Never Knowing - Endlose Angst - Chevy Stevens - E-Book
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Never Knowing - Endlose Angst E-Book

Chevy Stevens

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Beschreibung

Was ist schlimmer, als zu erfahren, dass dein Vater ein Serienmörder ist? Dass er von dir erfährt ... Die adoptierte Sara lebt im idyllischen Städtchen Nanaimo auf Vancouver Island am Ozean. Sie hat sich immer gefragt, wer wohl ihre richtigen Eltern sind. Als ihre eigene Hochzeit bevorsteht, macht sie sich auf die Suche. Doch ihre leibliche Mutter verweigert schockiert den Kontakt. Verstört forscht Sara weiter und findet etwas Unfassbares heraus: Ihr leiblicher Vater ist ein berüchtigter Serienmörder. Sara versucht, mit ihren Ängsten fertigzuwerden: Hat sie mehr von ihrem Vater geerbt, als sie sich eingestehen will? Doch bald wird klar, dass es Schlimmeres gibt, als zu erfahren, dass dein Vater ein Killer ist – nämlich, dass er von dir erfährt … »Die Story raubt einem wirklich den Schlaf. Amerikas neue Thriller-Queen Chevy Stevens schreibt so packend, dass wir Saras Empfindungen regelrecht mitfühlen. Raffiniert bis zum letzten Blutstropfen.« Für Sie »Chevy Stevens' verstörender Thriller über die Suche einer Frau nach ihrer Herkunft ist genauso intensiv und beeindruckend wie ihr Debüt ›Still Missing – Kein Entkommen‹.« Publishers Weekly Einmalig 25 Seiten Bonusmaterial, nur im E-Book! Kurzgeschichte, die an "Never Knowing – Endlose Angst" anschließt. 

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Seitenzahl: 663

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Chevy Stevens

Never Knowing - Endlose Angst

Thriller

Aus dem Amerikanischen von Maria Poets

FISCHER E-Books

Inhalt

Für Connel1. Sitzung2. Sitzung3. Sitzung4. Sitzung5. Sitzung6. Sitzung7. Sitzung8. Sitzung9. Sitzung10. Sitzung11. Sitzung12. Sitzung13. Sitzung14. Sitzung15. Sitzung16. Sitzung17. Sitzung18. Sitzung19. Sitzung20. Sitzung21. Sitzung22. Sitzung23. Sitzung24. SitzungDanksagungEine Short Story nach ›Never knowing – Endlose Angst‹Leseprobe – Tief in den WäldernPrologTeil I1

Für Connel

1. Sitzung

Ich dachte, ich käme damit klar, Nadine. Nachdem ich so viele Jahre bei Ihnen war, nachdem ich so oft darüber nachgedacht habe, ob ich meine leibliche Mutter suchen soll, habe ich es endlich getan. Ich habe diesen Schritt gewagt. Ohne Sie wäre es nicht dazu gekommen – ich wollte Ihnen zeigen, wie sehr Sie mein Leben verändert haben, wie sehr ich gewachsen bin, wie stabil ich jetzt bin, wie ausgeglichen. Das ist es doch, was Sie mir immer erklärt haben: »Ausgeglichenheit ist der Schlüssel.« Aber ich habe eine andere Sache vergessen, die Sie auch immer gesagt haben: »Langsam, Sara.«

Ich habe es vermisst, hier zu sein. Erinnern Sie sich noch, wie unbehaglich ich mich gefühlt habe, als ich zum ersten Mal bei Ihnen war? Besonders, als ich Ihnen sagte, warum ich Hilfe brauchte. Aber Sie waren so normal und witzig – überhaupt nicht so, wie ich mir eine Psychotherapeutin vorgestellt hatte. Diese Praxis war so hell und hübsch, dass ich mich sofort besser fühlte, wenn ich hierherkam, egal, was mich gerade belastete. An manchen Tagen, vor allem am Anfang, wollte ich gar nicht mehr wieder weg.

Einmal sagten Sie, wenn Sie nichts von mir hören würden, dann wüssten Sie, dass es mir gutgeht, und wenn ich überhaupt nicht mehr käme, wäre das ein Zeichen, dass Sie gute Arbeit geleistet hätten. Und das haben Sie. Die letzten zwei Jahre waren die glücklichsten meines Lebens. Deshalb dachte ich, es wäre der richtige Zeitpunkt. Ich dachte, ich könnte allem standhalten, was sich mir in den Weg stellt. Ich war robust und geerdet. Nichts würde mich wieder in das Nervenbündel verwandeln, das ich war, als ich das erste Mal zu Ihnen kam.

Doch dann hat sie mich angelogen, meine leibliche Mutter, als ich sie schließlich zwang, mit mir zu reden. Sie hat mich über meinen Vater belogen. Es fühlte sich an wie damals, als Ally mich gegen die Rippen getreten hat, als ich mit ihr schwanger war – ein plötzlicher Schlag von innen, der mir den Atem raubte. Aber was mich am meisten schockierte, war die Angst meiner leiblichen Mutter. Sie fürchtete sich vor mir. Ich bin mir ganz sicher. Auch wenn ich nicht weiß, warum.

 

Es begann vor etwa sechs Wochen, ungefähr Ende Dezember, mit einem Online-Artikel. An jenem Sonntag war ich unsinnig früh wach – mit einer Sechsjährigen daheim braucht man keinen Hahn – und beantwortete E-Mails, während mir der Duft meines ersten Kaffees in die Nase stieg. Inzwischen bekomme ich von überall auf der Insel Anfragen zur Restauration von Möbeln. An diesem Morgen versuchte ich, mehr über einen Zwanziger-Jahre-Schreibtisch herauszufinden, wenn ich nicht gerade über Ally lachte. Eigentlich sollte sie sich unten Zeichentrickfilme anschauen, doch ich konnte hören, wie sie Elch ausschimpfte, unsere gescheckte Französische Bulldogge, weil er ihr Plüschkaninchen belästigt hatte. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass Elch Probleme mit der Entwöhnung hat. Kein Zipfelchen ist vor ihm sicher.

Dann sprang plötzlich so ein Pop-up-Fenster mit Viagra-Werbung auf, und als ich das endlich wieder zubekommen hatte, klickte ich aus Versehen auf einen anderen Link und sah die Überschrift vor mir:

Adoption – die andere Seite der Geschichte.

Ich scrollte mich durch die Leserbriefe, die Leute zu einem Artikel im Globe and Mail geschickt hatten, las Geschichten von leiblichen Eltern, die jahrelang versuchten, ihre Kinder zu finden, und von leiblichen Eltern, die nicht gefunden werden wollten. Von Adoptivkindern, die mit dem Gefühl aufwuchsen, niemals irgendwo dazuzugehören. Tragische Geschichten von Türen, die den Leuten vor der Nase zugeknallt wurden. Erfreuliche Geschichten von Müttern und Töchtern, Brüdern und Schwestern, die sich wiederfanden und bis ans Ende ihrer Tage glücklich miteinander waren.

In meinem Kopf begann es zu pochen. Was wäre, wenn ich meine Mutter fände? Würden wir uns sofort miteinander verbunden fühlen? Was, wenn sie nichts mit mir zu tun haben wollte? Was, wenn ich herausfände, dass sie tot war? Was, wenn ich Geschwister hätte, die nichts von mir wussten?

Ich hatte nicht mitbekommen, dass Evan aufgestanden war, bis er meinen Nacken küsste und leise grunzte – ein Geräusch, das wir uns bei Elch abgelauscht hatten und jetzt für alles Mögliche benutzten, von Ich bin stinksauer! bis Du bist so scharf!.

Ich schloss das Fenster und drehte mich mit dem Stuhl um. Evan hob die Augenbrauen und lächelte.

»Hast du schon wieder mit deinem Cyberfreund gechattet?«

Ich erwiderte sein Lächeln. »Mit welchem?«

Evan griff sich an die Brust, ließ sich in seinen Schreibtischsessel plumpsen und seufzte. »Wahrscheinlich hoffst du darauf, dass er massenweise Klamotten hat.«

Ich lachte. Ich habe schon immer Evans Hemden gemopst, vor allem, wenn er eine Reisegruppe in seiner Lodge mitten in der Wildnis bei Tofino betreuen muss – drei Stunden von unserem Haus in Nanaimo entfernt und direkt an der Westküste von Vancouver Island gelegen. Dort kann er Kajaktouren und Whale Watching anbieten, nicht nur Angelausflüge. In solchen Wochen trug ich seine Hemden oft rund um die Uhr. Ich stürzte mich in die Arbeit an einem neuen Möbelstück, und wenn er wieder nach Hause kam, war sein Hemd total fleckig, und ich musste ihm alle möglichen Gefallen tun, damit er mir vergab.

»Tut mir leid für dich, Schatz, aber ich muss dir leider sagen, dass du der einzige Mann für mich bist – niemand sonst würde mit meinen Macken klarkommen.« Ich legte meinen Fuß auf seinen Schoß. Mit seinem schwarzen Haar, das in alle Richtungen abstand und dem üblichen Outfit, bestehend aus Cargohose und Polohemd, sah er aus wie ein Collegestudent. Vielen Leuten ist gar nicht klar, dass die Lodge Evan selbst gehört.

Er lächelte. »Oh, ich bin sicher, dass es irgendwo einen Doktor mit einer Zwangsjacke gibt, der dich richtig süß fände.«

Ich tat, als würde ich ihm einen Tritt verpassen. »Ich habe gerade einen Artikel gelesen«, sagte ich und begann, meine schmerzhaft pochende linke Schläfe zu massieren.

»Bekommst du Migräne, Schatz?«

Ich ließ die Hand in den Schoß sinken. »Nur eine kleine, das geht schon wieder vorbei.«

Er musterte mich prüfend.

»Okay, ich hab gestern die Tablette vergessen.« Nachdem ich jahrelang alle möglichen Medikamente ausprobiert habe, bin ich inzwischen bei Betablockern angelangt, mit denen ich meine Migräne endlich im Griff habe. Das Problem ist nur, dass ich auch daran denken muss, sie zu nehmen.

Er schüttelte den Kopf. »Und um was ging es in dem Artikel?«

»In Ontario kann man neuerdings seine Adoptionsunterlagen einsehen, und …« Ich stöhnte, als Evan einen Druckpunkt an meinen Füßen behandelte. »Ich habe Briefe von Leuten gelesen, die adoptiert wurden oder ihre Kinder weggegeben haben.« Von unten war Allys Kichern zu hören.

»Überlegst du, nach deiner leiblichen Mutter zu suchen?«

»Eigentlich nicht. Es war einfach interessant.« Aber ich dachte doch daran, sie zu suchen. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich schon bereit dazu war. Dass ich adoptiert war, hatte ich immer gewusst, aber ich hatte nie begriffen, dass ich dadurch anders war. Bis Mom sich eines Tages hinsetzte und mir erzählte, wir würden ein Baby bekommen. Ich war damals vier. Als Mom immer runder und Dad immer stolzer wurde, begann ich mir Sorgen zu machen, sie könnten mich zurückgeben. Ich wusste nicht, wie anders ich war, bis ich sah, wie mein Vater Lauren anschaute, als sie sie nach Hause brachten, und anschließend mich, als ich bat, sie halten zu dürfen. Zwei Jahre später kam Melanie. Auch bei ihr erlaubte er mir nicht, sie auf den Arm zu nehmen.

Evan, der viel eher als ich bereit ist, ein Thema fallenzulassen, nickte.

»Wann willst du zum Brunch?«

»Viertel nach gar nicht.« Ich seufzte. »Zum Glück kommen Lauren und Greg, Melanie bringt nämlich Kyle mit.«

»Mutig von ihr.« Sosehr mein Vater Evan mag – wahrscheinlich werden sie den ganzen Brunch damit verbringen, ihren nächsten Angelausflug zu planen –, so sehr verabscheut er Kyle. Was ich ihm nicht verdenken kann. Kyle ist ein Möchtegernrockstar, allerdings beherrscht er meiner Ansicht nach kein Instrument, sondern nur meine Schwester. Aber Dad hat unsere Freunde schon immer gehasst. Ich bin immer noch ganz baff, dass er Evan mag. Es brauchte nicht mehr als einen Ausflug zur Lodge, und er sprach von ihm wie von dem Sohn, den er nie hatte. Er gibt immer noch mit dem Lachs an, den sie damals gefangen haben.

»Sie scheint zu glauben, dass Dad seine Qualitäten erkennen wird, wenn er ihn nur öfter sieht.« Ich schnaubte.

»Sei nett zu ihm. Melanie liebt ihn.«

Ich tat, als würde ich erschaudern. »Letzte Woche hat sie zu mir gesagt, ich sollte langsam mal anfangen, an meiner Bräune zu arbeiten, wenn meine Haut nicht die gleiche Farbe haben soll wie mein Kleid. Unsere Hochzeit ist erst in neun Monaten!«

»Sie ist nur eifersüchtig – das darfst du nicht persönlich nehmen.«

»Es fühlt sich aber ziemlich persönlich an.«

Ally kam mit Elch im Schlepptau ins Zimmer gestürzt und warf sich in meine Arme.

»Mommy, Elch hat meine ganzen Cornflakes gefressen!«

»Hast du schon wieder die Schüssel auf dem Boden stehen lassen, du Dummerchen?«

Sie kicherte an meinem Hals, und ich sog ihren frischen Duft ein, der mich in der Nase kitzelte. Mit den dunklen Haaren und dem kräftigen Körperbau sieht Ally Evan ähnlicher als mir, obwohl er nicht ihr leiblicher Vater ist. Aber sie hat meine grünen Augen – Katzenaugen, wie Evan sie nennt. Und meine Locken, obwohl sie bei mir mit dreiunddreißig weicher fallen, während Ally immer noch winzige Ringellöckchen hat.

Evan stand auf und klatschte in die Hände.

»Also, Familie, wird Zeit, dass wir uns anziehen.«

 

Eine Woche später, direkt nach Neujahr, fuhr Evan für ein paar Tage zu seiner Lodge. Ich hatte online noch ein paar Adoptionsgeschichten gelesen, und am Abend vor seiner Abreise erzählte ich ihm, dass ich überlegte, nach meiner leiblichen Mutter zu suchen, während er weg war.

»Bist du sicher, dass das im Moment eine gute Idee ist? Du hast doch schon mit der Hochzeit so viel um die Ohren.«

»Aber das ist es doch gerade – wir werden heiraten, und ich weiß nichts, als dass mich genauso gut irgendwelche Außerirdischen hier abgesetzt haben könnten.«

»Das würde vielleicht das eine oder andere erklären …«

»Haha, sehr witzig.«

Er grinste, dann sagte er: »Im Ernst, Sara, wie würdest du dich fühlen, wenn du sie nicht finden kannst? Oder wenn sie dich nicht sehen will?«

Wie würde ich mich fühlen? Ich schob den Gedanken beiseite und zuckte die Achseln.

»Ich müsste es akzeptieren. Solche Sachen nehmen mich nicht mehr so mit wie früher. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es machen muss – besonders, wenn wir Kinder haben wollen.« Die ganze Zeit, als ich mit Ally schwanger war, hatte ich Angst, was ich ihr womöglich mitgeben würde. Zum Glück ist sie gesund, aber wann immer Evan und ich darüber reden, ein Kind zu bekommen, kriecht die Angst erneut in mir hoch.

Ich sagte: »Ich mache mir eher Sorgen, dass Mom und Dad sich aufregen könnten.«

»Du musst es ihnen ja nicht sagen – es ist dein Leben. Aber ich denke trotzdem, dass es nicht der beste Zeitpunkt ist.«

Vielleicht hatte er recht. Es war schon stressig genug, sich um Ally und um meine Aufträge zu kümmern, ganz zu schweigen davon, eine Hochzeit zu planen.

»Ich denke darüber nach, es zu verschieben, okay?«

Evan lächelte. »Aber klar doch. Ich kenne dich, Schatz – sobald du dich einmal entschieden hast, kann es dir gar nicht schnell genug gehen.«

Ich lachte. »Ich verspreche es.«

 

Ich habe tatsächlich daran gedacht zu warten, vor allem, als ich mir Moms Gesicht vorstellte, wenn sie es herausfände. Mom sagte immer, als Adoptivkind sei ich etwas ganz Besonderes, weil sie mich ausgewählt hätten. Als ich zwölf war, erzählte mir Melanie ihre Version. Sie sagte, unsere Eltern hätten mich adoptiert, weil Mom keine Babys bekommen konnte, aber jetzt bräuchten sie mich ja nicht mehr. Mom fand mich in meinem Zimmer, als ich gerade meine Sachen packte. Als ich ihr sagte, dass ich weggehen würde, um meine »richtigen« Eltern zu finden, fing sie an zu weinen und sagte: »Deine leiblichen Eltern konnten sich nicht richtig um dich kümmern, aber sie wollten, dass du das bestmögliche Zuhause bekommst. Also sorgen wir jetzt für dich, und wir lieben dich sehr.« Niemals werde ich den Schmerz vergessen, der in ihrem Blick lag, oder wie mager sie sich anfühlte, als sie mich umarmte.

Als ich das nächste Mal ernsthaft überlegte, meine leiblichen Eltern zu suchen, war ich gerade mit der Schule fertig. Dann wieder, als ich feststellte, dass ich schwanger war, und noch einmal sieben Monate später, als ich Ally zum ersten Mal in den Armen hielt. Doch ich versetzte mich in Moms Lage und stellte mir vor, wie ich mich fühlen würde, wenn mein Kind nach seiner leiblichen Mutter suchen würde, wie verletzt ich wäre und wie viel Angst mir das bereiten würde. Mir wurde klar, dass ich das niemals durchziehen könnte. Womöglich hätte ich es auch dieses Mal nicht geschafft, wenn Dad nicht angerufen hätte, um sich mit Evan zum Angeln zu verabreden.

»Tut mir leid, Dad, er ist gerade gestern aufgebrochen. Kannst du nicht Greg mitnehmen?«

»Greg redet zu viel.«

Laurens Mann tat mir leid. Während Dad Kyle verachtet, kann er mit Greg nichts anfangen. Ich habe erlebt, wie er ihn mitten im Satz stehengelassen hat.

»Seid ihr beide noch eine Weile zu Hause? Ich wollte gerade Ally aus der Schule abholen und kurz bei euch vorbeischauen.«

»Heute nicht. Deine Mom versucht, sich auszuruhen.«

»Flackert ihr Morbus Crohn wieder auf?«

»Sie ist nur müde.«

»Okay, kein Problem. Wenn ihr Hilfe braucht, lasst es mich wissen.«

 

Mein ganzes Leben lang war es mit Moms Gesundheit immer auf und ab gegangen. Wochenlang ging es ihr gut, sie hat unsere Zimmer gestrichen, Vorhänge genäht und wie eine Wilde gebacken. Selbst Dad war in diesen Phasen fast glücklich. Ich erinnere mich, wie er mich einmal auf die Schultern gehoben hat, und die Aussicht war ebenso berauschend wie die seltene Aufmerksamkeit. Doch am Ende machte Mom immer zu viel, und innerhalb weniger Tage wurde sie erneut krank. Vor unseren Augen wurde sie immer weniger, weil ihr Körper sich weigerte, irgendwelche Nährstoffe bei sich zu behalten. Selbst wenn sie Babybrei aß, stürzte sie kurz darauf ins Badezimmer.

Wenn sie mal wieder eine schlechte Phase hatte, kam Dad nach Hause und fragte mich, was ich den ganzen Tag getrieben hätte, als versuchte er etwas oder jemanden zu finden, auf den er wütend sein konnte. Als ich neun war, fand er mich vor dem Fernseher, während Mom schlief. Er zerrte mich am Handgelenk in die Küche, deutete auf einen Stapel dreckigen Geschirrs und nannte mich ein faules, undankbares Kind. Am nächsten Tag war es die schmutzige Wäsche, die ihm nicht passte, und am Tag darauf Melanies Spielsachen in der Auffahrt. Sein riesiger, von der Arbeit kräftiger Körper ragte drohend über mir auf, und seine Stimme vibrierte vor Zorn, doch er brüllte nie und tat niemals irgendetwas, das Mom hätte sehen oder hören können. Er ging mit mir in die Garage und listete meine Verfehlungen auf, während ich auf seine Füße starrte, voller Furcht, er könnte sagen, dass er mich nicht mehr haben wollte. Anschließend sprach er eine Woche lang fast kein Wort mit mir.

Ich fing an, die Hausarbeiten zu erledigen, ehe Mom dazu kam, blieb zu Hause, während meine Schwestern mit ihren Freunden spielten, kochte das Abendessen, das niemals die Anerkennung meines Vaters fand – aber zumindest sprach er dann mit mir. Ich hätte alles getan, um seinem Schweigen zu entgehen, alles, um zu verhindern, dass Mom erneut krank wurde. Wenn sie gesund war, war ich in Sicherheit.

 

Als ich an jenem Abend Lauren anrief, erzählte sie mir, dass sie und die Kinder gerade vom Abendessen bei unseren Eltern zurückgekommen waren. Dad hatte sie eingeladen.

»Also durfte nur mein Kind nicht kommen.«

»Ich bin mir sicher, dass es nicht so war. Ally hat nur so viel Energie, und …«

»Was soll das heißen?«

»Es heißt gar nichts, sie ist einfach bezaubernd. Aber Dad hat wahrscheinlich gedacht, dass drei Kinder zu viel sind.«

Ich wusste, dass Lauren nur versuchte, mich zu besänftigen, ehe ich mich über Dad ausließ. Sie hasste das, aber es machte mich irre, dass sie niemals sah, wie ungerecht Dad mich behandelte, oder es zumindest niemals eingestand. Nachdem wir aufgelegt hatten, hätte ich beinahe Mom angerufen, um zu sehen, wie es ihr ging, aber dann dachte ich daran, wie Dad mir befohlen hatte, zu Hause zu bleiben. Als wäre ich eine streunende Hündin, die nur auf der Terrasse schlafen durfte, weil sie das Haus schmutzig machen könnte. Ich legte das Telefon zurück in die Ladestation.

 

Am nächsten Tag füllte ich beim Standesamt das Formular aus, zahlte meine fünfzig Dollar und begann zu warten. Ich würde gern sagen: geduldig, aber nach der ersten Woche fiel ich regelrecht über den Postboten her. Einen Monat später lag meine Original-Geburtsurkunde in der Post. Ich starrte den Umschlag an und stellte fest, dass meine Hand zitterte. Evan war wieder in der Lodge, und ich wünschte, er könnte dabei sein, wenn ich den Umschlag aufmachte, aber bis dahin war es noch eine ganze Woche. Ally war in der Schule und das Haus still. Ich holte tief Luft und riss den Umschlag auf.

Der Name meiner richtigen Mutter lautete Julia Laroche, und ich war in Victoria, British Columbia, geboren worden. Mein Vater war mit »unbekannt« angegeben. Auf der Suche nach Antworten las ich die Geburtsurkunde und die Adoptionsbescheinigung immer wieder, doch die ganze Zeit ging mir nur eine einzige Frage durch den Kopf: Warum hast du mich weggegeben?

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und war schon im Internet, als Ally noch schlief. Als Erstes probierte ich es beim Adoptions-Suchregister, doch als ich feststellte, dass ich womöglich noch einen weiteren Monat auf eine Antwort warten müsste, beschloss ich, zuerst auf eigene Faust zu suchen. Nachdem ich zwanzig Minuten lang verschiedene Websites durchstöbert hatte, hatte ich drei Julia Laroches in Quebec und vier unten in den Staaten gefunden, die etwa im passenden Alter zu sein schienen. Nur zwei von ihnen lebten auf Vancouver Island, aber als ich sah, dass sie beide in Victoria geboren worden waren, drehte sich mir der Magen um. Wohnte sie nach all der Zeit immer noch dort? Rasch klickte ich auf den ersten Link und atmete langsam aus. Die Frau war zu jung, ihrem Beitrag in einem Forum für junge Mütter nach zu urteilen. Der zweite Link führte zur Website einer Immobilienmaklerin in Victoria. Sie hatte kastanienbraunes Haar, wie ich, und sah aus, als sei sie im richtigen Alter. Mit einer Mischung aus Aufregung und Furcht betrachtete ich ihr Gesicht. Hatte ich meine leibliche Mutter gefunden?

Nachdem ich Ally zur Schule gefahren hatte, saß ich an meinem Schreibtisch und kreiste die Telefonnummer ein, die ich auf ein Stück Papier gekritzelt hatte. Ich rufe sie in einer Minute an. Nach der nächsten Tasse Kaffee. Wenn ich die Zeitung gelesen habe. Schließlich zwang ich mich, den Hörer aufzunehmen.

Rrring.

Vielleicht war sie es gar nicht.

Rrring.

Ich sollte einfach auflegen. Das war ein schlechter Weg, um …

»Julia Laroche am Apparat.«

Ich öffnete den Mund, aber kein Ton kam heraus.

»Hallo?«, sagte sie.

»Hallo, ich rufe an … ich rufe an, weil …« Weil ich blöderweise dachte, wenn ich irgendetwas Geistreiches sage, würdest du es auf der Stelle bedauern, mich weggegeben zu haben. Aber jetzt konnte ich mich nicht einmal mehr an meinen Namen erinnern.

Ihre Stimme klang ungeduldig. »Möchten Sie ein Haus kaufen oder verkaufen?«

»Nein, ich bin …« Ich holte tief Luft und sagte hastig: »Ich bin möglicherweise Ihre Tochter.«

»Soll das ein Witz sein? Wer sind Sie?«

»Mein Name ist Sara Gallagher. Ich wurde in Victoria geboren und zur Adoption freigegeben. Sie haben kastanienbraunes Haar, und Sie sind im richtigen Alter, also dachte ich …«

»Meine Liebe, es ist ganz unmöglich, dass Sie meine Tochter sind. Ich kann keine Kinder bekommen.«

Mein Gesicht brannte. »O Gott, das tut mir leid. Ich dachte nur … na ja, ich hatte gehofft …«

Die Stimme wurde weicher. »Das ist schon in Ordnung. Viel Glück bei Ihrer Suche.« Ich wollte gerade auflegen, als sie sagte: »Es gibt eine Julia Laroche, die an der Universität arbeitet. Ich bekomme manchmal Anrufe für sie.«

»Danke, das ist sehr nett von Ihnen.«

Mein Gesicht war immer noch heiß, als ich das Telefon auf den Schreibtisch fallen ließ und in meine Werkstatt ging. Ich säuberte fast all meine Farbpinsel, dann saß ich da, starrte die Wand an und dachte an das, was diese Maklerin gesagt hatte. Ein paar Minuten später hockte ich wieder vor dem Computer. Nach kurzer Suche entdeckte ich den Namen der anderen Julia in einer Liste der Professoren an der Universität von Victoria. Sie unterrichtete Kunstgeschichte – rührte meine Vorliebe für alte Dinge daher? Ich schüttelte den Kopf. Warum ließ ich zu, dass ich so aufgeregt war? Es war nur ein Name. Ich holte tief Luft, rief bei der Universität an und war überrascht, als ich prompt zu Julia Laroche durchgestellt wurde.

Dieses Mal war ich vorbereitet und hatte mir ein paar Sätze zurechtgelegt. »Guten Tag, mein Name ist Sara Gallagher, und ich versuche, meine leibliche Mutter zu finden. Haben Sie vor ungefähr dreiunddreißig Jahren ein Kind zur Adoption freigegeben?«

Ein scharfes Einatmen. Dann Schweigen.

»Hallo?«

»Rufen Sie nie wieder hier an.« Sie legte auf.

 

Ich weinte. Stundenlang. Davon bekam ich Migräne, so heftig, dass Lauren Ally und Elch abholen musste. Zum Glück sind Laurens Jungs in Allys Alter, und sie ist gerne bei ihnen zu Besuch. Ich war ungern auch nur für eine Nacht von meiner Tochter getrennt, aber ich konnte nichts anderes tun, als in einem dunklen Raum zu liegen, mit einer kalten Kompresse auf der Stirn, und darauf zu warten, dass es vorbeiging. Evan rief an, und ich erzählte ihm, was passiert war. Ich konnte nur langsam sprechen, so weh tat mein Kopf. Am nächsten Nachmittag hörte ich auf, Auren um alles herum zu sehen, so dass Ally und Elch nach Hause kommen konnten. Am Abend rief Evan wieder an.

»Geht’s dir besser, Schatz?«

»Die Migräne ist weg – selber schuld, wenn ich so blöd bin, schon wieder meine Tabletten zu vergessen. Jetzt bin ich mit diesem Tisch im Verzug, und außerdem wollte ich diese Woche doch ein paar Fotografen anrufen und …«

»Sara, du musst nicht alles sofort erledigen. Spar dir das mit den Fotografen auf, bis ich wieder da bin.«

»Ist schon okay, ich kümmere mich darum.«

In vielerlei Hinsicht bewunderte ich Evan, weil er immer so locker war, aber in den zwei Jahren, die wir jetzt zusammen waren, hatte ich gelernt, dass »das erledigen wir später« in der Regel bedeutete, dass ich mich irgendwann wie eine Irre abhetzte, um mal wieder etwas auf den letzten Drücker zu organisieren.

Ich sagte: »Ich habe über die Sache mit meiner leiblichen Mutter nachgedacht.«

»Und?«

»Ich überlege, ihr einen Brief zu schreiben. Ihre Adresse ist nirgendwo aufgeführt, aber ich könnte ihn an die Universität schicken.«

Evan schwieg einen Augenblick. »Sara … ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.«

»Sie will mich nicht kennenlernen, auch gut, aber sie könnte mir zumindest Infos zur medizinischen Familiengeschichte geben. Was ist mit Ally? Hat sie kein Recht, es zu wissen? Es könnte gesundheitliche Probleme geben, wie … wie eine Neigung zu Bluthochdruck oder Diabetes oder Krebs …«

»Schatz.« Evans Stimme klang sanft, aber fest. »Immer mit der Ruhe. Warum lässt du dich davon so fertigmachen?«

»Ich bin nicht so wie du. Ich kann solche Dinge nicht so einfach wegstecken.«

»Hör zu, du verrücktes Huhn, ich bin in dieser Sache auf deiner Seite.«

Ich schwieg, schloss die Augen und versuchte zu atmen. Ich rief mir in Erinnerung, dass Evan die falsche Zielscheibe für meinen Zorn war.

»Sara, tu, was du tun musst. Du weißt, dass ich dich unterstütze, egal, was passiert. Aber ich denke, du solltest die Finger davon lassen.«

 

Auf der anderthalbstündigen Fahrt die Insel hinunter am nächsten Tag fühlte ich mich die ganze Zeit ruhig und zentriert und war zuversichtlich, das Richtige zu tun. Der Island Highway hatte für mich schon immer etwas Tröstliches: die anheimelnden Städtchen und Täler, das Ackerland, die flüchtigen Blicke auf den Ozean und die Bergketten an der Küste. Als ich mich Victoria näherte und durch den uralten Wald im Goldstream Park fuhr, dachte ich daran, wie Dad mit uns hierhergefahren war, damit wir die Lachse beim Laichen im Fluss sehen konnten. Lauren war entsetzt über die ganzen Möwen, die sich über die toten Lachse hermachten. Ich hasste den Geruch des Todes in der Luft, wie er sich in den Kleidern und der Nase festsetzte. Ich hasste es, wie Dad meinen Schwestern alles erklärte, meine Fragen jedoch ignorierte – mich ignorierte.

Evan und ich haben überlegt, eines Tages in Victoria eine zweite Whale-Watching-Station zu eröffnen. Ally liebt das Museum und die Straßenkünstler am Inneren Hafen, und ich liebe all die alten Gebäude. Aber im Moment ist uns Nanaimo ganz recht. Obwohl es die zweitgrößte Stadt auf der Insel ist, hat man das Gefühl, in einer Kleinstadt zu leben. Man kann an der Strandpromenade am Hafen spazieren gehen, in der Altstadt shoppen und oben in den Bergen wandern, mit einem überwältigenden Blick über die Golfinseln – und das alles an einem Tag. Wenn wir mal wegwollen, nehmen wir einfach die Fähre zum Festland oder fahren zum Einkaufen nach Victoria.

Wenn dieser Trip nach Victoria allerdings nicht gut ausging, würde es eine lange Heimfahrt werden.

 

Mein Plan war es, den Brief mit der Bitte um Informationen in Julias Büro abzugeben. Doch als die Frau am Empfangstresen mir sagte, dass Professor Laroche gerade im Nachbargebäude eine Vorlesung hielt, war ich neugierig, wie sie wohl aussah. Sie würde nicht einmal wissen, dass ich da war. Anschließend könnte ich den Brief für sie am Empfang abgeben.

Langsam öffnete ich die Tür zum Hörsaal und schlich hinein, das Gesicht vom Podium abgewandt. Ich fand einen Platz ganz hinten, kauerte mich hin und warf einen Blick auf meine Mutter. Ich kam mir vor wie ein Stalker.

»Wie Sie sehen, variiert die Architektur der Islamischen Welt …«

In meinen Tagträumen war sie stets eine ältere Version meiner selbst gewesen, doch während mir mein kastanienbraunes Haar in unbändigen Locken über den Rücken fiel, hatte sie ihre schwarzen Haare zu einem glatten Bob geschnitten. Die Augenfarbe konnte ich nicht erkennen, aber ihr Gesicht war rund, mit einer feinen Knochenstruktur. Ich hatte hohe Wangenknochen und nordische Gesichtszüge. Unter ihrem schwarzen Wickelkleid zeichnete sich eine leicht jungenhafte Gestalt ab, und sie hatte schmale Handgelenke. Ich war eher von sportlicher Statur. Sie war vermutlich knapp einen Meter sechzig groß, ich dagegen eins fünfundsiebzig. Mit eleganten, ruhigen Bewegungen deutete sie auf die Bilder auf der Leinwand. Ich dagegen rede so heftig mit den Händen, dass ich ständig irgendetwas umwerfe. Wenn mir ihre Reaktion am Telefon nicht immer noch im Kopf herumgespukt hätte, hätte ich gedacht, es sei die falsche Frau.

Während ich mit halbem Ohr ihrem Vortrag lauschte, malte ich mir aus, wie meine Kindheit mit ihr als Mutter verlaufen wäre. Wir hätten beim Abendessen über Kunst diskutiert, hätten von wunderschönen Tellern gegessen und manchmal die Kerzen in den silbernen Kerzenhaltern angesteckt. In den Sommerferien hätten wir im Ausland Museen besucht und in italienischen Cafés beim Cappuccino tiefsinnige Unterhaltungen geführt. An den Wochenenden hätten wir zusammen in Buchläden gestöbert …

Eine Woge aus Schuldgefühlen übermannte mich. Ich habe eine Mutter. Ich dachte an die liebenswerte Frau, die mich großgezogen hatte, die Frau, die mir Kohlkompressen gegen meine Kopfschmerzen gemacht hat, obwohl es ihr selbst nicht gutging, die Frau, die nicht wusste, dass ich meine leibliche Mutter gefunden hatte.

Als die Vorlesung zu Ende war, ging ich die Treppen hinunter zur Seitentür. Als ich an Julia vorbeikam, lächelte sie mir zu, allerdings mit fragendem Blick, als versuchte sie, mich einzuordnen. Ein Student blieb stehen, um sie etwas zu fragen, und ich stürzte zur Tür. In der letzten Sekunde blickte ich über die Schulter zurück. Ihre Augen waren braun.

Ich ging direkt zurück zu meinem Auto. Ich saß immer noch da, mein Herz schlug wie rasend in meiner Brust, als ich sie aus dem Gebäude treten sah. Sie ging auf den Parkplatz der Fakultät zu. Vorsichtig lenkte ich den Wagen in ihre Richtung und beobachtete, wie sie in einen edlen weißen Jaguar stieg. Als sie losfuhr, folgte ich ihr.

Stopp. Denk darüber nach, was du tust. Halt an.

Als ob ich das schaffen würde.

Als wir die Dallas Road entlangfuhren, eine gehobene Wohngegend direkt am Wasser, ließ ich mich zurückfallen. Nach etwa zehn Minuten bog Julia auf die runde Auffahrt eines riesigen Hauses im Tudorstil direkt am Ozean ein. Ich hielt an und holte den Stadtplan heraus. Sie parkte vor der Marmortreppe, nahm den Weg um das Haus herum und verschwand durch eine Seitentür.

Sie hatte nicht angeklopft. Sie lebte hier.

Und was sollte ich jetzt machen? Wegfahren und die ganze Sache vergessen? Den Brief in ihren Briefkasten am Ende der Auffahrt werfen und riskieren, dass jemand anders ihn fand? Ihn ihr persönlich überreichen?

Doch sobald ich die Eingangstür aus Mahagoni erreicht hatte, stand ich da wie eine Idiotin, erstarrt und zugleich hin- und hergerissen zwischen der Möglichkeit, den Brief in die Tür zu klemmen oder einfach die Auffahrt zurückzusprinten. Ich klopfte nicht, ich klingelte nicht, trotzdem wurde die Tür geöffnet. Ich blickte meiner Mutter direkt ins Gesicht. Und sie sah nicht glücklich aus, mich zu sehen.

»Ja, bitte?«

Mein Gesicht brannte.

»Hi … ich … ich habe Ihre Vorlesung gehört.«

Ihre Augen wurden schmal. Sie schaute auf den Umschlag, den ich umklammert hielt.

»Ich habe Ihnen einen Brief geschrieben.« Meine Stimme klang atemlos. »Ich wollte Sie ein paar Dinge fragen … wir haben gestern miteinander geredet.«

Sie starrte mich an.

»Ich bin Ihre Tochter.«

Sie riss die Augen auf. »Gehen Sie!« Sie machte Anstalten, die Tür zu schließen. Ich stellte meinen Fuß in den Spalt.

»Warten Sie. Ich wollte Sie nicht aufregen … ich habe nur ein paar Fragen, es ist wegen meiner Tochter.« Ich wühlte in meiner Brieftasche und zog ein Foto heraus. »Ihr Name ist Ally – sie ist erst sechs.«

Julia sah sich das Foto nicht an. Als sie sprach, war ihre Stimme schrill und angespannt.

»Es ist kein guter Zeitpunkt. Ich kann nicht … ich kann einfach nicht.«

»Fünf Minuten. Mehr brauche ich nicht, danach lasse ich Sie in Ruhe.«

Sie blickte über ihre Schulter zum Telefon auf dem Tisch in der Halle.

»Bitte. Ich verspreche, dass ich nicht wiederkommen werde.«

Sie führte mich in ein Nebenzimmer mit einem Mahagonischreibtisch und Bücherregalen, die bis zur Decke reichten. Scheuchte eine Katze von einem antiken Lehnstuhl mit braunem Lederbezug.

Ich setzte mich und versuchte zu lächeln. »Perserkatzen sind wunderschön.«

Sie erwiderte mein Lächeln nicht. Sie hockte auf der Kante von ihrem Sessel. Die Hände umklammerten einander in ihrem Schoß, die Knöchel waren weiß.

Ich sagte: »Dieser Sessel ist großartig … ich restauriere alte Möbel, und dieser hier ist makellos. Ich liebe Antiquitäten. Alles, was alt ist, um genau zu sein, Autos, Kleider …« Meine Hand strich über die enganliegende schwarze Samtjacke, die ich mit Jeans kombiniert hatte.

Sie starrte auf den Boden. Ihre Hände begannen zu zittern.

Ich holte tief Luft und kam auf den Punkt.

»Es ist nur so, dass ich wissen will, warum Sie mich weggegeben haben. Ich bin Ihnen nicht böse, ich habe ein gutes Leben. Es ist nur … ich will es einfach wissen. Ich muss es wissen.«

»Ich war jung.« Ihre Stimme klang jetzt näselnd und tonlos. »Es war ein Unfall. Ich wollte keine Kinder.«

»Warum haben Sie mich dann zur Welt gebracht?«

»Ich war katholisch.«

War?

»Was ist mit Ihrer Familie, ist sie …«

»Meine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen – nach Ihrer Geburt.« Mit dem letzten Teil platzte sie geradezu heraus.

Ich wartete, dass sie mehr sagen würde. Die Katze strich um ihre Beine, aber sie streichelte sie nicht. Ich sah, wie ihre Halsschlagader hektisch pulsierte.

»Das tut mir sehr leid. War der Unfall auf der Insel?«

»Wir … sie … lebten in Williams Lake.« Sie wurde rot.

»Ihr Name, Laroche. Was bedeutet das? Das ist Französisch, oder nicht? Wissen Sie, aus welchem Teil von …«

»Ich habe nie nachgeforscht.«

»Und mein Vater?«

»Es geschah auf einer Party, und ich erinnere mich an gar nichts. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist.«

Ich starrte die elegante Frau vor mir an. Nichts an ihr passte zu einem betrunkenen One-Night-Stand. Sie log. Ich war mir ganz sicher. Ich wollte sie zwingen, mich anzusehen. Sie starrte die Katze an. Ich verspürte den irrsinnigen Drang, das Tier aufzuheben und auf sie zu schleudern.

»War er groß? Sehe ich ihm ähnlich oder …«

Sie stand auf. »Ich sagte Ihnen, dass ich mich nicht erinnere. Sie sollten jetzt besser gehen.«

»Aber …« Hinten im Haus ging eine Tür.

Julias Hand flog hoch, um ihren Mund zu bedecken. Eine ältere Frau mit lockigem blonden Haar und einem pinkfarbenen Schal um ihre schmalen Schultern drapiert kam um die Ecke.

»Julia! Gut, dass du zu Hause bist, wir sollten …« Als sie mich sah, blieb sie stehen, ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Oh, hallo. Ich wusste nicht, dass Julia eine Studentin hier hat.«

Ich stand auf und streckte die Hand aus. »Ich bin Sara. Professor Laroche war so freundlich, meine Arbeit mit mir durchzugehen, aber jetzt muss ich los.«

Sie ergriff meine Hand. »Katharine. Ich bin Julias …« Ihre Stimme verlor sich, als sie Julias Blick suchte.

Ich unterbrach das peinliche Schweigen. »Es war nett, Sie kennenzulernen.« Ich wandte mich an Julia. »Noch einmal vielen Dank für Ihre Hilfe.«

Sie rang sich ein Lächeln ab und nickte.

Beim Auto blickte ich über die Schulter zurück. Sie standen immer noch in der offenen Tür. Katharine lächelte und winkte, doch Julia starrte mich nur an.

 

Sie verstehen also, warum ich Sie sprechen musste. Ich habe das Gefühl, auf einer Eisfläche zu stehen. Überall um mich herum knackt es, aber ich weiß nicht, in welche Richtung ich mich wenden soll. Soll ich versuchen herauszufinden, warum meine leibliche Mutter gelogen hat? Oder soll ich Evans Rat beherzigen und es einfach auf sich beruhen lassen? Ich weiß, Sie werden mir sagen, dass ich die Einzige bin, die das entscheiden kann, aber ich brauche Ihre Hilfe.

Ich muss ständig an Elch denken. Als Welpen hatten wir ihn einmal in der Waschküche gelassen, als wir an einem kalten Samstag ausgegangen sind, weil er noch nicht stubenrein war – der kleine Racker pinkelte überall hin, so dass Ally versuchte, ihn mit ihren Puppenwindeln zu wickeln. Wir hatten einen wunderschönen hellen Sisalteppich, den wir von einem Ausflug nach Saltspring Island mitgebracht hatten, und er musste angefangen haben, an einer Ecke zu knabbern, und hat dann einfach immer weiter daran gezogen. Als wir nach Hause kamen, war der Teppich völlig ruiniert. Mein Leben ist wie dieser wunderschöne bunte Teppich – es hat Jahre gedauert, es zusammenzunähen. Jetzt befürchte ich, dass es, wenn ich an dieser einen Ecke weiter daran ziehe, irgendwann ganz aufgeribbelt ist.

Aber ich weiß nicht, ob ich damit aufhören kann.

2. Sitzung

Ich habe über alles nachgedacht, was Sie gesagt haben – dass ich nicht alles sofort entscheiden muss, dass ich mir über meine Erwartungen klarwerden muss ebenso wie über meine Gründe, warum ich mehr über meine Vergangenheit erfahren will. Ich habe sogar eine Tabelle mit den Pros und Kontras aufgestellt, so wie wir das früher zusammen gemacht haben. Ich habe alles ordentlich in Spalten sortiert, aber ich bin immer noch nicht schlauer. Also bin ich in meine Werkstatt gestapft, habe Sara McLachlan angemacht und mir die Seele aus dem Leib geheult, während ich mich über einen Eichenschrank hermachte. Mit jeder Farbschicht, die ich runterbekam, wurde ich ruhiger. Es war egal, ob sie gelogen hatte oder wo ich herkam. Was zählte, war mein Leben jetzt.

Kaum war ich von der Wiedervereinigung mit meiner Mutter geflohen, hatte ich Evan angerufen. Als er am Wochenende nach Hause kam, brachte er mir Schokolade und Rotwein mit, als verfrühte Valentinsüberraschung – der Mann ist kein Dummkopf. Aber am klügsten war es, dass er mir keinen Vortrag gehalten, sondern mich einfach in den Arm genommen hat und mich schimpfen und toben ließ, bis mir die Puste ausging. Und natürlich ging mir irgendwann die Puste aus – und die Depression kam. Es war schon so lange her, seit ich die letzte hatte, dass ich es zuerst gar nicht merkte. Wie ein Exfreund, dem man zufällig über den Weg läuft und bei dem man sich nicht mehr erinnern kann, warum man sich seinetwegen so mies gefühlt hat, so wütend und alles. Erst zwei Wochen später begann ich, mich fast wieder normal zu fühlen. An diesem Punkt hätte ich aufhören sollen.

 

Evan war wieder in der Lodge, und Laurens Mann Greg, der für Dads Holzfällerunternehmen arbeitet, war gerade ins Camp aufgebrochen, also rauschten Ally und ich zum Abendessen rüber zu Lauren. Was das Kochen angeht, klappt es bei mir ganz gut, solange ich nicht von einem aktuellen Projekt besessen bin, aber gegen Laurens Roastbeef und Yorkshire Pudding sieht mein Pfannengemüse alt aus.

Während Laurens zwei Jungs, genau wie sie flachsblond und mit großen, blauen Augen, mit Ally und Elch durch den Garten jagten, nahmen Lauren und ich unseren Kaffee und den Nachtisch mit ins Wohnzimmer. Ich war froh, dass wir dieses Jahr einen milden Winter hatten, obwohl es auf der Insel ja niemals richtig kalt wird, aber es war nett, sich vor ihrem Kamin zusammenzukuscheln und uns von den letzten Katastrophen unserer Kinder zu erzählen. Ihre zwei haben normalerweise nur etwas kaputtgemacht, während meine ständig Ärger in der Schule hat, weil sie andere Kinder herumkommandiert oder redet, wenn sie still sein soll. Evan lacht dann immer und sagt: »Wo sie das wohl herhat«, sobald ich mich darüber beklage.

Nachdem wir den letzten Rest Schokolade von unseren Tellern gekratzt hatten, sagte Lauren: »Wie kommst du mit den Hochzeitsvorbereitungen voran?«

»O Gott, erinner mich bloß nicht daran. Meine Liste ist ellenlang.«

Lauren lachte und legte den Kopf zurück, so dass die Narbe an ihrem Kinn zu sehen war. Vor vielen Jahren war sie einmal vom Rad gefallen. Natürlich hatte Dad mir die Hölle heißgemacht, weil ich nicht genügend auf sie aufgepasst hatte, aber ihrer natürlichen Schönheit tat das keinen Abbruch. Sie schminkt sich nur selten, doch mit dem herzförmigen Gesicht, dem honigfarbenen Teint und der leicht sommersprossigen Nase hat sie das auch nicht nötig. Außerdem gehört Lauren zu den wenigen Menschen, die genauso nett sind, wie sie aussehen – die Sorte, die sich merkt, welche Shampoosorte man benutzt und dann die Gutscheine für einen aufhebt.

»Ich habe dir doch gesagt, dass eine Hochzeit mehr Arbeit macht, als man denkt. Und du hast gedacht, es würde leicht werden.«

»Und das von einer Frau, die bei ihrer eigenen Hochzeit kein bisschen gestresst war.«

Sie zuckte die Achseln. »Ich war zwanzig. Ich war einfach nur glücklich zu heiraten. Moms und Dads Garten war alles, was wir brauchten. Aber in der Lodge wird es wunderschön werden.«

»Ja, das wird es. Aber da gibt es etwas, das ich dir erzählen muss …«

Lauren sah mich an. »Du bekommst doch wohl nicht etwa kalte Füße?«

»Was? Natürlich nicht!«

Sie atmete wieder aus. »Gott sei Dank. Evan tut dir so gut.«

»Warum erzählt mir das jeder?«

Sie lächelte. »Weil es stimmt.«

Da konnte ich ihr kaum widersprechen. Ich hatte Evan in einer Autowerkstatt kennengelernt, als wir beide auf unsere Fahrzeuge warteten – seines sollte frisiert werden, meines pfiff aus dem letzten Loch. Ich machte mir Sorgen, dass sie meinen Wagen nicht wieder hinkriegen würden, und hatte keine Ahnung, wie ich dann Ally abholen sollte, doch Evan beruhigte mich, dass schon alles gutgehen würde. Ich weiß noch, wie er die Papphülse über meinen heißen Becher schob, ehe er ihn mir reichte, wie entspannt und sicher seine Bewegungen waren. Wie ruhig ich mich in seiner Gegenwart fühlte.

Lauren sagte: »Also, was willst du mir erzählen?«

»Erinnerst du dich noch, wie ich immer davon gesprochen habe, meine Herkunftsfamilie zu suchen?«

»Natürlich, du warst ganz besessen davon, als wir klein waren. Weißt du noch, wie du einen Sommer lang überzeugt warst, du wärst eine indianische Prinzessin, und versucht hast, im Garten ein Kanu zu bauen?« Sie fing an zu lachen, dann sah sie mein Gesicht und sagte: »Warte, hast du sie tatsächlich gesucht?«

»Vor ein paar Wochen habe ich meine leibliche Mutter gefunden.«

»Wow. Das ist … heftig.« Laurens Gesichtsausdruck wechselte von Überraschung über Verwirrung zu Schmerz. »Warum hast du mir nichts davon gesagt?«

Das war eine gute Frage, die ich nicht beantworten konnte. Lauren hat ihren Freund von der Highschool geheiratet und ist noch mit denselben Leuten befreundet, mit denen sie schon in der Grundschule gespielt hat. Sie hat keine Ahnung, wie es sich anfühlt, zurückgewiesen zu werden oder allein zu sein. Der andere Grund war ihr Mann. Es war unmöglich zu reden, solange Greg dabei war.

»Ich musste das erst alles verarbeiten«, erklärte ich. »Es ist nicht besonders gut gelaufen.«

»Nicht? Was ist passiert? Lebt sie auf der Insel?«

Ich erzählte Lauren den ganzen Schlamassel.

Sie verzog das Gesicht. »Das muss ja furchtbar gewesen sein. Wie geht’s dir jetzt damit?«

»Ich bin enttäuscht. Vor allem, weil sie mir nichts über meinen leiblichen Vater erzählt hat – sie war meine einzige Chance, ihn zu finden.«

Die meisten meiner Tagträume liefen darauf hinaus, dass mein leiblicher Vater mich umgehend in seine Villa mitnahm und mich allen als seine langverlorene Tochter vorstellte, während seine Hand warm auf meinem Rücken ruhte.

»Mom und Dad hast du aber nichts erzählt, oder?«

Ich schüttelte den Kopf.

Lauren wirkte erleichtert und starrte auf meinen Teller. Die Schokolade in meinem Mund schmeckte bitter. Ich hasste die Woge aus Schuldgefühlen und Angst, die mich überrollte, wann immer ich befürchtete, Mom und Dad könnten es herausfinden, und ich hasste mich dafür, dass ich es mir übelnahm.

Ich bat: »Erzähl Melanie oder Greg nichts davon, okay?«

»Natürlich nicht.«

Ich betrachtete ihr Gesicht. Was mochte sie jetzt denken? Nach einer Weile sagte sie: »Vielleicht war dein Vater verheiratet, und sie hat Angst, dass es nach all den Jahren rauskommt?«

»Vielleicht … Aber ich glaube, sie hat sogar wegen ihres Namens gelogen.«

»Willst du noch einmal mit ihr reden?«

»Zum Teufel, nein! Wahrscheinlich würde sie die Polizei rufen. Ich werde die Sache einfach fallenlassen.«

»Das ist wahrscheinlich das Beste.« Wieder sah sie erleichtert aus. Ich wollte sie fragen, was sie meinte, für wen es »das Beste« sei, aber sie hatte bereits unsere Teller eingesammelt und ging in die Küche. Ich blieb allein und fröstelnd vor dem Feuer zurück.

 

Sobald wir zu Hause waren, fielen Ally und Elch ins Bett, und ich räumte das Haus auf – ich neige dazu, die Dinge etwas schleifen zu lassen, wenn Evan nicht da ist. Nachdem alles erledigt war, war ich nicht in der Stimmung, in die Werkstatt zu gehen, so wie ich es normalerweise tue, wenn ich von Kaffee und Schokolade aufgekratzt bin, also schaltete ich den Computer ein. Ich hatte vor, nur mal kurz nach den E-Mails zu sehen, aber dann fielen mir Julias Worte ein.

Meine Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Hatte Julia überhaupt in irgendeinem Punkt die Wahrheit gesagt? Vielleicht konnte ich zumindest die Namen ihrer Eltern im Internet finden. Zuerst googelte ich Autounfälle, Williams Lake, BC. Das ergab ein paar Treffer, aber nur einen tödlichen Unfall mit einem Ehepaar, und die waren erst vor kurzem gestorben. Außerdem war es der falsche Name. Ich weitete meine Suche auf ganz Kanada aus, stieß aber trotzdem auf keinen Unfall, bei dem eines der Opfer den Nachnamen meiner Mutter trug. Wenn sie schon vor Jahren gestorben waren, war der Artikel vermutlich ohnehin nicht im Internet zu finden. Noch nicht bereit aufzugeben, googelte ich Laroche. Merkwürdige Treffer, beiläufige Erwähnungen hier und da, aber außer der Seite der Universität, die ich schon kannte, fand ich nichts, das irgendwie in Verbindung mit Julia stand.

Ehe ich für diesen Abend Schluss machte, beschloss ich, noch etwas über Williams Lake zu lesen. Ich war nie dort gewesen, aber ich wusste, dass die Stadt im Herzen von Cariboo lag, mitten in British Columbia. Julia kam mir nicht vor wie ein Kleinstadtmädchen, und ich fragte mich, ob sie wohl geflohen war, sobald sie mit der Schule fertig war. Ich starrte den Bildschirm an. Ich wollte mehr über sie herausfinden, aber wie? Ich hatte keine Kontakte an die Universität oder zu irgendwelchen Behörden, und Evan auch nicht. Ich brauchte jemanden mit Verbindungen.

Als ich bei Google nach Privatdetektiven in Nanaimo suchte, stellte ich überrascht fest, dass es gleich ein paar Firmen gab. Ich sah mir ihre Websites an, und meine Zuversicht wuchs, als ich merkte, dass es meistens Polizisten im Ruhestand waren. Als Evan mich später anrief, erzählte ich ihm von der Idee.

»Und wie teuer sind die?«, wollte er wissen.

»Das weiß ich noch nicht. Ich wollte morgen ein paar anrufen.«

»Das kommt mir ziemlich extrem vor. Du weißt ja nicht sicher, ob sie wirklich gelogen hat.«

»Sie hat mir eindeutig etwas verheimlicht – das macht mich wahnsinnig.«

»Und wenn es etwas ist, das du gar nicht wissen willst? Vielleicht hat sie einen guten Grund, es dir nicht zu erzählen.«

»Ich würde lieber damit klarkommen müssen, als mich den Rest meines Lebens zu fragen, was es ist. Und vielleicht finden sie meinen leiblichen Vater. Was, wenn er gar nichts von mir weiß?«

»Wenn du das Gefühl hast, du müsstest es tun, dann mach es. Aber überprüf sie zuerst. Beauftrage nicht einfach irgendjemanden aus dem Telefonbuch.«

»Ich passe schon auf.«

 

Am nächsten Tag rief ich bei dem Privatdetektiv mit der schicksten Website an, aber sobald er mir seinen Tarif nannte, wusste ich, wieso er sich so was leisten konnte. Bei den nächsten beiden Nummern landete ich direkt auf einem Anrufbeantworter. Der vierte, TBD Ermittlungen, hatte eine sehr schlichte Website, aber die Frau des Mannes klang am Telefon freundlich und sagte mir, »Tom« würde mich zurückrufen. Was er eine Stunde später auch tat. Als ich ihn nach seiner Vorgeschichte fragte, erklärte er, dass er ein pensionierter Cop sei und den Job mache, um genug Geld fürs Golfspielen zu haben und sich seine Frau vom Leibe zu halten. Er gefiel mir.

Er rechnete stundenweise ab und nahm einen Vorschuss von fünfhundert Dollar. Wir verabredeten uns für den Nachmittag. Als ich auf dem öffentlichen Parkplatz neben Toms Wagen anhielt, kam ich mir vor wie in einem schlechten Film, aber nachdem wir uns ein paar Minuten unterhalten hatten und er mir versicherte, dass er alles, was er herausfände, vertraulich behandeln würde, fühlte ich mich besser. Ich füllte seine Formulare aus und fuhr mit gemischten Gefühlen davon. Ich empfand Schuld, weil ich in Julias Privatsphäre eindrang und ihre Adresse preisgegeben hatte, Hoffnung, meinen richtigen Vater zu finden, und Angst, dass er mich ebenfalls nicht kennenlernen wollte.

 

Tom hatte mir gesagt, dass ich vielleicht nicht sofort von ihm hören würde, doch er rief bereits zwei Tage später an, als ich nach dem Abendessen am Aufräumen war.

»Ich habe die Informationen, die Sie haben wollten.« Die freundliche Großvaterstimme war verschwunden, jetzt war er ganz der ernsthafte Cop.

»Will ich sie wissen?« Ich lachte. Er nicht.

»Sie hatten recht, Julia Laroche ist nicht ihr richtiger Name – der lautet Karen Christianson.«

»Interessant. Wissen Sie, warum sie ihn geändert hat?«

»Sagt Ihnen der Name nichts?«

»Sollte er?«

»Karen Christianson war die einzige Überlebende des Campsite-Killers.«

Ich schnappte nach Luft. Vom Campsite-Killer hatte ich gehört, ich habe mich schon immer für Serienmörder und ihre Verbrechen interessiert. Evan fand das morbid, aber sobald im Fernsehen eine Sendung über einen bekannten Mordfall lief, hing ich vor der Glotze. Sie haben alle so reißerische Namen wie Zodiac-Killer, Vampirvergewaltiger, Green-River-Mörder, doch beim Campsite-Killer konnte ich mich nicht mehr an viel erinnern – außer, dass er Leute im Landesinneren von British Columbia umbrachte.

Tom redete immer noch. »Ich wollte ganz sicher sein, also bin ich runter nach Victoria gefahren und habe ein paar Aufnahmen von Julia an der Uni gemacht und sie dann mit Fotos von Karen Christianson im Internet verglichen. Sieht aus, als sei es dieselbe Frau.«

»O Gott, kein Wunder, dass sie ihren Namen geändert hat. Wann wurde sie überfallen?«

»Vor fünfunddreißig Jahren«, sagte Tom. »Ein paar Monate darauf zog sie auf die Insel und änderte ihren Namen.«

Etwas Kaltes und Dunkles breitete sich in meinen Eingeweiden aus.

»In welchem Monat wurde sie überfallen?«

»Im Juli.«

Meine Gedanken rasten, und ich überschlug Daten und Zeiträume. »Ich werde im April vierunddreißig. Sie glauben doch nicht …«

Er schwieg.

Ich taumelte zurück, sackte auf einen Stuhl und versuchte zu begreifen, was er mir gerade erzählte. Aber meine Gedanken befanden sich in einem heillosen Durcheinander, waren nichts als Bruchstücke, die ich nicht zu fassen bekam. Dann dachte ich an Julias blasses Gesicht, ihre bebenden Hände.

Der Campsite-Killer ist mein Vater.

»Ich … ich meine … sind Sie sicher?« Ich wollte, dass er mir widersprach, dass er mir sagte, ich hätte mich verhört, würde da falsch denken, irgendetwas.

»Karen ist die einzige Person, die es bestätigen könnte, aber die Daten passen.« Schweigend wartete er darauf, dass ich etwas sagte, aber ich starrte nur auf unseren Kalender am Kühlschrank. Allys beste Freundin, Meghan, feierte am Wochenende Geburtstag. Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich schon ein Geschenk für sie besorgt hatte oder nicht.

Toms Stimme klang wie aus weiter Ferne. »Falls Sie noch weitere Fragen haben, meine Nummer haben Sie. Ich schicke Ihnen die Bilder, die ich von Karen gemacht habe, zusammen mit der Rechnung.«

 

Ein paar Minuten saß ich in meiner Küche und starrte immer noch den Kalender an. Oben hörte ich eine Schranktür zuknallen, und mir fiel ein, dass Ally im Bad war. Um diese Sache musste ich mich später kümmern. Ich zwang mich, vom Stuhl aufzustehen. Ally war schon wieder aus dem Badezimmer raus und hatte eine Spur aus nach Erdbeeren duftendem Badeschaum und nassen Handtüchern hinterlassen.

Normalerweise liebe ich es, sie ins Bett zu bringen. Beim Rumkuscheln erzählt sie mir, was am Tag alles passiert ist, teils kleines Mädchen, das manche Wörter falsch ausspricht, teils kleine Frau, wenn sie beschreibt, was die anderen Mädchen angehabt haben. Früher, als ich noch Single war, durfte sie immer in meinem Bett schlafen. Ich liebte die Nähe, liebte es, sie neben mir atmen zu hören. Schon als ich schwanger war und Jason um die Häuser zog, konnte ich nur einschlafen, wenn ich die Hand auf meinen Bauch legte. Normalerweise war er bis in die Puppen unterwegs. Wenn ich ausflippte, und das tat ich immer, schob er mich einfach aus dem Zimmer und schloss ab. Ich schrie ihn durch die Tür an, bis ich heiser war. Schließlich verließ ich ihn, als ich im fünften Monat war. Er hat seine Tochter nie gesehen – einen Monat vor ihrer Geburt hat er seinen Truck an einen Baum gesetzt.

Zu seinen Eltern habe ich immer noch Kontakt, und sie sind echt klasse zu Ally. Erzählen ihr Geschichten über Jason und heben Dinge von ihm auf, für später, wenn sie älter ist. Ab und zu übernachtet sie bei ihnen. Beim ersten Mal hatte ich Angst, dass sie weinend aufwachen würde, aber es ging ihr gut. Ich war diejenige, die nicht schlafen konnte. Dasselbe am ersten Schultag – Ally schaffte das mit links, aber ich vermisste sie jede Minute, vermisste die Geräusche im Haus, vermisste ihr Kichern. Normalerweise lechze ich nach diesen kleinen Fenstern zu ihrem Leben draußen, weg von zu Hause, und will wissen, wie sie sich in jedem Moment gefühlt hat. »Hat es dich zum Lachen gebracht?« »Hast du irgendetwas daraus gelernt?« Doch an diesem Tag gingen mir immer wieder Toms Worte durch den Kopf: Die Daten passen. Es fühlte sich unwirklich an, es konnte nicht wirklich wahr sein.

Als Ally eingeschlummert war, küsste ich ihre warme Stirn und ließ Elch bei ihr. In meinem Büro machte ich den Computer an und googelte den Campsite-Killer. Die erste Website in der Liste war seinen Opfern gewidmet. Während düstere Musik aus den Lautsprechern erschallte, scrollte ich durch die Fotos seiner Opfer mit den Namen und Todesdaten unter dem Bild. Die Überfälle hatten von den frühen Siebzigern an alle paar Jahre stattgefunden, aber manchmal hatte er auch zwei Sommer in Folge zugeschlagen. Dann waren wieder Jahre vergangen, ohne dass er irgendwo aufgetaucht war.

Ich klickte auf einen Link, der mich zum PDF einer Karte brachte, auf der jeder Ort, an dem er jemanden umgebracht hatte, mit einem kleinen Kreuz markiert war. Er war überall im Landesinneren und im Norden von British Columbia unterwegs, hatte jedoch nie in einem Park zweimal getötet. Wenn die Mädchen mit ihren Eltern oder ihrem Freund zelteten, brachte er diese zuerst um. Doch es war klar, dass die Frauen sein eigentliches Ziel waren. Ich zählte fünfzehn Frauen – gesunde, lächelnde, junge Frauen. Alles in allem schrieb man ihm mindestens dreißig Morde zu – er war einer der übelsten Serienmörder in der Geschichte Kanadas.

Auf der Website wurde auch die einzige Frau erwähnt, die ihm jemals entkommen war: sein drittes Opfer, Karen Christianson. Das Foto war grobkörnig, und sie hatte den Kopf von der Kamera abgewandt. Ich ging zurück zu Google und tippte Karen Christianson ein. Dieses Mal wurden zahlreiche Artikel aufgelistet. Im Sommer vor fünfunddreißig Jahren hatten Karen und ihre Eltern im Tweedsmuir Provincial Park in der westlichen Zentralregion von BC gezeltet. Die Eltern wurden im Schlaf in ihrem Zelt erschossen, Karen hingegen jagte er stundenlang durch den Wald, ehe er sie erwischte und vergewaltigte. Ehe er sie umbringen konnte, gelang es ihr, ihm mit einem Stein auf den Kopf zu schlagen und zu fliehen. Zwei Tage lang irrte sie in den Bergen herum, bis sie endlich aus dem Wald herausstolperte und ein vorbeifahrendes Wohnmobil anhielt.

Auf den meisten Fotos hatte sie ihr Gesicht versteckt, aber ein paar eifrige Journalisten hatten ihr Bild vom Abschlussjahr im Jahrbuch ihrer Highschool gefunden, aufgenommen nur wenige Monate vor jenem verhängnisvollen Sommer. Ich betrachtete das Bild des hübschen dunkelhaarigen Mädchens mit den braunen Augen. Sie sah Julia sehr ähnlich.

Das Telefon klingelte, und ich fuhr zusammen. Es war Evan.

»Hi, Schatz. Ist Ally schon im Bett?«

»Ja, sie war heute müde.«

»Wie war dein Tag, irgendetwas vom Privatdetektiv gehört?«

Normalerweise erzähle ich Evan alles, sobald er zur Tür hereinkommt oder ans Telefon geht. Doch dieses Mal blieben mir die Worte im Halse stecken. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken, um alles einzusortieren.

»Hallo?«

»Er ist noch dabei.«

In dieser Nacht lag ich in meinem Bett und starrte die Decke an, versuchte, die entsetzlichen Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben und nicht daran zu denken, wie Julia ihr Gesicht von den Kameras wegdrehte, weg von mir. Stunden später wachte ich aus einem Traum auf, mein Nacken war schweißnass. Ich fühlte mich verkatert, mein Mund war trocken. Traumfetzen fielen mir ein – ein Mädchen rennt barfuß durch den dunklen Wald, ein blutiges Zelt, schwarze Leichensäcke.

Dann fiel es mir wieder ein.

Ich drehte mich um und sah auf die Uhr. 5:30. Nach diesem Albtraum noch einmal einzuschlafen konnte ich vergessen. Wie ein von einem Magneten angezogenes Stück Metall setzte ich mich wieder an den Computer. Ich betrachtete die Fotos der Opfer, las jeden Artikel über den Campsite-Killer, den ich finden konnte, erfüllt von Angst und Abscheu. Ich studierte alle Zeitungsartikel über Julia, jeden Informationsschnipsel in jeder Zeitschrift, musterte prüfend jedes Foto. Die Reporter hatten sie wochenlang verfolgt, hatten ihr Haus belagert und waren ihr überallhin gefolgt. Es waren hauptsächlich kanadische Medien, aber auch einige US-amerikanische Zeitungen hatten die Story aufgegriffen und verglichen Karen mit einem von Ted Bundys Opfern, das ebenfalls entkommen war. Als Karen verschwand, verlegten sich die Artikel auf Spekulationen darüber, wo sie sein mochte, doch allmählich wurde die Berichterstattung spärlicher.

An diesem Morgen erhielt ich auch die E-Mail von Tom mit Julias Fotos – an der Universität, wie sie zu ihrem Auto ging oder mit Katharine vor ihrem Haus stand. Ich verglich die Bilder mit den Fotos von Karen Christianson aus dem Internet. Es war definitiv dieselbe Frau. Auf einer Aufnahme berührte Julia eine Studentin am Arm und lächelte ihr aufmunternd zu. Ob sie mich berührt hatte, nachdem sie mich zur Welt gebracht hatte? Oder hatte sie einfach nur gesagt, man solle mich fortbringen?

 

In der letzten Woche habe ich zwar meinen Alltag bewältigt, aber ich fühlte mich matt, wie ausgeschaltet – und wütend. Ich wusste nicht, was ich mit dieser neuen Realität anfangen sollte, mit dem Wissen um meine Horrorherkunft. Ich wollte es hinten im Garten vergraben, weit weg von irgendwelchen Blicken. Meine Haut begann zu jucken, wegen dieses Wissens, wegen des Bösen, das ich erblickt und das mich geschaffen hatte. Ich duschte ewig lange. Nichts half. Der Dreck war innen.

Als Kind dachte ich immer, meine leiblichen Eltern kämen zurück, wenn ich nur brav genug wäre. Wenn ich etwas angestellt hatte, fürchtete ich, sie könnten es herausfinden. Jede gute Schulnote diente dazu, ihnen zu zeigen, wie klug ich war. Wenn Dad mich ansah, als versuche er herauszufinden, wer mich in sein Haus gelassen hatte, sagte ich mir, dass sie kommen würden. Wenn ich sah, wie er Melanie und Lauren huckepack nahm, nachdem er mir gesagt hatte, er sei zu müde, sagte ich mir, dass sie kommen würden. Wenn er mit den beiden schwimmen ging und mich zurückließ, damit ich den Rasen mähte, sagte ich mir, dass sie kommen würden. Sie kamen nie.

Jetzt wollte ich nur noch vergessen, dass sie überhaupt existierten. Doch egal, was ich tat, egal, welche der Millionen Möglichkeiten ich ausprobierte, um mich abzulenken, ich wurde das düstere, bleierne Gefühl nicht los, das auf meine Brust drückte und meine Beine beschwerte. Evan war für den Großteil der Woche mit einer Gruppe in einem Gebiet unterwegs, in dem sein Handy keinen Empfang hatte. Als er schließlich anrufen konnte, versuchte ich ihm zuzuhören, als er von der Lodge erzählte, versuchte passend zu antworten, versuchte, ihm von Allys Tag zu erzählen. Nach einer Weile beendete ich das Gespräch unter dem Vorwand, ich sei müde. Ich würde es ihm erzählen, ich brauchte nur noch mehr Zeit. Doch am nächsten Morgen kam er sofort darauf zu sprechen.

»Also, was ist los? Willst du mich nicht mehr heiraten?« Er lachte, doch er klang besorgt.

»Vielleicht willst du mich nicht mehr heiraten, wenn du das gehört hast.« Ich holte tief Luft. »Ich habe herausgefunden, warum Julia gelogen hat.« Ich schaute zur Tür, weil ich wusste, dass Ally bald aufstehen würde.

»Julia? Ich weiß nicht, wen …«

»Meine leibliche Mutter, erinnerst du dich? Der Privatdetektiv hat sich letzte Woche gemeldet. Er hat mir erzählt, dass ihr richtiger Name Karen Christianson ist.«

»Warum hast du mir nicht gesagt, dass ihr sie gefunden habt?« Er klang verwirrt.

»Weil ich außerdem herausgefunden habe, dass mein richtiger Vater der Campsite-Killer ist.«

Stille.

Schließlich sagte Evan: »Komm schon. Du meinst doch nicht etwa …«

»Ich meine damit, dass mein richtiger Vater ein Killer ist, Evan. Ich meine damit, dass er meine Mutter vergewaltigt hat. Ich meine …« Ich konnte nicht sagen, was mir sonst noch Albträume bereitete. Dass mein Vater immer noch irgendwo da draußen war.

»Sara, ganz ruhig. Ich versuche noch, das alles zu begreifen.« Als ich nichts erwiderte, sagte er: »Sara?«

Ich nickte, obwohl er mich nicht sehen konnte. »Ich weiß nicht … ich weiß nicht, was ich machen soll.«

»Fang ganz am Anfang an und erzähl mir, was los ist.«

Ich lehnte mich gegen das Kissen und klammerte mich an die Stärke in Evans Stimme. Sobald ich alles erklärt hatte, sagte er: »Und du weißt ganz sicher, dass Julia diese Karen ist?«

»Ich habe mir ihre Bilder im Internet angesehen. Sie ist es.«

»Aber es gibt keinen Beweis, dass der Campsite-Killer dein Vater ist. Das ist alles bloße Spekulation. Sie könnte danach auch mit einem anderen Kerl was gehabt haben.«

»Vergewaltigungsopfer ›haben‹ normalerweise nicht direkt danach was mit irgendjemandem. Und da lebt eine Frau in ihrem Haus – ich glaube, sie ist lesbisch.«