Outlaw - Lee Child - E-Book

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Lee Child

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Beschreibung

Jack Reacher ist 100% Adrenalin!

Zwei gottverlassene Dörfer in Colorado. Hope und Despair. Hoffnung und Verzweiflung. Dazwischen nichts weiter als meilenweit Niemandsland. Jack Reacher, per Anhalter unterwegs, strandet ausgerechnet in Despair. Er will nur einen Kaffee trinken und dann weiterziehen, doch vier düstere Gesellen wollen ihn wegen Landstreicherei von der Gemarkung verweisen. Reacher geht die Freiheit zwar über alles, aber einen Platzverweis lässt er sich nicht bieten. Und sein untrüglicher Instinkt sagt ihm, wenn jemand etwas zu verbergen hat …

Der neue Fall für den eigenwilligsten Ermittler der Thrillerliteratur!

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Seitenzahl: 571

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Nicht schlecht

konnte man lesen, aber hat mich nicht vom Hocker geholt
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Lee Child

Outlaw

Ein Jack-Reacher-Roman

Aus dem Englischen von Wulf Bergner

Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel »Nothing to Lose« bei Bantam Press, a division of Transworld Publishers, The Random House Group Ltd., London.

1. AuflageCopyright © der Originalausgabe 2008 by Lee ChildCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Blanvalet Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHPublished by Arrangement with Lee ChildDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.Umschlaggestaltung: www.buerosued.deUmschlagmotiv: www.buerosued.de Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN 978-3-641-06117-3

www.blanvalet.de

Für Rae Helmsworthund Janine Wilson.Sie wissen, weshalb.

1

Die Sonne war nur halb so heiß, wie er die Sonne schon erlebt hatte, aber sie war heiß genug, um ihn verwirrt und benommen zu machen: Er war sehr schwach. Er hatte seit zweiundsiebzig Stunden nichts mehr gegessen, seit achtundvierzig nichts mehr getrunken.

Nicht schwach. Er starb, das wusste er.

Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder von wegdriftenden Gegenständen. Ein Ruderboot, das auf einem schnell dahinfließenden Fluss an einer verrotteten Festmachleine zerrte, bis sie brach. Seine Perspektive war die eines kleinen Jungen, der in dem Boot kauerte und hilflos die Flussufer anstarrte, während der Steg kleiner wurde.

Oder ein Luftschiff, das in einer sanften Brise am Ankermast schwoit, sich dann irgendwie losreißt und langsam höher und höher steigt, während der Junge in der Führergondel unter sich winzige, aufgeregt durcheinanderlaufende Gestalten sieht, die winken und dem Ausreißer sorgenvoll nachstarren.

Dann verblassten diese Fantasien, weil Worte jetzt wichtiger zu sein schienen als Bilder, was absurd war, weil er sich sonst nie für Worte interessiert hatte. Aber bevor er starb, wollte er wissen, welche Worte ihm gehörten. Welche waren auf ihn anwendbar? War er ein Mann oder ein Junge? Er war als beides angesprochen worden. Sei ein Mann, hatten einige gesagt. Andere hatten beteuert: Der Junge kann nichts dafür. Er war alt genug, um zu wählen und zu töten und zu sterben, was ihn zu einem Mann machte. Er war zu jung, um Alkohol trinken zu dürfen, nicht mal ein Bier, was ihn zu einem Jungen machte. War er tapfer oder ein Feigling? Er war schon beides genannt worden. Man hatte ihn als nicht ganz dicht, geistesgestört, geistig verwirrt, unausgeglichen, wahnhaft oder traumatisiert bezeichnet – lauter Dinge, die er verstand und akzeptierte – bis auf nicht ganz dicht. Sollte er dicht sein? Wie eine Tür? Vielleicht waren die Leute Türen. Vielleicht gingen Dinge durch sie hindurch. Vielleicht klapperten sie im Wind. Er dachte einen langen Augenblick über diese Frage nach, dann machte er frustriert eine abwehrende Handbewegung. Er brabbelte wie ein Teenager, der vom Kiffen nicht mehr loskommt.

Genau das und kein bisschen mehr war er vor anderthalb Jahren gewesen.

Er fiel auf die Knie. Der Sand war nur halb so heiß, wie er Sand schon erlebt hatte, aber heiß genug, um ihn etwas weniger frösteln zu lassen. Er sank nach vorn aufs Gesicht, erschöpft, endgültig verausgabt. Er wusste so sicher, wie er jemals etwas gewusst hatte, dass er die Augen nie mehr öffnen würde, wenn er sie jetzt schloss.

Aber er war sehr müde.

So entsetzlich müde.

Müder, als es ein Mann oder Junge jemals gewesen war.

Er schloss die Augen.

2

Die Linie zwischen Hope – Hoffnung – und Despair – Verzweiflung – war genau das: ein quer über die Straße verlaufender Strich, wo die Straßendecke einer Gemeinde aufhörte und die einer anderen begann. Das Straßenbauamt von Hope hatte eine dicke schwarze Asphaltschicht auftragen und glatt walzen lassen. Despair hatte weniger Geld. Das war offensichtlich. Seine Straßenbauer hatten unebenen Makadam mit Teer eingesprüht und mit grauem Rollsplit bestreut. Wo die beiden Beläge aneinanderstießen, befand sich ein zwei Finger breites Niemandsland: ein mit einer gummiartigen schwarzen Masse ausgefüllter Spalt. Eine Dehnungsfuge. Eine Grenze. Eine Linie. Jack Reacher überschritt sie, ohne sein Tempo zu verringern, und ging weiter. Er achtete gar nicht auf sie.

Aber später erinnerte er sich an sie. Später konnte er sie sich in allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückrufen.

Hope und Despair lagen beide in Colorado. Reacher befand sich in Colorado, weil er vor zwei Tagen in Kansas gewesen war, das an Colorado grenzte. Er war nach Südwesten unterwegs. Er hatte sich in Calais, Maine, aufgehalten und es sich in den Kopf gesetzt, den Kontinent diagonal zu durchqueren – bis nach San Diego in Kalifornien. Calais war der letzte größere Ort im Nordosten, San Diego der letzte größere Ort im Südwesten. Von einem Extrem zum anderen. Vom Atlantik zum Pazifik, von kühl und feucht zu heiß und trocken. Er nahm Busse, wo es welche gab, und fuhr per Anhalter, wo es keine gab. Nahm ihn niemand mit, ging er zu Fuß. In Hope war er auf dem Beifahrersitz eines flaschengrünen Mercury Grand Marquis eingetroffen, der von einem pensionierten Knopfverkäufer gefahren wurde. Jetzt verließ er das Gemeindegebiet zu Fuß, weil an diesem Morgen anscheinend niemand nach Westen, nach Despair, wollte.

Auch an diese Tatsache erinnerte er sich später. Und er fragte sich, weshalb er sich nicht nach dem Grund dafür gefragt hatte.

Was seine große Diagonale betraf, war er etwas vom Kurs abgekommen. Im Idealfall hätte er genau südwestlich nach New Mexico unterwegs sein sollen. Aber er beharrte nicht auf unbedingter Planerfüllung. Der Grand Marquis war ein bequemer Wagen und der alte Kerl auf Hope fixiert gewesen, weil er dort drei Enkel besuchen wollte, bevor er nach Denver weiterfuhr, wo weitere vier auf ihn warteten. Reacher hatte sich geduldig die Familiengeschichten des Alten angehört und sich überlegt, dass ein Zickzackkurs – erst nach Westen, dann nach Süden – völlig in Ordnung war. Vielleicht waren zwei Seiten eines Dreiecks unterhaltsamer als eine Gerade. Und als er in Hope auf einer Karte entdeckte, dass siebzehn Meilen weiter westlich Despair lag, konnte er der Versuchung, diesen kleinen Umweg zu machen, nicht widerstehen. Metaphorisch gesehen hatte er die Strecke von Hoffnung nach Verzweiflung in seinem Leben schon mehrmals zurückgelegt. Die sich hier bietende Gelegenheit, das einmal wirklich zu tun, musste man nutzen, fand er.

Auch an diese Laune würde er sich später erinnern.

Die gerade, zweispurige Straße zwischen den beiden Orten stieg nach Westen hin leicht an. Nichts Dramatisches. Der Osten Colorados, in dem Reacher sich befand, war ziemlich eben. Genau wie Kansas. Aber vor ihm waren die Rocky Mountains zu sehen – blau und massiv und im Dunst verschwimmend. Sie schienen sehr nahe zu sein. Dann waren sie’s plötzlich nicht mehr. Reacher überwand eine leichte Steigung und begriff plötzlich, weshalb die eine Kleinstadt Hope und die andere Despair hieß. Siedler, die sich hundertfünfzig Jahre vor ihm nach Westen gequält hatten, mussten bei einem Halt in der späteren Kleinstadt Hope den Eindruck gehabt haben, das letzte große Hindernis sei zum Greifen nahe. Hatten sie einen Tag, eine Woche oder einen Monat lang gerastet und waren dann weitergezogen, mussten sie an genau dieser Stelle gemerkt haben, dass die scheinbare Nähe der Rockys nur eine grausame optische Täuschung war. Ein Beleuchtungstrick. Von diesem erhöhten Punkt aus schien die große Felsbarriere wieder weit weg, sogar unerreichbar fern zu sein. Hunderte von endlosen Meilen, vielleicht Tausende von Meilen entfernt – obwohl auch das eine Illusion war. Reacher schätzte, dass es bis zu den ersten bedeutenden Gipfeln ungefähr zweihundert Meilen waren. Ein vierwöchiger anstrengender Treck zu Fuß oder auf von Maultieren gezogenen Wagen durch eintönige Wildnis mit gelegentlichen Planwagenspuren, die Jahrzehnte alt waren. Vielleicht ein sechswöchiger Treck, noch dazu zur falschen Jahreszeit. Insgesamt keine Katastrophe, aber sicherlich eine herbe Enttäuschung, ein unerwarteter Schlag, der schwer genug war, um die Ängstlichen und Ungeduldigen zwischen zwei Blicken zum Horizont von Hoffnung zur Verzweiflung zu treiben.

Reacher verließ den Rollsplit von Despair und ging durch verkrusteten Sand zu einem Tafelfelsen von der Größe eines Autos. Er kletterte hinauf, streckte sich mit hinter dem Kopf gefalteten Händen aus und starrte zum blassblauen Himmel auf, über den sich lange Federwolken zogen; vielleicht die Reste der Kondensstreifen von Nachtflugzeugen, die von Küste zu Küste unterwegs gewesen waren. Früher, als er noch geraucht hatte, hätte er sich jetzt vielleicht eine Zigarette angezündet, um sich die Zeit zu vertreiben. Aber wer rauchen wollte, musste mindestens eine Packung und ein Streichholzbriefchen in der Tasche haben, und Reacher verzichtete seit Langem darauf, sich mit Überflüssigem zu belasten. In den Taschen befand sich nichts außer Papiergeld, einem abgelaufenen Pass, einer Bankkarte für Geldautomaten und einer zusammenklappbaren Zahnbürste. Auch anderswo wartete nichts auf ihn. Kein Lagerraum in irgendeiner fernen Stadt, nichts bei Freunden Untergestelltes. Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. Alles, was er brauchte, aber nichts Überflüssiges.

Er stand auf und stellte sich auf dem Felsen auf die Zehenspitzen. Im Osten hinter ihm erstreckte sich eine flache Senke mit etwa zehn Meilen Durchmesser, in deren Mitte acht bis neun Meilen entfernt die Kleinstadt Hope lag: ungefähr zehn Straßenblocks mit Klinkergebäuden, dazu in den Außenbezirken verstreute Häuser, Farmen, Scheunen und weitere Bauten aus Holz und Wellblech. Gemeinsam ergaben sie einen warmen niedrigen Fleck im Dunst. Vor ihm im Westen lagen Zehntausende von ebenen Quadratmeilen, die bis auf die Bänder ferner Straßen und die Kleinstadt Despair acht bis neun Meilen vor ihm völlig leer waren. Despair war schwerer auszumachen als Hope. Der Dunst im Westen schien stärker zu sein. Einzelheiten konnte man nicht erkennen, aber dieses Prärienest wirkte größer als Hope und war tropfenförmig, mit einem konventionellen Geschäftsbezirk südlich der Hauptstraße, an den sich ein weiteres Gewerbegebiet anschloss, in dem es vielleicht Industrie gab, was den Smog erklärt hätte. Despair machte einen weniger freundlichen Eindruck als Hope. Kalt, wo Hope warm ausgesehen hatte; grau, wo Hope heiter erschienen war. Es wirkte abweisend. Reacher überlegte sekundenlang, ob er umkehren und von Hope aus nach Süden weiterziehen solle, um wieder auf Kurs zu kommen; doch er verwarf diesen Gedanken, noch bevor er ganz formuliert war. Reacher hasste es umzukehren. Er marschierte gern vorwärts, volle Kraft voraus, wohin auch immer. Das Leben jedes Menschen brauchte ein Ordnungsprinzip, und Reachers Credo war rastlose Fortbewegung.

Später ärgerte er sich über sich selbst, weil er so wenig flexibel gewesen war.

Er sprang von dem Felsen, folgte einer langen Diagonalen durch den Sand und erreichte die Straße zwanzig Meter westlich der Stelle, an der er sie verlassen hatte. Er blieb am linken Straßenrand und ging mit langen Schritten weiter: in mühelosem Tempo, etwas über drei Meilen in der Stunde, dem Gegenverkehr zugewandt, die sicherste Methode. Aber es gab keinen Gegenverkehr. Es gab überhaupt keinen Verkehr. Die Straße war verlassen. Kein Fahrzeug benutzte sie. Kein Personenwagen, kein Laster. Nichts. Keine Chance, mitgenommen zu werden. Reacher war leicht verwundert, aber ansonsten unbesorgt. Er war in seinem Leben schon oft mehr als siebzehn Meilen am Stück marschiert. Er strich sich die Haare aus der Stirn, zog sein Hemd an den Schultern vom Körper und hielt weiter auf das zu, was vor ihm liegen mochte.

3

Der Stadtrand wurde durch ein unbebautes Grundstück markiert, auf dem vielleicht vor zwanzig Jahren etwas hätte gebaut werden sollen. Dann kam ein altes Motel: geschlossen, mit Brettern vernagelt, anscheinend endgültig aufgegeben. Schräg gegenüber und fünfzig Meter westlich befand sich eine Tankstelle. Zwei Zapfsäulen, beide alt. Nicht die ländlichen Relikte, die Reacher von Edward Hoppers Gemälden kannte, aber trotzdem um einige Modellgenerationen veraltet. Hinter den Zapfsäulen lag eine kleine Hütte mit einem schmutzigen Fenster, in dem Literdosen Öl zu einer Pyramide aufgetürmt waren. Reacher überquerte den Vorplatz und streckte seinen Kopf durch die Tür. In der dunklen Hütte roch es nach Kreosot und heißem rohem Holz. Hinter der Theke stand ein Kerl in einem blauen Overall mit schwarzen Schmutzflecken. Er war ungefähr dreißig und auffällig hager.

»Haben Sie Kaffee?«, fragte Reacher.

»Das hier ist ’ne Tankstelle«, antwortete der Kerl.

»Tankstellen verkaufen Kaffee«, sagte Reacher. »Und Wasser und Limonade.«

»Diese nicht«, entgegnete der Kerl. »Wir verkaufen Benzin.«

»Und Öl.«

»Wenn Sie welches wollen.«

»Gibt’s in der Stadt einen Coffeeshop?«

»Es gibt ein Restaurant.«

»Nur eines?«

»Mehr brauchen wir nicht.«

Reacher trat ins Tageslicht hinaus und setzte seinen Weg fort. Hundert Meter weiter westlich legte die Straße sich Gehsteige zu und änderte ihren Namen ausweislich des Straßenschilds an einem Pfosten in Main Street. Zehn Meter weiter folgte der erste bebaute Straßenblock. Er begann mit einem düsteren Klinkerwürfel, zwei Stockwerke hoch, auf der südlichen linken Straßenseite. Vielleicht ein ehemaliges Textilkaufhaus, in dem sich noch immer ein Einzelhandelsgeschäft befand. Durch die staubigen Schaufenster konnte Reacher Kunden und Stoffballen sowie Stapel von Haushaltswaren aus Kunststoff sehen. Daneben stand ein identischer dreigeschossiger Klinkerwürfel, dann noch einer und noch einer. Das Stadtzentrum schien ungefähr zwölf mal zwölf Blocks zu umfassen und konzentrierte sich vor allem südlich der Main Street. Reacher war kein Architekturkenner und wusste, dass er sich weit westlich des Mississippis befand, aber die ganze Atmosphäre erinnerte ihn an eine alte Fabrikstadt in Connecticut oder Cincinnati vom Fluss aus gesehen. Alle Bauten waren schlicht und streng, schmucklos und veraltet. Er hatte Filme über amerikanische Kleinstädte gesehen, in denen die Sets herausgeputzt worden waren, damit sie perfekter und lebendiger als die Realität wirkten. Dieses Nest war das genaue Gegenteil. Man hätte glauben können, ein Designer und ein ganzes Team von Helfern hätten geschuftet, um es schäbiger und düsterer aussehen zu lassen als unbedingt nötig. Auf den Straßen herrschte nur wenig Verkehr. Limousinen und Pick-ups fuhren langsam, fast träge. Keiner von ihnen war neuer als drei Jahre. Auf den Gehsteigen waren kaum Fußgänger unterwegs.

Reacher bog auf gut Glück nach links ab und machte sich daran, das angekündigte Restaurant zu finden. Er suchte ein Dutzend Blocks ab und kam an einem Lebensmittelgeschäft, einem Herrenfriseur, einer Bar, einer Pension und einem heruntergekommenen alten Hotel vorbei, bevor er das Lokal fand. Es nahm das gesamte Erdgeschoss eines weiteren Klinkerwürfels ein. Die Decke war ungewöhnlich hoch, und fast die gesamte Straßenfront bestand aus wandhohen Flachglasfenstern. Vielleicht war dies früher der Ausstellungsraum eines Autohändlers gewesen. Der Fußboden war gefliest, die Tische und Stühle bestanden aus einfachem braunem Holz, und die Luft roch nach gekochtem Gemüse. Innen gab es neben dem Eingang eine kleine Kassentheke, auf der ein Schild mit der Aufschrift Bitte warten, bis Sie platziert werden auf einem kurzen Messingstiel mit schwerem Fuß stand. Das gleiche Schild, das er überall gesehen hatte, von Küste zu Küste. Die gleiche Schrift, die gleichen Farben, die gleiche Form. Vermutlich gab es irgendwo eine Firma für Gastronomiebedarf, die es in Millionenauflage herstellte. Reacher hatte identische Schilder in Calais, Maine, gesehen und erwartete, in San Diego, Kalifornien, weitere zu entdecken. Er blieb an der Theke stehen und wartete.

Und wartete.

In dem Restaurant aßen elf Gäste. Drei Paare, ein Trio und zwei Einzelpersonen. Eine Bedienung. Sonst kein Servierpersonal. Niemand an der Kasse. Kein ungewöhnliches Zahlenverhältnis. Reacher, der in Tausenden solcher Lokale gegessen hatte, kannte den verborgenen Rhythmus. Die einzelne Bedienung würde bald zu ihm hinüberblicken, wie um zu sagen: Bin gleich für Sie da. Dann würde sie eine Bestellung aufnehmen, rasch noch ein Gericht servieren und herübergehastet kommen, sich dabei vielleicht eine Haarsträhne aus dem Gesicht blasen – eine Geste, die entschuldigend und zugleich Sympathie heischend gemeint war. Sie würde eine Speisekarte von dem Stapel nehmen, ihn zu einem Tisch führen, dann wegflitzen und strikt der Reihenfolge nach wieder zu ihm kommen.

Aber sie tat nichts dergleichen.

Sie sah zu ihm hinüber. Nickte jedoch nicht. Betrachtete ihn nur einige Sekunden lang und schaute dann weg. Machte weiter, was sie bisher getan hatte. Was inzwischen nicht mehr sehr viel war. Ihre elf Gäste waren alle zufriedengestellt. Im Augenblick spielte sie nur die Vielbeschäftigte. Sie ging von einem Tisch zum anderen, fragte, ob alles recht sei, und schenkte Leuten, die kaum ein paar Schlucke genommen hatten, Kaffee nach. Reacher drehte sich zur Glastür um, weil er kontrollieren wollte, ob er ein Schild mit Öffnungszeiten übersehen hatte. Vielleicht würde der Laden ja gleich schließen. Das war nicht der Fall. Er kontrollierte sein Spiegelbild, um zu prüfen, ob er unmöglich angezogen war. Das war nicht der Fall. Er trug ein dunkelgraues Hemd mit dazu passender dunkelgrauer Hose, beides vor zwei Tagen in einem Geschäft für Hausmeisterbedarf in Kansas gekauft. Geschäfte für Hausmeisterbedarf waren seine neueste Entdeckung. Strapazierfähige Qualitätskleidung ohne Schnickschnack zu vernünftigen Preisen. Ideal. Sein Haar war kurz geschnitten und ordentlich gekämmt. Er hatte sich an diesem Morgen rasiert. Der Reißverschluss seiner Hose war zu.

Er drehte sich um und wartete weiter.

Die Gäste wandten sich ihm einer nach dem anderen zu. Sie musterten ihn ganz offen und sahen dann wieder weg. Die Bedienung machte langsam eine weitere Runde durch den Raum und hatte Augen für alles, nur nicht für ihn. Reacher wartete, glich die Situation mit seiner geistigen Datenbank ab und versuchte sie zu verstehen. Dann verlor er die Geduld, ging an dem Schild vorbei, betrat das Restaurant und setzte sich an einen freien Vierertisch. Er rückte seinen Stuhl scharrend nach vorn und machte es sich bequem. Die Bedienung beobachtete ihn dabei, dann ging sie in die Küche hinaus.

Sie kam nicht wieder heraus.

Reacher saß da und wartete. In dem Raum herrschte Stille. Niemand sprach. Keine Geräusche außer dem leisen metallischen Klirren von Besteck auf Tellern, leicht schmatzenden Kaugeräuschen, dem keramischen Klicken von behutsam auf Untertassen abgestellten Tassen und dem hölzernen Knarren von Stuhlbeinen unter Körpern, die ihr Gewicht verlagerten. Diese winzigen Geräusche stiegen auf und echoten durch den Raum mit der wandhohen Fensterfront, bis sie ohrenbetäubend laut zu sein schienen.

Fast zehn Minuten lang passierte nichts.

Dann fuhr draußen ein alter Pick-up mit Doppelkabine vor. Nach einer Sekunde Pause stiegen vier Kerle aus und postierten sich auf dem Gehsteig. Sie bildeten eine enge kleine Formation, zögerten noch einen Augenblick und kamen dann ins Restaurant. Drinnen blieben sie erneut stehen, suchten den Raum ab und fanden die Zielperson. Sie kamen direkt an Reachers Tisch. Drei von ihnen setzten sich auf die freien Stühle, der vierte Typ baute sich so am oberen Tischende auf, dass er Reacher den Weg nach draußen versperrte.

4

Alle vier Kerle waren von brauchbarer Größe. Der kleinste maß ungefähr einen Meter achtzig, und der leichteste wog bestimmt neunzig Kilo. Alle hatten walnussgroße Fingerknöchel, dicke Handgelenke und sehnige Unterarme. Zwei von ihnen hatten schiefe Boxernasen, und keiner hatte mehr alle Zähne im Mund. Sie sahen alle blass und vage ungesund aus. Alle wirkten schmutzig von tief in den Falten ihrer Haut sitzendem Sott, der wie Metall glänzte und glitzerte. Alle trugen Arbeitshemden aus festem Leinen mit bis zu den Ellbogen aufgekrempelten Ärmeln. Sie waren alle irgendwo zwischen dreißig und vierzig. Und sie machten alle den Eindruck, als suchten sie Streit.

»Ich will keine Gesellschaft«, sagte Reacher. »Ich esse lieber allein.«

Der Kerl am oberen Tischende war der größte von allen – um zwei bis drei Zentimeter und fünf Kilo. Er sagte: »Sie werden überhaupt nicht essen.«

Reacher fragte: »Nein?«

»Jedenfalls nicht hier.«

»Wie ich höre, ist in der Stadt nur hier was los.«

»Stimmt.«

»Na, dann.«

»Sie müssen zusehen, dass Sie verschwinden.«

»Verschwinden?«

»Hier raus.«

»Wo raus?«

»Aus diesem Restaurant.«

»Wollen Sie mir nicht sagen, warum?«

»Wir mögen keine Fremden.«

»Ich auch nicht«, sagte Reacher. »Aber ich muss irgendwo essen. Sonst werde ich mager und schwach wie ihr.«

»Witzbold.«

»Ich sage nur, was Sache ist«, meinte Reacher. Er legte seine Unterarme auf den Tisch. Er war zwanzig Kilo schwerer und zehn Zentimeter größer als der größte der Kerle – und weit größer und schwerer als die anderen drei. Und er wäre jede Wette eingegangen, dass er etwas mehr Erfahrung besaß und etwas weniger gehemmt war als jeder von ihnen. Oder alle drei zusammen. Aber letztlich lief es darauf hinaus, dass seine hundertzehn Kilo es mit zusammengerechnet vierhundert Kilo aufnehmen mussten. Kein sehr günstiges Verhältnis. Aber Reacher hasste es umzukehren.

Der am Tisch stehende Kerl sagte: »Wir wollen Sie hier nicht haben.«

Reacher sagte: »Sie verwechseln mich mit jemandem, dem es nicht scheißegal ist, was Sie wollen.«

»Hier drinnen werden Sie nicht bedient.«

»Wirklich nicht?«

»Auf keinen Fall.«

»Sie könnten für mich bestellen.«

»Und was dann?«

»Dann könnte ich Ihren Lunch essen.«

»Witzbold«, sagte der Mann. »Sie müssen jetzt gehen.«

»Wieso?«

»Gehen Sie einfach.«

Reacher fragte: »Habt ihr Leute auch Namen?«

»Nicht für Sie. Und Sie müssen gehen.«

»Soll ich gehen, will ich das vom Besitzer hören. Nicht von Ihnen.«

»Das lässt sich machen.«

Der Kerl, der am Tisch stand, nickte einem der Sitzenden zu, der seinen Stuhl über die Fliesen scharrend zurückschob, aufstand und in Richtung Küche ging. Eine lange Minute später kam er mit einem Mann heraus, der eine fleckige weiße Schürze trug. Der Mann mit der Schürze trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und wirkte nicht sonderlich beunruhigt oder besorgt. Er kam an Reachers Tisch und sagte: »Ich möchte, dass Sie mein Restaurant verlassen.«

»Wieso?«, fragte Reacher.

»Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig.«

»Sie sind der Besitzer?«

»Ja, der bin ich.«

Reacher sagte: »Ich gehe, wenn ich eine Tasse Kaffee getrunken habe.«

»Sie gehen jetzt.«

»Schwarz, ohne Zucker.«

»Ich will keinen Ärger.«

»Den haben Sie schon. Bekomme ich eine Tasse Kaffe, gehe ich freiwillig. Bekomme ich keine, versuchen diese Kerle, mich rauszuwerfen, und Sie verbringen den Rest des Tages damit, ihr Blut vom Boden aufzuwischen, und den ganzen morgigen Tag damit, neue Stuhle und Tische zu besorgen.«

Der Kerl mit der Schürze schwieg.

Reacher sagte: »Schwarz, ohne Zucker.«

Der Kerl mit der Schürze blieb einen Augenblick unschlüssig stehen, dann marschierte er in Richtung Küche. Eine Minute später erschien die Bedienung mit einer einzelnen Tasse auf einer Untertasse. Sie trug sie quer durch den Raum und knallte sie so vor Reacher hin, dass etwas Kaffee aus der Tasse in die Untertasse schwappte.

»Wohl bekomm’s«, sagte sie.

Reacher hob die Tasse hoch, wischte ihren Boden an seinem Hemdsärmel ab, stellte sie auf den Tisch und leerte die Untertasse hinein. Stellte die Tasse wieder auf die Untertasse und richtete beides vor sich aus. Dann setzte er die Tasse an den Mund und nahm einen Schluck.

Nicht übel, dachte er. Ein bisschen schwach, nicht sehr frisch, aber im Prinzip ein anständiger Restaurantkaffee. Besser als in den meisten Schnellrestaurants, schlechter als in den meisten Coffeeshops. Genau mittendrin. Die Tasse war eine Monstrosität aus Porzellan mit einem fünf Millimeter dicken Oberrand. Darin kühlte der Kaffee viel zu schnell ab. Zu dick, nicht tief genug, zu viel Masse. Reacher war kein großer Freund feinen Porzellans, aber er fand, ein Behältnis solle sich seinem Inhalt unterordnen.

Die vier Kerle umringten ihn weiter. Zwei standen jetzt, zwei saßen noch am Tisch. Reacher ignorierte sie und trank – erst langsam, dann rascher, als der Kaffee abkühlte. Er leerte die Tasse und stellte sie wieder auf die Untertasse. Schob sie langsam und bedächtig von sich weg, bis sie genau in der Tischmitte stand. Dann bewegte er rasch die linke Hand, als wollte er in seine Tasche greifen. Die vier Kerle fuhren zusammen. Reacher zog einen Dollarschein heraus, strich ihn glatt und klemmte ihn unter die Untertasse.

»Okay, gehen wir«, sagte er.

Der am Tischende stehende Kerl trat beiseite, um ihn vorbeizulassen. Reacher schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Elf Gäste beobachteten ihn dabei. Er stellte seinen Stuhl wieder ordentlich unter den Tisch, kam um den Tisch herum und machte sich auf den Weg zur Tür. Er spürte die vier Kerle hinter sich. Hörte ihre Stiefel auf den Fliesen. Sie bildeten eine Reihe und schlängelten sich so zwischen den Tischen hindurch und an der Kassentheke mit dem Schild vorbei. In dem Raum herrschte Schweigen.

Reacher stieß die Tür auf und trat auf die Straße hinaus. Die Luft war kühl, aber jetzt schien die Sonne. Der Gehsteig bestand aus Betonquadraten von anderthalb Metern Seitenlänge. Die zwei Zentimeter breiten Dehnungsfugen zwischen den Quadraten waren mit einer teerartigen schwarzen Masse ausgefüllt.

Reacher wandte sich nach links und machte vier Schritte, bis er an dem geparkten Pick-up vorbei war. Dann blieb er stehen und drehte sich mit der Sonne im Rücken um. Den vier Kerlen, die sich vor ihm formierten, schien die Sonne in die Augen. Der Kerl, der oben am Tisch gestanden hatte, sagte: »Jetzt müssen Sie raus.«

Reacher sagte: »Ich bin draußen.«

»Aus der Stadt.«

Reacher schwieg.

Der Kerl sagte: »Sie halten sich links, dann kommt nach vier Blocks die Main Street. Dort haben Sie die Wahl zwischen rechts oder links. Osten oder Westen. Wohin, ist uns egal, wenn Sie nur einfach weitergehen.«

Reacher fragte: »Macht ihr das hier noch immer?«

»Was?«

»Leute aus der Stadt jagen.«

»Klar machen wir das.«

»Wollen Sie mir verraten, wieso Sie das tun?«

»Wir brauchen Ihnen nicht zu verraten, warum wir das machen.«

Reacher sagte: »Ich bin gerade erst angekommen.«

»Und?«

»Und deshalb bleibe ich.«

Der Kerl am Ende der Reihe krempelte seine Hemdsärmel über die Ellbogen hoch und trat einen Schritt vor. Boxernase, Zahnlücken. Reacher warf einen Blick auf die Handgelenke des Kerls. Die Breite der Handgelenke eines Mannes gab den einzig zuverlässigen Hinweis auf seine Kraft. Die Handgelenke dieses Kerls waren breiter als eine langstielige Rose, aber schmaler als ein Kantholz mit fünf mal zehn Zentimeter. Eher wie das Kantholz.

Reacher sagte: »Ihr habt euch den Falschen ausgesucht.«

Der Kerl, der bisher als Einziger geredet hatte, fragte: »Glauben Sie?«

Reacher nickte. »Ich muss euch warnen. Das habe ich vor vielen Jahren meiner Mutter versprochen. Sie hat gesagt, dass ich den Leuten die Chance geben muss, freiwillig wegzugehen.«

»Ein Mamabubi, was?«

»Sie war sehr für Fairplay.«

»Wir sind zu viert. Sie sind allein.«

Reachers Hände hingen an seinen Seiten herab, entspannt, mit schwach gekrümmten Fingern. Seine Beine waren leicht gespreizt, sein Füße hatten sicheren Stand. Er konnte den harten Beton unter seinen Schuhsohlen spüren. Seine Oberfläche war uneben. Kurz bevor er vor zehn Jahren abgetrocknet war, musste jemand mit einem breiten Besen darübergefahren sein. Reacher legte die Finger seiner linken Hand flach an. Hob die Hand sehr langsam. Brachte sie mit nach vorn zeigender Handfläche in Schulterhöhe. Die vier Kerle starrten sie an. Wegen der angelegten Finger vermuteten sie, er halte etwas verborgen. Aber was? Er streckte ruckartig die Finger. Nichts darin. Im selben Augenblick machte er einen Schritt zur Seite und riss die rechte Faust mit Urgewalt hoch und verpasste dem Kerl, der vorgetreten war, einen kolossalen Aufwärtshaken unters Kinn. Der Typ hatte wegen seiner schiefen Nase durch den Mund geatmet; der Uppercut ließ seinen Mund zuklappen, holte ihn von den Beinen und ließ ihn auf dem Gehsteig zusammenbrechen. Wie eine Marionette mit abgeschnittenen Schnüren. Bewusstlos, bevor er ganz zusammengesackt war.

»Jetzt seid ihr nur noch zu dritt«, erklärte Reacher. »Ich bin noch immer da.«

Sie waren keine völligen Amateure, reagierten ziemlich gut und ziemlich schnell. Sie wichen zurück, bildeten einen weiten defensiven Halbkreis und blieben mit geballten Fäusten geduckt abwehrbereit stehen.

Reacher sagte: »Ihr könnt noch immer weggehen.«

Der Kerl, der als Einziger gesprochen hatte, sagte: »Eher nicht.«

»Ihr seid nicht gut genug.«

»Sie haben Glück gehabt.«

»Nur Trottel lassen sich so plattmachen.«

»Passiert nicht zweimal.«

Reacher schwieg.

Der Kerl sagte: »Verschwinden Sie aus der Stadt. Gegen uns drei kommen Sie nicht an.«

»Wollen Sie’s drauf ankommen lassen?«

»Nicht zu machen. Jetzt nicht mehr.«

Reacher nickte. »Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht bleibt einer von euch lange genug auf den Beinen, um an mich ranzukommen.«

»Darauf können Sie Gift nehmen.«

»Aber ihr müsst euch fragen, wer von euch das sein wird. Im Augenblick kann das noch niemand sagen. Einer von euch wird die anderen drei zu einem sechsmonatigen Aufenthalt ins Krankenhaus fahren. Wollt ihr mich so dringend aus der Stadt haben, dass ihr das riskiert?«

Niemand sprach. Ein Patt. Reacher ging in Gedanken seine nächsten Züge durch. Ein Tritt mit dem rechten Fuß in den Unterleib des linken Kerls, dann eine rasche Rechtsdrehung und ein Ellbogenstoß an den Kopf des mittleren Typs, unter dem unvermeidlichen wilden Schwinger des rechten Kerls wegducken, ihn durchschwingen lassen, seine Niere mit dem Ellbogen treffen. Eins, zwo, drei, kein grundsätzliches Problem. Vielleicht gab es anschließend mit Füßen und Ellbogen noch etwas nachzuarbeiten. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, den Schaden zu begrenzen. Das erforderte kluge Zurückhaltung. Es war immer ratsam, auf der richtigen Seite der Linie zu bleiben, dichter an Körperverletzung als an Totschlag.

Das Tableau war erstarrt. Reacher aufrecht und entspannt, vor ihm drei Kerle in geduckter Haltung, einer auf dem Gehsteig auf dem Bauch liegend, atmend, aber blutend und bewegungslos. Hinter den drei Typen konnte Reacher in mittlerer Entfernung Leute sehen, die auf den Gehsteigen ihren legitimen Geschäften nachgingen. Personenwagen und Pick-ups rollten langsam die Straßen entlang, hielten an Kreuzungen mit Stoppschildern, fuhren wieder an.

Dann sah er ein spezielles Fahrzeug, ohne anzuhalten, über eine Kreuzung mit vier Stoppschildern rauschen und auf sich zukommen. Einen Crown Victoria, weiß und golden, schwarze Stoßstange vorn, Blinkleuchten auf dem Dach, Antennen auf dem Kofferraumdeckel. Auf den vorderen Türen ein goldener Schild, darüber die Buchstaben DPD – Despair Police Department. Hinter der Windschutzscheibe war ein stämmiger Cop in einer beigen Jacke zu sehen.

»Hinter euch«, sagte Reacher. »Die Kavallerie ist da.« Aber er bewegte sich nicht. Und er behielt die Kerle im Auge. Die Ankunft des Cops garantierte noch nichts. Die drei Typen sahen so wütend aus, als könnten sie jeden Augenblick zum Angriff übergehen, auch wenn sie damit eine Anzeige wegen Körperverletzung riskierten. Vielleicht hatten sie schon so viele Vorstrafen, dass sie sich ausrechneten, eine weitere würde nicht ins Gewicht fallen. Kleinstädte. Nach Reachers Erfahrung gab es in jeder ein paar Extremisten.

Der Crown Vic bremste scharf, hielt am Randstein. Die Tür wurde aufgestoßen. Der Fahrer nahm eine Pumpgun aus der Halterung zwischen den Sitzen. Stieg aus. Lud die Waffe durch und hielt sie diagonal vor seiner Brust. Er war ein großer Mann. Weiß, ungefähr vierzig. Schwarzes Haar. Stiernacken. Beige Windjacke, braune Hose, schwarze Schuhe. Auf der Stirn der Abdruck eines Smokey-der-Bär-Huts, der jetzt vermutlich auf dem Beifahrersitz lag. Er stand hinter den drei Kerlen und sah sich um. Begutachtete die Szene. Dazu braucht’s keine großen Geistesgaben, dachte Reacher. Drei Kerle, die einen vierten umzingeln? Wir diskutieren hier nicht übers Wetter.

Der Cop sagte: »Tretet jetzt zurück.« Tiefe Stimme. Gebieterisch. Die drei Typen traten zurück. Der Cop machte zwei Schritte nach vorn. Damit tauschten sie die Position. Nun standen die drei Kerle hinter dem Cop. Der Cop bewegte seine Pumpgun. Zielte damit auf Reachers Brust.

»Sie sind verhaftet«, sagte er.

5

Reacher blieb unbeweglich stehen und fragte: »Aus welchem Grund?«

Der Cop sagte: »Mir fällt bestimmt noch einer ein.« Er nahm seine Waffe in eine Hand und benutzte die andere dazu, die Handschellen aus der Tasche an seinem Koppel zu ziehen. Er hielt sie auf der flachen Hand, und einer der Kerle hinter ihm trat vor, nahm sie an sich und ging damit um Reacher herum.

»Hände auf den Rücken«, sagte der Cop.

»Sind diese Kerle Deputys?«, fragte Reacher.

»Was kümmert Sie das?«

»Mich nicht. Aber sie geht’s was an. Wer mich ohne guten Grund anfasst, kriegt die Arme gebrochen.«

»Sie sind alle Deputys«, erwiderte der Cop. »Vor allem der, den Sie flachgelegt haben.«

Er nahm seine Waffe wieder in beide Hände.

»Notwehr«, meinte Reacher.

»Sparen Sie sich das für den Richter auf«, sagte der Cop.

Der Mann hinter ihm zog Reacher die Arme zurück und legte ihm Handschellen an. Der Kerl, der als Einziger gesprochen hatte, öffnete die hintere Tür des Streifenwagens und hielt sie auf wie ein Hotelportier die Tür eines Taxis.

»Rein mit Ihnen«, befahl der Cop.

Reacher stand reglos da und dachte über seine Optionen nach. Dazu brauchte er nicht lange. Er hatte keine Optionen. Seine Hände waren gefesselt. Er hatte einen Kerl ungefähr einen Meter hinter sich, einen Cop zweieinhalb Meter vor sich, zwei weitere Kerle einen Meter hinter dem Cop. Die Pumpgun war irgendeine Waffe von Mossberg. Er erkannte das Modell nicht, aber er respektierte das Fabrikat.

»In den Wagen«, sagte der Cop.

Reacher setzte sich in Bewegung, kurvte um die offene Tür herum und ließ sich mit dem Hintern voraus in den Wagen fallen. Der Rücksitz war mit haltbarem Kunstleder bezogen, über das er leicht rutschen konnte, der Boden mit einer noppigen Gummimatte ausgelegt. Die Trennwand bestand aus schusssicherem klarem Kunststoff. Die Sitzfläche war nicht sehr tief und mit hinter dem Rücken gefesselten Händen unbequem. Reacher stemmte sich mit beiden Füßen im linken und rechten Fußraum ein. Er rechnete damit, herumgeworfen zu werden.

Der Cop stieg vorn ein. Die Stoßdämpfer gaben unter seinem Gewicht nach. Er verstaute die Mossberg in der Halterung, knallte die Fahrertür zu, stellte den Wählhebel auf D und gab Gas. Reacher wurde nach hinten gegen die Sitzlehne geworfen. Dann bremste der Kerl wegen eines Stoppschilds scharf, sodass Reacher nach vorn flog. Er verdrehte rechtzeitig den Oberkörper und fing den Aufprall gegen die Trennwand mit der Schulter ab. An der nächsten Kreuzung wiederholte der Cop dieses Spiel. Und an der übernächsten. Aber das machte Reacher nichts aus. Damit musste man rechnen. Er war selbst schon so gefahren – in früheren Jahren, als er mit einem anderen Typen auf dem Rücksitz am Steuer gesessen hatte. Und Despair war eine Kleinstadt. Bis zur Polizei-station konnte es nicht weit sein.

Die Polizeistation lag vier Blocks westlich und zwei Blocks südlich des Restaurants. Sie war in einem weiteren unauffälligen Klinkergebäude an einer Straße untergebracht, die so breit war, dass der Cop schräg vorwärts einparken konnte. Dort stand ein weiterer Streifenwagen. Das war alles. Kleine Stadt, kleines Police Department. Das Gebäude war einstöckig. Der Polizei gehörte das Erdgeschoss. Im ersten Stock befand sich das städtische Gericht. Reacher vermutete, dass im Kellergeschoss Zellen lagen. Der Weg zur Aufnahmetheke verlief ohne besondere Vorkommnisse. Er machte keine Schwierigkeiten. Zwecklos, zu Fuß in einer Kleinstadt zu flüchten, deren Grenze in einer Richtung zwölf Meilen und in Gegenrichtung vielleicht noch weiter entfernt war. Der Patrolman hinter der Theke hätte der kleine Bruder des Cops sein können, der ihn verhaftet hatte. Gleiche Größe, gleicher Körperbau, gleiches Gesicht, gleiches Haar, nur etwas jünger. Reacher bekam die Handschellen abgenommen und lieferte den Inhalt seiner Taschen und seine Schnürsenkel ab. Gürtel trug er keinen. Er wurde eine Wendeltreppe hinuntergeführt und in eine zwei mal zweieinhalb Meter große Zelle gesperrt, deren uralte Eisengitter aus ungefähr fünfzig Farbschichten zu bestehen schien.

»Anwalt?«, fragte er.

»Kennen Sie einen?«, lautete die Gegenfrage des Cops, der ihn aufgenommen hatte.

»Der Pflichtverteidiger genügt mir.«

Der Patrolman nickte, schloss die Gittertür ab und verschwand. Reacher blieb sich selbst überlassen. Ansonsten war der Zellenblock leer. Drei Zellen in einer Reihe, ein schmaler Korridor, keine Fenster. In jeder Zelle gab es ein Bett, das von der Wand abgeklappt werden konnte, und eine Toilette aus rostfreiem Stahl, in deren Wassertank oben ein Ausguss eingebaut war. An den Decken brannten Schiffslampen unter schützenden Drahtgittern. Reacher drehte das kalte Wasser auf, hielt seine rechte Hand darunter und massierte seine Fingerknöchel. Sie waren empfindlich, aber nicht verletzt. Er streckte sich auf dem Klappbett aus und schloss die Augen.

Willkommen in Verzweiflung, dachte er.

6

Der Pflichtverteidiger ließ sich nie blicken. Reacher döste zwei Stunden lang, dann kam der Cop, der ihn verhaftet hatte, die Treppe herabgepoltert, sperrte die Zelle auf und bedeutete ihm, er solle aufstehen.

»Der Richter erwartet Sie«, sagte er.

Reacher gähnte. »Ich weiß immer noch nicht, was mir vorgeworfen wird. Mein Anwalt war noch nicht da.«

»Beschweren Sie sich beim Gericht«, erklärte der Cop. »Nicht bei mir.«

»Was für ein dämliches System habt ihr denn hier?«

»Das gleiche seit jeher.«

»Ich glaube, ich bleibe lieber hier unten.«

»Ich könnte die restlichen drei Kumpel zu einem Besuch vorbeischicken.«

»Sparen Sie Benzin, fahren Sie sie gleich ins Krankenhaus.«

»Ich könnte Ihnen erst Handschellen anlegen. Sie ans Bett fesseln.«

»Ganz allein?«

»Ich könnte einen Elektroschocker mitbringen.«

»Sie leben hier in der Stadt?«

»Wieso?«

»Vielleicht komme ich Sie mal besuchen.«

»Das glaube ich eher nicht.«

Der Cop stand wartend da. Reacher zuckte innerlich mit den Schultern und stellte seine Füße auf den Boden. Stemmte sich hoch und trat aus der Zelle. Ohne Schnürsenkel konnte er nur unbeholfen gehen. Er schlurfte an der Aufnahmetheke vorbei und folgte dem Cop in den ersten Stock hinauf. Diese Treppe war fast luxuriös breit. Oben endete sie vor einer geschlossenen zweiflügligen Tür, neben der ein Schild auf einem niedrigen Ständer mit schwerem Fuß stand. Genau wie in dem Restaurant, nur hieß es hier: Städtisches Gericht. Der Cop öffnete den linken Türflügel und trat zur Seite. Reacher betrat den Gerichtssaal. Hier gab es einen Mittelgang und vier Bankreihen für Zuhörer. Dann eine niedrige Balustrade und zwei Tische für Staatsanwalt und Verteidiger, beide mit je drei Armstühlen auf Rollen. Zeugenstand, Geschworenenbank und Richtertisch vervollständigten die Einrichtung. Alle Möbel bestanden aus dunkel lackiertem Kiefernholz, das Alter und Politur noch dunkler gemacht hatten. Die Wände waren bis zu drei Vierteln ihrer Höhe mit dem gleichen Zeug getäfelt; alles darüber war cremeweiß gestrichen. Auf dem Podium hinter dem Richtertisch standen zwei Fahnen – die Stars and Stripes und eine weitere, die Reacher für die Staatsflagge von Colorado hielt.

Der Saal war leer. Er hallte und roch nach Staub. Der Cop ging voraus und öffnete die Tür in der Balustrade. Bedeutete Reacher, er solle am Angeklagtentisch Platz nehmen. Er selbst setzte sich an den Anklägertisch. Sie warteten. Dann öffnete sich eine unauffällige Tür in der Saalrückwand, und ein Mann in einem dunklen Anzug kam herein. Der Cop sprang auf und rief: »Alle aufstehen!« Reacher blieb sitzen.

Der Mann in dem Anzug polterte drei Stufen hinauf und nahm am Richtertisch Platz. Er war füllig und irgendwo über sechzig und hatte volles weißes Haar. Sein Anzug sah billig und schlecht geschnitten aus. Er griff nach einem Kugelschreiber und richtete einen gelben Notizblock vor sich aus. Dann schaute er zu Reacher und fragte: »Name?«

»Ich bin nicht über meine Rechte belehrt worden«, sagte Reacher.

»Ihnen wird keine Straftat vorgeworfen«, erklärte der alte Kerl. »Dies ist keine Gerichtsverhandlung.«

»Was also sonst?«

»Eine Anhörung.«

»In welcher Sache?«

»Es geht um eine Verwaltungssache, das ist alles. Vielleicht nur um eine Formsache. Aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«

Reacher sagte nichts.

Der Kerl fragte: »Name?«

»Die Polizei hat bestimmt meinen Pass fotokopiert und Ihnen ein Exemplar überlassen.«

»Fürs Protokoll, wenn ich bitten darf.«

Der Tonfall des Typs war neutral, seine Art einigermaßen höflich. Also zuckte Reacher mit den Schultern und sagte: »Jack Reacher. Kein abgekürzter zweiter Vorname.«

Der Mann notierte sich das. Als Nächstes wollte er Reachers Geburtsdatum, seine Sozialversicherungsnummer und seine Nationalität wissen. Dann fragte er: »Adresse?«

Reacher antwortete: »Ohne festen Wohnsitz.«

Der Kerl schrieb das nieder. Fragte: »Beruf?«

»Keiner.«

»Zweck Ihres Besuchs in Despair?«

»Tourismus.«

»Wovon wollen Sie während Ihres Aufenthalts Ihren Lebensunterhalt bestreiten?«

»Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Ich habe eigentlich nicht mit Problemen gerechnet. Wir sind hier schließlich nicht in London, Paris oder New York.«

»Beantworten Sie bitte meine Frage.«

»Ich habe Geld auf der Bank«, sagte Reacher.

Auch das notierte der Kerl sich. Dann schniefte er, fuhr mit dem Kugelschreiber über die schon ausgefüllten Zeilen nach oben und fragte: »Was war Ihre letzte Anschrift?«

»Ein APO-Postfach.«

»APO?«

»Army Post Office.«

»Sie sind ein Veteran?«

»Ja, das bin ich.«

»Wie lange haben Sie gedient?«

»Dreizehn Jahre.«

»Bis?«

»Ich bin vor zehn Jahren ausgemustert worden.«

»Einheit?«

»Militärpolizei.«

»Letzter Dienstgrad?«

»Major.«

»Und Sie haben keinen festen Wohnsitz mehr gehabt, seit Sie aus der Army ausgeschieden sind?«

»Nein, keinen.«

Der Mann markierte eine seiner ausgefüllten Zeilen nachdrücklich. Reacher sah, wie sein Kugelschreiber zwei senkrechte und zwei waagrechte Striche machte. Dann fragte der Kerl: »Wie lange sind Sie schon arbeitslos?«

»Zehn Jahre«, antwortete Reacher.

»Sie haben seit Ihrem Ausscheiden aus der Army nicht mehr gearbeitet?«

»Nicht richtig.«

»Ein ehemaliger Major konnte keinen Job finden?«

»Dieser ehemalige Major wollte keinen finden.«

»Aber trotzdem haben Sie Geld auf der Bank?«

»Ersparnisse«, meinte Reacher. »Und von Gelegenheitsarbeiten.«

Der Kerl markierte auch diese Zeile. Zwei senkrechte, zwei waagrechte Striche. Dann fragte er: »Wo haben Sie vergangene Nacht geschlafen?«

»In Hope«, erwiderte Reacher. »In einem Motel.«

»Und Ihr Gepäck ist noch dort?«

»Ich habe kein Gepäck.«

Das notierte sich der Kerl mit einem weiteren Markierungszeichen.

»Sie sind zu Fuß hergekommen?«, fragte er.

»Ja«, sagte Reacher.

»Warum?«

»Kein Bus, und ich konnte keine Mitfahrgelegenheit finden.«

»Nein, warum sind Sie hierhergekommen?«

»Tourismus«, sagte Reacher nochmals.

»Was hatten Sie über unsere kleine Stadt gehört?«

»Gar nichts.«

»Trotzdem haben Sie beschlossen, uns zu besuchen?«

»Offensichtlich.«

»Warum?«

»Der Name hat mich fasziniert.«

»Das ist kein sehr zwingender Grund.«

»Ich muss schließlich irgendwo sein. Und vielen Dank für die herzliche Aufnahme.«

Der Mann machte ein viertes Markierungszeichen. Zwei senkrechte, zwei waagrechte Striche. Dann fuhr er mit seinem Kugelschreiber langsam und methodisch von oben nach unten über seinen Fragebogen: vierzehn Antworten, von denen er vier am Rand markiert hatte. Er sagte: »Tut mir leid, aber Sie haben gegen eine Verordnung der Stadt Despair verstoßen. Sie müssen fort, fürchte ich.«

»Fort?«

»Die Stadt verlassen.«

»Was betrifft die Verordnung?«

»Landstreicherei«, sagte der Kerl.

7

Reacher fragte: »Hier gibt’s eine städtische Verordnung gegen Landstreicherei?«

Der Richter nickte, dann sagte er: »Wie in den meisten Kleinstädten im Westen.«

»Ich bin noch nie mit einer konfrontiert worden.«

»Dann haben Sie großes Glück gehabt.«

»Ich bin kein Landstreicher.«

»Seit zehn Jahren ohne festen Wohnsitz, seit zehn Jahren arbeitslos, Sie benutzen Busse oder fahren per Anhalter oder gehen zu Fuß, schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch … Als was würden Sie sich sonst bezeichnen?«

»Frei«, sagte Reacher. »Und glücklich.«

Der Richter nickte erneut und sagte: »Freut mich, dass Sie der Sache etwas Positives abgewinnen.«

»Was ist mit der Versammlungsfreiheit, die mir der Erste Verfassungszusatz garantiert?«

»Diese Frage hat der Oberste Gerichtshof längst entschieden. Gemeinden haben das Recht, unerwünschte Personen auszuschließen.«

»Touristen sind unerwünscht? Was sagt Ihre Industrie- und Handelskammer dazu?«

»Dies ist eine stille, altmodische Stadt. Unsere Bürger schließen ihre Haustüren nicht ab. Das erscheint uns überflüssig. Die meisten Schlüssel sind schon vor Jahren, zur Zeit unserer Großeltern verloren gegangen.«

»Ich bin kein Dieb.«

»Aber wenn wir uns irren, tun wir’s aus Vorsicht. Die Erfahrungen anderer zeigen, dass umherziehende Arbeitslose immer ein Problem waren.«

»Was ist, wenn ich nicht gehe? Welche Strafe steht darauf?«

»Dreißig Tage Haft.«

Reacher sagte nichts. Der Richter erklärte: »Der Officer fährt Sie an die Stadtgrenze zurück. Besorgen Sie sich einen Job und einen festen Wohnsitz, dann nehmen wir Sie hier mit offenen Armen auf. Aber kommen Sie nicht zurück, bevor Sie beides haben.«

Der Cop führte ihn wieder hinunter, gab ihm sein Bargeld, seinen Pass, seine Bankkarte und seine Zahnbürste zurück. Nichts fehlte. Alles war da. Als Nächstes übergab der Cop ihm seine Schnürsenkel und wartete an der Aufnahmetheke, während Reacher sie durch die Ösen seiner Schuhe einfädelte, fest zuzog und verknotete. Dann legte er eine Hand auf den Griff seiner Pistole und sagte: »Wagen.« Reacher ging vor ihm her durch den Eingangsbereich und trat auf die Straße hinaus. Die Sonne war nicht mehr zu sehen. Es war spät am Tag, spät im Jahr, und es wurde dunkel. Der Cop hatte seinen Streifenwagen inzwischen rückwärts eingeparkt.

»Hinten rein«, befahl der Cop.

Reacher hörte weit im Westen ein Flugzeug. Ein einmotoriges Sportflugzeug, das mit voller Leistung aufstieg. Eine Cessna oder eine Beechcraft oder eine Piper, klein und einsam in der Weite des Himmels. Er zog die Tür auf und glitt auf den Rücksitz. Ohne Handschellen saß er viel bequemer. Er lümmelte sich seitlich hin, wie er’s in einem Taxi oder einer Limousine mit Fahrer getan hätte. Der Cop beugte sich mit einer Hand auf dem Dach und einer an der Tür zu ihm hinein und sagte: »Wir meinen’s ernst. Kommen Sie zurück, verhaften wir Sie, und Sie verbringen dreißig Tage in derselben Zelle. Immer vorausgesetzt, dass Sie uns nicht schief ansehen und wir Sie wegen Widerstands bei der Festnahme erschießen.«

»Sind Sie verheiratet?«, fragte Reacher.

»Warum?«

»Hab ich mir gedacht. Sie wichsen anscheinend lieber.«

Der Cop blieb sekundenlang reglos stehen, dann richtete er sich auf, knallte die Tür zu und stieg vorn ein. Er rollte die Straße entlang, bog rechts ab und fuhr nach Norden. Sechs Blocks bis zur Main Street, überlegte Reacher sich. Biegt er links ab, fährt mich nach Westen weiter, belasse ich’s vielleicht dabei. Biegt er rechts ab, bringt mich nach Osten, in Richtung Hope zurück, tue ich’s vielleicht nicht.

Reacher hasste es umzukehren.

Rastlose Fortbewegung war sein Credo.

Sechs Blocks, sechs Stoppschilder. Vor jedem bremste der Cop gefühlvoll, wurde langsamer und sah nach links und rechts, bevor er weiterfuhr. An der Main Street kam er ganz zum Stehen. Er zögerte kurz. Dann gab er Gas und drehte das Lenkrad.

Und bog rechts ab.

Nach Osten.

In Richtung Hope zurück.

8

Reacher sah das Geschäft für Haushaltswaren, die Tankstelle, das ehemalige Motel und das unbebaute Grundstück an sich vorbeiziehen, und dann beschleunigte der Cop auf stetige sechzig Meilen in der Stunde. Die Reifen rumpelten auf der unebenen Fahrbahn, und aufgewirbelter Split prasselte gegen den Unterboden oder spritzte übers Bankett davon. Zwölf Minuten später wurde der Wagen langsamer, rollte aus, wurde gebremst und kam zum Stehen. Der Cop stieß die Fahrertür auf, stieg aus, legte die Rechte auf den Griff seiner Pistole und öffnete die hintere Tür.

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