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Mit Autor und Moderator Nilz Bokelberg auf Entdeckungstour in seiner Heimatstadt Köln. Warum lieben die Kölner ihren Dom so sehr? Wie feiert man Karneval richtig? Welches Kölsch sollte man trinken und wo schmeckt es am besten? Wo und mit wem flirtet es sich besonders gut? Und woher kommt eigentlich die gute Laune der Kölner? Diese und weitere wichtige Fragen beantwortet Nilz Bokelberg auf humorvolle Art, nimmt Leserinnen und Leser mit auf Streifzüge durch die rheinische Metropole und führt zu seinen persönlichen Lieblingsorten: eine sehr unterhaltsame Mischung aus Anekdoten und Beobachtungen, Fun Facts und Tipps. Und kommt zu der Erkenntnis, dass die Welt bestimmt etwas schöner werden würde, wenn wir alle Kölner wären.
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Seitenzahl: 223
© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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GRÄFE UND UNZER Verlag
Grillparzerstraße 12
81675 München
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Text: Nilz Bokelberg
Redaktion und Projektmanagement: Anne-Katrin Scheiter
Lektorat: Regina Carstensen
Bildredaktion: Petra Ender
Schlusskorrektur: Chris Tomas
Covergestaltung: Favoritbuero Gbr
Kartografie: Gerald Konopik, Fürstenfeldbruck
eBook-Herstellung: Maria Prochaska
ISBN 978-3-8464-0966-4
1. Auflage 2022
GuU 4-0966 11_2022_02
Bildnachweis
Coverabbildung: Auf der Dachterrasse des 25hours Hotel, Köln © Heike Sieber
Umschlagfotos: Kranhäuser am Rhein © stock.adobe.com/Dennis; Autorenfoto © Patricia Haas
Alle Fotos © Heike Sieber außer: akg-images: Rainer Hackenberg; Alamy Stock Photo: Hackenberg-Photo-Cologne; Bokelberg, Nilz; Getty Images: Thierry Monasse, Westend61; Huber Images: Christian Bäck; imageBROKER: Joko; KFS; imago images: Eckhard Stengel, Kolvenbach, CHROMORANGE, imagebroker, Manngold, Panama Pictures; laif: Ali Ali, Jock Fistick, Manfred Linke; mauritius images: Alamy/Bildarchiv Monheim GmbH, Alamy/David Bartlett, Christian Bäck, Raoul Menne, Travel Collection; picture alliance: dpa, dpa/dpaweb, Hackenberg-Photo-Koeln klein, nordphoto, NurPhoto, Oliver Berg, Panama Pictures, REUTERS, SZ Photo, ZB 51, Zoonar; seasons.agency/Jalag: Borges, Darshana, Litwa, Maria M.; Shutterstock: Chris Dudek, cktravels.com, Christian Mueller, Ilari Nackel, Umschlag innen, Nina Alizada, rantic00, saiko3p, Travelpixs, Uwe Aranas; stock.adobe.com: Isabel, Kotarl, laraslk, Richard Kleu, Tom Bayer, stock.adobe.com/YH; StockFood: Eising Studio; ullstein bild: Hackenberg.
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Schilderungen in diesem Buch basieren auf subjektiven Erinnerungen. Die Dialoge geben nicht wortwörtlich, sondern sinngemäß vergangene Gespräche wieder. Einige Namen und die Merkmale einzelner Personen wurden zum Schutz ihrer Privatsphäre geändert.
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Köln ist das gallische Dorf im deutschen Römerland – obwohl es römischer ist als alle anderen Dörfer. Köln ist bunt und aufregend. Köln ist die nächstmögliche Paradies-auf-Erden-Version unter deutschen Städten. Das verdankt Köln seinen Menschen, seiner zentralen Lage, seiner Gemütlichkeit, seiner queeren Szene, seinem Sendungsbewusstsein, seinen hässlichen Gebäuden, ja, auch seinen schönen Gebäuden, seiner niedrigschwelligen Möglichkeit sich zu vernetzen, seinem Nebeneinander von Historie und Moderne, vom Beginn der Zivilisation bis heute, auch seiner Internationalität, die gleichzeitig so provinziell ist. Und natürlich dem Karneval. Und dem schönen Dom.«
Nilz Bokelberg
Kölner:innen haben ein Herz für Schlitzohren und für die Liebe und ein offenes Ohr für jeden am Tresen. >
Ewig wurde am Kölner Dom gebaut, das Geld pumpte erst der König rein, danach ein Glücksspiel. >
Irgendwer kennt immer irgendwen, der für irgendjemand nützlich sein kann. >
Der Rhein ist kein Nebenarm eines Nebenarms, sondern die direkte Verbindung nach Rom. >
Böse Zungen behaupten, dass die Kölner:innen zu selbstverliebt wären, um Unglück zu erkennen. >
Ohne die kölschen Frauen gäbe es keine Rubensfiguren. >
Auf nach »Köllefornia«: mit Halvem Hahn, Flönz, Soorbrode und einem frisch gezapften Kölsch. >
Köln ist das römischste Rom außerhalb Roms, weil man hier in einem Live-Museum lebt. >
Rheinischer Frohsinn von Weiberfastnacht bis zur Nubbelverbrennung – alle Sünden der Welt sind dann gebüßt. >
Kölschrock mit Lukas Podolski, BAP, den Höhnern und Bläck Fööss. >
Die ewigen Kabbeleien mit den Düsseldorfern sind nur ein Spaß – aber ein sehr großer. >
Kölner:innen lieben ihre Sprache, weil sie so einen schönen Singsang hat und den noch schöneren Genitiv. >
Die Kölner:innen haben das Paradies noch nicht erreicht – aber es sich auf dem Weg dahin schon sehr bequem gemacht. >
Wer in der Dämmerung am Fuß der Hohenzollernbrücke steht, dem springt der Kölner Dom ins Auge – man kann da nur ein Herz formen.
Ich komme aus dem Rheinland, bin in dem kleinen Städtchen Wesseling aufgewachsen, das am Rhein direkt zwischen Köln und Bonn eingeklemmt ist. Etwas näher an Köln, denn Köln grenzt direkt mit einem Stadtteil an Wesseling an (Godorf, das man in Köln eigentlich nur wegen seinem IKEA kennt), bis Bonn hingegen muss man sich noch durch einige Rheindörfer schlagen. Tatsächlich hat Wesseling auch mal ganz kurz zu Köln gehört.
*Schön, dass du da bist!
Das war so: Als Köln mit dem sogenannten Köln-Gesetz eine große (und überfällige) Gebietsreform durchführte, wurde Wesseling zu Köln eingemeindet. Allerdings nicht ganz freiwillig. Sicher, wenn Wesselinger in der Fremde sind, geben sie sich immer als Kölner aus. Das ist cooler und auch einfacher zu erklären. Aber so eine feindliche Übernahme, wenn auch von einem Freund, die hat den Wesselingern nicht geschmeckt. Und so haben sie geklagt und Recht bekommen, und schon anderthalb Jahre später gehörte Wesseling nicht mehr zu Köln. Zumindest nicht auf dem Papier. Im Hätz (= Herz) aber sehr wohl.
Köln hat mich geprägt wie keine andere Stadt.
Wo war ich? Ach ja: Wie für so viele Wesselinger war Köln meine erste Großstadt. Mein erstes Kneipenviertel. Meine erste richtige Konzertheimat. Auch die erste Großstadt, in die ich gezogen bin. Wo ich dann meinen ersten Stammclub hatte. Meinen ersten Job. Meine ersten sexuellen Eskapaden. Und meine erste und bis dato auch einzige Mitgliedschaft in einem Sparverein in einer Kneipe. Was soll ich sagen: Diese Stadt hat mich geprägt wie kein anderer Ort auf der Welt. Und auch wenn ich viel rumgekommen bin und die Mieten in Köln mittlerweile für einen schlechten Witz halte – selten bin ich so glücklich und zufrieden, wie wenn ich dort bin. Die Tage vergehen ganz besonders, die Abende sind lang, die Stimmung ist gut. Zeit funktioniert in Köln anders als in allen anderen Städten, die ich kenne. Vielleicht funktioniert sie dort gar nicht, vielleicht haben die Kölner:innen ein anderes Konzept von Tageseinheiten. Nicht umsonst hat der Dom keine Kirchturmuhr! (Korinthenkacker werden jetzt einwenden, dass eigentlich gar kein nennenswerter Dom eine Kirchturmuhr hat, aber nur weil andere das auch nicht haben, schmälert das ja nicht mein Argument …) Man verabredet sich nicht zu Uhrzeiten, sondern an Orten. Das befreit ungemein. Man trifft sich nicht »um acht bei Peter«, sondern »beim Pitter«. Man braucht dafür keine Uhrzeit, denn beim Pitter ist sowieso immer irgendwer, den man kennt. Und so ist Köln durchzogen von magischen Orten. Von potenziellen Treffpunkten. Und an jedem Ort weiß man ungefähr, wen man dort sieht. Es gibt Clubs, in denen man nur Sportstudenten trifft, Bars, in denen nur ehemalige Musikredakteure am Tresen hängen, und Imbisse, an denen nur Taxifahrer essen. Und mittendrin steht man dann und überlegt, worauf man heute Lust hat: kölsche Lieder oder kölsche Leader. Das Beste aber ist: Egal wie man sich entscheidet, man wird Einzigartiges erleben. Man wird Herzliches erleben. Und wie sehr man sich auch dagegen wehrt, man wird schnell feststellen: Die Welt wäre ein schönerer Ort, wenn alle Menschen Kölner:innen wären.
Der Kölner Dom ist nicht zu übersehen – da hat es sogar die Philharmonie schwer.
Selbst Schafe finden Köln toll – genüssliches Grasen auf den Poller Wiesen.
Geselliges Zusammentreffen auf dem Brüsseler Platz im Belgischen Viertel.
»Köln ist nicht perfekt, aber vollkommen, es ist vollkommen Köln.«
Heinrich Böll
Vier erhalten gebliebene Stadttore aus dem Mittelalter – das ist das Eigelsteintor.
Köln ist Musik pur – Auftritt einer Band in einem Schaufenster.
Man kann nur mitmachen oder abhauen: Jecken bei einem Karnevalsumzug.
Für mich ist der Wochenmarkt in Köln-Nippes einer der schönsten.
Kölner:innen lieben es gemütlich – im Stadtgarten spielt Zeit keine Rolle.
Eine Perspektive ohne Dom ist nicht möglich, da kann sich die romanische Kirche Groß St. Martin in der Altstadt noch so sehr in Szene setzen wollen.
Wallfahrtsort Hohenzollernbrücke: Verliebte befestigen hier Schlösser und werfen dann den Schlüssel in den Rhein – ganz Clevere behalten aber einen Zweitschlüssel.
Kölner:innen haben ein Herz für Schlitzohren und für die Liebe und ein offenes Ohr für jeden am Tresen.
Ewige Liebe und Treue – wünschen sich auch viele Kölner:innen …
Ich habe keinen Ort in Deutschland erlebt, in dem man so viel Wert auf Zwischenmenschlichkeit legt wie in Köln. Und zwar eine fast rührend selbstverständliche, unverurteilende und großzügige Zwischenmenschlichkeit, die den im ganzen Land abfällig gemeinten Spruch »Kommste heut nicht, kommste morgen« mit zärtlicher Gutgemeintheit auflädt.
* »Leute sind auch Menschen«
Zeit ist in Köln ein recht dehnbarer Begriff, dem man mit stoischer Gelassenheit begegnet: Der Handwerker kommt laut Ankündigung irgendwann zwischen 7 Uhr morgens und 22 Uhr nachts? Wo beispielsweise der Berliner sich sofort in Wuttiraden à la »Na, mit uns könnses ja machen!« versteigt, denkt der Kölsche: »Geil, einen Tag nur warten!«
Denn warten, das kann der Kölner ganz fantastisch. Weil er sowieso andauernd auf irgendwas warten muss. Aufs nächste Kölsch, auf den Rosenmontagszoch, auf die KVB (die Kölner Verkehrsbetriebe). Das schult ungemein. Man lernt, sich seinem Schicksal zu fügen. Und das darf keineswegs fatalistisch verstanden werden. Aber wieso Energie investieren und sich aufregen, wenn davon die Bahn auch nicht schneller kommt? Dann doch lieber diese neu gewonnene Zeitinsel für etwas Nützliches verwenden. Zum Beispiel für ein Kölsch vom Büdchen oder ein kleines Schwätzchen mit seinen Leidensgenossen an der Haltestelle.
In solchen Momenten wird einem immer wieder klar, dass der Paragraf »Et kütt wie et kütt«** aus dem kölschen Grundgesetz nicht nur eine hohle Phrase, sondern gelebte Realität in Köln ist.
** »Es kommt, wie es kommt«
Das kölsche Grundgesetz ist ein von dem Kabarettisten Konrad Beikircher verfasstes, zehn, manchmal elf Paragrafen langes Regelwerk, das als einziges Regelwerk der Welt die Leute, die es betrifft, eher beschreibt, wie sie sind, als vorschreibt, wie sie zu sein haben.
Andere Geschichte: Ich saß mal vor längerer Zeit in Köln in der Bahn nach Hause. Es war kein besonders guter Tag, ich war schlecht gelaunt, irgendwas hat nicht so hingehauen, wie ich es mir gewünscht hab. Und so bin ich am Friesenplatz in die Bahn gestiegen, hab mich auf einen Sitz fallen lassen und wollte nur noch nach Hause. Die Bahn fuhr los. Da hörte ich den einen Spruch, den man in diesem Moment auf gar keinen Fall hören will: »Fahrscheinkontrolle. Die Fahrausweise, bitte!«
Das hatte mir gerade noch gefehlt, an diesem Kacktag. In Köln sind in den Bahnen noch Ticketautomaten. Ich hätte zu einem gehen und erklären können, ich sei gerade erst eingestiegen, ich wollte mir eh einen holen … blablabla. Wie man das in so einer Situation eben macht: Das Gegenüber völlig zutexten in der Hoffnung, die Person gibt auf und lässt einen passieren. Aber an diesem Tag war ich so bedient, dass ich nicht mal darauf Bock hatte. Der Tag war Müll, und wenn er mir diesen Ticketkontrollen-Müll noch als Sahnehäubchen obendrauf servieren wollte, dann sollte das so sein. Dann müsste ich nun mal erhöhtes Beförderungsentgelt bezahlen, ich hatte es anscheinend nicht anders verdient. Denn ich bin ja schließlich auch schwarzgefahren (übrigens ein richtiger Scheißausdruck, bei dem wir uns ruhig mal was Besseres einfallen lassen können …). Richtig sauer richtete ich mich in meinem Schicksal ein. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Kölner gemacht.
Ein alter Kontrolleur, vielleicht in seinen 60ern, vielleicht schon darüber hinaus, vielleicht aber auch nur sehr, sehr alt aussehend (keine Ahnun,g wovon – eventuell Fortuna-Fan?), kam an meinen Platz, zeigte mir seinen Ausweis und sagte, mit einer traurigen, genervten Stimme: »Den Fahrausweis, bitte«, und ich antwortete trotzig-frustriert: »Hab ich nicht.« Wir sahen uns an. Sein leerer Blick, seine Erschöpfung und meine Trauer trafen sich auf halber Strecke und hatten nichts als tiefsten Respekt voreinander. Und dann sagte er zu mir: »Aber Sie wollten sich doch gerade einen holen, oder?« Ich sah ihn jetzt verwundert an, vermutlich so verwundert, dass er noch einmal mit Nachdruck sagte: »Oder?« Ich verstand. Sagte: »Ja klar!« und sprang auf und zog mir ein Ticket. Er hatte mich gerettet. Hat mir angedeutet, dass es doch noch ein guter Tag werden könnte. Hat mir zu verstehen gegeben, dass einem schlechte Laune doch nicht den ganzen Tag verhageln sollte, dass man sich nie seinem Schicksal einfach so ergeben sollte. In Wirklichkeit war er vermutlich einfach zu müde und hatte gar keinen Nerv auf den ganzen Papierkram oder fand seinen Job eh so scheiße, dass er gar keine Lust hatte, Menschen wegen einem dämlichen Ticket Scherereien zu bereiten, wenn die Lösung doch derart einfach war. Aber das ist egal. Wichtig ist, was wir voneinander gedacht haben, und da habe ich nichts als warme Gedanken und Gefühle für den traurigen, alten Kontrolleur aus der Linie 4, der mir viel Geld erspart hat. Und auch hier: Kaum vorstellbar in einer anderen Stadt. Wer jemals Kontrolleure in München oder Hamburg erlebt hat, weiß, was ich meine. So sind Begegnungen mit Fremden in Köln. Es gibt beiderseitiges Interesse. Und das ist auch wichtig, wenn man den Abend zum Beispiel in einer Kneipe verbringt.
Wie oft stand ich schon an irgendwelchen Tresen und hab Leute und ihre Geschichte kennengelernt, die mich an diesem Abend absolut fasziniert haben und die ich nie mehr wiedergesehen hab. Denn so ist das Leben halt: flüchtig. Und jeder Augenblick ist es wert, gefüllt zu werden. Mit Geschichten, die man noch nicht kennt.
Ich habe mal eine Zeit lang in Hamburg gelebt. Der Liebe wegen. Es ist eine wunderschöne Stadt, mit tollen Menschen, tollen Orten, einem einzigartigen Kulturverständnis. Wir haben dieser Stadt eine Menge fantastischer Musik zu verdanken, von Hip-Hop bis zur »Hamburger Schule«, einer der wichtigsten Strömungen deutschsprachigen Indie-Gitarren-Rocks. Aber als ich da wohnte, kam ich nicht so richtig klar. Und hab nicht gewusst, wieso. Bis ich mich eines Abends mit einem Hamburger unterhielt und ihm mein Leid klagte. Der sagte dann nämlich zu mir: »Weißt du, Nilz, Hamburger sind sehr schwer zu erobern. Aber wenn du sie dann mal zum Freund hast, dann fürs Leben!«
Hein, einer der Besitzer der Kultkneipe Klein Köln – leider steht er nicht mehr hinter dem Tresen.
Und das ist ja genau der Knackpunkt: Diese Ernsthaftigkeit, diese Verbindlichkeit, die ist ganz sicher etwas Besonderes, etwas sehr Ehrenhaftes. Aber mal bitte ganz im Ernst: Wenn ich abends in die Kneipe gehe und einen schönen Abend haben will, dann suche ich doch nicht den Freund fürs Leben. Klar, ich freu mich, wenn der sich aus Versehen findet und daraus etwas Besonderes erwächst, aber wenn ich am Tresen stehe, dann will ich über Gott und die Welt philosophieren, und dann geben wir uns einen Schnaps aus, weil wir in diesem Moment eine echte Verbindung spüren, selbst wenn wir gar nicht einer Meinung sind. Und wenn ich morgens aufwache, ist dieser Abend eine lustige Erinnerung und mehr meistens nicht, und das ist doch schon so wertvoll und besonders, dass ich mir gar nicht vorstellen kann, das als zu wenig zu empfinden.
Ich erinnere mich an einen Abend, viele Jahre her, an dem ich zufällig den Schauspieler und, nun ja, Ballermann-Sänger Willi Herren, rest in peace, über den Weg gelaufen bin. Ich hatte den schon mal auf irgendeiner Veranstaltung gesehen, und er hatte sich auch sofort an mich erinnert. Sicher kein Gesprächspartner für tiefenpsychologische Analysen, aber »ne leeve Jung«, wie man in Köln so schön sagt. Wir sind dann in einen der berüchtigten Läden gegangen, die auch unter der Woche geöffnet haben. Das Palm Beach (mittlerweile geschlossen). Und er fragte mich, ob wir nicht was trinken wollen würden. Klar, dachte ich, wieso nicht. Er bestellte also für mich einen Wodka Lemon mit, für sich einen Wodka Bull. Wir stießen an, er ging und der Barkeeper meinte zu mir, ich müsse noch die Drinks zahlen. Ich stand kurz bedröppelt an der Theke und hab mich dann kaputtgelacht: War doch witzig. Was für ein Schlitzohr!
So ist das in Köln. Ein Herz für Schlitzohren, ein offenes Ohr für jeden am Tresen und ein gelebtes »So jung kommen wir nicht mehr zusammen« in jeder Kneipe der Stadt. Na ja. Außer vielleicht in Godorf. Aber da geht man ja eh nur für Köttbullar hin.
Zufällig brausen Freunde vorbei – ein Plausch muss sein.
Dazu vielleicht erst mal eine Kleinigkeit aus der kölschen Kommunikation, die ich ganz rührend und bezeichnend finde. Ich hab es schon öfter erlebt, dass sich zwei Kölsche zufällig auf der Straße treffen.
Sagt der eine: »Wie isset?« (»Wie geht’s?«)
Antwortet der andere: »Et jeit öm dich!« (»Es geht um dich!«)
Wie schön ist das denn? Wie herzlich, wie aufmerksam? Was vielleicht nur eine Floskel ist, offenbart die besondere Fürsorge der Kölschen füreinander. »Et jeit öm dich« sagt ja nichts anderes als: »Ist doch egal, wie es mir geht, erzähl doch bitte erst mal von dir und deinen Freuden und Sorgen, das ist jetzt wichtiger.« Ich finde das so herzzerreißend schön. Wenn schon die Begrüßungsformeln von so einer Wertschätzung geprägt sind, wie herzlich ist dann der Umgang miteinander?
Meine kölschen Freundschaften sind alle von einer unabdingbaren Liebe zueinander geprägt. Wir finden uns alle toll, auch untereinander.
Es gibt kein: »Ach nee, wenn der kommt, komm ich nicht« oder so. Und sollten sich Leute aus verschiedenen Freundeskreisen auf der Straße begegnen, so geraten sie sofort ins Plaudern. In Berlin kommen die Leute nicht mal aus ihren Vierteln raus. Gut, da haben die Bezirke auch ungefähr die Größe von halb Köln, aber trotzdem. Ich liebe die Vielfalt in den Beziehungen, die ich mit meinen Freunden erlebe. Wir können in der Küche zusammensitzen und über die existenziellsten Probleme der Welt diskutieren, nur um im nächsten Moment bei einem Waldmeisterschnaps zu beschließen, dass die Welt da draußen uns jetzt ruft. Manch ein Leser oder eine Leserin mag nun behaupten, dass das ja gerade der Witz von Freundschaften sei. Aber ich habe das in dieser Qualität, in dieser Parallelität, eine Freundschaft genauso wichtig wie leicht zu nehmen, in keiner anderen Stadt erlebt.
Nun werfen gelegentlich Menschen den Kölner:innen eine gewisse Oberflächlichkeit vor, unter anderem aus den Gründen, die ich hier schon als positive Eigenschaft zu erklären versucht hab. Und dazu denkt der Kölsche nur: Jot. Und? Ist freundliche, zugewandte Oberflächlichkeit im Alltag nicht schöner, als deepe und ernst gemeinte Grummeligkeit? I am looking at you, Jever-Trinker im Regen, der es unter »Freundschaft fürs Leben« nicht macht!
Ach, der Kölsche ist ein Romantiker vor dem Herrn. Wenn man eine deutschlandweite Umfrage starten würde, käme mit allerhöchster Sicherheit dabei raus, dass Menschen aus Köln sich am schnellsten verlieben. Und warum denn auch nicht? Es ist das schönste Gefühl der Welt, es ist das, wonach wir alle streben. Warum sollten wir also nicht dafür sorgen, so viel wie möglich davon abzubekommen?
Geflirtet wird in Köln nicht sonderlich subtil. Und das ist auch nicht nötig: Wir wissen doch alle, warum wir hier sind, auf dieser Erde. Vielleicht trägt die Sozialisation durch den Karneval dazu bei, dass man nicht versucht zu verstecken, wenn man jemanden gut findet. Denn das kann man an Fasteloovend nun wirklich super üben, weil man sich da beispielsweise in einen Piraten, ein Huhn oder eine Römerin verguckt. Überhaupt ist Karneval das Fest der Liebe. Und wen wundert’s, wenn man beim gemeinsamen Singen und Schunkeln auf einmal tiefe Gefühle für jemanden entwickelt, der oder die einem vor einer Stunde noch völlig fremd war. Es ist die Magie der Musik, der Zauber der Gemeinschaft, die emotionale Wucht des gemeinsamen Musizierens, das süße Geheimnis des Verkleidens – all das kommt an Karneval zusammen und sorgt für eine Atmosphäre voll tief ergreifender Liebe und knisternder Erotik …
Na gut, vielleicht hilft auch noch das eine oder andere Kölsch nach. Aber wirklich nur als Unterstützung. Das Gefühl ist schon vorher da. Noch heute hat Köln zehn Monate nach Karneval die höchste Geburtenrate. All die kölschen Herbstkinder – das werden mal super Karnevalisten. Und die können ja dann die Familientradition fortführen.
Das eine oder andere Kölsch hilft sicher, um sich in eine romantische Stimmung zu bringen (und Kölner:innen sind Romantiker).
Aber mal im Ernst: Das sind vielleicht flüchtige Bekanntschaften, in den seltensten Fällen andauernde Liebesbeziehungen – aber was macht das schon? Ist die Liebe nicht lebenswert in all ihren Formen, Farben und vor allem: Längen? Eine dreitägige Karnevalsliebe kann unter Umständen romantischer und liebeserfüllter sein als eine langjährige Beziehung mit der Sandkastenliebe. Liebe nach Quantität zu bewerten, das ist kein kölscher Stil. Das ist ehrlich gesagt überhaupt kein Stil. Der Romantiker weiß, es ist schön, jemand an seiner Seite zu haben, die oder der mit einem durch dick und dünn geht, aber man muss die Liebe feiern, wie sie fällt. Und wenn Köln nicht sowieso mindestens die deutsche Hauptstadt des »Lieb, wen du willst« ist, dann weiß ich es auch nicht. Die Selbstverständlichkeit, mit der man hier schon lange den unterschiedlichen romantischen (oder auch erotischen) Vorstellungen begegnet, ist etwas, was definitiv die Lebensqualität dieser Stadt ausmacht. Das muss auch nicht heißen, dass jeder alles immer gut findet. Aber dass es nun wirklich charakterlich keinen Unterschied macht, ob jemand Frauen, Männer oder irgendwas dazwischen liebt, hat man in Köln verinnerlicht wie in kaum einer anderen Stadt in Deutschland. Und das ist der Verdienst der Sichtbarkeit, die sich die queere Community in Köln erkämpft hat. Denn was man immer wieder sieht und erlebt, wird irgendwann Normalität. So ist der Kölner CSD auch einer der größten im Land. Was nicht sehr verwunderlich ist: Die Liebe und ihre Vielfalt feiern, mit einem Zoch mitten im Sommer? Da simmer dabei, dat is prima!
Die Liebe kann und soll man immer und überall feiern, so leben Kölner:innen. Und dass so etwas einen Einfluss auf die Stimmung in einer Stadt hat, auf die Atmosphäre eines Ortes, das kann sich jeder ja wohl denken. Natürlich ist auch in Köln und zwischen Kölner:innen nicht immer alles eitel Sonnenschein. Auch in Köln wird gestritten und dabei nicht selten geschimpft wie ein Rohrspatz. Aber vielleicht lässt sich in puncto Konfliktbewältigung etwas von den Kölner:innen lernen. Denn, so viel schon vorweg: Man kann hier zwar streiten, aber man kann Knatsch nicht besonders lange aushalten.
»Kein Kirch ohne Bänk; kein Ih ohne Zänk« – also »Keine Kirche ohne Bänke; keine Ehe ohne Zank« ist ein kölsches Sprichwort, das schön illustriert, wie realistisch der Blick der Kölschen auf zwischenmenschliche Beziehungen ist – allen Romantikertums zum Trotz. Manchmal kracht es eben, manchmal knirscht es. Das gehört dazu. In Freundschaften, in Liebesbeziehungen, in familiären Beziehungen – sogar bei neuen Bekanntschaften am Tresen kann schon mal der Zank ausbrechen. Na und? Da wird sogar eine gewisse Streitlust zelebriert, bei der man sich mit den wildesten kölschen Schimpfwörtern überzieht, bis es dem Wirt zu viel wird und er jedem ein neues Getränk hinstellt. Wer anstößt, kann nicht schimpfen. Klar.
Kölner:innen haben, das mag an dieser Stelle so manchen überraschen, auch einen gelegentlichen Hang zum Drama. Und das nicht nur wegen seiner kathartischen Wirkung. Sondern auch, weil es einfach Spaß macht. Wenn man nicht ab und zu mal im Leben übertreibt, wozu machen wir den ganzen Driss denn dann sonst? Und das ist eben das Schöne am Streit: Da ist Übertreibung erwünscht. Aber auch da hat der Kölner eine Technik verinnerlicht, die wieder zeigt, wie wichtig ihm das Gegenüber ist: Denn so richtig regt er sich erst auf, wenn die Person, mit der er im Clinch ist, nicht da ist. Bevorzugt mit dem besten Freund oder der besten Freundin (wenn gerade niemand greifbar ist, geht auch ein Taxifahrer oder Frittenbudenbetreiber oder sonst jemand, der nicht wegkann), wird sich einmal richtig ausgekotzt. Die zuhörende Person hat da wirklich nur diese eine Funktion: zuhören. Man sollte tunlichst nicht zustimmen, da man sich damit sehr unbeliebt macht. Schimpfen dürfen nur die Streitparteien, alle anderen dürfen zuhören.
Klar, Hannoveraner werden jetzt einwenden, dass das »lästern« sei und »hinter dem Rücken« der anderen Person und so. Das ist eine Sichtweise. Aber eine sehr negative, seinen Mitmenschen immer das Schlechteste unterstellende. Es ist doch so: Dass man sich jemand anderen als Blitzableiter sucht, um dann zurückzugehen und sich wieder zu vertragen, ist doch ein zutiefst humanistischer, menschenliebender Akt. Denn so sind sie, die Kölner:innen. Sie haben genau verstanden, was das Problem an Streit ist.