Perry Rhodan 3143: Paradies entführt! - Verena Themsen - E-Book

Perry Rhodan 3143: Paradies entführt! E-Book

Verena Themsen

0,0

Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan. In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das kaum etwas bekannt ist. Aber es gibt nicht nur Schatten und Bedrohungen, sondern auch Hoffnungen. Eine basiert auf der Transmittertechnologie der Akonen – aber plötzlich heißt es: PARADIES ENTFÜHRT!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 154

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 3143

Paradies entführt!

Ein Planet verschwindet – Atlan auf ungewöhnlicher Rettungsmission

Verena Themsen

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Erstkontakt

Straßen und Schlaglöcher

Der Tag der vielen Sonnen

Kein Fähnchen am Postfach

Der Weg der Sterne

Von Kugeln und Blasen

Die lichtlose Nacht

Shiwus Kampf

Die kosmische Bühne

Glossar

Risszeichnung Mini-Space-Jet der SIGA-Klasse

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2071 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5658 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Als man aber in der Liga Freier Galaktiker erfährt, dass in der Nachbarschaft der Milchstraße ein sogenannter Chaoporter gestrandet sei, wird unverzüglich ihr größtes Fernraumschiff in Marsch gesetzt: die RAS TSCHUBAI, unter dem Kommando von Perry Rhodan.

In der Milchstraße übernehmen derweil die Kastellane wichtige Machtpositionen – es sind relativ Unsterbliche unterschiedlicher Völker, die als spezielle Eingreiftruppe von ES gelten. Zudem wurde mitten in der Galaxis eine Yodor-Sphäre entdeckt, ein geheimes Bauprojekt der Kosmokraten, über das kaum etwas bekannt ist. Aber es gibt nicht nur Schatten und Bedrohungen, sondern auch Hoffnungen. Eine basiert auf der Transmittertechnologie der Akonen – aber plötzlich heißt es: PARADIES ENTFÜHRT!

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der Zellaktivatorträger kämpft mit der Bürokratie.

Meve von Pikur – Die Kosmobiologin kämpft für ein Volk.

Deena von Prasior – Die Wissenschaftlerin kämpft um Erkenntnis.

Skrul

Erstkontakt

November 2049 – März 2060 NGZ

Der Abendwind hatte dicke Wolken vom Ozean tief ins Land getrieben. Sie stauten sich an den Spitzen der Mitanas-Bergkette über dem dichten Bergwald, unter dessen verwobenem Blätterdach Meve von Pikur auf einem der obersten Äste eines Urwaldriesen saß. Die tief stehende Sonne küsste die Wolkenunterseiten mit ihren grellweißen Strahlen und konturierte deren Gestalt mit wechselnden Grau- und Gelbtönen. Unvermittelt stürzten Regenschleier herab, legten ihren Weichzeichner über Berge und Wald und brachten die Blätter zum Rauschen.

Meve aktivierte einen niederenergetischen Prallschirm, der ausreichte, um die Wassertropfen abzuleiten, und atmete die feuchtigkeitsschwangere Luft tief ein. Die einsetzende Kühle tat gut nach der drückenden Schwüle, die gegen Ende des – nach ihren eigenen Zeitstandards wochenlangen – Planetentages geherrscht hatte. Deshalb nutzte sie das Prallfeld, statt den Helm ihres Einsatzanzugs zu schließen, der sie völlig von der Umwelt abgeschottet hätte.

Ihre Aufmerksamkeit galt allerdings nicht dem Wetterereignis oder dem Wald, der von Windböen in wellenartige Bewegung gesetzt wurde, so überwältigend sie die unberührte Landschaft des Planeten mit ihren verflochtenen Baumriesen auch fand.

Am Anfang hatte sie sich kaum sattsehen können, wenn während des langen Morgens und Abends die tief stehende Sonne die zahlreichen Grüntöne der Baumkronen zum Leuchten brachte. Mit allen durch Farbstoffkombinationen in den Lichtsammlern möglichen Farbvarianten und Helligkeiten von sattem Grün bis fast zum kompletten Schwarz bot sich ein stets wechselhaftes, faszinierendes Licht- und Schattenmuster – und das oft genug innerhalb der Krone eines einzelnen Baumes.

Die Flora dieser Welt im Orbit um einen leuchtschwachen weißen Zwerg konnte es sich nicht leisten, auch nur ein Quäntchen Licht zu verschwenden. Alles wurde in den fleischigen Blättern aufgefangen, notfalls in brauchbare Wellenlängen konvertiert und entweder sofort für Wachstumsprozesse genutzt oder in energiespeichernde Verbindungen umgesetzt, die als Nahrungsdepots entlang der Stämme und in den Wurzeln angesammelt wurden. Die komplexen Symbiosen, die diese optimale Energienutzung ermöglichten, brachten jeden Kosmobiologen ins Schwärmen. Diesmal aber ignorierte Meve sie.

Ihre Aufmerksamkeit galt auch nicht der bunten Biodiversität, die sich unter dem schützenden Dach inmitten des verbleibenden Zwielichtes ausbreitete. Eine Unmenge Symbiosen begannen dort. Pilze und Rankpflanzen hatten ihre Wurzelfäden in die Stämme getrieben, profitierten von den transportierten und deponierten Energieträgern und gaben dafür Nähr- und Farbstoffe zurück, die der Baum nicht selbst synthetisieren konnte.

Gleichzeitig schwängerten ihre bunt schillernden und vielfältig geformten Blüten, pumpenden Sporenrüssel und aromatisch duftenden Schwenkblätter die Luft mit Samen, Sporen und Lockstoffen. Sie stellten gleichzeitig Nahrung und Gefahr für die unzähligen Kleinlebewesen dar, die auf und zwischen den Stämmen im nach unten immer tiefer werdenden Schatten des Blätterdachs liefen, sprangen, schwebten und surrend flogen.

Dort schloss sich wieder ein Kreis: Wer auf der Suche nach immer weiteren Sporen und Pollen den falschen Lockstoffen zu ihrer Quelle folgte, landete nicht selten zappelnd im Inneren einer Blätterkugel oder eines Kelches, um langsam selbst in Nährstoffe für seine Nahrungsspender umgewandelt zu werden.

Nein, friedlich war die Umwelt des sonnennächsten Planeten von OI-11587-523 nicht. Das war aber nicht weiter überraschend. Vom Anbeginn des Lebens an, selbst im Zustand einzelliger Urorganismen, galt das Prinzip von Fressen und Gefressenwerden, um den Kreislauf zu erhalten. Nicht selten war dies sogar der Ursprung von Symbiosen gewesen, als die Opfer lernten, sich im Inneren des Fressfeindes zu schützen und sich für ihn nützlich zu machen, was ihnen erlaubte, sich gemeinsam mit dem erfolgreichen Räuber zu vermehren.

Was allerdings nicht auf jedem Planeten mit einer Biosphäre vorkam, beobachtete Meve gerade mit Fernoptikfeldern unten am Waldboden. Dort brachten sich mit weiten Sprüngen einige Wesen unter etwas in Sicherheit, das Meve nur als planvoll gebauten Unterstand ansehen konnte. Die aus langen jungen Stämmen, kräftigen Ästen und Blattwedeln zusammengestellten, zeltartigen Gebilde waren ihr schon ein paarmal aufgefallen, aber nun sah sie zum ersten Mal ihre Erbauer.

Meve schätzte, dass sie ihr bestenfalls bis zur Brust reichten, einige waren auch deutlich kleiner. Ihr seidig wirkendes, kurzes Fell war in Brauntönen gescheckt, in der Waldlandschaft eine hervorragende Tarnung. Gleichzeitig bedeutete es für Meve eine Möglichkeit, Individuen voneinander zu unterscheiden. Sie ließ die Aufnahmefunktion mitlaufen, um später die Mitglieder der Gruppe in Ruhe zu identifizieren.

Die Körper der Wesen wirkten massiv, was einen guten Schutz gegen die Kälte der langen Nacht bedeutete. Die stämmigen Beine verfügten über zwei ausgeprägte Sprunggelenke, die die meisten im Moment zur schnellen und nahezu lautlosen springenden Fortbewegung über den moosigen Waldboden nutzten, wobei sie die Oberkörper mit den in kurzen Schnauzen auslaufenden Köpfen nach vorne und die dünnen, langen Schwänze nach hinten streckten. Mit ihren Armen hielten sie etwas gegen die Brust gedrückt, das Meve von oben nicht erkennen konnte; vielleicht Nahrung oder Blätter für weitere Schutzdächer.

Einige Individuen, die Meve wie Späher oder eine Rückendeckung vorkamen, bewegten sich allerdings mit leeren Armen über ihren Artgenossen durch die Bäume. Dabei nutzten sie ihre dreifingrigen Hände und die Schwänze, um mal flink an Ästen und Stämmen entlangzuklettern und -laufen, mal sich an Ranken weiterzuschwingen und auch mal lange Sprünge zu absolvieren. In der Vergrößerung beobachtete Meve, wie die leicht hervorspringenden Augen und die seitlich an den Köpfen sitzenden, spitzen Ohren dieser Individuen ständig in Bewegung blieben, als versuchten sie, jeden Hinweis auf Gefahren sofort aufzufangen.

Schließlich waren alle, die am Boden entlanggerannt waren, in den schützenden Unterständen verschwunden. Meve aktivierte ihren Antigravgürtel und ließ sich vorsichtig zwischen den Ästen und Ranken auf den Waldboden sinken, wo sie mittels der Vergrößerungsoptik und Lichtverstärkung einen Blick in einen der Unterstände riskieren wollte. Die Späher postierten sich derweil oberhalb der Unterstände auf den Ästen umgebender Bäume unter schützenden Blattwedeln.

Ein Ruf erweckte Meves Aufmerksamkeit: Einer der Wächter sah genau in ihre Richtung, als könnte er sie trotz des Deflektorfeldes sehen. Wieder stieß er den hohlen Ruf aus, und nun deutete er sogar in ihre Richtung. Andere Wächter sahen zu ihr herüber, gaben ebenfalls hohl klingende, abgehackte Lautfolgen und Klickgeräusche von sich und machten Gesten, als beschirmten sie etwas.

Meve begriff: Ihr Prallschirm führte die von den Blättern rauschenden Regentropfen nicht nur um sie herum. Über ihrem Kopf zersprangen die Tropfen an dem Feld, und dort, wo sie abgeleitet wurden, kollidierten sie mit anderen Regentropfen. Der obere Teil ihrer Silhouette musste sich dadurch klar abzeichnen.

Sie desaktivierte den Prallschirm und schwebte dicht an einen Baumstamm heran.

Sofort glitten die Blicke der Wächter von der Stelle fort, an der sie zuvor gewesen war, streiften suchend nach links und rechts, fanden sie aber nicht mehr. Noch immer stießen die Shiwu Lautfolgen aus und gestikulierten in ihre ungefähre Richtung. Langsam beruhigten sie sich aber und nahmen schließlich wieder ihre Beobachtung der gesamten Umgebung auf.

Meve richtete währenddessen Optikfelder und akustische Sensoren auf einen Unterstand aus, durch dessen schmalen Zugang der restlichtverstärkte Blick ins dunkle Innere möglich war.

Mit flach zulaufenden Ästen, die sie in beiden Händen hielten, hoben dort zwei der Wesen zwischen den Baumwurzeln eine Grube aus. Die anderen schlugen mit Fingern und Schwänzen geschickt breite Blätter um die Vorräte zusammen, die sie in den Schutz des Unterstands getragen hatten, und schlangen Ranken darum. Dabei tauschten sie leise und von Gesten begleitete Laute aus.

Die Meldung des Translators, dass er eine einfache Lautsprache identifiziert und genug Daten für eine erste, grobe Übersetzung gesammelt hatte, überraschte Meve nicht. Was sie vor sich sah, waren definitiv die Anfänge von Intelligenz.

Die Aufregung, die sie bereits bei der Reaktion der Wächter erfasst hatte, steigerte sich. Auf diesem unberührten Planeten, fernab aller Routen, hatte dieses Volk die Chance, seinen ganz eigenen Weg zu gehen. Und sie, Meve von Pikur, würde sie ein Stück weit auf diesem Weg begleiten und dokumentieren, wie alles angefangen hatte ...

Wie ein Schwall eiskalten Wassers überfiel sie die Erinnerung, warum sie hier war. Die Begeisterung ertrank und hinterließ ein Gefühl ohnmächtiger Hilflosigkeit.

Denn diese Intelligenz würde nie die Chance haben, sich zu entfalten.

*

Meves Einschätzung des intellektuellen Potenzials der Shiwu bestätigte sich während der Forschungskampagnen der nächsten Jahre weiter. Bald ersuchte sie um eine dauerhafte Stationierung auf der Welt der Shiwu, um sich ganz dem ethno-zoologischen Studium dieses nun als halbintelligent anerkannten Volkes widmen zu können. Ihrem Wunsch wurde entsprochen, nicht zuletzt, weil ihre Familie über Finanzen und einen gewissen Einfluss in der Akonischen Räterepublik verfügte, aus deren Wissenschaftskreisen der Impuls für diese Expedition gekommen war. Außerdem leitete ihr Bruder die Forschungsstation vor Ort und hatte sie eingeladen.

Was ursprünglich nur eine Mission zur Erforschung und Archivierung der biologischen Vielfalt einer vom Untergang bedrohten Welt hätte sein sollen, bekam für sie einen völlig anderen Charakter.

Kaum hatte sie ihre dauerhafte Arbeit aufgenommen, machte sie es sich zur Aufgabe, die ganze Galaxis auf das Schicksal dieses Volkes aufmerksam zu machen. Sie erstellte Präsentationen über die Forschungsergebnisse zu den Shiwu und ihrer Welt, die sie bei jeder einigermaßen renommierten Universität vortrug. Sie reichte Anträge bei Forschungsorganisationen und Petitionen bei Regierungen ein, um Mittel und Wege für die Rettung der Shiwu zusammenzutragen. Mit schöner Regelmäßigkeit beantragte sie sogar Redezeit in allen möglichen politischen Gremien, die damit zu tun haben könnten.

Doch auch fast zehn Jahre nach dem ersten Kontakt hatte sie zwar viele gut gemeinte Ratschläge zur Stabilisierung der Sonne oder einer Umsiedlung der Shiwu bekommen und sogar Zusagen über einige Hilfsgelder erhalten, war aber weit von einer umfassenden Lösung des Problems entfernt.

»Wir müssen mehr für die Shiwu tun können, Trond. Mehr, als nur zu reden und zu reden, während ihre Sonne ihren Untergang vorbereitet!«

Illustration: Swen Papenbrock

Meve starrte durch die große Panoramascheibe auf den Wald unten im Tal. Ihre Forschungsstation hing wie ein Kliffvogelnest gut getarnt im Gestein einer Felswand, was ihnen einen weiten Rundblick über die atemberaubende Landschaft erlaubte. Die Berge waren nicht hoch und meist komplett bewaldet; lediglich an Felsabbrüchen wie dem, an dem sie lebten und ihre Forschungsdaten auswerteten, trat das von hellen Gneißadern durchzogene Granitgestein dieser Region des Nordkontinents hervor.

In der Ferne schlängelte sich das breite Band des von den Shiwu Onkuukua genannten Flusses zwischen meist flachen Sumpfgewächsen dem Ozean entgegen. Wo es nicht von Wolken oder nahen Waldausläufern beschattet war, glitzerte das träge Wasser im Sonnenlicht.

Der Wasserstand war hoch. In den fernen Küstengebieten lagen die Böden der Netzwurzelwälder zur Zeit meterhoch unter dem Brackwasser – wie immer während des Tages, wenn die nahe Sonne ihre Gezeitenwirkung ausübte. Die Natur war darauf eingestellt, brauchte diese regelmäßigen Salzgaben sogar und blühte in der Folge während der Dämmerung farbenprächtig lumineszierend auf.

Alles wirkte paradiesisch. Und bald würde es in einer Hölle flammenden Gases untergehen.

Trond von Pikur seufzte. »Gedulde dich, Schwester. Du weißt, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen. Wir haben unsere Berichte in der Wissenschaftsgemeinschaft verbreitet und an die Vertreter aller Völker verteilt, von denen wir uns Mittel zur Umsiedlung der Shiwu erhoffen können. Aber es gab nach dem Abzug der Cairaner drängendere Probleme als die Rettung einer halbintelligenten Spezies, und es ist nicht gerade so, als stünde die Katastrophe unmittelbar bevor.«

Meve wandte sich um und musterte ihren Bruder, der an seinem Schreibtisch im seitlichen Bereich ihres großzügig ausgelegten Wohn- und Arbeitsraumes saß und Daten sichtete. Sie bewunderte die Geduld, mit der Trond ihren Ausbrüchen begegnete.

Es war jedes Mal dasselbe, wenn sie von ihren Expeditionen zurückkehrte: Je mehr sie über die Shiwu und ihr auf einem unglaublichen Maß an Kooperation aufgebautes Zusammenleben wusste, umso mehr schmerzte sie das Wissen, dass alles vorbei sein würde, lange bevor sie die Chance hatten, wirkliche Intelligenz zu erlangen und irgendwann zu den Sternen zu reisen. Dass ihr eigenes Volk einst mit Drorah seine Urheimat und die Wurzeln verloren hatte, verstärkte zudem ihr Mitgefühl für dieses Volk, dessen ganze Existenz auf dem Spiel stand.

Schon bei der Entdeckung von OI-11587-523 – Googragdoo, wie Meve den Weißen Zwerg für sich benannte, nach dem Wort der Shiwu für ihr Taggestirn – war registriert worden, dass der Stern auf seiner Reise um das galaktische Zentrum in dichte Bereiche einer Wasserstoffwolke vorstieß.

Das war mehrere Tausend Jahre her, und inzwischen hatte der Stern eine erkleckliche Menge Wasserstoffs um sich akkumuliert. Analysen prophezeiten, dass in wenigen Hundert Jahren die kritische Masse erreicht war, ab der eine Zündung erfolgen und der Stern sich wieder zu einem Roten Riesen zurückentwickeln würde – ein Schicksal, das normalerweise Doppelsternen vorbehalten war, in denen der Weiße Zwerg Materie von seinem Begleiter absog.

Die damit verbundene Aufblähung der Hülle würde das Aus für die gesamte Biosphäre seines einzigen belebten Planeten bedeuten. Zurück bliebe bestenfalls ein verbrannter Klumpen Eisenschlacke, oder aber die gesamte Materie würde vergehen und mit dem Sonnenwind in den nächsten Zyklus aus Werden und Vergehen übertreten. Das war der Grund, weshalb eine Forschungsmission zur Dokumentation und Archivierung der Biosphäre unternommen worden war.

Trond fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und runzelte die Stirn. »Meve, da ist eben ein Raumschiff unangekündigt am Systemrand materialisiert. Jemand von dort verlangt, umgehend mit mir zu sprechen. Es scheint um eine dringliche und hochoffizielle Sache zu gehen. Schau dir mal das Empfehlungsschreiben hier an!«

Meve wandte sich von der Panoramascheibe ab und ging über den dunklen Holzboden, dessen Material sie aus von einem Sturm gefällten Bäumen gewonnen hatten, zu den zwei Stufen, die den Wohn- vom Arbeitsbereich trennten. Sie trat um den geschwungenen Schreibtisch herum.

Trond deutete auf das Holo, in dem das bereits von der Positronik per Codeschlüssel verifizierte Legitimationsschreiben schwebte. »Sie haben das hier vorab geschickt. Es ist eine Anweisung, die Besucher in allem zu unterstützen und ihnen alle Daten zugänglich zu machen, an denen sie Interesse bekunden.«

Meve erkannte das erste Signet in der rechten oberen Ecke der Nachricht sofort. Es war das des Akonischen Wissenschaftsrates, ihres höchsten Vorgesetzten. Er fungierte somit als federführender Absender der Nachricht. Darunter folgte das Abbild des alten arkonidischen Dreiplanetensystems Tiga Ranton mit stilisiertem Kugelsternhaufen in der Mitte, das die Vereinigten Sternenbaronien Thantur als ihr Abzeichen benutzten. Meve konnte allerdings nicht zuordnen, zu welchem Amt oder welcher Organisation die Ausführung mit doppeltem goldenem Rand gehörte. Als drittes erschien der stilisierte Etappenhof, der für das akonisch-cheborparnische Etappentransmitterkonsortium stand.

»Wollen sie einen Etappentransmitterhof hierher verlegen?«, fragte Meve. »Womöglich sogar, um die Shiwu zu evakuieren? Aber was haben die Arkoniden damit zu tun? Wessen Siegel ist das überhaupt? Wissenschaftsministerium?«

»Nein. Es ist das Siegel des Thantur-Barons.«

Meve riss die Augen auf. »Larsav da Ariga persönlich?«

»Gewissermaßen. Man könnte auch sagen, es geht um etwas, das amtlich von höchster Stelle in den Vereinigten Sternenbaronien beschlossen wurde, also dem Rat aller Kristallbarone. Der Thantur-Baron verleiht dem dann lediglich als ausführendes Organ sein Siegel. Was durchaus bemerkenswert ist, denn obwohl wir hier in arkonidischem Terrain sind, kümmert sich normalerweise keine so hohe Instanz um unsere Belange.«

Meve hörte schon nicht mehr zu. Sie las das Schriftstück, fand darin jedoch keine weiteren Informationen.

»Ich nehme das Gespräch an«, sagte Trond. »Wenn du willst, kannst du dabeibleiben.«

Meve machte eine zustimmende Geste und rief mit einer weiteren einen zweiten Schwebesessel heran. Kurze Zeit später flammte das Konferenzholo vor ihnen auf.

Drei Personen erschienen am plötzlich verlängert wirkenden Tisch. Der eine war ein älterer Akone in einem schlichten Anzug, den Meve einmal auf einer Festveranstaltung im Rahmen einer großen Wissenschaftstagung gesehen hatte. Neben ihm saß eine cheborparnische Person, deren Hornspitzen zu unspezifisch ausgerichtet waren, um Meve mit ihrer geringen Erfahrung im Umgang mit diesem Volk eine klare Geschlechtszuweisung zu ermöglichen. Auch sie trug das, was Cheborparner als Geschäftsanzug verstanden. Auf Meve wirkte es eher wie eine Ausgehuniform.

Auf dem dritten Platz saß mit geradem Rücken und auf der Tischplatte gefalteten Händen eine Arkonidin mit seitlich kurz gestutztem und darüber etwa fingerlangem Haar, deren herbe Züge und große Augen gleichzeitig aristokratische Distanziertheit und offene Neugierde ausdrückten. Meve erkannte sie sofort: Es war Otha da Quertamagin, die Ehefrau des Thantur-Barons, die oft in wichtigen Angelegenheiten als seine Abgesandte fungierte.

»Ich begrüße euch«, ergriff ihr Bruder das Wort, ohne sich von der hochadligen Präsenz beeindruckt zu zeigen. »Ich bin Trond von Pikur, der wissenschaftliche Leiter dieses Archenprojektes, das wir mit Genehmigung des arkonidischen Wissenschaftsministeriums und in Zusammenarbeit mit dessen Stellen durchführen. Bei mir ist meine Schwester Meve, die führende Kosmozoologin und Ethnologin des Projektes und meine Stellvertreterin. Wie können wir euch helfen?«

»Ich bin Malvok Unden, Mitglied des Beraterstabs des Wissenschaftsrats und Verbindungsmann zum Etappentransmitterkonsortium«, sagte der Akone. »Bei mir sind Loskoda Triszparitesze, wirtschaftlicher Berater des Etappentransmitterkonsortiums, und die Hochedle Otha da Quertamagin.«

Sie tauschten während der Vorstellung Grußgesten aus. Sofort im Anschluss platze Meve mit der Frage heraus, die ihr auf den Nägeln brannte:

»Soll ein Etappentransmitter im Googragdoosystem installiert werden? Gibt es endlich Pläne zur Rettung der Shiwu?«

Otha da Quertamagin hob leicht die Augenbrauen, was ihrem Blick den Anschein von tiefem Erstaunen gab. »Googragdoosystem?«

»Die Shiwu nennen ihre Sonne so«, erläuterte Trond. »Entschuldigt meine Schwester; dieses indigene Volk von Halbintelligenzen liegt ihr sehr am Herzen.«