorischen Lernen gegeben sein können. Auch sind die jeweils verglichenen zeitlichen Vorgaben wie z. B. eine Sitzung versus mehrere Sitzungen pro Tag nicht ohne weiteres auf ein Neurofeedbacktraining zu übertragen. Offen ist auch, wie groß der Abstand zwischen zwei Sitzungen sein muss, damit das Training als »verteilt« gilt. Schließlich dürfte es einen Unterschied machen, was gelernt werden soll – Vokabeln, ein Bewegungsablauf oder die Selbstkontrolle eines physiologischen Parameters. Eine systematische Überprüfung für das Neurofeedback steht noch aus. Lediglich Arnold et al. (2013) haben ein Training für Kinder mit ADHS mit zwei versus drei Sitzungen pro Woche verglichen und keinen Unterschied im klinischen Ergebnis und der Zufriedenheit der Eltern gefunden. Die Tatsache, dass die Eltern gleichwohl drei Sitzungen pro Woche bevorzugt hätten, weist auf praktische Überlegungen hin. In den vorliegenden klinischen Studien gibt es eine Bandbreite von mindestens zwei bis zu acht Sitzungen pro Woche, meistens mit einer mehrwöchigen Pause nach etwa zehn Sitzungen.

Zur Frage der erforderlichen Zahl der Sitzungen gibt es kaum empirische Untersuchungen. In einer Metaanalyse von Studien für Patienten mit einer ADHS schwankt die Anzahl zwischen 17 und 50 (Arns et al. 2009). Angaben für ein Neurofeedback bei Epilepsie beziehen sich teils auf die Zahl der Sitzungen (ab zwei bis fünf pro Woche) teils auf die Dauer (6 bis 18 Monate) (Tan et al. 2009). Man wird sich daher eher an einer Bandbreite zwischen einer Mindestzahl (25 Sitzungen?) und der üblichen Anzahl psychotherapeutischer Sitzungen (etwa 40) orientieren. Die Zahl der Sitzungen steht möglicherweise in einem Zusammenhang mit der Häufigkeit, in der sie pro Woche angeboten werden. Man kann annehmen, dass insbesondere zu Beginn eine höhere Frequenz einen schnellen Lernerfolg ermöglicht. Leider lässt sich diese Annahme nicht empirisch untermauern, da entsprechende Untersuchungen vor allem prüfen, inwieweit Pausen zwischen den Übungen förderlich sind oder nicht. Da aber Pausen innerhalb jeder Feedback-Sitzung stattfinden, können wir hier keine Anleihe bei der Forschung zum motorischen Lernen nehmen. Auch die Frage nach »typischen« Lernkurven lässt sich nicht allgemein beantworten. Nach Singer (1985) beeinflussen die Art der Aufgabe, d. h. deren Schwierigkeit, die Anzahl der Wiederholungsübungen und deren Dauer, individuelle Faktoren (Ermüdung, Motivation …) und situative Faktoren (Gestaltung des Settings, Beziehung zum Therapeuten …) den Verlauf. Einen Vergleich von vier Sitzungen Feedback im oberen Alpha-Band an Fz über fast 40 Minuten innerhalb einer Woche mit 15 Sitzungen à 25 Minuten in zwei Monaten führten Esteves et al. (submitted) durch. Das Intensivtraining führte bei gesunden Probanden zu größeren Veränderungen im Alpha-Band, unterschied sich aber nicht im Hinblick auf Verbesserungen der kognitiven Leistungen von der anderen Bedingung. Betrachtete man jedoch lediglich die Lerner, so waren die Effekte in der Gruppe mit dem Intensivtraining deutlich stärker. Auch in einer Meta-Analyse von Studien zum Neurofeedback bei ADHS hatte die Intensität des Trainings, aber nicht seine Dauer einen positiven Einfluss auf die klinische Verbesserung (Bussab et al., 2019)

Mit einem höherfrequenten Training (fünfmal pro Woche) haben wir in unseren Tübinger Studien (Epilepsie; ADHS) gute Erfahrungen gemacht. Für die Patienten war von vornherein klar, dass sie während der Therapiephasen in ihren sonstigen Verpflichtungen und auch in ihrer Freizeit Einschränkungen würden hinnehmen müssen. Bei einer variableren Planung, wie z. B. zwei bis drei Terminen pro Woche, rückt der Stellenwert der Sitzungen gegenüber dem Alltag eher in den Hintergrund.

Schließlich muss auch hier berücksichtigt werden, dass Patienten ein unterschiedliches Lerntempo haben und möglicherweise unterschiedlich lange bzw. unterschiedlich viele Sitzungen benötigen. Blume (2012) identifizierte in ihrer Arbeit sogenannte Schnelllerner, die schon zu einem frühen Zeitpunkt die Lernkriterien erfüllen, sich in der zweiten Trainingsphase deutlich verschlechtern. Erst beim Follow-up erweisen sie sich wieder als »Lerner«. Dies wird unter Bezug auf Erkenntnisse aus der Trainingslehre als Hinweis auf ein Übertraining verstanden, das in der Regel zu einem Leistungsabfall führt (Kreider et al. 1998, zitiert nach Blume 2012). Da alle Patienten dasselbe Trainingsprogramm absolviert hatten, führt Blume (ebd.) weiter aus, dass Personen offensichtlich unterschiedlich lernen. Inwieweit dies eine Frage des Alters, der unterschiedlichen Hirnreife, kortikalen Erregungsbereitschaft oder Vulnerabilität bei Belastung ist, lässt sich vorerst nicht klären.

1.2.7     Individuelle Faktoren

Es wird geschätzt, dass mindestens 15–30 % der Teilnehmer an einem NF-Training keine Kontrolle über das jeweilige Hirnsignal erwerben (was jedoch nicht gleichzeitig bedeutet, dass sie klinische keine Besserung erfahren;  Kap. 1.3.1).

Beim Erwerb von Selbstkontrolle spielen verschiedene individuelle Faktoren eine Rolle. Dies sind nach Hofmann et al. (2012) eine ausreichende Motivation, sich um die Reduktion der Diskrepanz zwischen IST und SOLL zu bemühen sowie die Fähigkeit, Hindernisse bei der Zielerreichung zu überwinden. Leistungsmotivation (Hoffnung auf Erfolg oder Furcht vor Misserfolg) wie auch Attributionsstile (Erfolg/Misserfolg werden internal oder external, stabil oder instabil erklärt) sind Persönlichkeitsmerkmale, die den Lernerfolg beeinflussen können. Uneinheitlich sind die Ergebnisse zu den »Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Technik« (KUT, Beier 2004). Während Burde und Blankertz (2006) einen positiven Zusammenhang zwischen Kontrollüberzeugungen und der BCI (Brain-Computer-Interface)-Kontrolle fanden, beobachteten Witte et al. (2013) negative Korrelationen zwischen der Kontrollüberzeugung und der tatsächlichen Leistung. Dieser Widerspruch lässt sich bei genauerem Hinsehen schnell auflösen. Die Studien verwendeten unterschiedliche Feedbackmethoden, verschiedene Kriterien zur Bestimmung des Erfolgs und auch eine unterschiedliche Anzahl von Sitzungen. Gemeinsam ist ihnen nur, dass die Probanden gesund waren. Wood und Kober (2018) weisen auf die Bedeutung psychosozialer Faktoren hin. Sie untersuchten den Lernerfolg von 142 ebenfalls gesunden Probanden innerhalb einer einzigen Sitzung mit SMR-Feedback. Im Ergebnis zeigte sich der Einfluss des Geschlechts von Versuchsleiter und Proband: Teilnehmerinnen, die von Versuchsleiterinnen betreut wurden, erwarben keine Kontrolle, während die Gruppe, die einen Versuchsleiter hatte, erfolgreich war. Allerdings gab es innerhalb nur dieser Gruppe eine positive Korrelation zwischen der Veränderung des SMR und den KUT. Die (männlichen) Teilnehmer waren unabhängig vom Geschlecht des Versuchsleiters bzw. der Versuchsleiterin erfolgreich. Inwieweit diese Ergebnisse auf Patienten übertragbar sind, ist nicht untersucht. Dennoch sollen solche Befunde nicht unerwähnt bleiben, damit Therapeuten sie bei der Planung und Evaluation ihres Vorgehens bedenken können. Diese Studie ist meines Wissens die einzige, welche die Aspekte der sozialen Interaktion beim Training berücksichtigt. Hier waren die Teilnehmer gesunde Studenten, im klinischen Setting haben wir es mit dem komplexen Feld der Patient-Therapeut-Interaktion zu tun, das im Hinblick auf den Einsatz von Neurofeedback erst noch thematisiert und untersucht werden muss.

Zu viel Lob kann intrinsische Motivation beeinträchtigen (Brummelman et al. 2014), während Feedback in der Sache diese verstärken kann. Da im Allgemeinen eine interessante oder angenehme Tätigkeit die intrinsische Motivation verbessert, wird in diesem Zusammenhang häufig diskutiert, welche Bedeutung die Gestaltung der Bildschirm-Oberfläche hat. Grundsätzlich müssen die immer wiederkehrenden Übungen innerhalb einer Sitzung sowie von Sitzung zu Sitzung erfolgenden Wiederholungen als langweilig erscheinen. Allerdings zeigt die Erfahrung mit vielen Patienten auch, dass sie so sehr von der Aufgabe absorbiert sind, dass ihnen die Animation eher gleichgültig ist, solange das Feedback nachvollziehbar ist. Anwender wünschen sich für ihre Patienten aber häufig, das Training analog zu Computerspielen, möglichst noch mit mehreren »Levels«, gestalten zu können. Diese Analogie setzt voraus, dass im Lernverlauf eine kontinuierliche Entwicklung stattfindet und nächste Ebenen sicher erreicht werden können. Wenn wir im Rahmen des motorischen Lernens denken, ist dies aber nicht unbedingt der Fall. Der Lernzuwachs ist keinesfalls linear. Es ist auch schwer vorstellbar, welche Art von »Animation« zu einer besseren Technik beim Schwimmen oder Skifahren beitragen könnte. Hier zählt eher die richtig ausgeführte Bewegung nach einem richtig angeleiteten Training, die in sich verstärkend ist. Speziell im Hinblick auf Patienten mit ADHS kann argumentiert werden, dass diese bekanntermaßen geringe Probleme bei abwechslungsreichen Beschäftigungen haben. Erst bei eintönigen Aufgaben beginnen die Schwierigkeiten. Entsprechend würde ein eher langweiliges Training die Probleme im Alltag besser abbilden. Selbstverständlich soll es den Patienten nicht unnötig schwer gemacht werden. Nur: Wie operationalisieren wir »unnötig«? In der üblichen Psychotherapie erfahren Patienten in der Regel sehr schnell, dass das Prinzip »wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht nass« für eine Therapie kontraindiziert ist. Es ist daher immer die Aufgabe des Therapeuten, das Durchhaltevermögen bzw. die Frustrationstoleranz seines Patienten zu stärken. Gelingt dies, so ist ein weiterer Meilenstein im Gesamtpaket »Verhaltensänderung« erreicht. Andererseits spricht nichts dagegen, einen Veränderungsprozess so günstig wie möglich zu gestalten. Inwiefern hierbei eine animierende Software die Motivation durch den Therapeuten unterstützt (aber niemals ersetzt), ist eine Frage, der erst noch empirisch nachgegangen werden muss.

Die Ergebnisse zur Bedeutung kognitiver Faktoren sind ebenfalls nicht einheitlich (Daum et al. 1993; Holzapfel 1998). So haben Wangler et al. (2011) gezeigt, dass Kinder mit ADHS dann eine stärker klinische Verbesserung erreichten, wenn sie vor Beginn des Trainings eine stärker ausgeprägte kontingente negative Variation (ein ereigniskorreliertes Potential, das kognitive Ressourcen widerspiegelt) aufwiesen. Der Intelligenzquotient korreliert bei Zuberer et al. (2018) positiv mit dem Ausmaß der negativen Potentialverschiebungen im Training von Kindern mit ADHS. Holzapfel et al. (1998) wiederum berichten von einem erfolgreichen Training eines Patienten mit Epilepsie bei geringer Intelligenz, der zudem eine gute klinische Verbesserung aufwies.

Vermutlich beeinflusst die Art der Störung die individuellen Faktoren. So galt lange die »Faustregel«, dass Patienten mit frontaler Beeinträchtigung die Selbstregulation nicht lernen können. Theoretisch ist diese Annahme durchaus nachvollziehbar, sind doch exekutive Funktionen für eine Selbstregulation erforderlich. Hofman et al. (2012) verweisen auf die Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses bei der Selbstkontrolle, welches aktualisiert, hemmt und den Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus steuert. Allerdings ist nichts darüber gesagt, wie stark eine Beeinträchtigung sein muss, damit Selbstkontrolle nicht gelingen kann. Die Studien zur Kontrolle der langsamen Potentiale bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ( Kap. 5) stellen die Faustregel infrage. Patienten mit einem frühkindlichen Autismus mögen aufgrund ihrer Störung zunächst nicht bereit sein, sich Elektroden am Kopf anbringen zu lassen. Die Erfahrung lehrt aber, dass diese Situation mit einem verhaltenstherapeutischen Shaping überwunden werden kann. Bei Patienten im Locked-in-Zustand beobachtete Neumann (2001) je individuelle, sehr unterschiedliche Aspekte, wie z. B. Stimmung, körperliche Beschwerden, Pflege, welche die Regulation der langsamen Hirnpotentiale beeinflussen.

Ein weiterer individueller Faktor ist das Alter. Die in prospektiven Studien eingeschlossenen Probanden sind meist älter als sieben Jahre, allerdings sind aus der Praxis durchaus auch Fälle von erfolgreichem Training mit jüngeren Kindern bekannt. Die Frage des Alters bezieht sich aber nicht nur auf die Fähigkeit, Instruktionen zu folgen, sondern auch auf die dem Alter entsprechende Entwicklung des Parameters der Hirntätigkeit, der Gegenstand des Trainings ist. Im Falle eines Frequenzbandtrainings empfiehlt sich daher, die individuelle Alpha-Peak-Frequenz (IAF) zu bestimmen und von dort ausgehend die Frequenzbänder für jeden Einzelfall zu definieren. So liegt bei Kindern im jungen Alter (etwa unter 10 bis 12 Jahren) der sogenannte Grundrhythmus (Alpha) eben nicht im Bereich von 8 bis 12 Hertz, sondern darunter. Eine Berücksichtigung dieser IAF erwies sich bei einem Theta/Beta-Training bei Kindern mit ADHS einem herkömmlichen Training überlegen, in dem die üblichen Standards ( Kap. 2 und 5) verwendet wurden (Bazanova et al. 2018).

Bei Kindern mit ADHS fanden Zuberer et al. (2018) eine positive Korrelation des Lernerfolgs mit der Interaktion von Alter und Einnahme von Stimulantien. Ältere Kinder lernten danach schneller, wenn sie auch medikamentös behandelt wurden. Daten zum klinischen Ergebnis stehen noch aus.

Cohen Kadosh und Staunton (2019) berichten in einem systematischen Übersichtsartikel zu den psychologischen Faktoren, die den Lernerfolg beeinflussen, dass sich am ehesten Aufmerksamkeit als konsistente positive Einflussgröße feststellen lässt. Negativ wirken sich vermutlich Depression, Angst und negative Stimmung aus. Damit sind wir bei den Variablen, die schon lange als fördernde bzw. hinderliche Faktoren in Lernprozessen bekannt sind. Interessant ist der Vorschlag der Autoren, dass man die Wechselwirkung dieser Faktoren mit dem Verlauf des Trainingsprozesses in den Blick nehmen sollte.

Bezüglich der individuellen Faktoren lässt sich zusammenfassen, dass es zwar keine Ausschlusskriterien im Hinblick auf einen Lernerfolg zu geben scheint, jedoch verschiedene Variablen den Verlauf beeinflussen können. Alter, Geschlecht, Motivation, Attributionsstile, kognitive und soziale Faktoren beeinflussen das Lernen von Selbstkontrolle und sollten im Einzelfall nach Möglichkeit erhoben und berücksichtigt werden.

1.3       Ergebnisse des Neurofeedbacks

Neben den lerntheoretischen Grundlagen sind auch die Erfahrungen zu berücksichtigen, die im Verlauf von Studien zum Neurofeedback gewonnen wurden. Zwar befasst sich Teil II dieses Buches genau mit diesem Thema, allerdings sind die entsprechenden Kapitel störungsbezogen. Im Folgenden werden daher aus Forschung und Praxis die Erkenntnisse und Überlegungen extrahiert, die störungsunabhängig für die Planung und Durchführung einer Behandlung mit Neurofeedback bedeutsam sind.

1.3.1     Lernerfolg und klinische Verbesserung

Grundsätzlich geht es um zwei Aspekte, deren Zusammenhang unterstellt wird: die Fähigkeit zur Selbstregulation und die klinische Verbesserung. Aus dem klinischen Alltag ist bekannt, dass diese beiden Variablen in allen denkbaren Korrelationen auftreten. Ein Patient kann eine gute Selbstkontrolle erwerben, ohne dass sich seine Symptomatik wesentlich verbessert, ein anderer Patient zeigt weniger Symptome, ohne eine Selbstkontrolle erworben zu haben, und schließlich können die beiden Variablen auch hoch korrelieren. Dieser Zusammenhang ist jedoch kaum systematisch untersucht. Als einziger sicherer Befund können die Ergebnisse gelten, wonach die Leistung in Transferdurchgängen ein guter Prädiktor für die klinische Verbesserung ist (für Patienten mit einer Epilepsie: Strehl et al. 2005; für Kinder mit einer ADHS: Drechsler et al. 2007; Strehl et al. 2006).

Diese Ergebnisse stammen alle aus Studien zum Feedback der langsamen kortikalen Potentiale. Drechsler et al. (ebd.) wie auch Strehl et al. (2005) definieren als Lernerfolg die signifikante Verbesserung des Unterschieds zwischen den Aufgaben (positive und negative Potentialverschiebung), während in den Arbeiten von Strehl et al. (2006) für Patienten mit ADHS die signifikante Veränderung nur für die negative Potentialverschiebung als wesentliche Größe festgelegt wurde.

Übersichten von Blume (2012), Zuberer et al. (2015), Alkoby et al. (2018) zeigen, dass verschiedene Kriterien bei der Bestimmung des Lernerfolgs verwendet werden, wie Vorher-Nachher-Veränderungen im EEG, die Leistung im Training selbst und diese wiederum auf der Basis unterschiedlicher Parameter und Zeitpunkte, in denen diese erfasst werden, sodass keine einheitlichen Schlussfolgerungen gezogen werden können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass vorab ein Kriterium oder Schwellwert dafür gefunden werden muss, wann eine Regulation »richtig« war bzw. sich das Training in die richtige Richtung entwickelt hat. Blume (ebd.) klassifiziert in ihrer Untersuchung zur Kontrolle der langsamen Potentiale Kinder mit einer ADHS als »Lerner«, wenn sie eine möglichst große Aufspaltung und eine zuverlässige Negativierung in Negativierungsdurchgängen am Ende des Trainings aufweisen. Ein wichtiges Ergebnis ist, dass bei Betrachtung der Leistung in einer Follow-up-Untersuchung Kinder, die am Ende des Trainings noch nicht als Lerner eingestuft wurden, sechs Monate später das Kriterium erreichten. Die Leistung hing weder vom Alter, dem IQ, der Motivation noch dem Schweregrad ab. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Lernprozess über das Ende des Trainings hinaus andauert und eine frühere Beurteilung des Lernerfolgs unter Umständen nicht möglich ist. Sollten sich diese Befunde für eine größere Population bestätigen und eine klinische Validität aufweisen, so sollte nach Kriterien gesucht werden, die eine frühzeitige Identifikation von späteren Nicht-Lernern ermöglichen. Dies könnte dann dazu genutzt werden, über andere Trainingsmodalitäten für diese Patienten nachzudenken.

Statt von Lernern und Nicht-Lernern zu sprechen könnte die Kategorisierung in Lerner mit unterschiedlichem Tempo hilfreich sein. Barth et al. (2016) identifizierten im Rahmen eines Nahinfrarotspektroskopie-Feedback 12 ihrer 13 gesunden Probanden als Lerner, da sie in der Lage waren innerhalb mindestens der Hälfte von insgesamt acht Sitzungen die Zielparameter (präfrontales Oxyhämoglobin) zu steigern. Über die Sitzungen hinweg zeigten sich jedoch sehr unterschiedliche Verläufe. Einige zeigten stabile Leistungen in allen Sitzungen, einige nur in der zweiten Hälfte einer Sitzung und wieder andere regulierten in nur sehr kleinen Arealen und andere wiesen starke Fluktuationen von Sitzung zu Sitzung auf. In der vorletzten Sitzung wiesen alle Teilnehmer eine vergleichsweise schlechte Leistung auf, waren dann aber in der letzten Sitzung wieder besser, was als vorübergehender Einbruch der Motivation erklärt wurde.

Orientiert man sich an den genannten Überlegungen und Befunden aus den realen Trainingsverläufen, lassen sich folgende »Leitlinien« für die Planung einer Neurofeedback-Behandlung festhalten:

•  Das Training sollte mit einer höheren Frequenz von Sitzungen pro Woche beginnen.

•  Das Training sollte von Anfang an Transferdurchgänge beinhalten.

•  Die Durchgänge einer Sitzung sollten von kurzen Pausen unterbrochen werden.

•  Die Termine sollten fest und unumstößlich (Ausnahme Krankheit) vereinbart werden.

•  Nach zehn bis zwölf Sitzungen sollte eine längere Trainingspause eingeplant werden.

•  Für die Trainingspause sollten Transferübungen vereinbart werden.

•  Nach einer Trainingspause kann es einen Leistungseinbruch geben.

•  Auf Schnell- und Langsam-Lerner achten.

•  Ein Überlernen vermeiden bzw. bei anhaltendem Leistungseinbruch nach vorangegangener guter Leistung den Trainingsplan verändern.

•  Motivation und Aufmerksamkeit sollten in jeder Sitzung sichergestellt werden.

Bezüglich der klinischenPrognose ist zu berücksichtigen, dass sich in den entsprechenden Studien (Strehl et al. 2005; Drechsler et al. 2007) der Lernerfolg nicht als einziger Prädiktor für den klinischen Erfolg erwiesen hat. Die Unterstützung der Kinder mit einer ADHS durch ihre Eltern bei den Transferübungen zu Hause (Drechsler et al. 2007) erwies sich ebenso als Prädiktor wie auch psychologische, physiologische und Merkmale der Erkrankung bei Patienten mit einer Epilepsie (Strehl et al. 2005). Auch kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass sich die Symptome bereits während der Behandlung deutlich verbessern. So hat sich im Rahmen der Epilepsie-Studie (Strehl et al. 2005) gezeigt, dass erst elf Wochen nach Ende der Therapie eine statistisch abgesicherte Entscheidung getroffen werden konnte, ob ein Patient zu den Respondern zählt. (Dies ist im Übrigen auch eine wichtige Information für die Patienten.) Im Rahmen einiger Studien mit Kindern mit einer ADHS zeigten sich nach Ende der Therapie weitere Verbesserungen in der Symptomatik und in der Aufmerksamkeitsleistung (vgl. z. B. Gani et al. 2008). Wie bei jeder gelungenen Verhaltenstherapie findet ein Lernprozess statt: Neue Verhaltensweisen werden zunehmend sicherer ausgeführt und erfahren in der Regel eine positive Verstärkung. Dies wiederum führt zu einer Verfestigung des neu erworbenen Verhaltens, im besten Fall zu seiner Automatisierung. Wo vorher die Störung den Alltag beeinträchtigte, lässt die Selbstregulation ihn zunehmend besser gelingen.

Patienten fragen häufig, ob sie Auffrischungssitzungen bekommen können. Meist zeigt sich dann, dass die Selbstregulation gut erhalten oder sogar weiter verbessert ist, und dies unterstützt den Patienten in seiner Zuversicht bezüglich seiner Selbstkontrollfähigkeit. So gesehen ist eine Auffrischungssitzung eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für eine andauernde Verbesserung.

1.3.2     Was wird wie gelernt?

Tierstudien zum Neurofeedback erlauben dank intrakranieller Elektroden einen Einblick in die Lernvorgänge auf neuronaler Ebene. Koralek et al. (2012) zeigten, dass striatale Neurone ihre Aktivität im Verlauf des Lernprozesses verändern. Es bilden sich starke Verbindungen mit der Aktivität der Neurone im Motorkortex. Wird die Entwicklung der kortikostriatalen Plastizität durch experimentelle Manipulation unterbunden, können die Versuchstiere die Fertigkeiten nicht erwerben. Die Autoren schließen ferner daraus, dass Schleifen zwischen dem Kortex und den Basalganglien nicht nur für den Erwerb motorischer Fertigkeiten bedeutsam sind, sondern auch, wie im Falle der Selbstregulation von Hirnaktivität, beim Lernen mentaler Operationen und Fertigkeiten, die keine körperliche Bewegung erfordern.

Einen Hinweis auf die Spezifität des Neurofeedbacks liefert die Studie von Schafer und Moore (2011). Rhesusaffen lernen hier, die neuronale Aktivität der frontalen Augenfelder gezielt zu steigern oder zu reduzieren. Hierfür ist eine selektive visuelle Aktivität erforderlich. In einem zweiten Schritt des Experiments zeigt sich, dass die Kontrolle der neuronalen Aktivität zu einer nicht trainierten Verbesserung der selektiven visuellen Aufmerksamkeit führt. Die Autoren sehen darin einen Beleg, dass sich Aufmerksamkeit »Top down« trainieren lässt und dies als Grundlage eines wirksamen Neurofeedback-Trainings bei Aufmerksamkeitsstörungen zu sehen sei.

1.3.3     Neurofeedback und Psychotherapie

Wie schon zuvor angesprochen, gelten für Neurofeedback dieselben Regeln wie für eine Psychotherapie. Verschiedene Anwendungskapitel in diesem Buch arbeiten deutlich heraus, dass Neurofeedback eine Methode der Verhaltenstherapie (VT) ist. So werden auch die Anträge an die Kostenträger gestellt und im Fall von ADHS meist umstandslos genehmigt. Damit gilt für eine Behandlung mit Neurofeedback alles, was für eine Verhaltenstherapie gilt.

»My experience with years of biofeedback training with various physiological modalities leaves me with the conviction that a very large portion of the total influences on learning is bio-social in nature, testifying to the evolution of the species as a social species. Though seldom discussed in the scientific literature, the nature of the interpersonal relations between trainer and trainee are often decisive for learning progress« (Kamiya 2000, zit. n. Neumann 2001, S. 32). Kamiya erinnert daran, dass die Beziehung zwischen Therapeut und Patient einen wichtigen Einfluss auch auf den Erwerb von Selbstkontrolle physiologischer Parameter hat. Wer beabsichtigt, Neurofeedback in seiner Praxis als reine Technik zu etablieren, die ein Minimum an Interaktion mit dem Patienten erfordert, wird vermutlich scheitern.

Das Neurofeedback-System ist (lediglich) das Werkzeug, das in der Patient-Therapeut-Interaktion zum Einsatz kommt. Wie in jeder Verhaltenstherapie initiiert und betreut der Therapeut einen Prozess, in dem der Patient ein Verhalten lernt, das seine Symptome möglichst weitgehend reduziert. Im Unterschied zum üblichen »bottom-up«-Vorgehen in der VT, in dem beobachtbares Verhalten, Kognitionen und Emotionen im Zentrum stehen, kann mit Hilfe des Neurofeedbacks nicht sichtbares Verhalten, nämlich bestimme Parameter der Hirnaktivität, direkt beeinflusst werden. Mit Hilfe von Hard- und Software wird dieses Verhalten sichtbar gemacht. (Kaum untersucht ist übrigens die Frage der Güte des Werkzeugs. Dass sie von Bedeutung ist, zeigen Bussalb et al. (2019) in der bereits oben erwähnt Metanalyse zu beeinflussenden Faktoren beim Neurofeedback für Patienten mit ADHS: qualitativ hochwertige Geräte verbessern die Effektivität.) Der Therapeut benötigt in Ergänzung zu seiner verhaltenstherapeutischen Ausbildung Kenntnisse in der Anwendung der Technik, um ein kompetenter Partner in diesem »top-down«- Ansatz der Verhaltenstherapie zu sein.

Literatur

Abikoff H (2009) ADHD Psychosocial Treatments: Generalization Reconsidered. J Atten Disord 13(3): 207–210.

Alkoby O, Abu-Rmileh A, Shriki O, Todder D (2018) Can We Predict Who Will Respond to Neurofeedback? A Review of the Inefficacy Problem and Existing Predictors for Successful EEG Neurofeedback Learning. Neuroscience. 2018 May 15, 378:155–164. doi: 10.1016/j.neuroscience.2016.12.050. Epub 2017 Jan 7. Review.

Arnold LE, Lofthouse N, Hersch S, Pan X, Hurt E, Bates B, et al. (2013) EEG neurofeedback for ADHD: double-blind sham-controlled randomized pilot feasibility trial. J Atten Disord 17: 410–419.

Arns M, Conners CK, Kraemer HC (2012) A decade of EEG theta/beta ratio research in ADHD: A meta-analysis. JAD. doi:101177/1087054712460087.

Arns M, de Ridder S, Strehl U, Breteler M, Coenen A (2009) Efficacy of Neurofeedback Treatment in ADHD: the Effects on Inattention, Impulsivity and Hyperactivity: a Meta-Analysis. Clin EEG Neurosci 40 (3): 180–189.

Barth B, Strehl U, Fallgatter AJ, Ehlis A-C (2016) Near-Infrared Spectroscopy based Neurofeedback of Prefrontal Cortex Activity: A Proof-of-Concept Study. Front Hum Neurosci 10: 633 doi: 10.3389/fnhum.2016.00633.

Bazanova OM, Auer T and Sapina EA (2018) On the Efficiency of Individualized Theta/Beta Ratio Neurofeedback Combined with Forehead EMG Training in ADHD Children. Front Hum Neurosci 12: 3.

Blume F (2012) Neurofeedbacktraining bei Kindern mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS): Eine Untersuchung der Trainingsverläufe mit dem Versuch der Klassifikation von Lernern und Nicht-Lernern. Tübingen: Eberhard-Karls-Universität Tübingen.